Predigt über Lukas 23,39-43: "Heute wirst du mit mir im Paradies sein!"

Evang.-ref. Kirchgemeinde St. Gallen C
Kirchkreis Linsebühl
Predigt über Lukas 23,39-43:
"Heute wirst du mit mir im Paradies sein!"
Linsebühl, 7. Mai 2017; von Pfr. Stefan Lippuner
(Texte aus Lukas XXII)
Lesung: Lukas 23,32-43 (Die Kreuzigung Jesu)
Zusammen mit Jesus wurden auch zwei
Verbrecher zur Hinrichtung geführt. Sie kamen zur Schädelhöhe; dort kreuzigten sie
ihn und die Verbrecher, den einen rechts
von ihm, den andern links. Jesus aber betete: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen
nicht, was sie tun." Dann warfen sie das
Los und verteilten seine Kleider unter sich.
Die Leute standen dabei und schauten zu;
auch die führenden Männer des Volkes
verlachten ihn und sagten: "Anderen hat er
geholfen, nun soll er sich selbst helfen,
wenn er der erwählte Messias Gottes ist."
Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: "Wenn du der König der Juden bist,
dann hilf dir selbst!" Über ihm war eine Tafel angebracht; auf ihr stand: "Das ist der
König der Juden".
Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: "Bist du denn nicht der
Messias? Dann hilf dir selbst und auch
uns!" Der andere aber wies ihn zurecht und
sagte: "Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich
hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns
geschieht recht, wir erhalten den Lohn für
unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan." – Dann sagte er: "Jesus,
denk an mich, wenn du in dein Reich
kommst." Jesus antwortete ihm: "Amen, ich
sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein."
"Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." Welch eine Zusage für einen, der unmittelbar
vor dem Tod steht, vor dem Tod als Schwerverbrecher!
Liebe Gemeinde.
Wir wollen uns heute etwas mit diesen zwei Verbrechern befassen, die zusammen mit Jesus
gekreuzigt wurden. Es sind offensichtlich zwei verschiedenartige Menschen, die da rechts
und links von Jesus am Kreuz hängen: Der eine lästert und schimpft, auch über Jesus, der
andere bittet Jesus um Erbarmen; einer bekommt von Jesus eine Verheissung, zum anderen
sagt Jesus nichts. Sie sind verschieden, am Schluss, bevor sie am Kreuz sterben. Wie aber
waren sie am Anfang, bevor sie gekreuzigt wurden? Wie sah ihr Leben vorher aus?
Wir wissen nicht, was der Grund für ihre Kreuzigung war, welches Verbrechen sie begangen
hatten. Sicher war es etwas Schwerwiegendes, sonst wären sie nicht zu diesem schlimmen
Tod verurteilt worden. Wahrscheinlich war es auch etwas, das sich gegen die römische
Staatsgewalt gerichtet hatte; vielleicht waren sie Aufständische.
Ich meinte lange Zeit (ohne mir genauer Gedanken darüber zu machen), diese beiden seien,
schon bevor sie ans Kreuz geschlagen wurden, verschiedene Verbrecher gewesen: Der eine
abgrundtief böse und verdorben, der die Strafe wirklich verdient hatte, der sogar im Tod noch
spottete, fluchte und lästerte. – Der andere dagegen irgendwie ein 'guter' Verbrecher (wenn
man das so sagen kann), ein reumütiger Verbrecher, der aber im Netz der korrupten Justiz
hängen geblieben war und halt doch gekreuzigt wurde. Ein guter Verbrecher, der nun wenigstens von Jesus noch eine Belohnung bekam: die Verheissung des Paradieses.
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Das war lange meine – nicht reflektierte – Meinung. Doch dann las ich einmal etwas zu diesem Kreuzigungsbericht, dachte darüber nach, und es ging mir auf, dass diese Vorstellung
vom bösen und vom guten Verbrecher so nicht richtig ist. Diese beiden Männer waren nicht
verschieden, als sie gekreuzigt wurden, sondern genau gleich. Sie waren beide wirklich Verbrecher, gleich böse, gleich schuldig, sie hatten den gleichen Verbrechertod tatsächlich verdient. Als sie gekreuzigt wurden, waren sie beide gleich.
Aber (und das ist das Entscheidende) in den paar Stunden, in denen sie am Kreuz hingen,
da geschah beim einen von beiden etwas: Er dachte über sich nach. Und er erkannte und vor
allem anerkannte sein wahres Wesen: dass er wirklich böse war, ein Verbrecher war und
dass er das Urteil und den Tod zu Recht verdient hatte. – Er erkannte noch mehr: Er erkannte
auch das wahre Wesen von Jesus: dass dieser kein Verbrecher war wie er, sondern ein Unschuldiger; dass er auch kein gewöhnlicher Mensch war, sondern der, der die Königsherrschaft Gottes bringen würde.
Dies geschah in den Stunden am Kreuz im Inneren dieses einen Verbrechers. Er erkannte,
dass er zutiefst verloren war, dass er Rettung brauchte und dass er diese Rettung beim mitgekreuzigten Jesus finden konnte (nicht die Rettung vor dem Tod am Kreuz, den musste er
wie Jesus erleiden, aber die Rettung vor der ewigen Verlorenheit). Und so konnte er das
sagen, was man als Ausdruck des Glaubens, des Vertrauens auf Jesus bezeichnen kann:
"Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst."
Der eine Verbrecher erkannte also sein eigenes wahres Wesen und das wahre Wesen von
Jesus. Er konnte dies zum Ausdruck bringen und Jesus um Erbarmen bitten. Und darauf
bekam er die Verheissung der Rettung: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." – Der
andere Verbrecher dagegen, in der genau gleichen Situation, machte diesen Erkenntnisprozess offenbar nicht durch. Er blieb verschlossen in seinem Herzen und darum gefangen in
seinem Hassen, Spotten und Fluchen. Er blieb verloren.
Zwei Verbrecher am Kreuz rechts und links von Jesus. Zuerst, vor der Kreuzigung sind beide
gleich, in ihrer Schuld, in ihrer Verlorenheit. Aber nachher, beim Sterben sind sie verschieden:
der eine gerettet mit der Verheissung des Paradieses, der andere nicht.
Es ist mir noch etwas Zweites aufgegangen zu diesem Bericht: Diese zwei Verbrecher sind
nicht einfach nur zwei Einzelpersonen, die damals gekreuzigt wurden, sondern sie stehen
auch für alle Menschen; sie sind ein Abbild für die gesamte Menschheit. Das heisst: So wie
diese beiden Verbrecher sind im Grunde genommen alle Menschen. – Von Anfang an, von
ihrer Natur her sind alle Menschen gewissermassen 'Verbrecher', böse in ihrem Wesen,
schuldig, sündig. Alle sind von Gott getrennt, sind gott-los im eigentlichen Sinn des Wortes.
Alle haben darum letztlich den Tod verdient, den ewigen Tod. So wie es der Apostel Paulus
im Römerbrief schrieb (und dabei einen alttestamentlichen Psalm zitierte): "Es gibt keinen,
der gerecht ist, auch nicht einen" [Römer 3,10]. Und er meinte dabei: gerecht vor Gott.
Von ihrem natürlichen Wesen her sind alle Menschen gleich: gleich sündig, gleich verloren.
Der Unterschied entsteht am Kreuz, beim Kreuz von Jesus Christus. Da, beim Kreuz erkennen die einen Menschen ihr wahres Wesen. Sie erkennen, dass sie grundlegend getrennt
und abgefallen sind von Gott, auch wenn sie äusserlich gesehen durchaus ein so genannt
'gutes' und anständiges Leben führen. Aber sie haben doch keine Gemeinschaft mit Gott. –
Und sie erkennen Jesus als ihren Retter. Sie finden (auf welchem Weg auch immer) zum
Glauben an ihn und zum Leben mit ihm und bekommen so die Zusage der Vergebung und
der Gemeinschaft mit Gott.
Andere Menschen finden, aus den verschiedensten Gründen, nicht zu dieser Erkenntnis. Sie
haben kein Interesse an Gott und an Jesus Christus, ihr Herz bleibt verschlossen. Einige von
ihnen haben vielleicht nicht einmal etwas gegen Gott und den Glauben, aber auch nichts
dafür; es hat für sie keine Bedeutung. Andere bleiben bewusst ablehnend, manchmal richtig
verstockt, sie lästern und spotten vielleicht sogar.
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Ich habe in diesem Zusammenhang den treffenden Satz gelesen: "Es gibt, hier und im Jenseits, zwei Gruppen von Menschen. Was sie verbindet, ist die Sünde; was sie trennt, ist ihre
Entscheidung für oder gegen Jesus." – Ich lese den Satz nochmals, weil er mich wirklich
wichtig dünkt: "Es gibt, hier und im Jenseits, zwei Gruppen von Menschen. Was sie verbindet,
ist die Sünde (vom Wesen her sind eben alle gleich: abgefallen und getrennt von Gott); was
sie trennt (oder: unterscheidet), ist ihre Entscheidung für oder gegen Jesus."
Die grosse Frage, die wir uns stellen müssen, ist nun: Zu welcher dieser beiden Gruppen
gehören wir, gehöre ich persönlich? – Wenn ich zu denen gehöre, deren Herz noch verschlossen ist (warum auch immer, es gibt viele Erfahrungen und Dinge im Leben, die das Herz eines
Menschen verschliessen oder verhärten können, ablehnend machen können); wenn ich also
zu dieser Gruppe gehöre, dann darf ich mir sagen lassen: Es gibt immer noch eine Möglichkeit, eine Chance, um auch zu dieser Erkenntnis zu kommen, zu dieser Erkenntnis, wer ich
wirklich bin, wer Jesus ist und dass ich Jesus brauche. Ich muss weder wütend noch resigniert
weggehen, ich muss nicht verschlossen bleiben. Ich kann mich bewusst öffnen und diese
innere Veränderung, die der eine Verbrecher am Kreuz erfuhr, auch suchen und finden.
Und wenn ich zur anderen Gruppe von Menschen gehöre, dann darf ich einfach von Herzen
dankbar sein. Ich soll nicht meinen, ich sei besser als die anderen, die noch nicht so weit sind
(das wäre krasser Hochmut und entspricht überhaupt nicht dem Sinn Gottes). Ich darf einfach
demütig dankbar sein; dankbar, dass ich (durch das Wirken von Gott selber) mich und Jesus
wirklich erkannt habe; dankbar, dass ich mich Jesus zuwenden konnte, ihn um sein Erbarmen
bitten konnte und dass mir darum das Paradies verheissen ist. – Zu welcher Gruppe von
Menschen gehöre ich und zu welcher möchte ich gehören?
Liebe Gemeinde. Ich habe versucht, die Situation von uns Menschen etwas zu beleuchten
von der Situation dieser beiden Verbrecher am Kreuz her. Ich möchte in einem letzten Teil
nun noch auf die Worte, die Jesus zu dem einen der beiden sagte, etwas näher eingehen:
"Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." – Was hat er damit gemeint, mit diesem "Paradies" und mit diesem "heute noch"?
Für den Verbrecher damals war es klar: Wenn er jetzt dann in den nächsten Stunden sterben
würde, dann würde er nicht in ein Totenreich, in die Hölle oder so etwas Ähnliches kommen,
sondern er würde direkt und sogleich ins Paradies, in den Himmel eintreten können. Und
diese Gewissheit gab ihm eine grosse Zuversicht und Hoffnung im Blick auf seinen unmittelbar bevorstehenden Tod.
Dieselbe Hoffnung und Zuversicht dürfen auch alle später Lebenden und Sterbenden haben,
die ihr wahres menschliches Wesen und Jesus Christus als ihren Retter erkannt haben und
die sich im Glauben ihm zugewendet haben, sich ihm als ihrem Herrn anvertraut haben; die
Hoffnung und Zuversicht: Der Tod ist nicht das Ende des Lebens, und er führt nicht in die
ewige Finsternis, sondern es erwartet uns vielmehr auf der anderen Seite das Paradies, ein
ewiges Leben in der himmlischen Welt Gottes. – Eine wunderbare Verheissung.
Ich meine allerdings – gerade wenn wir die beiden Verbrecher am Kreuz nicht nur als Einzelpersonen jener Zeit sehen, sondern als Abbilder für die Menschheit insgesamt –, dass wir
diese Worte von Jesus: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein", auch noch in einem
weiteren Sinn verstehen dürfen, umfassender, nicht eingeschränkt auf den körperlichen Tod
am Ende der Lebenszeit auf Erden.
In diesem weiteren Sinn, glaube ich, ist folgendes gemeint: In dem Moment, in dem ein
Mensch (wie dieser Verbrecher am Kreuz) Jesus erkennt und ihn um Erbarmen bittet, sich
also für ein Leben mit Jesus entscheidet, sich bekehrt, wie man manchmal sagt, in dem Moment kommt er selber ins Paradies. Die Entscheidung für Jesus als den Retter führt direkt ins
Paradies. – Und wenn ich das so sage, stellt sich natürlich die Frage: Was ist mit diesem
Paradies gemeint, wenn es nicht nur die himmlische Welt erst nach dem irdischen, körperlichen Tod ist, sondern bereits jetzt hier sein soll? Was ist das Paradies, das Jesus verheisst,
wonach wir Menschen uns sehnen und das wir suchen?
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Ich glaube, das Paradies ist nicht nur jene perfekte Welt, in der ausschliesslich Liebe und
Friede herrschen, die ganz am Anfang da war und dann am Ende, jenseits dieser jetzigen
Welt wieder kommen wird. Das ist auch das Paradies, aber ich glaube, es ist noch mehr, noch
viel weiter: Das Paradies ist im Tiefsten die völlige Gemeinschaft mit Gott, die ungetrübte,
ungebrochene Beziehung zu Gott. Das ist letztlich der paradiesische Zustand, den der
Mensch ganz am Anfang hatte, dann sehr bald (beim so genannten Sündenfall) verlor und
sich seither danach zurücksehnt: die ungebrochene Gemeinschaft mit Gott.
Und diese vollkommene Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater, dieses verlorene Paradies finden wir nicht erst im Jenseits, sondern schon jetzt und hier. Es ist uns zugesagt bei
der Entscheidung am Kreuz, bei der Entscheidung für Jesus Christus. Es ist noch nicht das
äusserliche Paradies, das uns verheissen ist für nach dem Tod; es ist ein innerliches Paradies, das aber da ist und das wir auch erfahren können, wenn die äusserlichen Umstände
und Verhältnisse nicht gerade paradiesisch erscheinen. – Es ist das wahre, erfüllte Leben,
schon jetzt und hier in dieser Welt, und dann einmal auch in der jenseitigen.
Am Kreuz entscheidet es sich, an der Haltung zum gekreuzigten Jesus Christus: ob ein
Mensch schon jetzt und für die Ewigkeit in die paradiesische Gemeinschaft mit Gott hineinkommen kann oder ob er ewig von Gott getrennt und damit ewig in der Finsternis bleibt. – Es
ist eine Entscheidung, die jeder einzelne Mensch selber treffen muss und treffen kann.
AMEN
Gebet
Jesus Christus, unser Heiland.
Dem einen Verbrecher am Kreuz hast du das Paradies verheissen,
weil er seine Schuld und Verlorenheit erkannt hat
und weil er dich als Retter angenommen hat.
Dein Erbarmen ist wirklich unermesslich gross.
Wir danken dir dafür.
Und wir bitten dich:
Hilf uns, dass wir selber ebenfalls diesen Erkenntnisprozess machen können
und dich bewusst als unseren Erlöser im Glauben annehmen.
Zeig uns durch deinen Heiligen Geist, wer wir wirklich sind.
Lass uns die Bosheit und Gottlosigkeit in unserem eigenen Wesen erkennen.
Und zieh uns zu dir als demjenigen, der uns aus aller Schuld und Verlorenheit erretten kann.
Hilf uns besonders,
wenn wir diese Erkenntnis und diesen Glaubensschritt zu dir zum ersten Mal machen.
Hilf uns danach aber auch zu erkennen, wenn wir wieder auf einen falschen Weg geraten
und wenn wir den Glauben an dich von neuem festmachen müssen.
Ja Herr, hilf uns die Wahrheit zu erkennen und anzunehmen,
die Wahrheit unserer Schuld und die Wahrheit deiner Gnade.
Und lass uns so immer wieder neu zurück ins Paradies finden
und in die Gemeinschaft mit dir, Jesus Christus, und mit unserem himmlischen Vater.
Wir danken dir von Herzen dafür.
Amen.