Aggression

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Sozialpsychologie
Aggression 1
Sozialpsychologie 2
Definition von aggressivem Verhalten:
• Verhalten, das zu persönlichen Verletzungen oder zur Zerstörung von
Eigentum führt (Bandura, 1973).
• Verhalten, das die Verletzung von Mitgliedern der eigenen Spezies intendiert
(Scherer, Abeles & Fischer, 1975).
• Willentliches Zufügen von Leid (Baron & Byrne, 2000).
Unterscheidung zwischen
• instrumenteller Aggression (Mittel zum Zweck, z.B. Bankraub)
• Und feindseliger Aggression
(Anderson & Bushman, 2002)
Aggression
(revidierte Version 12. 5. 2010)
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Messung von aggressivem Verhalten:
Biologische Erklärungen:
• Schlagen einer Plastikpuppe (Bandura, Ross & Ross, 1963)
• Drücken eines Knopfes zum Verabreichen eines elektrischen Schlags (Buss,
1961)
• Bewertungen der Aggressivität durch Beobachter (z.B. Lehrer, Mitschüler;
Eron, 1982)
• Selbstbeschreibungen von früheren aggressiven Verhaltensweisen (Leyens,
Camino, Parke & Berkowitz, 1975)
• Bereitschaft, in einem nachfolgendem Experiment aggressives Verhalten zu
zeigen (Geen, 1978)
Aggression als Trieb (Riopelle, 1987):
• • • • • • Zielorientiert (drückt sich in einer spezifischen Verhaltenskonsequenz aus)
Nützlich für das Individuum oder die Spezies
Angepasst an die Umwelt
Wird von den meisten Mitgliedern der Spezies ausgeführt
Entwickelt sich im Laufe des Lebens
Unabhängig von Lernerfahrung
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Psychodynamische Theorie (Freud, 1930): Dichotomie der Triebe,
Todestrieb (Thanatos) und Liebestrieb (Eros)
Ethologie (Verhaltensforschung, Lorenz, 1966): Aggression hat eine
wichtige Überlebensfunktion, sichert Ressourcen und
Dominanzhierarchien
Aggression wird durch Umweltauslöser aktiviert und de-aktiviert (z.B.
unterlegene Hunde legen sich auf den Rücken)
Hormone:
Erhöhte Werte von Testosteron können zu aggressiverem Verhalten führen
(Gladue, 1991; Berman, Gladue & Taylor, 1993).
Korrelation zwischen Aggression und Testosteron ist aber eher gering:
r=.14 (Book, Starzyk, & Quinsey, 2002).
Dass Testosteron erhöhte Aggression auslösen kann, wurde bei Transsexuellen,
die eine Hormonbehandlung erhielten, nachgewiesen (Van Goozen et al,
1995; Cohen-Kettenis & van Goozen 1997).
Evolutionäre Sozialpsychologie (Buss, 1999; Simpson & Kenrick, 1997):
Spezifisches Verhalten hat sich herausgebildet, das unser Überleben bis zur
Geschlechtsreife und Fortpflanzung sichert und der nächsten Generation
vererbt wird.
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Geringe physiologische Erregung:
Wenig Serotonin:
Kinder und Erwachsene mit auffälligem antisozialen Verhalten haben
niedrigere Herzfrequenz (Raine, 1993) und geringeren Blutdruck (Rogeness
et al., 1990).
Raine et al. (1990) Männer, die mit 15 Jahren eine niedrigere Herzfrequenz,
Hautleitwert und EEG-Werten aufwiesen, hatten in einer
Nachfolgeuntersuchung (9 Jahre später) mehr Verbrechen verübt.
Interpretation:
(a) Niedrig Aktivierte spüren während der Ausführung aggressiver
Handlungen keine negativen Affekte bzw. evaluieren ihre Handlungen
weniger negativ (Huesman, 1997).
(b) Aufgrund der aggressiven bzw. risikoreicheren Handlungen erreichen die
Personen erst einen optimalen Erregungslevel (Anderson & Huesman,
2003).
Personen, die geringe Werte in der Serotonin-Ausschüttung aufweisen, sind
aggressiver (Miczek et al., 1994; Virkkunen et al., 1989).
Feindseligkeit, impulsives Verhalten, Selbtmordversuche korrelieren ebenfalls
mit einem Mangel an Serotonin (Oreland et al, 1981; Rydin et al., 1982).
Interpretation:
Der Mangel an Serotonin führt zu einem Unvermögen, impulsive Reaktionen
auf Provokationen und aversive Reize zu unterdrücken (Linnoila et al.,
1983).
Die Aufgabe des Serotonins ist aktive Reaktionen zu unterdrücken und passive
Reaktionen auf externe Reize zu fördern (Soubrie, 1986).
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Alkohol:
Alkohol reduziert die kortikale Kontrolle und fördert die Aktivierung in
basaleren Hirnregionen.
Alkohol fördert aggressive Verhaltensweisen (Bushman & Cooper, 1990;
Bartholow, Pearson, Gratton & Fabiani, 2003; Giancola, 2003).
Alkoholiker sind aggressiver (Bailey & Taylor, 1991) und auch Personen, die
eher weniger Alkohol trinken, werden unter Alkoholeinfluss aggressiver
(LaPlace, Chermack & Taylor, 1994).
Taylor & Sears (1988): männl. Vpn, 2 VG: Alkohol / Placebo-Konsumation,
mussten an einem Reaktionswettbewerb teilnehmen. Der Verlierer bekam
vom Gewinner einen elektrischen Schock verabreicht. Der Gewinner
wurde in einer Phase des Experiments von einem Beobachter
aufgefordert, starke Schocks zu verabreichen (starker sozialer Druck).
Prozentsatz der Bestrafung mittels starker elektrische Schocks in Abhängigkeit
von Alkoholkonsum und sozialem Druck (Taylor & Sears, 1988)
60
50
40
30
Alkoholisiert
Placebo-Bedingung
20
10
0
erster Block (kein zweiter Block
dritter Block
sozialer Druck) (leichter sozialer (starker sozialer
Druck)
Druck)
vierter Block
(kein sozialer
Druck)
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Biosoziale Erklärungen
Bartholow, Pearson, Gratton & Fabiani (2003): Personen, die unter
Alkoholeinfluss stehen, können
• Keine positiven Eindrücke gewinnen, um aggressive Handlungen zu
reduzieren
• Keine negativen Eindrücke abschwächen, sodass potentiell furchterregende
Personen weniger gefährlich erscheinen.
Frustrations-Aggressionshypothese (Dollard, Doob, Miller, Mowrer,
Sears, 1939):
Aggression ist immer und ausschließlich die Wirkung von Frustration.
Jede Verhinderung, Unterbrechung oder Störung eines
zielgerichteten Verhaltens ist Frustration.
Modifizierte Version der F-A-Hypothese (Berkowitz, 1962): Frustration
erhöht die Bereitschaft zu aggressiven Handlungen. Ob es tatsächlich
zu Aggressionen kommt, hängt von situativen Faktoren ab (z.B.
Vorhandensein eines geeigneten Opfers).
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Attribution der Frustration spielt eine Rolle:
Vermehrte Aggression wird gezeigt, wenn ein Ziel absichtlich blockiert
wird (Jones & DeCharms, 1957).
Ungerechtfertigte Frustrationen lösen mehr Aggressionen aus (Kulik &
Brown, 1979).
Erhöhte Aggressionsneigung tritt auf, wenn die Frustrationsursache als
kontrollierbar angesehen wird (Weiner, 1986).
Erregungs-Transfer-Modell (excitation-transfer model, Zillmann,
1979):
Das Zeigen von aggressiven Verhalten ist eine Funktion aus
• Den gelernten aggressiven Verhaltensweisen
• Der Erregung aus einer anderen Situation
• Der Interpretation, dass die Erregung aus der momentanen Situation resultiert.
Die Katharsis-Hypothese:
Durch das Ausleben von Aggression wird der Aggressionstrieb kurz- bis
mittelfristig vermindert (Dampfkesselmodell). -> sehr populäre Ansicht
Geen & Quanty (1977): Die Abnahme der Aktivierung ist nicht die Regel,
wenn
(1) die Zielperson mächtiger ist als der Aggressor,
(2) Aggression eine unpassende Reaktion in der gegebenen Situation ist,
(3) Der Aggressor zu Schuldgefühlen neigt.
Bushman, Baumeister & Stack (1999): Das Lesen eines Pro-Katharsis-Artikels
führte in einer Ärger-Situation zu einem erhöhtem Wunsch nach
aggressiver Handlung (einen Sandsack schlagen, Studie 1).
Das tatsächliche Ausleben der Aggression (einen Sandsack schlagen)
führte zu einer erhöhten Aggression gegenüber einer weiteren Person,
wenn sie einen Pro-Katharsis Artikel gelesen hatten! (Studie 2)
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Anderson, Carnagey & Eubanks (2003): Aggressive Rock-Lieder führen zur
Tendenz, in mehrdeutigen (ambiguen) Situationen an Aggressionen zu
denken!
Aggressive Personen sehen Fremde als feindselig an (hostile world schema;
Dodge et al., 1990).
Aggressive Studenten nehmen mehr Aggression in beobachteten Interaktionen
wahr und erwarten, dass sich andere Personen aggressiver verhalten (Dill et
al. 1997).
Lernen durch Beobachtung (Bandura, 1965):
Aus der Beobachtung, dass jemand anderer mit einem bestimmten
Verhalten erfolgreich ist, entsteht die generalisierte Erwartung, dass
dieses Verhalten als solches positive Konsequenzen nach sich zieht.
Es werden jene Personen imitiert, die Macht (Kontrolle) über negative
und positive Verstärker besitzen (Bandura, Ross & Ross, 1963). Neid
und Freundlichkeit spielen eine geringere Rolle.
Aggression tritt nach Bandura auf, wenn
• Die Person bereits Erfahrungen mit aggressiven Verhalten gemacht hat
• Das aggressive Verhalten in der Vergangenheit erfolgreich war
• Die Wahrscheinlichkeit für eine positive Konsequenz (Belohnung) hoch und
für eine negative Konsequenz (Bestrafung) niedrig ist
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Das klassische Experiment von Bandura (1965):
Vpn: 33 Buben, 33 Mädchen
Stimulusmaterial: Film (Erwachsener („Rocky“) verhält sich aggressiv
gegenüber einer Spielpuppe: tritt sie, beschimpft sie, setzt sich auf sie,
schmeißt sie zur Seite,)
VG 1: Eine zweite erwachsene Person betritt den Raum und lobt Rocky für sein Verhalten
(„strong champion“) gibt ihm Süßigkeiten und ein Seven-Up zu trinken.
VG 2: Eine zweite erwachsene Person betritt den Raum und tadelt Rocky („... I won‘t
tolerate that), schlägt ihn mit einem zusammen gefaltenen Magazin und sagt ihm
dann: „If I catch you doing that again, you big bully, I‘ll give you a hard spanking.
You quit acting that way.“
VG 3: sah keine Konsequenzen
Danach: Kinder durften in einem Nebenraum spielen und wurden 10 Minuten
beobachtet
Anschließend: Kinder mussten das gesehene Verhalten von Rocky nachahmen
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Strauss, Sugarman & Giles-Sims (1997): Körperliche Züchtigung von Kindern
führt zu antisozialem Verhalten der Kinder. Je mehr die Kinder gezüchtigt
wurden, desto anti-sozialer haben sie sich nach zwei Jahren verhalten!
Persönlichkeitsfaktoren:
Kinder, die mit 8 Jahren aggressiv waren, sind es auch später in ihrem Leben
(Huesmann & Guerra, 1997).
Personen, die chronisch aggressiv sind, schreiben auch anderen Menschen
leichter aggressive Intentionen zu (Graham, Hudley & Williams, 1992)
Narzissten sind ebenfalls aggressiver (Bushman & Baumeister, 1998).
Typ-A Persönlichkeiten (überaktiv, exzessiv wettbewerbsorientiert, feindselig
und unter Zeitdruck) zeigen erhöhte Aggression in belastenden Situationen
und schlagen eher ihre Kinder (Strube et al., 1984). Sie zeigen diese
Aggressionen eher gegenüber hierarchisch gleichgestellten oder
untergebenen Personen (nicht so sehr gegenüber ihren Vorgesetzten).
Gender (Geschlechtsrollen):
Das Phänomen, dass Männer aggressiver agieren als Frauen kann in den
meisten Kulturen nachgewiesen werden (Eagly & Steffen, 1986; Harris,
1992).
Mädchen und Frauen manipulieren indirekt (z.B. durch Gerüchte und soziale
Ausgrenzung), Burschen und Männer kämpfen eher physisch (Archer &
Coyne, 2005; Björkvist, Lagerspetz & Kaukiainen, 1992).
Meta-Analyse von Conway, Irannejad & Giannopoulos (2005): Aggression
gegenüber einen gegengeschlechtlichen Partner wird entweder ausgeführt
wenn der andere einen niedrigeren Status besitzt oder weiblich ist.
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Disinhibition:
Die hetzende Meute (Mann, 1981):
Eine Reduktion der sozialen Kontrolle führt zu impulsiven Handlungen, die
antisozial, illegal oder unmoralisch sind. Diese kann durch Alkoholkonsum
ausgelöst werden.
Situationsfaktoren
Mediationsprozess
Nacht
Große Gruppe
Distanz zum
!
Opfer
Anonymität
Geringes
Interesse am
Opfer
Deindividuation:
Prozess, der zum Verlust der sozialen individuellen Identität führt und eine
erhöhte unsoziale Handlung auslösen kann
Ergebnis
!
Deindividuation
"
Dehumanisierung:
Einer anderen Person (oder Gruppe) wird ihre menschlichen Würde und
sozialen Rechte abgesprochen.
Lange
Wartezeit
!
Reizbarkeit
Frustration
!
Hetzendes
Verhalten
#
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Temperatur & Aggression:
Bei steigender Temperatur:
Mehr Gewalt in der Familie (Cohn, 1993)
Mehr Selbstmorde (Maes et al., 1994)
Mehr Aggressionen zwischen Gruppen (Carlsmith & Anderson, 1979)
Mehr Gehupe vor Ampeln und Kreuzungen (Kenrick & MacFarlane,
1986)
Bei größeren Temperaturschwankungen am Tag:
Mehr Morde und Vergewaltigungen (Anderson & Anderson, 1984).
Die Beziehung zwischen Gewalttaten und Temperatur folgt einer
invertierten U-Kurve (Halpern (1995), Cohn & Rotton (1997), Cohn &
Rotton (2005)):
9
Daten in der Abbildung
stammen von Cohn &
Rotton (1997); Gewalttaten in Minneapolis
1987-1988.
8
7
6
5
4
Gewalttaten
3
2
1
0
-15 Grad
Celsius
-4 Grad
Celsiius
7 Grad
Celsius
18 Grad
Celsius
29 Grad
Celsius
41 Grad
Celsius
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Aggression 25
Crowding:
Generalisiertes Aggressionsmodell (GMA; Anderson & Bushman, 2002):
Subjektives Gefühl, in einem überfüllten Raum zu sein bzw. zu leben
(D.h. der persönliche Raum wird ständig gestört).
Input
• Je größer die Wohnungsdichte, desto mehr Aggression (Regoeczi,
2003)
• Je mehr Inhaftierte in einem Gefängnis leben, desto mehr Aggression
und Feindseligkeit (Lawrence & Andrew, 2004)
• Je mehr Patienten in einer psychiatrischen Station, desto mehr
physische und verbale Gewalt zwischen den Patienten (Ng, Kumar,
Ranclaud & Robinson, 2001)
Internaler
Status
Abschätzung
Verhalten
Affekt
Person
!
+
Situation
#
Gedankenvoll
"
Kognition
Soziale
Begegnung
"
!
Erregung
Impulsiv
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