Der konkrete Fall als therapeutische Herausforderung

Werbung
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 1
unversum
Die
Fachzeitschrift
der
Österreichischen
Gesellschaft
für
Innere
Medizin
InnereMedizin
SONDERBEILAGE
Diabetes mellitus
Der konkrete Fall als
therapeutische Herausforderung
Diabetes in Pubertät,
Schwangerschaft & Alter
Multiple Kontraindikationen, fortgeschrittene
Spätschäden & seltene Diabetesformen
Massive Insulinresistenz &
unerkannte Blutzuckerschwankungen
05 | 10
Fachkurzinformation siehe Seite 11
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 2
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:57 Seite 3
EDITORIAL
PRIM. UNIV.-PROF. DR. PETER FASCHING
Vorstand der 5. Medizinischen Abteilung mit Rheumatologie, Stoffwechselerkrankungen
und Rehabilitation, Wilhelminenspital der Stadt Wien
Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen!
s ist mir eine große Freude, Ihnen gemeinsam mit Frau Prof. Lechleitner das
neue Sonderheft von UNIVERSUM INNERE
MEDIZIN zum Thema „Diabetes mellitus“
präsentieren zu dürfen.
E
Im Gegensatz zu früheren Ausgaben stehen
diesmal Kasuistiken im Mittelpunkt des Interesses. In einer Zeit, welche zunehmend
von Behandlungspfaden, Leitlinien und evidenzbasierter Medizin dominiert ist, erscheint es nahezu erfrischend, sich wieder
einmal individuellen Patientenbildern zuwenden zu können.
Ausgewählt wurden von den zahlreichen AutorInnen dieser Sonderbeilage didaktisch interessante „Spezialfälle“ von Diabetes-PatientInnen, wie sie uns immer wieder im Alltag begegnen. Neben der Fallpräsentation
wird auch ein kurz gefasster Kommentar zur
Differenzialdiagnostik und zum weiteren klinischen Vorgehen von unseren Diabetes-ExpertInnen abgegeben. Diese Empfehlungen
stehen natürlich im Einklang mit den aktuellen Leitlinien der Österreichischen Diabetes
Gesellschaft (www.oedg.org), wo man bei
entsprechendem Interesse ausführlich die
Details nachlesen kann.
EDITORIAL
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen bei der
Lektüre und bei der „Lösung“ der kniffligen
Fälle viel Spaß und verbleibe mit den besten
Wünschen für einen erholsamen Sommer
Ihr
Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Fasching
PRIM. UNIV.-PROF. DR. MONIKA LECHLEITNER
Interne Abteilung, Landeskrankenhaus Hochzirl
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die angeführten Kasuistiken betreffen auch
den Gestationsdiabetes – die strikten diagnostischen Kriterien, die Therapieziele und
die Indikationsstellung zur Insulintherapie
werden dargestellt.
Eine besondere Herausforderung für die Diabetestherapie stellt die Pubertät dar, physiologische Veränderungen, aber auch unterschiedliche Problemsituationen erschweren
die Blutzuckerkontrolle. Der junge Diabetiker
benötigt Unterstützung hinsichtlich der Bewältigung dieser Herausforderungen mit
dem Ziel, die angestrebte Selbstständigkeit
in der Steuerung der Insulintherapie erfolgreich umzusetzen.
Beim geriatrischen Patienten können unzulänglich erfasste Komorbiditäten, wie kognitive Einschränkungen und Depressionen,
die Umsetzung der Therapieempfehlungen
erschweren. Die Einschränkungen und
besonderen Bedürfnisse älterer Patienten
müssen in der Diabetikerschulung und
Wahl der Therapieform Berücksichtigung
finden.
Weitere Beiträge befassen sich mit der
Therapie des Diabetes bei fortgeschrittenen
diabetischen Spätkomplikationen und bei
ausgeprägter Insulinresistenz.
Die Sonderausgabe ermöglicht dem Leser
eine Vermittlung wesentlicher Inhalte in der
Diabetestherapie anhand von praxisnahen
Beispielen.
Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner
IMPRESSUM
Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Innere Medizin, Univ.-Prof. Dr. Günter J. Krejs, c/o Medizinische Universitätsklinik, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz. Chefredakteur dieser
Ausgabe: Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner, Interne Abteilung, Landeskrankenhaus Hochzirl. Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H., Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien.
Verlagsleitung: Mag. Gabriele Jerlich. Projektleitung: Elisabeth Hönigschnabel. Produktion: Mag. Nicole Scheiber. Redaktion: Dr. Albert Brugger. Lektorat: Peter Lex. Layout/DTP: Martin Grill. Coverfoto: puje - Fotolia.com. Print: „agensketterl“ Druckerei GmbH, Mauerbach. Druckauflage: 10.406 im 1. Halbjahr 2009, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Grundsätze und Ziele
von UNIVERSUM DIABETES: Interdisziplinäre Darstellung der Fachgebiete Diabetes und Innere Medizin. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder
wissenschaftliche Meinung des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Entgeltliche Einschaltungen gem. §
26 Mediengesetz fallen in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auftraggebers; sie müssen nicht die Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft
werden. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Medieninhaber und Herausgeber keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Der besseren Lesbarkeit halber werden die Personen- und Berufsbezeichnungen nur in einer Form verwendet. Sie sind natürlich gleichwertig auf beide Geschlechter bezogen. Ausgewählte Artikel dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download.
3
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
ie Beiträge der aktuellen Sonderausgabe
„Diabetes“ nehmen Bezug auf schwierige
und komplexe Herausforderungen in der Diabetestherapie im klinischen Alltag. Problemsituationen werden anhand von Fallbeispielen
analysiert, die daraus abgeleiteten Empfehlungen basieren auf rezenten wissenschaftlichen Publikationen und den aktuellen Leitlinien der ÖDG. Darüber hinaus ist neben der
Einbeziehung individueller Gegebenheiten häufig auch ein interdisziplinäres Vorgehen die
Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie.
D
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 4
NEU!
AB
1. JuBnoix
Grüne
Fachkurzinformation siehe Seite 17
ALS FERTIGPEN
Der leichte Einstieg in die Insulintherapie!
Jetzt das bewährte Mischinsulin als Fertigpen.
Duale Kontrolle des Blutzuckers (NBZ und ppBZ)1
s
"ESSERE(B!1c-Senkung als Basalinsulin1,2
,EICHTE(ANDHABUNGFàR)HRE0ATIENTEN3
bei Typ-2-Diabetes
ATDBT00031, Mai 2010
1
Malone JK et al, Diabet Med 2005; 22:374-381
2
Liza LL et al, Clin Ther 2007; 29:1254-1270
3
Ignaut DA et al, Diabetes Educ 2009; 35:789-798
Antworten, auf die es ankommt.
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 5
Sonderbeilage Diabetes – universum Innere Medizin 5/10
3
Editorial
P. Fasching, M. Lechleitner
22
Der „incompliante“ Patient
E. Holub, M. Francesconi
6
Diabetes in der Pubertät
M. Fritsch, E. Schober
24
Diabetestherapie bei
terminaler Niereninsuffizienz
M. Auinger, R. Prager
8
Der geriatrische Patient
M. Kufner, M. Lechleitner
26
Fortgeschrittene diabetische
Spätschäden
M. Clodi
10
Gestationsdiabetes und fetale Makrosomie
Y. Winhofer, A. Kautzky-Willer
12
Massive Insulinresistenz
M. Resl, B. Ludvik
14
Unerkannte Blutzuckerschwankungen
T. Wascher
27
Lantus® – Wissenschaftliches Update
zur modernen basalen Insulintherapie
Multiple Kontraindikationen
und Unverträglichkeiten
L. Stechemesser, G. Jansky, R. Weitgasser
28
Galvus®, Eucreas® – Glukoseschwankungen gefährlicher als
konstant erhöhte Spiegel
Seltene Diabetesformen am Beispiel
eines pankreopriven Diabetes
G. Rega-Kaun, P. Fasching
30
Humalog® Mix 25 – Der leichte
Einstieg in die Insulintherapie
31
Onglyza™ – Jüngster DPP-4-Hemmer
jetzt auch erstattungsfähig
16
18
20
Der „therapierefraktäre“ Diabetespatient
T. Ballaban, H. Abrahamian
15
Freie Themen
Besseres Diabetesmanagement durch
postprandiales Blutzuckermonitoring
InsulinKolleg
5
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
INHALT
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 6
Diabetes in der Pubertät
Die Pubertät und Adoleszenz ist wahrscheinlich die schwierigste Phase in der Diabeteseinstellung, sowohl
für die Patienten selbst, ihre Eltern und das medizinisch-diabetologische Betreuungsteam. Ziel der Betreuung in
dieser Altersgruppe ist es, die Entwicklung vom passiv behandelten Kind zum aktiv und kompetent handelnden
Erwachsenen, der seinen Blutzucker steuern gelernt hat, zu ermöglichen.
DER FALL:
B. P., männlich, geb. 1995, erkrankt mit typischer Manifestation im Alter von 12
Jahren im September 2007 an einem Diabetes mellitus Typ 1. Die Eltern beobachteten einige
Wochen eine Polydipsie und Polyurie mit Nykturie, die während der Sommerferien begann und die
auf die hohen Umgebungstemperaturen zurückgeführt wurde. Mit Schulbeginn wurde wegen bestehen bleibender Symptomatik der Kinderarzt aufgesucht, der die Glukosurie, Ketonurie und eine
Hyperglykämie von 300 mg/dl und damit die Diagnose Diabetes mellitus Typ 1 feststellte. Es bestand
keine diabetische Ketoazidose, obwohl das HbA1c mit 14,5 % deutlich erhöht war. Die Körperlänge
lag mit 145 cm an der 25. Perzentile, das Körpergewicht mit 38 kg an der 50. Perzentile.
Es erfolgte die Ersteinstellung mit einer Basis-Bolus-Insulintherapie. Nach 3 Monaten war das
HbA1c auf 5,7 % (Zielbereich < 7,0 %) gesunken, mit einer Gesamtinsulindosis von 0,5 IE/kg bei
einem Körpergewicht von 40 kg. Der Patient ist Mittelschüler und die Eltern, die beide berufstätig
sind, fördern die Selbstständigkeit des Kindes in der Diabetestherapie.
Im Jahr 2008 lagen die HbA1c-Werte bei Kontrollen alle 3–4 Monate zwischen 7,2 % und 8,7 %.
Es kam zu keinen Ketoazidosen und keinen schweren Hypoglykämien.
Im Jahr 2009 erfolgte aus familiären und auch schulischen Gründen längere Zeit (> 6 Monate)
keine Kontrolle in der Diabetesambulanz.
Im Jänner 2010, nach einem Weihnachtsurlaub in Thailand, wird bei der ambulanten Kontrolle ein
HbA1c von 10,5 % gemessen. Der Patient und seine Eltern scheinen überrascht und der Patient
meint, er sei selber in der Lage, die Stoffwechseleinstellung zu verbessern – insbesondere, da im Blutzuckermessgerät nur 2 Blutzuckermessungen/Tag in den vorhergehenden Monaten registriert sind.
Bei der nächsten ambulanten Kontrolle Ende Februar 2010 ist das HbA1c auf 11,4 % angestiegen,
und der Patient erlebt seine erste schwere Hypoglykämie mit tonisch klonischem Krampfanfall
nachts nach Alkoholkonsum. Diese akute Komplikation führt zur stationären Aufnahme im Anfang
März 2010, dabei wurden die in der > Tab. angeführten Befunde erhoben.
Die Entlassung erfolgte mit 1,02 IE Insulin/kg KG und einem mittleren Blutzucker von 104,6 mg/dl am
Entlassungstag. Insgesamt war der Patient 5 Tage zur Neueinstellung und Schulung an der Station.
Jugendliche in ihrer Autonomie
fördern, aber nicht überfordern
In der Pubertät kommt es physiologischerweise zu einem Anstieg des Insulinbedarfs,
der gerade nach Ablauf der initialen Remissionsphase vom Patienten übersehen werden kann, so wie auch bei diesem Patienten,
der nach der Neueinstellung deutlich mehr
Insulin als im ersten Erkrankungsjahr benötigt. Es ist wichtig, diesem Anstieg des Insulinbedarfs auch Rechnung zu tragen. Jugendliche brauchen meist > 1 IE/kg KG Insulin am Tag. Typisch für den Insulinbedarf in
der Pubertät ist auch ein ausgeprägtes
Dawn-Phänomen, d. h. ein endogener Anstieg des Blutzuckers, der zu sehr hohen
Nüchternblutzuckern führt und damit die
Blutzuckereinstellung in der zweiten Nachthälfte und am Vormittag erschwert. Oft ist
dieser morgendliche Blutzuckeranstieg nur
mit einer individuell angepassten Insulinbasalinfusion mit Insulinpumpe in den Griff zu
bekommen. Viele Jugendliche wollen aber
keine Pumpe tragen.
Schwierige Entwicklungsphase
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Tab.: Befunderhebung bei einem 15-jährigen Typ-1-Diabetiker
mit schwerer Hypoglykämie nach Alkoholkonsum
•
•
•
•
•
•
•
•
•
HbA1c: 11,1 % ( Zielbereich < 7,5 %)
Cholesterin (C) gesamt: 162 mg/dl; LDL-C: 59 mg/dl; HDL-C: 91 mg/dl
fT4: 1,13 ng/dl ( 0,93–1,60); TSH: 1,6 µU/ml (0,53–3,6); TPO-AK negativ
GAD: 62,25 U/ml (< 5)
EMA: negativ
KL: 153 cm (3–10 %)
KG: 47 kg (25 %)
BA: 13 a
Längenprognose: 174,4 + 4 cm (25–50 %; Zusatzdiagnose: konstitutionelle
Entwicklungsverzögerung)
• MIA: negativ
• Fundusuntersuchung: kein Hinweis auf diabetische Retinopathie
6
Ein weiteres Problem ist sicher, dass Jugendlichen mit Diabetes in dieser Entwicklungsphase in erster Linie Jugendliche sein
möchten, wie alle anderen auch. Diabetes
wird als Abweichung von der Norm empfunden. Die Angst vor Ausgrenzung führt dann
oft zur Verdrängung der Erkrankung und der
damit verbundenen therapeutischen Notwendigkeiten, wie häufige Blutzuckerkontrollen und regelmäßige Insulingaben vor den
Mahlzeiten und zur Blutzuckerkorrektur.
Aber auch Mitleid wird oft als Kränkung erlebt und gefürchtet, und der Diabetes wird
oft aus diesem Grund vor Freunden, Schulkollegen und Lehrern verheimlicht.
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 7
DR. MARIA
FRITSCH
AO. UNIV.-PROF.
DR. EDITH
SCHOBER
Klinische Abteilung für Pädiatrische Pulmologie, Allergologie und Endokrinologie,
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien
Kommt eine zusätzliche Belastung dazu, wie
bei dem vorgestellten Patienten die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung mit
einem Abfall der Körperlänge von der 25.
auf die 5. Perzentile, dann verstärkt dies
das Gefühl, Außenseiter und damit anders
zu sein. Gerade Knaben sind in der Phase
der Pubertät hier sehr verletzlich. Die Berechnung der wahrscheinlichen Endgröße
und die Aufklärung, dass es sich nur um eine
Normvariante eines normalen Pubertätsverlaufes handelt, können hier sehr beruhigend
sein.
Jugendliche brauchen Unterstützung
Trotz allem Streben nach Selbstständigkeit
auch in der Diabetestherapie sind Jugendli-
che auf die Unterstützung durch die Eltern
angewiesen. Eltern jedoch sind oft irrtümlich
der Meinung, dass ihre pubertären Kinder
keine Supervision und Unterstützung brauchen, und ziehen sich manchmal völlig aus
der Diabetestherapie zurück. Dies scheint
auch bei diesem Patienten so gewesen zu
sein. Die Kunst der Eltern, aber auch des
Klinikteams besteht darin, die Autonomie
der Jugendlichen angemessen zu fördern,
ohne sie durch zu hohe Ansprüche zu überfordern.
Diabetische Jugendliche sind vor dem derzeit üblichen Risikoverhalten Jugendlicher
bezüglich Alkoholkonsums nicht gefeit. Jugendliche brauchen hier die Unterstützung
durch sachliche Darstellung des Einflusses
von alkoholischen Getränken auf den Gluko-
sestoffwechsel und das Risiko der protrahierten schweren Hypoglykämie. Akutkomplikationen, das heißt z. B. eine schwere
Hypoglykämie in Zusammenhang mit Alkohol, wie sie der Patient erlebt hat, sollen in
ihrer Entstehung analysiert werden und ein
Konzept zu Verringerung eines Wiederholungsrisiko erstellt werden. Sie können
auch der Angelpunkt für eine alters entsprechende Neuschulung und Wissensvermittlung sein, wie bei dem oben genannten
Patienten im Rahmen der stationären Neueinstellung. Auch das Angebot einer stützenden Psychotherapie sollte gemacht
werden, einerseits für eine bessere Akzeptanz der Diabeteserkrankung, aber auch
der konstitutionellen Entwicklungsverzögerung.
■
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 8
ASS.-DR. MARCUS
KUFNER
PRIM. UNIV.-PROF.
DR. MONIKA
LECHLEITNER
ö. Landeskrankenhaus Hochzirl, Anna-Dengel-Haus
Der geriatrische Patient
Der hier dargestellte Fall beschreibt ein typisches Beispiel aus dem geriatrischen Alltag: Ein grundsätzlich
schlecht eingestellter Diabetiker zeigt unter Auftreten einer Pneumonie eine hyperglykämische Entgleisung, bei
geriatrischen Patienten finden sich häufig atypische Symptome und ein afebriler Temperaturverlauf bei Infekt.
DER FALL: Ein älterer Herr (86 Jahre) wird vom niedergelassenen
Arzt zugewiesen, um eine Gewichtsreduktion, Schwäche und kognitive Dysfunktion abzuklären.
Die Symptome des Patienten sind relativ unspezifisch: Müdigkeit und
Abgeschlagenheit seit mehreren Wochen, trockene Haut, eine zunehmende Visusverschlechterung, zudem bemerken die Angehörigen
kognitive Defizite (wiederholte Desorientiertheit, Gedächtnisstörungen). Wegen Appetitlosigkeit hat der Patient in den letzten Wochen
wenig gegessen und ca. 7 kg an Gewicht abgenommen.
Als Vorerkrankungen sind ein erhöhter Blutdruck und ein oral eingestellter Diabetes mellitus bekannt, die ärztlichen Kontrolluntersuchungen erfolgten in unregelmäßigen Intervallen.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Prämedikation:
Metformin 1.000 mg 1-0-1-0
Atacand® 16 mg
1-0-0-0
Diamicron® MR 30 mg 2-0-0-0
Atacand®
8 mg 0-0-1-0
Im Aufnahmelabor findet sich ein Blutzucker von 424 mg/dl bei einem
HbA1c von 12,6 %. Die Elektrolyte und Lipide sind im Normbereich.
Das Kreatinin liegt bei 1,3 mg/dl, rechnerisch ergibt sich nach der
Cockroft-Gault-Formel eine GFR von 40 ml/min. Der Body-MassIndex beträgt 26,1 kg/m2, der Blutdruck 150/80 mmHg.
Es bestehen Infektzeichen (CRP 8,4 mg/dl, Leukozytenzahl 16.000),
jedoch kein Hinweis auf ein akutes kardiovaskuläres Ereignis. Im Thoraxröntgen findet sich eine Bronchopneumonie. Der geriatrische
Patient ist jedoch afebril.
Im Laufe der Anamnese wird klar, dass das Blutzuckermessgerät seit
mehr als zwei Wochen nicht richtig funktioniert hat und dass grundsätzlich der Blutzucker vom Patienten nur sporadisch gemessen worden war.
Schulung gerade auch bei
geriatrischen Patienten wichtig
Aus therapeutischer Sicht ist anzumerken,
dass die Therapie mit Metformin im dargestellten Fall inadäquat war. Metformin ist bei
eingeschränkter Nierenfunktion kontraindiziert und die Appetithemmung unter
Metformin ist bei geriatrischen Patienten unerwünscht. Grundsätzlich günstig ist die
8
Entsprechend der klinischen Präsentation und der Befundkonstellation
wird die Diagnose einer hyperglykämischen Entgleisung gestellt. Die
Appetitlosigkeit und Gewichtsreduktion sind möglicherweise auch auf
die Metformintherapie, die bei einer GFR von 40 ml/min kontraindiziert
ist, zurückzuführen.
Therapeutische Maßnahmen: Initial wird mit einer intravenösen Insulintherapie, ausreichenden Flüssigkeitssubstitution unter regelmäßiger
Glukose- und Elektrolytkontrolle begonnen und entsprechend der
Befundkonstellation angepasst. Metformin wird auf Grund der eingeschränkten Nierenfunktion und des fortgeschrittenen Alters abgesetzt.
Eine antibiotische Therapie der Bronchopneumonie wird mit Ceftriaxon begonnen, die Entzündungswerte und pneumonischen Infiltrate
bilden sich zurück.
Unter Berücksichtigung des hohen HbA1c-Wertes unter einer oralen
antidiabetischen Zweifachkombination erfolgt eine Umstellung auf eine
s. c. Insulintherapie. Unter dem Gesichtspunkt der Handhabung der
Insulinapplikation, die der Patient selbst mittels Insulinpen (Innolet®
Pen) umsetzen kann, erfolgt die Insulintherapie mit Insulin Mixtard 30
mit 16 IE morgens und 8 IE abends.
Im Rahmen der Schulung wird die Blutzuckerselbstkontrolle eingehend dargestellt, die Gattin des Patienten wird in die Schulung miteinbezogen.
Bei stabilen Blutzuckerwerten und Besserung des klinischen Status
erfolgt die Entlassung in die häusliche Betreuung.
Im Rahmen einer ambulanten Nachkontrolle nach 4 Wochen berichtet
der Patient über eine Gewichtszunahme von 3 kg, der Appetit hat sich
normalisiert, die Blutzuckerwerte sind im Bereich zwischen 110 und
180 mg/dl. Hypoglykämien waren nicht zu beobachten.
Therapie mit Gliclazid, da das Hypoglykämierisiko unter diesem Sulfonylharnstoff gering
ist (Metabolite zeigen keine glukosesenkende
Wirkung).
Bei einer langen Diabetesdauer besteht die
Indikation zur Insulintherapie typischerweise im Rahmen eines Sekundärversagens
einer Therapie mit oralen Antidiabetika. Bei
unserem Patienten stellte auch die akute
Stoffwechselentgleisung im Rahmen des
Infektes eine Indikation für die Insulintherapie dar.
Zu betonen ist der grundsätzliche Stellenwert
einer Diabetikerschulung gerade auch für den
geriatrischen Patienten, wobei Angehörige
bzw. betreuende Personen in die Schulung
miteinbezogen werden sollten. Insulinregimen, Pen und Wahl des Blutzuckermessgerätes sollten entsprechend den Fähigkeiten
des älteren Patienten gewählt werden.
■
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 9
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 10
Gestationsdiabetes
und fetale Makrosomie
Das routinemäßige Screening von Schwangeren auf gestörte Glukosetoleranz im Rahmen des Mutter-KindPasses ist ein wichtiger Schritt zur Früherkennung des Gestationsdiabetes und damit zur Verbesserung
der maternalen und fetalen Prognose.
DER FALL:
Eine 34-jährige Primipara wird in der 32. Schwangerschaftswoche wegen fetaler
Makrosomie (Abdomenumfang deutlich über der 95. Perzentile; > Abb.) von der Universitätsklinik für Gynäkologie an die Diabetesambulanz überwiesen. Bei der Erstvorstellung gibt die
Patientin an, in der 26. Schwangerschaftswoche einen oralen Glukosetoleranztest, der seit Jänner 2010 als fixer Bestandteile in der Routinediagnostik in der Schwangerschaft etabliert ist
und auch im Mutter-Kind-Pass vorgesehen ist, gemacht zu haben, der folgende Werte ergab:
• Nüchternglukose: 88 mg/dl
• 1 h postprandial: 186 mg/dl
• 2 h postprandial: 145 mg/dl
Der Hausarzt der Patientin meinte, da nur ein Wert grenzwertig erhöht ist, wäre keine weitere
Diagnostik oder Therapie vorgesehen – sie solle darauf achten, weniger Zucker zu essen. An
unserer Ambulanz erhält die Patientin eine ausführliche Diätberatung hinsichtlich einer kohlenhydratmodifizierten Diät in der Schwangerschaft sowie eine Einschulung in die Blutzuckerselbstmessung und wird gebeten, 4-mal täglich (nüchtern sowie 1 h nach jeder Hauptmahlzeit)
den Blutzucker zu messen und zu protokollieren.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Da in diesem Fall eine Indikation für die Einleitung einer Insulintherapie sehr wahrscheinlich
erscheint, wird die Patienten bereits nach 3 und nicht wie üblich nach 7 Tagen wiederbestellt.
Anhand des Blutzuckerprotokolls (> Tab.) bestätigte sich der Verdacht, dass bei der Patientin
die Einleitung einer Insulintherapie indiziert ist. Aufgrund erhöhter Nüchternwerte erhält sie
abends ein lang wirksames NPH-Insulin (beginnend mit 8 IE s. c.). Weiters zeigte sie vor allem
nach dem Frühstück erhöhte postprandiale Werte, weswegen morgens zusätzlich ein kurz
wirksames Insulin verordnet wird. Begonnen wurde mit 4 IE Insulinaspart. Die Patientin wird
angeleitet, falls die Werte weiterhin über 140 mg/dl liegen, am nächsten Tag die Insulindosis
präprandial um 2 Einheiten zu erhöhen. Aufgrund des unklaren Insulinbedarfs wird die Patientin
wöchentlich bestellt.
Ab der 35. Schwangerschaftswoche wird auch früh und abends ein kurz wirksames Insulin verordnet, zuletzt beträgt die Insulintagesdosis 36 IE. Die Ultraschall-Kontrolle in der 38. Schwangerschaftswoche ergibt, dass der Abdomenumfang nun innerhalb der 85. Perzentile liegt und
eine vaginale Entbindung möglich sein wird, die letztendlich auch gelingt. Postpartal zeigen
sowohl die Patientin als auch das Neugeborene einen unkomplizierten Verlauf.
Schwangeren-Screening im MutterKind-Pass ist wichtiger Fortschritt
Nach jahrelangen Bemühungen der Österreichischen Diabetes Gesellschaft gemeinsam
mit Experten und Expertinnen aus dem Bereich der Geburtshilfe und Neonatologie ist
das Screening auf eine Glukosetoleranzstö10
rung in der 24.–28. Schwangerschaftswoche nun seit Jänner 2010 im Mutter-KindPass integriert. Dennoch werden oft Patientinnen mit unbehandeltem Gestationsdiabetes (GDM) und Folgeproblemen in
Spezialambulanzen vorstellig. Die Frauen
sind dann verständlicherweise verunsichert,
wenn sie in den letzten Wochen vor der Ent-
bindung noch mit Blutzuckerselbstmessung
und Insulinapplikation konfrontiert sind, obwohl sie sich zuvor gefreut hatten, dass ihr
Testergebnis keiner weiteren Intervention bedarf.
Die Diagnose eines Gestationsdiabetes wird
anhand des oralen Glukosetoleranztestes
(OGTT) gestellt, wobei folgende Blutzuckerkonzentrationen als Grenzwerte gelten:
nüchtern ⱖ 92 mg/dl, 1 h postprandial ⱖ
180 mg/dl, 2 h postprandial ⱖ 153 mg/dl*.
Bereits ab einem erhöhten Wert besteht die
Diagnose eines Gestationsdiabetes. Somit
hatte diese Patientin bereits mit dem OGTT
die Diagnose GDM und hätte über weitere
Schritte informiert werden müssen oder zumindest gleich an eine Spezialabteilung überwiesen werden sollen. Wenn die Therapie
erst spät beginnt – insbesondere wenn bereits Makrosomiezeichen vorliegen –, liegt
bereits eine fetale Hyperinsulinämie vor und
ein Therapieerfolg ist dann oft deutlich
schwieriger zu erreichen.
Viele Studien haben gezeigt, dass bereits ein
erhöhter Blutzuckerwert im OGTT mit einer
höheren Komplikationsrate verbunden ist.
Auch die HAPO-Studie (Hyperglycemia and
Adverse Pregnancy Outcome, NEJM 2008),
der schließlich die international empfohlenen
neuen Blutzuckergrenzwerte ergebnisorientiert zugrunde liegen (IADPSG Recommendations, Diabetes Care 2010), empfiehlt, die
Therapie ab einem erhöhten Blutzuckerwert
zu beginnen.
Wie geht’s nach
der Diagnose weiter?
Ist die Diagnose gestellt, werden die Frauen
in die Blutzuckerselbstmessung eingeschult
und gebeten, 4-mal täglich ihren Blutzucker
zu messen (nüchtern sowie 1 h nach jeder
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:49 Seite 11
DR. YVONNE
WINHOFER
UNIV.-PROF. DR.
ALEXANDRA
KAUTZKY-WILLER
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel,
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
Nüchtern
1 h nach dem
Frühstück
1 h nach dem
Mittagessen
1 h nach dem
Abendessen
124
129
11.3.2010
98
165
117
98
12.3.2010
101
153
106
139
13.3.2010
99
140
123
127
14.3.2010
103
10.3.2010
Hauptmahlzeit) und zu protokollieren. Auch
Frauen, bei denen nur ein Wert während des
OGTT leicht erhöht war, können oft in der
weiteren Folge einen hohen Insulinbedarf aufweisen. Anhand des Blutzuckerprotokolls
(> Tab.) bestätigte sich der Verdacht, dass
bei der Patientin die Einleitung einer Insulintherapie indiziert ist, zumal zusätzlich zu den
trotz Diät erhöhten Blutzuckerwerten bereits
eine fetale Makrosomie vorliegt.
Die Therapie des Gestationsdiabetes besteht primär in der Einhaltung einer kohlen-
Einlingsschwangerschaft:
Fetale Maße (dargestellt zum normalen Mittelwert ± 2-fache Standardabweichung)
Biparietaler Durchmesser (BPD)
Kopfumfang (KU)
84,0 mm
301,0 mm
Abdomenumfang (AU)
318 mm
Femurlänge (FL)
62,0 mm
Kopf/Abdomen (KU/AU)
0,947
BPD/FL
1,355
Abb.: Ultraschallbefund bei einer Schwangeren mit Gestationsdiabetes
(32. Schwangerschaftswoche)
COMPETACTTM 15 mg/850 mg Filmtabletten.
Zusammensetzung: 1 Tablette enthält 15 mg Pioglitazon als Hydrochlorid und 850 mg Metforminhydrochlorid. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Mikrokristalline Cellulose, Povidon (K30), Croscarmellose-Natrium, Magnesiumstearat. Filmüberzug: Hypromellose, Macrogol (8000), Talkum, Titandioxid. Anwendungsgebiete: Competact ist angezeigt zur Behandlung des Typ 2 Diabetes mellitus bei Patienten,
insbesondere übergewichtigen Patienten, die unter einer oralen Monotherapie mit Metformin trotz der
maximal verträglichen Dosen keine ausreichende Blutzuckerkontrolle erreichen. Gegenanzeigen: Competact ist kontraindiziert bei Patienten mit: Überempfindlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der sonstigen Bestandteile; Herzinsuffizienz oder Herzinsuffizienz in der Vorgeschichte (NYHA Klassen I bis IV);
Akuten oder chronischen Erkrankungen, die eine Gewebehypoxie verursachen können, wie Herz- oder respiratorische Insuffizienz, kürzlich aufgetretener Myokardinfarkt, Schock; Leberfunktionsstörungen; Akuter Alkoholintoxikation, Alkoholismus; Diabetischer Ketoazidose oder diabetischem Präkoma; Niereninsuffizienz oder Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 60 ml/min); Akuten Zuständen mit dem
Risiko einer Veränderung der Nierenfunktion wie: Dehydratation, Schwere Infektionen, Schock, Intravaskuläre Gabe jodhaltiger Kontrastmittel, Stillzeit. Pharmakotherapeutische Gruppe: Orale Antidiabetika.
ATC Code: A10BD05. Abgabe: Rp, apothekenpflichtig. Packungsgröße: 56 Stück. Stand der Information: März 2010. Zulassungsinhaber: Takeda Global Research and Development Centre (Europe) Ltd,
hydratmodifizierten Diät und der Durchführung regelmäßiger körperlicher Aktivität.
Falls trotz Diät und Bewegung die Glukosewerte in der Selbstmessung nüchtern ⱖ 90
mg/dl und 1 h postprandial ⱖ 140 mg/dl betragen, besteht die Indikation für die Einleitung einer Insulintherapie, wobei diese so
gewählt werden soll, dass die Blutzuckerwerte im Zielbereich liegen. Lediglich bei einer
Wachstumsretardierung des Kindes kann es
ratsam sein, noch zuzuwarten; allerdings ist
hier die Plazenta-Durchblutung zu überprüfen! Wegen des steigenden Insulinbedarfs
bis zum Ende der Gravidität sind kurzfristige
Kontrollen und eine entsprechende Anpassung der Insulintherapie und -dosis notwendig. Die HAPO-Studie zeigte eindeutig, dass
mit zunehmender Hyperglykämie das Risiko
für eine diabetische Fetopathie linear ansteigt. Kindliche Komplikationen im Rahmen
der diabetischen Fetopathie sind: Makrosomie (Geburtsgewicht > 4.000 g), neonatale
Hypoglykämie und Hyperbilirubinämie; Komplikationen, die auf einen kindlichen Hyperinsulinismus zurückzuführen sind. Durch eine
Therapie lassen sich diese Komplikationen bei
dem Großteil der Gestationsdiabetikerinnen
verhindern und somit auch langfristig die Gesundheit der Kinder positiv beeinflussen. ■
*
die Leitlinien zum Management des Gestationsdiabetes
der Österreichischen Diabetes Gesellschaft sind auf der
Homepage der Gesellschaft abrufbar (www.oedg.com)
London, UK. Für weitere Informationen: Takeda Pharma Ges.m.b.H., 1070 Wien, Seidengasse 33-35,
Tel. 01/524 40 64, Fax: 01/524 40 66. Weitere Angaben zu Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, den
besonderen Warnhinweisen zur sicheren Anwendung sowie zur Schwangerschaft und Stillzeit sind der
veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.
1) Charbonnel B et al, Diabetologia 2005; 48:1093-1104
2) Derosa G et al, J Clin Pharm Ther 2006; 31:375–383
Eucreas 50 mg/850 mg Filmtabletten, Eucreas 50 mg/1000 mg Filmtabletten.
QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede Filmtablette enthält 50 mg Vildagliptin
und 850 mg Metforminhydrochlorid (entsprechend 660 mg Metformin). Jede Filmtablette enthält 50
mg Vildagliptin und 1000 mg Metforminhydrochlorid (entsprechend 780 mg Metformin). Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Hyprolose, Magnesiumstearat. Filmüberzug: Hypromellose, Titandioxid (E 171), Eisen(III)-hydroxid-oxid x H2O (E 172), Macrogol 4000, Talkum. Anwendungsgebiete: Eucreas ist für die Behandlung des Typ-2-Diabetes-mellitus bei Patienten indiziert, deren Blutzucker trotz
Monotherapie mit der maximal verträglichen Dosis von Metformin alleine unzureichend eingestellt ist
oder die bereits mit einer Kombination aus Vildagliptin und Metformin in separaten Tabletten behandelt
werden. Gegenanzeigen: • Überempfi ndlichkeit gegen die Wirkstoffe oder einen der sonstigen BestandFKI weiter auf Seite 12 ➥
11
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Tab.: Blutzuckertagesprofil als Grundlage für die Einleitung der Insulintherapie
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 12
DR. MICHAEL
RESL
UNIV.-PROF. DR.
BERNHARD
LUDVIK
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel,
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
Massive Insulinresistenz
Insulinresistenz ist nicht nur eine wesentliche Grundlage des Typ-2-Diabetes im Rahmen des metabolischen
Syndroms, sondern erschwert und limitiert häufig auch die therapeutischen Möglichkeiten.
DER FALL:
Die im folgenden Fall vorgestellte Patientin, geboren
1939, ist seit 1986 an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankt. Zum Zeitpunkt
der Manifestation lag das Gewicht bei 78 kg. An relevanten Vorerkrankungen sind eine 1983 diagnostizierte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung, eine Hypertriglyzeridämie und eine Hypertonie bekannt.
Weiters erlitt die Patientin bereits 1978 einen Hinterwandinfarkt.
Im Jahr 1989 erfolgte nach anfänglicher Behandlung mit oralen Antidiabetika die Umstellung auf eine konventionelle Insulintherapie. Unter
dieser Therapie konnten die vorgegebenen Zielwerte nicht erreicht
werden, sodass aufgrund von Blutzuckerentgleisungen mit HbA1cWerten von bis zu 13 % mehrmals stationäre Aufnahmen notwendig
waren.
Bereits 1999 war unter einer konventionellen Therapie mit einem
Mischinsulin eine relativ hohe Insulindosis von insgesamt 82 IE pro Tag
notwendig. Vom Zeitpunkt der Diagnosestellung 1989 bis zum Jahr
1999 kam es insgesamt zu einer Gewichtszunahme von 8 kg. Metformin wurde aufgrund gastrointestinaler Nebenwirkungen nicht toleriert.
Aufgrund der schlechten Blutzuckerwerte und des hohen HbA1cWerts (im Mittel 11,3 %) waren beinahe monatlich ambulante Kontrol-
ieser Fallbericht dokumentiert die Potenz
von Pioglitazon in der Kombinationstherapie mit Insulin hinsichtlich einer Verbesserung
der Stoffwechseleinstellung bei insulinresistenten Typ-2-DiabetikerInnen. Interessanter-
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
D
Im Jahr 2001 wurde erneut ein stationärer Aufenthalt notwendig. Aufgrund ausgeprägter postprandialer Blutzuckerspitzen wurde vor dem
Frühstück und vor dem Mittagessen ein Mischinsulin mit einem höheren Anteil an kurz wirksamem Insulin verabreicht. In Summe war bei
einer relativ geringen Kohlenhydrataufnahme von 12 BE eine tägliche
Gesamtinsulinmenge von 100 IE erforderlich.
Bis zum Jahr 2008 kam es, zum Teil bedingt durch die hohe Insulinmenge, zu einer Gewichtszunahme von 35 kg. Dennoch konnte eine
Reduktion des HbA1c auf 8,8 % erzielt werden. Bei echokardiographisch kontrollierter normaler Linksventrikelfunktion wurde schließlich
die Indikation für eine Kombinationstherapie von Insulin und Pioglitazon gestellt.
Mit Hilfe des Glitazons konnte die massive Insulinresistenz durchbrochen werden, sodass die Patientin – bei allerdings ausgeprägter
Gewichtszunahme auf bis zu 133 kg – und gleich hoch bleibender
Insulindosis zufrieden stellende Blutglukosewerte und ein HbA1c von
6,4 % ohne relevante Hypoglykämien erreichen konnte.
weise kam es bei dieser Patientin zu einer
weiteren Gewichtszunahme, welche jedoch
metabolisch nicht relevant ist. Meist bleibt bei
dieser Kombinationstherapie das Körpergewicht trotz des gewichtssteigernden Effekts
teile. • Diabetische Ketoazidose oder diabetisches Präkoma. • Niereninsuffi zienz oder Nierenfunktionsstörung, defi niert als eine Kreatinin-Clearance < 60 ml/min (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation).
• Akute Zustände, die potenziell mit einer Veränderung der Nierenfunktion einhergehen, wie: Dehydratation, schwere Infektionen, Schockzustände, intravaskuläre Gabe jodhaltiger Kontrastmittel (siehe Abschnitt 4.4 der Fachinformation). Akute oder chronische Erkrankungen, die eine Gewebshypoxie hervorrufen können, wie kardiale oder respiratorische Insuffi zienz, ein frischer Myokardinfarkt, Schockzustand. • Einschränkung der Leberfunktion (siehe Abschnitte 4.2, 4.4 und 4.8 der Fachinformation). •
Akute Alkoholintoxikation, Alkoholismus. • Stillzeit (siehe Abschnitt 4.6 der Fachinformation). Pharmakotherapeutische Gruppe: Kombinationen mit oralen Antidiabetika, ATC-Code: A10BD08 INHABER DER
ZULASSUNG: Novartis Europharm Limited, Wimblehurst Road, Horsham, West Sussex, RH12 5AB,
Vereinigtes Königreich; Informationen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkung mit anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte sind den veröffentlichten Fachinformationen zu entnehmen. Stand der Information: 03/2010. Novartis Pharma
GmbH, www.novartis.at
12
len erforderlich. Regelmäßige Anpassungen der Insulindosis blieben
erfolglos.
konstant, da dieser durch die Reduktion der
Insulindosis kompensiert wird. Im vorliegenden Fallbericht findet sich jedoch eine eindrückliche Verbesserung der Stoffwechsellage
ohne zusätzliche Hypoglykämien.
■
1) Marfella R. et al.; Effects of vildagliptin twice daily vs. sitagliptin once daily on 24-hour acute glucose
fl uctuations; Journal of Diabetes and Its Complications; 1056-8727/09; 2009; article in press.
2) Halimi S. et al.; Combination treatment in the management of type 2 diabetes: focus on vildagliptin
and metformin as a single talbet; Vascular Health and Risk Management 2008:4(3) 481-492.
Galvus 50 mg Tabletten.
QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: Jede Tablette enthält 50 mg Vildagliptin.
Sonstiger Bestandteil: Jede Tablette enthält 47,82 mg Lactose. Liste der sonstigen Bestandteile: Lactose, Mikrokristalline Cellulose, Carboxymethylstärke-Natrium (Typ A), Magnesiumstearat. Anwendungsgebiete: Vildagliptin ist angezeigt zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2: In einer oralen
Zweifach-Kombinationstherapie mit • Metformin bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie
mit maximal verträglichen Dosen von Metformin unzureichend eingestellt ist, • einem Sulfonylharnstoff
bei Patienten, deren Blutzucker trotz Monotherapie mit maximal verträglichen Dosen eines Sulfonylharnstoffs unzureichend eingestellt ist und bei denen Metformin wegen Kontraindikationen oder UnverFKI weiter auf Seite 17 ➥
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 13
www.bayerdiabetes.at
0800 220 110
ZUVERLÄSSIGE
WERTE SCHAFFEN
VERTRAUEN,
DIABETES.
Das CONTOUR™ TS von
Bayer bietet Ihren Patienten
zuverlässige Genauigkeit in der
Blutzuckermessung.
Der Hauptgrund dafür ist die No
Coding™ Technologie. No Coding
bedeutet den Ausschluss der
Fehlerquelle Kodieren, ungenaue
Messergebnisse aufgrund von
Falschkodierung gehören somit
der Vergangenheit an. So einfach
ist das. Und einfach gewinnt im
Leben mit Diabetes.
einfachgewinnt
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 14
AO. UNIV.-PROF. DR. THOMAS WASCHER
1. Medizinische Abteilung,
Hanusch-Krankenhaus Wien
Unerkannte Blutzuckerschwankungen
Strukturierte Blutzuckerselbstkontrolle hat für jeden Typ-2-Diabetiker, auch wenn er nicht mit Insulin oder
insulinotropen Substanzen behandelt wird, einen hohen therapeutischen Stellenwert.
DER FALL:
Ein 69-jähriger Patient, der seit 4 Jahren an einem Typ-2-Diabetes leidet, kommt
zu einer jährlichen Kontrolle in ein Diabeteszentrum.
Folgende Glukose-relevanten Eckdaten werden erhoben:
• Body-Mass-Index: 29 kg/m2 (bei Manifestation 34 kg/m2), Körpergewicht stabil,
Ernährungs- und Bewegungsverhalten seit Jahren unverändert
• antidiabetische Therapie mit Glucophage®, 2 x 1.000 mg (bei einer GFR von 79 ml/min)
• Nüchternblutzucker: 115 mg/dl, HbA1c: 6,9 %
(eine regelmäßige Blutzuckerselbstkontrolle findet nicht statt)
ässt sich auf Basis dieser Messwerte
eine fundierte Aussage über die glukometabolische Situation des Patienten und über
gegebenenfalls weitere Therapiestrategien
machen?
L
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Die Antwort darauf lautet:
ja und nein
Das „ja“ resultiert aus der Tatsache, dass
Nüchternblutzucker und HbA1c deutlich diskrepant sind. Das gemessene HbA1c von 6,9
% lässt sich in einen mittleren Blutzucker
von 144 mg/dl umrechnen (mittlerer Blutzucker = 33,3 x HbA1c – 86). Damit ist klar,
dass der Patient bei einem Nüchternblutzucker von 115 mg/dl, der auch ungefähr dem
nächtlichen Blutzucker entspricht, tagsüber
im Mittel einen Blutzucker von gut 170 mg/dl
haben sollte.
Das „nein“ beruht darauf, dass auf Grund der
fehlenden Selbstkontrolle niemals Blutzuckerwerte evaluiert wurden und der anlässlich der Kontrolle im Labor ermittelte Wert
von 115 mg/dl ja ein Ausreißer nach unten
sein könnte.
Strukturierte Blutzuckertagesprofile
Klarheit können hier strukturierte Blutzuckertagesprofile schaffen, bei denen Messwerte
14
vor und 120 Minuten nach den Hauptmahlzeiten erhoben werden. Diese sollten an
mehreren Wochentagen oder als Stufenprofile (> Tab. 1) über mehrere Wochen erhoben
werden. Sie sollten von einer eingehenden
Mahlzeitenanamnese bzw. im besten Fall
einem Ernährungsprotokoll begleitet werden.
Das Resultat einer solchen strukturierten
Erhebung hat nicht nur mögliche Auswirkungen auf das Wissen und die Krankheitsbewältigung des Patienten, sondern auch therapeutische Konsequenzen. Im Falle der
oben angeführten Situation könnten bei
einem HbA1c von 6,9 % die in > Tab. 2 angegebenen Mittelwert-Profile aus den Messungen des Patienten resultieren: In ersterem Falle (I) ist klar, dass jede weitere Therapie primär postprandial wirksam sein
müsste, wohingegen in zweiterem Fall (II)
die hepatische Insulinresistenz im Vordergrund steht.
■
Tab. 1: Matrix für die Erhebung von strukturierten Blutzuckertagesprofilen
in einem Stufenprofil. Der Patient misst dabei 1-mal pro Tag prä- und postprandial
und füllt so die Matrix im Laufe der Zeit.
Frühstück
vorher
2 h pp
Tag
Mittagessen
vorher
2 h pp
Abendessen
vorher
2 h pp
1
2
3
4
5
6
Mittelwert:
Tab. 2: Mögliche Resultate eines strukturierten Blutzuckertagesprofils zur
Erklärung diskrepanter Nüchternblutzucker- und HbA1c-Messwerte
Mittelwert
(mg/dl)
Frühstück
vorher
2 h pp
Mittagessen
vorher
2 h pp
Abendessen
vorher
2 h pp
Szenario I
115
198
127
215
121
175
Szenario II
135
161
142
184
138
173
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 15
Anzeige
Leitlinien unterstützendes
4VUP[VYPUNPTJVVSLU+LZPNU
Die ÖDG empfiehlt:
postprandiale Blutzuckerwerte < 160 mg/dl*).
Accu-Chek Performa Nano unterstützt Sie dabei.
Besseres Diabetesmanagement durch postprandiales
Blutzuckermonitoring
r 4HYRPLYLUWVZ[WYHUKPHSLY>LY[LTP[[LSZ2UVWMKY\JR
r 5HJOKLT,ZZLU4LZZLUUPJO[]LYNLZZLU!;LZ[LYPUULY\UNLU
1 oder 2 Stunden nach dem Essen programmierbar.
r ;HNL+\YJOZJOUP[[]VUWYj\UK
postprandialen Werten auf Knopfdruck für Sie abrufbar.
FREIES THEMA Mit dem Accu-Chek® Performa Nano
Blutzuckermesssystem haben Ärzte und Patienten
Erlebe, was möglich ist.
die Möglichkeit, postprandiale Blutzuckerwerte
Mehr auf www.accu-chek.at/nano
oder 01 / 277 87 355 anrufen.
separat zu dokumentieren und im Zeitverlauf einfach
Accu-Chek® Performa Nano:
Beitrag zur Risikooptimierung
Das Blutzuckermesssystem Accu-Chek® Performa Nano hilft
Diabetespatienten, ihre postprandialen Werte im Auge zu behalten:
• Durch einen Tastendruck können nach einer Mahlzeit gemessene
Werte mit dem Symbol eines angebissenen Apfels markiert
werden. Diese Werte sind fortan auch im Messgerätespeicher
mit diesem Symbol versehen.
• Auf Knopfdruck können Arzt und Patient die postprandialen
Blutzuckerwerte, gemittelt über 7, 14, 30 sowie 90 Tage
aufrufen. Dies gewährleistet einen schnellen Überblick darüber,
wie gut oder schlecht der Patient hinsichtlich dieses wichtigen
Blutzuckerzielwertes eingestellt ist.
• Der Speicher des Messgeräts fasst 500 Werte, so dass selbst
bei 5- bis 6-maligem Messen am Tag die Werte eines ganzen
Quartals abrufbar sind.
• Damit der Anwender keine Messung vergisst, erinnert
Accu-Chek® Performa Nano bei Bedarf 1 oder 2 Stunden nach
dem Essen an die Messung.
Weitere Informationen:
Roche Diagnostics GmbH, Tel.: 01/277 87-355,
E-Mail: [email protected],
Web: www.roche.at; www.accu-chek.at/nano
■
1 International
Diabetes Federation, Leitlinie für die postprandiale Glukoseeinstellung.
www.idf.org 2007
Diabetes Gesellschaft, Diabetes Mellitus – Leitlinien für die Praxis.
Wien Klin Wochenschr 2009; 121 (Suppl 5)
2 Österreichische
Entgeltliche Einschaltung
Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Beipackzettel oder der Gerbrauchsanweisung bzw. konsultieren Sie Ihren Arzt oder Apotheker.
ACCU-CHEK und PERFORMA NANO sind Marken von Roche. © 2010 Roche.
D
Originalgröße
* ) hZ[LYYLPJOPZJOL+PHIL[LZ.LZLSSZJOHM[+PHIL[LZ4LSSP[\Z3LP[SPUPLUMmYKPL7YH_PZmILYHYILP[L[L\UKLY^LP[LY[L-HZZ\UN
ie postprandiale Hyperglykämie ist neben dem HbA1c als eigenständiger Risikofaktor für diabetische Spätkomplikationen etabliert. Die International Diabetes Federation (IDF) hat aus diesem
Grund eigene Guidelines zum Management postprandialer Blutzuckerwerte veröffentlicht, um die Wichtigkeit dieses Parameters für
die Verlaufskontrolle des Diabetes zu verdeutlichen1. In den Leitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) wird der
postprandiale Blutzucker als relevante Richtgröße der Blutzuckerkontrolle angeführt und ein 2-Stunden-Zielwert von 135 mg/dl für
die kapilläre Selbstmessung im Vollblut (entsprechend 160 mg/dl
bei plasmakalibrierten Messsystemen) empfohlen2.
zu überprüfen.
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 16
Multiple Kontraindikationen
und Unverträglichkeiten
In der Diabetologie steht ein heterogenes Patientenkollektiv einem immer breiter werdenden Spektrum
an etablierten und modernen pharmakologischen Interventionen gegenüber. In diesem Spannungsfeld ist das
Einbeziehen von Komorbiditäten, Kontraindikationen und Unverträglichkeiten zur Erhaltung der Compliance
des Patienten ein essenzieller Faktor auf dem Weg zu einer guten Diabeteseinstellung.
DER FALL:
Eine 55-jährige Patientin stellt sich bei seit 6 Jahren bekanntem Diabetes mellitus
Typ 2, einem HbA1c von 8 %, einem Body-Mass-Index von 29,4 kg/m2 und subjektivem Wohlbefinden an unserer Ambulanz vor. Die bisherige Betreuung erfolgte durch den Hausarzt. Dieser überweist die Patientin bei einer sich seit 6 Monaten (damals HbA1c 7,1 %) zunehmend verschlechternden Blutzuckereinstellung. Eine Therapie mit Pioglitazon war wenige Wochen zuvor
aufgrund von Beinödemen abgebrochen worden.
An Vorerkrankungen lassen sich anamnestisch ein St. p. Mammakarzinom mit Mammateilresektion vor 2 Jahren und angeschlossener Radiochemotherapie, eine Niereninsuffizienz bei
bekannter diabetischer Nephropathie, eine milde, nicht proliferative diabetische Retinopathie,
eine arterielle Hypertonie, eine postmenopausalen Osteoporose mit pathologischer Fraktur des
12. Brustwirbelkörpers, eine Depression sowie eine seit 2 Jahren bekannte LFP-Erhöhung
erheben. Letztere wurde nach hepatologischer Abklärung als nicht-alkoholische Steatohepatitis
(NASH) klassifiziert.
In den Blutzuckertagesprofilen zeigen sich nüchtern Blutzuckerwerte von 157–220 mg/dl, vor
dem Mittagessen 46–117 mg/dl und vor dem Abendessen 104–138 mg/dl.
Die aktuelle Medikation sowie die Laborparameter sind in > Tab. 1 und > Tab. 2 dargestellt.
m Rahmen der Grunderkrankung ist bei
30–40 % aller Diabetiker mit einer
Nephropathie zu rechnen. Weiters ist das
erhöhte kardiovaskuläre Risiko mit einer 3bis 5-fach erhöhten Inzidenz für akute Myokardinfarkte im Vergleich zu Stoffwechselgesunden hinlänglich bekannt. Diese Erkrankungen können und müssen ebenso wie
Herzinsuffizienz, schwere Leberschäden,
chronische Darmerkrankungen, Osteoporose
oder Depression die therapeutische Wahl
einschränken und beeinflussen.
Das ausgewählte Fallbeispiel aus der Diabetesambulanz ist aufgrund dieser bekannten
Probleme keine seltene Herausforderung,
sondern eine häufiger werdende Konstellation.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
I
Limitierte Optionen
In Anbetracht des steigenden HbA1c-Wertes
unserer Patientin ist eine Intensivierung der
16
Therapie notwendig. Im Vordergrund stehen
zunächst die teils deutlich erhöhten Nüchternblutzuckerwerte, wobei laut aktuellen
Leitlinien der ÖDG im Sinne der maximierten
Prävention ein Blutzucker von nüchtern
ⱕ 110 mg/dl anzustreben ist. Diese Zielwerte werden unter der laufenden oralen Kombinationstherapie mit Metformin und Glimepirid (Amaryl®) nicht erreicht. Erschwerend
kommt hinzu, dass bei einer bestehenden
chronischen Niereninsuffizienz mit einer errechneten GFR < 60 ml/min aufgrund der
Gefahr einer Laktatazidose Metformin kontraindiziert ist. Auch Glimepirid wird großteils renal eliminiert und kann bei eingeschränkter Nierenfunktion durch eine Akkumulation zu protrahierten Hypoglykämien
führen. Bei anamnestisch erhobener Hypoglykämieneigung am späten Vormittag werden daher beide bestehenden antidiabetischen Medikamente abgesetzt. Somit hat
sich die Bandbreite der Diabetestherapie be-
reits um zwei etablierte und suffiziente Substanzgruppen reduziert. Unter den Sulfonylharnstoffen hat Gliquidon (Glurenorm®) aufgrund des primär hepatalen Abbaus eine
Sonderstellung und kann auch bei der vorliegenden Niereninsuffizienz eingesetzt werden.
Insulinresistenz und NASH sind im konkreten
Fall Argumente für den Einsatz eines Glitazons. Allerdings berichtet die Patientin über
eine nicht tolerierbare Ödemneigung und Gewichtszunahme unter einer niedrig dosierten
Glitazongabe. Unabhängig von dieser Nebenwirkung bei Langzeittherapie sollte bei bekannter Osteoporose das erhöhte Frakturrisiko postmenopausaler Frauen beachtet
werden.
Aus pathophysiologischer Sicht wäre auch
eine Gliptintherapie eine sinnvolle Option. Jedoch liegen bei Patienten mit einer GFR ⱕ
50 ml/min nur begrenzte Erfahrungen mit
diesen Substanzen vor. Ähnliche Bedenken
gelten für den Einsatz von GLP-1-Analoga,
wobei hier die Einschränkung in puncto Kostenerstattung durch die GKK eine zusätzliche
Hürde darstellt.
Für viele Patienten und Ärzte stellt der Beginn einer Insulintherapie ein einschneidendes Ereignis dar. Die Bandbreite reicht diesbezüglich von einer Basis-Bolus-Therapie
über die Gabe von Mischinsulin bis zur Applikation von lediglich Basal- oder prandialem
Insulin. Im aktuellen Fall haben wir uns für die
Kombination von Glurenorm® mit einem
NPH-Insulin am Abend entschieden. Entsprechend der Studienlage sollte anhand dieser
Option eine ausreichende HbA1c-Absenkung
gewährleistet sein – insbesondere da zunächst bei unserer Patientin eine erhöhte
Nüchternglukose im Vordergrund steht. Weiters ist im Vergleich zu einer Basis-BolusTherapie mit einer geringeren Gewichtszunahme und weniger Hypoglykämien zu rechnen.
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 17
DR. LARS
STECHEMESSER
DR. GERHARD
JANSKY
UNIV.-DOZ. DR.
RAIMUND
WEITGASSER
Universitätsklinik für Innere Medizin I, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg
Nach eingehender Nachschulung der Patientin erfolgt die Initiierung der Kombination aus
Glurenorm® 30 mg 1-0-0 und Insulatard®
0/0/0/8 IE. In den kurzfristig vereinbarten
Kontrollen wird die Insulatard®-Dosis bis
zum Erreichen eines stabilen Nüchternblutzuckerwert < 100 mg/dl schrittweise auf 18
IE am Abend erhöht. Nach 3 Monaten und
einer erfreulichen Gewichtsreduktion im Ausmaß von 3 kg unter einem begleitenden Bewegungsprogramm lag der HbA1c-Wert bei
6,7 %. In diesem Zeitraum konnten nur wenige leichte Hypoglykämien tagsüber dokumentiert werden. Bei nächtlichen Hypoglykämien wäre der Wechsel auf ein lang
wirksames Insulinanalogon erstattungsfähig.
Bezugnehmend auf die kontroverse Diskussion über das Tumorrisiko von Insulin Glargin
(Lantus®) ist zumindest bei unserer Patientin mit positiver Mammakarzinom-Anamnese
hier Zurückhaltung zu empfehlen.
Zusätzlich wurde die antihypertensive Therapie bei der Patientin ohne bekannte koronare
Herzkrankheit von einem Betablocker (Beloc®)
Tab. 1: Laborparameter
auf einen ACE-Hemmer geändert und die
Osteoporosetherapie um ein Bisphosphonat
erweitert.
Resümee
In Zusammenschau der Befunde führen möglicherweise nicht alle Wege nach Rom, einige
sind gesperrt, andere führen gefährlich nah
am Abgrund und manche sind steinig, jedoch
lohnend. Der für den individuellen Patienten
geeignete Weg kann nur in enger Kooperation mit dem Patienten und in Kenntnis seiner
täglichen Bedürfnisse und Komorbiditäten
sowie der Charakteristika der Therapieoptionen erfolgen.
■
Kreatinin
2,5 mg/dl
(0,6–1,2 mg/dl)
eGFR
40,05 ml/min
(> 70 ml/min/KO)
Harnstoff
55 mg/dl
(10–50 mg/dl)
Albumin/Kreatinin-Ratio
55
(< 17)
Glimepirid 3 mg
LDL
86 mg/dl
(50–150 mg/dl)
Metformin 850 mg
1-1-0
HDL
73 mg/dl
(40–100 mg/dl)
Simvastatin 40 mg
0-0-1
Triglyzeride
56 mg/dl
(< 150 mg/dl)
Beloc® 50 mg
1-0-0
1-0-0
1-1-1
Tab. 2: Aktuelle Medikation
GOT (AST)
78 U/l
(10–50 U/l)
Pram® 10 mg
GPT (ALT)
58 U/l
(10–50 U/l)
Cal-D-Vita®
1-0-0
träglichkeit ungeeignet ist, • einem Thiazolidindion bei Patienten mit ungenügender Blutzuckereinstellung, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet ist. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit
gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Dipeptidylpeptidase-4-(DPP-4)-Inhibitoren, ATC-Code: A10BH02 INHABER DER ZULASSUNG: Novartis Europharm Limited, Wimblehurst Road, Horsham, West Sussex, RH12 5AB, Vereinigtes Königreich; Informationen betreffend Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkung mit
anderen Mitteln, Nebenwirkungen und Gewöhnungseffekte sind den veröffentlichten Fachinformationen
zu entnehmen. Stand der Information: 10/2008.
* laut Fachinformation 10/2008
1) Marfella R. et al.; Effects of vildagliptin twice daily vs. sitagliptin once daily on 24-hour acute glucose
fl uctuations; Journal of Diabetes and Its Complications; 1056-8727/09; 2009; article in press.
lispro Protamin Suspension (intermediär wirkendes Humaninsulin Analogon). ATC Code: A10A D04.
4.3 Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Insulin lispro oder einen sonstigen Bestandteil. Hypoglykämie. 6.1 Liste der sonstigen Bestandteile: Humalog: m-Cresol (3,15 mg/ml), Glycerol, Natriummonohydrogenphosphat 7 H2O, Zinkoxid, Wasser für Injektionszwecke. Salzsäure und Natriumhydroxid können für die Einstellung des pH auf 7,0 bis 7,8 eingesetzt werden. Humalog (Mix25) {Mix50}:
Protaminsulfat, m-Cresol ([1,76 mg/ml]), {[2,20 mg/ml]}, Phenol ([0,80 mg/ml]), {[1,00 mg/ml]}, Glycerol, Dinatriumhydrogenphosphat 7 H2O, Zinkoxid, Wasser für Injektionszwecke. Salzsäure und Natriumhydroxid können für die Einstellung des pH auf 7,0 bis 7,8 eingesetzt werden. 7. INHABER DER
ZULASSUNG: Eli Lilly Nederland B.V., Grootslag 1-5, NL-3991 RA Houten, Niederlande. Rezept-, apothekenpflichtig. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte den veröffentlichten Fachinformationen.
Stand: Mai 2009.
Humalog + Humalog Mix 25 / 50 Fachkurzinformation
1. BEZEICHNUNG DES ARZNEIMITTELS: Humalog 100 E/ml, Injektionslösung in Durchstechflasche [Patrone/ KwikPen]. Humalog (Mix25) {Mix50} 100 E/ml, Injektionssuspension in [Patronen/ KwikPen]. 2.
QUALITATIVE UND QUANTITATIVE ZUSAMMENSETZUNG: 1 ml enthält 100U (äquivalent zu 3,5 mg) Insulin lispro (über rekombinante DNA hergestellt aus E. coli). Jedes Behältnis enthält 10 ml äquivalent
zu 1000U Insulin lispro. [Jedes Behältnis enthält 3 ml äquivalent zu 300U Insulin lispro.] (Humalog
Mix25 besteht zu 25% aus einer Insulin lispro Lösung und zu 75% aus einer Insulin lispro Protaminsuspension.). {Humalog Mix50 besteht zu 50% aus einer Insulin lispro Lösung und zu 50% aus einer
Insulin lispro Protaminsuspension.}. Die vollständige Auflistung der sonstigen Bestandteile siehe unter
Abschnitt 6.1. 4.1 Anwendungsgebiete: Zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern mit Diabetes
mellitus, die Insulin für die Aufrechterhaltung eines normalen Glukosehaushaltes benötigen. Humalog
ist ebenfalls angezeigt bei der Ersteinstellung des Diabetes mellitus. Humalog (Mix25) {Mix50} ist angezeigt für die Behandlung von Patienten mit Diabetes mellitus, die Insulin für die Aufrechterhaltung
eines normalen Glukosehaushaltes benötigen. Pharmakotherapeutische Gruppe: Humalog: Humaninsulin-Analogon mit raschem Wirkungseintritt, ATC Code A10A B04. Humalog (Mix25) {Mix50} ist
eine vorgefertigte Suspension aus Insulin lispro (rasch wirkendes Humaninsulin Analogon) und Insulin
Lantus 100 Einheiten/ml Injektionslösung in einem Fertigpen; OptiSet und SoloStar.
Lantus 100 Einheiten/ml Injektionslösung in einer Patrone.
Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Ein ml enthält 100 Einheiten Insulin glargin (entsprechend 3,64 mg). Ein Pen/eine Patrone enthält 3 ml Injektionslösung, entsprechend 300 Einheiten. Insulin glargin wird mittels gentechnologischer Methoden unter Verwendung von Escherichia coli hergestellt. • Liste der sonstigen Bestandteile: Zinkchlorid, m-Cresol, Glycerol, Salzsäure, Natriumhydroxid,
Wasser für Injektionszwecke • Anwendungsgebiete: Zur Behandlung von Diabetes mellitus bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab 6 Jahren, sofern die Behandlung mit Insulin erforderlich ist • Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile • Inhaber
der Zulassung: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, D 65926 Frankfurt am Main, Deutschland • Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rp, apothekenpflichtig • Pharmakotherapeutische Gruppe: Insuline
und Analoga zu Injektion, lang wirkend, ATC Code: A10A E04. • Stand der Information: 04. November
2009. Weitere Angaben zu den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft
und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie den Gewöhnungseffekten sind der veröffentlichten Fachinformation
zu entnehmen.
17
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Therapeutisches Vorgehen
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 18
Seltene Diabetesformen am
Beispiel eines pankreopriven Diabetes
Pankreaserkrankungen sind zu weniger als 1 % Ursache für einen Diabetes mellitus, an erster Stelle steht
dabei die alkoholtoxische Genese, seltener Pankreastumore oder die zystische Fibrose.
DER FALL:
Anfang Mai 2010 erfolgt die Spitalseinweisung von
Frau C. S. aufgrund einer allgemeinen Schwäche. Die 49-jährige
Patientin präsentiert sich in einem reduzierten Allgemein- und kachektischen Ernährungszustand mit einem Body Mass Index (BMI) von 15
kg/m2. Anamnestisch wird ein Gewichtsverlust von 20 kg innerhalb
des letzten Jahres erhoben. Als Vorerkrankung ist eine Depression
bekannt, die medikamentös laut Patientin gut eingestellt ist.
Im Akutlabor bei der Aufnahme zeigt sich ein erhöhter Blutzuckerspiegel von 970 mg/dl bei normalem Säure- und Basenhaushalt in der
Blutgasanalyse (> Tab.). Ein Diabetes sei bisher nicht bekannt gewesen, jedoch lässt sich in der weiteren Anamnese eine Polyurie und
eine Polydipsie seit ca. 9 Monaten eruieren. Ein HbA1c von 13,9 %
bestätigt den Verdacht auf eine länger bestehende Stoffwechselentgleisung. Im Routinelabor finden sich erhöhte Leberwerte, insbesondere eine hohe GGT von 591 U/l, mit einer reduzierten Cholinesterase. Die Patientin berichtet über einen Alkoholabusus bis vor 6 Monaten
(mindestens 3–4 Bier täglich), wobei die angegebene Alkoholkarenz
durch einen Alkoholspiegel von 1,2 g/l bei Aufnahme in Frage gestellt
wird.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Therapieregime: Aufgrund des deutlich erhöhten Glukosespiegels
wird zunächst eine kontinuierliche intravenöse Insulintherapie begonnen und somit der Blutzucker unter regelmäßiger Kontrolle langsam
gesenkt. Nachdem schließlich nur wenige Insulineinheiten am Tag
erforderlich sind, wird der Versuch einer oralen antidiabetischen Therapie mit einem Sulfonylharnstoff gestartet, eine zusätzliche Metformintherapie kommt bei einem BMI von 15 kg/m2 und Insulinmangeldiabetes nicht in Frage. Unter der Therapie mit Gliclazid bestehen jedoch
Abb. 1: Verkalkte Pseudozyste in der Pankreascauda
18
Tab.: Laborwerte bei Aufnahme
Glukose
970 mg/dl
HbA1c
13,9 %
GOT
43 U/l
GPT
39 U/l
GGT
591 U/l
AP
247 U/l
Cholinesterase
3.569 U/l
Kreatinin
0,7 mg/dl
Ethanol
1,2 g/l
Kreatinin-Clearance
57 ml/min
Gesamteiweiß im 24-h-Harn
0,41 g/24 h
IA2-AK
negativ
GAD-AK
negativ
C-Peptid
0,7 ng/ml (nüchtern)
weiterhin besonders postprandial erhöhte Blutzuckerwerte, so dass
eine Umstellung auf eine 2-mal tägliche Mischinsulintherapie mit
Dosisanpassung nach einem vorgebenen Schema erfolgt.
Weitere Abklärung: Im stationären Verlauf wird ein Abdomenultraschall durchgeführt, in dem sich ein chronischer Leberparenchymschaden bestätigt. Das Pankreas ist bei schlechten Ultraschallbedingungen nur eingeschränkt beurteilbar, so dass zur genaueren Abklärung eine Computertomographie veranlasst wird. Hier zeigt sich das
Abb. 2: Atrophes Pankreas mit Verkalkung im Corpusbereich
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 19
DR. GERSINA
REGA-KAUN
PRIM.
UNIV.-PROF. DR.
PETER FASCHING
5. Medizinische Abteilung, Abteilung für Rheumatologie,
Stoffwechselerkrankungen und Rehabilitation, Wilhelminenspital, Wien
Pankreas deutlich atroph mit zwei grobscholligen Verkalkungen im Bereich von
Pankreascorpus und -cauda, mutmaßlich
verkalkten Pseudozysten entsprechend
(> Abb. 1, 2).
Im Rahmen des Screenings auf Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus kann
eine diabetische Retinopathie ausgeschlossen werden. Im 24-Stunden-Harn manifestiert sich jedoch eine eingeschränkte Kreatinin-Clearance mit einer Proteinurie von
0,4 g/24 h als Ausdruck einer diabetischen
Nephropathie. Im Nierenultraschall zeigt
sich das Bild eines chronischen Nierenparenchymschadens. Als Nephroprotektion
wird bei einem Blutdruck von 105/70 mmHg
eine Therapie mit einem niedrig dosierten
ACE-Hemmer etabliert, die von der Patientin gut toleriert wird.
Ausblick: Unter der Insulintherapie konnten
nahe-normoglykämische Blutzuckerwerte
erreicht werden. Eine stationäre Wiederaufnahme zur Umstellung auf eine funktionelle Insulintherapie (FIT) zur Steigerung
der Flexibilität wurde für September vereinbart.
Charakteristische Hinweise
In unserem beschriebenen Fall gab es, abgesehen vom Alkoholabusus mit veränderten Leberfunktionsparametern, einige charakteristische Hinweise auf einen pankreopriven Diabetes mellitus: Die starke
Gewichtsabnahme von 20 kg auf einen BMI
von 15 kg/m 2 ist nicht nur Folge des In sulinmangels, sondern auch der exokrinen
Pankreasinsuffizienz. Leitsymptome einer
Pankreatitis waren anamnestisch nicht zu
erheben. Eine gezielte Suche auf Pankreasveränderungen erfolgte mittels Computertomographie und ergab eine deutliche Pankreasatrophie sowie Verkalkungen als Hinweis auf eine chronische Pankreatitis.
Therapeutisches Dilemma
Die Therapie des pankreopriven Insulinmangeldiabetes stellt oft eine Herausforderung
dar. Einerseits handelt es sich meist um relativ junge Patienten, die streng eingestellt
werden sollten, um Spätkomplikationen zu
vermeiden, andererseits besteht ein erhöhtes Risiko für schwere Hypoglykämien.
Diese sind bedingt durch eine gestörte Gegenregulation aufgrund der gleichzeitigen
Zerstörung der Glukagon-produzierenden Al-
phazellen, daneben spielen ethyltoxische Leberfunktionsstörungen und eine Mangelernährung eine wichtige Rolle.
Ein fortgeführter Alkoholabusus, der oft –
wie in diesem Fall – negiert wird, erschwert
nicht nur eine stabile Stoffwechsellage, sondern auch die Therapieadhärenz. Fehlende
Protokollierung der Blutzuckerwerte und verabreichten Insulineinheiten bis zum Nichterscheinen bei Kontrollterminen sind die Folge.
Dabei sollte immer bedacht werden, dass
ein niedriges HbA1c auch Ausdruck von regelmäßigen Hypoglykämien bei schwankenden
Blutzuckerwerten sein kann.
Individuell angepasste Therapie
Unsere Patientin zeigte sich während des
stationären Aufenthaltes sehr interessiert
an der Diabetesschulung und an einer guten
Blutzuckereinstellung, so dass wir mit der
Patientin eine funktionelle Insulintherapie
(FIT) besprachen. Weitere Kontrollen in der
Diabetesambulanz werden bis zur FIT-Schulung im September folgen, in denen die nötige Compliance beurteilt werden kann. Grundsätzlich sollte die Insulintherapie individuell
angepasst werden. Im Einzelfall müssen höhere Blutzuckerwerte akzeptiert werden, um
schwere Hypoglykämien zu vermeiden.
■
19
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Diagnose: In Zusammenschau der Befunde sprechen die radiologischen Zeichen
einer chronischen Pankreatitis, der niedrige BMI, ein Insulinbedarf bei Diagnosestellung, aber fehlenden Autoantikörpern
(GAD- und IA2-AK) für einen pankreopriven Diabetes, d. h. einen sekundären
Diabetes mellitus durch Zerstörung der
Betazellen als Folge der chronischen
Pankreatitis. Die Diagnose eines Insulinmangeldiabetes wird durch ein deutlich
reduziertes C-Peptid von 0,7 ng/ml
(Referenzbereich 0,9–7,1 ng/ml) in weiterer Folge bestätigt.
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 20
Der „therapierefraktäre“ Diabetespatient
Anhaltendes Nichtansprechen auf antidiabetische Therapie, trotz Intensivierung, ließen in vorliegendem
Fall ein Adhärenzproblem vermuten, als deren Grundlage sich bei der 68-jährigen Patientin kognitive Defizite
herausstellten.
DER FALL:
Ende November 2009 wurde die 68-jährige Patientin
K. F. von der neurologischen Abteilung, wo sie wegen Vertigo mit rezidivierenden Stürzen aufgenommen worden war, an unser Internes
Zentrum transferiert. An unserer Abteilung waren die weiterführende
Evaluierung dieser Problematik sowie die Optimierung des Diabetesmanagements bei einem aktuellen HbA1c-Wert von 11 % geplant. Da
sich im weiteren Verlauf der Durchuntersuchung kein Substrat für die
Vertigo-induzierten Stürze fand, wurde ein Reveal-Herzmonitor implantiert.
Bei der adipösen Patientin (Body Mass Index 33 kg/m2) wurde im
Jahr 2004 im Rahmen der Vorbereitungen für eine aortokoronare
Bypass-Operation mit Aortenklappenersatz ein Diabetes mellitus Typ 2
diagnostiziert. Nach erfolgter Diabetesschulung wurde die Patientin
auf eine orale Diabetesmedikation – zunächst Acarbose, dann Metformin und Glimepirid, später Metformin und Gliclazid – eingestellt.
Anfangs fand sich eine deutliche Besserung des HbA1c-Wertes auf
6,7 %. Nach Entlassung wurde der Diabetes weitgehend vom Hausarzt kontrolliert.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
2007 erfolgte ein stationärer Aufenthalt wegen eines Ulcus cruris
venosum, der HbA1c-Wert lag zu diesem Zeitpunkt bei 12,7 %. Nach
Anpassung der Diabetesmedikation wurde die Patientin von 2007 bis
2009 wieder im extramuralen Bereich betreut.
Aufenthalts wurde die Therapie vorerst auf eine Kombination von
Gliclazid mit Sitagliptin/ Metformin umgestellt und die Patientin
Anfang Dezember 2009 entlassen. Bis März 2010 erfolgte die
Betreuung an unserer internen Ambulanz, wo vorerst die GliclazidTherapie auf das Maximum gesteigert wurde. Auffällig war, dass die
Patientin zeitweise die vereinbarten Kontrolltermine nicht wahrnahm. Bei den Besprechungen zeigte sie sich immer kooperativ und
versicherte, dass sie sich bemühen werde, die Tabletten exakt einzunehmen und auch die Ernährungsvorschläge, die sie mit der Diätologin ausgearbeitet hatte, gewissenhaft umzusetzen. Auch wollte
sie wieder regelmäßig Spaziergänge machen.
Aufgrund persistierend hyperglykämischer Profile erfolgte eine erneute
Aufnahme im März 2010. Die lagen nüchtern im Mittel um 200 mg/dl
und vor dem Mittagessen über 300 mg/dl. Auffällig waren nicht nur die
hohen Blutzuckerwerte, sondern auch ein INR von 7,4 unter Marcoumar-Therapie. In diesem Zusammenhang tauchte erstmals der Verdacht auf inadäquate Adhärenz bezüglich Medikamenteneinnahme
und Diätvorschriften auf. Wir begannen eine Therapie mit einer 1-mal
täglichen Gabe eines Langzeit-Insulinanalogons in steigender Dosierung, unter Beibehaltung von Metformin und Gliclazid in reduzierter
Form.
Aufgrund des Verdachts auf Adhärenzprobleme führten wir einen MiniMental-Status-Test (MMSE) durch. Bei der MMSE erzielte die Patientin einen Score von 18. Die Patientin selbst gab an, in den letzten Jahren vergesslich geworden zu sein, dies wurde auch durch ihre Tochter
bestätigt. Es konnte ferner erhoben werden, dass die Patientin ihre
Tabletten unregelmäßig eingenommen hatte und auch planlos Mahlzeiten zu sich nahm. Nach psychiatrischer Begutachtung etablierten wir
eine Therapie mit einem Cholinesterasehemmer und einem SSRI, da
wir speziell von der Kombination eine Verbesserung der kognitiven
Allgemein anamnestisch finden sich bei der Patientin eine arterielle
Hypertonie, eine Dyslipidämie, ferner ein seit Jahren bestehendes und
bislang oral antikoaguliertes chronisches Vorhofflimmern und ein St. p.
Ventrikulozisternostomie bei Aquäduktstenose.
An diabetischen Spätschäden bestehen eine ischämische Kardiomyopathie, mit 2-fachem aortokoronaren Bypass und zerebral ein
St. p. kleiner Insult sowie hämodynamisch
nicht wirksame Abgangsstenosen der
Tab.: Blutzuckerprofil bei
ACID und der ACE beidseits. Während
des stationären Aufenthalts wurde eine
BZ-Profil bei
diabetische Nephropathie festgestellt,
Uhrzeit
Aufnahme (mg/dl)
eine diabetische Retinopathie konnte nicht
7
237
nachgewiesen werden. Eine autonome
9
362
Neuropathie mit Inkontinenz und eine peri12
121
phere symmetrische Polyneuropathie wurden noch an der neurologischen Abteilung
16
138
diagnostiziert.
20
242
Das Blutzuckerprofil vom Aufnahmetag
24
276
zeigt die > Tab.. Während des stationären
20
Aufnahme, vor und nach Entlassung
BZ-Profil bei
Entlassung (mg/dl)
BZ-Werte nach
Entlassung (mg/dl)
160
128
242
192
147
146
183
198
176
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 21
ASS. DR. THOMAS
BALLABAN
PRIM. DR.
HEIDEMARIE
ABRAHAMIAN
Internes Zentrum, Otto-Wagner-Spital, Wien
Vaskuläre Demenz als Grundlage
Nach langer Überschätzung der Fähigkeiten
der Patientin analysierten wir die Ursachen
des „therapierefraktären“ Zustandes genauer. Zunächst wurde vermutet, dass die Patientin nicht krankheitseinsichtig ist und
daher auch keine Motivation zur Therapie
aufweist. Das demenzielle Zustandsbild, das
Therapieadhärenz deutlich erschwert, wurde
primär nicht erkannt. Die Patientin zeigte
sich verständig und konnte durch angepasste Antworten unbewusst ein Verstehen vortäuschen.
Infolge einer MMSE konnte die Diagnose
einer Demenz gestellt werden, wobei das Ergebnis (Score 18) bereits für den Übergang
in eine mittelschwere Demenz spricht (bei
einem Range von 0–30 werden Werte von
27–30 als normal gewertet, 24–27 als
grenzwertig, 18–23 als leichte Demenz,
11–17 als mittelschwere Demenz und der
Bereich < 10 als schwere Demenz). In der
psychiatrischen Begutachtung wurde die
Diagnose bestätigt. Die Genese der Demenz
kann aufgrund der Klinik als vaskulär eingestuft werden. In einer jüngst publizierten
Studie wurde gezeigt, dass PatientInnen mit
Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko vorwiegend vaskulärer Genese
aufweisen (Luchsinger et al., J Alzheimers
Dis 2010). Ebenso wurde dokumentiert,
dass Typ-2-Diabetes mit einer höheren Zahl
von zerebralen Infarkten, einer verstärkten
Affektion der weißen Hirnsubstanz und einem
empfehlungen und ausreichende Flüssigkeitszufuhr sorgen. Bei der
ersten ambulanten Kontrolle nach 3 Wochen zeigte sich, dass die
Nüchternblutzucker, die täglich von der mobilen Krankenschwester
gemessen werden, zwischen 100–140 mg/dl lagen. Andere, von der
Tochter gemessene Blutzuckerwerte lagen ebenso in diesen Bereichen > Tab.). Der HbA1c-Wert zeigte sich mit 8,4 % bereits deutlich
besser.
verminderten Hirnvolumen assoziiert ist
(Saczynski et al., Diabetes Care 2009). Die
Demenz-Diagnose relativierte in diesem Fall
den Begriff „incompliante Patientin“. Untersuchungen in der neueren Literatur zeigen
eindeutig den Zusammenhang zwischen Diabetes, Demenz und der Verschlechterung
des Selbstmanagements: In einer rezent
publizierten Studie (Alencar et al., Diabetol
Metab Syndr 2010) wurde beschrieben,
dass diabetische PatientInnen mit einem
MMSE-Score im Mittel von 23,16 bereits
Unterstützung bei der regulären Medikamenteneinnahme brauchten. Generell ist der regelmäßige Einsatz von MMSE-Untersuchungen bei älteren diabetischen PatientInnen zu
befürworten (siehe dazu auch die AWAREStudy von Sinclair et al., Diabetes Res Clin
Pract 2000), um bereits frühzeitig kognitive
Fehlleistungen zu erkennen.
Diabetes mellitus ist ein sehr komplexes
Krankheitsbild, das ein höheres Maß an kognitiver Funktion zur Bewältigung erfordert.
Auch andere Studien geben Hinweise darauf,
dass eine schlechte Diabeteseinstellung mit
allen Folgeerscheinungen das Diabetesselbstmanagement ungünstig beeinflusst,
was wiederum Rückwirkungen auf den Krankheitsverlauf hat (Blaum et al.; Med Care
2010). Ist durch ein dementes Zustandsbild,
wie bei unserer Patientin, ein adäquates
Selbstmanagement nicht mehr gewährleistet, müssen externe Ressourcen aktiviert
werden, um ein ausreichendes Diabetesmanagement aufrechtzuerhalten.
In diesem speziellen Fall stellt sich ferner die
Frage, welcher HbA1c-Wert bei dieser Patientin anzustreben ist. Die ACCORD-MINDStudie, die jüngst publiziert wurde, zeigt anschaulich den Zusammenhang zwischen
chronischer Hyperglykämie und Demenz: Es
zeigte sich eine signifikante positive Assoziation zwischen HbA1c-Wert und den Scores
der kognitiven Tests. Bereits ein um 1 % höherer HbA1c-Spiegel zeigte eine Verschlechterung des DSST-Scores um 1,75 Punkte
(Cukierman-Yaffe et al., Diabetes Care
2009). Auf Basis dieser Ergebnisse streben
wir bei unserer Patientin einen Ziel-HbA1cWert von < 8 % an. Ebenso sind Hypoglykämien in jedem Fall zu vermeiden, da das ältere vulnerable Gehirn davon weiteren Schaden nehmen könnte.
Die verstärkte Einbindung der Angehörigen
in die Betreuung, regelmäßige Arztbesuche,
wiederholte Diätberatungen, Vereinfachung
der Diabetestherapie und Überprüfung der
Medikamenteneinnahme sind bei dementen
PatientInnen notwendige Maßnahmen zur
Aufrechterhaltung einer angemessenen
Diabeteseinstellung. Unsere Fallvorstellung
soll auch zeigen, dass die Demenz als zugrunde liegendes Problem für das Management des Typ-2-Diabetes oft unterschätzt
wird und PatientInnen in ihren kognitiven
Leistungen überschätzt werden können.
Wir empfehlen daher, bei therapierefraktären PatientInnen auch psychiatrische Krankheitsbilder in die Differenzialdiagnosen mit
einzubeziehen.
■
21
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Leistungsfähigkeit erwarteten. Eine Depression konnte nicht diagnostiziert werden.
Für die Patientin wurde nun eine komplexe therapeutische Begleitung etabliert: Eine mobile Krankenschwester sorgt in Hinkunft für
die tägliche Insulininjektion und die Einnahme der Medikamente morgens, die Tochter selbst wird die genaue Medikamenteneinnahme
tagsüber überprüfen und auch für die Einhaltung der Ernährungs-
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 22
Der „incompliante“ Patient
Die hier präsentierte Dokumentation einer mehr als 2 Jahrzehnte umfassenden Diabeteserkrankung illustriert
mehrere Schlüsselaspekte unzureichender Compliance: ungesunde Lebensweise schon in jungen Jahren,
unzureichende Aufklärung und Schulung in der initialen Phase der Erkrankung sowie Lebensabschnitte, in
denen persönliche Probleme und depressive Verstimmung den Diabetes in den Hintergrund treten lassen.
DER FALL:
Herr P., jetzt 66-jähriger Pensionist, geschieden und alleinlebend, war schon
mit 19 Jahren übergewichtig. 1988 wurde im Alter von 44 Jahren ein Typ-2-Diabetes festgestellt. Herr P. wog damals 110 kg (BMI 35 kg/m2). Die Blutzuckerwerte waren nur geringfügig
pathologisch, sodass man sich zu einer diätetischen Einstellung entschloss.
1992 wurde Herr P. erstmals stationär betreut und eingehend geschult. Das Gewicht betrug
145 kg, der HbA1c-Wert 7,2 %. Da die postprandialen Blutzuckerwerte 180 mg/dl nicht überstiegen, wurden keine oralen Antidiabetika (OAD) verordnet. Im Gefolge stieg das Gewicht auf
152 kg und die Glykämie verschlechterte sich auf ein HbA1c von > 9 % im Jahr 2003, weswegen Metformin (2 x 1.000 mg) und Insulin Mixtard 30 in einer Tagessummendosis von 70 IE verabreicht wurde.
2005 erneut stationäre Betreuung und Schulung, das Gewicht konnte auf 140 kg und die
Tagesinsulindosis auf 44 IE reduziert werden. Bei Entlassung maß der HbA1c-Wert noch 8,2 %,
es zeigte sich schon eine Mikroalbuminurie, es bestand eine PAVK im Stadium 2, die atherogene Dyslipidämie wurde medikamentös behandelt.
2007 erneut stationäre Betreuung und Schulung. Das Aufnahmegewicht betrug 147 kg, der
HbA1c war auf 9,6 % gestiegen, die Blutfette nicht im Zielbereich. Herr P. gab an, gelegentlich
maximal 1-mal täglich Blutzuckerkontrollen durchzuführen, Aufzeichnungen lagen keine vor.
Zusätzlich zur schon bekannten PAVK und Nephropathie wurde eine Retinopathie und Neuropathie diagnostiziert. Bei Entlassung wog der Patient 135 kg, der HbA1c lag noch bei 8,8 %.
Unter einer Insulin-Tagessummendosis von 24 IE lagen die Blutzuckerwerte zwischen 100 und
140 mg/dl im Tagesprofil.
2010 wiederum stationäre Betreuung und Schulung. Das Gewicht war auf 154 kg gestiegen,
der HbA1c-Wert maß unter nunmehr 3 x 1.000 mg Metformin und 60 IE Insulin pro Tag 8,6 %.
Die diabetische Nephropathie und Neuropathie zeigten eine deutliche Progredienz. Nach einer
Gewichtsreduktion von 7 kg auf 147 kg wurde das Insulin auf 30 IE pro Tag reduziert, die Blutzuckerwerte lagen zwischen 120 und 190 mg/dl im Tagesprofil, der HbA1c konnte bloß auf
8,4 % reduziert werden.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Frühe Versäumnisse
kaum aufzuholen
Herr P. weist nunmehr eine 23-jährige Diabetes-Erkrankung auf, die bereits eine Reihe
von Organkomplikationen zur Folge hat. Der
bereits als Jugendlicher übergewichtige Patient hatte bei Diabetesmanifestation einen
BMI von 35, allerdings nur gering pathologische Blutzuckerwerte. Daher wurden ihm
Lifestyle-Maßnahmen („Diät“) als Therapie
empfohlen, aber keine medikamentöse Therapie eingeleitet. Da er damals nicht geschult wurde, die initiale Therapie richtigerweise frei von Medikamenten war, vielleicht
22
auch Begriffe wie „leichter Zucker“ oder „Neigung zu erhöhten Zuckerwerten“ gefallen
waren, konnte Herr P. die Tragweite der Diagnose nicht realisieren.
Als er 4 Jahre darauf stationär geschult
wurde, wog er als Folge des fehlenden
Verständnisses für das Geschehen bereits
145 kg. HbA1c und Blutzucker-Tagesprofile
ließen die Möglichkeit einer Lifestyle-orientierten Behandlung noch zu, zu der er auch
intensiv motiviert wurde. Zumindest während des stationären Aufenthaltes erwies
sich dies als erfolgreich. In den folgenden
Jahren erfolgten aber kaum noch Arztbesuche, es traten Probleme in der Ehe auf, die
schließlich zur Scheidung führten. Die Lebensstilvorsätze waren bald vergessen und
das Gewicht stieg weiter auf 152 kg an. Die
Glykämie hatte sich massiv verschlechtert,
weswegen 2003 ambulant eine Insulintherapie mit relativ hoher Tagesdosis gestartet
wurde.
Als Herr P. 2005 neuerlich stationär betreut
und geschult wurde, meinte er, mit Insulin
und Metformin ausreichende Waffen im
Kampf gegen die Hyperglykämie zu haben –
was die Compliance zu anderen Maßnahmen
keinesfalls stärkte. Als ihm über die beginnende Nierenfunktionsstörung berichtet
wurde, meinte er, er verspüre keinerlei
Nierenbeschwerden, insbesondere keine
Schmerzen. Nach der Entlassung gab er seinen Beruf als Konditor auf. Das viele Stehen
hatte ihm zu schaffen gemacht und die ständige Versuchung durch hochkalorische Süßigkeiten war damit gebannt. Stattdessen arbeitete er nunmehr untertags als Taxifahrer,
wobei die vielen sozialen Kontakte mit Fahrgästen ihm zu diesem neuen Lebensstil motivierten.
Diesmal entschloss er sich schon nach 2
Jahren, somit 2007, sich neuerlich in stationäre Betreuung zu begeben. Das Gewicht
war annähernd gleich hoch geblieben, allerdings zeigte die Stoffwechselsituation, wie
erwartet, eine Progression und Verschlechterung. Zwischenzeitlich hatten sich auch die
PAVK und die Neuropathie verschlechtert, es
bestanden in Ruhe sowie beim Gehen Beinschmerzen. Bei einer PAVK im Stadium 2b
hatten sich die konsultierten Angiologen
wegen der massiven Adipositas zu intervenieren geweigert, eine nicht zu erreichende
Gewichtsreduktion von 30 kg wurde gefordert. Zur diabetischen Retinopathie hatte
sich eine Makulopathie vergesellschaftet. Im
EKG ließ sich ein intermittierender AV-Block
II vom Wenckebach-Typ nachweisen. Der
mittlerweile pensionierte Diabetiker berichtete über den Tod seines besten Freundes,
der ihm während der Zeit nach der Scheidung nahe gestanden sei, was ihm sehr be-
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 23
DGKP ERWIN
HOLUB
PRIM. UNIV.-PROF.
DR. MARIO
FRANCESCONI
SKA-RZ Alland für Stoffwechsel-,
Stütz- und Bewegungsapparaterkrankungen
trübt und veranlasst hatte, wieder einmal etliche Therapie- und Kontrollmaßnahmen zu
vernachlässigen. Zudem klagte er auch über
Schlafstörungen, weswegen eine Therapie
mit Saroten® und Zoldem® eingeleitet wurde.
Trotz intensiver Maßnahmen konnte der
HbA1c-Wert in einer Monatsfrist nicht unter
8,8 % gesenkt werden, während die Insulindosis fast halbiert wurde.
Ernst der Lage
nicht bewusst
Eine ganze Reihe von Umständen haben bei
diesem Patienten dazu beigetragen, wenig
Compliance bei der Behandlung des Diabetes
aufzubringen. Besonders nachteilig erwies
sich die fehlende initiale patientengerechte
Aufklärung im Rahmen einer Schulung zum
Thema Typ-2-Diabetes. Gerade bei Personen, die schon als Jugendliche übergewichtig
waren, ist die Betonung der Wichtigkeit von
Lifestyle-Maßnahmen von Bedeutung. Das
anfängliche Fehlen einer medikamentösen
Behandlung dürfte wohl im Sinn einer Bagatellisierung missverstanden worden sein,
was sich auch nachteilig auf die Einhaltung
von Lifestyle-Maßnahmen ausgewirkt hat.
Die damit verbundene weitere Gewichtszunahme und Verschlechterung der Glykämie
machten recht plötzlich eine ambulante Insulinisierung notwendig.
Auf Basis dieser Vorgeschichte waren alle
nachfolgenden Schulungen des Patienten nur
von geringem, vor allem aber nicht anhaltendem Erfolg gekennzeichnet. Zudem kamen
noch zwei Schicksalsschläge dazu, die den
Patienten depressiv machten und keinesfalls
die Compliance förderten. Dies alles zusammen ergab eine langjährige schlechte Diabeteseinstellung mit einem ausgeprägten diabetischen Spätsyndrom.
■
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 24
Diabetestherapie bei
terminaler Niereninsuffizienz
Diese Kasuistik ist ein Beispiel dafür, dass auch bei über 2 Jahre normalen HbA1c- und Blutglukosewerten
in der Hämodialyse eine rasche Progression makrovaskulärer Spätschäden stattfinden kann.
DER FALL:
Ein damals 59-jähriger Mann, 180 cm, 102 kg, Diabetes mellitus Typ 2 im Jahr
1985 entdeckt, wird im Jahr 1999 erstmalig an der nephrologischen Ambulanz vorstellig, als
Zuweisungsgrund ein Kreatinin von 1,8 mg-% mit begleitender Proteinurie von 8 g/Tag bei ausgeprägtem Charcot-Fuß beidseits und nachfolgender orthopädischer Versorgung. St. p. Laserbehandlung beide Augen 1995 und 1998 aufgrund proliferativer Retinopathie, in den Messungen ausgeprägte periphere und autonome Neuropathie.
Die Therapie mit Glibenclamid wird bei erhöhten Nierenwerten 1999 auf Gliquidon umgestellt.
Beginn der Insulintherapie mit 3 x tgl. Insulingabe und Gesamtbedarf von 50 IE/Tag im Jahr
2002 bei einem HbA1c von 9 %.
Bei normal großen Nieren und negativen serologischen/immunologischen Befunden in den
Routinebluten und blandem Harnsediment wird von einer diabetischen Nephropathie ausgegangen und auf eine Nierenbiopsie verzichtet. Bei einem Mittelwert in der 24-Stunden-Blutdruckmessung von 155/90 mmHg wird die bestehende Therapie mit einem Kalziumantagonisten und Diuretikum durch einen AT1-Blocker ergänzt. Unter dieser Therapie Rückgang der Proteinurie auf 4 g/Tag, jedoch langsames Fortschreiten der Niereninsuffizienz.
Im April 2006 wird bei einer Kreatininclearance von 10 ml/min und zunehmender Überwässerungsproblematik mit der Hämodialyse über einen Cimino-Shunt begonnen.
Im November 2006 Myokardinfarkt, nachfolgend bei koronarer Dreigefäßerkrankung aortokoronare Bypass-Operation. Zunehmende Manifestation kardialer Insuffizienz, zur Minimierung
der kardialen Belastung bei hohem Shuntvolumen Entscheidung zur Ligatur des Cimino-Shunts
und Fortführung der Dialyse über Zentralvenenkatheter.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Seit Sommer 2007 eine Vielzahl von Gefäßoperationen und angiographischen Interventionen
bei progressiver PAVK mit begleitenden Infektionen, nachfolgend Unterschenkelamputation
beidseits.
Der Patient verstirbt durch Sepsis ausgelöst durch Infektion eines Amputationsstumpfes im
Herbst 2009.
Schon im Jahr vor Dialysebeginn sinkt der Insulinbedarf auf 30 IE/Tag bei einem HbA1c von
6,9 % unter begleitender Erythropoietintherapie. Ein Jahr nach Beginn der Hämodialyse (2007)
bei einem HbA1c von 6,4 % Absetzen der Insulintherapie, es bestanden unter 12 IE/Tag rezidivierend Hypoglykämien bei einem Gewicht von 92 kg. Zunehmende Katabolie und Gewichtsabnahme auf 75 kg. HbA1c zwischen 5,9 % und 4,2 % in den letzten 2 Jahren vor dem Tod
ohne begleitende Diabetestherapie und ohne diätetische Einschränkungen. Aufgrund der Katabolie und bei Episoden von verstärkten Gastropareseproblemen und Sepsis intermittierend
parenterale Ernährung ohne zusätzlichem Insulinbedarf. Während der Sepsisepisoden vereinzelt Auftreten spontaner Hypoglykämien post Dialysebehandlung, gemessene Blutzucker im
Tagesverlauf bis 130 mg/dl.
24
as komplexe Urämiesyndrom mit seiner
Auswirkung auf den Gesamtorganismus
bedingt chronische Inflammation, Malnutrition, Kachexie, Anämie, Störung des KalziumPhosphat-Stoffwechsels, Hypertonie und
viele nicht aufgeklärte Mechanismen, die kardiovaskuläre Veränderungen massiv beschleunigen.
D
Datenlage nicht eindeutig
Die Bedeutung erhöhter Cholesterinwerte
wurde durch die rezente 4D-Studie sowie die
AURORA-Studie relativiert. Alle Studien
haben aber Limitationen, und ob glykämische
Kontrolle per se das in der Nierenersatztherapie verringerte Überleben diabetischer
Dialysepatienten entscheidend beeinflusst,
ist weiterhin unklar. Inwieweit die komplexen
Interaktionen zwischen gestörtem Glukosehaushalt bei chronischem Nierenversagen/
Nierenersatztherapie, komplizierend die normale Pathophysiologie des Diabetes und die
durchgeführte Therapie Wechselwirkungen
haben, ist offen. Prospektive, kontrollierte
Studien (auch der verschiedenen angewandten Medikamente) wären notwendig, um das
wahre Verhältnis zwischen verschiedenen
Medikamenten und das Ausmaß der Diabeteskontrolle im Vergleich zum Outcome zu
evaluieren. Registeranalysen wiederum leiden zumeist an fehlender Differenzierung
zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes sowie
durchgeführter Diabetestherapie.
Sonderfall „Burnt-out-Diabetes“
Ein zusätzlicher Gesichtspunkt betrifft „normale“ HbA1c-Werte bei Dialysepatienten. In
der Studie von Kalantar-Zadeh et al. (Diabetes Care 2007) hatten 33 % von 23.618
diabetischen Hämodialysepatienten ein HbA1c
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 25
OA DR.
MARTIN AUINGER
UNIV.-PROF. DR.
RUDOLF PRAGER
3. Medizinische Abteilung, Krankenhaus Hietzing, Wien
< 6 %. Insbesondere bei einem HbA1c < 5 %
war nach Adjustierung des Rechenmodells
eine Zunahme der Mortalität feststellbar,
entsprechend den aus der reversen Epidemiologie bekannten „J-shaped“-Kurven. In
einer rezenten Arbeit (Kovesdy et al., Seminars Dialysis 2010) wird diese Patientengruppe mit normalem HbA1c in der Dialyse
vom Konzept her als Burnt-out-Diabetes
klassifiziert: Bedingt durch metabolische
Veränderungen in der Dialyse bzw. des Insulinstoffwechsels in der Urämie, durch
Katabolie und Gewichtsabnahme, durch reduzierte Ernährung, fehlende renale Glukoneogenese, Komorbiditäten und andere pathophysiologische Mechanismen kommt es
zu einem massiven Rückgang des Insulinbedarfs und damit zur Möglichkeit des Absetzens der antidiabetischen Medikation.
Auch wenn in Zeiten einer Benchmark-gesteuerten Medizin ein „schönes“ HbA1c als
vorteilhaft erscheint, sind diese Patienten
mit schlechterer Prognose und auch ohne
Therapie vereinzelt mit Hypoglykämierisiko
behaftet. Es ist nur in Ansätzen klar, wodurch sich diese Patientengruppe mit Burntout-Diabetes von denjenigen mit weiter erhöhten Glukosewerten und Fortführung der
Diabetestherapie in der Dialyse unterscheidet, jedoch dürften diese Patienten von der
Normalisierung der Blutzuckerwerte nicht
profitieren. Es handelt sich vielmehr um eine
„Komplikation“ der Urämie mit erhöhter Mortalität und keinen Benefit durch normale Glukosewerte.
Heterogene Patientengruppe
Die weiter unter Therapie befindliche Gruppe (ca. zwei Drittel) diabetischer Dialysepatienten ist eine heterogene Gruppe. Beim
Patienten mit Typ-1-Diabetes wird die Insulintherapie – zumeist mit einem um ein
Drittel niedrigerem Tagesinsulinbedarf als
vor der Dialyse – fortgeführt, bei vielen Patienten als intensivierte Therapie, bei
schlechtem Gesamtzustand jedoch oft auch
als 2 x tägliche Insulingabe. Dazu kommen
die verschiedenen Therapien beim Typ-2Diabetiker.
Trotz der zunehmenden Zahl moderner Antidiabetika (p. o. oder s. c) sind in der antidiabetischen Therapie des niereninsuffizienten Diabetikers nach wie vor wenig Optionen gegeben: Neben der Verwendung von
Insulin und Gliquidon bleibt der Stellenwert
von Thiazolidinen noch zu definieren, wobei
in jüngsten – allerdings retrospektiven –
Untersuchungen ein positiver Effekt beim
diabetischen Dialysepatienten postuliert
wird. DDP-4-Hemmer und GLP-1-Analoga
sind zurzeit aufgrund fehlender Daten für
die Verwendung in der Dialyse kontraindiziert.
Im klinischen Alltag werden Patienten jedoch
oft nach Guidelines behandelt, die für Patienten mit normaler Nierenfunktion entwickelt
wurden. Mehr Studien an Diabetikern in der
Dialyse sind zukünftig anzustreben, um die
diabetische Differenzialtherapie weiter optimieren zu können.
■
Onglyza 5 mg Filmtabletten.
Pharmakotherapeutische Gruppe: Dipeptidyl-Peptidase-4-(DPP-4)-Inhibitoren, ATC-Code: A10BH03. QUALITATIVE UND QUANTITATIVE
ZUSAMMENSETZUNG: Jede Tablette enthält 5 mg Saxagliptin (als Hydrochlorid). Sonstiger Bestandteil: Jede Tablette enthält 99 mg Lactose-Monohydrat. Sonstige Bestandteile: Tablettenkern: Lactose-Monohydrat, Mikrokristalline Cellulose (E460i), Croscarmellose-Natrium
(E468), Magnesiumstearat. Filmüberzug: Poly(vinylalkohol), Macrogol 3350, Titandioxid (E171), Talkum (E553b), Eisen(III)-oxid (E172).
Drucktinte: Schellack, Indigocarmin-Aluminiumsalz (E132). ANWENDUNGSGEBIETE: Add-on Kombinationstherapie: Onglyza ist bei erwachsenen Patienten mit Typ-2-Diabetes mellitus zur Verbesserung der Blutzuckerkontrolle indiziert: in Kombination mit Metformin, wenn eine
Metformin-Monotherapie, zusammen mit einer Diät und Bewegung, den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert, in Kombination mit einem
Sulfonylharnstoff bei Patienten, für die die Anwendung von Metformin ungeeignet erscheint, wenn eine Sulfonylharnstoff-Monotherapie, zusammen mit einer Diät und Bewegung, den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert, in Kombination mit einem Thiazolidindion bei Patienten, für die die Anwendung eines Thiazolidindions geeignet erscheint, wenn eine Thiazolidindion-Monotherapie, zusammen mit einer Diät und
Bewegung, den Blutzucker nicht ausreichend kontrolliert. GEGENANZEIGEN: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. PHARMAZEUTISCHER UNTERNEHMER: Bristol-Myers Squibb/AstraZeneca EEIG, Bristol-Myers Squibb House, Uxbridge Business Park, Sanderson Road, Uxbridge, Middlesex, UB8 1DH, Vereinigtes Königreich. Kontakt in Österreich: Bristol-Myers
Squibb GesmbH, Wien, Tel. +43 1 60143 – 0. VERSCHREIBUNGSPFLICHT/APOTHEKENPFLICHT: Rezept- und apothekenpflichtig. Stand:
Oktober 2009. Weitere Angaben zu den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit
anderen Arzneimitteln und sonstige Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen sind der veröffentlichten
Fachinformation zu entnehmen.
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 26
UNIV.-PROF. DR. MARTIN CLODI
Klinische Abteilung für Endokrinologie & Stoffwechsel,
Universitätsklinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien
Fortgeschrittene
diabetische Spätschäden
Der hier präsentierte Fall eines 1945 geborenen Patienten mit Typ-2-Diabetes zeigt klar, dass diabetische
Spätkomplikationen zu einem relevanten, lebensbedrohlichen Problem werden können.
DER FALL:
Im Rahmen des metabolischen Syndroms mit einem Body Mass Index von 32
kg/m2, Hyperlipidämie und Hypertonie wurde Herr V. im Jahr 2006 erstmalig mit der Diagnose
Diabetes mellitus Typ 2 konfrontiert. Bereits damals war der Patient an höchstgradigen Stenosen
der Arteria carotis interna links (90 %) sowie rechts erkrankt.
In der Folge wurde im Jahr 2007 die rechte Arteria carotis interna operativ saniert. Korrespondierend zur zerebralen arteriellen Verschlusskrankheit (CAVK) leidet der Patient auch an einer
peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (PAVK) mit einer Stenose der Arteria iliaca communis
links und einem Verschluss der Arteria iliaca communis rechts. Eine Sanierung der peripheren
Gefäßsituation erfolgte 2007 durch eine PTA der A. iliaca communis mit anschließender StentImplantation. Die Gesamtsituation des Patienten wird durch eine Mitbeteiligung der kardialen
Gefäße dramatisch verschlechtert: Herr V. leidet an einer signifikanten Stenose der rechten Koronararterie, welche jedoch aufgrund der guten Kollateralisierung vorläufig noch nicht saniert wurde.
Weiters war im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Jahr 2008 eine Proteinurie von 2 g/24
h auffällig. In der Folge wurde eine Biopsie der Nieren durchgeführt. Diese zeigte ein Mischbild
aus einer diffusen Glomerulosklerose mit einer fokal-segmentalen Glomerulosklerose und lieferte
somit den histologischen Beweis für eine diabetische Nephropathie. Aufgrund ansteigender Kreatininwerte musste anschließend auch Metformin abgesetzt werden. Die diabetische Nephropathie
machte eine Kombination aus 4 antihypertensiv wirksamen Substanzen (ACE-Hemmer, Betablocker, Kalziumantagonist und Alphablocker) erforderlich.
Hinsichtlich der Lipide war, nicht zuletzt aufgrund der schlechten Compliance, auch mit einer
höher dosierten Statintherapie (Atorvastatin 80 mg) ein Erreichen der Zielwerte nicht möglich.
Dementsprechend lag das LDL-Cholesterin bei 150 mg/dl, das HDL-Cholesterin bei 35 mg/dl
und das Gesamtcholesterin bei 220 mg/dl.
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
Interessant ist, dass trotz der makrovaskulären Spätkomplikationen und dem Vorliegen einer diabetischen Nephropathie derzeit keine Hinweise auf eine diabetische Retinopathie oder eine diabetische Neuropathie auffindbar waren.
Im weiteren Verlauf war nach einer relativ kurzen Diabetesdauer (4 Jahre) die Umstellung von einer
basal unterstützten oralen antidiabetischen Therapie mit Metformin, Diamicron® und Lantus® auf
ein konventionelles Insulinschema erforderlich.
Aufgrund des extrem hohen kardiovaskulären Risikos befindet sich Herr V. derzeit in engmaschiger Kontrolle in der Diabetes- und der nephrologischen Ambulanz. Eine optimale antihyperglykämische Therapie ist jedoch aufgrund mangelnder Compliance des Patienten nicht möglich.
er Fall von Herrn V. demonstriert eindrücklich das Ausmaß fortgeschrittener
diabetischer Spätschäden. Die Anamnese ist
zwar nicht ganz typisch, andererseits auch
D
26
nicht untypisch, da in der Regel mehrere
Jahre vom Beginn bis zur Diagnosestellung
des Diabetes mellitus vergehen – wertvolle
Zeit, in der die Patienten nicht optimal thera-
piert sind, jedoch die prämature Atherosklerose rasch progredient ist. Dementsprechend überrascht es nicht unbedingt, dass
Herr V. bereits zum Zeitpunkt der Diagnose
an höhergradigen Stenosen der A. carotis interna leidet. Korrespondierend zur CAVK liegen zusätzliche eine koronare Herzkrankheit
und eine PAVK vor.
Mikrovaskuläre Schäden
oft schon bei Diagnosestellung
Weiters wird die Prognose des Patienten
durch das Vorliegen einer diabetischen Nephropathie dramatisch verschlechtert. Bei
Diagnosestellung Diabetes mellitus Typ 2 bestehen bereits bei ca. 30 % der Patienten
mikrovaskuläre Komplikationen. Bei dem Patienten besteht interessanterweise eine diabetische Nephropathie ohne das gleichzeitige
Vorhandensein einer Retinopathie. Meist ist
dies umgekehrt. Damit zeigt dieser Fall,
dass eben auch ein kleiner Prozentsatz der
Patienten mit Typ-2-Diabetes (ca. 20 %)
eine diabetische Nephropathie ohne eine Retinopathie haben können.
Frühzeitig diagnostizieren,
umfassend therapieren!
Es ist davon auszugehen, dass die Überlebensrate dieses Patienten deutlich eingeschränkt ist. Wir können mit unseren derzeitigen Therapieformen bis zu 70 % der mikrovaskulären Komplikationen reduzieren und
die Mortalität um fast 100 % reduzieren.
Die wichtigste Maßnahme dafür wäre eine
frühe Diagnosestellung des Typ-2-Diabetes
und eine rechtzeitige umfassende multifaktorielle Therapie der PatientInnen.
■
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 27
InsulinKolleg
Insulin glargin (Lantus®)
Wissenschaftliches Update zur
modernen basalen Insulintherapie
FREIES THEMA Aktuelle Publikationen beleuchten zu den
PRIM. UNIV.-PROF. DR.
PETER FASCHING
bereits bekannten Argumenten für den Einsatz von Insulin
glargin (Lantus®) bei Typ-2-Diabetes neue, für die Praxis
5. Medizinische Abteilung,
Wilhelminenspital der Stadt Wien
durchaus relevante Aspekte.
–
–
–
–
–
–
–
Patienten ohne Myokardinfarkt
Fachkurzinformation siehe Seite 17
Follow-up (Monate)
Günstige Auswirkung auf
mikro- und makrovaskuläre Ereignisse: Eine retrospektive US-amerikani-
Nach: Rhoads et al., Am J Cardiol 2009; 104:910
Abb.: Risikowahrscheinlichkeit eines akuten Myokardinfarkts
unter Therapie mit Insulin glargin versus NPH-Insulin
poglykämien, was natürlich
nicht nur für die Kosten-Nutzen-, sondern für die NutzenRisiko-Ratio einer eingesetzten
Pharmakotherapie wesentlich
erscheint.
Eine rezent veröffentlichte Praxisbeobachtungsstudie9 ergab ein Jahr nach Umstellung
von NPH-Insulin auf Insulin glargin eine klinisch relevante und statistisch signifikante
HbA1c-Senkung sowohl bei Patienten mit
Typ-1-Diabetes (um –0,38 Prozentpunkte)
als auch bei Typ-2-Diabetikern (–0,31 Prozentpunkte). Der Therapievorteil war bei höherem HbA1c-Ausgangswert deutlicher ausgeprägt.
Bessere Compliance und längere Verweildauer (Persistenz): Je höher die Therapiezufriedenheit und damit Compliance eines Patienten mit einem vorgegebenen Insulinschema,
desto besser ist meist der Therapieerfolg.
Eine Studie aus Deutschland zeigt darüber
hinaus, dass Typ-2-Diabetiker länger auf
einer BOT mit Insulin glargin als mit NPH-Insulin bleiben, bevor eine Therapieumstellung
auf eine intensivierte konventionelle Insulintherapie (ICT) erfolgt10.
RESÜMEE: Die aktuellen Studiendaten unterstreichen den Stellenwert des lang wirksamen Insulinanalogons Lantus® bei Patienten
mit Typ-2-Diabetes – vor allem, wenn diese
ein hohes Risiko aufweisen, durch aufgetretene nächtliche Hypoglykämien gesundheitlichen Schaden zu erleiden11.
■
1
2
Nathan et al., Diabetologia 2009; 52:17
Lechleitner et al., Wien Klin Wochenschr 2009; 121
(Suppl 5):S18
3 Monnier, Endocr Pract 2006; 12 (Suppl 1):42
4 Riddle et al., Diabetes Care 2003; 26:3080
5 Mullins et al., Clin Ther 2007; 8:1607, 2007
6 Rhoads et al., Am J Cardiol 2009; 104:910
7 Kennedy et al., Diabetologia 2009; 52(Suppl 1):453
8 Home et al., Diabetes Obes Metab 2010 acepted;
doi.10.111/j.1463-1326.2010.01232.x
9 Sharplin et al., Cardiovasc Diabetol 2009; 8:3
10 Pfohl et al., Diabetologie 2009; 4:166
11 Ludvik et al., Wien Klin Wochenschr 2009; 121:473
Entgeltliche Einschaltung
27
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
sche Kohortenstudie zum Myoie Substitution mit einem Basalinsulin ist
kardinfarktrisiko bei Typ-2-Diabeein gängiger Einstieg in die Insulintheratikern unter einer BOT mit Insulin
pie bei Typ-2-Diabetes und wird in internatioglargin (n = 14.730) oder NPHnalen und nationalen Konsensuspapieren
Insulin (n = 5.461) ergab nach
auch in dieser Indikation angeführt1, 2. Diese
einer mittleren BeobachtungsStrategie zielt in erster Linie auf eine Sendauer von 24,4 Monaten für Lantus® eine
kung der Nüchternhyperglykämie ab, die wesentlich zu einem pathologisch erhöhten
signifikant geringere Inzidenz von neu aufgeHbA1c-Wert beiträgt3. Zudem ist das Insulin
tretenen Myokardinfarkten6. Der Effekt war
bei der basalunterstützten oralen Therapie
in allen Altersgruppen vorhanden und im
(BOT) mit gängigen oralen Antidiabetika flexiZeitverlauf (> Abb.) stärker ausgeprägt.
bel kombinierbar. Der Patient kann dadurch
In ähnlicher Weise deutet eine ebenfalls
bei Bedarf schrittweise auf eine Therapieinretrospektive Kohortenstudie7 auf eine um
tensivierung (ggf. durch ein prandiales Insu21 % niedrigere Inzidenz mikrovaskulärer
lin zu einer oder später auch mehreren
diabetischer Komplikationen bei Patienten
Hauptmahlzeiten) vorbereitet werden. Ummit Typ-2-Diabetes hin, die Insulin glargin ergekehrt kann die Insulindosis einfach reduhielten, verglichen mit Patienten unter NPHziert werden, falls Lebensstilmaßnahmen
Insulin (jeweils in einem BOT-Regime). Diese
den Nüchternblutzucker näher an den NormBeobachtung kann nicht alleine durch die
bereich bringen.
stärkere HbA1c-Senkung unter Insulin glargin
Das Basalinsulinanalogon Insulin glargin
erklärt werden.
(Lantus®) bietet gegenüber NPH-Insulin speStärkere HbA1c-Absenkung bei weniger Hyzifische Vorteile, so die Erreichung des Zielbereiches für den Nüchternblutzucker bei
poglykämien: Eine Metaanalyse8 von 6 ranweniger Hypoglykämien (vor allem nachts)4, 5;
domisierten klinischen Studien mit insgesamt über 3.000 Patienten, bei denen jedie patientenfreundliche und complianceförweils Insulin glargin versus NPH-Insulin
dernde 1-mal tägliche Injektion mit wenigen
nach demselben Design auch im Hinblick
Blutzuckermessungen, die Applikation zum
auf den Injektionszeitpunkt (morgens bzw.
beliebigen Zeitpunkt, die eine flexible Handabends) verglichen wurden, zeigt eindruckshabung in der Patientenbetreuung (z. B.
voll eine 50%ige Reduktion nächtlicher Hydurch mobile Pflegedienste) erlaubt, und das
Vorliegen in klarer Lösung, sodass das Durchmischen entfällt und die
1,00 –
Glargin
Streuung der Insulinwir0,98 –
kung geringer ist.
NPH
In letzter Zeit wurden
0,94 –
®
Studien zu Lantus publi0,90 –
ziert, welche zu den bereits bekannten Eigen0,86 –
schaften neue – für die
Log-Rank Test: p < 0,0001
0,82 –
Praxis durchaus relevan0 –
te – Aspekte diskutieren:
0
10
20
30
40
50
60
D
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 28
Vildagliptin (Galvus®, Eucreas®)
Glukoseschwankungen g
konstant erhöhte Spieg e
FREIES THEMA Konstant hohe Glukosespiegel
stellen eine weniger große Belastung für den mikround makrovaskulären Bereich dar als extreme
Glukoseschwankungen – wie zum Beispiel
postprandiale Glukosespitzen.
n den letzten drei Dekaden haben sich die Ziele in der Therapie
des Typ-2-Diabetes deutlich verändert: Legte man früher vor
allem Wert darauf, direkte Auswirkungen der Hyperglykämie wie
Polyurie, Polydypsie und Übelkeit zu bekämpfen, so liegt heute das
Hauptaugenmerk auf der Vermeidung, Verzögerung und Abschwächung von Langzeitschäden einer Diabeteserkrankung. Tatsächlich
stellen die Diabeteskomplikationen an den Augen, den Nieren, am
Zentralnervensystem und nicht zu vergessen am kardiovaskulären
System die weitaus höhere Belastung für den Patienten und in weiterer Folge auch für das Gesundheitssystem dar. Allein in den USA
sind 75 % aller Hospitalisierungen aufgrund von Diabeteskomplikationen auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurückzuführen1.
I
Obwohl hyperglykämische Zustände überzeugend mit kardiovaskulären Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wurden und sich zahlreiche Studien mit dem Einfluss postprandialer Glukosewerte auf
das Gesamtbild der Erkrankung beschäftigten, galten doch lange
der Nüchtern-Glukosewert (FPG) und der HbA1c-Wert als ausschlaggebend und diagnoseweisend. Die Ergebnisse der DECODEStudie bestätigten unter anderem die Vermutung, dass Plasmaglukosewerte 2 Stunden nach einer Mahlzeit ebenso wichtige Parameter für die Erfassung des Ausmaßes der Erkrankung darstellen wie
HbA1c und FPG. In Bezug auf Karotis-Intima-Verdickungen im Rahmen einer Atherosklerose erscheinen die postprandialen GlukoseErhöhungen sogar gefährlicher als das Ansteigen des Nüchtern-Glukosespiegels und Erhöhungen des HbA1c2. Die Analysen der DECODE-Studie, die europaweit mehr als 180.000 Patienten einschloss,
ergaben mittels oralen Glukosetoleranztests (OGTT) gar, dass erhöhte postprandiale Glukosespiegel unabhängig von FPG-Spiegeln
mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert sind3.
Ergänzend dazu muss erwähnt werden, dass starke Schwankungen
des Glukosespiegels für die Gefäßwände eine enorme Belastung
durch die Erzeugung von oxidativem Stress bedeuten. Abweichungen des Glukosespiegels von 10–15 mmol (180–220 mg/dl) des
Ausgangswerts führen zu eklatanten endothelialen Dysfunktionen
Fachkurzinformationenen siehe Seite 11, 12
Fachkurzinformationen siehe Seite 12
Kardiovaskuläre Risiken
durch Glukoseschwankungen
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 29
n gefährlicher als
g el
und vermehrter Nitrotyrosin-Produktion. Unterliegt der Glukosespiegel starken Schwankungen, so erreichen selbst bei normalen
Glukosewerten weder Endothelfunktion noch Nitrotyrosin ihre physiologischen Ausgangswerte. Konstant hohe Glukosespiegel bedeuten für die Endothelfunktion dagegen offensichtlich weniger Stress
als extreme Unterschiede4.
Diese Erkenntnisse drängen natürlich den Wunsch nach Therapiemöglichkeiten auf, die einerseits den HbA1c senken und dabei aber
auch extremen Glukoseschwankungen vorbeugen können5. Denn eindeutig ist, dass Variabilitäten im Glukosewert unabhängig vom
HbA1c auftreten6. Der HbA1c ist richtungsweisend bei chronischer
Hyperglykämie, der Nüchternblutzucker im fortgeschrittenen Stadium von Typ-2-Diabetes. In frühen und moderaten Stadien von Diabetes treten jedoch vermehrt gefährliche Spiegelschwankungen auf,
die Diagnose sollte sich daher besonders auch auf Ergebnisse der
postprandialen Messungen stützen7.
Der Erfolg einer Therapie ist bekanntlich stark vom Zeitpunkt des
Therapiebeginns abhängig. Gerade in Frühstadien des Typ-2-Diabetes, in denen mit hohen Schwankungen zu rechnen ist und die Gefahr von Gefäßschädigungen durch oxidativen Stress besonders
ausgeprägt ist, sollte daher so bald als möglich mit der Behandlung
begonnen werden. Bewährt haben sich bei der Therapie DPP-4-Hemmer (Dipeptidylpeptidase 4) wie Vildagliptin, die neben einer Reduktion des HbA1c und der postprandialen Hyperglykämie auch zu einer erfolgreichen Minimierung der Glukosespiegel-Schwankungen führen.
Vildagliptin stach laut Studienergebnissen besonders hervor, da es
die mittlere Amplitude der Glukoseschwankungen im Tagesmittel im
Vergleich zu Sitagliptin signifikant stärker senken konnte. In den interprandialen Phasen ermöglichte Vildagliptin eine signifikant verstärkte
Expression von GLP-1 im Vergleich zu Sitagliptin und verhalf gleichzeitig zu einer signifikanten Senkung der Glukagonsekretion8.
■
1 Bonora, Int J Clin Pract Suppl 2002; 129:5-11
2 Temelkova-Kurtktschiev et al., Diabetes Care 2000; 23:1830-1834
3 DECODE Study Group, Lancet 1999; 354:617-21
4 Ceriello et al., Diabetes 2008; 57:1349-1354
5 Brownlee, Hirsch, JAMA 2006; 295:1707-1708
6 Kohnert et al., Diabetes Res Clin Pract 2007; 77:420-426
7 Monnier et al., Diabetes Care 2003; 26:881-885
8 Marfella et al., J Diabetes Complications 2009; Mar 3 (epub ahead
of print)
Entgeltliche Einschaltung mit freundlicher
Unterstützung der Novartis Pharma GmbH
Fachkurzinformationen siehe Seite 11
Vildagliptin reduziert
die glykämische Variabilität
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 30
Humalog® Mix 25
Der leichte Einstieg in die Insulintherapie
FREIES THEMA Prämix-Insuline sind eine effiziente, praktische und gut akzeptierte Therapieoption
bei Typ-2-Diabetes, wenn orale Antidiabetika alleine nicht mehr ausreichen. Das Hypoglykämierisiko
ist differenziert zu sehen.
Redaktion: Dr. Albert Brugger
Humalog® Mix 25 + Metformin
Insulin glargin + Metformin
8,8 –
Mittleres HbA1c (%)
Cross-over
8,4 –
*
*
**
8,2 –
*
8,0 –
7,8 –
7,6 –
–
–
–
–
–
–
–
–
7,2 –
0
4
8
12
16
20
24
28
32
Studiendauer (Wochen)
*
p < 0,01; ** p = 0,02
Abb.: HbA1c-Verlauf unter Therapie mit Prämix-Insulin vs. Basalinsulin
(plus Metformin)7
30
Weniger nächtliche Hypoglykämien: Noch
deutlicher werden die Vorteile von Humalog®
Mix 25 in einer Studie mit 97 Typ-2-Diabetikern (59 Jahre alt; Diabetesdauer: 12–14
Jahre; Baseline-HbA1c: 8,5 %), die mit NPHInsulinen (± OAD) vorbehandelt waren.7 Studiendesign und -dauer entsprechen der zuvor
besprochenen Studie. Auch hier konnte das
HbA1c mit Humalog® Mix 25 signifikant stärker reduziert werden als mit Insulin glargin
(–1,00 vs. –0,42 %; p < 0,0001). Mit Insulin glargin wurden niedrigere Nüchternblutzuckerwerte, mit Humalog® Mix 25 hingegen
niedrigere postprandiale Werte nach den
drei Hauptmahlzeiten sowie um 3 Uhr Früh
verzeichnet. Bemerkenswerterweise war die
Gesamtrate an Hypoglykämien zwischen den
Gruppen nicht unterschiedlich und die Inzidenz nächtlicher Hypoglykämien in der Prämix-Gruppe sogar signifikant niedriger als
unter Basalinsulintherapie (0,14 vs. 0,34
Episoden/Patient/30 Tage; p = 0,002). Gewichtszunahmen (0,8 vs. 0,06 kg) und Insulindosen (0,42 vs. 0,36 U/kg) waren unter
Humalog® Mix 25 nur wenig höher als in der
Vergleichsgruppe.
■
1 Monnier L. et al., Diabetes Care 2003; 26:881-885
2 Clodi M. et al., Wien Klin Wochenschr 2009;
7,4 –
–
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
8,6 –
HbA1c-Ziel von ⱕ 7 % (42 % vs. 18 %; p =
0,001). Die postprandialen Blutzuckeranstiege waren nach dem Frühstück und nach dem
Abendessen in der Prämix-Gruppe signifikant
schwächer ausgeprägt als unter Basalinsulintherapie. Der Gewichtsanstieg war unter
Mischinsulin etwas höher, ebenso waren
Hypoglykämien insgesamt, nicht aber in den
Nachtstunden häufiger (0,68 vs. 0,39 Episoden/Patient/30 Tage; p = 0,041).
121 (Suppl 5):13-17
for Management of Postmeal Glucose,
IDF 2007; www.idf.org
4 Buse J.B. et al., Diabetes Care 2009; 32:1007-1032
5 Rosenstock J. et al., Diabetes Care 2008; 31:20-25
6 Malone J.K. et al., Clin Ther 2004; 26:2034-2044
7 Malone J.K. et al., Diabet Med 2005; 22:374-381
3 Guideline
Entgeltliche Einschaltung
ATDBT00049, Juli 2010
Effektiv durch „duale“ Insulinwirkung: Prämix-Formulierungen mit rasch wirksamer
prandialer und verzögert wirksamer basaler
Komponente erscheinen vor diesem Hinter-
grund als rationale Therapiestrategie. Die Effektivität der „dualen“ Insulinwirkung bestätigen Studien, in denen mit Humalog® Mix 25
(25 % Insulin lispro; 75 % NPH-gebundenes
Insulin lispro) im Vergleich zu Basalinsulinanaloga und selbst zu Basis-Bolus-Strategien
eine bessere oder ähnliche HbA1c-Reduktion
erzielt wurde.4, 5 Dass die Mischinsulintherapie zudem nicht zwingend zu mehr Hypoglykämien führt als alternative Strategien, belegen Studien, in denen Humalog® Mix 25 mit
einem lang wirksamen Analogon (Insulin glargin) verglichen wurde. Malone et al.6 untersuchten 105 Insulin-naive Typ-2-Diabetiker
(mittleres Alter: 55 Jahre, Diabetesdauer:
8–10 Jahre), die mit einem oder mehreren
oralen Antidiabetika (OAD) ein mittleres
HbA1c von 8,7 % aufwiesen. Die Teilnehmer
wurden im Cross-over-Modus je 16 Wochen
lang mit Humalog® Mix 25 zum Frühstück
und Abendessen oder mit Insulin glargin
(„Bedtime“) behandelt. Zusätzlich erhielten
beide Gruppen Metformin (1.500–2.550
mg/Tag). Mit Humalog® Mix 25 behandelte
Patienten erreichten im Studienzeitraum signifikant niedrigere HbA1c-Werte als jene der
Kontrollgruppe (7,4 % vs. 7,8 %; p = 0,002)
und damit auch zu einem höheren Anteil das
Fachkurzinformation siehe Seite 17
edingt durch die Progredienz der Betazelldysfunktion und den Verlust der ersten Phase der Insulinantwort manifestiert
sich Typ-2-Diabetes zunächst meist als gestörte Glukosetoleranz, während sich die
Nüchternhyperglykämie erst verzögert bemerkbar macht. Damit in Zusammenhang
steht der Befund, dass der HbA1c-Wert bei
normnaher Diabeteseinstellung überwiegend
postprandial bestimmt wird, während mit
steigendem HbA1c die Nüchternhyperglykämie immer wichtiger wird. Im HbA1c-Bereich zwischen 7 und 10 %, dem die meisten
ambulant betreuten Typ-2-Diabetiker zuzuordnen sind, haben beide Parameter mit
einem relativen Anteil von 40–60 % annähernd gleichen Einfluss auf die Stoffwechselkontrolle.1 Entsprechend empfehlen die
Österreichische Diabetes Gesellschaft und
die International Diabetes Federation für eine
optimale Blutzuckerkontrolle die Therapie sowohl der Nüchternhyperglykämie als auch
der postprandialen Hyperglykämie.2, 3
B
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 31
Saxagliptin (OnglyzaTM)
Jüngster DPP-4-Hemmer
jetzt auch erstattungsfähig
FREIES THEMA Saxagliptin, jüngster zugelassener Vertreter der DPP-4-Inhibitoren, kann neben den
bekannten Charakteristika der Substanzklasse auf umfangreiche kardiovaskuläre Sicherheitsdaten verweisen.
Seit 1. Juni 2010 ist der neue DPP-4-Hemmer in Kombination mit Metformin, Sulfonylharnstoffen oder
Glitazonen erstattungsfähig.
Saxagliptin + Metformin
(014-Studie)
Redaktion: Dr. Albert Brugger
2,5 mg
2,5 mg
5 mg
–0,2 –
–0,4 –
–0,6 –
–0,36
–0,8 –
–1,0 –
–1,2 –
–0,63
–0,73
–0,62
–0,72
–0,83
Abb.: HbA1c-Abnahme mit Saxagliptin in Add-on-Kombinationsstudien über 24 Wochen2, 3, 4
dings wurde auch letzterer – vor allem in
Kombination mit Metformin – signifikant reduziert (–15 bis – 23 mg/dl)2, 3, 4.
Hypoglykämien und andere unerwünschte Ereignisse waren in den Zulassungsstudien
durchgängig auf Placeboniveau. Weiters
zeigt sich unter Saxagliptin ein leichter Trend
zur Gewichtsreduktion im Vergleich zu den
Kontrollgruppen2, 3, 4.
Differenzialtherapeutische Überlegungen: Die
aktuellen Praxisleitlinien der Österreichischen Diabetes Gesellschaft6 empfehlen
DPP-4-Hemmer als mögliche Erweiterung
der initialen Metformin-Gabe und nennen als
Vorteile der Substanzklasse das Ausbleiben
von Hypoglykämien, Gewichtsneutralität, die
Verbesserung des postprandialen Blutzuckers und mögliche betazellprotektive Effekte. Übergewichtige Diabetiker, Patienten mit
prononcierter postprandialer Hyperglykämie
(z. B. mit erhöhtem HbA1c bei vergleichsweise normnahen Nüchternwerten) sowie Personen mit verstärkter Hypoglykämieneigung
oder erhöhtem Risiko für Hypoglykämie-assoziierte Folgeschäden profitieren somit besonders von Saxagliptin.
Umfangreiche kardiovaskuläre Sicherheitsdaten: Als erstes Antidiabetikum hat Saxagliptin
den seit 2008 geltenden Approval-Prozess
der US-amerikanischen FDA durchlaufen und
kann damit auf umfangreiche kardiovaskuläre
(KV) Sicherheitsdaten verweisen. So lieferten
die gepoolten Ergebnisse aller 8 zulassungs-
relevanten klinischen Studien (4.607 Patienten; über 5.000 Patientenjahre) keinen Hinweis auf ein erhöhtes KV-Risiko durch Saxagliptin. Die systematische Analyse ergab im
Vergleich zu verschiedenen Vergleichsgruppen sogar eine signifikante Reduktion von
Herzinfarkten, Insulten und KV-Todesfällen
(relatives Risiko für Saxagliptin: 0,44; 95%KI: 0,24–0,82). Dieser Trend war in allen untersuchten Subgruppen evident7.
Erstattung: flexible Einsatzmöglichkeiten: In
Österreich ist OnglyzaTM seit Juni 2010 erstattungsfähig als Second-Line-Therapie bei
Patienten mit Typ-2-Diabetes in Kombination
mit Metformin oder einem SH (bei Metformin-Unverträglichkeit oder -Kontraindikation)
oder einem Glitazon (wenn Metformin oder
SH nicht in Frage kommen). Die Behandlung
darf erst ab einem HbA1c über 7 % begonnen
werden, die Kombination mit Insulin ist nicht
möglich. OnglyzaTM eignet sich für eine chef(kontroll)ärztliche Langzeitbewilligung für 6
Monate.
■
1 Gallwitz B., IDrugs 2008; 11:906
2 DeFronzo R.A. et al., Diabetes Care 2009; 32:1649
3 Chacra A. R. et al., Int J Clin Pract 2009; 63:1395
4 Hollander P. et al., J Clin Endocrinol Metab 2009; 94:4810
5 Onglyza 5 mg Filmtabletten, Fachinformation,
Stand: Oktober 2009
6 Clodi M. et al., Wien Klin Wochenschr 2009; 121 (Suppl 5):S13
7 Frederich R. et al., Postgrad Med 2010; 122:16
Der Text basiert auf Vorträgen von B. Ludvik, M. Clodi
(beide Wien) und H. Toplak (Graz) im Rahmen des Symposiums „Moderne orale Diabetestherapie: Saxagliptin stellt
sich vor“, ÖDG-Frühjahrstagung, Pörtschach 2010.
Entgeltliche Einschaltung
31
Sonderbeilage universum Innere Medizin 05|10
ID 2023
5 mg
–
Fachkurzinformation siehe Seite 25
Saxagliptin + Sulfonylharnstoff
(040-Studie)
–
Umfangreiches klinisches Studienprogramm:
Das klinische Entwicklungsprogramm von Saxagliptin umfasst bislang Daten von 5.346
Probanden, darunter 4.250 Patienten in randomisiert-kontrollierten klinischen Phase-IIIStudien. In den Studien, die der Zulassung
als Add-on-Therapie zu Metformin, Sulfonylharnstoffen (SH) oder Glitazonen zugrunde
liegen, führte die zusätzliche Gabe von Saxagliptin (5 mg/Tag) gegenüber im Verlauf von
24 Wochen zur HbA1c-Reduktion um 0,63
bis 0,83 Prozentpunkte (> Abb.)2, 3, 4. In der
Langzeitbeobachtung über 2 Jahre ist für
Saxagliptin (5 mg) zusätzlich zu Metformin
eine placebobereinigte HbA1c-Absenkung um
0,7 Prozentpunkte dokumentiert5.
Für die in der Praxis besonders wichtige
Add-on-Therapie zu Metformin wurde gezeigt, dass die HbA1c-Verbesserung unabhängig von Geschlecht, Alter, Body Mass
oder Nierenfunktion erwartet werden kann.
Zudem stieg die antihyperglykämische Potenz von Saxagliptin in dieser Studie auch
proportional zur Diabetesdauer2. Die gepoolten Daten von 6 klinischen Studien zeigen
darüber hinaus eine stärkere HbA1c-Reduktion bei höheren HbA1c-Ausgangswerten5. Der
Einfluss auf den postprandialen Blutzucker
war in den Add-on-Studien erwartungsgemäß stärker ausgeprägt (–40 bis –50 mg/dl)
als jener auf den Nüchternblutzucker), aller-
2,5 mg
–
D
5 mg
0,0 –
–
PP-4-Inhibitoren (Gliptine) haben sich
bemerkenswert rasch in der Therapie
des Typ-2-Diabetes etabliert. Saxagliptin
(OnglyzaTM), in Europa seit Oktober 2009
zugelassen, führt in therapeutischen Dosen
zu einer hochselektiven, 80–95%igen DPP4-Hemmung und erreicht damit eine Anhebung der GLP-1-Spiegel bis zum Dreifachen.
Im Vergleich zu anderen zugelassenen Gliptinen zeichnet sich Saxagliptin durch eine ca.
10-fach höhere DPP-4-Affinität, durch die
Bildung eines ebenfalls aktiven Metaboliten
und eine renal-hepatische Elimination im
Verhältnis 3:1 aus1.
Saxagliptin + TZD
(013-Studie)
Fachkurzinformationen siehe Seite 24
UIM5 Diabetes_UIM5 Diabetes 07.07.10 16:50 Seite 32
Herunterladen