Skript zur Vorlesung Mathematische Kontinuumsmechanik Mitschrift von Steve Wol-Vorbeck Vorlesung von Prof. Dr. Sören Bartels Sommersemester 2017 Universität Freiburg Inhaltsverzeichnis 1 Mathematische Modellierung 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . Diskrete und kontinuierliche Modelle Entdimensionalisierung . . . . . . . . Asymptotische Entwicklung . . . . . Dimensionsreduktion . . . . . . . . Wohlgestelltheit . . . . . . . . . . . 2 Kinematik 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 Deformationen . . . . . . . . . . . . Euler-Lagrangekoordinaten . . . . . Das Reynoldsche Transport-Theorem Starrkörperbewegungen . . . . . . . Koordinatentransformationen . . . . Beobachterunabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gleichgewichte und Erhaltungsgleichungen 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 Teilchensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . Übergang zum Kontinuum . . . . . . . . . . Kontinuierliche Erhaltungssätze . . . . . . . Der Spannungstensor . . . . . . . . . . . . . Energieerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und erste Anwendungen . 4 Gase und Flüssigkeiten (Fluide) 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 Modellannahmen . . . . . . . . . . . . . Eulergleichungen . . . . . . . . . . . . . Navier-Stokes-Gleichungen . . . . . . . . Spezielle Lösungen und Turbulenzen . . Charakterisierung des Spannungstensors 5 Elastische Festkörper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 3 5 6 8 9 11 11 11 13 16 17 19 21 21 23 25 26 28 29 31 31 31 32 33 35 39 5.1 Lagrange-Darstellung und Verzerrungstensor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 5.2 Hyperelastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5.3 Isotropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1 6 Wellenphänomene 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 Elektrische Felder . . . Das Ohmsche-Gesetz . Magnetische Induktion Die Lorentz-Kraft . . . Maxwell-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 43 44 45 46 47 49 2 Kapitel 1 Mathematische Modellierung 1.1 Konzepte Das Ziel ist die Beschreibung realer Vorgänge durch mathematische Gleichungen z.B. die Preise von Waren, das Bevölkerungswachstums eines Landes oder etwa die Verformung von Festkörpern. - Modelle können quantitativ, d.h. zur Berechnung konkreter Werte oder qualitativ, d.h. zur Vorhersage von Entwicklungen, sein. - wichtig ist die Beschränkung auf relevante, dominierende Eekte. So ist die Temperaturabhängigkeit eines Modells in vielen Fällen vernachlässigbar. - Modelle sollten wohlgestellt sein, d.h. es existiert eine eindeutige Lösung des Problems und das Problem ist numerisch lösbar. - Modellvereinfachungen wie die Beschreibung dünner Platten durch zweidimensionale Modelle sind oft hilfreich. Durch Skalierung lassen sich dominierende Terme identizieren. 1.2 Diskrete und kontinuierliche Modelle Diskrete Modelle beschränken Vorgänge durch endliche Gröÿen. Beispiel 1.2.1. (i) Das Guthaben eines Kontos sei im Zeitraum ∆t zum Satz a > 0 verzinst. Nach k Zeitschritten wird aus dem Anfangsguthaben y0 das Guthaben yk : yk = (1 + a∆t)k y0 . Das Guthaben lässt sich damit berechnen. Allerdings lässt sich der Vorgang im Hinblick auf Monotonie nur schwierig analysieren. (ii) Nach dem Newtonschen Abkühlungsgesetz ist die zeitliche Temperaturveränderung eines einfachen Körpers (z.B. Metallkugel im Kühlschrank) proportional zur Dierenz mit der Umgebungstemperatur, das bedeutet θ0 (t) = −c · (θ(t) − θU ). 3 Wobei θU die Umgebungstemperatur sei. Die Lösung der Gleichung ist gegeben durch θ(t) = θU + (θ0 − θU )e−ct . Das bedeutet der Abfall der Temperatur ist exponentiell. Die Zeit kann in natürlicher Weise als kontinuierliche Variable aufgefasst werden, damit ist gemeint, dass das Zeitintervall als lückenlos zusammenhängend bzw. mathematisch präziser als zusammenhängende Menge mit gleicher Mächtigkeit, wie R aufgefasst wird. Räumliche kontinuierliche Beschreibungen bedürfen einer geeigneten Interpretation. Wir betrachten dazu die Diusion einer Substanz z.B. Tinte in einem unbewegten Medium z.B Wasser. Wir betrachten ein d-dimensionales Gitter mit Gitterweite ∆x > 0 und Knoten xj = j · ∆x, j ∈ Zd . Es bezeichne Ujk die Anzahl der Partikel der diundierenden Substanz im Würfel Qj = xj + ∆x · [− 21 , 21 ]d zum Zeitpunkt tk = k∆t. Es bezeichne p die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Partikel im Zeitraum ∆t von einem Würfel in einen Nachbarwürfel springt. Damit folgt X Ujk+1 = Ujk − p2d Ujk + pUik . j,Qi Nachbarwürfel Der Faktor p ist proportional zur Schnittäche, proportional zu ∆t, invers proportional zum Volumen* sowie invers proportional zum Abstand der Mittelpunkte der Würfel. Wir erhalten p=c· ∆t · ∆xd−1 ∆t =c . d ∆x2 ∆x ∆x Damit erhalten wir (d = 2) Ujk+1 = (1 − 4c ∆t ∆t k k k )U k + c (U k + Uj2 + Uj3 + Uj4 ). ∆x2 j ∆x2 j1 ∆t 1 Diese Formel ist allerdings nur sinnvoll, wenn c ∆x 2 ≤ 4 gilt, also die sogenannte CFL-Bedingung erfüllt ist. Wir nehmen jetzt an, dass sich jedem Punkt x ∈ Ω ⊂ Rd eine Konzentration zuordnen lässt. Beispielsweise gelte Anzahl der Partikel inB (x) u(t, x) = |B (x)| mit 0 < << 1. Weiter sei u(t, x) ∈ Rd eine Funktion, die das Flieÿverhalten der Substanz beschreibt, das bedeutet die Anzahl der Partikel, die pro Flächeneinheit und Zeiteinheit in Richtung q ieÿen. Für die Veränderung der Anzahl der Partikel in einem Kontrollvolumen ω ⊂ Ω gilt d dt Z Z u(t, x)dx = − ω q · νdo(x), ∂ω mit der äuÿeren Einheitsnormalen ν . Wir verwenden das Diusionsgesetz, das besagt, dass der Fluÿ q proportional zum negativen Konzentrationsgradienten ist q = −α∇u. 4 Das bedeutet, die Partikel bewegen sich aus Regionen hoher Konzentration in solche mit geringer Konzentration. Damit folgt d dt Z Z u(t, x)dx = − q(t, x) · νdo(x) ω Z∂ω div(q(t, x))dx = α div(∇u(t, x))dx Z =− ω und somit ω Z Z ∆u(t, x)dx, ∂t u(t, x)dx = α ω ω also Z (∂t u − α∆u)dx = 0. ω Ist ∂t u − α∆u stetig, so folgt aus der Beliebigkeit von ω , dass ∂t u − α∆u = 0 gelten muss. Dies wird als Diusionsgleichung bezeichnet. In einer Dimension gilt ∂t u = α∂x2 u. Bemerkung 1.2.2. Das diskrete Modell der Diusionsgleichung lässt sich als mikroskopische und das kontinuierliche als makroskopische Beschreibung interpretieren. 1.3 Entdimensionalisierung Häug sind einzelne Terme in Modellen vernachlässigbar. Um dies zu entscheiden werden alle Variablen durch Produkte aus charakteristischen Faktoren und dimensionslosen Variablen ersetzt. Ist beispielsweise t ∈ [0, T ] so setzen wir t = t̂T , so dass t̂ ∈ [0, 1] und dieses Intervall keine kinetischen oder extremen Gröÿen enthält. Analog setzen wir y(t) = Ȳ ŷ(t̂) ⇒ ŷ(t̂) = 1 y(t̂T ). Ȳ Für die Ableitung erhalten wir den Zusammenhang ŷ 0 (t̂) = T 0 T y (t̂T ) = y 0 (t) Ȳ Ȳ Erfüllt nun y : [0, T ] → R die Gleichung y 0 (t) = ay(t), y(0) = y0 , so erfüllt ŷ die Gleichung Ȳ 0 ŷ (t̂) = y 0 (t) = ay(t) = aȲ ŷ(t̂) T bzw. ŷ 0 (t̂) = T aȲ ŷ(t) = âŷ(t) Ȳ mit dem dimensionslosen Wachstumsfaktor â. Es zeigt sich also, dass der Faktor â die entscheidende Gröÿe ist. Die charakteristische Gröÿe Ȳ taucht aufgrund der Linearität nicht im entdimensionalisierten Modell auf. 5 Als zweites Beispiel betrachten wir den zur Erdoberäche senkrechten Wurf. Auf das geworfene Objekt der Masse m, das sich zum Zeitpunkt t, in Sekunden, in der Höhe y(t) in Metern Höhe bende, wirken Gravitationskräfte gemäÿ F = −G m · mE , (y(t) + rE )2 wobei die Erde als Punktmasse beschrieben wird, mit Masse mE und Radius rE . Nach dem zweiten Newtonschen-Gesetz verursacht die wirkende Kraft eine Beschleunigung gemäÿ F = ma = m · y 00 (t). Damit erhalten wir y 00 (t) = −G mE . (y(t) + rE )2 Wir ersetzen t = t̂T , y(t) = Ȳ ŷ(t̂) und erhalten mit y 00 (t) = Ȳ T2 · ŷ 00 ( Tt ) = Ȳ 00 ŷ (t̂) T2 die Gleichung 2 rE mE T 2 · · 2 rE Ȳ (Ȳ ŷ(t̂) + rE )2 mE T 2 1 = −G · 2 · · Ȳ rE Ȳ ( ŷ(t̂) + 1)2 ŷ 00 (t̂) = −G · rE = −g · T2 Ȳ · 1 (β ŷ(t̂) + 1)2 mit g = G · mr2E ≈ 9.81 sm2 . E Mit den dimensionslosen Faktoren α = g· TȲ und β = Gleichung 2 ŷ 00 = −α Ȳ rE erhalten wir dann die entdimensionalisierte 1 . (β ŷ + 1)2 Für einen einfachen Wurf sind g = 10m/s2 , T = 1s sinnvolle Werte, die auf α = 9.81 10 ≈ 1, β = 10 1 −6 führen. Mit β = folgt ŷ 00 = −α = 10 wobei 1 sei. Im Vergleich zu 1 ist nun ŷ 107 (ŷ+1)2 00 vernachlässigbar, was die Vereinfachung ŷ = −α rechtfertigt. Die Lösung ist dann gegeben durch ŷ(t̂) = v̂0 t̂ − 1.4 α 2 t̂ . 2 (1.1) Asymptotische Entwicklung Häug ist die Vernachlässigung eines Terms eine zu starke Vereinfachung. Eine asymptotische Untersuchung kann zu einer genaueren Beschreibung des physikalischen Verhaltens führen. Wir fassen dazu die Lösung eines entdimensionalisierten Problems als Funktion in t̂ und auf und verwenden eine Taylorentwicklung um = 0. Wir schreiben im Folgenden y statt ŷ und berechnen y (t) = y(t, ) = y(t, 0) + ∂ y(t, 0) + 6 2 2 ∂ y(t, 0) + O(3 ). 2 Zur Vereinfachung schreiben wir y (t) = y0 (t) + y1 (t) + 2 y2 + O(3 ). Wir wollen nun diese Entwicklung in die Gleichung für den entdimensionalisierten Wurf einsetzen. 1 Dazu verwenden wir zusätzlich eine Taylorentwicklung der Funktion f (z) = (z+1) 2 im Punkt z = 0, d.h f (z) = 1 − 2z + 3z 2 + O(z 3 ). Damit erhalten wir y000 + y100 + 2 y200 + O(3 ) = y 00 = −αf (y) = −α(1 − 2y + 32 y 2 ) + O(3 ) = −α(1 − 2y0 − 22 y1 − 23 y2 + O(4 ) + 32 (y0 + y1 + ...)2 ) + O(3 ) = −α(1 − 2y0 − 22 y1 + 32 y02 + O(3 )). Nun sortieren wir die Gleichung nach Potenzen von um und erhalten 0 (y000 + α) + (y100 − 2αy0 ) + 2 (y200 − 2αy1 + 3αy02 ) + O(3 ) = 0. Wir betrachten nun die linke Seite als Polynom in ∈ (0, 0 ). Damit nun Gleichheit gilt müssen alle Koezienten verschwinden und das bedeutet y000 = −α y100 = 2αy0 y200 = −3αy0 + 2αy1 mit den Anfangswerten y0 (0) = 0, y00 (0) = v0 y1 (0) = 0, y10 (0) = 0 y2 (0) = 0, y20 (0) = 0. Die Gleichungen lassen sich schrittweise lösen y0 (t) = v0 t − α 2 t 2 anschlieÿend y100 (t) = 2αy0 = 2αv0 t − α2 t2 ⇒ y1 (t) = und auf gleiche Weise schlieÿlich 2αv0 3 α2 4 t − t , 6 12 1 1 1 1 3 6 y2 (t) = − αv0 t3 + α2 t4 + α2 v0 t5 − α t . 2 8 30 180 Mit dem berechneten kann man die Approximation y0 , die dem Fall = 0 entspricht, durch y1 und y2 im Fall > 0 korrigieren. y = y0 + y1 + 2 y2 + O(3 ). Asymptotische Entwicklung führt also auf eine acherer Parabel, was man sich physikalisch dadurch erklärt, dass die Gravitationskraft mit zunehmender Höhe schwächer wird. 7 1.5 Dimensionsreduktion Wir betrachten einen Diusions-bzw. Wärmeleitungsprozess in einer Platte Ωδ (z.B. ein Backblech) mit Ωδ = ω × (− 2δ , 2δ ), ω ⊂ R2 . Wir betrachten also die Gleichung ∂t u − κ∆u = f in (0, T ) × Ωδ , mit Anfangsbedingung u(0, ·) = u0 . Ferner sind an jedem Punkt x ∈ ∂Ωδ Randdaten vorgegeben, d.h. es wird die Teilchenkonzentration bzw. die Temperatur vorgeschrieben. u(t, x) = uD (t, x), ΓD ⊂ ∂Ωδ . Wir erhalten somit Dirichlet-Randdaten. Andererseits können wir auch den Masseuss bzw. Wärmeuss an den Rändern vorgeben und erhalten auf diese Weise Neumann-Randdaten. −q(t, x) · ν(x) = g(t, x), x ∈ ΓN ⊂ ∂Ωδ bzw. −κ∇u(t, x) · ν(x) = g(t, x). mit der äuÿeren Normalen ν(x). An isolierten Teilen des Randes gelten Neumann-Randbedingungen (N) mit g = 0. Für eine Entdimensionalisierung nehmen wir an, dass diam(ω) = L ist mit 0 < δ L und betrachten t̂ = x1 x2 x3 t , xˆ1 = , xˆ2 = , xˆ3 = . T L L δ Das Gebiet Ωδ wird dadurch auf das Gebiet Ω̂ = 1 1 1 · ω × (− , ) L 2 2 transformiert. Mit Ū û(t̂, x̂) = u(t, x) = u(T t̂, Lxˆ1 , Lxˆ2 , δ xˆ3 ) ergeben sich die Ableitungen T L L δ ∂ˆt û = ∂t u, ∂ˆ1 û = ∂1 u, ∂ˆ2 û = ∂2 u, ∂ˆ3 û = ∂3 u. Ū Ū Ū Ū Für die zweiten Ableitungen ergibt sich L2 2 L2 2 δ2 ∂ˆ12 û = ∂1 u, ∂ˆ22 û = ∂2 u, ∂ˆ32 û = ∂32 u. Ū Ū Ū Damit erhalten wir für unsere Gleichung Ū ˆ Ū L ∂t û − κ 2 (∂ˆ12 û + ∂ˆ22 û + ( )2 ∂ˆ32 û) = F fˆ T L δ bzw. T T L FT ˆ ∂ˆt û − κ 2 (∂ˆ12 û + ∂ˆ22 û) − κ 2 ( )2 ∂ˆ32 û = f. L L δ Ū 8 Mit dem dimensionslosen Faktor κ LT2 und mit = δ L sowie κ̂ = κ LT2 und cf = FT Ū ergibt sich ˆ 2 û − κ̂−2 ∂ˆ32 û = cf fˆ. ∂ˆt û − κ̂∆ Trennen nach -Termen führt uns auf −κ̂∂ˆ32 û = 0 (1) ˆ 2 û = cf fˆ. (2) ∂ˆt û − κ̂∆ Die erste Gleichung impliziert, dass û linear in vertikaler Richtung ist. Im Fall von isolierten Randbedingungen an der oberen und unteren Seite, das bedeutet ∂3 u = 0 bei x3 = ± 2δ bzw. ∂ˆ3 û = 0 bei xˆ3 = ± 21 . In diesem Fall ist die Funktion û konstant in x̂3 -Richtung und durch ihren Wert auf der Mitteläche ω̂ bestimmt, welcher sich aus (2) ergibt. Im Fall von Dirichlet-Randbedingungen an der oberen und unteren Fläche ist die Temperatur in Ω̂ bzw Ωδ bereits vollständig bestimmt durch Gleichung (1). 1.6 Wohlgestelltheit Unter der Wohlgestelltheit eines mathematischen Problems versteht man die eindeutige Lösbarkeit sowie die stetige Abhängigkeit der Lösung von den Daten, d.h. kleine Störungen verursachen nur kleine Änderungen. Die Abhängigkeit ist häug Konsequenz anderer Eigenschaften wie Maximums-bzw. Energieerhaltungsprinzipien. Wichtig ist auch die qualitative Analyse eines Modells beispielsweise anhand folgender Fragestellungen: - Langzeitverhalten für t → ∞. (Dämpfung oder Energieerhaltung) - Existenz periodischer Lösungen (z.B. Phasendiagramm). - Angabe und Eigenschaften aproximierter Lösungen (asymptotische Entwicklung). Generell sollten Modelle einfach genug sein, um eine mathematische Lösungstheorie zu ermöglichen andererseits umfangreich genug, um die wesentlichen Eigenschaften des betrachteten Prozesses wiederzugeben. 9 10 Kapitel 2 Kinematik 2.1 Deformationen Ein Kontinuum, d.h ein Festkörper oder eine Flüssigkeit nehme zum Zeitpunkt t = 0 das Gebiet Ω ⊂ Rd (d = 3) ein. Ein Partikel, das bei t = 0 die Position x ∈ Ω einnimmt, bende sich bei t ≥ 0 an der Position Φt (x) ∈ R3 . Wir nehmen Injektivität an, d.h. unterschiedliche Partikel werden auf unterschiedliche Positionen abgebildet. Damit ist Φt : Ω → Ωt = Φt (Ω) bijektiv. Φt sei zudem ein Dieomorphimus, d.h Φt und Φ−1 t sind dierenzierbar. Insbesondere gelte det DΦt 6= 0 und wir nehmen Orientierungstreue an, das bedeutet det DΦt > 0. Die Abbildung Φt heiÿt Deformation. Beispiel 2.1.1. (i) Starrkörperbewegungen sind Deformationen die Abstände erhalten, d.h. |Φt (x) − Φt (y)| = |x − y| Wir werden zeigen, dass für solche Deformationen gilt Φt (x) = Q(t)x + b(t) mit Q(t) ∈ SO(3) und b(t) ∈ R3 .Alle Starrkörperbewegungen sind also an lineare Abbildungen mit A ∈ SO(3). (ii) (iii) λ 0 0 Lineare Streckungen oder Stauchungen z.B. in x1 -Richtung sind gegeben durch Φt (x) = 0 1 0 x 0 0 1 mit λ > 1 (Streckung) oder λ < 1 (Stauchung). 1 ρ 0 Eine Scherung ist z.B. durch Φρ (x) = ρ 1 0 x gegeben. 0 0 1 (iv) Die Bahnkurve eines Partikels, dass sich zum Zeitpunkt t = 0 an der Position x ∈ Ω bendet, ist gegeben durch die Abbildung t → Φt (x) mit Geschwindigkeitsvektor v(t, x) = ∂t Φt (x). Bemerkung 2.1.2. Bahnkurven unterscheiden sich von Stromlinien, die eine Momentaufnahme des Vektorfeldes x → Φs (x) zum festen Zeitpunkt s angeben. Stromlinien deniert man als Integralkurven von Φs d.h. als Lösungen der Dierentialgleichungen y0 (t) = Φs (y(t)), y(0) = x. 2.2 Euler-Lagrangekoordinaten Das Partikel bendet sich zum Zeitpunkt t = 0 an der Position x ∈ Ω und zum Zeitpunkt t > 0 am Ort y ∈ Ωt . Eine zeitabhängige, dem Partikel zugeordnete Gröÿe f (p, t), wie z.B Temperatur 11 Geschwindigkeit oder Beschleunigung kann bzgl. x oder y angegeben werden., d.h. es ergeben sich zwei verschiedene Darstellungsmöglichkeiten. (1) Lagrange-Darstellung: fL (x, t) = { Gröÿe des Partikels, das sich zum Zeitpunkt t = 0 bei x ∈ Ω bendet. (2) Euler-Darstellung: fE (y, t) = { Gröÿe des Partikels, das zum Zeitpunkt t die Position y ∈ Ωt einnimmt. Das bedeutet bei der Euler Darstellung benden wir uns an einem Ort y ∈ Ωt und beobachten das sich zum Zeitpunkt t dort bendliche Partikel. Bei der Lagrange-Darstellung folgen wir einem festen Partikel. Die Lagrange-Darstellung ist geeignet, wenn eine begrenzte Anzahl an Partikeln relevant ist, z.B. Verformung von Festkörpern. Denition 2.2.1. Die Darstellung bzgl. der Referenzkonguration heiÿt Lagrange-Darstellung und bzgl. der Momentankonguration Euler-Darstellung. Zwischen den beiden Darstellungen besteht der Zusammenhang fE (t, Φ(t, x)) = fL (t, x). Für die Ortsableitung folgt somit ∂i fL (t, x) = DfE (t, Φ(t, x))Di Φ(t, x) bzw. T ∇fL (t, x) = DΦ(t, x) ∇fE (t, x). Von besonderer Bedeutung ist die Transformation der Zeitableitung. Dazu der folgende Satz. Satz 2.2.2. Mit V (t, x) = ∂t Φ(t, x) denieren wir D fE (t, y) = ∂t fE (t, y) + V · ∇y fE (t, y), Dt wobei V · ∇y fE (t, y) = V1 ∂y1 fE (t, y) + · · · + Vn ∂yn fE (t, y) ist. Es gilt dann ∂t fL (t, x) = D fE (t, Φ(t, x)) Dt (2.1) Beweis. Mit der Kettenregel gilt ∂t fL (t, x) = ∂t fE (t, Φ(t, x)) = ∂t fE (t, Φ(t, x)) + Dy fE (t, Φ(t, x))∂t Φ(t, x) = ∂t fE (t, Φ(t, x)) + d X ∂yi fE (t, Φ(t, x)) · Vi i=1 = Die Gröÿe D Dt fE (t, Φ(t, x)) heiÿt materielle Ableitung. 12 D fE (t, Φ(t, x)). Dt Beispiel 2.2.3. Wir betrachten schwindigkeit c ∈ Rd Ω ⊂ Rd nach rechts, d.h. und die Partikel in Ω bewegen sich mit konstanter Ge- Φ(t, x) = x + tc. Die Temperatur eines Partikels sei proportional zu seiner x1 -Koordinate. Dann ergeben sich die beiden Darstellungen ΘE (t, y) = ky1 in der Euler-Darstellung. Und ΘL (t, x) = k(x1 + tc1 ) in der Lagrange-Darstellung. Es folgt dann für die Ableitungen ∂t ΘE = 0, ∂t ΘL = kc1 , 2.3 D ΘE = kc1 . Dt Das Reynoldsche Transport-Theorem Zur Herleitung einer Diusionsgleichung haben wir die Massebilanz für ein Kontrollvolumen ω ∈ R3 betrachtet. Wenn das Medium beweglich ist, müssen wir einer festen Menge von Punkten folgen, d.h. wir müssen die Familie ωt = Φt (ω) und Integrale der Form Z Φ(t) = Z c(t, y)dy = ωt c(t, Φ(t, x))|det(Φ(t, x))|dx ω betrachten und ableiten. Dabei zeigt Aufgabe 1 von Blatt 2 dass ∂ij det A = (Cof A)ij = (−1)i+j det Âij . Die Ableitung in Richtung einer Matrix B ist damit gegeben durch D det(A) : B = (Cof A) : B P mit dem Skalarprodukt für Matrizen X : Y = Xij Yij = tr(Y X T ). Ist weiter A regulär, so gilt i,j Cof (A) = det A · A−T und damit (D det A) : B = det A(A−T : B) = det A · tr(BA−1 ). und folglich erhalten wir eine Darstellung für ∂t (det DΦt ), was wir in folgendem Lemma festhalten wollen. Lemma 2.3.1. Es gilt ∂t det DΦt = (D det DΦt ) : ∂t DΦt = (D det A) : B = det DΦt tr(∂t DΦt (DΦt )−1 ) = det DΦt tr(∂t DΦt (DΦt )−1 ) 13 Wir sind nun in der Lage den wichtigen Satz von Reynolds zu beweisen. Satz 2.3.2 (Reynolds'sches Transporttheorem). Mit Ṽ (t, y) = V (t, Φ−1 t (y)) gilt Z 0 I (t) = Z div(c(t, y) · Ṽ (t, y))dy ∂t c(t, y)dy + ωt (2.2) ωt Beweis. Wir verwenden die Ketten-und-Produktregel sowie den Transformationssatz und erhalten damit d I(t) = dt Z ∂t c(t, Φ(t, x)) + Dc(t, Φ(t, x))∂t Φt (x)) det DΦt (x) ω +c(t, Φ(t, x))∂t det DΦt (x)dx Z ∂t c(t, Φ(t, x)) + ∇c(t, Φ(t, x))Ṽ (t, Φt (x)) det DΦt (x) = ω +c(t, Φ(t, x)) det DΦt (x)tr(∂t DΦt (x)(DΦt (x))−1 )dx dabei wurde benutzt, dass V (t, x) = Ṽ (t, Φ(t, x)) und −1 I = D(Φ−1 t ◦ Φt ) = (DΦt ◦ Φt )DΦt ⇔ (DΦt )−1 = DΦ−1 t ◦ Φt ist. Weiter gilt −1 −1 −1 divṼ = div(V ◦ Φ−1 t ) = tr(D(V ◦ Φt )) = tr[DV ◦ Φt · DΦt ]. Damit erhalten wir schlussendlich d I(t) = dt Z ∂t c(t, Φ(t, x)) det DΦt (x)dx ω Z [∇c(t, Φ(t, x)) · Ṽ (t, Φt (x)) + c(t, Φt (x))div(Ṽ (t, Φt (x))] det DΦt (x)dx + ω Z = Z [∇c(t, y) · Ṽ (t, y) + c(t, y)divṼ (t, y)]dy ∂t c(t, y)dy + ωt ωt Z = Z ∂t c(t, y)dy + ωt div(c(t, y)Ṽ (t, y))dy ωt wobei hierbei die Substitution y = Φt (x) verwendet wurde. Dazu noch eine interessante Bemerkung. Bemerkung 2.3.3. Ist für jedes ω ∈ Ω die Funktion I(t) konstant, so gilt Z 0= ∂t c + div(cṼ )dy. ωt 14 Aufgrund der Beliebigkeit des Gebietes ω ∈ Ω bzw. ωt ∈ Ωt folgt, dass der Integrand verschwinden muss, d.h. es gilt die Erhaltungsgleichung 0 = ∂t c + div(cṼ ). Im Fall von c = 1 ist I(t) = |ωt | das Volumen von ωt und I 0 (t) = 0, bedeutet, dass Volumina unter Transformation erhalten bleiben. Dies wird als Inkompressibilität bezeichnet. Inkompressibilität liegt also genau dann vor, wenn divṼ = 0 gilt. Luft und Wasser sind in guter Näherung inkompressibel, Gummi hingegen nicht. Wir betrachten die Luftbewegung, die durch die Abbildung Φt : Ω → Rd beschrieben wird, das bedeutet Φt gibt die Bewegung der Luftmoleküle an. Wir betrachten einen Schornstein, aus welchem Kohlendioxid austritt. Die Konzentration dieser Substanz bezeichen wir mit c(t, y) (EulerDarstellung). Der Austritt aus dem Schornstein sei durch die Funktion f : Ω → R gegeben, welche nur in einer kleinen Umgebung um den Schornstein von Null verschieden ist. Wie im Fall der Diffusionsgleichung betrachten wir die Massebilanz für ein Kontrollvolumen ω und dessen zeitliche Entwicklung (ωt )t≥0 . Die Menge der Substanz in ωt ist gegeben durch Z I(t) = c(t, y)dy, ωt und nach dem Satz von Reynolds ist die Änderung gegeben durch Z 0 ∂t c + div(c · Ṽ )dy. I (t) = ωt Aufgrund von Diusionsprozessen erhalten wir Z Z 0 q·ν+ I (t) = − ωt ∂ωt Z =− Z divqdy + ωt Z div(∇c)dy + ωt und somit folgt f dy ωt Z =κ f dy f dy ωt Z Z ∂t c + div(cṼ ) − κ∆cdy = ωt f dy ωt Aufgrund der Beliebigkeit von ωt gilt dann also ∂t c + div(cṼ ) − κ∆c = f. Da weiter gilt div(cṼ ) = ∇c · Ṽ + divṼ · c, folgt im Fall von divṼ = 0, dass ∂t c + Ṽ · ∇c − κ∆c = f. (2.3) Hierbei bezeichnet ∂t c die Änderungsrate der Konzentration, Ṽ · ∇c die Konvektion, −κ∆c die Diusion sowie f die Produktion. Gleichung (2.3) beschreibt die Konvektions-Diusionsgleichung in Euler-Darstellung. 15 Bemerkung 2.3.4. Inkompressibilität, d.h. |ωt | = |ω| in Lagrange-Darstellung, führt auf |ω| = |ωt | = R 1dx = ωt divṼ = 0 R ω det DΦt (x)dx. R 1dx = ω Dies impliziert also det DΦt = 1, was im Gegensatz zu eine nichtlineare Bedingung ist. Dierenzieren bezüglich t führt auf DΦt : D∂t Φt = DΦt : DV = 0. Für kleine Bewegungen Φt (x) ≈ x ist DΦt ≈ I und es folgt die lineare Bedingung divV = 0. 2.4 Starrkörperbewegungen Als Starrkörperbewegung bezeichnet man Deformationen Φt : Ω → Rd , für die Abstände erhalten bleiben, d.h. |Φt (x) − Φt (y)| = |x − y|. (2.4) Wir werden zeigen, dass solche Bewegungen stets durch Rotationen und Translationen gegeben sind. Wir xieren einen Zeitpunkt t > 0 und vernachlässigen dieses Argument. Da Φ ∈ C 1 (Ω; Rd ), gilt für x ∈ Ω und h ∈ Rd hinreichend klein Φ(x + h) = Φ(x) + DΦ(x)h + o(h). Damit folgt aus (2.4) mit y = x + h |DΦ(x)h + o(h)|2 = |h|2 bzw. |DΦ(x)h|2 + |o(h2 )| = |h|2 . Für h → 0 erhalten wir |DΦ(x)h|2 = |h|2 bzw. hT DΦ(x)T DΦ(x)h = (DΦ(x)h)T DΦ(x)h = hT Ih Dies impliziert dann DΦ(x)T DΦ(x) = Id . Das bedeutet aber, die Matrix DΦ(x) ist orthogonal und es ist det DΦ(x) = 1 also DΦ(x) ∈ SO(d). Wir zeigen nun, dass DΦ(x) konstant ist, also durch eine Rotationsmatrix gegeben ist. Dazu der nachfolgende Satz von Liouville. Satz 2.4.1 (von Liouville). Sei Φ ∈ C 2 (Ω, Rd ) mit DΦ(x) ∈ SO(d) für alle x ∈ Ω. Dann ist DΦ(x) konstant, es existiert also ein b ∈ Rd und Q ∈ SO(d), so dass Φ(x) = Qx + b Beweis. Da det DΦ(x) = 1 und DΦ(x)−1 = DΦ(x)T ist, gilt Cof DΦ(x) = det DΦ(x)DΦ(x)−T = DΦ(x). Damit folgt ∆Φ(x) = [∆Φ1 (x), ..., ∆Φd (x)]T = divDΦ(x) = div Cof DΦ(x) In einer Übungsaufgabe haben wir gezeigt, dass div Cof DΦ(x) = 0. Also ist ∆Φ(x) = 0. 16 Φ ist also harmonisch und damit gilt Φ ∈ C 3 (Ω, Rd ). Ganz allgemein gilt ∆(|DΦ|2 ) = 2DΦ : D∆Φ + 2|D2 Φ|2 (2.5) Da für jede Rotation A ∈ SO(d) gilt |A|2 = A : A = tr(AT A) = tr(I) = d und da ∆Φ = 0 ist, erhalten wir |D2 Φ|2 = 0. Also ist DΦ konstant. Zum Nachweis von (2.5) verwenden wir die Einsteinsche Summenkonvention, nach welcher über doppelt auftretende Indizes summiert wird. Es ist zum Beispiel ∆Φk = ∂i2 Φk und |DΦ|2 = (∂j2 Φk )2 . Damit erhalten wir schlieÿlich ∂i2 (∂j Φk )2 = ∂i (2∂j Φk ∂i ∂j Φk ) = 2(∂i ∂j Φk )(∂i ∂j Φk ) + 2∂j Φk ∂i2 ∂j Φk = 2|D2 Φ|2 + 2DΦ : D∆Φ. Bemerkung 2.4.2. Für die Aussage des Satzes von Liouville genügt es Φ ∈ C 1 anzunehmen. 2.5 Koordinatentransformationen Wir betrachten oene Mengen U, V ∈ Rd sowie Dieomorphismen φ : U → V und dazu skalare Funktionen f : U → R und ein Vektorfeld y : U → Rd . Dazu betrachten wir weiter die skalare Funktion f˜ : V → R und das Vektorfeld ỹ : V → Rd . Die Funktionen bzw. Vektorfelder sollen dieselben physikalischen Gröÿen in unterschiedlichen Koordinaten darstellen, z.B. bezüglich zweier Beobachter. Beispiel 2.5.1. Punkte in seien Punkte in einer Landkarte und φ : U → V assoziieren reale Koordinaten bzgl. einer Person, die sich an der Position x0 ∈ V bendet und nach Osten schaut. Das bedeutet es gilt U φ(x) = 1 α 0 −1 (x − x̄) + x0 . 1 0 Dabei gibt die Matrix eine Drehung um 90◦ ,α den Maÿstab und x0 die Verschiebung an. Ist nun zum Beispiel die Temperatur bei x gegeben durch θ(x), so können wir sie mit der Funktion θ̃ = θ ◦ φ in die Karte eintragen. Bei der Windrichtung g, z.B. Südosten, ist es wenig sinnvoll,die Gröÿe g ◦ φ in die Karte einzuzeichnen. Der Vektor g muss um −90◦ gedreht werden, das bedeutet 0 1 g̃(x) = α (g ◦ φ)(x) = Dφ(x)−1 g ◦ φ −1 0 ist eine sinnvolle Gröÿe. 17 Denition 2.5.2. Die Gramsche Matrix der Transformation mit φ ist deniert durch g : U → Rd×d gij (x) = ∂i φ(x̃)∂j φ(x̃) Bemerkung 2.5.3. (i) Es gilt g(x̃) = Dφ(x̃)T Dφ(x̃) und g ist symmetrisch mit det g > 0 (ii) Für y = Dφỹ und z = Dφz̃ ist y · z = (Dφỹ) · (Dφz̃) = ỹT DφT Dφz̃ = ỹT gz̃ = (gỹ) · z̃ . Wichtig hierbei ist es das Verhalten des Nabla- sowie- Laplace-Operators unter Koordinatentransformationen zu betrachten. Dazu der folgende Satz. Satz 2.5.4. Sei f˜ = f ◦ φ, ỹ = Dφ−1 y ◦ φ, dann gilt ˜ f˜ (i) ∇f ◦ φ = Dφg−1 ∇ ˜ 2 ỹ) (ii) (div y) ◦ φ = |g|− 2 div(|g| 1 1 ˜ ˜ f˜) 2 g −1 ∇ (iii) (∆f ) ◦ φ = ∆ỹ f˜ := |g|− 2 div(|g| ˜ = ∂˜1 ỹ1 + ... + ∂˜d ỹd . ˜ = [∂˜1 , ...., ∂˜d ], divỹ mit |g| = det g, ∇ Beweis. (i) folgt mit der Kettenregel 1 1 Df˜ = (Df ◦ φ)Dφ ⇒ ∇f ◦ φ = (Df ◦ φ)T = (Df˜Dφ−1 )T = Dφ−T Df˜T = DφDφ−1 Dφ−T ∇f˜ = Dφg −1 ∇f˜. Zu (ii) sei ψ̃ ∈ C 1 (Ũ ) mit ψ̃|∂U = 0. Wir denieren dazu ψ = ψ̃ ◦ φ−1 und erhalten damit Z Z 1 2 ψdiv(y)dx = − ψ̃div(y) ◦ φ|g| dx̃ = V Ũ Z =− Z Z 1 ∇ψ ◦ φ · y ◦ φ|g| 2 dx = − U ∇ψ · ydx V 1 ˜ ψ̃) · (Dφỹ) · |g| 2 dx̃ (Dφg −1 ∇ U Z =− 1 ˜ ψ̃) · (DφT Dφỹ)|g| 2 dx̃ (g −1 ∇ U Z =− T ((Dφ Dφ)g −1 ˜ Z 1 2 ∇ψ̃) · ỹ|g| dx̃ = − U ˜ ψ̃ ỹ|g| 12 dx̃ ∇ U Z = 1 ˜ 2 ỹ)dx̃. ψ̃ · div(|g| U Mit dem Fundamentallemma der Variationsrechunung folgt dann 1 −1 ˜ 2 ỹ) · |g| 2 = div(y) ◦ φ. div(|g| ˜ f˜ setzen. Es ist dann (iii) folgt dann aus (i) und (ii), indem wir y = ∇f, ỹ = Dφ−1 ∇f ◦ φ = g −1 ∇ nämlich 1 1 −1 ˜ ˜ ˜ 2g ∆f ◦ φ = (div∇f ) ◦ φ = |g|− 2 div(|g| ∇f ) 18 Es sei nun beispielsweise φ die Parametrisierung durch Polarkoordinaten φ(r, θ) = r(cos θ, sin θ). Das bedeutet nun x̃1 = r, x̃2 = θ und g(r, θ) = 1 0 . 0 r2 Wir betrachten das Gebiet Ṽ = Br2 (0) \ Br1 (0). Für f : Ṽ → R, f˜ : Ũ → R, mit f˜ = f ◦ φ gilt ∂r f˜ ˜ f˜ = g · Dφ−1 ∇f =∇ ∂θ f˜ sowie mit |g| = r2 1 ˜ 1 ˜ 1 0 ˜ −1 ˜ T ∆ỹ f˜ = div(r ) · [∂r f˜, ∂θ f˜]T ) = div([r∂ r f , r ∂θ f ] ) 0 r−2 r r 1 1 1 = (∂r (r∂r f˜) + ∂θ (r−2 ∂θ f˜)) = ∂r2 f˜ + ∂r f˜ + 2 ∂θ2 f˜. r r r Beispiel 2.5.5. Zur Berechnung der Wassertemperatur in einem ringförmigen tiefen Schwimmbecken mit Randbedingungen, T (r1 ) = T1 , T (r2 ) = T2 , und der Annahme ∂θ T̃ = 0 folgt, dass 1 c ∆T = 0 ⇒ ∂r (r∂r T̃ ) = 0 ⇒ r∂r T̃ = c ⇔ ∂r T̃ = ⇒ T̃ = c1 + c2 log(r). r r log(r)−log(r1 ) Die Randbedingungen liefern c1 und c2 und wir erhalten T (r) = (T2 − T1 ) log(r + T1 . 2 )−log(r1 ) Physikalisch lässt sich das dadurch begründen, dass der äuÿere Kreis aufgrund des gröÿeren Umfangs den inneren Kreis dominiert. 2.6 Beobachterunabhängigkeit Wir betrachten zwei orthogonale, positiv orientierte Koordinatensystem d.h. o.B.d.A x̃ = φ(x) = Qx + b mit x ∈ Rd und Q ∈ SO(d). Der zu einer Temperatur T gehörende Wärmeuss sei gegeben durch q = q̂(∇T ). Bezüglich Koordinatentransformation gilt ˜ T̃ = QT ∇T. q̃ = QT q, ∇ ˜ T̃ ). Daraus folgt Wir nehmen an, dass q̃ = q̂(∇ QT q = q̂(QT ∇T ) ⇔ q̂(∇T ) = Qq̂(QT ∇T ) für alle Q ∈ SO(d). Die Abbildung q̂ muss also eine spezielle Struktur besitzen, um diese Identität zu erfüllen. 19 Satz 2.6.1. Für q̂ : R3 → R3 gelte q̂(x) = Qq̂(QT x) für alle Q ∈ SO(3) und alle x ∈ R3 . Dann folgt q̂(x) = −κ̂(|x|)x (2.6) Beweis. Zu x ∈ R3 \ {0} sei Q = Qx die Drehung um die Achse x um den Winkel π. Das heiÿt x ist Eigenvektor von Q mit Eigenwert 1. Dann gilt q̂(x) = q̂(Qx) = Qq̂(x). Das bedeutet q̂(x) ist ebenfalls Eigenvektor von Q mit Eigenwert 1. Damit ist q̂(x) ein Vielfaches von x und somit q̂(x) = α(x)x. Ist nun Q ∈ SO(3) beliebig, so folgt α(x)QT x = QT q̂(x) = q̂(QT x) = α(QT x)QT x, und damit ist α(x) = α(QT x) für alle Q ∈ SO(3) bzw. α(x) = −κ̂(|x|) Wir haben also gezeigt, dass ein allgemeiner Zusammenhang zwischen q = q̂(∇T ) nur dann vom Beobachter unabhängig ist, wenn q̂ die spezielle Struktur q̂ = −k̂(|x|)x besitzt. Dabei haben wir implizit vorausgesetzt, dass Isotropie gilt, d.h. das Verhalten in allen Richtungen ist dasselbe. Diese Annahme ist zum Beispiel bei Flüssigkeiten sinnvoll, nicht jedoch bei Materialien mit besonderer Struktur, wie zum Beispiel Holz. Die allgemeine Beziehung zwischen Fluss und Konzentrations-bzw.-Temperatur-Gradienten nennt man konstitutive Beziehung. 20 Kapitel 3 Gleichgewichte und Erhaltungsgleichungen 3.1 Teilchensysteme Wir betrachten ein System von N Massepunkten. Die Positionen und die Massen dieser Punkte seien xi (t) ∈ R3 , mi ∈ R>0 , i = 1, ..., N. Zwischen den Partikeln wirken anziehende Kräfte. Auf die einzelnen Partikel wirken zudem äuÿere Kräfte wie zum Beispiel Gravitation. Es bezeichne dabei fij ∈ R3 diejenige Kraft, welche von Partikel j auf Partikel i ausgewirkt wird. Weiter bezeichne ki die äuÿere Kraft die auf Partikel i wirkt. Der Impuls eines Partikels ist dann deniert als pi = mi · vi mit vi = x0i . Nun gilt nach dem zweiten Newtonschen Gesetz X p0i = mi · vi0 = fij + ki j=1,i6=j Nach dem 3. Newtonschen Gesetz ist fij = −fji . Wirken die Kräfte fij entlang des Dierenzenvektors xi − xj , so können wir sie darstellen als fij = xi − xj φij (|xi − xj |) |xi − xj | Die Funktion φ kann positiv (abstoÿend) oder negativ (anziehend) sein. Für Gravitationskräfte ist φij (r) = G · Für den Gesamtimpuls p = N P i=1 mi · mj r2 pi gilt p0 = N X i=1 p0i = X X X ( fij + ki ) = ki = k. i j,j6=i 21 i Das heiÿt also der Kräften. Denieren wir die GesamtP Gesamtimpuls ist nur abhängig von äuÿeren 1 P masse als m = mi und den Schwerpunkt durch x = m mi xi , so erhalten wir i i p= X i pi = X mi x0i = m( i 1 X mi xi )0 = mx0 . m i Das bedeutet wir erhalten mx00 = k. Zur vollständigen Beschreibung der Dynamik eines Systems wird zusätzlich der Drehimpuls benötigt. Bezüglich eines Referenzpunktes x̄ ∈ R3 ist dieser gegeben durch (3.1) Li = (xi − x̄) ∧ pi . Die zugehörige äuÿere Kraft ist das Drehmoment (3.2) Mi = (xi − x̄) ∧ ki Damit folgt für die Änderung des Gesamtdrehimpulses L = P i Li , da x0i ||pi , X X L0 = ( (xi − x̄) ∧ pi )0 = (xi − x̄) ∧ p0i i = i = XX i j,j6=i xi ∧ i XX (xi − x̄) ∧ fij + X (xi − x̄) ∧ ki i j,j6=i XX X xi − xj φij (|xi − xj |) − x̄ ∧ fij + Mi = M. |xi − xj | i j,j6=i i Also ergibt sich L0 = M . Hierbei wurde die Identität xi ∧ xj = −xj ∧ xi benutzt, und dass φij = φji gilt. Die kinetische Energie des Systems ist dann X Ekin = mi i |x0i |2 2 (3.3) und die Gesamtarbeit der äuÿeren Kraft ist W = X (3.4) x0i ki . i Die Änderung der kinetischen Energie Ekin ist dann 0 Ekin = X mi x0i · x00i = i = X x0i p0i i X x0i ·( i = X fij + ki ) j,j6=i XX i j,j6=j 22 x0i · fij + W. Für den ersten Term gilt XX i = x0i · fij = XX i j,i6=j x0i · j,i6=j xi − xj φij (|xi − xj |) |xi − xj | xi − xj xi − xj (x0i · − x0j · )φij (|xi − xj |) |xj − xi | |xi − xj | j,j<i XX xi − xj φij (|xi − xj |) = (xi − xj )0 · |xi − xj | XX i i j<i = XX d (|xi − xj |) · φij (|xi − xj |). dt i j<i Hierbei wurde φij = φji benutzt. Ist nun φij = φ für alle i, j und ist Φ Stammfunktion von φ, so folgt mit u d Φ(|u|) = φ(|u|) · u0 dt |u| dass XX i XX d Φ(|xi − xj |) dt x0i · fij = i i6=j j<i Als Folge davon erhalten wir 0 =W + Ekin XX d d XX Φ(|xi − xj |) = W + Φ(|xi − xj |) dt dt i j<i i j<i 1 d XX 0 =W + Φ(|xi − xj |) = W − Epot 2 dt i i6=j Insgesamt haben wir also (Ekin + Epot )0 = W. Das bedeutet, dass die Änderung der Gesamtenergie gerade der verrichteten Arbeit entspricht. 3.2 Übergang zum Kontinuum Der Übergang von diskreten Teilchensystemen zur kontinuierlichen Beschreibung erfolgt durch Bildung geeigneter Mittelwerte auf einer Längenskala h > 0. Genauer verwenden wir Würfel der Seiten-oder Kantenlänge h um Punkte x, das heiÿt Qh (x) = {y ∈ R3 : |y − x|∞ < h } 2 und denieren die kontinuierliche Massendichte eines Punktesystems durch ρh (t, x) = 1 h3 X xi (t)∈Qh (x) 23 mi . Wir nehmen an, dass die Skala h sinnvoll gewählt werden kann, so dass einerseits ρh nicht zu stark variiert (h zu klein) und andererseits die Verteilung der Punkte aber gut erfasst. Wir denieren nun die gewichtete Impulsdichte ph (t, x) = 1 h3 X mi x0i (t) xi (t)∈Qh (x) sowie die mittlere Geschwindigkeit durch vh (t, x) = ph (t, x) ρh (t, x) Weiter denieren wir die Dichte der kinetischen Energie durch Ekin,h (t, x) = 1 h3 X mi xi (t)∈Qh (x) |x0i (t)|2 2 sowie die Dichte der potentiellen Energie durch Epot,h (t, x) = − 1 2h3 X X Φij (|xi − xj |) xi (t)∈Qh (x) i6=j und schlieÿlich die Gesamtenergiedichte als Eh = Ekin,h + Epot,h . Wir hätten die gemittelte kinetische Energiedichte auch durch makro = ρh Ekin ,h |vh |2 2 denieren können, was auf eine andere, als makroskopische Energiedichte bezeichnete, Form führt. Es gilt dann makro (t, x) = Ekin,h (t, x) − Ekin ,h = 1 h3 X xi (t)∈Qh (x) mi |x0i (t, x)|2 − vh 2 1 h3 X mi xi ∈Qh (x) |vh |2 |x0i | − ρh 2 2 1 X 1 X |vh |2 1 + vh (t, x) · 3 mi x0i (t) − 3 mi − ρh |vh |2 h h 2 2 i i = 1 h3 X mi xi ∈Qh (x) |x0i − vh |2 2 Damit erhalten wir 1 mikro (t, x) = E mikro (t, x) + E makro (t, x). Ekin,h (t, x) = ρh |vh |2 + Ekin ,h kin,h kin,h 2 mikro (t, x) beschreibt Fluktuationen um die makroskopische Geschwindigkeit vh und Die Gröÿe Ekin ,h lässt sich als Wärmeenergie interpretieren. Mit der inneren Energie pro Masseneinheit uh , welche durch mikro + Epot,h ρh uh = Ekin (3.5) ,h deniert ist, beschreiben wir die mikroskopische und potentielle Energie und erhalten damit die Gesamtenergiedichte Eh = Ekin,h + Epot,h = ρh ( 24 |vh |2 + uh ). 2 3.3 Kontinuierliche Erhaltungssätze Wir betrachten nun Familien von Funktionen φt : Ω → Rd , t ∈ [0, T ], und zugehörige deformierte Gebiete Ω(t) = φt (Ω). Es bezeichne im Folgenden v das Geschwindigkeitsfeld in Euler-Koordinaten, d.h. v(t, x) = ∂t φt (φ−1 t (x)). Für ein Kontrollvolumen ω ∈ Ω sind die darin enthaltenen Punktmassen genau diejenigen Punktmassen, die zum Zeitpunkt t > 0 in ω(t) = φt (ω) enthalten sind. Die Masse muss damit erhalten bleiben, das bedeutet Z d dt ρ(t, x)dx = 0. ω(t) Mit dem Reynoldschen-Transporttheorem folgt nun Z ∂t ρ(t, x) + div(ρ(t, x)v(t, x))dx = 0. ω(t) Die Beliebigkeit von ω zeigt nun die Kontinuitätsgleichung (3.6) ∂t ρ + div(ρv) = 0. Im Fall ρ = const ist dies gerade die Inkompressibilitätsbedingung. Zur Herleitung einer Impulsbilanz betrachten wir eine Volumenkraft f : Ω(t) → R3 mit massebezogener Kraftdichte f und eine äuÿere Kraft b : ∂ω(t) → R3 mit ächenbezogener Kraftdichte b. Die kontinuierliche Version der Beziehung (mv)0 = F lautet dann d dt Z Z ρ(t, x)v(t, x)dx = ω(t) Z ρ(t, x)f (t, x)dx + ω(t) b(t, x)dx. ∂ω(t) In Worten bedeutet das: zeitliche Änderung des Gesamtimpulses in ω(t)= Volumenkräfte+ Oberächenkräfte. Wenden wir das Reynoldsche-Transporttheorem nun komponentenweise an, so erhalten wir Z Z Z ∂t (ρvi ) + div(ρvi v)dx = ρfi dx + ω(t) ω(t) bi dx ∂ω(t) für i = 1, 2, 3. Um nun eine Dierentialgleichung abzuleiten, müssen wir die Oberächen-Kräfte b besser verstehen. Die kontinuierliche Version der Drehimpulserhaltung lautet nach dem obigen d dt Z Z (x − x̄) ∧ (ρv)dx = ω(t) Z (x − x̄) ∧ (ρf )dx + ω(t) (x − x̄) ∧ bdx. ∂ω(t) Der Satz von Reynolds liefert Z (x − x̄) ∧ (∂t (ρv) + X ω(t) Z Z (x − x̄) ∧ (ρf )dx + = ∂j (ρvj v))dx j ω(t) ∂ω(t) 25 (x − x̄) ∧ bdx. Hierbei wurde die Identität div((x − x̄) ∧ ρv)i v) = ((x − x̄) ∧ X ∂j (ρvj v))i j verwendet. 3.4 Der Spannungstensor Der folgende Satz speziziert die Kräfteübertragung entlang der Oberäche eines Kontrollvolumens. Satz 3.4.1 (Cauchy-Schnittprinzip). Es gebe eine Abbildung b : S 2 × Ω → R3 , so dass für jede Unterteilung von Ω in die Teilgebiete Ω1 und Ω2 mit stetig dierenzierbarer Schnittäche Γ die von Ω2 auf Ω1 ausgeübte Kraft FΩ2 →Ω1 gegeben ist durch Z FΩ2 →Ω1 = b(n, x)dsx Γ mit der äuÿeren Einheitsnormalen n an Ω2 . Dann hängt b linear von n ab, das heiÿt es existiert eine Abbildung σ : Ω → R3×3 , so dass b(n, x) = σ(x)n. Hierbei ist S 2 die Menge aller möglichen Einheitsnormalenvektoren. Die Abbildung σ heiÿt Spannungstensor. Die hinreichende Bedingung des Satzes wird als CauchyAxiom bezeichnet. Beweis. Wir betrachten die Impulserhaltungsgleichung im Tetraeder ω = Ṽ , dessen dem Nullpunkt (bzw. x) gegenüberliegende Seite die Normale η habe. Mit dem Mittelwertsatz folgt für ein y ∈ Ṽ Z Z ∂t (ρvj ) + div(ρvj v) − ρfj dx = = Ṽ |Ṽ |(∂t (ρvj ) + div(ρvj v) − ρfj )(y) Z X Z bj (η, x) = bj (−ek , x)dsx + b(η, x)dx k=1,2,3S k ∂ Ṽ = X S (k) |Sk |bj (−ek , x ) + |S|(b(η, x(0) ). k=1,2,3 Hierbei sind Sk die Seitenächen des Tetraeders. Nutzen wir nun die spezielle Beziehung |Sk | = ηk |S| mit der Normalen ηk auf die Fläche Sk , so erhalten wir X |V | (∂t (ρvj ) + div(ρvj v) − ρfj (y)) = bj (ek , x(k) )ηk + bj (η, x(0) ). |S| k=1,2,3 Unter der Annahme, dass ηj > 0, für j = 1, 2, 3 (nach Rotation) ist folgt, x(k) → x für x = 0, 1, 2, 3. Also erhalten wir bj (η, x) = − 3 X k=1 26 bj (−ek , x)ηk . |Ṽ | |S| → 0 für |S| → 0 sowie Setzen wir schlieÿlich σjk (x) = −bj (−ek , x), so erhalten wir die Behauptung mit ση = b(η, x). Wir verwenden nun den Spannungstensor σ in der Impuls-Bilanz. Dabei erhalten wir zunächst mit dem Satz von Gauÿ Z Z Z bdsx = ∂ω(t) σndsx = ∂ω(t) div(σ(t, x))dx. ω(t) Damit folgt Z ∂t (ρvj ) + div(ρvj v) − ρfj − (div(σ))j dx = 0 ω(t) Mit der Kontinuitätsgleichung (3.6) , erhalten wir Z ρ∂t vj + ρv · ∇vj − (div(σ))j − ρfj dx = 0. ω(t) Es ist nämlich nach der Kontinuitätsgleichung ∂t (ρvj ) + div(ρvj v) = vj (∂t ρ + div(ρv)) + ρ∂t vj + ∇vj · (ρv) = ρ∂t vj + ∇vj · (ρv). Damit erhalten wir aufgrund der Beliebigkeit des Gebietes ω die Dierentialgleichung ρ∂t vj + ρv · ∇vj − (div(σ))j − ρfj = 0. Verwenden wir die Notation (v · ∇)v = tungsgleichung 3 P j=1 vj ∂j v , so erhalten wir die kontinuierliche Impulserhal- (3.7) ρ(∂t v + (v · ∇)v) − divσ = ρf. Des Weiteren können wir aus der Impuls und Drehimpulserhaltung die Symmetrie des Spannungstensors σ herleiten. Satz 3.4.2. σ aus dem vorherigen Satz ist symmetrisch Beweis. Aus der Drehimpulserhaltung mit b = ση und o.B.d.A x̄ = 0 erhalten wir Z a· Z x ∧ [∂t (ρv) + div(ρvvl ))l=1,...,d ] = a · ω(t) ω(t) 27 Z x ∧ (ρf )dx + a · ∂ω(t) x ∧ (ση)dsx für alle a ∈ R3 . Wir schreiben unter Verwendung der Identität a · (b ∧ c) = (a ∧ b) · c den Randterm als a· Z Z Z (a ∧ x) · (ση)dsx = x ∧ (ση)dsx = ∂ω(t) ∂ω(t) ∂ω(t) Z Z T div(σ (a ∧ x))dx = = (σ T (a ∧ x)) · ηdsx ∂j (σ T (a ∧ x))j dx ω(t) ω(t) Z (∂j σij )(a ∧ x)i + σij (a ∧ ∂j x)i dx = ω(t) Z (divσ)i (a ∧ x)i + σij (a ∧ ej )i dx = ω(t) Z (x ∧ divσ) · a + σij (a ∧ ej )i dx. = ω(t) Wir erhalten also insgesamt Z a· Z [x ∧ (∂t (ρv) + div(ρvvl ))l=1,...,d + (ρf ) − divσ)]dx = ω(t) σij (a ∧ ej )i dx. ω(t) Insgesamt folgt unter Verwendung der Kontinuitätsgleichung sowie der Impulserhaltungsgleichung Z σij (a ∧ ej )i dx = 0. ω(t) Also, da das Kontrollvolumen beliebig war σij (a ∧ ej )i = 0. Für a = e1 ergibt sich e1 ∧ e1 = 0 e1 ∧ e2 = e3 , e1 ∧ e3 = −e2 und damit 0 = σij (a ∧ ej )i = σ32 − σ23 . Also σ23 = σ32 . Analoge Rechnungen mit a = e2,3 zeigen dann σ12 = σ21 und σ13 = σ31 . 3.5 Energieerhaltung Die kinetische und die potentielle Energie haben wir mit massebezogenen Dichten durch e= |v|2 +u 2 beschrieben. Die zeitliche Veränderung ist gegeben durch d dt Z Z ρf · vdx + ρedx = ω(t) Z ω(t) (σn) · vdsx ∂ω(t) Z − Z q · ndsx + ∂ω(t) 28 ω(t) ρgdx. Hierbei beschreibt die linke Seite die zeitlicheRÄnderung der Energie, bestehend aus der kinetischen R 1 2 Energie ρu. Der erste und der zweite Term auf der rechten 2 ρ|v| und der inneren Energie ω(t) ω(t) Seite beschreiben die durch Volumen-und Oberächenkräfte zugeführte Leistung, der dritte Term die durch den Abuss von Wärme über den Rand verlorene Wärmeenergie und der vierte Term die durch äuÿere Wärmequellen zugeführte Energie. Mit dem Transporttheorem und dem Satz von Gauÿ können wir folgern Z ∂t (ρe) + div(ρev) − ρf v − div(σv) + divq − ρgdx = 0, ω(t) was auf die entsprechende Dierentialgleichung ∂t (ρe) + div(ρev) − ρf v − div(σv) + divq − ρg = 0 (3.8) führt. Setzen wir die Kontinuitätsgleichung (3.6) in (3.8) ein, vereinfacht sich dies zu ρ(∂t e + ∇e · v) − ρf v − div(σv) + divq − ρg = 0 (3.9) Für den kinetischen Anteil von e erhalten wir unter Verwendung der Impulserhaltungsgleichung (3.7) ρ∂t |v|2 |v|2 |v|2 |v|2 + ρ(∇ ) · v = ρ∂t + ρ∂i ( )vi 2 2 2 2 = ρv · ∂t v + ρ(v · ∂i v)vi = v · (ρ∂t v + ρvi ∂i v) = v · (div(σ) + ρf ), wobei die Impulserhaltung im letzten Schritt verwendet wurde. Für die σ Terme gilt v · div(σ) − div(σv) = vi ∂j σij − ∂k (σkl vl) = vi ∂j σij − (∂k σkl )vl − σkl ∂k vl = vi ∂j σij − vl ∂k σkl − σkl ∂k vl = −σkl ∂k vl = −σ : Dv. Damit erhält man schlieÿlich die folgende Formulierung des Energieerhaltungssatzes: ρ∂t u + ρv · ∇u − σ : Dv + divq − ρg = 0. 3.6 (3.10) Zusammenfassung und erste Anwendungen Wir haben die folgenden fundamentalen Erhaltungsgleichungen in Euler-Koordinaten hergeleitet: (i) ∂t ρ + div(ρv) = 0, Kontinuitätsgleichung/Massenerhaltungsgleichung, (ii) ρ(∂t v + (v · ∇)v) − divσ = ρf , Impulserhaltungsgleichung, (iii) ρ∂t u + ρv · ∇u − σ : Dv + divq − ρg = 0 Energieerhaltungsgleichung. 29 Um zu einem wohlbestimmten System zur Bestimmung von ρ, v und u für gegebene f, g zu gelangen, werden weitere materielle Zusammenhänge, sogenannte konstitutive Beziehungen benötigt. Diese Beziehungen sollen den Spannungstensor σ sowie den Fluÿ q als Funktionen in ρ, v und u festlegen. Beispiele für solche konstitutive Beziehungen sind etwa das Hooksche-Gesetz oder das FourierscheGesetz. Beispiel 3.6.1. Für eine Wärmeleitung in einem strömungsfreien Gebiet, d.h. ∂t ρ = 0, benutzen wir den aus der Thermodynamik folgenden Zusammenhang ∂t u = Cv (T )∂t T mit der Temperatur T . Das Fouriersche-Gesetz sagt q = −λ∇T und wir erhalten aus der Energieerhaltung ρCv (T )∂t T − λdiv(∇T ) = ρg mit der spezischen Wärme Cv (t), die meist als konstant angenommen wird. 30 v = 0 und damit Kapitel 4 Gase und Flüssigkeiten (Fluide) 4.1 Modellannahmen Die Erhaltungsgleichungen sind zu allgemein und damit zu komplex um praktische Situationen zu simulieren. In vielen Fällen lassen sich die Gleichungen aber sinnvoll vereinfachen. 4.2 Eulergleichungen Die Eulergleichungen für inkommpressible, isotherme und reibungsfreie Strömungen lauten mit den obigen Annahmen divv = 0 1 ∂t v + (v · ∇)v = − ∇p + f. ρ (4.1) (4.2) Für den Druck wird keine zusätzliche Gleichung benötigt. Wir haben dabei die Beziehung divσ = −div(pI) = −∇p verwendet. Wegen σ : Dv = −pI : Dv = −pdivv = 0 ist zudem die Energieerhaltung erfüllt. Man beachte jedoch, dass Reibungsfreiheit im Allgemeinen eine zu starke Vereinfachung ist. Der Druck p tritt als Langrange-Multiplikator zur Nebenbedingung divv = 0 auf. Statt aus dem Transporttheorem und dem 2.ten Newtonschen-Gesetz können die Euler-Gleichungen auch aus der sogenannten Boltzmann-Gleichung der statistischen Physik hergeleitet werden. Die Euler-Gleichungen gehören zur Klasse der nichtlinearen Erhaltungsgleichungen und haben ähnlich Eigenschaften wie zum Beispiel wie die Transport- und die Wellengleichung. Insbesondere können auch glatte Anfangsdaten zu Unstetigkeit also zu sogenannten Schocks führen. Die Existenz globaler Lösungen kann im Allgemeinen nur unter restriktiven Bedingungen an die Anfangsdaten bewiesen werden. Die kinetische Energie bleibt unter der Annahme, dass ein festes Volumen vollständig ausgefüllt bleibt, erhalten, da keine dissipativen Terme im System auftreten. Insbesondere kommt das System nie zum Stillstand. In zwei Raumdimensionen kann man zeigen, dass Lösungen existieren, die dieses Prinzip verletzen und für homogene Anfangsdaten zu nicht trivialen Geschwindigkeitsfeldern führen. Dies induziert schlieÿlich, dass die Annahme der Reibungsfreiheit möglicherweise eine zu starke Vereinfachung ist. 31 Begrie und Vereinfachungen Reibungsfreie Strömungen Isotherm Inkompressibel Viskose Strömungen Stationär 4.3 Gleichung Beschreibung Beispiele Nur Druckkräfte werden überσ = −pI mit Druck p Gase tragen. Keine Reibung zwischen Partikeln Temperatur konT konstant in Zeit und Raum stant, keine äuÿeFluss re Wärmezufuhr kleine Dichteänderung nur durch ρ konstant Wasser und Luft sehr hohen Druck möglich Es tritt innere σ = 2µ(v) + λtr(v)I − pI Honig und Motoröl Reibung auf keine zeitliche Än∂t v = 0 derung der Ge- Fluss, Schornstein schwindigkeit Navier-Stokes-Gleichungen Navier-Stokes-Gleichungen beschreiben isotherme, viskose Strömungsvorgänge, bei denen der Spannungstensor durch σ = 2µsym(Dv) + λdiv(v)I − pI (4.3) mit dem symmetrischen Gradienten sym(A) = 12 (A + AT ) sowie (u) = 12 (Du + DuT ) gegeben sind. Es gilt divDv = ∆v sowie divDv T = ∇(divv). Damit können wir (4.3) unter Verwendung von div((divv)I)) = ∇divv vereinfachen zu divσ = µ∆v + (λ + µ)∇divv − ∇p. (4.4) Damit erhalten wir das Gleichungssystem ∂t ρ + div(ρv) = 0 ρ∂t v + ρ(v · ∇)v − µ∆v − (λ + µ)∇divv = −∇p + ρf. Ist nun ρ variabel, so wird eine Zustandsgleichung, p = p(ρ) zur Beschreibung von p benötigt. Die Gleichungen nennen sich kompressible Navier-Stokes-Gleichungen. Im inkompressiblen Fall erhalten wir divv = 0, 1 ∂t v + (v · ∇)v − η∆v = − ∇p + f, ρ 32 mit der kinetischen Viskosität η = µρ . Die Gleichungen werden als Inkompressible Navier-StokesGleichungen bezeichnet. Im stationären Fall gilt ∂t v = 0. Sind zudem |v| und |∇v| klein, so kann unter Umständen der Term (v · ∇)v vernachlässigt werden und wir erhalten durch divv = 0 1 −η∆v + ∇p = f ρ das sogenannte Stokessche-System, für welches Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen nachgewiesen werden können. Um zu verstehen unter welchen Voraussetzungen diese Vereinfachung gerechtfertigt ist, führen wir eine Entdimensionalisierung durch. Seien dafür V und l die Charakteristischen Gröÿen für Geschwindigkeit und Länge der Strömung. Wir setzen v(x) = V v̂(x̂) mit x̂ = l−1 x und erhalten (v · ∇)v = und η∆v = V2 ˜ (v̂ · ∇)v̂, l ηV ˜ ∆v̂, l2 ˜ = ∇x̂ und ∆ ˜ = ∆x̂ seien. Setzen wir weiter p = P p̂(xl−1 ) so folgt wobei ∇ ∇p = P ˜ ∇p̂(xl−1 ). l Mit f = F fˆ(xl−1 ) folgt schlieÿlich die entdimensionalisierte Gleichung in x̂ V2 ˜ − ηV ∆v̂ ˜ = − 1 ∇p̂l ˜ −1 + F fˆ. (v̂ · ∇)v̂ l l2 ρ Das bedeutet die Vereinfachung (v·∇)v = 0 ist gerechtifertigt wenn |v|, |∇v| klein sind und zusätzlich V2 ηV Vl << 2 ⇔ << 1 l l η gilt. Die Zahl Re = lV . η heiÿt hierbei Reynolds-Zahl. Die Stokesschen-Gleichungen sind also anwendbar für kleine ReynoldsZahlen. Es muss also Re << 1 gelten. Dies ist der Fall für hohe Viskosität η , kleine Durchmesser l und kleine charakteristische Geschwindigkeiten V . 4.4 Spezielle Lösungen und Turbulenzen Spezielle Lösungen können Aufschluss über typische Eigenschaften eines Modells geben. Beispiel 4.4.1. 33 (i) Couette-Strömung: Wir betrachten eine Strömung zwischen zwei Platten, einer ruhenden und einer bewegten Platte. Aufgrund von Viskosität ist die Geschwindigkeit an den Platten durch deren Bewegung vorgegeben. Für stationäre Situationen vereinfachen sich die Navier-Stokes-Gleichungen unter den Annahmen v(t, x) = φ(x3 )e1 , p(t, x) = q zu divv = 0, ∂t v = 0 und (v · ∇)v = v1 ∂x1 v = 0 und somit −µφ00 (x3 ) = 0. Mit den Randbedingungen φ(0) = 0 und φ(a) = v0 folgt φ(x3 ) = v0 v0 x3 , v(t, x) = x3 e1 , a a d.h. v ist in x3 -Richtung linear. Beispiel 4.4.2. (ii) Poiseuille-Strömung: Wir betrachten eine Strömung zwischen verschiedenen Platten, die durch einen Druckunterschied verursacht wird. Der Ansatz v(t, x) = φ(x3 )e1 reduziert die Navier-Stokes-Gleichungen zu −µφ00 (x3 )e1 = −∇p(x). Dies impliziert ∂2 p = ∂3 p = 0 und p hängt nur von x1 ab. Damit ist die rechte Seite der Gleichung abhängig von x1 und die linke Seite anhängig von x3 , was impliziert dass beide Seiten konstant sind, d.h. ∂1 p = c und µφ00 (x3 ) = c. Daraus folgt p(x1 ) = p1 + p1 − p2 p2 − p1 x1 , φ(x3 ) = x3 (a − x3 ). L 2Lµ Damit stellt sich ein parabolisches Strömungsprol ein. Wir wollen nun das gleiche Problem ohne innere Reibung betrachten. Ohne Reibungseekte sind Randbedingungen für v nicht sinnvoll und die Strömung kann als unabhängig von x2 und x3 angenommen werden. Wir dürfen v(t, x) = φ(t, x1 )e1 annehmen. Die Divergenzfreiheit divv = ∂x1 φ(t, x1 ) = 0 impliziert nun, dass φ auch nicht von x1 abhängt. Die Eulergleichung liefert ρ∂t φ = −∂x1 p. Da die linke Seite hier nur von t abhängt, ist p bezüglich x1 eine an lineare Funktion und es gilt p(t, x1 ) = c1 (t) + c2 (t)x1 . Aus den Randbedingungen p(t, 0) = p1 und p(t, L) = p2 folgt P (t, x) = p1 + p2 − p1 x1 L und somit φ(t) = p1 − p2 t + φ(0). ρL 34 Beispiel 4.4.3. (iii) Rotationsfreie Strömungen: Existiert ein Potential des Geschwindigkeitsfeldes v, d.h. es gilt v(t, x) = ∇φ(t, x) und v ist somit rotationsfrei. Im Fall von Inkompressibilität folgt damit −∆φ(t, x) = 0 das bedeutet φ ist harmonisch mit den von v induzierten Randbedingungen. Im stationären Fall vereinfacht sich die Impulserhaltungsgleichung mit f = 0 wegen −∆vj = −∆∂j φ = −∂j ∆φ = 0 zu 1 (v · ∇)v = − ∇p. ρ Dies impliziert die Identität p = − ρ2 |v|2 , denn es gilt ∂j p = −ρv · ∂j v. Das bedeutet p entspricht der Dichte der kinetischen Energie. Beispiel 4.4.4. (iv) Turbulenz: Schwierigkeiten beim Nachweis der Wohlgestelltheit der Navier-Stokes-Gleichungen sind eng verbunden mit dem Auftreten von Turbulenzen. Darunter versteht man das Auftreten von Verwirbelungen auf mehreren Längenskalen. Charakteristisch sind dabei Selbstähnlichkeiten und scheinbar chaotisches Verhalten sowie empndliche Abhängigkeiten der Lösung von den Daten (Kräfte und Randbedingungen). Beispiele sind von Flugzeugen verursachte Verwirbelungen, das Umrühren von Kaee mit Milch und spezielle Oberächen von Golfbällen. Die obigen Beispiele beschreiben laminare also schichtartige Strömungen. Bei wachsender Geschwindigkeit bzw. gröÿerer Reynolds-Zahl gehen laminare Strömungen typischerweise in turbulente Strömungen über. 4.5 Charakterisierung des Spannungstensors Wir haben nachgewiesen, dass der Spannungstensor eine symmetrische Matrix ist. Thermodynamische Beobachtungen implizieren den Zusammenhang σ = Ŝ(ρ, T, Dv). Wir zeigen, dass Ŝ nur vom symmetrischen Teil von Dv abhängt und im linearen Fall durch zwei Parameter bestimmt ist. Dazu nehmen wir eine inkompressible und isotherme Situation an. Das Prinzip der Beobachterunabhängigkeit impliziert Ŝ(∂t QQT + QDvQT ) = QŜ(Dv)QT (4.5) für Q ∈ SO(3). Die Formel für die transformierte Geschwindigkeit folgt für eine Familie von Koordinatentransformationen Q(t) =: [0, T ] → SO(3) aus x∗ (t, x) = Q(t)x(t). 35 Wir erhalten damit v ∗ (t, x) = ∂t x∗ (t, x) = ∂t Q(t)x(t) + Q(t)∂t x(t) also D∗ v ∗ = ∂t QQT + QDvQT . Lemma 4.5.1. Die Identität (4.5) impliziert Ŝ(A) = Ŝ((A + AT )/2)) das bedeutet Ŝ hängt nur vom symmetrischen Anteil einer Matrix ab. Beweis. Für jede schiefsymmetrische Matrix W ∈ R3×3 ist Q(t) = e−tW ∈ SO(3). Insbesondere gilt Q(0) = I und ∂t Q(t)|t=0 = −W . Aus (4.5) folgt Ŝ(−W + A) = Ŝ. Dann erhalten wir mit W = A − sym(A) = A − (A + AT )/2 = (A − AT )/2 die Behauptung. Es lässt sich nun zeigen, dass Ŝ in drei Raumdimensionen eine spezielle Form haben muss. Der folgende berühmte Satz liefert uns diese Form. Satz 4.5.2 (Rivlin-Eriksen). Eine Abbildung gilt 3×3 → R3×3 σ̂ : Rsym sym ist beobachterunabhängig, d.h. es σ̂(QAQT ) = Qσ̂(A)QT (4.6) für alle Q ∈ SO(3), genau dann wenn gilt σ̂(A) = a0 (iA )I + a1 (iA )A + a2 (iA )A2 (4.7) mit Funktionen a0 , a1 , a2 : R3 → R und den Invarianten iA von A. Dabei gilt iA = [λ1 + λ2 + λ3 , λ1 λ2 + λ2 λ3 + λ3 λ1 , λ1 λ2 λ3 ] mit den Eigenwerten λ1 , λ2 , λ3 von A. Beweis. (i) Wir zeigen zunächst, dass die Gleichung (4.7) die Gleichung (4.6) impliziert. Es gilt nämlich Qσ̂(A)QT = Q(a0 (iA )I + a1 (iA )A + a2 (iA )A2 )QT = a0 (iA ) + Qa1 (iA )QT + a2 (iA )QA2 QT = a0 (iA )I + Qa1 (iA )QT + a2 (iA )(QAQT )2 . Mit iA = iQAQT (ähnliche Matrizen haben dieselben Eigenwerte) folgt dann Qσ̂(A)QT = a0 (iQAQT )I + a1 (iQAQT )QAQT + a2 (iQAQT )(QAQT )2 = σ̂(QAQT ). 36 (ii) Wir zeigen, dass es ausreicht (4.7) für Diagonalmatrizen aus (4.6) herzuleiten. Es gelte also nun (4.6) allgemein und (4.7) für Diagonalmatrizen. Dann folgt für A = QDQT σ̂(A) = σ̂(QDQT ) = Qσ̂(D)QT = Q(a0 (iA )I + a1 (iA )D + a2 (iA )D2 )QT = a0 (iA )I + a1 (iA )QDQT + a2 (iA )QD2 QT = a0 (iA )I + a1 (iA )A + a2 (iA )A2 . 1 0 0 (iii) Sei nun A = D eine Diagonalmatrix. Mit Q = Q1 = 0 −1 0 ∈ SO(3) folgt 0 0 1 σ̂(A)e1 = QQT σ̂(A)Qe1 = Qσ̂(QT AQ)e1 = Qσ̂(A)e1 . d.h. σ̂(A)e1 ist Eigenvektor von Q zum Eigenwert 1. Da der Eigenraum des Eigenwerts 1 von e1 aufgespannt wird, folgt somit σ̂(A)e1 = t1 (A)e1 und analog σ̂(A)ej = tj (A)ej für j = 2, 3. Dies impliziert nun t1 0 0 t1 (A) 0 0 t2 (A) 0 . σ̂ = 0 t2 0 = 0 0 0 t3 0 0 t3 (A) Wir zeigen nun das für eine beliebige Permutaion π von {1, 2, 3} tπ(j) (λπ(1) , λπ(2) , λπ(3) ) = tj (λ1 , λ2 , λ3 ) gilt. Dabei genügtes dies für Elementarpermutationen zu zeigen. Betrachte zum Beispiel die Per0 1 0 mutationsmatrix 1 0 0, was der Permutation (1, 2, 3) → (2, 1, 3) entspricht. Es ergibt sich 0 0 1 dann λ2 0 0 λ1 0 σ̂( 0 λ1 0 = σ̂(Q 0 λ2 0 0 λ3 0 0 λ1 0 0 t2 (A) 0 T 0 t1 (A) = Qσ̂( 0 λ2 0 )Q = 0 0 λ3 0 0 0 0 QT ) λ3 0 0 . t3 (A) Das bedeutet die Reihenfolge der Diagonalmatrix ändert sich entsprechend. Analog zeigt man dies für die Permutationen (1, 2, 3) → (3, 2, 1) und (1, 2, 3, ) → (1, 3, 2). Die Identität (4.7) ist äquivalent zu t1 (A) = a0 + a1 λ1 + a2 λ21 t2 (A) = a0 + a1 λ2 + a2 λ22 t3 (A) = a0 + a1 λ3 + a2 λ23 . 37 Für jedes A = D ist also ein Lineares Gleichungssystem zu lösen. Falls die Eigenwerte alle verschieden sind, kann man die Koezienten aj durch Polynominterpolation bestimmen. Falls zwei Eigenwerte gleich sind zum Beispiel λ1 = λ2 , so folgt aus dem oben gezeigten t1 (A) = t1 (λ1 , λ2 , λ3 ) = t2 (λ2 , λ1 , λ3 ) = t2 (λ1 , λ2 , λ3 ) = t2 (A). Dann setzt man a2 = 0 und erhält a1 , a0 aus tj (A) = a0 + a1 λj , j = 1, 3. Wenn alle Eigenwerte gleich sind, dann gilt t1 = t2 = t3 und es ist σ̂(A) = a0 I mit a0 = t1 (A). Bemerkung 4.5.3. Für einen linearen Zusammenhang muss a2 = 0, a1 = const sowie a0 (iA ) = a¯0 (λ1 + λ2 + λ3 ) = ā0 (trA) = α(trA) gelten. Das bedeutet aber σ̂(A) = αtr(A)I + βA. Insbesondere folgt σ̂(Dv) = 2µsym(Dv) + λtr(Dv)I − pI mit Volumenviskosität λ und Scherviskosität µ. Fluide mit diesem Zusammenhang heiÿen NewtonscheFluide. 38 Kapitel 5 Elastische Festkörper 5.1 Lagrange-Darstellung und Verzerrungstensor Prinzipiell ist die mathematische Beschreibung von Festkörpern identisch mit der von Fluiden. Für stationäre Verformungen ist die Euler-Sichtweise allerdings ungeeignet. Eine Verformung des Feststoes deformiert zwar das Feststogitter, ändert aber in vielen Fällen nicht die Nachbarschaftsbeziehungen der Atome und Moleküle. Die Lagrange-Schreibweise eignet sich daher besser, da man in Lagrangschen Koordinaten leichter die ursprünglichen Nachbarschaftsbedingungen nachvollziehen kann. Man betrachtet eine Deformation φ : Ω → R3 . Die Impulserhaltung in der Referenzkonguration ist dann ρ∂t2 φ − div(σ) = f in Ω. (5.1) Da Ω eine festes Gebiet ist, tritt der konvektive Anteil der materiellen Ableitung nicht auf. Der Spannungstensor ist hier bezüglich der Referenzkonguration zu verstehen und beschreibt die Kräfte zwischen Teilgebieten φ(ω1 ) und φ(ω2 ) mit ω1 , ω2 ∈ Ω. Er wird als 1. Piola-Kirchho-Spannungstensor bezeichnet. Durch Transformation erhält man die Beziehung zum Cauchy-Spannungstensor σ(F ) = det F σ C (F )F −T mit dem Deformationsgradienten F = Dφ. Elastische Körper verhalten sich ähnlich wie elastische Federn und wir müssen analog zum Hookschen-Gesetz einen Spannungs-Dehnungs-Zusammenhang zwischen Auslenkung und Rückstellkraft herstellen. Der Abstand zwischen Punkten x und x + a in der Referenz-Konguration ist unter der Deformation φ gegeben durch |φ(x + a) − φ(x)|2 ≈ |φ(x) + Dφ(x)a − φ(x)|2 = aT Dφ(x)T Dφ(x)a. Die Symmetrische Matrix C := Dφ(x)T Dφ(x) heiÿt Cauchy-Green-Verzerrungstensor und beschreibt lokale Längenveränderungen. Für Starrkörperbewegungen gilt C = I , d.h. Verformungen sind durch Abweichungen von C von I beschrieben. Aus der Energieerhaltung wissen wir, dass man σ als Funktion des Deformartionsgradienten σ(x) = σ̂(x, Dφ(x)) annehmen darf. Im Fall C = I gilt σ̂(I) = 0 und die Taylorapproximation liefert uns hier für C ≈ I , also für kleine Verzerrungen, dass σ(x, Dφ(x)) = σ̂(x, C) ≈ σ̂(I) + DC σ̂(I)(C − I) = DC σ̂(I)(C − I). 39 Weiter erhalten wir unter der Annahme φ(x) = x + u(x) für u klein C − I = Dφ(x)T Dφ(x) − I = D(I + u)T D(I + u) − I = (I + DuT )(I + Du) − I = DuT + Du + DuT Du ≈ DuT + Du. Für kleine Verschiebungen u(x) = φ(x) − x ist also C − I = 2(u), mit (u) = sym(Du). Damit folgt der lineare Spannungs-Dehnungszusammenhang für ein isotropes Material σ(x, Dφ(x)) = C(u), mit C = 2Dσ̂(I). (5.2) Wir hatten hier Homogenität des Materials angenommen, das bedeutet die Funktion σ̂ hängt nicht von x ab. Mit dem Satz von Rivlin-Eriksen folgt dann, dass (5.3) σ = λtr((u))I + 2µ(u). λ und µ sind hier die sogenannten Lamé-Konstanten. Wir erhalten damit die Gleichung (5.4) ρ∂t2 u − µ∆u − (λ + µ)∇divu = f. 5.2 Hyperelastizität Ein Material hieÿt hyperelastisch, wenn eine dierenzierbare Funktion W : Ω × R3×3 → R existiert, so dass der erste Piola-Kirchho-Spannungstensor gegeben ist durch σ(x, F ) = DF W (x, F ). In diesem Fall können wir die gesamte Energie einer Deformation φ denieren durch Z Z W (x, ∇φ(x))dx − E(φ) = Ω ρf · φdx. Ω Dabei ist der erste Term auf der rechten Seite die elastische Energie und der zweite Term der rechten Seite die verrichtete Arbeit. Als wirkende Kraft denieren wir die Variation dieses Funktionals, das heiÿt wir setzen F [ψ] = d E(φ + sψ)|s=0 = ds Z Z DW (x, ∇φ) : ∇ψdx − Ω ZΩ Z =− ρf · ψdx divσ · ψdx − Ω ρf · ψdx, Ω wobei wir σ = DW verwendet haben. Daraus ergibt sich das Kräftegleichgewicht ρ∂t2 φ = divσ + ρf bzw. im stationären Fall bzw. − divσ = ρf. Als Konsequenz der Beobachterunabhängigkeit ergibt sich folgender Satz. 40 (5.5) (5.6) Satz 5.2.1. Eine hyperelastische Materialbeschreibung ist beobachterunabhängig genau dann, wenn W (F ) = W (QF ) für alle F ∈ R3×3 und Q ∈ SO(3). d.h. es existiert Ŵ mit W (F ) = Ŵ (C). Insbesondere hängt W nur von C = F T F ab, Beweis. Der Cauchy-Spannungstensor ist beobachterunabhängig genau dann, wenn σ C (QF QT ) = Qσ C (F )QT . Beachten wir den Zusammenhang des 1.Piola-Kirchho-Spannungstensors mit dem Cauchy-Spannungstensor σ(F ) = det F σ C (F )F −T so erhalten wir Beobachterunabhängigkeit genau dann, wenn gilt σ(QF ) = Qσ(F ) ⇔ DW (F ) = QT DW (QF ). (5.7) Für festes Q denieren wir nun WQ = W (QF ). Es gilt nun WQ (F + G) = W (QF + QG) = W (QF ) + DF W (QF ) : QG + o(kGk) = W (QF ) + QT DW (QF ) : G + o(kGk). Ableiten nach G liefert dann DWQ (F ) = QT DW (QF ). Wegen (5.7) gilt die Aussage des Satzes nun genau dann, wenn gilt (5.8) D(WQ (F ) − W (F )) = 0 das heiÿt die Dierenz ist unabhängig von F . Nun sieht man aber schnell, dass diese Identität aus W (F ) = W (QF ) = WQ (F ) folgt. Zum Nachweis der Umkehrung benutzen wir, dass aus (5.8) folgt, dass WQ (F ) − W (F ) für jede Matrix Q ∈ SO(3) konstant ist. Damit gilt dann WQ (F ) − W (F ) = C(Q). Daraus folgt nun mit F = Qp−1 W (Qp ) = W (Qp−1 ) + C(Q) = W (Qp−2 ) + 2C(Q) und schlieÿlich W (Qp ) = W (I) + pC(Q). o.B.d.A W (I) = 0 und wir folgern im Fall C(Q) 6= 0, dass |W (Qp )| → ∞ für p → ∞. Da nun Qp ∈ SO(3) und SO(3) kompakt ist, kann dies nicht gelten. Es muss also C(Q) = 0 sein. Zum Nachweis der zweiten Aussage verwenden wir die Polarzerlegung F = RU, R ∈ SO(3), U = 1 (F T F ) 2 und erhalten damit 1 W (F ) = W (RU ) = W (U ) = W ((F T F ) 2 ) = W̃ (F T F ). 41 5.3 Isotropie Wir bezeichnen den Cauchy-Spannungstensor σ C als isotrop, falls σ C (x, F ) = σ C (x, F Q) für alle Q ∈ SO(3). F beschreibt Verformungen des Quaders [0, 1]3 bzw. F Q Verformungen des rotierten Quaders. Der 1.Piola-Kirchho-Spannungstensor ist damit isotrop, falls σ(x, F Q) = σ(x, F )Q. Nach dem vorherigen Beweis ist das äquivalent zu W (x, F ) = W (x, F Q) für alle Q ∈ SO(3). Aus der Beobachterunabhängigkeit und der Isotropie erhalten wir W̃ (F T F ) = W (F ) = W (F Q) = W̃ ((F Q)T F Q) = W̃ (QT F T F Q) also W̃ (C) = W̃ (QT CQ). Damit hängt W̃ nur von den Eigenwerten von C bzw. den Hauptinvarianten von C ab. Beispiel 5.3.1. Im Fall eines an linearen Zusammenhangs zwischen C und σ folgt mit E= FTF − I C −I = , 2 2 dass durch W (F ) = W̃ (E) = λ (trE)2 + µkEk2 2 eine hyperelastische Materialbeschreibung gegeben ist. Hierbei ist k · k = k · kF = Frobeniusnorm. Der Spannungstensor σ ist dann p tr(E T E) die σ = λ(trE)I + 2µE. Ein Material mit diesen Eigenschaften wird St.Venant-Kirchho-Material genannt. Mit dem linearisierten Dehnungstensor E ≈ (u) erhalten wir wie oben die linearen Elastizitätsgleichungen, die für kleine Verschiebungen relevant sind. Bemerkung 5.3.2. (i) sinnvolle Forderungen sind W (F ) → ∞ für kF k → ∞ und W (F ) → ∞ für det F → 0. Das bedeutet groÿe Streckungen und Kompressionen sind mit unendlich groÿer Energie verbunden. Dies schlieÿt konvexe Energien W aus. (ii) Als polykonvexes Material bezeichnet man Materialien mit W (F ) = W̄ (x, F, det F, cofF ) mit einer konvexen Funktion W̄ . 42 Kapitel 6 Wellenphänomene 6.1 Elektrische Felder Ein elektrisches Feld E gibt die auf eine Ladung q wirkende Kraft F mittels F = qE an. Punktladungen q1 , q2 , ...., qn erzeugen das Feld E(x) = X i Es gilt das Gesetz von Gauÿ h qi (x − xi ). |x − xi |3 Z X E · ηds = 4πh ∂ω und mit dem Satz von Stokes qi (6.1) i=1,...,n,xi ∈ω̄ Z (6.2) E.tdr = 0. γ falls γ keinen der Punkte xi enthält. Grund dafür ist, dass E für x 6= xj rotationsfrei ist. In einem Kontinuum haben wir anstelle der Punktladung eine volumenbezogene Ladungsdichte ρ. Die rechte Seite von (6.1) wird also zu Z Q(ω) = ρdx, ω und die entsprechende kontinuierliche Version des Gesetzes von Gauÿ ist damit Z Z E(x) · η(x)dsx = ρdx (6.3) ω ∂ω mit Ladungsdichte ρ und = (4πh)−1 . Dabei heiÿt Dielektrizitätskonstante. Da man nun keine isolierten Ladungsquellen mehr hat, gilt diese Identität für jedes Gebiet ω und wir erhalten unter Verwendung des Satzes von Gauÿ div(E) = ρ. (6.4) Da (6.2) für jede geschlossene Kurve gilt, folgt nach dem Satz von Stokes auch rot(E) = 0. 43 (6.5) Bezeichnen wir mit j die Stromdichte oder auch den Ladungsuss. Es gilt also j·η = ∆q ∆A,∆t→0 ∆t∆A lim wobei ∆q die Ladung ist, die in einem Zeitintervall der Länge ∆t durch ein Flächenstück ∆A mit Normalenvektor η ieÿt. Für die Ladungsbilanz gilt dann d dt Z Z ρdx = − ω j · ηdsx . ∂ω Unter Verwendung des Satzes von Gauÿ und da ω beliebig ist erhalten wir so die Kontinuitätsgleichung ∂t ρ + divj = 0. (6.6) 6.2 Das Ohmsche-Gesetz Elektrische Felder bewegen Ladung, wobei ein Widerstand entgegen wirkt. Dies motiviert das Ohmsche-Gesetz j = σE (6.7) mit der elektrischen Leitfähigkeit σ , welche konstant ist. Wir betrachten in den folgenden drei Abschnitten ein zeitlich unveränderliches elektrisches Feld E . Im Fall einer zeitlich unveränderlichen Ladungsdichte folgt divj = 0 bzw. divE = 0 und aus (6.4) insbesondere ρ = 0 in Ω. Eine Ladung muss also am Rand konzentriert sein. Eine entsprechende Umformulierung von (6.1) lautet dann mit ächenspezischer Ladungsdichte ρΓ Z Z E · ηdsx = (6.8) ρΓ dsx . ω∩Γ ∂ω Wenn Γ das Gebiet ω in zwei Hälften teilt, erhalten wir unter Beachtung von divE = 0 in ω \ Γ Z 0= Z div(E)dx + ω− ω+ Z Z (E) · η− ds + = ∂ω− Z ∂ω (E) · η+ ds ∂ω+ Z (E) · ηds + = div(E)dx E|ω− · ηω− + E|ω+ · ηω+ ds Γ∩ω Z Z (E) · ηds + = ∂ω Z = [E.η] Z Γ∩ω ρΓ + [E.η]ds. Γ∩ω Γ∩ω Da ω beliebig ist folgt −ρΓ = [E.η]. 44 (6.9) Auch im Fall ächenbezogener Ladungsdichten gilt (6.2) für jede geschlossene Kurve γ und man erhält daraus die Existenz eines elektrostatischen Potentials V für E also E = −∇V und wir erhalten rotE = 0, E wirbelfrei. In einem leitenden Medium im statischen Zustand, d.h. j = 0, folgt 0 = j = σE = −σDV ⇒ V = const. Insbesondere ist dann das elektrische Feld innerhalb des Leiters gleich Null. Für das elektrische Feld sowie das elektrostatische Potential ergeben sich die Darstellungen Z E(x) = 1 ρ(y) (x − y)dy 4π |x − y|3 R3 und Z V (x) = 1 ρ(y) dy. 4π |x − y| R3 Beispiel 6.2.1. Wir betrachten den Faradayschen Käg, d.h. ein leitendes Medium Ω umschlieÿt ein nichtleitendes Medium Ω0 . Im Auÿenraum R3 \ (Ω ∪ Ω0 ) sei ein stationäres elektrisches Feld E gegeben. In Ω ist V konstant, das bedeutet V = V0 . Das Potential V ist stetig und in Ω0 gilt divE = 0 und somit gilt für V ∆V = 0 in Ω0 . und V = V0 auf ∂Ω0 . Die einzige Lösung ist also V = V0 , also ist V konstant in Ω0 und es folgt E = −∇V = 0 in Ω0 . Eine Oberächenladung an den äuÿeren Rand von Ω kompensiert das elektrische Feld. Bemerkung 6.2.2. Als Energie eines elektrischen Feldes bezeichnet man die Gröÿe Z W = |E|2 dx = 2 Ω Z |∇V |2 dx. 2 Ω Zur Herleitung dieser Denition siehe [1] Abschnitt 5.11. 6.3 Magnetische Induktion Stromführende Leiter üben Kräfte auf Magnetpole aus. Für einen Leiter in Form einer Geraden der Länge 1 mit Richtungsvektor a lässt sich dies mit dem magnetischen (Induktions-)Feld B(x) = hI a ∧ (x − P x) |x − P x|2 45 (6.10) erklären, mit Stromstärke I und Proportionalitätskonstante h. Hierbei ist P x die Projektion von x auf den Leiter. Das bedeutet die Feldlinien sind senkrecht zur Richtung des Leiters und zum Vektor x − P x. Ersetzen wir I durch die Stromdichte j so erhalten wir rotB = µj, divB = 0. (6.11) mit der Magnetischen Permeabilität µ = 2πh. Zur genauen Herleitung von (6.11) siehe [1] Abschnitt 5.11. 6.4 Die Lorentz-Kraft Als Lorentzkraft bezeichnet man die von einem Magnetfeld auf eine bewegte Ladung wirkende Kraft F = −qv ∧ B, bzw. in kontinuierlicher Form Z Fω = Z j ∧ Bdx f dx = ω ω mit der Kraftdichte f . Damit erhält man f = j ∧ B. Beispiel 6.4.1. Wir betrachten zwei parallele Leiter mit Abstand d. Durch die Leiter ieÿen Ströme der Stärken I1 und I2 . Wir wählen uns nun ein Koordinatensystem so, dass die Leiter in Richtung der x3 -Achse orientiert sind und Leiter 1 den Nullpunkt und Leiter 2 den Punkt (d, 0, 0)T enthalte. Die von Leiter 1 erzeugte magnetische Induktion ist gegeben durch −x2 −x2 µ I1 I1 x1 = µ x1 . B1 (x) = 2π |x − P x|2 2π x21 + x22 0 0 Auf den im zweiten Leiter in einem Flächenstück γL der Länge L ieÿenden Strom I2 wirkt damit die Kraft Z I2 e3 ∧ B1 dx = −µ F = LI1 I2 e1 . 2πd γL Bemerkung 6.4.2. Einem Magnetfeld wird die Energie Z W = 1 |B|2 dx 2µ Ω zugeordnet. Zur Herleitung siehe [1] Abschnitt 5.11. 46 6.5 Maxwell-Gleichungen Wechselwirkung zwischen elektrischen und magnetischen Feldern werden durch die Maxwell-Gleichungen beschrieben. Diese leitet man aus den folgenden Beobachtungen her. (i) Der durch einen geschlossenen Leiter γ ieÿende Strom I ist proportional zu ∂t B und zur von γ eingeschlossenen Fläche A⊥ , das heiÿt I ∼ ∂t BA⊥ . (ii) In einer bewegten Leiterschleife in einem zeitlich und räumlich konstanten Magnetfeld ieÿt der Strom I ∼ B∂t A⊥ . Daraus kann man schlieÿen, dass der Strom proportional ist zur Änderung der Gröÿe BA⊥ , dem sogenannten magnetischen Fluss durch die Leiterschleife. Mit dem Ohmschen-Gesetz führt das unter Verwendung des Satzes von Stokes auf d dt Z Z B · ηds ∼ Z E.tdr = γ Γ rotE.nds. Γ Dabei ist Γ eine von γ umrandete Fläche.Betrachtet man mehre Normalenrichtugen und skaliert entsprechend, so erhält man ∂t B ∼ rotE. bzw. ∂t B + rotE = 0. (6.12) Aus dem Gauÿschen-Gesetz div(E) = ρ und mit der Ladungserhaltung (6.6) ∂t ρ + divj = 0 folgt dann div(∂t E + j) = 0 bzw. ∂t E + j = rotG. (6.13) Wegen rotB = µj im stationären Fall ersetzen wir G durch µ−1 B und erhalten das AmpéreMaxwell Gesetz µ∂t E − rotB + µj = 0. (6.14) Insgesamt erhalten wir das Maxwell-System div(E) = ρ, divB = 0 Gauÿ-Gesetz ∂t B + rotE = 0, Induktionsgesetz, µ∂t E − rotB + µj = 0, Durchutungsgesetz. 47 (6.15) (6.16) (6.17) In einem nichtleitenden Medium, das bedeutet ρ = j = 0 und , µ konstant, folgt 0 = µ∂t2 E − rot∂t B = µ∂t2 E + rot(rotE) = µ∂t2 E + ∇(divE) − ∆E = µ∂t2 E − ∆E. Hierbei haben wir verwendet, dass in einem nicht leitenden Medium divE = 0 gilt. Wir haben also die Wellengleichung ∂t2 E − c2 ∆E = 0 (6.18) mit c = √1µ gefolgert (c ist Lichtgeschwindigkeit). Eine entsprechende Wellengleichung folgt analog auch für B . 48 Kapitel 7 Quellen [1] C.Eck, H.Garcke, P.Knabner,Mathematische Modellierung Lehrbuch 2007 Springer. 49