Herzrhythmus- störungen heute

Werbung
Herzrhythmusstörungen
heute
Herausgegeben von der
Deutschen Herzstiftung
Impressum
Herzrhythmusstörungen heute
3. vollständig überarbeitete Auflage, November 2006
ISBN 3-9806604-8-6
Herausgeber
Deutsche Herzstiftung • Vogtstraße 50 • 60322 Frankfurt
am Main • Telefon 0 69 955128-0 • Telefax 0 69 955128-313
www.herzstiftung.de • [email protected]
Redaktion
Prof. Dr. med. Thomas Meinertz
Dr. Irene Oswalt
Renate Horst
Redaktionsassistenz
Christine Dehn
Gestaltung: www.neufferdesign.de
Produktionsleitung: Renate Horst
Druck: apm, alpha print medien AG, Darmstadt
Der Nachdruck und die elektronische Verbreitung
von Artikeln aus Herzrhythmusstörungen heute ist nur
mit Genehmigung der Redaktion möglich.
Bildnachweis
Celestino Piatti (Logo); Ulrike Eberius (S. 47); Prof. Dr. med.
Stefan H. Hohnloser (S. 40); Vorhofflimmern: Herz aus dem
Takt, Patienteninformation des Kompetenznetzes Vorhofflimmern, S. 17 (S. 12), RWTH Aachen, S. 23 (S. 39), S. 36 (S. 62);
W. A. Mozart, Entführung aus dem Serail, C. F. Peters Musikverlag (S. 4); Jan Neuffer (S. 6/7, 8/9, 14, 16/17, 22/23, 24, 28, 31,
37, 41, 43, 49, 69, 71, 74, 77, 80, 95); Universitäres Herzzentrum Hamburg (S. 36, 38, 57).
Herzrhythmusstörungen
heute
Herausgegeben
von der
Deutschen Herzstiftung
Es gibt kaum ein medizinisches Thema, das so großes Interesse findet wie Herzrhythmusstörungen.
Dieses Buch ist für Patienten und Ärzte geschrieben. Hervorragende Rhythmusspezialisten haben
es verfasst, um über den heutigen Stand der Medizin auf diesem Gebiet und die großen Fortschritte, die in den letzten Jahren erzielt wurden, zu
informieren. Auch die aktuellen Leitlinien 2006
sind berücksichtigt.
Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Becker
Vorsitzender des Vorstandes
der Deutschen Herzstiftung
Herzrhythmusstörungen heute
Fragen zu Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Thomas Meinertz
Der normale Herzrhythmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Dietrich Andresen
Langsamer Herzrhythmus:
Wann braucht man einen Herzschrittmacher? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
Andreas Schuchert
Gutartiges Herzjagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Paulus Kirchhof, Günter Breithardt
Das Stolperherz: Extrasystolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Berndt Lüderitz
Am häufigsten: Vorhofflimmern
Das vollständig arrhythmische Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Michael Oeff
Medikamente gegen Vorhofflimmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Wirkungen, Nebenwirkungen, Pill in the Pocket
Berndt Lüderitz
Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht mehr helfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Heilung durch Katheterablation
Gerhard Hindricks, Hans Kottkamp
Vorhofflimmern: eine lange Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Patientenbericht von Thomas Meinertz
Vorhofflimmern: chirurgische Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
Nicolas Doll, Friedrich W. Mohr
2
Vorhofflimmern: das Schlaganfallrisiko senken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Christa Gohlke-Bärwolf
Vorhofflattern: ein Fall für die Katheterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Stephan Willems, Boris Lutomsky, Daniel Steven, Thomas Rostock
Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Michael Ulbrich, Uwe Dorwarth, Christopher Reithmann, Gerhard Steinbeck
Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
Hans-Joachim Trappe
Leben mit dem Defi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Patientenbericht von Hermann Wessels
Herzrhythmusstörungen nach der Operation angeborener Herzfehler . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Joachim Hebe, Karl-Heinz Kuck
Das hilft Ihnen weiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Was kann die Deutsche Herzstiftung für Sie tun?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
3
Fragen zu Herzrhythmusstörungen
Interview mit Professor Dr. med. Thomas Meinertz, Universitäres Herzzentrum Hamburg,
Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie
Leben und Herzrhythmus gehören zusammen. Da das Leben voller Bewegung ist,
kann auch das Herz nicht wie ein Uhrwerk
schlagen.Wenn wir uns freuen, wenn wir uns
aufregen, schlägt es schneller, das wissen wir.
Aber wir wissen auch, dass es Herzrhythmusstörungen gibt, die nicht nur lästig, sondern gefährlich sind.
Wie kann man da unterscheiden? Oder noch
einfacher gefragt: Was ist ein normaler Puls?
n Die normale Herzschlagfolge, die norma-
le Herzfrequenz im Alltag, liegt etwa zwischen 60 und 100 pro Minute1. Bei seelischer oder körperlicher Belastung kann
der Puls ohne weiteres bis auf eine Frequenz von 160 bis 180 steigen. Dieser
Anstieg des Pulses ist völlig normal. Aber:
Krankhaft ist ein schlagartiges Umspringen des Pulses von einer normalen Herzschlagfolge auf eine sehr hohe oder sehr
niedrige Herzfrequenz.
Wo liegt die Grenze nach unten?
„O wie ängstlich, o wie feurig klopft mein liebevolles Herz“, singt Belmonte, als
er endlich seine entführte Geliebte wiedersehen soll, in Mozarts „Entführung aus
dem Serail“. Zugleich ist sein Herzschlag in der Orchesterbegleitung zu hören.
Was wir fühlen und empfinden, drückt sich im Rhythmus unseres Herzens aus.
Darauf weist Musik hin – bei Mozart und bei anderen Komponisten.
n Nachts sinkt die Herzfrequenz ab und liegt
bei vielen Menschen zwischen 45 und 55
pro Minute. Doch auch tiefere Herzfrequenzen
können ohne krankhafte Bedeutung sein. So
kann z. B. beim Leistungssportler die Herzfrequenz auf 30 bis 35 pro Minute abfallen. Eine
solch niedrige Herzfrequenz ist natürlich für
einen Untrainierten nicht normal. Die untere
Grenze zum krankhaften Befund liegt bei etwa
40 Schlägen pro Minute.
4
Wann muss man anfangen, sich Sorgen zu
machen? Wann werden Herzrhythmusstörungen
gefährlich?
n Herzrhythmusstörungen können etwas völlig
Normales sein. Praktisch jeder Mensch hat
irgendwann in seinem Leben Unregelmäßig-
keiten des Herzschlags – häufig, ohne
es zu merken.
Oft sind Herzrhythmusstörungen Folge einer Herzkrankheit (z. B. Hochdruckherz, koronare Herzkrankheit,
Klappenfehler). Selten sind Herzrhythmusstörungen Vorläufer und
Warnzeichen eines drohenden plötzlichen Herztodes.
Der Übergang zwischen normal und
krankhaft ist fließend. Krankhaft bedeutet nicht immer gefährlich. Die
Grenze ist im Einzelfall schwierig zu
ziehen. Ob Herzrhythmusstörungen
harmlos, weniger harmlos oder lebensbedrohlich sind, kann nur der Arzt, ein
Internist oder Kardiologe, nach ausführlicher
Untersuchung des Patienten entscheiden.
Was sind Herzrhythmusstörungen?
n Man kann sie mit Fehlzündungen eines Motors
vergleichen. Normalerweise bilden die elektrischen Taktgeber im Herzen regelmäßig ihre
Impulse (s. Abb. S. 12). Daher schlägt das Herz
regelmäßig. Diese elektrischen Taktgeber sind
störanfällig und Störungen (Fehlzündungen)
können zu Extraschlägen führen.
Die Taktgeber können auch in ihrer Funktion
versagen, vorübergehend oder ganz, dann
kommt es zu einer Verlangsamung der Herzschlagfolge.
Dabei kann die Störung sowohl in den elektrischen Impulsgebern liegen als auch überall im
Herzmuskel. Denn bei Herzkrankheiten kann
der Herzmuskel selbst elektrische Aktivität entwickeln und zu fehlgebildeten Impulsen Anlass
geben.
Herzrhythmusstörung ist also nicht gleich Herzrhythmusstörung.
n So ist es. Zu unterscheiden ist zwischen:
n
harmlosen Herzrhythmusstörungen, die als
Fehlzündungen eines normalen Herzens
angesehen werden können,
Prof. Dr. med.
Thomas Meinertz
n
Herzrhythmusstörungen, die durch eine
Erkrankung der elektrischen Impulsgeber
hervorgerufen werden (als Beispiele: AVBlock und das Sinusknoten-Syndrom),
n am häufigsten und am bedeutsamsten: Herzrhythmusstörungen, die Folge einer Herzkrankheit sind,
n und Herzrhythmusstörungen, die Folge anderer Krankheiten sind wie z. B. einer Schilddrüsenüberfunktion.
Herzrhythmusstörungen sind also in der Regel
– wenn sie nicht angeboren sind – keine eigene Erkrankung, sondern meistens die Folge von
Herzkrankheiten oder anderen Einflüssen, die
das Herz aus dem Takt bringen.
Welche Einflüsse sind das?
n Besonders wichtig ist die Störung der Zusam-
mensetzung der Blutsalze, der Elektrolyte: Kaliummangel, Magnesiummangel. Dadurch werden sowohl gutartige wie bösartige Herzrhythmusstörungen verstärkt oder ausgelöst. Daher
ist darauf zu achten, dass es zu keinem Kaliumoder Magnesiummangel zum Beispiel bei regelmäßigem Gebrauch von Diuretika (Entwässerungsmitteln) kommt.
Auch Genussgifte (reichlicher Konsum von
Alkohol, Kaffee oder Nikotin), Medikamente
und Schlafmangel können Herzrhythmusstörungen auslösen.
5
Wann ist die Behandlung notwendig?
n Eine Herzrhythmusstörung muss behandelt wer-
gen ist die Ausschaltung von Faktoren, die Herzrhythmusstörungen begünstigen, und die Behandlung der Grundkrankheit, die die Herzrhythmusstörung verursacht.
den,
wenn sie die Gefahr eines plötzlichen Herztodes mit sich bringt,
n wenn sie zu einem Schlaganfall führen kann,
n wenn sie sich auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirkt,
n wenn sie den Patienten belastet, zum Beispiel durch Schwindelanfälle, durch das
Gefühl von Herzrasen oder durch ausgeprägtes Unwohlsein.
Erst dann wird eine Therapie eingeleitet – in
den meisten Fällen zunächst mit Medikamenten, bei langsamen Herzrhythmusstörungen mit
einem Herzschrittmacher3.
Wann müssen darüber hinaus Herzrhythmusstörungen direkt behandelt werden?
Was ist mit Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen zu erreichen?
n Früher haben wir viele Herzrhythmusstörungen
n Diese Medikamente können die Herzrhythmus-
für bedrohlich gehalten. In den letzten Jahren
hat man gelernt, dass dies nicht der Fall ist. Viele
Herzrhythmusstörungen müssen überhaupt
nicht behandelt werden2.
Heute behandelt man Herzrhythmusstörungen
nur, wenn dies zwingend erforderlich ist. Dann
aber sollten sie konsequent und nur vom Fachmann behandelt werden. Die Entscheidung für
eine Behandlung ist Sache des Kardiologen, die
regelmäßige Verlaufskontrolle kann auch durch
den Internisten bzw. Hausarzt erfolgen.
störung unterdrücken oder zumindest dafür sorgen, dass sie seltener, kürzer oder erträglicher
auftritt. Dafür stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung. Aber deren Wirkung im Einzelfall ist nicht sicher vorauszusehen. Da die
Patienten unterschiedlich auf die Medikamente ansprechen, braucht man Geduld und unter
Umständen auch mehrfachen Medikamentenwechsel, bis das richtige Medikament und die
richtige Dosierung gefunden sind.
Eines können Rhythmusmedikamente nach
neueren Erkenntnissen nicht leisten: bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen den
plötzlichen Herztod verhindern. Dafür ist der
Defibrillator erfunden worden4.
n
Was ist die beste Strategie?
n Die beste Strategie gegen Herzrhythmusstörun-
6
Welche Nachteile haben die Rhythmusmedikamente?
Seit einigen Jahren gibt es einen neuen Weg, Herzrhythmusstörungen zu bekämpfen: die Katheterablation.
n Das Hauptproblem besteht darin, dass alle
n Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem
Rhythmusmedikamente – von Betablockern
abgesehen – selten (im Bereich weniger Prozente) selbst Rhythmusstörungen verstärken
und so im Einzelfall dramatische und lebensbedrohliche Situationen hervorrufen können –
am häufigsten zu Beginn einer Therapie. Deshalb muss man mit diesen Medikamenten vorsichtig umgehen. Man muss sie kritisch und
gezielt einsetzen.
Herzzellen gezielt durch Hochfrequenzstrom
oder Kälte so verödet werden, dass Herzrhythmusstörungen nicht mehr entstehen können.
Die Prozedur wird mit Hilfe der Kathetertechnik durchgeführt, bei der millimeterdünne Sonden über die Arm- und Beinvenen ins Herz
geschoben werden5.
Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass es
Herzrhythmusstörungen heilen kann, während
Wie lässt sich das Risiko begrenzen?
n Man kann die Gefährdung der Patienten ver-
ringern, wenn man die Patienten sorgfältig einstellt. Besonders gefährdet durch die Nebenwirkungen von Rhythmusmedikamenten sind Patienten mit einer begleitenden Herzkrankheit.
Die Therapie sollte in diesen Fällen – Ausnahme Betablocker – in der Klinik eingeleitet werden, wo die Nebenwirkungen optimal am EKGMonitor überwacht werden können.
Bei Patienten mit Herzrhythmusstörungen ohne
begleitende Herzkrankheit ist der Rhythmusspezialist gefragt.
Auch wenn der Patient gut eingestellt ist, darf
man ihn nicht – wie es häufig geschieht – allein
lassen, sondern man muss ihn etwa alle drei
Monate kontrollieren.
Medikamente sich nur gegen die Beschwerden
richten.
Für wen kommt die Katheterablation in Betracht?
n Für die Katheterablation gibt es heute gesicher-
te Einsatzbereiche:
häufige und belastende, schnelle Herzrhythmusstörungen aus dem Bereich der Herzvorhöfe und des AV-Knotens sowie der Herzkammern. Zum Beispiel: AV-Knoten-Umkehrtachykardien, atriale Tachykardien, Vorhofflattern,
Kammertachykardien und das WPW-Syndrom,
das auf überzählige Erregungsleitungsbahnen
zwischen den Vorhöfen und Herzkammern
zurückgeht6. Diese Patienten sollten immer dann
mit einer Katheterablation behandelt werden,
wenn die Anfälle der Rhythmusstörung so häufig sind, dass eine Dauertherapie mit Medika7
Lässt sich durch Medikamente ein dauerhafter
Erfolg erzielen?
n Leider kann man meist auf Dauer mit Medika-
menten notwendig wäre. Eine solche Dauertherapie ist mit Nebenwirkungen belastet. Deshalb
ist eine Katheterablation vorzuziehen.
Patienten mit WPW-Syndrom wird man in jedem
Fall zu einer Hochfrequenz-Katheterablation
raten, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass
das WPW-Syndrom – was selten vorkommt –
lebensbedrohlich ist. Natürlich auch immer
dann, wenn gehäuft Anfälle von Herzjagen vorliegen.
Besonders interessant ist die Entwicklung der
Katheterablation beim Vorhofflimmern. Vor Jahren noch experimentell, ist sie heute ein Standardverfahren – mit guten Ergebnissen.
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Allein in Deutschland leiden 800 000
Menschen daran. Welche Therapiemöglichkeiten
gibt es?
n Vorhofflimmern ist nicht nur die häufigste Herz-
rhythmusstörung, es ist auch die Herzrhythmusstörung, bei deren Therapie die größten Fortschritte erzielt wurden7. Betrachtet man die Entwicklung der nichtmedikamentösen Therapie
in den letzten zehn Jahren, so ist es nicht
übertrieben, von spektakulären Fortschritten zu sprechen.
Oft ist es sinnvoll, Vorhofflimmern bei
seltenen Anfällen (weniger als
1/Monat z. B.) zunächst nicht zu
behandeln, bzw. nur die Grundkrankheit, die das Vorhofflimmern verursacht,
zu therapieren. Der nächste Schritt ist der
Einsatz von Medikamenten8. Allerdings
muss man relativ rasch handeln, damit sich
die Anfälle nicht mehr und mehr häufen
und das Vorhofflimmern chronisch wird.
Dann ist die Chance, mit Medikamenten,
aber auch mit der Katheterablation etwas
auszurichten, viel geringer.
8
menten die Anfälle von Vorhofflimmern nicht
verhindern. Aber dann gibt es eine andere Form
der Behandlung, nämlich das durch Vorhofflimmern bedingte Herzrasen, die schnelle Herzschlagfolge (100 – 160 Schläge/Minute) zu normalisieren (Frequenzkontrolle), das Vorhofflimmern als solches aber bestehen zu lassen. Damit
kommen viele ältere Patienten gut zurecht.
Eine andere neue Möglichkeit der Behandlung
ist das Pill in the Pocket-Konzept, eine Therapie, bei der der Patient selbst den Anfall beenden kann9.
Wann wird zur Katheterablation geraten?
Wie ist das zu verstehen?
n Herzgesunde Patienten können Anfälle von Vor-
hofflimmern beenden, wenn sie im Anfall ein
Rhythmusmedikament nehmen. Amiodaron
kommt nicht in Frage, da die Wirkung zu langsam eintritt, wirksam ist Flecainid oder Propafenon. In der Mehrzahl der Fälle sind diese Medikamente erfolgreich: Sie beenden in 60 – 120
Minuten den Anfall. Vorsichtshalber sollten die
Patienten die ersten Male das Medikament unter
Aufsicht in der Klinik oder in der kardiologischen Praxis einnehmen, um sicherzustellen,
dass keine gefährlichen Herzrhythmusstörungen auftreten.
n Wenn Medikamente nicht erfolgreich sind oder
nicht vertragen werden und die Patienten erheblich unter dem Vorhofflimmern leiden, kommt
die Katheterablation in Frage10. Man braucht
allerdings manchmal zwei oder mehr Prozeduren, um Vorhofflimmern dauerhaft zu beseitigen.
Wenn ein Patient ohnehin am Herzen operiert
werden muss, bietet es sich an, Vorhofflimmern
während der Operation durch eine Ablation zu
heilen. Die Operationsrisiken erhöhen sich
dadurch nicht11.
Da die Entwicklung auf diesem Gebiet schnell
vorangeht, ist zu erwarten, dass die Katheterablation in Zukunft sich immer mehr durchsetzen
wird.
9
Bei der Behandlung von Vorhofflimmern sind große Fortschritte erzielt worden. Wo sonst noch?
tung – die Herzrhythmusstörungen auslösen oder
verstärken können?
n Neben den Erfolgen bei der Behandlung des
n Ja, die Frage ist wichtig. Stress – in jeder Form –
Vorhofflimmerns sehe ich in der Vorbeugung
des plötzlichen Herztodes große Fortschritte12.
Heute kennen wir einige Patientengruppen, die
durch den plötzlichen Herztod besonders
gefährdet sind. Ihnen können wir durch den
Defibrillator helfen4.
ist zwar nicht die Ursache von Herzrhythmusstörungen, kann diese jedoch auslösen und verstärken. Dies gilt z. B. für die häufigste Herzrhythmusstörung, anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern. Paradoxerweise können Anfälle
dieser Rhythmusstörung bei dem einen Patienten durch Stress, bei dem anderen durch Ruhe
– z. B. auch nachts – ausgelöst werden.
Viele Patienten hoffen auf neue Medikamente
gegen Herzrhythmusstörungen. Wie sind da die
Aussichten?
Wie soll man mit Herzrhythmusstörungen umgehen?
n Langfristig durchaus nicht schlecht. Kurz- und
n Mit Gelassenheit. Von Herzrhythmusstörungen
mittelfristig, innerhalb von Monaten oder wenigen Jahren, sind keine Medikamente gegen
Herzrhythmusstörungen in Sicht, die einen wirklichen Durchbruch darstellen13.
darf man sich nicht verrückt machen lassen. Mit
harmlosen Rhythmusstörungen muss man leben
lernen.
Andererseits muss man bei bedeutsamen Herzrhythmusstörungen konsequent vorgehen. Hier
sollte man, wenn man einen Arzt gefunden hat,
dem man vertraut, dessen Ratschlägen folgen.
Die Angst vor Herzschrittmachern oder technischen Geräten wie Defibrillatoren sollte man
überwinden. Auch mit einem Herzschrittmacher
oder mit einem Defibrillator kann man gut und
lange leben, ohne dauernd an die Rhythmusstörung zu denken.
Interview: Dr. Irene Oswalt
Bisher haben wir davon geredet, was die heutige
Medizin für den Rhythmuspatienten tun kann.
Was können die Patienten selbst tun?
n Der Patient hat viel in der Hand. Er kann die
Faktoren ausschalten, die Rhythmusstörungen
auslösen oder verstärken: Rauchen, Alkohol,
Koffein, Schlafmangel. Er kann darauf achten,
dass er ausreichend Elektrolyte – Kalium, Magnesium – zu sich nimmt, insbesondere, wenn
er fiebert oder schwitzt oder mit Entwässerungsmitteln behandelt wird.
Wichtig ist ein gesunder Lebensstil, der nicht
nur für genug Bewegung und genug Schlaf
sorgt, sondern auch ein Gleichgewicht zwischen
Belastung und Entspannung herstellt.
Damit kommen wir zum Stress. Fast alle Menschen
bringen Herzrhythmusstörungen mit Stress in Verbindung. Der Mensch ist zwar auf die Bewältigung
von Herausforderungen, also auf das Leben mit
Stress, angelegt. Aber gibt es nicht Formen von
Stress – lebensgeschichtliche Ereignisse, dauernde seelische Belastung oder ständige Überarbei10
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
Der normale Herzrhythmus, S. 11 ff.
Das Stolperherz: Extrasystolen, S. 29 ff.
Langsamer Herzrhythmus:Wann braucht man einen
Herzschrittmacher? S. 15 ff.
Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator, S. 82 ff.
Gutartiges Herzjagen, S. 25 ff.
Gutartiges Herzjagen, S. 22 ff.
Am häufigsten: Vorhofflimmern, S. 35 ff.
Medikamente gegen Vorhofflimmern, S. 41 ff.
Medikamente gegen Vorhofflimmern, S. 46
Vorhofflimmern: wenn Medikamente nicht
mehr helfen, S. 48 ff.
Vorhofflimmern: chirurgische Therapie, S. 61 ff.
Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, S. 75 ff.
Schutz vor dem plötzlichen Herztod: der Defibrillator, S. 82 ff.
Prof. Dr. med. Thomas Meinertz: Helfen Medikamente bei Herzrhythmusstörungen? Sonderdruck der Deutschen Herzstiftung.
Der normale Herzrhythmus
Prof. Dr. med. Dietrich Andresen, Vivantes GmbH, Klinikum Am Urban/Im Friedrichshain
Medizinische Klinik I – Kardiologie und Intensivmedizin, Berlin
Jeder weiß, dass das Herz die Aufgabe hat, das Blut
durch unseren Kreislauf zu befördern und damit
die Organe unseres Körpers mit Sauerstoff, Nährstoffen und anderen lebensnotwendigen Substanzen zu versorgen.
Wenig bekannt ist, wie die Arbeit des Herzens gesteuert wird. Zwei Eigenschaften zeichnen die
Steuerung des Herzens aus:
n Das Herz hat ein eigenes Reizbildungs- und
Reizleitungssystem, das aus Zellen besteht, die
sich auf das Rhythmusgeben spezialisiert haben.
n Das Reizleitungssystem des Herzens ist mehrfach gesichert. Mehrere Schrittmacherzentren
sind hintereinander geschaltet, um zu gewährleisten, dass das Herz auch weiterschlägt, wenn
ein Zentrum ausfällt.
Der Zusammenhang zwischen der Herzaktivität
und ihrer Steuerung soll im folgenden skizziert werden.
Das Herz-Kreislauf-System
Das Herz erfüllt die Funktion einer Pumpe. Es
besteht aus zwei Vorkammern (Vorhöfe) und zwei
Hauptkammern (Kammern). Beide Vorhöfe und
Kammern sind jeweils durch eine Scheidewand
(Septum) getrennt. Zwischen den Vorhöfen und
den Kammern befinden sich Herzklappen, die wie
Ventile das Blut nur in eine Richtung passieren lassen (Abb. 1, S. 12).
Das sauerstoffarme Blut wird über zwei große Blutgefäße (Venen) in den rechten Vorhof transportiert.
Von dort wird es über die sich öffnende Segelklappe in die rechte Hauptkammer gesogen, indem der
Muskel der rechten Kammer erschlafft. Am Ende
dieser Saugphase wird ein zusätzlicher Teil durch
aktives Zusammenziehen (Kontraktion) des rechten Vorhofs in die rechte Hauptkammer gepumpt.
Von der rechten Hauptkammer wird das Blut über
die Lungenschlagader (Lungenarterie) in den Lungenkreislauf befördert. Hierbei verzweigen sich
die Lungenarterien in immer kleiner werdende
Äste, die schließlich zu kleinen Haargefäßen (Kapillaren) werden und als solche ein dichtes Geflecht um die Lungenbläschen bilden. An dieser
Stelle findet der Gasaustausch statt: Das Kohlendioxyd wird an die Lungenbläschen abgegeben und
dann mit unserer Atemluft ausgeatmet. Der Sauerstoff wird als Austausch dafür in das Blut aufgenommen.
Das sauerstoffreiche Blut fließt über die Lungenvenen in den linken Vorhof. Aus dem linken Vorhof wird das Blut dann über eine weitere Segelklappe in die linke Kammer gesogen und von dort
mit hohem Druck in die Hauptschlagader (Aorta)
gepumpt. Die Hauptschlagader verzweigt sich in
zunächst größere und später kleinere Adern (Arterien), die sich als Haargefäße (Kapillaren) in den
einzelnen Organen (Gehirn, Leber, Verdauungsorgane, Muskeln etc.) verzweigen. Über sie werden Sauerstoff und Nährstoffe an die Organe geliefert und Abfallstoffe abtransportiert. Die Haargefäße fließen wieder zu größeren Blutgefäßen
(Venen) zusammen und münden schließlich im
rechten Vorhof. Damit ist der Kreislauf geschlossen. Etwa 60- bis 80-mal pro Minute (100 000-mal
pro Tag) schlägt unser Herz und fördert am Tag
rund 9 000 bis 10 000 Liter Blut.
Warum schlägt das Herz?
Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht, sind
elektrische Impulse notwendig (Abb. 1, S. 12).
Der Taktgeber, der mit elektrischen Impulsen dafür sorgt, dass der Herzmuskel sich in ständigem
Wechsel zusammenzieht und erschlafft, ist der
11
Lungenvenen
Sinusknoten
erzeugt elektrische Signale und dient
damit als natürlicher Herzschrittmacher
des Herzens
Rechter Herzvorhof
sammelt über die Hohlvenen
sauerstoffarmes Blut aus dem Körper
AV-Knoten
bündelt die elektrischen Reize aus den
Vorhöfen und gibt sie geordnet weiter
Trikuspidalklappe
(hier offen)
Purkinje-Fasern
verzweigen sich in die Herzkammer
und bringen diese zur Kontraktion
Untere Hohlvene
Abb. 1: So wird der Herzrhythmus gesteuert.
Sinusknoten, der im Bereich des rechten Vorhofs
an der Einmündung der großen oberen Vene liegt.
Es handelt sich dabei um ein Geflecht von Zellen,
das die Fähigkeit besitzt, sich elektrisch aufzuladen und durch die anschließende Entladung den
Strom auf die umgebenden Herzmuskelabschnitte weiterzuleiten (Reizbildungszentrum). Von dort
pflanzt sich die Erregung über spezifische Muskelbahnen (Reizleitungssystem) auf beide Vorhöfe
fort. Durch die elektrische Erregung ziehen sich
diese zusammen und pumpen Blut über die geöffneten Segelklappen in die rechte bzw. linke Herzkammer. Dann dringen die elektrischen Impulse
durch den AV-Knoten (Atrioventrikular-Knoten),
12
der zwischen dem Vorhof und der Herzkammer
liegt. Im AV-Knoten werden die elektrischen Reize aus den Vorhöfen gebündelt und ihre Weiterleitung gezielt gebremst.
Die elektrische Erregungswelle passiert dann die
schnell leitenden Fasern des His-Bündels und
durchläuft den rechten und linken Tawara-Schenkel (Abb. 2). Die Tawara-Schenkel ziehen sich durch
die Scheidewand (Septum). Beide Schenkel weisen
eine unterschiedliche Struktur auf. Der rechte Tawara-Schenkel verzweigt sich erst spät und versorgt die rechte Herzkammer. Der linke TawaraSchenkel verzweigt sich dagegen schon sehr früh
in zwei Bahnen: eine vordere und eine hintere
Bahn, die in die linke Herzkammer münden.
Obere Hohlvene
Aorta
Lungenarterie
Schrittmacherimpulse entstehen, desto langsamer
ist die Herzschlagfolge und desto eher können Beschwerden auftreten, z. B. Schwindel oder Bewusstlosigkeit.
Arbeitet hingegen der Hauptimpulsgeber einwandfrei, so dominiert er alle anderen Rhythmusgeber.
Sie ordnen sich ihm unter. Deswegen heißt der normale regelmäßige Herzrhythmus Sinusrhythmus.
Linker Herzvorhof
nimmt sauerstoffreiches Blut
aus den Lungenvenen auf
Mitralklappe
AV-Knoten
Aortenklappe
linker vorderer
Tawara-Schenkel
(hier offen)
(hier geschlossen)
His-Bündel
Linke Herzkammer
linker hinterer
Tawara-Schenkel
Rechte Herzkammer
rechter
Tawara-Schenkel
Abb. 2
Herzmuskel
Wie messe ich die elektrische
Erregung des Herzens?
Von den Tawara-Schenkeln gelangt die elektrische
Erregungswelle über ein feinverzweigtes Reizleitungsnetz (Purkinje-Fasern) auf die Muskeln beider Kammern, die sich infolge der Erregung zusammenziehen und das Blut in die Lungengefäße
(durch die rechte Kammer) bzw. Hauptschlagader
(durch die linke Kammer) pumpen.
Dass das Herz schlägt, hängt in diesem System nicht
allein von dem Hauptimpulsgeber, dem Sinusknoten, ab. Fällt der Sinusknoten durch eine Störung aus, so springt der AV-Knoten als Rhythmusgeber ein. Er hat allerdings mit etwa 50 Schlägen
pro Minute eine geringere Entladungsfrequenz.
Versagt auch der AV-Knoten, so übernimmt das
His-Bündel die Rolle des Schrittmachers und treibt
das Herz mit etwa 40 Schlägen pro Minute an. Das
heißt: Je weiter entfernt vom Sinusknoten die
Der größte Teil der elektrischen Erregungsabläufe lässt sich mit Hilfe des Elektrokardiogramms
(EKG) darstellen (Abb. S. 14).
Den Aufbau eines elektrischen Impulses im Sinusknoten können wir im EKG nicht sehen. Erfasst
wird dagegen die Erregung des Vorhofs (P-Welle).
Die P-Welle ist gefolgt von einem hohen Ausschlag
(R-Zacke), die Ausdruck der Erregung (Depolarisierung) der Kammermuskeln ist.
Die danach registrierte T-Welle ist Ausdruck der
elektrischen Erholung (Repolarisation) der Kammermuskeln. Der Vorgang der Erregungsbildung
im Sinusknoten, die Weitergabe des Stromes auf
den Vorhofmuskel, gefolgt von der Erregung der
Kammermuskeln, wiederholt sich 60- bis 80-mal
pro Minute. Unter körperlicher Belastung sowie
13
1 Sekunde
R-Zacke
P-Welle
T-Welle
Abb. 3: Herzstromkurve: EKG
unter psycho-emotionalem Stress schlägt das Herz
bis zu 160-mal, unter Ruhebedingungen (Schlaf)
lediglich 60- bis minimal 40-mal pro Minute. Verantwortlich für diese unterschiedliche situationsbedingte Herzschlagfolge ist ein Geflecht von Nerven, das in den Sinusknoten mündet und seine Entladungsfrequenzen beeinflusst. Es handelt sich dabei um Fasern des vegetativen Nervensystems. Also
Nerven, die unserem Willen nicht unterworfen sind.
Denn man kann dem Herzen nicht sagen, es soll
schneller oder langsamer schlagen oder gar, es soll
vorübergehend aufhören zu schlagen.
unter psychischem und körperlichem Stress, wird
es auch als Stresshormon bezeichnet. Unter Stress
schüttet die Nebenniere Adrenalin aus. Das Adrenalin kommt auf dem Blutweg zum Sinusknoten
und hebt die Pulsfrequenz an, dann schlägt das
Herz als Reaktion auf den Stress schneller. Auch
erhöhte Körpertemperatur bei Fieber führt dazu,
dass die Herzschlagfolge rascher wird.
Zusammenfassung
Wir unterscheiden beim vegetativen Nervensystem zwischen sympathischen (Sympathikus) und
parasympathischen (Vagus) Nervenfasern. Der
Sympathikus führt zur allgemeinen Stimulation des
Herzens mit Anstieg der Herzschlagfolge (Herzfrequenz). Der Vagus dämpft die Herztätigkeit mit
Abfall der Herzfrequenz. Sympathikus und Vagus
fungieren also als Gegenspieler. Wer sich z. B. beim
Anblick von Blut erschreckt, kann in Ohnmacht
fallen, weil sich das Gehirn über den Vagusnerv
ausbremst.
Unser Herz ist ein Hohlmuskel, der sich regelmäßig (rhythmisch) ca. 60- bis 80-mal pro Minute zusammenzieht und wieder erschlafft und auf diese
Weise sechs bis acht Liter Blut pro Minute durch
unsere Blutgefäße pumpt. Damit sich der Herzmuskel zusammenzieht, muss er durch einen elektrischen Reiz (Impuls) „angestoßen” werden. Der
elektrische Impuls entsteht im Bereich des rechten
Herzvorhofs und breitet sich in weniger als einer
Drittelsekunde (200 bis 250 msec.) über den gesamten Herzmuskel aus, worauf sich dieser ebenso schnell zusammenzieht und in der nächsten Sekunde wieder erschlafft.
Neben direkten Einflüssen, die das vegetative Nervensystem ausübt, werden Änderungen der Herzschlagfolge auch durch Hormone vermittelt. Das
bekannteste Hormon ist das Adrenalin. Da es verantwortlich ist für den Anstieg der Herzfrequenz
Störungen der Impulsbildung und Impulsleitung
sowie die Bildung von Zusatzimpulsen führen beim
Patienten zu unregelmäßiger Herztätigkeit. Von
diesen Rhythmusstörungen und ihren Konsequenzen soll in den folgenden Artikeln die Rede sein.
14
Langsamer Herzrhythmus: Wann braucht
man einen Herzschrittmacher?
Prof. Dr. med. Andreas Schuchert, Medizinische Klinik,
Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster
Wenige Wochen nach Beginn seines Ruhestands
fiel Walter R. beim Besuch in einem Kaufhaus plötzlich um und wachte am Boden liegend wieder auf.
Zunächst dachte er, es sei eine vorübergehende
Kreislaufschwäche gewesen. In den nächsten
Wochen folgten zwei weitere Ohnmachtsanfälle,
wobei er sich beim zweiten Mal am Kopf verletzte. Zur Abklärung der Ohnmachtsanfälle suchte er
seinen Hausarzt auf.
Der Hausarzt untersuchte ihn gründlich, aber fand
keine Erklärung für die Ohnmachtsanfälle. Deshalb schickte er Walter R. zu einem Internisten mit
kardiologischem Schwerpunkt. Das Ruhe-EKG
zeigte keine krankhaften Veränderungen. Es folgte ein Langzeit-EKG über 24 Stunden, ebenfalls
ohne krankhaften Befund. Erst ein weiteres Langzeit-EKG, diesmal über mehrere Tage,
brachte Klarheit. In dieser Zeit wurde Walter R. erneut bewusstlos.
Das EKG zeigte zu diesem Zeitpunkt eine Pause von fünf Sekunden – bedingt durch eine vorübergehende Blockierung der
elektrischen Erregungsausbreitung im Herzen. Damit war die
Ursache für die wiederholten
Ohnmachtsanfälle gefunden. Der
Internist erklärte Walter R., dass für
ihn ein Herzschrittmacher notwendig sei.
Was leistet der Herzschrittmacher?
Der Herzmuskel hat ein eigenes elektrisches Leitungssystem, bestehend aus Sinusknoten, Atrioventrikulär(AV)-Knoten und dem spezifischen Leitungssystem in den Herzkammern (s. Abb. 1 und
Abb. 1, S. 12). Die Aufgabe des elektrischen Leitungssystems ist, die Arbeit des Herzmuskels zu
steuern und das zeitliche Zusammenspiel sowohl
zwischen den beiden Vorhöfen zu den beiden
Kammern als auch für jede Kammer zu synchronisieren. Zu diesem Zweck gibt der Sinusknoten wie
ein Taktgeber regelmäßige elektrische Impulse ab,
die zunächst die Muskelzellen der Vorhöfe erregen. Der AV-Knoten als einzige elektrische Verbindung zwischen den Vorhöfen und den Kammern
leitet die Erregung auf die Herzkammern über. Das
spezifische elektrische Leitungssystem in den Kammern erregt die Herzmuskelzellen der Kammern
und bewirkt, dass sie sich gleichmäßig zusammenziehen und mit jedem Herzschlag Blut in den Körper pumpen.
Wenn Teile des elektrischen Leitungssystems krankhaft verändert sind, können sie zeitweilig oder
Abb. 1
Sinusknoten
Vorhöfe
AV-Knoten
Herzkammer
andauernd ausfallen. Häufige Störungen betreffen die Taktfunktion
des Sinusknotens und die Reizleitung
des AV-Knotens. Bei solchen Störungen
ist es die Aufgabe des Herzschrittmachers,
die elektrischen Funktionen zu übernehmen.
Der Schrittmacher gibt dazu regelmäßige elektrische Impulse ab, die das Herz erregen und es dazu
bringen, sich zusammenzuziehen.
Vor mehr als 45 Jahren erhielt zum ersten Mal ein
Patient einen Herzschrittmacher. Heute ist die
15
Schrittmachertherapie eine der erfolgreichsten Therapien in der Herzmedizin. In Deutschland werden jährlich mehr als 60 000 Schrittmacher eingesetzt.
Wer bekommt einen
Herzschrittmacher?
Das Einsetzen des Herzschrittmachers
soll die durch den langsamen Herzschlag
bedingten Beschwerden wie die wiederholte Bewusstlosigkeit bei Walter R. beseitigen. Ferner soll die elektrische Stimulation des Herzschrittmachers den Patienten vor einem anhaltenden, möglicherweise
tödlichen Herzstillstand bewahren und so seine
Lebenserwartung verlängern. Das bedeutet, dass
Patienten auch ohne Beschwerden einen Herzschrittmacher erhalten, wenn bei ihnen in naher
Zukunft ein Herzstillstand zu befürchten ist.
Ein Schrittmacher ist bei Patienten mit krankhaft
langsamen Herzschlägen, d.h. länger dauerndem
Absinken der Herzfrequenz unter 40 Schläge pro
Minute (Bradykardie) oder bei Pausen über fünf
Sekunden (Asystolie), angezeigt, wenn sie durch
Krankheit bedingt sind. Wir wissen, dass viele Menschen, insbesondere Leistungssportler, einen langsamen Herzschlag haben. Niemand würde ihnen
einen Herzschrittmacher empfehlen, da dieser langsame Herzschlag Folge ihres körperlichen Trainings und nicht Folge krankhafter Veränderungen
ist. Ein Herzschrittmacher ist nur bei krankhaft niedrigem Herzschlag nötig. Dabei ist zu klären, ob
der langsame Herzschlag Folge einer kurzfristigen
heilbaren Erkrankung (z. B. Schilddrüsenunterfunktion) ist oder dauernd bestehen bleiben wird.
16
Im ersten Fall ist die Erkrankung, die
den langsamen Herzschlag verursacht, zu behandeln. Häufig wird
dann der Herzschrittmacher überflüssig. In den übrigen Fällen sollte der Patient einen Herzschrittmacher erhalten.
Typische Beschwerden für einen krankhaft langsamen Herzschlag sind kurzfristige Bewusstlosigkeiten, Schwindel und eine verminderte körperliche Belastbarkeit. Manche Patienten mit langsamen Herzschlägen oder Pausen haben erhebliche Beschwerden, andere wenige oder gar keine.
Der Nachweis eines langsamen Herzschlags erfolgt
bei andauernden Störungen mit dem Ruhe-EKG
und bei vorübergehenden Störungen mit einem
Ereignis- oder Monitor-EKG. Leitungsstörungen im
Bereich des Sinusknotens oder des AV-Knotens
machen in Verbindung mit Beschwerden eine
Schrittmacherversorgung erforderlich. Da vor allem krankhafte Leitungsblockierungen im Bereich
des AV-Knotens einen anhaltenden Herzstillstand
zu Folge haben können, erhalten Patienten mit Leitungsblockierungen im AV-Knoten frühzeitig einen Herzschrittmacher – auch wenn sie noch beschwerdefrei sind.
Ein Teil der Patienten mit dauernd unregelmäßigen Herzschlägen infolge schneller, aber ineffek-
tiver elektrischer Entladungen im Vorhof, sogenanntes Vorhofflimmern, kann zusätzlich eine verzögerte Leitung im Reizleitungssystem auf die Kammer und dadurch langsame, unregelmäßige Kammerherzschläge haben. Wenn diese langsamen
Herzschläge zu Beschwerden wie Schwindel oder
zu unzureichender Belastbarkeit führen, sollte der
Patient einen Herzschrittmacher erhalten. Ein
Schrittmacher ist auch angezeigt bei bestimmten
selten vorkommenden Erkrankungen (z. B. hypersensitives Karotis-Sinus-Syndrom).
Welche Schrittmachertypen gibt es?
Seit der erste Schrittmacher im Jahr 1959 eingesetzt
wurde, sind verschiedene Schrittmachertypen entwickelt worden. Alle Herzschrittmachersysteme
haben gemeinsam, dass sie sich aus einer Sonde
und dem Schrittmacheraggregat zusammensetzen.
Die Schrittmachersonde ist ein isoliertes Kabel mit
Elektroden an der Spitze, die die Impulse von dem
Schrittmacheraggregat zum Herzen und die Herzsignale zum Schrittmacheraggregat leiten. Das Kabel wird über eine große Körpervene in die rechte Herzkammer eingeführt und dort verankert. Damit die Schrittmachersonde an der gewünschten
Stelle im Herzen bleibt, hat die Schrittmachersonde an der Spitze entweder eine Silikonversteifung,
die sich wie ein Anker in den Muskeln der rechten
Herzkammer festsetzt, oder eine kurze Schraube,
die in den Herzmuskel hineingedreht wird.
Einkammersystem heißt die Kombination von einer Kammersonde mit dem entsprechenden Schrittmacheraggregat. Das Einkammersystem stellt zwar
die ausreichende Kammerfrequenz (Herzschlag-
folge) sicher. Der Nachteil dieses Systems ist, dass
es nicht immer das Zusammenspiel zwischen den
Vorhöfen und den Herzkammern wiederherstellt.
Das ermöglicht ein Zweikammerschrittmacher, der
an zwei Sonden angeschlossen ist, von denen eine
im rechten Vorhof und die andere in der rechten
Herzkammer plaziert ist.
Heutige Herzschrittmacher bestehen im wesentlichen aus elektrischen Schaltkreisen, einer Lithiumbatterie, die im Durchschnitt Laufzeiten von sieben bis zehn Jahren erreicht, und den Konnektoren zur Befestigung der Schrittmachersonde. Die
elektrischen Schaltkreise steuern die Zeitfolge der
elektrischen Impulse. Dabei lassen sie dem natürlichen Herzschlag den Vortritt. Nur wenn dieser zu
langsam ist, setzen sie einen Impuls. Die individuelle Einstellung der zahlreichen Schrittmachersteuergrößen ist bei jedem Patienten Voraussetzung für die optimale Arbeitsweise des Schrittmachers. Moderne Schrittmacher haben zusätzlich
zahlreiche Speicher, mit denen sie den Herzrhythmus und wichtige Rhythmusereignisse aufzeichnen.
Ein Buchstabencode beschreibt die verschiedenen
Schrittmachertypen: Der erste Buchstabe gibt den
Ort der Stimulation, der zweite den Ort der Wahrnehmung und der dritte die Arbeitsweise an. Am
häufigsten sind VVI- und DDD-Schrittmacher. Ein
VVI-Schrittmacher stimuliert in der Kammer (Ventrikel), nimmt in der Kammer (Ventrikel) wahr, und
die Eigenaktion inhibiert (hemmt) die Stimulation.
Der DDD-Schrittmacher stimuliert im Vorhof und
in der Kammer (dual), nimmt wahr im Vorhof und
in der Kammer (dual) und dies kann die Stimulation auslösen oder hemmen (dual).
17
Nach Einsetzen des
Zweikammerschrittmachers:
Der Schrittmacher erkennt den
Vorhofrhythmus und stimuliert
mit der gleichen Frequenz
die Herzkammern, auch wenn
der AV-Knoten blockiert ist.
Langzeit-EKG von Walter R.
während der erneuten
Bewusstlosigkeit: Der EKGStreifen zeigt eine vorübergehende höhergradige
Blockierung im AV-Knoten.
Biventrikulärer Schrittmacher
In den letzten Jahren wurde die Schrittmachertherapie weiterentwickelt. Dabei geht es nicht mehr
allein darum, den langsamen Herzschlag zu beschleunigen, sondern bei Patienten mit Herzschwäche den Blutfluss im Herzen zu verbessern
und die Herzkraft zu stärken (kardiale Resynchronisationstherapie).
Kandidaten für solche biventrikulären Schrittmacher sind Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche, die trotz optimaler Behandlung mit herzwirksamen Medikamenten weiterhin Beschwerden wie Luftnot bei leichter bis mäßiger Belastung
haben. Ungefähr 5 – 20 % dieser Patienten zeigen
eine verzögerte elektrische Erregungsausbreitung
im Herzen. Das zeigt sich im EKG, wo ein bestimmter Teil der elektrischen Herzkurve, nämlich der
QRS-Komplex, deutlich verbreitert ist. Bei diesen
Patienten ist das Zusammenspiel zwischen den bei18
den Hauptkammern gestört und dadurch die Auswurfleistung des Herzens vermindert. Die Schrittmachertherapie stellt das Zusammenspiel wieder
her, indem speziell zu diesem Zweck entwickelte
Schrittmachersonden über die Herzvenen an der
Seitenwand des linken Herzens plaziert werden.
Die feinen Sonden verankern sich in der Gefäßwand. Sie werden in Verbindung mit einer Sonde
im rechten Vorhof und einer in der rechten Hauptkammer an einen Dreikammerschrittmacher angeschlossen. Dadurch lassen sich zeitgleich beide Seiten der linken Herzkammer erregen, so dass sie
sich wieder zeitgleich zusammenziehen. Wenn Patienten einen biventrikulären Schrittmacher erhalten haben, berichten die meisten über weniger
Atemnot und bessere körperliche Belastbarkeit.
Neuere Studien zeigen, dass die biventrikulären
Schrittmacher das Leben der Patienten verlängern
können.
Der obere EKG-Streifen zeigt
einen Vorhofextraschlag,
dem eine Pause und dann
eine schnelle Vorhofrhythmusstörung folgt.
Im unteren EKG-Streifen hat
der Patient einen Herzschrittmacher erhalten, der nach
Auftreten des Vorhofextraschlags den Vorhof stimuliert
und das Auftreten der Vorhofrhythmusstörung verhindert.
Leben mit dem Herzschrittmacher
Der Schrittmacher wird unter lokaler Betäubung
rechts- oder linksseitig im Bereich des großen Brustmuskels eingesetzt, da in diesem Bereich große
Venen verlaufen, über die sich die Sonden zum
Herzen einführen lassen. Nach rund zehn Tagen
werden die Fäden entfernt. Dann nimmt der Patient seinen üblichen Lebensstil wieder auf. Der
Arm, an dem der Schrittmacher eingesetzt wurde,
sollte für etwa zwei Wochen nicht über Brusthöhe
gehoben werden.
Komplikationen beim Einsetzen des Schrittmachers
sind selten. Die Sonde, die den Impuls zum Herzen leitet, kann verrutschen. Dann ist ein zweiter
Eingriff nötig, um sie an den richtigen Ort zu bringen. Noch seltener sind Blutergüsse oder Infektionen, die ebenfalls einen Zweiteingriff erforderlich
machen können.
Regelmäßige Kontrollen sind unbedingt einzuhalten, um den Ladestand der Batterie zu prüfen, die
Schrittmacherspeicher abzufragen und um festzustellen, ob die Schrittmachereinstellung weiterhin
für den Patienten optimal ist. Dafür sind niedergelassene Kardiologen oder die Schrittmacherambulanz des jeweiligen Krankenhauses zuständig.
Voraussetzung für die fachgerechte Kontrolle ist
ein auf den jeweiligen Schrittmacher zugeschnittenes Programmiergerät. Mit Hilfe elektrischer Impulse lässt sich damit der Schrittmacher abfragen
und umstellen. Der Schrittmacher wird bei Entlassung aus dem Krankenhaus, ein bis drei Monate
nach dem Einsetzen und danach in Abständen von
sechs bis zwölf Monaten kontrolliert. Bei beginnender Batterieerschöpfung verkürzen sich diese
Abstände.
19
I
II
III
aVR
aVL
aVF
Linkes EKG: Vor Einsetzen
eines Schrittmachers hatte der Patient einen Linksschenkelblock
mit deutlicher Verbreiterung des Kammerkomplexes.
Rechtes EKG: Nachdem der Zweikammerschrittmacher eingesetzt
worden war, ist der Schrittmacherimpuls vor der Herzaktion
zu sehen, wobei der Kammerkomplex schmaler geworden ist.
Störungen von außen, die den Schrittmacher beeinflussen, sind selten. Seit der Verwendung moderner Sonden kommt es nur ganz vereinzelt zu
Störungen wie mit externen elektromagnetischen
Wellen. Eine potentielle Störquelle kann ein mobiles Telefon (Handy) bei älteren und, sehr selten,
bei neueren Schrittmachern sein. Trotzdem sollte
vor der Verwendung eines Handys der Arzt gefragt
werden, der den Schrittmacher regelmäßig kontrolliert. Dasselbe gilt bei der Verwendung anderer elektrischer Geräte in unmittelbarer Nähe des
Schrittmachers.
Manchmal wollen Patienten sich einen Schrittmacher nicht einsetzen lassen, weil sie Angst haben, nicht mehr sterben zu können. Diese Angst
beruht auf einem Missverständnis: Der Schrittmacher kann nur die elektrischen Taktgeber im
Herzen ersetzen, aber nicht das Herz.
20
Andere Patienten haben Angst vor dem Schrittmacher, weil sie meinen, dass dann ihr Leben von
dem technischen Funktionieren eines Geräts abhängt. Diese Angst ist unbegründet: Heutige Schrittmacher garantieren eine sehr hohe Sicherheit. Plötzliches Versagen eines Schrittmachers ist eine absolute Rarität. Hinzu kommt, dass nahezu alle Patienten noch einen langsamen eigenen Herzrhythmus
haben, der ausreicht, das Überleben zu sichern.
Die Erfahrungen von Patienten, die mit einem
Schrittmacher leben, sind sehr positiv, zumal sich
die Beschwerden, die ein zu langsamer Herzrhythmus verursacht hat, wie Schwindel und Schwäche,
rasch bessern. Walter R. hat seit dem Einsetzen des
Herzschrittmachers keine Bewusstlosigkeit mehr
erlebt, ist im Alltag wieder leistungsfähig und spielt
gern und völlig beschwerdefrei mit seinen Enkeln
Fußball.
Gutartiges Herzjagen
PD Dr. med. Paulus Kirchhof, Prof. Dr. med. Günter Breithardt,
Medizinische Klinik und Poliklinik C (Kardiologie und Angiologie), Universitätsklinikum Münster
Annette A., 28 Jahre alt, leidet seit etwa 2 1/2 Jahren an immer wiederkehrenden Anfällen: Plötzlich, wie angeschaltet, beginnt ihr Herz zu rasen,
ihr wird schwindlig und der Kopf dröhnt, als würde er platzen. Die ersten Anfälle konnte sie noch
durch kleine Tricks selbst beenden, etwa indem
sie ein Glas kaltes Wasser schnell trank oder tief
einatmete. Inzwischen wartet sie jedoch – manchmal eine Stunde lang – liegend darauf, dass der Anfall aufhört. Aus Angst vor den Anfällen, die ohne
Vorwarnung beginnen, hat sie aufgehört Auto zu
fahren.
Jeder von uns kennt Situationen, in denen sein Herz
rasend bis zum Hals klopft, etwa nach einem Langstreckenlauf oder vor dem ersten Kuss. Dieses
Herzjagen ist Ausdruck der normalen Funktion des
Herzens, das bei Anstrengung oder Aufregung
schneller schlägt und mehr Blut pumpt. Einige Menschen, in Deutschland wahrscheinlich mehrere
hunderttausend, leiden jedoch wie Annette A. an
anfallsartigem Herzjagen. Die in diesem Beitrag
beschriebenen Formen von Herzjagen sind in der
Regel nicht lebensgefährlich, deswegen gelten sie
als gutartig. Für die Betroffenen sind die Anfälle
jedoch oft mit einer erheblichen Einschränkung
der Lebensqualität verbunden. So sind Menschen
während eines Anfalls oft fahr- und arbeitsunfähig,
einige werden ohnmächtig, und das unberechenbare Auftreten der Anfälle schränkt den Alltag deutlich ein.
Die Unterscheidung zwischen einer Neigung zu
Herzjagen und dem physiologischen schnellen
Herzschlag unter Belastung ist oft schwierig. Es
gibt deshalb auch immer wieder Patienten, bei denen eine Neigung zu gutartigem Herzjagen erst
nach langer Zeit erkannt und richtig behandelt wird.
In den folgenden Absätzen sollen zunächst das Er-
kennen von gutartigem Herzjagen und danach die
verschiedenen Möglichkeiten seiner Behandlung
erläutert werden.
Wie kann ich gutartiges
Herzjagen erkennen?
Die Diagnose von gutartigem Herzjagen ruht auf
drei Säulen:
Zunächst ist eine genaue Kenntnis der Anfälle wichtig. Hierfür helfen Ihre Angaben über die Symptome während des Anfalls dem Arzt erheblich weiter. Wenn die Anfälle plötzlich beginnen und plötzlich enden, einige Minuten andauern, nicht von
bestimmten Situationen abhängen, typischerweise einige Stunden nach Belastung auftreten, durch
Manöver wie Trinken eines Glases kalten Wassers,
Schlucken, in den Bauch Pressen, tiefes Atmen,
seltener auch durch akrobatische Manöver wie
Handstand beendet werden können, wenn das
Herz während eines Anfalls regelmäßig schlägt und
dabei Schwindel, ein Druck auf der Brust, ein großer, dicker Kopf und leichte Übelkeit verspürt werden, so spricht das für ein gutartiges, behandelbares Herzjagen (s. Tab. 1, S. 24). Die Herzschlagfolge (Herzfrequenz) liegt zwischen 140 und 220,
meist bei 160 bis 180 Schlägen pro Minute. Häufig
ist die Herzfrequenz so hoch, dass der Puls praktisch kaum noch fühlbar ist.
Die zweite Säule der Diagnose von gutartigem
Herzrasen ist das von einem erfahrenen Arzt beurteilte Elektrokardiogramm (EKG), das sowohl in
Ruhe als auch möglichst während eines Anfalls aufgezeichnet werden sollte. Die Aufzeichnung eines
EKG während eines Anfalls ist oft schwierig. Wenn
Sie selbst an Herzjagen leiden und schon einmal
mit einem Anfall beim Arzt oder in einem Kranken21
haus waren, existiert dort oft ein EKG während des
Anfalls. Dieses sollte bei weiteren Beratungen immer, notfalls als Fotokopie, vorliegen. Einige Formen von gutartigem Herzjagen lassen sich nämlich im EKG nur während des Anfalls erkennen.
Die dritte Säule, auf die sich die Diagnose gutartiges Herzjagen stützt, ist schließlich der Ausschluss
von anderen Erkrankungen des Herzens und die
Unterscheidung von potentiell lebensbedrohlichen
Herzrhythmusstörungen. Dazu können manchmal
aufwendige Untersuchungen notwendig sein, insbesondere bei älteren Patienten, wenn zusätzlich
zum Herzjagen ein Schmerz im Brustkorb bei Anstrengung oder eine zunehmende Atemnot bei
leichteren Belastungen bemerkt werden, oder
wenn ein Patient schon einmal bewusstlos gewesen ist.
Kann man gutartiges
Herzjagen behandeln?
Gutartiges Herzjagen ist heute in den meisten Fällen heilbar. In leichten Fällen, d. h. bei eher selten
auftretendem, nicht sehr störendem Herzjagen, genügt oft das Erlernen von Techniken, um das Herzjagen zu unterbrechen (s. Tab. 2, S. 24). Es stehen
auch Medikamente zur Verfügung, die nebenwirkungsarm die Anfälle in fast allen Fällen beenden
können. Während die zuverlässigsten Medikamente direkt in die Blutbahn abgegeben werden müssen und damit in der Regel nur einem Arzt zur Verfügung stehen, gibt es auch Tabletten, die Anfälle
von Herzjagen beenden können – jedoch nur in
wenigen Fällen und mit einiger Verzögerung. Da
diese Medikamente gegen Herzjagen Nebenwirkungen haben können, sollten sie nur eingenommen werden, wenn ein Arzt sie verordnet.
Oft stellt sich jedoch nach einiger Zeit heraus, dass
die Medikamente nicht mehr oder nicht immer wirken. Wenn die Anfälle starke Beschwerden verursachen, sich häufen oder nur noch schwer zu beenden sind, wird man versuchen, die Anfälle dauerhaft zu verhindern. Herzjagen lässt sich in einigen Fällen durch die dauerhafte Einnahme von
Medikamenten, sogenannter Antiarrhythmika, unterdrücken. In vielen Fällen ist es jedoch heutzu22
tage möglich, die Ursache von gutartigem Herzjagen in einer speziellen Herzkatheteruntersuchung, der sogenannten elektrophysiologischen
Untersuchung, zu erkennen und durch die sogenannte Hochfrequenz-Katheterablation dauerhaft
zu beheben.
Um die Behandlung des gutartigen Herzjagens zu
verstehen, lohnt es sich, die verschiedenen Formen von gutartigem Herzjagen näher zu erläutern.
Hierzu ist es hilfreich, den normalen Ablauf eines
Herzschlags zu verstehen:
Die normale Erregung des Herzens
Bei jedem Herzschlag wird das Herz durch einen
kleinen elektrischen Strom erregt, der bewirkt, dass
sich die Herzmuskelzellen zusammenziehen. Dieser Strom entsteht im sogenannten Sinusknoten,
dem Schrittmacher des Herzens (s. Abb. 1, S. 25).
Von dort aus fließt der Strom durch die beiden Vorhöfe zum sogenannten Atrioventrikular-Knoten, kurz AV-Knoten,
der einzigen elektrisch leitenden
Verbindung zwischen Vorhöfen
und Kammern. Der AV-Knoten
verzögert den Stromfluss, bevor der
Strom aus dem AV-Knoten heraus die
beiden Kammern des Herzens erregt.
Der Strom endet in den Kammern, und das Herz
wartet auf den nächsten Impuls aus dem Sinusknoten.
Wie entsteht gutartiges Herzjagen?
Einige Formen von gutartigem Herzjagen werden
dadurch ausgelöst, dass neben dem Sinusknoten
noch andere Bezirke des Herzens in schneller Folge Stromstöße abgeben, die wie der Sinusknoten
das Herz erregen. Es sind sogenannte ektope, d. h.
am falschen Ort gelegene Schrittmacher. In den
meisten Fällen wird gutartiges Herzjagen jedoch
durch eine zusätzliche elektrische Verbindung zwischen Vorhöfen und Kammern verursacht. In bestimmten Situationen kann der Strom, der über die
eine Verbindung vom Vorhof in die Kammer fließt,
über die andere Verbindung wieder zurück in den
Vorhof gelangen und dann in einem Kreislauf unaufhörlich zwischen Vorhof und Kammer kreisen
(kreisende Erregung). Jedes Mal, wenn der Strom
durch die Kammer fließt, schlägt diese, und das
Herz rast. Diese zusätzliche Verbindung zwischen
Vorhöfen und Kammern kann entweder direkt im
AV-Knoten (doppelt leitender AV-Knoten) oder an
einer anderen Stelle des Herzens (akzessorische
Leitungsbahn) liegen (Abb. 2, S. 25). Andere Formen von Herzrasen entstehen durch kreisende Erregungen in den Herzvorhöfen, z. B. das sogenannte Vorhofflattern.
Tab. 1: Fragen, die helfen, Anfälle von Herzjagen besser einzuordnen:
Wann war der erste Anfall?
Wann war der letzte Anfall?
Wie oft treten die Anfälle auf (täglich, wöchentlich, monatlich)?
Wie beginnen die Anfälle (plötzlich/allmählich)?
Beginnen die Anfälle im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen
oder erst in einem zeitlichen Abstand dazu (z.B. Aufregung, Anstrengung, Schlaf)?
Wie oft schlägt das Herz während des Anfalls pro Minute? Ist der Puls schwer zu tasten?
(Fühlen Sie Ihren Puls!)
Schlägt der Puls während des Anfalls regelmäßig oder unregelmäßig?
Wie lange dauern die Anfälle?
Was spüren Sie während des Anfalls (Druck auf der Brust, Atemnot, Schwindel,
Übelkeit, ein Gefühl, als ob der Kopf platzt o. Ä.)?
Wie enden die Anfälle (plötzlich/allmählich)?
Können Sie die Anfälle durch Manöver oder Tricks selbst beenden? Wenn ja, durch welche?
Können die Anfälle durch Medikamente beendet werden?
Sind Sie schon einmal bewusstlos geworden?
Wenn ja, haben Sie davor Herzjagen gespürt?
Haben Sie Verwandte, die an Herzjagen oder anderen Herzrhythmusstörungen leiden?
Tab. 2: Techniken, mit denen gutartiges Herzjagen
beendet werden kann. Bewahren Sie die Ruhe. Sie wissen,
dass es unangenehm, aber nicht gefährlich ist.
Empfohlene Techniken
Schnelles Trinken eines Glases kalten Wassers
Tief einatmen, Luft anhalten und eine Bauchpresse
machen (d. h. das Zwerchfell und die Bauchmuskeln
anspannen)
Eiswasser ins Gesicht spritzen
Luft anhalten
Gelegentlich empfohlene, aber unter Umständen
gefährliche Techniken
Massage der Halsschlagadern (Vorsicht,
hierbei kann ein Schlaganfall verursacht werden)
Druck auf die Augäpfel
24
Vorhöfe
Sinusknoten
Kammern
AV-Knoten
Abb. 1: Normaler Erregungsablauf des
Herzens. Vom Sinusknoten geht ein elektrischer Impuls aus, der über die Vorhöfe
den AV-Knoten erreicht. Von dort aus wird
der Impuls nach einer Verzögerung in die
Kammern weitergeleitet. Nach vollständiger Erregung der Kammern versiegt der
Impuls, das Herz wartet auf den nächsten.
Sinusknoten
AV-Knoten
zusätzliche Verbindung
(akzessorische „Leitungsbahn“)
Sinusknoten
doppelt leitender
AV-Knoten
Abb. 2:
Zwei Beispiele
für eine zusätzliche
Verbindung zwischen
Vorhöfen und Kammern, die zu gutartigem
Herzjagen führen kann.
Oben: zusätzliche Leitungsbahn.
Links: doppelt leitender AV-Knoten.
In beiden Fällen kann der Strom über die
zweite Verbindung von den Kammern in die
Vorhöfe zurückfließen und unter bestimmten Umständen zu einer kreisenden Erregung führen. Dadurch entsteht Herzjagen.
Was passiert bei einer
elektrophysiologischen Untersuchung?
Die Ursache für gutartiges Herzjagen kann man in
vielen Fällen nur durch eine spezielle Katheteruntersuchung, die sogenannte elektrophysiologische Untersuchung (EPU), feststellen, bei der die
Ströme, die durch das Herz fließen, direkt analysiert werden. Bei dieser Untersuchung werden dünne Kabel mit einer elektrisch leitenden Spitze, sogenannte Elektrodenkatheter, über die Leistenvenen oder die Armvenen zum Herzen vorgeschoben. Die Einstichstelle in der Leiste wird örtlich
betäubt. Das Vorschieben der Katheter zum Herzen und ihre
Plazierung während der Untersuchung sind in aller Regel nicht schmerzhaft. Mit
mehreren Kathetern wird die Ausbreitung der elektrischen Erregung im Herzen gemessen (Abb. 3 a,
S. 26). Durch eine kurze Stromabgabe über die Katheter (nicht schmerzhafte, elektrische Impulse)
kann das Herz zum schnelleren Schlagen gebracht
werden (elektrische Stimulation des Herzens). So
kann gutartiges Herzjagen hervorgerufen werden.
Während das Herz rast, können für das Herzjagen
verantwortliche Strukturen erkannt werden wie
z. B. zusätzliche Leitungsbahnen, ein doppelt leitender AV-Knoten oder Schrittmacherzentren am
falschen Ort. Es kann auch zwischen gutartigem
und potentiell gefährlichem Herzjagen unterschieden werden. Das während der Untersuchung ausgelöste Herzjagen kann durch die Abgabe nicht
spürbarer, elektrischer Impulse über die Katheter
beendet werden.
25
Abb. 3 b
Abb. 3 a
Katheter im
Vorhofohr
Ablationskatheter
Ablationskatheter
Katheter im Koronarsinus
Katheter im
Koronarsinus
Katheter in der Spitze der
rechten Herzkammer
Abb. 3 a (links): Typische Lage der Katheter im Herzen bei
einer Katheterablation einer zusätzlichen Leitungsbahn in
der üblichen Röntgendurchleuchtung. Die Abbildung
zeigt einen Katheter, der in der großen Herzvene (dem sogenannten „Coronarsinus“) liegt, und einen weiteren Katheter, mit dem Hochfrequenzenergie zur Ablation abgegeben werden kann. Die Katheterspitze liegt an der Mitralklappe direkt auf der zusätzlichen Leitungsbahn (der
„Kurzschlussverbindung“) kurz vor Abgabe der Hochfrequenzenergie.
Abb. 3 b (rechts): Darstellung der gleichen Katheter wie im
linken Bild mit einem nicht-fluoroskopischen Katheterlokalisationssystem (LocaLisa®), mit dem die Katheterpositi-
Neuartige Mappingsysteme
Die Positionierung der Katheter bei der elektrophysiologischen Untersuchung erfolgt zumeist unter Kontrolle mit Röntgenstrahlen. Seit Mitte der
90er Jahre stehen sogenannte Mappingsysteme zur
Verfügung, die die Position von elektrophysiologischen Kathetern im Herzen durch die Messung
von sehr kleinen Strom- oder Magnetfeldern messen und auf einem Computerbildschirm darstellen
können. Mit solchen Systemen kann die Position
der Katheter während der Untersuchung ohne
Röntgenstrahlen dargestellt werden (Abb. 3 b, 4).
Dies hilft, Röntgenstrahlen zu sparen. Zudem kann
durch die Kombination der gemessenen elektrischen Daten von der Katheterspitze und der Position der Katheter die Erregungsausbreitung während des Herzjagens präzise am Computerbildschirm dargestellt und analysiert werden. Diese
technisch aufwendigen Systeme tragen schon heute dazu bei, dass Katheterablationen und elektrophysiologische Untersuchungen schonender, d. h.
26
on während der Untersuchung ohne Röntgenstrahlen in
Echtzeit dargestellt werden kann. Die nicht-fluoroskopische Darstellung erfolgt nicht nur ohne Röntgenstrahlen, sie ermöglicht auch eine dreidimensionale Darstellung der Katheterposition. Es gibt inzwischen mehrere
solcher Systeme (vgl. Abb. 4). Augenblicklich werden
aus Sicherheitsgründen während der Untersuchung zusätzlich zu solchen Katheterlokalisationssystemen Röntgenstrahlen eingesetzt. Die Katheterlokalisationssysteme
helfen jedoch, die Röntgenstrahlenbelastung deutlich zu
senken. Vielleicht ist es in Zukunft möglich, durch den
Einsatz solcher Systeme vollständig auf Röntgenstrahlen
bei der Katheterablation zu verzichten.
unter weniger Verwendung von Röntgenstrahlen,
durchgeführt werden können. Außerdem ermöglicht die Darstellung der Erregungsausbreitung am
Computer in vielen Fällen eine Katheterablation
auch bei seltenen, schwierig zu verstehenden Formen von gutartigem Herzjagen, die z. B. nach Herzoperationen oder bei Patienten mit angeborenen
Herzfehlern auftreten können. Einige Systeme erlauben schon heute, die Katheterpositionen auf ein
zuvor angefertigtes Bild des Herzens (z. B. eine
Computertomographie oder Magnetresonanztomographie des Herzens) zu projizieren. Dies soll
schwierige Katheterablationen noch einfacher und
sicherer machen.
Was ist eine HochfrequenzKatheterablation?
Während der elektrophysiologischen Untersuchung
können durch eine Erwärmung der Katheterspitze mit Hochfrequenzstrom kleinste Areale des Herzens gezielt verödet, auf lateinisch abladiert, werden. Durch diese Technik, die sogenannte Hochfrequenz-Katheterablation, gelingt es in den meis-
Abb. 5: Vergrößerte Ansicht
eines Katheters für die Katheterablation.
Abb. 4: Computergestützte
Darstellung der kreisenden
Erregung während Vorhofflatterns mit dem CARTO ®System.
ten Fällen, zusätzliche Verbindungen zwischen Vorhof und Kammern und Schrittmacherzentren am
falschen Ort gezielt zu zerstören. Dadurch kann
die endgültige Heilung von plötzlichem Herzjagen
in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle erreicht
werden. Seit der Einführung dieser Methode vor
rund 15 Jahren konnten schon viele tausend Patienten vollständig von ihrer Neigung zum Herzjagen geheilt werden.
Neben der Hochfrequenz-Katheterablation werden in sehr seltenen Fällen auch andere Energiequellen, z. B. Kälte, zur Ablation von gutartigem
Herzjagen eingesetzt.
len die spezifischen Risiken nicht unerwähnt bleiben: Für die Plazierung der Katheter sind Röntgenstrahlen erforderlich. Das bedeutet eine Strahlenbelastung. Außerdem kann es zu Blutergüssen an
den Stellen kommen, an denen Katheter in Blutgefäße eingeführt werden. Durch die Verödungen
(Ablation) können in sehr seltenen Fällen der Herzmuskel oder die Blutgefäße an Stellen geschädigt
werden, die nicht Ziel der Ablationsbehandlung
sind. Dies kann dazu führen, dass ein Herzschrittmacher oder eine Gefäßstütze (Stent) eingesetzt
werden muss. Auch sind in seltenen Fällen Schlaganfälle beobachtet worden. Insgesamt ist die Gefahr ernsthafter Komplikationen so gering, dass die
Katheterablation die Behandlung der ersten Wahl
für die meisten Formen von gutartigem Herzrasen
darstellt.
Ist die Katheterablation schmerzhaft?
Ist die Katheterablation gefährlich?
Die Katheterablation ist eine invasive Maßnahme,
d. h. man muss oft mehrere Katheter ins Herz einführen, und daher ist dieses Verfahren nicht ohne
Risiken. Das Gesamtrisiko ist klein. Dennoch sol-
Die Verödung mit Hochfrequenzstrom kann zu unangenehmen Brennen in der Brust, manchmal auch
zu Brustschmerzen führen. Daher erhält der Patient in der Regel vor der Ablation sowohl ein Beruhigungs- wie ein Schmerzmittel.
27
Gibt es Medikamente, die das Auftreten
von Herzjagen verhindern können?
Das Auftreten von Herzjagen kann in einigen Fällen durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten verhindert werden. Diese Medikamente (z. B. Betablocker, Calciumantagonisten vom
Verapamil-Typ, Natriumkanalblocker und Kaliumkanalblocker) wirken, indem sie die Leitung der
elektrischen Erregung zwischen Vorhof und Kammer verlangsamen oder kurzzeitig unterbinden,
oder indem sie die falschen (ektopen) Schrittmacherzentren hemmen. In einigen Fällen gelingt
es, die Anfälle vollständig zu unterdrücken, in anderen Fällen werden die Anfälle durch die Medikamentenwirkung seltener, kürzer und erträglicher. Wie bei der Katheteruntersuchung müssen
Nutzen und Risiken der Medikamentenbehandlung
im Einzelfall gegeneinander abgewogen werden.
Die oben erwähnten Manöver zur Beendigung eines Anfalls von Herzjagen (s. Tab. 2, S. 24) wirken
übrigens ähnlich wie die Medikamente, die Herzjagen beenden: Durch tiefes Atmen oder das Trinken von kaltem Wasser werden bestimmte Nerven,
insbesondere der sogenannte Vagus, angeregt. Dadurch kommt es zu einer kurzzeitigen Verlangsamung, eventuell sogar zur Unterbrechung der
Erregungsleitung im AV-Knoten und letztendlich
zur Beendigung des Herzjagens.
Zusammenfassung
Gutartiges Herzjagen ist eine relativ häufige
Herzrhythmusstörung, die durch die
genaue Kenntnis der Anfälle und
des Elektrokardiogramms in
Ruhe und während eines
Anfalls vom normalen schnellen Herzschlag während Anstrengung oder Aufregung und von anderen Herzrhythmusstörungen in der Regel unterschieden werden kann. In manchen Fällen ist es
dagegen erst durch eine elektrophysiologische
Herzkatheteruntersuchung möglich, gutartiges von
gefährlichem Herzjagen zu unterscheiden.
Wenn gutartiges Herzjagen festgestellt wird, ist es
durch eine Hochfrequenz-Katheterablation oft
möglich, die Ursache des Herzjagens dauerhaft zu
beseitigen. Diese Maßnahme ist sinnvoll und notwendig, wenn die Anfälle häufiger auftreten
und/oder mit erheblichen Beschwerden einhergehen. Alternativ oder beim sehr seltenen Nichtgelingen der Ablation kann eine dauerhafte Medikamenteneinnahme zur Verhinderung oder Linderung der Beschwerden erwogen werden. In leichten Fällen genügt es manchmal, Techniken zu
erlernen, die die Anfälle beenden, oder Medikamente zur Beendigung mit sich zu führen.
Die Beschwerden, unter denen Annette A. leidet,
lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit durch
eine Hochfrequenz-Katheterablation beheben,
dann kann sie auch wieder Auto fahren.
Das Stolperherz: Extrasystolen
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Berndt Lüderitz, Bonn
Im Jahre 1713 publizierte Valentini in der von ihm in Frankfurt
herausgegebenen Medicina novantiqua ein „Schema pulsuum“.
In Form eines Notenblattes ist
folgendes zu erkennen: Der gleichmäßige Puls (Pulsus aequalis)
und der ungleichmäßige Puls
(Pulsus inaequalis); der tanzende
oder hüpfende Puls, der am
ehesten das Stolperherz repräsentiert (Pulsus caprizans, eigentlich:
launenhaft, eigenwillig)
und schließlich der doppelschlägige Puls, der Pulsus dicrotus.
Herzstolpern heißt in der medizinischen Fachsprache Palpitation und bedeutet eigentlich Herzzucken, Herzklopfen. Umgangssprachlich werden
auch die Bezeichnungen Herzkasper oder Herzklabastern und ähnliches verwendet. Äußerungen
wie „Mir blieb vor Schreck das Herz stehen.“; „Vor
Angst (oder Freude) schlug mir das Herz bis zum
Halse.“ zeigen, wie sehr das Stolperherz in allen
Varianten im Volksmund verbreitet ist. So kann das
Herz auch im Volkslied wie in der Dichtkunst klopfen und schlagen, hämmern und pochen, flimmern
und flattern, zittern und stocken und sogar stehenbleiben. Dabei handelt es sich stets um das unangenehme Bewusstwerden der eigenen Herzaktionen, wie es sowohl bei Gesunden wie bei Herzkranken beobachtet werden kann.
Insgesamt können die subjektiv empfundenen
Herzaktionen bei Herzklopfen sowohl verlangsamt,
beschleunigt oder unregelmäßig sein. Sie sind prinzipiell nur sicher zu interpretieren, wenn sie durch
eine Herzstromkurve, ein Elektrokardiogramm,
aufgezeichnet wurden. Herzstolpern wird nach Extraschlägen aus den Herzvorhöfen oder – häufiger
– nach solchen aus den Herzkammern mit verlängerten Pulsabständen gespürt. Vielfach lässt sich
die Ursache gar nicht erfassen. Insofern wurde diese Form des Herzstolperns von dem berühmten
Rhythmusspezialisten Wenckebach als Unfug der
Natur bezeichnet.
Zur Geschichte des Stolperherzens
Seit alters her beeindruckt wohl kaum ein Symptom den Patienten und den Arzt mehr, als der unregelmäßige Herzschlag. Wie eng Leben und Herzrhythmus zusammenhängen, lässt sich bereits bei
Friedrich II., dem „Großen”, erfahren. Wenn er in
einem Brief an seine Schwester Wilhelmine, den
er als Kronprinz 1738 verfasste, schrieb: „... ich
fürchtete Erstickungsanfälle, am meisten aber belästigen mich Schlaflosigkeit und unerträgliches
Herzklopfen ...”, dann ist dieses Herzklopfen wohl
nicht Folge einer Herzkrankheit, sondern eher Ausdruck einer unsteten, zerrissenen Natur.
Obwohl die Messung der Pulse seit dem Altertum
in Mitteleuropa allgemein bekannt war, konnte der
Puls erst, nachdem die Uhr mit Sekundenzeigern
um das Jahr 1700 erfunden worden war, genau gemessen werden. Aber erst Willem Einthoven (1860
– 1927) hat mit der Elektrokardiographie begon29
nen, Herzrhythmusstörungen zu erfassen (Abb.
S. 34). 1895 hatte er ein in seinem Labor mit dem
Kapillarreflektometer aufgezeichnetes und ein konstruiertes Elektrokardiogramm angegeben, das alle
Details heutiger Elektrokardiogramme aufwies
(Abb. S. 34). Das konstruierte Elektrokardiogramm
zeigte fünf Wellen, für die Einthoven die Bezeichnungen P, Q, R, S, T einführte, die noch heute verwendet werden. 1902 leitete Einthoven erstmals
Elektrokardiogramme mit dem Saitengalvanometer ab, wobei er eine sehr gute Übereinstimmung
mit den zuvor konstruierten Kurven fand. 1924 erhielt Einthoven für seine Pionierarbeiten über den
Mechanismus des Elektrokardiogramms den Nobelpreis.
sche Symptom bei Vorhofflimmern, das den Patienten zum Arzt führt (s. Tab. S. 31). Vorhofflimmern gilt als die verbreitetste Rhythmusstörung.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass etwa
800 000 Patienten in Deutschland an Vorhofflimmern und damit zum großen Teil am Stolperherzen leiden. In der Europäischen Union sind schätzungsweise 4,5 Mio. Menschen von Vorhofflimmern betroffen.
Als Ursachen des Vorhofflimmerns sind zu nennen:
Herzklappenfehler, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Schilddrüsenüberfunktion, Herzinfarkt
und Alkohol. In etwa 10 % der Fälle lässt sich keine Ursache feststellen.
Diagnostik des Stolperherzens
Ursachen des Stolperherzens
Grundlagen des Stolperherzens sind meist Extraschläge aus den Vorhöfen oder Kammern des Herzens (Extrasystolen). Es finden sich auch doppelschlägige Extrasystolen oder Salven wie auch
anfallsweise Formen der Pulsbeschleunigung, Herzjagen oder ein (krankhaft) verlangsamter unregelmäßiger Puls. Dieses Herzstolpern kann beim Gesunden auftreten, emotional hervorgerufen durch
Stress, Aufregung, Angst, Freude oder Nervosität,
aber natürlich auch beim herzkranken Patienten
mit koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt, Herzklappenfehler und degenerativen Erkrankungen,
bei Schilddrüsenüberfunktion, bei Unfällen und
Operationen, bei Kaliummangel und anderen Elektrolytstörungen. Schließlich bei Medikamentenüberdosierung bzw. Vergiftung (z. B. mit Digitalis
aus dem Fingerhut) und als Nebenwirkung verschiedener Arzneimittel. Nicht zuletzt können die
Genussgifte Alkohol, Koffein und Nikotin zu Extrasystolen und somit zum Stolperherzen führen.
Eine weitere wichtige Ursache des Stolperherzens
ist das Vorhofflimmern, d.h. das völlig unkoordinierte, unregelmäßige schnelle Zucken der Herzvorhöfe, das zu einem unregelmäßigen Puls mit
unterschiedlich langen Pausen führt. Herzstolpern
ist mit etwa 75 % das bei weitem häufigste klini30
Am Anfang stehen die Beschwerden (s. Tab., S. 31),
die den Patienten zum Arzt führen. Hier stellt sich
dann die Frage: Liegt überhaupt eine Rhythmusstörung vor? Die subjektiven Angaben des Patienten und die objektiven Befunde sind also mit Herzrhythmusstörungen in Verbindung zu bringen. Im
Einzelnen ist nach Vorhofflimmern, nach Extraschlägen und anderen Rhythmusstörungen zu fahnden, die sich mit dem Begriff Stolperherz bezeichnen lassen.
Das Elektrokardiogramm weist in vielen Fällen bereits den Weg zur Diagnose. Das einfache EKG als
Dokumentation der Herzrhythmusstörung kann
ergänzt werden durch ein Belastungs-EKG, um
krankhaft erniedrigte Herzschlagfolgen (z. B. sogenannte pathologische Bradykardie) zu erkennen oder belastungsabhängige Extraschläge, die
in den Vorhöfen oder Hauptkammern des Herzens
ihren Ursprung haben, zu beurteilen. Die größte
Bedeutung bei der Aufklärung von Herzrhythmusstörungen kommt dem 24-Stunden-Langzeit-EKG
zu.
Da die meisten Herzrhythmusstörungen nur gelegentlich auftreten, wächst die Zahl krankhafter Befunde mit der zeitlichen Dauer der Dokumentation. Vielfach ist in diesem Zusammenhang ein
Symptome des Stolperherzens
(nach Häufigkeit)
Herzklopfen (Palpitationen)
Kurzatmigkeit
Schwitzen
Brustbeschwerden, Druckgefühl
Müdigkeit
Übelkeit, Kopfschmerzen
Angst
Schwindel
verstärktes Wasserlassen
keine Beschwerden (selten)
Rhythmusstreifen im EKG hilfreich, d. h. mehrere
Minuten währende EKG-Ableitungen mit möglichst
gut erkennbaren Vorhoferregungen und niedriger
Papiervorschubgeschwindigkeit. Gelingt mit dem
Rhythmusstreifen die Diagnose nicht, so ist ein
Langzeit-EKG anzufertigen, das in den meisten Fällen dann die Diagnose zulässt. Wenn nicht, ist eine
weitergehende Herzdiagnostik eventuell unter Einschluss einer Katheteruntersuchung angezeigt.
Sechstel des Krankheitsbildes zu ergründen, d. h.
das Grundleiden zu identifizieren, zu behandeln
und damit die symptomatische Spitze über Wasser
zum Schmelzen zu bringen.
Zur Behandlung des Stolperherzens
1. Das durch Extraschläge bedingte Stolperherz
ohne zugrundeliegende Erkrankung (eine Ausschlussdiagnose!) braucht nicht behandelt zu werden – es sei denn, heftige Beschwerden erzwingen eine Therapie. Dann kommen z. B. Betablocker in Frage.
Sonst ist das Grundleiden der Patienten, z. B. koronare Herzkrankheit, Schilddrüsenerkrankungen,
Hochdruck etc. zu behandeln. Nur in hartnäckigen Fällen, wenn die Rhythmusstörung das Leben
sehr belastet, können Rhythmusmittel im engeren
Sinne verordnet werden, die wegen ihrer möglichen Nebenwirkungen jedoch nicht unkritisch
genommen werden sollten. Eine Lebensverlängerung wird dadurch nicht erreicht, häufig aber eine
Verbesserung der Lebensqualität.
2. Ist das Stolperherz durch Vorhofflimmern oder
eine andere Rhythmusstörung verursacht, so geht
es auch hier zunächst darum, die zugrundeliegende Erkrankung zu therapieren. Der Arzt behandelt
nicht das EKG, sondern den leidenden Patienten.
Dabei sind Herzrhythmusstörungen für sich genommen keine eigene Krankheit, sondern nur
Symptom oder Komplikation eines zugrundeliegenden Leidens, das meist eine Herzerkrankung
ist. Insofern stellen die Rhythmusstörungen, Extrasystolen ebenso wie Vorhofflimmern und andere
Rhythmusstörungen, nur die Spitze des Eisbergs
über Wasser dar. Es obliegt dem behandelnden
Arzt, die gleichsam unter Wasser liegenden fünf
32
Zugleich sollte jedoch versucht werden, das Vorhofflimmern zu beseitigen und den normalen regelmäßigen Herzrhythmus wiederherzustellen.
Dies geschieht elektrisch (z. B. durch Elektroschock
von außen oder im Herzen selbst, in besonderen
Fällen durch ein Elektroschock-Schrittmachersystem) oder mit Medikamenten, die dann meist auf
Dauer eingenommen werden müssen. Ist eine Regularisierung nicht zu erreichen, so sollte durch
Rhythmusmittel wenigstens eine annähernd normale Herzschlagfolge zwischen 60 und 90 Schlägen pro Minute wiederhergestellt werden. Wichtig ist bei Vorhofflimmern die blutverdünnende, d. h. gerinnungshemmende Therapie,
um Gerinnsel mit nachfolgenden Gefäßverschlüssen (Embolien) zu vermeiden.
Die medikamentöse Therapie
der Herzrhythmusstörungen
(z. B. Extrasystolie und
Vorhofflimmern als Ursache des Stolperherzens) setzte – historisch gesehen –
erst mit der systematischen Erprobung pflanzlicher
Inhaltsstoffe ein.
Der französische
Arzt Jean-Baptiste Sénac (1693 –
1770) hat bereits
1749 auf die günstige Wirkung des
Chinins bei Herzklopfen hingewiesen
Pulsanalyse im alten Tibet
(17./18. Jahrhundert). Ausschnitt aus einer tibetischen
Bildtafel (Thangka) im Hospital für traditionelle tibetische
Medizin in Lhasa. Ende des
17. Jahrhunderts wurden in
Tibet bereits in höchst differenzierter Weise Pulse gemessen.
Auch den unregelmäßigen
Herzschlag, das „Herzstolpern“,
kannte man bereits.
und damit eine Substanz genannt, die später für die Behandlung von Vorhofflimmern eingesetzt wurde, obwohl dieses
bitter schmeckende weiße Kristall
der Chinarinde seit der Mitte des
17. Jahrhunderts hauptsächlich als
Malaria-Mittel verwendet wurde.
Das von den Matrosen auf den
nach Südostasien fahrenden
Schiffen zur Vorbeugung gegen
Malaria getrunkene chininhaltige Bitterwasser wurde zur
Geschmacksaufbesserung mit
Genever und später mit Gin vermischt und entwickelte sich danach zu dem bekannten Gesellschaftsgetränk Gin-Tonic. Zu
beobachten war, dass bei den
Seefahrern deutlich weniger
Herzrhythmusstörungen auftraten. Aber erst 1914 beschrieb Karel Frederick Wenckebach, wie er durch die
Gabe von 1 g Chinin Vorhofflimmern beseitigen konnte.
33
Willem Einthoven (1860 – 1927)
Tendenzen heute
Aufzeichung eines Elektrokardiogramms
mit Kapillarelektrometer (oben)
und konstruiertes Elektrokardiogramm
mit P-, Q-, R-, S- und T-Wellen.
Durch Walter Frey wurde dann 1918 das Chinidin,
eine chemische Abwandlung des Chinin in die antiarrhythmische Therapie eingeführt. Heute stehen
uns zahlreiche moderne, hochwirksame und nebenwirkungsärmere pharmakologische Substanzen und auch elektrische Verfahren zur Verfügung.
Das Stolperherz ist daher in den allermeisten Fällen erfolgreich zu kontrollieren – sofern es überhaupt behandlungsbedürftig ist.
34
Immer mehr Menschen sind von Herzrhythmusstörungen betroffen. Entsprechend der
veränderten Alterspyramide werden die Menschen älter und ab dem 60. Lebensjahr plagt
viele von ihnen Herzstolpern oder ein langsamerer Herzschlag. Doch nicht nur alte Leute leiden an Rhythmusstörungen. Risikofaktoren wie Rauchen, übermäßiger Alkoholgenuss, Stress, Bluthochdruck oder Zuckerkrankheit können auch bei Jüngeren die
Symptome auslösen.
Der Umgang der Ärzte mit den Rhythmusstörungen wandelt sich. Mehrere Studien haben ergeben,
dass es in vielen Fällen besser wäre, mit leichtem
Herzstolpern, also dem Stolperherz, unbehandelt
zu leben, als potentiell nebenwirkungsbelastete
Medikamente dagegen einzunehmen. Im Notfall
oder bei schweren Störungen kann man natürlich
nicht auf Medikamente verzichten, doch grundsätzlich werden sie auch heute noch zu leichtfertig eingenommen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat ihren Anwendungsbereich eingeschränkt. Ein kritischer Umgang mit diesen Mitteln ist wichtig.
Schließlich ist zu bedenken, dass Rhythmusmittel
nicht die Ursache des Stolperherzens behandeln,
sondern nur gegen die Beschwerden wirken. Eine
Herzrhythmusstörung zu heilen, gelingt nur mit einer Therapie, die auf das Grundleiden ausgerichtet ist, das die Herzrhythmusstörung hervorgerufen hat.
Am häufigsten: Vorhofflimmern
Das vollständig arrhythmische Herz
Prof. Dr. med. Michael Oeff, Klinik für Innere Medizin I,
Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH, Brandenburg an der Havel
Vorhofflimmern ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Wie sie sich beim ersten Auftreten in vielen
Fällen äußert, zeigt die Geschichte des 51-jährigen
Norbert B.
Norbert B. kommt mit seinem anstrengenden Beruf
als Klimatechniker gut zurecht. Die Arbeit ist aufreibend, aber er hat Freude daran, und es bleibt
ihm auch genug Zeit, Freunde zu treffen, zu joggen und Rad zu fahren: Er ist ein gesunder, lebensfroher, vitaler Typ.
Diesen Abend jedoch ist alles anders. Norbert B.
fühlt sich plötzlich unruhig und schwach. Sein
Herz schlägt heftig bis in den Hals hinauf, und
als er die Treppe in seine Wohnung hinaufgeht,
spürt er eine ganz ungewohnte Luftnot. Jetzt
beginnt er, sich Sorgen zu machen. Was ist los mit
seinem Herzen? Es stottert in seinem Brustkorb wie
ein Motor mit zu hoher Drehzahl und heftigen
Fehlzündungen. Als er sich auf sein Bett legt, wird
es nicht besser. Wenn er in sich hineinhorcht,
bemerkt er unregelmäßiges Rattern verbunden mit
einem leichten Druckgefühl im Brustkorb und
Hals. Er tastet nach seinem Puls. Der Puls ist mal
kräftig, mal kaum mehr fühlbar. Die Pulsschläge
sind völlig unregelmäßig und sehr schnell. Er zählt
142 Schläge in der Minute. Auch in der Nacht normalisiert sich der Herzschlag nicht. Er ist froh, als
der Tag anbricht.
Wie sich am nächsten Morgen beim Arzt herausstellt, handelt es sich um eine sogenannte Arrhythmia absoluta, nämlich um einen vollständig unregelmäßigen Herzschlag bei Vorhofflimmern.
den, steigt mit dem Alter. Bei Menschen unter 50
Jahren liegt die Häufigkeit bei deutlich unter 1 %,
bei den über 60-Jährigen liegt sie bei 4 – 6 % und
bei den über 80-Jährigen bei 9 – 16 %.
Männer sind in jüngeren Jahren häufiger betroffen
als Frauen. Weil Frauen länger leben, gibt es jedoch
gleich viele männliche wie weibliche Patienten mit
Vorhofflimmern.
Beschwerden
Meistens tritt Vorhofflimmern so in Erscheinung:
Das Herz ist völlig außer Takt – chaotisch folgen
die Herzschläge aufeinander. Das Herz rast mit
einem Puls von bis zu 160 Schlägen pro Minute,
selten sogar noch schneller. Oft sind Herzstolpern
und Herzrasen verbunden mit innerer Unruhe,
Angstgefühlen, Abgeschlagenheit, einer Neigung
zu schwitzen, Atemnot und einer Einschränkung
der körperlichen Leistungsfähigkeit.
Patienten, die schon herzkrank sind, leiden häufig
besonders unter Atemnot, Brustschmerz und
Schwindel, denn ihr schon angeschlagenes Herz
kann die Herzrhythmusstörung schlechter vertragen.
Allerdings: Viele Menschen wissen nicht, dass sie
Vorhofflimmern haben. Vorhofflimmern tritt bei ihnen ohne Beschwerden auf und wird nur durch
Zufall beim Arzt entdeckt. Manchmal zu spät, nämlich erst dann, wenn Vorhofflimmern zu einem
Schlaganfall geführt hat.
Vorhofflimmern in vielfältiger Gestalt
Häufigkeit
Vorhofflimmern tritt so häufig auf, dass man von
einer Volkskrankheit spricht. Insgesamt leiden in
Deutschland 800 000 Menschen an Vorhofflimmern.
Das Risiko, von Vorhofflimmern betroffen zu wer-
In der Regel tritt Vorhofflimmern zunächst in
einem plötzlichen Anfall (akutes Vorhofflimmern)
auf. Die Herzrhythmusstörung beginnt plötzlich
und hört meist innerhalb von 24 Stunden, seltener
auch nach 48 bis 72 Stunden ebenso plötzlich
35
oben: EKG-Ableitung im Herzen (linker Vorhof) bei Vorhofflimmern
wieder auf. Wenn
unten: Oberflächen-EKG bei Vorhofflimmern
bei einem jungen
Menschen ein einmaliges Ereignis,
z. B. zuviel AlkoWas geschieht im Herzen?
hol, einen solchen Anfall ausgelöst hat, kann es bei
dieser einen Episode bleiben.
Bei Vorhofflimmern kreisen in den Herzvorhöfen
Meist aber hat diese Herzrhythmusstörung die
elektrische Erregungswellen, die zu einer VorhofEigenschaft, wieder aufzutreten und chronisch zu
frequenz bis zu 350 Schlägen pro Minute führen.
werden. Zunächst tritt das Vorhofflimmern anfallsDann können die Vorhöfe sich nicht mehr zusamweise auf (paroxysmales Vorhofflimmern). Im weimenziehen, sie flimmern nur noch. An der Pumpteren Verlauf werden die Anfälle häufiger und je
leistung des Herzens können sie nicht mehr teilöfter sie auftreten, desto größer ist die Wahrscheinnehmen. Das leisten dann nur noch die Herzkamlichkeit, dass die Zeit bis zum nächsten Anfall sich
mern selbst. Damit entfällt bis zu 20 % der Herzverkürzt. Denn jeder Anfall von Vorhofflimmern
leistung.
Fatal wäre es, wenn die hohe Frequenz der Vorhat die Tendenz, das Herz elektrisch empfindlicher
höfe auf die Herzkammern übergeleitet würde.
zu machen.
Schließlich springt das Herz nicht mehr in den norZum Glück hat der AV-Knoten, die einzige elekmalen Herzrhythmus zurück, das Vorhofflimmern
trische Verbindung zwischen Vorhöfen und Herzbleibt bestehen (persistierendes Vorhofflimmern).
kammern, eine Wächterfunktion. Auch wenn er
Durch Medikamente oder durch eine Kardiovermit elektrischen Impulsen bombardiert wird, gibt
sion lässt sich der Herzrhythmus wieder normaer nur einem Teil dieser Impulse die Bahn zu den
lisieren. Bei der Kardioversion erhält der Patient
Herzkammern frei – das allerdings in unregelüber eine Infusion für wenige Minuten eine Kurzmäßigen Abständen. So entsteht in den Herzkamnarkose. Auf Brust und Rücken werden Elektromern eine ungeordnete, chaotische Herzschlagfolden aufgesetzt, die einen Stromschlag auf das Herz
ge, meistens mit hohen Frequenzen.
abgeben. Diese Behandlung ist absolut schmerzLiegt der normale Herzschlag zwischen 60 – 100
frei und hat in der überwiegenden Mehrzahl der
Schlägen pro Minute, so kann sich dieser bei VorFälle Erfolg. Allerdings kommt es häufig zu Rückhofflimmern auf bis zu 160 Schlägen und mehr steifällen.
gern.
Wenn Vorhofflimmern fortschreitet, kann ein ZuAllerdings kommt es auch vor, dass der AV-Knostand eintreten, in dem sich der Herzrhythmus jeten bei Vorhofflimmern zu sehr bremst, so dass die
dem Normalisierungsversuch widersetzt. Es kommt
Pulsfrequenz zu niedrig wird und zu einer sogezu Dauerflimmern (permanentes Vorhofflimmern).
nannten Bradyarrhythmia absoluta wird, die mit
einem Herzschrittmacher behandelt werden muss.
36
Ursachen
Störende elektrische Impulse, die Vorhofflimmern
hervorrufen können, kommen meist aus dem Bereich, in dem die Lungenvenen in die Hinterwand
des linken Vorhofs münden. Eine wichtige Rolle
für die Entstehung dieser Herzrhythmusstörung
spielt die Beschaffenheit des Herzmuskelgewebes.
Narben und Entzündungen verändern dessen
Struktur und bereiten dadurch den Boden für die
Entstehung von Vorhofflimmern. Insbesondere
Herzkrankheiten führen zu solchen schädigenden
Veränderungen des Herzmuskelgewebes: vor allem
der hohe Blutdruck, der bei fast 40 % der Patienten mit Vorhofflimmern vorliegt, aber auch die koronare Herzkrankheit, Herzklappenerkrankungen,
dilatative und hypertrophe Kardiomyopathie, Myokarditis. Auch eine Überfunktion der Schilddrüse
kann Vorhofflimmern verursachen. Chronische
Lungenerkrankungen und schwere Allgemeininfektionen gehen ebenfalls in erhöhtem Maße mit
dieser Rhythmusstörung einher.
Elektrokardioversion
Persistierendes Vorhofflimmern
vor Kardioversion
Bei etwa 10 % der Patienten finden sich jedoch keine Erkrankungen, die das Vorhofflimmern erklären können. In diesen Fällen sprechen die Ärzte
von idiopathischem, d. h. eigenständigem Vorhofflimmern (lone atrial fibrillation). Gerade bei Patienten mit Herzerkrankungen, aber auch bei Gesunden, gibt es Reize (sogenannte Trigger), die
Vorhofflimmern auslösen können: Alkohol, Schlafentzug, emotionaler Stress, Koffein, opulente Mahlzeiten.
Folgen
Vorhofflimmern an sich ist nicht lebensbedrohlich.
Aber es kann zu schwerwiegenden Folgen führen,
wenn es nicht behandelt wird.
Beim Vorhofflimmern verlangsamt sich die Geschwindigkeit des Blutflusses in den Vorhöfen. Dadurch entstehen Blutgerinnsel, besonders in einer
Ausbuchtung des Vorhofs, dem sogenannten Herzohr (s. Abb. S. 39). Werden diese Gerinnsel vom
Blutstrom mitgeschleppt, dann können sie Arterien verschließen. Besonders gefürchtet ist der Verschluss einer Gehirnarterie: Schlaganfall. Der
38
Sinusrhythmus
nach Kardioversion
Schlaganfall ist die größte Gefahr, die vom Vorhofflimmern ausgeht. Die Gefährdung ist jedoch
sehr unterschiedlich. Junge, herzgesunde Menschen mit Vorhofflimmern sind wenig gefährdet.
Alte, herzkranke Patienten haben ein hohes Risiko. Um sie vor dem Schlaganfall zu schützen, müssen konsequent gerinnungshemmende Medikamente gegeben werden (siehe im Einzelnen S. 65).
Eine weitere Gefahr besteht darin, dass das Herz
durch die schnelle Herzschlagfolge geschädigt wird,
so dass es zu einer Herzschwäche kommen kann.
Dieser Prozess kann schleichend erfolgen, aber
auch plötzlich zu einem akuten Herzversagen führen, wenn die hohe Pulsfrequenz wochenlang anhält. Man spricht dann von einer Tachymyopathie.
So ist es dem 44-jährigen Betriebswirt Gerhard W.
ergangen. Er hatte gemeinsam mit seiner Frau den
dringend benötigten Urlaub auf Mallorca angetreten. Schon in der Woche vor Urlaubsbeginn hatte er sich wenig leistungsfähig gefühlt. Trotz des
wunderbaren Wetters und eines exzellenten Hotels
wurde das Befinden nicht besser, im Gegenteil, er
hatte oft Mühe, Luft zu bekommen, nahm deutlich an Gewicht zu, die Beine wurden immer
Die Ultraschallaufnahme
zeigt ein Gerinnsel im linken
Vorhof, das im Blutstrom
mitgerissen einen Schlaganfall
verursachen kann.
Linker Vorhof
Wichtig: Bei Herzschwäche kann ein Anfall
von Vorhofflimmern den Krankheitszustand
akut verschlechtern. Das Vorhofflimmern
muss daher durch eine Kardioversion beendet werden.
Untersuchungen
Gerinnsel im
Vorhof bei
Vorhofflimmern
dicker. Aufgefallen war ihm, dass das Herz sehr
viel schneller als sonst schlug, aber darüber dachte er nicht weiter nach.
Erst Tage nach seiner Rückkehr suchte er den Arzt
auf. Der wies ihn sofort in eine Klinik ein: Ein
offenbar seit Wochen bestehender schneller unregelmäßiger Herzschlag bei Vorhofflimmern, eine
sogenannte Tachyarrhythmia absoluta, hatte zu
einer schweren Schwächung der Herzfunktion
geführt. Durch die andauernd hohe Herzschlagfolge und die damit verbundene Herzbelastung
war die Auswurfleistung des Herzens auf etwa
30 % verringert. In der Klinik wurde der Herzrhythmus durch eine Kardioversion regularisiert,
das Herz durch Medikamente entlastet. Zur Weiterbehandlung erhielt Gerhard W. einen Betablocker und eine Gerinnungshemmung wurde
eingeleitet.
Gerhard W. fühlte sich rasch besser. Die Pumpfunktion des Herzens hat sich aber erst nach vielen Monaten wieder erholt.
In vielen Fällen wird die Vorgeschichte, die
körperliche Untersuchung sowie ein RuheEKG die Diagnose des Vorhofflimmerns sichern. Das EKG gibt Auskunft über die elektrische Aktivität des Herzens. Dadurch lässt
sich Vorhofflimmern eindeutig diagnostizieren, z. B. während eines Anfalls.
Im Langzeit-EKG wird die Pulsschlagfolge bei
Vorhofflimmern unter Alltagsbedingungen
kontrolliert. Es können dadurch auch mehr
oder weniger lange Vorhofflimmerepisoden
bei sonst normalem Rhythmus entdeckt werden.
Bei nur selten auftretenden Episoden hilft sehr gut
ein Telemonitoring zur Diagnostik: Ein scheckkartengroßes EKG-Gerät trägt der Patient ständig bei
sich. Dieses registriert den Herzrhythmus, wenn
das Vorhofflimmern auftritt. Nach der Übertragung
des EKGs über ein normales Telefon wird es vom
Arzt ausgewertet. Selten auftretende Störungen
können damit erfolgreich identifiziert werden.
Blutuntersuchungen überprüfen die Nieren-, Leber- und Schilddrüsenfunktion ebenso wie die Elektrolyte Magnesium und Kalium.
Abgeklärt werden muss, ob eine Herzerkrankung
dem Vorhofflimmern zugrundeliegt: BelastungsEKG, Herzecho, evtl. auch die Herzkatheteruntersuchung können dies klären. Insbesondere ist dabei nach einem Herzklappenfehler, einem schlecht
eingestellten hohen Blutdruck, einer Verengung
der Herzkranzgefäße oder einer eingeschränkten
Pumpfunktion des Herzens (Herzschwäche) zu suchen. Bei jungen Patienten, bei erheblichen Beschwerden und bei bestimmten anderen Herzrhyth39
Herzfrequenzverlauf in einem Langzeit-EKG eines
Patienten mit zwei Episoden von anfallsweisem Vorhofflimmern. Eingefügte EKG-Streifen während Sinusrhythmus (links) und während Arrhythmia absoluta (rechts).
musstörungen wie z. B. Vorhofflattern oder WPWSyndrom (Wolff-Parkinson-White-Syndrom), ist
eine sogenannte elektrophysiologische Untersuchung erforderlich. Dabei können die elektrischen
Ströme, die durch das Herz fließen, direkt gemessen werden.
Auch die Lungenfunktion muss überprüft werden.
Therapie
Neu auftretendes Vorhofflimmern sollte den Patienten zum Arzt führen, möglichst innerhalb der
ersten 24, spätestens aber nach 48 Stunden, damit
die Rhythmusstörung abgeklärt und so rechtzeitig
behandelt werden kann, dass keine gefährlichen
Blutgerinnsel in den Herzvorhöfen entstehen.
Soll Vorhofflimmern erfolgreich therapiert werden,
kommt es darauf an, Herzkrankheiten wie Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Klappenerkrankungen, Kardiomyopathie, die als Ursache
der Herzrhythmusstörung in Frage kommen, zu
diagnostizieren und konsequent zu behandeln. Bei
einem großen Teil der Patienten handelt es sich
um einen hohen Blutdruck, der zuverlässig einge-
40
stellt werden muss. Dabei trifft es sich gut, dass Medikamente wie ACE-Hemmer und Sartane, die den
Blutdruck senken, nach neueren Erkenntnissen zugleich direkt das Vorhofflimmern günstig beeinflussen.
Anzumerken ist, dass Übergewicht nicht nur ein
Risikofaktor für hohen Blutdruck und andere Herzkrankheiten ist, sondern auch direkt das Risiko für
Vorhofflimmern erhöht. Um Vorhofflimmern zu
verhindern oder einzudämmen, sollte Normalgewicht angestrebt werden.
Heute stehen für die Behandlung von Vorhofflimmern viele spezielle Therapien zur Verfügung. Hier
hat es in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben. Das gilt für die Behandlung mit
n Medikamenten,
n nicht-medikamentösen Verfahren, bei denen
heute die Katheterablation von Vorhofflimmern
im Vordergrund steht,
n operativen Verfahren.
Der heutige Stand der verschiedenen Therapiemöglichkeiten wird in den folgenden Kapiteln erörtert. Dabei wird besonders auf die Probleme der
Gerinnungshemmung eingegangen.
Medikamente gegen Vorhofflimmern
Wirkungen, Nebenwirkungen, Pill in the Pocket
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Berndt Lüderitz, Bonn
Helfen Medikamente bei Vorhofflimmern? Wie steht es mit den Nebenwirkungen? Sind Medikamente überhaupt
nötig, wenn das Vorhofflimmern keine
oder nur wenige Beschwerden auslöst?
Kann man nicht auf sie verzichten?
Vorhofflimmern ist zwar nicht lebensbedrohend, kann aber schwerwiegende Folgen haben. Wichtige Gründe
sprechen dafür, Vorhofflimmern durch
Medikamente zu behandeln. Die Möglichkeiten der Rhythmustherapie sind
heute vielfältiger und effektiver, aber
auch komplizierter als noch vor wenigen Jahren. Sie hat folgende Ziele:
n Anfälle von Vorhofflimmern zu verhindern. Vorhofflimmern hat die Tendenz, sich
selbst zu verstärken und immer häufiger aufzutreten. Die Medikamente sollen diesen Prozess
aufhalten oder abbremsen.
n das Herz zu schützen, damit die Belastung durch
Herzrasen nicht zur Herzschwäche führt oder
eine bestehende Herzschwäche noch weiter
verschlimmert.
n die Beschwerden erträglicher zu machen und
die Lebensqualität zu verbessern – auch
dadurch, dass weniger Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte notwendig werden.
Da Vorhofflimmern meist durch andere Krankheiten verursacht wird, ist es wichtig, die Grunder-
krankung möglichst effektiv
zu behandeln. Zum Beispiel
muss der Bluthochdruck, der bei
der Entstehung von Vorhofflimmern eine so große Rolle spielt, gut
eingestellt werden. Dasselbe gilt für eine
gestörte Schilddrüsenfunktion, für Klappenund Lungenerkrankungen und für die koronare Herzkrankheit. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Therapie mit Rhythmusmedikamenten erfolgreich ist. Möglichkeiten und Grenzen dieser Therapie,
auch die neuen Entwicklungen, die sich
in den letzten Jahren ergeben haben, sollen im folgenden dargestellt werden.
Zwei Möglichkeiten
Für die Therapie mit Rhythmusmedikamenten
(Antiarrhythmika) gibt es zwei Möglichkeiten:
n die Rhythmuskontrolle: d. h. das Vorhofflimmern zu beseitigen und einen regelmäßigen
Herzrhythmus aufrechtzuerhalten;
n die Frequenzkontrolle: d. h. nur das Herzrasen
(die schnelle Herzschlagfolge von bis zu 160
Schlägen pro Minute) zu normalisieren, so dass
die Herzfrequenz in Ruhe zwischen 60 und 90
und unter Belastung zwischen 90 und 115 Schlägen pro Minute liegt. Das Vorhofflimmern selbst
wird belassen.
41
Rhythmuskontrolle: Rhythmuskontrolle ist vor allem bei Patienten sinnvoll, bei denen die Rhythmusstörung neu aufgetreten ist, und bei Patienten,
die durch den chaotischen Herzrhythmus ausgeprägte Beschwerden haben. Eine ganze Reihe von
Medikamenten steht dafür zur Verfügung. Sie haben verschiedene Wirkprofile und verschiedene
Nebenwirkungen. Eine genaue Diagnose, auch aller Begleiterkrankungen, ist Voraussetzung der Therapie.
Jedes Rhythmusmittel – Ausnahme Betablocker –
bringt ein großes Problem mit sich. Es kann selten
– im Bereich weniger Prozente – die Rhythmusstörung verstärken und lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen hervorrufen – am häufigsten zu Beginn einer Therapie. Deshalb wird die Therapie
mit Herzrhythmusmedikamenten mit besonderen
Vorsichtsmaßnahmen eingeleitet (s. Nebenwirkungen S. 45).
Zunächst werden fast immer Betablocker (Metoprolol, Bisoprolol) eingesetzt, weil sie keine Herzrhythmusstörungen auslösen. Sie sind die Grundlage der Therapie. Reicht ihre Wirksamkeit nicht
aus, werden zusätzlich andere Medikamente empfohlen. Um bestimmte Nebenwirkungen der anderen Rhythmusmedikamente abzumildern, werden oft die Betablocker – meist in niedriger Dosierung – weitergegeben. Die Tabelle gibt modifiziert die Empfehlungen der neuen Leitlinien zu
Vorhofflimmern 2006 der American Heart Association und European Society of Cardiology wieder. Die Entscheidung, welches Rhythmusmedikament gewählt wird, hängt von der begleitenden
Herzkrankheit ab, vor allem von der Leistungsfähigkeit des Herzens.
Liegt keine oder nur eine minimale Herzerkrankung
vor, wird Flecainid oder Propafenon empfohlen. Ist
damit kein Erfolg zu erzielen, kommt Amiodaron
in Betracht. Bei koronarer Herzerkrankung empfehlen die Leitlinien Sotalol, obwohl Sotalol wegen
seines Potentials Herzrhythmusstörungen auszulösen von vielen Herzspezialisten kritisch beurteilt
wird. Für Patienten mit schwerer Pumpschwäche
kommt als Medikament nur Amiodaron in Frage.
Vereinzelt werden in Deutschland noch Klasse IAAntiarrhythmika verordnet (Chinidin, Cordichin).
Empfehlungen zur medikamentösen Therapie bei Vorhofflimmern,
wenn ein regelmäßiger Herzrhythmus erreicht werden soll
Zunächst werden fast immer Betablocker eingesetzt. Sind sie unwirksam, werden die folgenden
Medikamente empfohlen:
1. Wahl
2. Wahl
keine oder minimale
Herzerkrankung
Flecainid
Propafenon
Amiodaron
oder Katheterablation
Bluthochdruck ohne deutliche
Vergrößerung der linken Herzkammer
Flecainid
Propafenon
Sotalol
Amiodaron
oder Katheterablation
Bluthochdruck mit deutlicher
Vergrößerung der linken Herzkammer
Amiodaron
Katheterablation
koronare Herzerkrankung
Sotalol
Amiodaron
oder Katheterablation
schwere Pumpschwäche
Amiodaron
Katheterablation
42
43
linker Vorhof
rechter Vorhof
rechte Herzkammer
linke Herzkammer
Vorhofflimmern
Diese Medikamente werden in dem Behandlungsschema der neuen Leitlinien nicht empfohlen.
Je früher das Vorhofflimmern behandelt wird, desto besser sind die Aussichten, dass Medikamente
weitere Anfälle verhindern können.
Auf Dauer lassen sich leider trotz mehrfachen Medikamentenwechsels und Dosissteigerung die Anfälle von Vorhofflimmern meist nicht verhindern.
Eine Neuerung ist, dass die Leitlinien bei Patienten
mit ausgeprägten Beschwerden, bei denen Medikamente nicht mehr helfen, die Katheterablation
(s. S. 48) als Routineverfahren empfehlen – zum Beispiel als Alternative zur Therapie mit Amiodaron.
Frequenzkontrolle: Dagegen ist die Frequenzkontrolle angebracht nach erfolgloser Rhythmuskontrolle sowie bei Patienten, denen das Vorhofflimmern keine Beschwerden bereitet, und bei Patienten, bei denen das Vorhofflimmern eine Pumpschwäche des Herzens hervorruft. Hier kommen
folgende Medikamente in Frage:
n Betablocker (Metoprolol, Atenolol, Esmolol)
n Calciumantagonisten (Verapamil, Diltiazem)
n Digitalisglykoside (Digoxin, Digitoxin)
n Sonstige (Amiodaron, Sotalol)
44
Für gesunde und leicht geschädigte Herzen sind
Betablocker und Calciumantagonisten die erste
Wahl, bei Patienten mit einem geschädigten Herzen (Herzschwäche) Digitalisglykoside. Wenn diese Medikamente oder eine Kombination dieser Medikamente nicht ausreichend wirksam sind, werden Amiodaron oder Sotalol eingesetzt.
Die Diskussion, bei welchen Patienten eine Aufrechterhaltung eines normalen Herzrhythmus angestrebt werden sollte, und bei welchen Kranken
lediglich die Herzfrequenz zu kontrollieren ist, wurde durch zwei richtungsweisende Studien nachhaltig belebt: einmal durch die AFFIRM-Studie und
zum anderen durch die RACE-Studie. Beide Studien zeigen eindeutig, dass die Frequenzkontrolle
im allgemeinen der Rhythmuskontrolle nicht unterlegen ist und dass die Wiederherstellung des
normalen Herzrhythmus nicht um jeden Preis erzwungen werden sollte.
Die Erfahrung zeigt, dass sich Patienten in aller Regel ans Vorhofflimmern gewöhnen, wenn die Frequenz normal ist. Dazu braucht es allerdings Geduld. Es können viele Monate vergehen, bis eine
vollständige Gewöhnung erreicht ist.
Vorhofflimmern:
Oberflächen-EKG (oben)
EKG aus dem rechten Vorhof (unten)
Nebenwirkungen
Antiarrhythmika haben Nebenwirkungen wie
alle wirksamen Medikamente. Da sie die Besonderheit haben, dass sie in seltenen Fällen paradoxerweise das Vorhofflimmern verstärken oder sogar zu anderen bedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen, müssen vor Einleitung der Therapie die Voraussetzungen gründlich abgeklärt
werden. Bei jedem Patient muss sorgfältig der Nutzen der Therapie gegen ihr Risiko abgewogen
werden.
Bei Patienten mit Herzerkrankungen sollte die
Behandlung mit Herzrhythmusmedikamenten –
Ausnahme Betablocker – in der Klinik eingeleitet und überwacht werden, damit lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, die unter Umständen auftreten, mit einem Elektroschock beendet werden können. Bei Patienten ohne begleitende Herzerkrankung ist die Einleitung der
Therapie Sache des Kardiologen. Die regelmäßige Verlaufskontrolle kann auch beim Internisten
oder Hausarzt erfolgen.
Der Organismus muss genug Kalium und Magnesium aufweisen, weil das Herz sonst für Rhythmusstörungen anfällig wird. Während einer
Behandlung mit Herzrhythmusmitteln sollten
Kalium und Magnesium regelmäßig überprüft
werden, am besten im Abstand von zwei bis drei
Monaten.
Auf die Schilddrüsenfunktion, die Funktion der
Nieren und die Leistungsfähigkeit des Herzens
muss geachtet werden, um nicht Nebenwirkungen der Antiarrhythmika zu provozieren.
Für die Wahl des Medikamentes ist die Sicherheit
des Patienten ausschlaggebend. Besonders gut
verträglich sind Betablocker, aber oft reichen sie
nicht aus, um Vorhofflimmern zu unterdrücken.
Sotalol nimmt eine Sonderstellung ein. Es ist effektiver als die reinen Betablocker, aber das wird
erkauft mit der typischen Eigenschaft der Antiarrhythmika, in seltenen Fällen erhebliche Herzrhythmusstörungen hervorzurufen. Flecainid und
Propafenon sind wirkungsvoll, setzen aber voraus, dass der Patient nicht an einer Pumpschwäche des Herzens oder an einer koronaren Herzkrankheit leidet. Amiodaron ist besonders effektiv und kann auch bei Patienten mit schweren
Herzkrankheiten eingesetzt werden, ohne dem
Herzen zu schaden. Aber auf lange Sicht und vor
allem in höheren Dosierungen hat es gelegentlich schwerwiegende Nebenwirkungen, die es
nötig machen, den Patienten sorgfältig zu überwachen: z. B. Funktionsstörung der Schilddrüse
und Leber, Lichtempfindlichkeit der Haut und Ablagerungen in der Hornhaut. Deshalb sind engmaschige Kontrolluntersuchungen in dreimonatigen Abständen notwendig.
45
Begleitmedikamente
Von Nutzen ist häufig eine bestimmte Begleitmedikation. Erst jüngst ergaben sich Hinweise dafür, dass cholesterinsenkende Statine bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit dem Vorhofflimmern vorbeugen.
Sartane (Angiotensin-II-Rezeptor-Antagonisten)
verringern das Auftreten von Vorhofflimmern einschließlich Rückfällen, vermutlich weil sie verhindern, dass sich die Vorhöfe des Herzens strukturell verändern. Entsprechende Befunde liegen für
die Wirkstoffe Candesartan, Valsartan und Irbesartan vor – speziell in Kombination mit Amiodaron.
Ähnliche Wirkungen sind von den ACE-Hemmern
zu erwarten.
Neue Medikamente?
Bisher gibt es kein ideales Medikament gegen Herzrhythmusstörungen. Die Therapie ist oft ein mühsamer Prozess, der in vielen Fällen auch das Wechseln der Medikamente erfordert, weil Patienten auf
die Medikamente nicht ausreichend ansprechen
oder die Nebenwirkungen zu groß sind. Deshalb
richten sich die Hoffnungen auf die Entwicklung
neuer Arzneimittel. Eine Reihe neuer Substanzen
zur Behandlung von Vorhofflimmern wird zurzeit
in großen Studien erprobt. Zu diesen Studienmedikamenten zählen Azimilide, Dofetilide, Dronedarone, Tedisamil, Ambasilide und andere. Leider
steht der definitive Nachweis, dass sie überzeugend wirken und weniger Nebenwirkungen haben als die bisher verwandten Antiarrhythmika,
noch aus. Dofetilide ist in den USA zugelassen,
aber die Herstellerfirma plant nicht, diesen Wirkstoff in absehbarer Zeit in Deutschland auf den
Markt zu bringen.
Pill in the pocket
Bei Anfällen von Vorhofflimmern (paroxysmales
Vorhofflimmern) hat das neue Konzept der Pill in
the pocket-Therapie für herzgesunde Patienten besonderes Interesse gefunden. Die in der Tasche
des Patienten mitgeführte Rhythmuspille wird nur
bei einem Anfall, nicht auf Dauer, eingenommen.
46
Mit der Rhythmuspille lässt sich der normale, regelmäßige Rhythmus meist innerhalb von einer bis
zwei Stunden wiederherstellen. Die Erfolgsquote
liegt heute bei mehr als 80 %.
Voraussetzung für einen sinnvollen Einsatz der Therapie ist, dass die Anfälle nicht zu oft auftreten,
maximal zwei- bis dreimal im Monat, und Beschwerden verursachen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen werden vor allem Flecainid und Propafenon
empfohlen. Patienten mit einem Körpergewicht unter 75 kg nehmen einmal 200 bis 300 mg Flecainid
oder einmal 600 mg Propafenon ein, sobald Vorhofflimmern auftritt. Amiodaron kommt nicht in Frage,
da die Wirkung zu langsam eintritt.
Die erste Anwendung muss im Krankenhaus oder
in der kardiologischen Praxis erfolgen, um sicherzustellen, dass keine lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen entstehen. Der Patient darf die
festgelegte Dosis auf keinen Fall selbständig ändern oder gar das Medikament von sich aus wechseln. Deshalb kommen für die Therapie nur Patienten in Betracht, von denen zu erwarten ist, dass
sie sich strikt an die Vorgaben der Ärzte halten.
Wenn das Vorhofflimmern nach sechs bis acht Stunden nach Einnahme des Medikaments nicht verschwindet oder wenn Nebenwirkungen auftreten
(krankhafte Pulsverlangsamung oder -beschleunigung, Schwindel, Bewusstlosigkeit), muss der Patient den Arzt oder die Klinik aufsuchen.
Der Vorteil besteht darin, dass statt der üblichen
Dauertherapie Medikamente nur gelegentlich –
nämlich im Anfall – eingenommen werden. Weniger Medikamente bedeuten auch weniger Nebenwirkungen. Die Blutverdünnung wird genauso
durchgeführt, wie es sonst bei Vorhofflimmern nach
den Leitlinien gehandhabt wird (s. S. 65 ff.).
Das Pill in the pocket-Prinzip kommt nicht in Frage bei Herzkrankheiten, Pulsverlangsamung, Erregungsleitungsstörungen, Alter über 75 Jahre, Nieren- und Leberfunktionsschwäche, Schwangerschaft oder Kaliummangel sowie Unverträglichkeit
oder Gegenanzeigen bei bestimmten Rhythmusmitteln.
Welche Ergebnisse die Pill in the
pocket-Therapie auf lange Sicht
hat, ist noch nicht bekannt. Aber
schon heute ist dieses Verfahren
eine wesentliche Bereicherung
der Behandlungsmöglichkeiten
von anfallsweisem Vorhofflimmern.
Begünstigende Faktoren
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Übergewicht Vorhofflimmern begünstigt. Maßgeblich ist der
Bauchumfang, der bei Männern 94 cm und bei Frauen
80 cm nicht überschreiten
sollte. Eine Normalisierung
des Gewichts unterstützt die
Therapie. Sie ist eine Maßnahme
mit nur positiven Nebenwirkungen.
Ein zweiter Punkt ist Alkohol. Die
Herzvorhöfe sind besonders empfindlich gegen Alkohol. Deswegen sollte,
wer unter Vorhofflimmern leidet, auf jeden Fall alle scharfen, hochprozentigen
Alkoholika wie Schnäpse, Liköre, Cocktails, Whisky, Gin, etc. unbedingt meiden. Wer aus Gründen der Lebenslust
nicht ganz auf Alkohol verzichten
will, dem empfehle ich Weinschorle
oder, wenn er schon ein Glas Wein genießen will, dazu reichlich Mineralwasser zu trinken.
Ein Wort zur körperlichen Aktivität:
Manche Menschen sind durch Vorhofflimmern so verängstigt, dass sie
sich möglichst wenig bewegen. Das
ist falsch. Auf Bewegung sollte auf
keinen Fall verzichtet werden, außer, wenn schwere Herzkrankheiten wie Kardiomyopathie
oder Myokarditis körperliche
Schonung erfordern. Besonders
zu empfehlen ist Bewegung, die
auf Ausdauer angelegt ist, tägliches Spazierengehen, Radfahren, Joggen, Nordic Walking,
Schwimmen.
Alternativen
Wenn Medikamente nicht oder nicht mehr
helfen, steht die heutige Medizin nicht mit
leeren Händen da. In den letzten Jahren
haben sich alternative Verfahren, vor
allem die sogenannte Katheterablation, vielversprechend entwickelt.
Mit Hochfrequenzstrom werden
Herzmuskelbereiche so verödet,
dass Isolationslinien in den Herzvorhöfen entstehen, die die Ausbreitung des Vorhofflimmerns verhindern (s. S. 48).
Eine Ergänzung kann die Hybridtherapie sein: Denn bei 10 – 20 % der Patienten kommt es unter antiarrhythmischer
Therapie des Vorhofflimmerns zu einem Umschlag in Vorhofflattern.
Dieses kann relativ einfach durch eine
Katheterablation beseitigt werden
(s. S. 70). Bei geeigneten Patienten kann
durch die Hybridtherapie in 90% der
Fälle ein normaler Herzrhythmus erreicht werden. Nachteil dieser Therapie ist, dass die Behandlung mit
Antiarrhythmika zur Verhinderung
des Vorhofflimmerns weitergeführt
werden muss.
47
Vorhofflimmern:
wenn Medikamente nicht mehr helfen
Heilung durch Katheterablation
Prof. Dr. med. Gerhard Hindricks und Prof. Dr. med. Hans Kottkamp,
Leitende Ärzte, Abteilung für Rhythmologie, Universitätsklinik Leipzig/Herzzentrum
Joseph H. stellt die schwarze Reisetasche ab und
setzt sich auf die Bettkante. Unsicher und etwas
angespannt sieht er sich um. „Schon wieder im
Krankenhaus, dieses verdammte Vorhofflimmern“,
denkt er. Sein Kardiologe hatte ihm als Therapie
eine Katheterablation vorgeschlagen und ihn dafür in eine Klinik mit besonderer Erfahrung in der
Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingewiesen. Er hatte Joseph H. Mut gemacht, weil dadurch heute bei vielen Patienten mit Vorhofflimmern eine Heilung erreicht werden kann. „Heilung
von Vorhofflimmern – nie wieder Vorhofflimmern“,
dachte Joseph H. und wollte es kaum glauben. Aber
fest entschlossen, den Eingriff durchführen zu lassen, war er noch nicht. Er wollte sich zuvor ein Bild
von den Möglichkeiten, den Erfolgsaussichten und
auch den Risiken der Katheterablation machen.
Was hatte er nicht alles schon versucht, um das Vorhofflimmern loszuwerden? Joseph H. denkt zurück: 1997 die ersten kurzen Anfälle von Vorhofflimmern. 20 Minuten bis maximal zwei Stunden
hatten die Episoden von Vorhofflimmern zunächst
gedauert und waren im ersten Jahr immer wieder
von selbst in einen normalen Herzrhythmus zurückgesprungen. Damals hatte er noch über Wochen, manchmal über Monate völlige Ruhe. Zwei
Jahre später hatten die Anfälle deutlich zugenommen. Zunächst einmal im Monat, dann jede Woche, teilweise auch mehrfach in der Woche über
viele Stunden Vorhofflimmern. Joseph H. fiel es
dann schwer, wie gewohnt in seinem Beruf als Betriebsschlosser zu arbeiten. Immer, wenn das Vorhofflimmern auftrat und das Herz raste, war er körperlich nicht belastbar, die Luft blieb einfach weg.
Und zusätzlich diese innere Unruhe, die es ihm unmöglich machte sich zu konzentrieren.
48
Dann hatte er Rhythmusmedikamente bekommen
(Antiarrhythmika). Innerhalb der ersten sechs Monate lief es relativ gut. Das Vorhofflimmern trat viel
seltener auf, und die Anfälle waren kürzer. Aber
der Behandlungserfolg war leider nicht von Dauer. Kurz vor Ostern war die Rhythmusstörung trotz
der Medikamente wieder heftig aufgetreten. Als
nach einer Woche immer noch kein normaler Herzrhythmus zurückgekehrt war, empfahl ihm sein
Kardiologe eine Kardioversion (Elektroschockbehandlung). Sie war erfolgreich, und Joseph H.
erinnert sich gut, wie erleichtert er damals gewesen war. Doch die Freude hielt nicht lange an. Bereits drei Tage später – wieder Vorhofflimmern.
„Wir müssen ein stärkeres Medikament einsetzen,
um den Rhythmus zu stabilisieren“, sagte ihm sein
Kardiologe. Joseph H. stimmte zu und nahm die
stärkeren Medikamente ein, obwohl er deren Nebenwirkungen fürchtete. Nach einigen Monaten
Ruhe trat das Vorhofflimmern trotzdem wieder auf.
Joseph H. war verzweifelt. „Jetzt gibt es nur noch
zwei Möglichkeiten, den Herzrhythmus in den Griff
zu bekommen“, sagte der Kardiologe. Entweder
die AV-Knotenablation, bei der die elektrische
Überleitung von Vorkammern auf Hauptkammern
komplett durchtrennt wird, oder die Katheterbehandlung des Vorhofflimmerns.
Nach einer AV-Knotenablation muss, um den Herzrhythmus zu steuern, in jedem Fall ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Das wollte Joseph H.
nicht. Ihn interessierte die Katheterablation, zumal
der Kardiologe ihm gesagt hatte: „Da hat sich in
den letzten Jahren wirklich viel getan. Dieses Verfahren wird zunehmend häufig angewandt.“
Joseph H. wollte es genau wissen: Was ist eine Katheterablation bei Vorhofflimmern? Für wen kommt
sie in Frage? Wie geht der Eingriff vor sich? Was
sind die Erfolge? Was die Risiken?
Neuland
Vorhofflimmern wird ausgelöst durch zusätzliche
elektrische Impulse aus den Lungenvenen – das
haben wissenschaftliche Untersuchungen gezeigt.
Die Katheterablation hat zum Ziel, mit Hochfrequenzstrom Herzmuskelzellen so zu veröden, dass
Isolationslinien im Herzen entstehen, die die Ausbreitung dieser störenden Impulse blockieren und
damit auch das Vorhofflimmern verhindern.
Diese Behandlungsmethode wurde vor etwa zehn
Jahren neu eingeführt. Über die Jahre hat sich das
Verfahren ständig weiterentwickelt und breitere
Anwendung gefunden. Heute wird die Katheterablation von Vorhofflimmern in spezialisierten Zentren weltweit jährlich bei tausenden Patienten
durchgeführt. Trotz der zunehmenden Verbreitung
bleibt die Katheterablation von Vorhofflimmern zunächst noch Neulandmedizin.
Neulandmedizin bedeutet, dass ein Verfahren wie
z. B. die Katheterablation von Vorhofflimmern noch
nicht so lange eingesetzt wird, dass die Möglichkeiten und Risiken im Langzeitverlauf vollständig
bekannt sind. Neulandmedizin hat jedoch nichts
mit einem Experiment zu tun. Die bei der Katheterablation von Vorhofflimmern eingesetzten Technologien sind seit vielen Jahren erprobt und ihre
Wirksamkeit und Behandlungssicherheit sind gut
belegt. Trotzdem bleiben immer Risiken bestehen,
die Arzt und Patient bewusst gemeinsam tragen
müssen.
49
Punktionsnadel
linker Vorhof
Wirbelsäule
Ablationskatheter
Rechte
Herzkammer
Koronarvenensinuskatheter
Zwerchfell
Herzscheidewand
A
Abb. 1: Der Weg in die linke Vorkammer (Transseptale Punktion): Auf der Abbildung A erkennt man rechts die Wirbelsäule
und unten Anteile des großen Atemmuskels (Zwerchfell). Zwei
Elektrodenkatheter sind im Herzen plaziert. Ein Katheter befindet sich in der rechten Hauptkammer, ein zweiter Katheter in
einer großen Herzvene (Sinus coronarius). Links erkennt man
Zwerchfell
die spitze Nadel, die mit einem kleinen Ruck durch ein dünnes
Häutchen in der Herzvorhofscheidewand vorgeführt wird.
Über die kleine Nadel wird dann ein weicher Kunststoffschlauch in der linken Herzvorkammer plaziert und über den
Kunststoffschlauch kann letztlich der Verschorfungskatheter
in die linke Vorkammer eingebracht werden (Abbildung B).
Für welche Patienten?
Wie wird es gemacht?
Zur Behandlung von Vorhofflimmern kommt in
erster Linie eine medikamentöse Therapie in Frage. Durch die regelmäßige Einnahme von rhythmusstabilisierenden Medikamenten (Antiarrhythmika) wird versucht, das Herz im normalen Rhythmus, dem Sinusrhythmus, zu halten. Häufig kann
der Herzrhythmus über einige Zeit, manchmal auch
über viele Jahre durch Medikamente stabilisiert
werden. Wenn trotzdem Rhythmusstörungen auftreten, kann ein Versuch mit einem anderen, vielleicht etwas stärkeren Medikament gemacht werden. Aber was tun, wenn Medikamente nicht mehr
helfen – insbesondere bei Patienten, die unter Vorhofflimmern erhebliche Beschwerden wie Herzstolpern, Herzrasen, Luftnot oder auch Schwindelgefühl, Brustschmerzen und Angst haben?
Die Katheterablation wird heute fast ausschließlich bei Patienten eingesetzt, bei denen ganz massive Beschwerden aufgrund des Vorhofflimmerns
bestehen und bei denen Medikamente die Rhythmusstörung nicht mehr in den Griff bekommen.
Die Katheterablation von Vorhofflimmern sollte
nur in einem spezialisierten und ausgewiesenen
Rhythmuszentrum durchgeführt werden, da die
sichere Durchführung der Behandlung viel Erfahrung voraussetzt. Ein Krankenhausaufenthalt von
drei bis fünf Tagen ist erforderlich.
Welche Voruntersuchungen sind nötig? Neben der
Aufzeichnung eines Ruhe-EKGs und eines Belastungs-EKGs wird das Herz mit Hilfe des Ultraschalls
(Echokardiographie) sowohl durch den Brustkorb
als auch über die Speiseröhre untersucht. Zur
Durchführung der Ultraschalluntersuchung über
die Speiseröhre (transösophageale Echokardiographie) muss ein dünner Ultraschallschlauch geschluckt werden. Diese Untersuchung ist etwas unangenehm, aber in aller Regel ungefährlich. Sie ist
notwendig, um mögliche Veränderungen im Herzen beurteilen zu können und auch, um Blutgerinnsel (Thromben), die sich bei Patienten mit Vorhofflimmern im Herzen bilden können, zu erkennen. Außerdem kann vor der Durchführung der
Katheterablation eine Herzkatheteruntersuchung
50
B
erforderlich sein, um eine möglicherweise bestehende Herzerkrankung (z. B. koronare Herzkrankheit) aufzudecken.
Nach Abschluss der Voruntersuchungen wird die
Katheterablation im Herzkatheterlabor durchgeführt. Der Eingriff dauert etwa zwei bis vier Stunden. Um den Patienten so schonend wie möglich
zu behandeln, werden Medikamente gegeben, die
ihn in einen Dämmer- oder Schlafzustand versetzen. Dann werden von der Leiste aus mehrere millimeterdünne Kunststoffschläuche (Katheter) zum
Herzen vorgeschoben und dort plaziert. Mit diesen Kathetern kann der Kardiologe die elektrischen
Ströme, die durch das Herz fließen, aufzeichnen
und beurteilen. Die eigentliche Behandlung erfolgt
dann mit dem sogenannten Ablationskatheter. Auch
dieser Spezialkatheter wird von der Leiste aus eingeführt und im Herzen in der linken Herzvorkammer (linker Vorhof) plaziert. Um die linke Vorkammer zu erreichen, muss der Katheter durch die
Herzscheidewand (Septum) gebracht werden. Dies
geschieht durch eine Herzscheidewandpunktion
(transseptale Punktion, s. Abb. 1): Dabei wird die
Herzscheidewand von der Leiste aus mit einer sehr
dünnen Nadel durchstochen. Über diese Nadel
wird ein weicher Schlauch in die linke Herzvorkammer vorgeschoben und über den Schlauch der
Ablationskatheter plaziert.
Mit Hilfe von Hochfrequenzstrom werden Punkt
für Punkt Herzmuskelzellen verödet, so dass eine
Isolationslinie entsteht, die die Ausbreitung der
störenden elektrischen Impulse unterbricht und
dadurch das Vorhofflimmern verhindert (s. Abb. 2,
S. 52). Im wesentlichen werden die Übergangsbereiche zwischen der linken Vorkammer und den
Lungenvenen (Pulmonalvenen) elektrisch isoliert,
weil bekannt ist, dass sie für die Entstehung von
Vorhofflimmern verantwortlich sind. Die Isolationslinien werden in aller Regel nach einem vorgegebenen Schema gesetzt. Mit Hilfe modernster
Technologien, die eine millimetergenaue Steuerung des Ablationskatheters in der linken Herzvorkammer möglich machen, können die einzelnen
Verschorfungsimpulse exakt plaziert werden. Dieser Teil der Ablationsbehandlung dauert etwa
ein bis zwei Stunden. Der Arzt kann dabei durch die
Veränderungen der elektrischen Signale des Herzens erkennen, wie wirksam die Behandlung ist.
Damit sich während der Behandlung keine Blutgerinnsel am Ablationskatheter bilden, wird die
Blutgerinnung für die Dauer des Eingriffs mit
einem gerinnungshemmenden Medikament deutlich herabgesetzt. Nach Abschluss der Behandlung
werden die Katheter aus dem Herzen zurückgezogen, und der Patient wird noch im Herzkatheterlabor wieder wach. Anschließend wird er zur
Sicherheit einige Stunden auf einer Wachstation
beobachtet. Dort werden dann auch die Zugänge
in den Leisten (Schleusen) entfernt.
Erfolge und Risiken
Bei etwa 50 % der Patienten kann mit einem einzigen Eingriff das Vorhofflimmern beseitigt werden.
Bei anfallsartigem Vorhofflimmern (paroxysmales
Vorhofflimmern) sind die Erfolgschancen größer
als bei Vorhofflimmern, das schon Wochen und
Monate andauernd besteht.
Bei den Patienten, bei denen durch den ersten Eingriff keine ausreichende Unterdrückung des Vorhofflimmerns gelungen ist, wird in der Regel ein
zweiter Eingriff, in seltenen Fällen auch ein dritter
Eingriff erforderlich. Damit lässt sich die Erfolgsrate auf 70 – 80 % steigern. Auch bei den übrigen
Patienten ergibt sich oft eine deutliche Besserung
durch die Behandlung: Sie müssen zwar weiter
Rhythmusmedikamente nehmen, aber diese Medikamente, die vorher nicht mehr helfen konnten,
sind jetzt wirksamer.
Der Behandlungserfolg stellt sich bei einem Teil
der Patienten bereits direkt nach der Ablationsbehandlung ein. Bei diesen Patienten tritt nach der
Ablation gar kein Vorhofflimmern mehr auf. Bei einem anderen Teil der Patienten kommt es insbesondere innerhalb der ersten zwei bis vier Wochen
nach der Behandlung zu weiteren Anfällen von
Vorhofflimmern. In diesen Fällen wird durch die
Gabe von Medikamenten versucht, den Rhythmus
weiter zu beruhigen. Oft gehen die Anfälle von
Vorhofflimmern zurück, und es kann im Verlauf
von Wochen – trotz des Auftretens von Vorhofflimmern direkt nach der Ablationsbehandlung – doch
noch eine vollständige Unterdrückung der Herzrhythmusstörung erreicht werden. Das bedeutet,
dass sich das Endergebnis der Behandlung erst
nach etwa drei Monaten sicher abschätzen lässt.
51
Abb. 2: Bei der Katheterablation von Vorhofflimmern wird
modernste Technologie eingesetzt. Die Abb. A zeigt eine Nachbildung des linken Vorhofs. Das „Loch“ in der Mitte der Abbildung entspricht der Herzklappe, die zwischen linkem Vorhof
und linker Hauptkammer liegt (Mitralklappe). Die bunten
Röhren sind Nachbildungen der Lungenvenen, die die Verbindung zwischen Herz und Lunge herstellen. Im Übergangsbereich zwischen den Lungenvenen und dem linken Vorhof sind
Die Katheterablation von Vorhofflimmern ist heute in geübter Hand erfolgreich und sicher durchführbar. Bei etwa 95 % der Patienten treten keine
Komplikationen auf. Dennoch ist der Eingriff natürlich nicht ohne Risiken:
n In den Wochen und Monaten nach dem Eingriff
kann sich eine Verengung oder gar ein Verschluss einer Lungenvene entwickeln. Das zeigt
sich dadurch, dass beim Patienten Atemnot bei
Belastung, Husten oder auch eine Anfälligkeit
für Lungenentzündung auftreten. Bei diesen
Beschwerden kommt es darauf an, dass der
Patient sofort die Klinik, die die Katheterablation durchgeführt hat, aufsucht, denn die Verengung muss unverzüglich behandelt werden,
sei es durch eine Aufdehnung oder durch das
Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent). Das Risiko
für eine Verengung der Lungenvenen beträgt
etwa zwei Prozent.
n Ein weiteres Risiko der Katheterablation besteht
darin, dass es durch den Eingriff zu einem
Schlaganfall kommen kann, weil die erhitzte
Katheterspitze die Bildung von Blutgerinnseln
begünstigt. Das Risiko für einen Schlaganfall
liegt bei etwa zwei Prozent. Um dieser Gefahr
52
sehr häufig die „Fehlzündkerzen“ lokalisiert, die das Vorhofflimmern auslösen. Um die Anatomie jedes einzelnen
Patienten originalgetreu bearbeiten zu können, wird in
einem zweiten Schritt (Abb. B) ein Bild des linken Vorhofs,
das am Vortag mit Hilfe von Computertomographie erstellt
wurde, über die Nachbildung des linken Vorhofs gelegt, so
dass beide Anteile optimal zueinander passen.
vorzubeugen, wird die Blutgerinnung durch
Medikamente gehemmt.
n Sehr selten bildet sich eine Fistel, d. h. eine Verbindung zwischen Speiseröhre und Vorhof,
durch die Luft in das Herz eindringen kann –
eine Komplikation, die fast immer zum Tod
führt. Bisher sind weltweit nur wenige solcher
Fälle (weniger als 30) bekannt. Daher ist das
Risiko für diese Komplikation als sehr gering
anzusehen.
n Bei der Durchführung der transseptalen Punktion kann eine Blutung in den Herzbeutel auftreten (Herzbeuteleinblutung oder Perikardtamponade). Diese Blutung kann in aller Regel
durch das sofortige Absaugen des Blutes problemlos beherrscht werden. In sehr seltenen
Fällen macht die Blutung aber auch eine Herzoperation notwendig. Das Risiko dieser Komplikation liegt unter einem Prozent.
Bei der Risikoabwägung ist zu bedenken, dass auch
die Behandlung des Vorhofflimmerns durch rhythmusstabilisierende Medikamente nicht risikolos ist.
Auch hier muss mit schwerwiegenden Komplikationen bei etwa ein bis zwei Prozent der behandelten Patienten gerechnet werden.
Der Abbildungsteil C zeigt das Verschmelzen beider Anteile.
Der Untersucher weiß jetzt genau, wie der linke Vorhof
des Patienten aussieht und kann die Ablation beginnen.
Die roten Punkte zeigen die ersten Verödungszonen. Wie
an einer Kette werden die einzelnen Verödungspunkte
aufgereiht, um möglichst kontinuierliche elektrische Blocklinien zu schaffen. Der Abbildungsteil D zeigt das Ergebnis
einer Ablationsbehandlung: Jetzt sind die elektrischen
Blocklinien, die um die Lungenvenen gelegt worden sind,
komplett zu erkennen. (Die Lungenvenen sind in dieser
Abbildung gelöscht worden, um eine bessere Sicht auf die
Ablationslinien zu ermöglichen.) Die rosa Punkte zeigen
an, dass hier sehr vorsichtig gearbeitet wurde, weil sich
eine große Nähe zur Speiseröhre gezeigt hatte.
Wie geht es weiter?
Welche Alternativen gibt es?
Nach der Katheterablation bleibt der Patient noch
etwa zwei bis drei Tage im Krankenhaus. Zur Überwachung des Herzrhythmus werden regelmäßig
EKGs abgeleitet. Außerdem wird die Herzfunktion
noch einmal durch eine Ultraschalluntersuchung
geprüft. Beim unkomplizierten Verlauf geht es nach
etwa drei Tagen nach Hause. Innerhalb der ersten
Monate muss die Blutverdünnung fortgeführt werden, um das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln
zu verringern. Außerdem werden in den ersten
Wochen nach der Katheterablation regelmäßig
Langzeit-EKGs durchgeführt, um beurteilen zu können, ob jetzt tatsächlich ein normaler Herzrhythmus besteht. Wenn das durchgehend nachgewiesen ist, kann einige Monate nach der Ablation in
Absprache mit dem behandelnden Arzt die Blutverdünnung wieder abgesetzt werden. Erst dann
ist das volle Behandlungsziel erreicht: durchgehend normaler Herzrhythmus, keine Blutverdünnung. Rhythmusmedikamente werden nicht mehr
gebraucht.
AV-Knotenablation: Ziel der AV-Knotenablation ist
es, die elektrische Verbindung zwischen dem flimmernden Vorhof und den Herzkammern, den AVKnoten, zu durchtrennen. Der Vorhof wird von den
Kammern elektrisch abgeschnitten. Das Verfahren
ist einfach, relativ rasch und sicher durchführbar.
Die Katheterablation des AV-Knotens dauert etwa
30 Minuten. Ein wesentlicher Unterschied zur direkten Ablation von Vorhofflimmern besteht in der
Tatsache, dass bei der Katheterablation des AVKnotens das Vorhofflimmern nicht direkt behandelt wird, sondern nur die Auswirkungen des Vorhofflimmerns auf die Herzkammern. Das bedeutet, dass das Vorhofflimmern langfristig weiter bestehen bleibt. Dementsprechend ist in fast allen
Fällen nach der Katheterablation des AV-Knotens
eine Blutverdünnung (s. S. 65 ff.) notwendig. Außerdem muss nach der Katheterablation des AVKnotens in allen Fällen ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Es besteht eine lebenslange Abhängigkeit vom Herzschrittmacher. Dieser Eingriff
kann nicht rückgängig gemacht werden, ein einmal durchtrennter AV-Knoten wird immer durchtrennt bleiben.
53
Vorkammern im Flimmern
AV-Knoten
Hauptkammern
in absoluter Arrhythmie
vorher:
Herzschrittmacher
Vorkammern im Flimmern
Hauptkammern im
regelmäßigen
Schrittmacherrhythmus
Abb. 3: Vorhofflimmern vor
und nach AV-Knotenablation.
Der unregelmäßige und
schnelle Herzschlag (etwa
140 Schläge pro Minute) ist
vor der Ablation im EKG gut
zu sehen. Nach der Ablation
werden die Hauptkammern
von einem Herzschrittmacher
stimuliert. Der Herzschlag
ist jetzt deutlich langsamer
(etwa 60 Schläge pro Minute)
und regelmäßig.
nachher:
54
Aufgrund der immer besser werdenden Behandlungsergebnisse der direkten Ablation von Vorhofflimmern wird die AV-Knotenablation heute nur
noch selten durchgeführt. Diese Prozedur sollte
nur in Betracht gezogen werden, wenn das Vorhofflimmern zu einer sehr schnellen und unregelmäßigen Herzschlagfolge im Bereich der Herzkammern führt, Medikamente das Herzrasen nicht ausreichend kontrollieren können und wenn eine direkte Katheterablation des Vorhofflimmerns nicht
in Frage kommt.
Diese Methode kommt heute fast ausschließlich
bei älteren Patienten, die die Risiken der Direktkatheterablation von Vorhofflimmern nicht eingehen möchten, in Betracht. Jüngeren Patienten mit
Vorhofflimmern sollte dieses Verfahren in aller Regel nicht empfohlen werden.
Herzschrittmacherstimulation: In den letzten Jahren wird zunehmend versucht, durch eine gezielte Herzschrittmacherstimulation im Bereich der
Vorhöfe die Häufigkeit und/oder Dauer von Vorhofflimmern positiv zu beeinflussen. Dabei wird
versucht, das Auftreten von Vorhofflimmern dadurch zu verhindern, dass bestimmte Rhythmus-
muster, z. B. Extrasystolen, die einem Anfall vorausgehen können, durch spezielle Schrittmacherprogramme unterbrochen werden (vorbeugende
Stimulation).
Das Einsetzen eines Herzschrittmachers nur mit
dem Ziel, das Auftreten von Vorhofflimmern zu
verhindern, ist in der Regel nicht gerechtfertigt.
Eine solche Therapie kommt nur in Frage bei
Patienten, die ohnehin, z. B. wegen eines kranken
Sinusknotens, einen Schrittmacher erhalten. Bei
solchen Patienten kann in bis zu 30 % der Fälle das
Vorhofflimmern günstig beeinflusst werden.
Fazit
Wenn Medikamente nicht mehr helfen, stellt die
Katheterablation einen wesentlichen Fortschritt für
die Therapie des Vorhofflimmerns dar. Patienten,
die trotz medikamentöser Behandlungsversuche
unter Vorhofflimmern sehr leiden, sollten die Katheterablation als attraktive, weil heilende Behandlungsmethode bereits heute in Betracht ziehen. Für
die Zukunft ist zu erwarten, dass sich diese Therapie als Behandlung der ersten Wahl für diese Patienten durchsetzen wird.
Blutdruckmessung bei Herzrhythmusstörungen
Die Blutdruckmessung ist bei Herzrhythmusstörungen dann erschwert, wenn entweder in kurzen Abständen gehäuft Extraschläge (Extrasystolen) auftreten oder Vorhofflimmern mit einer unregelmäßigen
Kammertätigkeit besteht. Das vom Herzen ausgeworfene Blut (Schlagvolumen) kann sich dann von
Schlag zu Schlag ändern und damit erreicht auch der systolische Blutdruck von Schlag zu Schlag eine
andere Höhe.
Was bedeutet eine unregelmäßige Herztätigkeit für die Blutdruckmessung? Hierbei muss die Messung
mit dem Stethoskop und die automatische (oszillometrische) Messung der heute meist verwendeten Blutdruckmessgeräte unterschieden werden. Besteht ein unregelmäßiger Herzschlag, kann man bei einmaliger Messung mit dem Stethoskop zufällig in eine Herzaktion mit einem besonders niedrigen oder besonders hohen systolischen Blutdruck geraten. Deshalb soll man bei der Blutdruckmessung mit dem Stethoskop mehrere (vier bis sechs) Messungen vornehmen und aus diesen Messungen einen Mittelwert
bilden, um unterschiedliche Messwerte auszugleichen.
In den meisten Geräten mit automatischer Blutdruckmessung wird die Unregelmäßigkeit des Pulsschlags
nicht angezeigt, so dass es bei einer nur einmaligen Messung zu einer fehlerhaften Blutdruckmessung
kommen kann. Neuerdings sind zwei Geräte auf den Markt gekommen, die eine Unregelmäßigkeit
des Pulsschlags anzeigen und damit auf die Notwendigkeit mehrfacher Blutdruckmessung hinweisen:
OMRON M5 Professional und boso-medicus uno.
Nach wie vor ist die Blutdruckmessung bei Herzrhythmusstörung am genauesten durch mehrmalige
Messungen mit dem Stethoskop und der Berechnung des Mittelwertes aus vier bis sechs Messungen. Ob
die automatische Blutdruckmessung mit den beiden genannten Blutdruckmessgeräten bei Herzrhythmusstörungen gleich gute Ergebnisse liefert, muss noch überprüft werden.
Prof. Dr. med. Dieter Klaus
55
Vorhofflimmern: eine lange Geschichte
Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Universitäres Herzzentrum Hamburg,
Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie
Seit etwa 20 Jahren nervt mich diese Rhythmusstörung. An das erste, vorübergehende Auftreten kann
ich mich nicht mehr genau erinnern. Es muss vor
mehr als 20 Jahren gewesen sein, als ich noch Oberarzt in Freiburg war. Vom Fühlen des Pulses und
vom Empfinden des Herzschlags war die Diagnose für mich klar. Ein EKG zu schreiben, hielt ich
erst nach wiederholtem Auftreten für notwendig.
Es bestätigte meine Diagnose: eindeutig Vorhofflimmern, offensichtlich anfallsweise, sogenanntes paroxysmales Vorhofflimmern.
Mir ging es nicht anders als meinen Patienten: Zuerst glaubte ich an ein einmaliges oder ganz seltenes Ereignis, dann an vermeidbare Auslöser der
Anfälle und daraus folgende Vermeidungsstrategien. Was zunächst zu helfen schien, war auf längere Sicht unwirksam: Vermeidung jeglichen Alkohols und Kaffees, Vermeidung von Schlafmangel
und Extrembelastung. Da die Anfälle jeweils nur
wenige Stunden andauerten und nur etwa einmal
im Monat auftraten, ließ ich der Natur ihren Lauf –
vielleicht auch ein bisschen mit Verdrängung der
Realität und in dem Bewusstsein, als Herzspezialist alles im Griff zu haben.
Innerhalb der nachfolgenden Jahre kam es zu einer allmählichen Zunahme von Häufigkeit und
Dauer der Anfälle. Das Ende jedes Anfalls war wie
eine Erlösung: Herzklopfen, ausgesprochenes Unwohlsein und Beklemmungsgefühl in der Brust mit
Atemnot verschwanden jeweils schlagartig. Selbstverständlich: Der zwischenzeitlich festgestellte hohe
Blutdruck wurde zunächst mit Betablockern, später zusätzlich mit ACE-Hemmern und letztlich mit
Angiotensin-Rezeptorblockern behandelt. Magnesium und Kalium im Blut wurden kontrolliert und
über Monate zugeführt.
Dann: Vor etwa drei Jahren schien ein Anfall überhaupt nicht enden zu wollen. Ich ging in „meine
Klinik“, um ein Belastungs-EKG sowie ein Echo56
kardiogramm machen zu lassen. Beide waren in
Ordnung, aber der linke Vorhof im Echo doch
schon etwas vergrößert. Unmittelbar während des
Belastungs-EKGs – auf der höchsten Belastungsstufe – trotz Vorhofflimmerns 200 Wattsekunden –
kam es schlagartig zum Umspringen in den normalen Rhythmus. Rein zufällig? Oder lag hier ein
therapeutischer Ansatz? Wiederholt konnte ich Vorhofflimmern durch hohe Belastungen beenden.
Aber dann war diese Technik nach einigen Monaten nicht mehr erfolgreich.
Nun blieb auch mir – wie meinen Patienten – nichts
anderes als eine medikamentöse Therapie. Ich
begann mit Flecainid. Zunächst war das Antiarrhythmikum wirksam. Dann aber nicht mehr. Es
war wie verhext. Die Anfälle kamen zunehmend
häufiger. Ich musste die Dosis steigern.
Unter hoher Dosierung gab es zunächst nur noch
selten Anfälle. Aber beim Umspringen von Vorhofflimmern in den Sinusrhythmus hatte ich ein ungutes Gefühl mit kurz andauerndem Schwindel
und auch einmal nahezu mit Bewusstlosigkeit. Im
Langzeit-EKG konnte eine Pause von etwa vier
Sekunden beim Umschlagen von Vorhofflimmern
in Sinusrhythmus dokumentiert werden.
Das war vor etwa zwei Jahren. Naturgemäß stellte
sich für mich die Frage, was tun, wenn dieses
Medikament – wie andere (ich hatte es inzwischen
auch mit Propafenon probiert) – auch in hohen
Dosierungen nicht mehr wirksam ist.
Und dies trat rascher ein, als ich erwartet hatte. In
den Sommerferien 2004 auf Kreta bei optimaler
Entspannung, trotz maximaler Therapie mit Medikamenten, erlebte ich erneut lang dauernde Anfälle.
Nun hatte ich zum ersten Mal das Gefühl: Jetzt muss
etwas passieren, sonst hast du bald dauerhaftes
Vorhofflimmern. Mit einem Mal sah ich die Patienten mit Schlaganfall, vermutlich als Folge von Vorhofflimmern, mit anderen Augen: Das kann dich
Blick ins EPU-Labor
57
auch treffen. Du hast zwar noch nicht die kritische
Altersgrenze (65 Jahre) erreicht, aber zumindest
einen weiteren Risikofaktor für das Auftreten von
Schlaganfällen: den zwar behandelten, aber trotzdem im oberen Normbereich liegenden Blutdruck.
Der Schritt zur Gerinnungshemmung mit Marcumar fiel mir nicht leicht – nicht anders als meinen
Patienten. Aber ich ging ihn, denn das Risiko
eines Schlaganfalls erschien mir erheblich größer
als das von Blutungskomplikationen.
Gleichzeitig begann ich, über alternative Behandlungsverfahren nachzudenken. Ich war an dem
Punkt, über den ich häufig mit meinen Patienten
spreche: Noch ein letzter Versuch mit dem Medikament Amiodaron – wirksamer als alle anderen
Antiarrhythmika, aber auch gerade bei Dauertherapie mit schweren Nebenwirkungen belastet.
Amiodaron ist in meinem Alter allenfalls eine
vorübergehende Lösung.
Um überhaupt noch einmal für eine gewisse Zeit
im normalen Rhythmus zu bleiben, entschloss ich
mich zu Amiodaron. Während der Aufsättigungsphase (hohe Dosis in den ersten zwei Wochen der
Therapie) kam es bei mir zu einem unangenehmen – auch subjektiv als bedrohlich empfundenen
– Erlebnis. Plötzlich ging der Herzschlag aus völliger Unregelmäßigkeit – nachts im Hotel in Potsdam – in einen schnellen regelmäßigen Rhythmus
(etwa 130 – 140 Schläge/Minute) über. Mir wurde
ganz flau, ich stand nachts auf, setzte mich an den
Schreibtisch und arbeitete, um mich abzulenken.
Am nächsten Morgen ging ich gleich in die Medizinische Notaufnahme des St. Josef-Krankenhauses. Meine Verdachtsdiagnose (Amiodaron-induziertes Vorhofflattern) wurde im EKG bestätigt. Die
mir angebotene elektrische Kardioversion ließ ich
mit der Hoffnung, bald wieder in Sinusrhythmus
„umzuspringen“, nicht durchführen. Und tatsächlich, während der Heimfahrt von Berlin nach Hamburg, hatte ich im Zug plötzlich wieder Sinusrhythmus – doch nur für einige Stunden.
Kam für mich eine sogenannte Hybridtherapie in
Frage, bei der ein durch Rhythmusmedikamente
ausgelöstes Vorhofflattern durch eine Flatterabla58
tion (Isthmusblockade) beseitigt wird (s. S. 70)? Da
ich Amiodaron nicht langfristig einnehmen wollte, zog ich diese therapeutische Alternative nicht
ernsthaft in Erwägung.
Wie sollte es weitergehen?
Meine Empfehlung für die Patienten – zumindest
für die ohne zusätzliche schwere Herzkrankheit –
lautet: Ablationstherapie des Vorhofflimmerns. Dabei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem
Herzzellen gezielt so verödet werden, dass Herzrhythmusstörungen nicht mehr entstehen können
(s. S. 48). Ich entschied mich – aller Risiken bewusst (s. S. 51) – für die Ablation.
Eine Alternative wäre gewesen, Vorhofflimmern
im natürlichen Verlauf zunächst ohne Einnahme
von Rhythmusmitteln zu belassen und lebenslang
weiter Marcumar einzunehmen. Wahrscheinlich mit
zusätzlicher Gabe eines Betablockers, um die Kammerfrequenz entsprechend zu vermindern. Diese
Alternative hätte ich gewählt, wenn ich nicht durch
Vorhofflimmern massive Beschwerden (ausgesprochenes Unwohlsein, Beklemmungsgefühl in der
Brust, Atemnot) gehabt hätte.
Wohin zur Ablation?
In Deutschland gibt es nur wenige Zentren – ebenso wie in der übrigen Welt –, in denen große Erfahrungen mit der Ablation dieser Rhythmusstörung bestehen. Gott sei Dank aber einige! In die
früher von mir geleitete Klinik (St. Georg) wollte
ich ebenso wenig wie in die eigene (UKE). Weniger aus sachlichen als aus psychologischen Gründen.
Ich entschied mich für Bordeaux. Herzspezialisten
werden das verstehen. Diese Klinik ist eines der
weltweit führenden Zentren in der Elektrophysiologie und insbesondere der Ablationstherapie von
Vorhofflimmern. Hier wurden in dem von Prof.
Haissaguerre geleiteten Zentrum bahnbrechende
Fortschritte erzielt.
Auf dem Weg nach Bordeaux gab es noch Hindernisse: der Termin für die Ablation. Einmal entschlossen, wollte ich einen möglichst raschen Termin.
Außerdem sollte kurz vor der Ablation eine transösophageale echokardiographische Untersuchung
(durch die Speiseröhre) zum Ausschluss von Blutgerinnseln im linken Herzen erfolgen.
Schließlich war das geschafft, und ich machte mich
auf den Weg. Am Montag dann in das Centre Hospitalier Haut-Lévêque. Alles war gut organisiert,
vom Empfang direkt ins Bett. Innerhalb von 30 Minuten erfolgte EKG, Blutentnahme, Anlage eines
Venenzugangs, Rasieren und Waschen beider Leisten. Routiniert und rasch, aber durchaus persönlich und freundlich mit angenehmem Ton der Mitarbeiter auch untereinander, wurde alles erledigt.
Dann der berühmte, das darf man sagen, da jedem
Kardiologen der Welt bekannt, Chef der Arrhythmieeinheit Prof. Michel Haissaguerre, freundlich,
zugewandt lächelnd, ohne jede Starallüren. Ein
paar kurze Fragen, am Ende „Sie sind ja bestens
über alles informiert, dann kann es ja gleich losgehen“.
Der Eingriff
Schon auf der Station bekam ich ein Beruhigungsmittel. Bei vollem Bewusstsein kam ich in den elektrophysiologischen Operationssaal (sog. EPULabor): vom Bett direkt auf den Kathetertisch, Desinfektion beider Leisten, Abdecken mit sterilen Tüchern und Anlage der EKG-Elektroden. Ich sah jetzt
alles auf einmal von der anderen Seite. Ich hatte
Zeit herumzuschauen. Die Röntgenanlage war nicht
das allerletzte Modell, dafür aber waren alle elektrophysiologischen Apparate auf dem neuesten
Stand. Ich selbst konnte das Durchleuchtungsbild
– mir so vertraut von vielen Patienten – ebenso mitverfolgen wie die EKG-Signale aus dem Herzen.
Noch ehe ich mir dessen richtig bewusst wurde,
spürte ich ein kurzes Brennen und Druckgefühl in
der rechten Leiste, schon waren die Elektrodenkatheter im Herzen. Auch vom Durchstechen der
Vorhofscheidewand spürte ich nichts.
Zunächst wurde das Gebiet im rechten Vorhof zwischen Trikuspidalklappe und unterer Hohlvene
(rechter Isthmus) abladiert (verödet). Diese Prozedur ist Routine. Ich muss eingeschlafen sein. Wach
wurde ich vom Gefühl eines raschen und kräftig
stolpernden Herzschlags. Man hatte Vorhofflimmern ausgelöst, das aber zunächst von selbst wieder stoppte. Zwischenzeitlich arbeitete Prof. Haissaguerre bereits im linken Herzen. Ich erkannte
auf dem Röntgenbildschirm den Lasso-Katheter zunächst in den beiden linken, anschließend in den
rechten Pulmonalvenen. Bei Abgabe von niederfrequentem Strom zur Isolation der Pulmonalvenen spürte ich jetzt Schmerzen, aber sie waren
erträglich. Vorhofflimmern ließ sich erneut auslösen, obwohl die Lungenvenen blockiert waren.
Also wurde nach weiteren Ursprungsorten des Vorhofflimmerns gesucht. Sie wurden nahe der flachen, ovalen Vertiefung in der rechten Seite der
Vorhofscheidewand geortet und ebenfalls verödet.
Schließlich – nach gut drei Stunden – war Vorhofflimmern nicht mehr auslösbar. Ende der Prozedur.
Am nächsten Morgen ging es mir sehr viel besser.
Die Schwestern hatten sich während der Nacht rührend um mich gekümmert. Puls, Blutdruck, EKG,
Druckverband kontrolliert, sogar Temperatur und
Körpergewicht wurden gemessen. Dreimal täglich
bekam ich Heparinspritzen unter die Bauchhaut,
weil Marcumar abgesetzt war.
Plötzlich, während eines leichten Mittagessens, erneut das Gefühl von Extrasystolen, zunächst selten, dann zunehmend häufiger. Gegen Abend kam
Prof. Haissaguerre noch einmal: „Sie haben viele
und zum Teil auch kurz angekoppelte Extrasystolen, außerdem kurze Salven, es kann also sein, dass
wir morgen noch einmal ran müssen“.
War es seine persönliche und fachliche Autorität
oder mein dringender Wunsch, das Vorhofflimmern los zu werden – ich dachte keinen Moment
daran, einen erneuten Eingriff zu verweigern oder
auch nur zu diskutieren. Außerdem war ich vor der
ersten Prozedur über die eventuelle Notwendigkeit eines zweiten Eingriffs aufgeklärt worden.
59
Am nächsten Morgen eröffnete mir Prof. Haissaguerre, womit ich ohnehin gerechnet hatte: „Heute Nachmittag machen wir einen zweiten Eingriff.“
Wahrscheinlich hatte sich die Leitung aus den rechten Pulmonalvenen teilweise erholt.
Selbst die immer länger werdende Wartezeit auf
die zweite Prozedur ließ mich nicht unruhig werden. Zu groß war mein Vertrauen in die behandelnden Ärzte. Alles andere wie Warten etc. war Nebensache. Sie werden sicher nicht Karten spielen
und mich deshalb warten lassen. Der Patient, der
derzeit auf dem Kathetertisch liegt, hat ebenso das
Recht auf eine vollständige und ausführliche Behandlung wie ich.
Und dann lag ich zum zweiten Mal auf dem Herzkathetertisch. Erneut wurde Vorhofflimmern durch
kurze Stromabgaben ausgelöst, diesmal aus einem
anderen Herd, dem Koronarvenensinus. Ablation
nun auch hier. Identifikation eines weiteren Herdes. Hier erneute Ablation. Dann endlich war Vorhofflimmern nicht mehr auslösbar. Ende der Prozedur, erneut drei Stunden Dauer. Die Schmerzen
in der Brust während der Stromabgabe waren unangenehm, aber erträglich.
Zunächst wurden die Therapie mit Heparin bzw.
Marcumar für die nächsten drei Monate und natürlich auch die blutdrucksenkende Therapie fortgesetzt. Der endgültige Therapieerfolg lässt sich erst
nach etwa drei Monaten beurteilen.
Am nächsten Tag verließ ich noch etwas erschöpft,
aber glücklich die Klinik.
Der Rückfall
Auf einen Rückfall von Vorhofflimmern war ich gefasst, daher durch erneut auftretende kurze Anfälle nicht allzu irritiert. Außerdem waren diese – im
Gegensatz zum Zeitpunkt vor der Ablation – viel
kürzer. Trotzdem war ich unzufrieden, ich wollte
einfach frei von Vorhofflimmerattacken sein und
dies ohne dauerhafte Therapie mit Rhythmusmedikamenten. Für mich bedurfte es keiner langen Überlegung, ich benötigte offensichtlich eine
weitere Ablationsprozedur, um die Neigung zu Vorhofflimmern endgültig zu beseitigen.
Etwa sechs Monate nach meiner ersten Behandlung ging ich erneut nach Bordeaux. Gleiche Kli60
nik, gleiche Station, gleiches Zimmer und Bett.
Kommentar der Schwestern: „Dass Sie so eine
Sehnsucht nach uns haben!“ Die etwa dreistündige
Prozedur – diesmal von Dr. Pierre Jaïs durchgeführt – verlief problemlos. Am Ende war anhaltendes Vorhofflimmern auch durch alle möglichen
Provokationsmaßnahmen nicht mehr auslösbar.
Und dies blieb auch in der Folgezeit so.
Seit dieser Zeit habe ich keine Attacken von Vorhofflimmern mehr gehabt – und das ohne jede antiarrhythmische Therapie. Einen solchen Zustand
habe ich seit 20 Jahren nicht mehr erlebt. Hierdurch
hat sich mein Leben verändert.
Was habe ich daraus gelernt?
Mein Krankheitsverlauf vom anfallsweisen zum
dauerhaften Vorhofflimmern ist offensichtlich normal. Der Zeitverlauf kann aber von Patient zu Patient unterschiedlich sein.
Da die Ablationstechnik sich erst in den letzten Jahren vom experimentellen zum klinischen Routineverfahren entwickelt hat, habe ich die Ablationsprozedur möglichst lange hinausgezögert. Wahrscheinlich wäre eine frühzeitigere Ablationstherapie weniger schwierig und zeitaufwendig gewesen.
Ich empfehle derzeit die Ablationsbehandlung für
Patienten mit anfallsweisem Vorhofflimmern, sofern sie erheblich unter anfallsbedingten Beschwerden leiden und nicht mehr auf die üblichen Rhythmusmittel ansprechen. Amiodaron kommt dabei
aus meiner Sicht, vor allem bei jüngeren Patienten,
nur als vorübergehende Maßnahme in Frage. Bei
diesen Patienten dürfte ein zu langes Herauszögern der Ablationsprozedur eher von Nachteil sein.
An mir selbst habe ich erlebt, dass eine anscheinend einfache Ausgangslage (anfallsweise auftretendes Vorhofflimmern bei sonstiger Herzgesundheit) sich im Einzelfall als doch kompliziert erweisen kann und dies eine große Erfahrung vom behandelnden Ärzteteam erfordert. Daher sollte die
Ablation nur in einem Zentrum durchgeführt werden, das mit dieser Therapie große Erfahrung besitzt.
Vorhofflimmern: chirurgische Therapie
PD Dr. med. Nicolas Doll, Prof. Dr. med. Friedrich W. Mohr
Universität Leipzig, Herzzentrum, Klinik für Herzchirurgie
Das erste Operationsund Aufrechterhaltung
verfahren zur Behandvon Vorhofflimmern
lung von Vorhofflimverhindern (Ablation).
mern wurde Anfang
der 90er Jahre von dem
Zur Ablation werden
amerikanischen Chirurdrei verschiedene Opegen Professor J. L. Cox
rationsverfahren angeentwickelt. Es fand bei
wandt:
den Patienten Anwen1. Normalerweise wird
dung, die mit Medikabei Herzoperationen
menten nicht erfolgder Brustkorb ohnehin
reich behandelt wereröffnet, zum Beispiel
1: Schematische Darstellung der bei der Maze-Operation
den konnten. Die Vor- Abb.
bei einer Bypass-Opedurchgeführten Schnitte (aus: Cox JL et al. Semin Thorac
höfe wurden durch Cardiovasc Surg 1989; 1:67)
ration oder Klappeneine Schnitt- und Nahtoperation. Im Rahmen
technik in viele Segmente unterteilt, um die Ausdieses operativen Eingriffs kann Vorhofflimmern
breitung der Flimmerwellen einzugrenzen. Der
durch Anlage von Isolationslinien von der
sehr aufwendige Eingriff wurde als Maze-OperaInnenseite der Vorhöfe her abladiert werden.
tion (Labyrinth-Operation) bekannt. Dieses VerDies ist das bei der überwiegenden Zahl der
fahren wurde in der Folgezeit abgewandelt und
Patienten praktizierte Verfahren.
vereinfacht. Trotzdem hat es sich aufgrund seiner
2. Die Vorhofflimmerablation kann als zusätzliches
Komplexität, Dauer sowie der technisch hohen AnVerfahren angewandt werden bei einer ohneforderungen nicht durchgesetzt.
hin notwendigen Herzoperation, die in miniInzwischen sind große Fortschritte in der Weitermal-invasiver Technik, d. h. ohne Spaltung des
entwicklung chirurgischer Verfahren zur BehandBrustbeins, durchgeführt wird, zum Beispiel bei
einer minimal-invasiven Wiederherstellung der
lung des Vorhofflimmerns erzielt worden. Sie sind
Mitralklappe oder bei einem Verschluss eines
weniger zeitaufwendig, schonender und bringen
Vorhofscheidewanddefekts. Allerdings muss
gute Ergebnisse.
auch dieser Eingriff unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erfolgen.
Chirurgische Ablationstechniken
3. Eine Operation kann auch durchgeführt werHeute werden die aufwendigen Schnitt- und Nahtden allein wegen Vorhofflimmerns, also nicht
techniken der Maze-Operation praktisch nicht
als zusätzliches Verfahren zu einer ohnehin notmehr angewandt. Stattdessen wird über spezielle
wendigen Operation. Auch dieser Eingriff erfolgt
Katheter (dünne Kunststoffschläuche) mit gezielminimal-invasiv. Der Zugang zum Herzen beter Energie (Hochfrequenz-, Mikrowellen-, Laser,
schränkt sich auf kleine Schnitte, die IsolaUltraschall- oder Kälteenergie) die für das Vorhoftionslinien im Vorhof werden unter Videokonflimmern verantwortlichen Herzmuskelbereiche
trolle angelegt. Dies kann ohne Eröffnung des
in den Vorhöfen verödet. Mit dieser Technik werlinken Vorhofes und ohne Einsatz der Herz-Lunden Isolationslinien angelegt, die die Entstehung
gen-Maschine – quasi von außen – erfolgen.
61
Linkes Vorhofohr
Linke untere Lungenvene
Linke obere Lungenvene
rote Linien:
Verödungslinien
n Hoher Leidensdruck des Patienten mit erheb-
Diese Technik befindet sich derzeit in der Entwicklung und wird weltweit nur an wenigen
Zentren praktiziert.
Für welche Patienten?
Bei der Mehrzahl der Patienten kommt die Ablation – wie schon gesagt – als zusätzlicher Eingriff
für Patienten in Frage, die sich ohnehin einer Herzoperation, zum Beispiel wegen eines Bypasses oder
einer künstlichen Herzklappe, unterziehen müssen. Die Rhythmusstörung wird dann zusätzlich
beseitigt. In der Regel ist dieser zusätzliche Aufwand (geringe Verlängerung der Operationszeit
mit der Herz-Lungen-Maschine) sinnvoll. Nach der
Operation kann so vielen Patienten die Behandlung mit Marcumar zur Gerinnungshemmung erspart werden.
Die minimal-invasive chirurgische Behandlung des
Vorhofflimmerns ist auch für die Patienten geeignet, bei denen ein minimal-invasives Operationsverfahren, zum Beispiel bei einer Wiederherstellung der Mitralklappe oder zum Verschluss eines Vorhofscheidewanddefekts, durchgeführt wird.
In Ausnahmefällen wird eine minimal-invasive chirurgische Vorhofflimmerablation bei Patienten vorgenommen, bei denen der Eingriff allein wegen
des Vorhofflimmerns durchgeführt wird. Ein solcher Eingriff ist unter folgenden Gesichtspunkten
zu erwägen:
62
lichen, durch Vorhofflimmern bedingten Beschwerden und
n erfolglose Therapie mit Medikamenten gegen
Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika und
Antiarrhythmika-Kombinationen) und
n mehrfach vergeblicher Eingriff mit Kathetertechnik zur Ablation von Vorhofflimmern.
Wie wird operiert?
Bei einer offenen Herzoperation mit Herz-LungenMaschine wird üblicherweise vom Operateur die
linke Herzvorkammer eröffnet. Dabei wird der Kreislauf durch die Herz-Lungen-Maschine versorgt. Mit
einem speziellen Katheter wird im folgenden die
Ablation im Bereich der linken Herzvorkammer
durchgeführt (s. Abb. 2). Um die Lungenvenen
herum werden Herzzellen gezielt verödet, so dass
Isolationslinien entstehen, die die Ausbreitung des
Vorhofflimmerns unterbrechen. Eine weitere Verödungslinie wird zwischen den rechten und linken
Lungenvenen hinuntergezogen bis zum Mitralklappenring. Die Behandlung des Vorhofflimmerns
selbst dauert, in Abhängigkeit von der Energiequelle, zwischen 5 und 20 Minuten. Wenn die Linienführung abgeschlossen ist und die linke Herzvorkammer verschlossen wurde, übernimmt das Herz wieder die Pumparbeit. Die Operation wird durch den
Verschluss der geschaffenen Öffnungen des Herzens, des Brustkorbs und der Leiste beendet.
Mitralklappe
Mitralklappenring
Schnitt in den linken Vorhof
rechte untere Lungenvene
rechte obere Lungenvene
Abb. 2:
Schematische Darstellung der
Ablationslinienführung im Bereich
der linken Herzvorkammer
Eine besondere Entwicklung der letzten Jahre stellt
die minimal-invasive Operation dar, die am häufigsten zur Wiederherstellung einer defekten Mitralklappe eingesetzt wird. Dieser Eingriff dauert etwa zwei
bis drei Stunden. Die Operationstechnik ist so gewählt, dass der Eingriff möglichst klein und wenig
belastend ist. Die Blutgefäße in der rechten Leiste
werden durch einen kleinen Schnitt (ca. 3 cm lang)
freigelegt und für die Dauer der Operation an eine
Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Gleichzeitig wird seitlich, in Höhe des vierten, rechten Rippenzwischenraums ein weiterer kleiner Schnitt parallel zum Verlauf der Rippen angelegt. Durch diese kleine Öffnung kann der Operateur die linke
Herzvorkammer erreichen. Die Hauptschlagader
(Aorta) wird oberhalb des Herzens durch eine spezielle Klemme verschlossen. Auf diese Weise kann
der Operateur arbeiten, während das Herz stillsteht,
und der Kreislauf durch die Herz-Lungen-Maschine versorgt wird. Ähnlich wie bei der offenen
Herzoperation wird dann mit einem speziellen Katheter die Ablation im Bereich der linken Herzvorkammer durchgeführt. Auch hier werden Isolationslinien um die Lungenvenen herum angelegt. Eine
weitere Verödungslinie wird zwischen den rechten
und linken Lungenvenen bis zum Mitralklappenring hinuntergezogen.
Ein weiteres neues Verfahren ist die Isolierung der
Lungenvenen, ausgehend von der Oberfläche des
Herzens. Hierzu ist eine Eröffnung des linken Vor-
hofs nicht mehr nötig. Die Lungenvenen werden
von außen kurz abgeklemmt und mit einer Hochfrequenz-, Ultraschall-, Kryo-, Mikrowellen- oder
Laserenergie behandelt. Diese Technik der Behandlung von Vorhofflimmern wird überwiegend bei
Patienten eingesetzt, bei denen man, zum Beispiel
im Rahmen einer Bypass-Operation, auf den Einsatz der Herz-Lungen-Maschine verzichten möchte. Dieses Verfahren befindet sich derzeit noch in
der Entwicklung.
Nach allen vorgenannten Operationen ist eine
intensivmedizinische Weiterbehandlung für etwa
einen Tag notwendig. Anschließend erfolgt, je nach
Erholungsverlauf, eine etwa vier- bis achttägige
Behandlung auf einer Normalstation. In den Tagen nach der Operation (etwa am zweiten bis vierten Tag) ist das Auftreten von Vorhofrhythmusstörungen nicht ungewöhnlich. Das Herz muss sich
nach dem lange bestehenden Vorhofflimmern quasi elektrisch erholen und sich wieder an den normalen Herzrhythmus gewöhnen.
Ergebnisse
Die Erfolgsaussichten mit den genannten Verfahren, einen normalen Herzrhythmus dauerhaft wiederherzustellen, liegen im Durchschnitt bei rund
70 – 90%. Dabei sind die Chancen, dauerhaft
einen normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus) zu
erreichen, von verschiedenen Vorbedingungen abhängig:
63
Ausblick
Chirurgische Ablationsverfahren werWelche Herzerden in zahlreichen
krankungen lieZentren als sichere
gen zusätzlich vor?
und standardisierte
Wie lange beTherapieverfahren
steht das Vorhofzur Beseitigung von
flimmern schon?
Vorhof flimmer n
Wie gedehnt sind
eingesetzt. In der
die Herzvorhöfe?
Regel werden diese
Wie schwerwieVerfahren bei Pagend sind die
tienten angewandt,
Herzvorhöfe verdie sich ohnehin
ändert, zum Bei- Abb. 3: Eine chirurgische Ablation kann Vorhofflimmern heilen. Normalerweise einem herzchirurgischen Eingriff unspiel durch Nar- als zusätzliches Verfahren bei ohnehin notwendigen Herzoperationen.
terziehen müssen.
benbildung? Bei
Bei der Mehrzahl der Patienten ist dies ein Eingriff
Patienten, bei denen keine begleitende Herzkrankmit Eröffnung des Brustkorbs und Anschluss an
heit besteht, ist eine langfristige Erfolgsrate von bis
die Herz-Lungen-Maschine. Die zusätzliche Ablazu 90 % erreichbar.
tion von Vorhofflimmern verlängert die Operationszeit bei dieser Technik nur unwesentlich.
Komplikationen
Ebenfalls heutige Routine ist der Einsatz der chirurBei Patienten, die sich ohnehin einer Herzoperagischen Ablationstechnik als zusätzliche Maßnahtion unterziehen müssen, gibt es selten schwerwieme bei minimal-invasiver Herzchirurgie, zum Beigende Komplikationen, die mit der Ablation von
spiel an der Mitralklappe und bei der Behandlung
Vorhofflimmern zusammenhängen. Bei richtiger
des Vorhofscheidewanddefekts. Hier sind die ErTechnik werden heutzutage Sterblichkeit und Komgebnisse ähnlich gut wie bei dem Einsatz im Rahplikationen maßgeblich durch die zugrundeliegenmen einer offenen Herzoperation. Die endoskode Herzoperation bestimmt. Insbesondere bei Verpische Ablationstechnik (geschlossener Brustkorb
wendung der Kältetechnik (Kryo-Therapie) sind
und Anwendung der Energie zur Isolation der Lunernsthafte Komplikationen bei Anwendung von
genvenen von außen) wird derzeit nur an weniTemperaturen um - 60 °C praktisch nicht mehr aufgen Zentren durchgeführt und befindet sich noch
getreten.
in der Entwicklung.
64
Vorhofflimmern:
das Schlaganfallrisiko senken
Dr. med. Christa Gohlke-Bärwolf, Bad Krozingen
Vorhofflimmern ist an sich nicht lebensbedrohend,
aber es bringt Gefahren mit sich, vor allem die Gefahr eines Schlaganfalls. Da durch das Flimmern
die Herzvorhöfe sich nicht mehr regelmäßig zusammenziehen, entstehen Blutgerinnsel, die, im
Blutstrom mitgerissen, Gefäße verschließen können. Verschließt ein solches Blutgerinnsel ein Gefäß im Gehirn, kommt es zum Schlaganfall.
Mindestens 10 – 15 % aller Schlaganfälle sind auf
Vorhofflimmern zurückzuführen. Im höheren
Lebensalter stellt es die häufigste Ursache für
Schlaganfälle dar, insbesondere für schwere Schlaganfälle bei älteren Frauen. Die Hälfte aller Schlaganfälle im Zusammenhang mit Vorhofflimmern treten bei Patienten im Alter von über 75 Jahren auf.
Diese Zahlen zeigen, wie wichtig es ist, die Patienten durch gerinnungshemmende Medikamente vor
dem Schlaganfall zu schützen. Allerdings sind nicht
alle Patienten gleichermaßen gefährdet. Das Risiko und damit die Therapie hängt vom Lebensalter
und den Begleiterkrankungen ab.
ke Gerinnungshemmung bedeutet eine erhöhte Blutungsgefahr, eine zu schwache Gerinnungshemmung bietet keinen ausreichenden
Schutz vor Gerinnselbildung. Deshalb wird die
Blutgerinnung in den sogenannten therapeutischen Bereich gesenkt (s. Empfehlungen S. 66,
67). Das ist jener Bereich, der einen optimalen
Schutz vor Gerinnselbildung mit einer möglichst
geringen Blutungsgefahr gewährleistet.
Welches Medikament in jedem einzelnen Fall vorzuziehen ist, hängt davon ab, wie hoch das erwartete Schlaganfallrisiko ist. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit Marcumar der Behandlung mit ASS deutlich überlegen
ist bei Patienten, die ein hohes Schlaganfallrisiko
haben. Diese Patienten haben einen großen Nutzen von Marcumar.
Patienten, bei denen das Risiko für einen Schlaganfall jedoch deutlich niedriger ist, haben keinen
Nutzen von einer Behandlung mit Marcumar im
Vergleich zu ASS.
ASS oder Marcumar
Wie hoch ist das Risiko?
Verschiedene Medikamente stehen zur Verhinderung von Schlaganfällen und anderen Gefäßverschlüssen zur Verfügung: Patienten werden entweder mit ASS (Acetylsalicylsäure) oder Marcumar
bzw. anderen Medikamenten, die ähnlich wie Marcumar wirken (z. B. Falithrom, Coumadin), behandelt.
ASS und Marcumar haben verschiedene Ansatzpunkte:
n ASS hemmt die Verklumpung der Blutplättchen
(Thrombozyten).
n Marcumar, Falithrom oder Coumadin sind
Gegenspieler von Vitamin K und hemmen die
Bildung von Gerinnungsfaktoren. Diese Medikamente greifen tiefer in die Blutgerinnung ein
als ASS. Die Patienten müssen deshalb genau
eingestellt werden (siehe unten). Eine zu star-
Um herauszufinden, welche Patienten besonders
gefährdet sind, wurde eine Reihe von großen Studien durchgeführt (z. B. AFI, SPAF, CHADS2). Dabei hat sich herausgestellt, dass das Risiko, einen
Schlaganfall zu erleiden, bei den einzelnen Patienten sehr unterschiedlich ist.
Zum Beispiel ist bei Patienten mit Vorhofflimmern,
die jünger als 65 Jahre sind und die keine Herzerkrankung und keine weiteren Risikofaktoren haben, eine Therapie nicht erforderlich, da bei ihnen
das Risiko für einen Schlaganfall sehr niedrig ist.
Patienten, die ein hohes Risiko haben für Thromboembolien (Verschluss eines Gefäßes durch ein
verschlepptes Gerinnsel), bedürfen der Therapie
mit gerinnungshemmenden Medikamenten (Marcumar, Falithrom oder Coumadin). Nach den heutigen Erkenntnissen kann eine Kombination von
65
ASS und Clopidogrel diese Medikamente nicht ersetzen.
Zu den Faktoren, die mit einem hohen Risiko verbunden sind, gehören:
n Schlaganfall oder Embolien in der Vorgeschichte
n Mitralstenose (Verengung der Mitralklappe)
n künstliche Herzklappen
Zu den Faktoren, die mit einem mittleren Risiko
verbunden sind, gehören:
n Alter: 75 Jahre und darüber
n Bluthochdruck
Allgemein geht man davon aus, dass auch ein
ausreichend behandelter Hochdruck weiterhin
ein Risikofaktor für Thromboembolien ist. Aber
ein gut eingestellter Hochdruck geht insgesamt
mit weniger Schlaganfällen einher und auch mit
weniger Neigung zu Vorhofflimmern.
n Herzschwäche mit einer Auswurffraktion der
linken Herzkammer unter 35 %
n Diabetes
Zu den Faktoren, die mit einem niedrigen Risiko
verbunden sind, gehören:
n Alter: 65 bis 74 Jahre
n koronare Herzkrankheit
n Schilddrüsenüberfunktion
Je mehr Risikofaktoren ein Patient auf sich vereint,
umso höher ist sein Risiko für Thromboembolien
und so dringender ist die Behandlung mit Marcumar. In der folgenden Tabelle wird dargestellt, was
die internationalen Leitlinien (American Heart
Association, American College of Cardiology und
European Society of Cardiology) heute empfehlen. Der Unterschied zu den bisher geltenden Leitlinien von 2001 besteht darin, dass im Bereich des
mittleren Risikos Patienten und Ärzten eine größere Freiheit eingeräumt wird, sich je nach der individuellen Situation des Patienten für ASS oder Marcumar zu entscheiden. Dabei ist immer das Risiko
für einen Schlaganfall mit dem Risiko für Blutungen abzuwägen.
Empfehlungen zur gerinnungshemmenden Therapie
bei Patienten mit Vorhofflimmern
n Patienten ohne Herzerkrankung und ohne Risikofaktoren
keine Therapie
(lone atrial fibrillation) unter 65 Jahren
n Patienten mit mittlerem und niedrigem Risiko für
n
n
n
n
n
n
Thromboembolien, d. h. mit nur 1 Risikofaktor:
Alter gleich oder über 65 Jahre,
Bluthochdruck,
Herzschwäche (Auswurffraktion der linken
Herzkammer unter 35 %),
Diabetes,
koronare Herzkrankheit,
Schilddrüsenüberfunktion.
n Patienten mit hohem Risiko, d. h. mit 2 oder mehr
n
n
n
n
66
mittleren Risikofaktoren oder 1 hohem Risikofaktor wie:
Schlaganfall,
Embolien in der Vorgeschichte,
Mitralstenose,
künstliche Herzklappen (zum INR-Wert s. Tab. S. 67).
ASS (100 – 300 mg) oder
Marcumar/Falithrom (INR 2 – 3)
Entscheidung im Einzelfall (siehe
Text)
Gerinnungshemmung
mit Marcumar/Falithrom
(INR 2 – 3)
Wieviel Blutverdünnung?
Die Blutverdünnung durch Marcumar muss kontrolliert werden und wird mit dem weltweit standardisierten INR-Wert gemessen. Der INR-Wert von
1 bedeutet keine Gerinnungshemmung. Der INRWert von 2, dass die Gerinnungszeit auf das Zweifache verlängert ist, der INR-Wert von 3 auf das
Dreifache. Leider wird in manchen Arztpraxen und
Krankenhäusern immer noch der veraltete QuickWert verwendet. Eine zuverlässige Kontrolle der
Blutverdünnung ist damit nicht möglich, weil der
Quick-Wert von Labor zu Labor schwanken kann.
Zu ihrer Sicherheit sollten die Patienten darauf bestehen, dass immer ihr INR-Wert gemessen wird.
Bei einem INR von 2 – 3 wird eine Blutverdünnung
erzielt, die zur Verhinderung von Embolien ausreicht. Oberhalb von 3 steigt das Blutungsrisiko
deutlich an. Daher sollte bei Patienten mit Vorhofflimmern der INR-Wert in der Regel zwischen 2 und
3 liegen. Damit kann das Risiko für Schlaganfälle
um 80 % gesenkt werden. Nur bei Patienten mit extrem erhöhtem Risiko für Thromboembolien (z. B.
mehr als 10 % im Jahr) ist eine stärkere Gerinnungshemmung nötig.
Ein hohes Risiko für Gerinnselbildung haben
Patienten mit Klappenerkrankungen oder künstlichen Herzklappen. Für sie gelten die untenstehenden Empfehlungen.
Anfallsweises Vorhofflimmern
und Vorhofflattern
Wie werden Patienten behandelt, die nicht ständig, sondern immer wieder auftretende Episoden
von Vorhofflimmern (paroxysmales Vorhofflimmern) haben?
Die Therapie dieser Patienten unterscheidet sich
nicht von denen, die unter ständigem Vorhofflimmern leiden (chronisches Vorhofflimmern). Auch
Patienten mit Vorhofflattern werden genauso behandelt.
Empfehlungen zur Gerinnungshemmung
bei Patienten mit Herzklappenerkrankungen und Herzklappenprothesen
INR-Zielbereich
ohne Vorhofflimmern
mit Vorhofflimmern
Herzklappenerkrankung
Aortenklappenfehler
schwere Mitralklappenstenose
kein Marcumar
2,5 – 3,0
2,5 – 3,0
3,0 – 3,5
Biologische Herzklappen
Aortenposition
Mitralposition
kein Marcumar
kein Marcumar
2,5 – 3,0
3,0 – 3,5
3,0 – 3,5
3,5 – 4,0
2. Generation
z . B. St. Jude Medical, Medtronic Hall
Aortenposition
2,5 – 3,0
Mitralposition
3,0 – 3,5
3,0 – 3,5
3,5 – 4,0
Kunstklappenprothesen
1. Generation
z . B. Starr-Edwards,
Björk-Shiley-Standard
67
Vor und nach Kardioversion
Wenn bei lang anhaltendem Vorhofflimmern durch
Medikamente oder durch einen elektrischen
Schock in Kurznarkose der normale Herzrhythmus
wiederhergestellt werden soll (Kardioversion),
dann muss mindestens drei Wochen vorher Marcumar gegeben und diese Therapie mindestens für
vier Wochen nach erfolgreicher Kardioversion fortgeführt werden. Dabei sollte der INR-Wert zwischen 2 und 3 liegen.
Patienten, die ein hohes Risiko für ein Wiederauftreten von Vorhofflimmern nach Kardioversion haben, sind Patienten mit Bluthochdruck, Patienten,
die älter als 55 sind, Patienten, bei denen Vorhofflimmern für länger als drei Monate bestanden hat,
und Patienten mit Herzschwäche. Bei diesen sollte die Marcumar-Therapie zumindest drei Monate
fortgeführt werden.
Was kann erreicht werden?
Bei Vorhofflimmern, das nicht mit Herzklappenerkrankungen verbunden ist, kann zum Beispiel
bei einem 73-jährigen Patienten mit Bluthochdruck
und Zuckerkrankheit über ein Jahr das geschätzte
persönliche Risiko einer Embolie von rund 4 % auf
unter 1,5 % gesenkt werden. Eine Behandlung mit
ASS ist in diesen Fällen nicht ausreichend, es
kommt dabei nur zu einer Senkung des Risikos
auf 3 %.
Besondere Beachtung verdient die Tatsache, dass
ältere Patienten das höchste Risiko für Thromboembolien und Schlaganfälle haben und bei ihnen
der größte Nutzen durch die Gerinnungshemmung
erzielt werden kann. Allerdings erhalten gegenwärtig gerade diese Patienten noch selten Marcumar bzw. Falithrom.
Bei älteren Patienten über 70 muss man berücksichtigen, dass sie eine höhere Empfindlichkeit gegenüber Marcumar haben. Deswegen sollte die
Dosierung, insbesondere zu Beginn der Behandlung mit Marcumar, um durchschnittlich 30 % verringert und nur mit ein bis maximal zwei Tabletten täglich begonnen werden.
Die Kontrolle des INR-Wertes bei älteren Patienten sollte sehr engmaschig sein. Weiterhin ist zu
berücksichtigen, dass eine Reihe von Medikamenten, z. B. Cordarex, das häufig zur Behandlung von
Vorhofflimmern eingesetzt wird, den Marcumar68
Bedarf stark vermindert (siehe Broschüre der Deutschen Herzstiftung Gerinnungshemmung, S. 7/8).
Kontrolle schafft Sicherheit
Das Blutungsrisiko beträgt unter einer Marcumarbehandlung etwa 2 – 3 %/Jahr und unter ASS
0,9 %/Jahr. Um das Risiko für Blutungen weiter zu
vermindern, muss der INR-Wert alle ein bis zwei
Wochen kontrolliert werden.
Die Einhaltung des therapeutischen Bereichs (INRWert 2 – 3) ist für die Sicherheit des Patienten entscheidend. Nur dann werden Embolien verhindert,
denn bei einem INR-Wert von 1,8 oder darunter
ist das nicht mehr gesichert. Wenn Medikamente
geändert werden, wenn Erkrankungen wie z. B.
Grippe oder Darminfektionen und Durchfall auftreten, sollte häufiger getestet werden. Besonders
bewährt hat sich die Selbstbestimmung der Gerinnungshemmung durch den Patienten mit Hilfe
eines kleinen Messgeräts (Gerinnungsmonitor).
Die Selbstmessung erlaubt es dem Patienten, jederzeit den INR-Wert festzustellen. Bei Änderung
von Medikamenten, im Krankheitsfall oder auf Reisen mit den nicht zu vermeidenden Änderungen
der Essgewohnheiten kann der Patient mit einer
schnellen Dosisanpassung reagieren. Damit ist eine
genauere Einhaltung des therapeutischen Zielbereichs möglich. Das steigert die Wirksamkeit der
Marcumar-Therapie und senkt das Risiko für Komplikationen.
Neue Hoffnung?
Eine neue Gruppe von Medikamenten (sogenannte Thrombinantagonisten) wie Ximelagatran ist in
mehreren Studien mit Patienten mit Vorhofflimmern untersucht worden. Es handelt sich hier um
ein gerinnungshemmendes Medikament, das anders als Marcumar wirkt. Die Wirkung beginnt und
endet rasch. Die Ergebnisse dieser ersten Studien
zeigten, dass dieses Medikament ebenso wirksam
ist wie Warfarin (das amerikanische Marcumar).
Schwere Blutungen traten mit gleicher Häufigkeit
auf. Allerdings waren Erhöhungen der Leberenzyme mit diesem neuen Medikament deutlich
häufiger.
Aufgrund der Nebenwirkungen wurde dieses neue
Medikament nach kurzer Zulassungszeit zu Beginn
dieses Jahres wieder vom Markt genommen.
Zusammenfassung
Auch bei Vorhofflimmern und dem damit verbundenen Schlaganfall-Risiko gilt: Vorbeugen ist besser als heilen. Die strikte Behandlung des hohen
Blutdrucks, der häufigsten Ursache für Vorhofflimmern, und Vermeidung größerer Alkoholmengen
vermindern das Auftreten von Vorhofflimmern. Ist
es jedoch dazu gekommen, verhindert die Behandlung mit Marcumar bei den Patienten mit einem erhöhten Risiko am sichersten den Schlaganfall.
Weltweit erhalten immer noch zu wenig Patienten
diese gerinnungshemmenden Medikamente aus
Furcht vor Nebenwirkungen. Bei guter Einstellung
und Kontrolle – wobei vor allem die Selbstkontrolle sehr hilfreich ist – ist der Nutzen dieser Medikamente, weil sie Schlaganfälle verhindern, wesentlich größer als die Gefahr von Blutungen. Voraussetzung ist, dass immer der INR-Wert gemessen
wird, weil mit dem veralteten Quick-Wert, der in
Deutschland noch allzu oft in Arztpraxen und Krankenhäusern genutzt wird, die Kontrolle unzuverlässig ist.
Dieser Lastwagenfahrer war
einer der ersten, der die Selbstbestimmung lernte. Die Wirkung war
exzellent: Es gab keine Komplikationen,
weder Embolien noch Blutungen.
Er fährt regelmäßig seine großen europaweiten
Touren – ohne für die Gerinnungskontrolle
auf Arztbesuche angewiesen zu sein.
69
Vorhofflattern: ein Fall für die
Katheterbehandlung
Prof. Dr. med. Stephan Willems, Dr. med. Dipl.-Ing. Boris Lutomsky, Dr. med. Daniel Steven,
Dr. med. Thomas Rostock, Universitäres Herzzentrum Hamburg,
Klinik und Poliklinik für Kardiologie/Angiologie
Christiane K. ist eine beruflich viel beschäftigte,
sportlich aktive 45-jährige Frau. Gegen Ende ihres
abendlichen Waldlaufs bemerkt Christiane K. plötzlich einen ungewöhnlich raschen Herzschlag mit
starkem Herzklopfen. Auch als sie aufhört zu laufen, normalisiert sich der Herzschlag nicht. Sie hat
das Gefühl, „der Motor läuft die ganze Zeit mit doppeltem Tempo – wie auf Vollgas“. Sie misst die Pulsfrequenz: 145 Schläge/Minute. Auch in den folgenden Stunden hält das Herzrasen an, sie fühlt sich
ausgesprochen unwohl. Erst zu später Stunde
kommt Christiane K. an diesem Abend zur Ruhe
und schläft ein. Auch am nächsten Morgen ist der
Herzschlag immer noch schnell und unangenehm,
so dass sie ihren Hausarzt aufsucht. Auf dem Weg
dorthin springt das Herz plötzlich wieder auf die
normale „Taktfrequenz“ um, so dass das EKG unauffällig ist. In der Folgezeit treten diese Herzrhythmusstörungen immer häufiger auf und halten länger an. Mit einer Langzeit-EKG-Registrierung wurde dann die Diagnose „Vorhofflattern“ gesichert
(s. Abb. S. 74).
frequenz wird, hängt davon ab, wie schnell der AVKnoten die Erregung vom Vorhof auf die Kammer
überleitet. Meistens handelt es sich um eine sogenannte 2:1-Überleitung. Es wird also nur jede zweite Vorhoferregung auf die Kammer übergeleitet. Es
resultiert daraus eine Herzfrequenz von 120 – 170
Schlägen/Minute. Allerdings kann, ähnlich wie
beim Vorhofflimmern, auch eine unregelmäßige
Herzschlagfolge, je nach Leitungsvermögen des
AV-Knotens, die Folge von Vorhofflattern sein. Vorhofflattern kann wie bei unserer Patientin von allein zu Ende gehen (intermittierendes Vorhofflattern) oder in anhaltender Form (persistierendes
oder chronisches Vorhofflattern) auftreten. Allerdings ist bei anhaltendem Vorhofflattern der Übergang in Vorhofflimmern mit einer völlig ungeordneten Kreiserregung im Vorhof häufig. Daher können bei demselben Patienten zu verschiedenen
Zeitpunkten einmal Vorhofflattern, dann wieder
Vorhofflimmern registriert werden.
Was ist Vorhofflattern?
Genaue elektrophysiologische Untersuchungen
(s. S. 25) haben ergeben, dass es sich beim Vorhofflattern in den allermeisten Fällen um eine Kreiserregung im Bereich des rechten Vorhofs handelt
(s. Abb. S. 72). Sie verläuft in der Mehrzahl der
Fälle entgegen dem Uhrzeigersinn entlang der Trikuspidalklappe. Dort besteht eine für das Vorhofflattern wichtige anatomische Engstelle (rechtsatrialer Isthmus), durch welche die Erregungsfront
geführt wird, und zwar zwischen dem Mündungsbereich der unteren Hohlvene in den rechten Vorhof und der Trikuspidalklappe. Begünstigt wird
das Auftreten von Vorhofflattern durch eine Vergrößerung oder Druckbelastung des rechten Vor-
Ähnlich wie beim Vorhofflimmern hat beim Vorhofflattern der Sinusknoten seine normale Funktion als Taktgeber zumindest zeitweilig verloren
(s. Abb. S. 12). Der normale Herzrhythmus ist regelmäßig und wird durch körperliche Belastung in
seiner Frequenz beeinflusst. Im Gegensatz dazu
besteht das Vorhofflattern in einer kreisenden Erregung im Bereich der rechten Vorkammer mit
einer Frequenz von 240 – 340 Schlägen/Minute.
Weil der AV-Knoten wie ein Filter wirkt, werden
nicht alle elektrischen Impulse aus dem Vorhof in
die Herzkammer übergeleitet. Wie hoch die Puls70
Wie entsteht Vorhofflattern?
hofs, wie dies bei chronischen Lungenerkrankungen, koronarer Herzkrankheit, Kardiomyopathien,
Herzklappenfehlern, aber auch hohem Blutdruck
der Fall sein kann.
Was sind die Beschwerden?
In den meisten Fällen ist Vorhofflattern mit einer
im Vergleich zum normalen Herzrhythmus rascheren Kammerfrequenz verbunden. Je nach Alter und
je nach Grunderkrankung nimmt der Patient den
schnellen Herzrhythmus unterschiedlich wahr. Die
häufigsten Beschwerden sind Herzklopfen, innere Unruhe, Herzjagen, Luftnot, allgemeine körperliche Schwäche und schnellere Ermüdbarkeit.
Ähnlich wie beim Vorhofflimmern kann das Vorhofflattern grundsätzlich zwei Probleme mit sich
bringen:
n Die Herzleistung ist verringert, weil der Vorhof
nicht effektiv arbeitet und die Herzkammer in
vielen Fällen mit konstant hoher Frequenz
pumpt. Diese hohe Frequenz passt sich dann
auch nicht – wie beim gesunden Herzen – den
individuellen Erfordernissen, wie z. B. der körperlichen Belastung, an.
n Wenn Vorhofflattern länger besteht und unter
Umständen in Vorhofflimmern übergeht, verlangsamt sich der Blutstrom, so dass sich Blutgerinnsel im linken Vorhofohr bilden können.
Dabei besteht die Gefahr, dass sie über die
Hauptschlagader in das Gehirn verschleppt werden (zerebrale Embolie) und zum Schlaganfall
führen können.
Beschwerden und Auswirkungen des Vorhofflatterns hängen im wesentlichen davon ab, ob der
Patient an einer Herzkrankheit leidet und wie
71
Vorhofflattern
Schnitt durch das menschliche
Herz in Höhe der Herzklappenebene:
Links: Trikuspidalklappe,
Pfeile: Verlauf der Vorhofflatterwelle
um den Herzklappenring,
Mitte oben: Pulmonalklappe,
Rechts unten: Mitralklappe,
Rechts oben: Aortenklappe,
unter der Mitralklappe
befindet sich bogenförmig
der Koronarvenensinus.
schwer seine Herzkrankheit ist. Junge, herzgesunde Patienten vertragen Vorhofflattern in der
Regel problemlos. Auf der anderen Seite kann ein
z. B. durch einen Herzinfarkt vorgeschädigtes Herz
rasch und manchmal akut bedrohlich beeinträchtigt werden. Durch länger bestehendes Vorhofflattern mit einer hohen Kammerfrequenz kann auch
die Leistungsfähigkeit der Herzkammer durch das
„hochtourige Laufen des Motors“ herabgesetzt werden.
Welche Untersuchungen
sind notwendig?
Nach der körperlichen Untersuchung sichert das
EKG während des Anfalls die Diagnose Vorhofflattern. Wenn Vorhofflattern gelegentlich auftritt, ist
es hilfreich, mehrere Langzeit-EKGs zu erstellen.
Neben Laboruntersuchungen zum Ausschluss
einer hormonell bedingten Ursache (z. B. Schilddrüsenüberfunktion) gehört die Ultraschalluntersuchung des Herzens zum Standardvorgehen.
Wenn Vorhofflattern länger besteht, kann zwischenzeitlich Vorhofflimmern aufgetreten sein. Deswegen ist auch bei länger anhaltendem Vorhofflattern
eine Gerinnungshemmung (Marcumar) notwendig. Eine Schluckechountersuchung (transösophageale Echokardiographie) muss sichern, dass sich
keine Blutgerinnsel gebildet haben, wenn kein ausreichender Gerinnungsschutz besteht und der Patient in den normalen Rhythmus zurückgebracht
werden soll. Eine elektrophysiologische Untersuchung ist nur sinnvoll, wenn in gleicher Sitzung
eine Hochfrequenzstrom-Katheterablation geplant
ist.
72
Wie wird Vorhofflattern behandelt?
Grundsätzlich gibt es, wie beim Vorhofflimmern,
zwei Ziele der Behandlung:
n die Kontrolle der Herzfrequenz bei weiterbestehendem Vorhofflattern.
n die Wiederherstellung des normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus).
Bei länger bestehendem Vorhofflattern kann in einzelnen Fällen die Herzfrequenz durch Medikamente (Betablocker (z.B. Metoprolol), Calciumantagonisten (z. B. Verapamil)), die die Filterfunktion des
AV-Knotens verstärken, kontrolliert werden.
In der Regel ist das Ziel der Behandlung von Vorhofflattern jedoch die dauerhafte Wiederherstellung des normalen Rhythmus. Zur Unterbrechung
des Vorhofflatterns können Medikamente (Antiarrhythmika) verwendet werden. Diese Rhythmisierungsversuche sollten nur unter zumindest kurzer stationärer Betreuung in der Klinik erfolgen,
weil dort eine Monitorüberwachung möglich ist.
Häufig sind Medikamente jedoch nicht wirksam.
Es müssen dann nichtmedikamentöse Verfahren
angewendet werden. In Zentren mit entsprechender Ausrüstung kann über ein Schrittmacherkabel,
wie es auch bei der elektrophysiologischen Untersuchung verwendet wird, nach Plazierung im Bereich des rechten Vorhofs eine sogenannte Über-
stimulation (Overdrive-Stimulation) durchgeführt
werden. Bei der gewöhnlichen Form des Vorhofflatterns kann in 80 – 90 % der Fälle durch eine
hochfrequente Stimulation die Kreiserregung unterbrochen und ein normaler Rhythmus erzeugt
werden. Wenn die Überstimulation nicht möglich
bzw. nicht wirksam ist, wird das Vorhofflattern wie
Vorhofflimmern durch einen elektrischen Schock
(Kardioversion) in Kurznarkose unterbrochen. Dies
ist in fast allen Fällen möglich und zumindest kurzfristig erfolgreich.
an einzelnen Stellen das verödete Herzmuskelgewebe wieder erholt und erneut elektrisch leitfähig wird: Es kann dann in etwa 5 % der Fälle zum
Wiederauftreten von Vorhofflattern kommen. Dann
muss die Prozedur wiederholt werden. Grundsätzlich gilt, dass die Verödung (Katheterablation) von
Vorhofflattern heute nicht nur ein sehr wirksames,
sondern auch ein sehr sicheres Verfahren ist. Die
Risiken der Ablation sind im rechten Vorhof geringer als im linken Vorhof und liegen bei 1 % für
schwere Komplikationen. Bei zusätzlich bestehendem Vorhofflimmern ist zu beachten, dass häufig
eine medikamentöse Therapie einschließlich einer
Blutverdünnung auch nach Katheterablation von
Vorhofflattern notwendig ist.
Obwohl das Risiko von Hirnembolien bei Vorhofflattern als etwas geringer eingeschätzt wird als bei
Vorhofflimmern, gilt heute die Grundregel, dass
Patienten, die länger als zwei Tage unter Vorhofflattern leiden, entweder mit Medikamenten zur
Blutverdünnung behandelt werden müssen oder
Tritt Vorhofflattern wiederholt auf, so stellt sich die
Frage, wie man zukünftige Attacken verhindern
kann. Früher wurden ausschließlich Medikamente (Betablocker oder Antiarrhythmika) eingesetzt.
Diese Behandlungsverfahren sind jedoch häufig
wenig effektiv.
Die Verödung mit Kathetern (Katheterablation)
sollte heute als Therapiemöglichkeit frühzeitig in
Betracht gezogen werden. Dabei werden unter örtlicher Betäubung Elektrodenkatheter über die Leistenvenen, in seltenen Fällen auch über die Schlüsselbeinvene, zum Herzen geführt und unter Röntgenkontrolle plaziert (s. Abb.). Der Patient erhält
Schmerz- und Beruhigungsmittel. Dann wird mit
einzelnen Hochfrequenzstromimpulsen eine Verbindungslinie zwischen der Trikuspidalklappe und
der Mündung der unteren Hohlvene gezogen. Ziel
ist die elektrische Unterbrechung der in diesem
Bereich verlaufenden Kreiserregung des Vorhofflatterns. Dies gelingt heute bei über 95 % der Patienten. Aufgrund der Länge der Verbindungslinie
von 1,5 – 2 cm besteht die Möglichkeit, dass sich
Darstellung einer Vorhofflatterablation: Sie sehen den
Verödungskatheter im rechten Vorhof am Isthmus und einen
Stimulationskatheter im Koronarvenensinus.
73
Langzeit-EKG-Registrierung bei einem Patienten mit Vorhofflattern. Die „sägezahnartigen“ Flatterwellen sind gut erkennbar.
ein Schluckecho (transösophageale Echokardiographie) durchgeführt wird, das überprüft, ob sich
Blutgerinnsel gebildet haben.
Zusammenfassung
Vorhofflattern ist eine Herzrhythmusstörung, die
bei Patienten mit oder ohne zusätzlicher Herzerkrankung vorkommen kann. Über die Ursachen
und den Mechanismus (Kreiserregung im rechten
Vorhof) der gewöhnlichen Form gibt es heute sehr
genaue Kenntnis. Dies hat auch die Entwicklung
von neuen Behandlungsansätzen wesentlich beeinflusst. Die Behandlungsstrategien richten sich
nach Beschwerden und Häufigkeit der Anfälle von
Vorhofflattern. Die häufigsten Beschwerden sind
dabei verminderte Belastbarkeit, Luftnot und das
Gefühl von Herzrasen. Wenn Patienten unter Vorhofflattern leiden und diese Rhythmusstörung wiederholt auftritt, ist heute die Katheterablation ein
etabliertes und sicheres Verfahren zur dauerhaften
Beseitigung dieser Rhythmusstörung.
Nach wiederholt auftretendem Vorhofflattern entschied sich auch Christiane K. für diese Behandlung. Nach einem zweitägigen Aufenthalt in der
Klinik mit erfolgreicher Katheterablation des Vorhofflatterns konnte sich Christiane K. bereits nach
vierzehn Tagen wieder voll belasten. Seither ist das
Vorhofflattern nicht mehr aufgetreten.
74
Lebensbedrohliche
Herzrhythmusstörungen
Dr. med. Michael Ulbrich, Medizinische Klinik und Poliklinik I,
Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München
Dr. med. Uwe Dorwarth, Medizinische Klinik I, Krankenhaus Bogenhausen, München
PD Dr. med. Christopher Reithmann, Prof. Dr. med. Gerhard Steinbeck,
Klinikum Großhadern, Ludwig-Maximilians-Universität München
Herbert W., ein 64-jähriger pensionierter Postbeamter, war froh, seinen Hinterwandinfarkt vor
einem Jahr gut überstanden zu haben. Sein Leben
verlief in ruhigen Bahnen. Eine halbe Stunde nach
einem gemütlichen Spaziergang wurde ihm aus
vollem Wohlbefinden heraus schlagartig übel, und
es blieb ihm die Luft weg. Er konnte gerade noch
nach seiner Frau rufen, die ihn auf dem Flur liegend vorfand. Schockiert blickte sie in sein blasses Gesicht, auf dem sich kalter Schweiß bildete.
Sie spürte sofort, dass ihr Mann in Gefahr war. Er
brachte nur noch ein paar leise, undeutliche Worte hervor, bis er die Augen nach oben verdrehte
und nicht mehr reagierte. Zum Glück war der 35jährige Sohn zu Besuch. Er tastete beim Vater keinen Puls mehr und begann geistesgegenwärtig mit
Wiederbelebung, während seine Mutter den Rettungswagen mit Notarzt alarmierte. Die Zeit bis
zum Eintreffen des Notarztes erschien ihnen wie
eine Ewigkeit. Doch dann ging alles ganz schnell.
Dem Notarzt gelang es, durch einen Elektroschock
mit Hilfe eines Defibrillators das Herz wieder anzuwerfen. Herbert W. wurde sofort in die Klinik
gebracht: Er hatte eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung überlebt.
Welche Rhythmusstörung
ist lebensbedrohlich?
Herzrhythmusstörungen können lebensbedrohlich
werden, wenn der Kreislauf aufgrund eines zu langsamen oder zu schnellen Herzschlags zusammenzubrechen droht. Der zu langsame Herzschlag, der
häufig auf einer Blockierung der elektrischen Überleitung vom Vorhof auf die Kammern beruht und
das Einsetzen eines Herzschrittmachers erforder-
lich macht, ist in einem anderen Kapitel dieser Broschüre ausführlich behandelt (S. 15).
Der lebensbedrohliche, zu schnelle Herzschlag,
von dem hier die Rede ist, hat seinen Ursprung in
der Regel in einer erhöhten elektrischen Aktivität
der linken oder seltener der rechten Herzkammer.
Es kommt zu einer Verselbständigung der elektrischen Erregung der Herzkammern, die unabhängig vom natürlichen Impulsgeber, dem Sinusknoten, zu rasen beginnt. Dieser schnelle Herzschlag kann als sogenannte Kammertachykardie
mit regelmäßigen Herzfrequenzen im Bereich von
150 bis 250 Schlägen/Minute bedrohlich werden:
Beim Kammerflattern (meist über 250 Schläge/
Minute) findet sich zwar noch eine regelmäßige
Erregung der Herzkammern, die Pumpleistung des
Herzens fällt aufgrund der hohen Schlagfrequenz
jedoch soweit ab, dass der Kreislauf innerhalb kürzester Zeit zusammenbricht. Kammertachykardie
und Kammerflattern können in Kammerflimmern
übergehen, bei dem die Kammermuskulatur aufgrund einer völlig ungeordneten elektrischen Erregung nur noch unkoordinierte, ineffektive Zuckungen aufweist. Das flimmernde Herz bringt keine nennenswerte Blutförderung mehr zustande.
Diese Situation entspricht einem Herzstillstand, der
unbehandelt innerhalb weniger Minuten aufgrund
von Sauerstoffmangel zum Tod führt.
Welche Beschwerden treten auf?
Typische Beschwerden von bedrohlichen Herzrhythmusstörungen sind plötzlich auftretendes
Herzrasen, Schwindel oder Bewusstlosigkeit (Synkopen). Teilweise kehrt das Bewusstsein bereits
nach kurzer Zeit wieder zurück. Lebensbedrohli75
che Herzrhythmusstörungen sind oft dadurch unberechenbar, dass sie aus vollem Wohlbefinden
heraus ohne vorherige Warnzeichen auftreten können. Sie sind meist nicht direkt abhängig von körperlichen Belastungen und treten häufig in Ruhe
auf. 67 % der Patienten sind zum Zeitpunkt des Ereignisses körperlich nicht aktiv. Herz-KreislaufProbleme und plötzliche Herztodesfälle treten gehäuft während der Morgenstunden auf. Zwischen
sechs und neun Uhr morgens besteht ein ungefähr
zwei- bis dreifach höheres Risiko im Vergleich zu
anderen Tageszeiten.
Häufig ist das Auftreten lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen oder des plötzlichen Herztodes der erste Hinweis auf eine Herzerkrankung.
Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung (oben: Kammertachykardie, unten: Übergang in Kammerflimmern)
Viele Patienten haben jedoch eine bekannte koronare Herzerkrankung oder bereits einmal einen
Herzinfarkt durchgemacht. Die Schwere der Beschwerden hängt dabei im wesentlichen von drei
Faktoren ab: der Herzfrequenz im Anfall, dem Zustand der herz- und gehirnversorgenden Gefäße
sowie der Leistungsfähigkeit des Herzmuskels. Je
schneller das Herz schlägt, desto schlechter kann
es sich mit Blut füllen, so dass Blutdruck und Herzleistung abfallen. Mit zunehmender Herzfrequenz
werden die Symptome daher bedrohlicher und die
Rhythmusstörung gefährlicher. Zunächst kann der
Patient nur Herzrasen spüren, das sich, wenn es
länger dauert oder sich weiter beschleunigt, zu
Schwächegefühl, Atemnot, Engegefühl in der Brust,
Übelkeit, Angst, Schwarzwerden vor den Augen,
Schwindel, Kreislaufzusammenbruch und Kollaps
steigert.
Tritt plötzlich Kammerflattern oder Kammerflimmern auf, kommt es innerhalb weniger Sekunden
76
zu einem Herz-Kreislauf-Stillstand mit Bewusstlosigkeit. Verengungen der Arterien, die Herz und
Gehirn versorgen, können zu einer Verstärkung
der Beschwerden führen. Bei einer Vorschädigung
des Herzens mit Zeichen einer Herzinsuffizienz
(Herzschwäche) kann Herzrasen schneller zu einem Herz-Kreislauf-Versagen führen als bei einem
sonst organisch gesunden Herzen.
Häufigkeit
In Deutschland erleiden pro Jahr mehr als 100 000
Menschen einen plötzlichen Herztod. Etwa alle
fünf Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch daran. In etwa 80 % der Fälle wird der Herz-KreislaufStillstand dabei durch eine sehr schnelle Herzrhythmusstörung (Kammertachykardie, Kammerflattern,
Kammerflimmern) hervorgerufen. Etwa ein Viertel der Patienten mit einem akuten Herzinfarkt erleidet außerhalb der Klinik einen plötzlichen Herztod.
Die Wahrscheinlichkeit, einen akuten Herz-Kreislauf-Stillstand durch eine rechtzeitige Wiederbelebung (Reanimation) zu überleben, ist auch heute noch trotz verbesserter Rettungssysteme leider
gering und liegt in Deutschland nur bei 5 – 10 %.
Die Wiederbelebungsmaßnahmen müssen sehr
schnell begonnen werden, da es bereits bei einem
Herz-Kreislauf-Stillstand von über vier Minuten
durch Sauerstoffmangel zu einer dauerhaften Schädigung des Gehirns kommt.
Ursachen
Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen entstehen, wenn die elektrische Pulsbildung und -leitung im Herzmuskel gestört sind. Bei schnellen
Herzrhythmusstörungen kommt es durch schnelle elektrische Impulse zu einem völlig veränderten Erregungsablauf im Herzmuskel (Abb. S. 78)
Häufig sind lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen mit Erkrankungen des Herzens verbunden.
In vielen Fällen liegen Durchblutungsstörungen
oder ein Herzinfarkt vor. Etwa 80 % der Patienten
haben eine koronare Herzerkrankung. Das jährliche Risiko des plötzlichen Herztods nach einem
Herzinfarkt liegt bei etwa 1 %.
Erkrankte und verengte Herzkranzgefäße neigen
zur Bildung von kleinen Blutgerinnseln, die zum
plötzlichen Verschluss eines Herzkranzgefäßes,
d. h. zu einem Herzinfarkt, führen können. Bei
einem Gefäßverschluss werden Herzmuskelgebiete von der Sauerstoffversorgung abgeschnitten und
sterben ab. In der Akutphase dieses Prozesses ist
das Herz elektrisch sehr instabil. Diese Tatsache ist
verantwortlich dafür, dass Patienten mit einem akuten Herzinfarkt an einer Rhythmusstörung, z. B.
dem Kammerflimmern, sterben können.
Auch andere Erkrankungen des Herzmuskels (Kardiomyopathie) sind mit einem gehäuften Auftreten von Herzrhythmusstörungen verbunden. Das
Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erhöht sich deutlich bei einer eingeschränkten Pumpleistung des Herzmuskels (Herzinsuffizienz).
In selteneren Fällen liegen angeborene Ursachen
vor (z. B. Herzfehler, Ionenkanalerkrankungen,
atypische Leitungsbahnen). Störungen der Schilddrüsenfunktion, des Elektrolythaushaltes (besonders Kalium, Calcium, Magnesium), starker Alkoholkonsum, Sauerstoffmangel und bestimmte Medikamente können ebenso zu Herzrhythmusstörungen führen. In etwa 5 % der Fälle lassen sich
keine besonderen Ursachen erkennen.
Wie wird der Patient untersucht?
Um genau zu wissen, mit welcher Rhythmusstörung man es überhaupt zu tun hat, sollte zunächst
versucht werden, sie auf einem EKG zu erfassen
und mitzuschreiben. In Notfallsituationen außer-
77
Vorhöfe
Sinusknoten
Kammern
AV-Knoten
Die Erregung des Herzens entsteht normalerweise
im Sinusknoten, dem natürlichen Impulsgeber,
und wird über den sogenannten AV-Knoten
auf die Kammern übertragen. Beim
Kammerflimmern verliert der Sinusknoten seine
Steuerfunktion. Die Kammern entwickeln eine
eigene chaotische elektrische Erregung, die nur
noch zu ungeordneten Zuckungen des
Herzmuskels und damit zum Herzstillstand führt.
halb der Klinik hat die sofortige Behandlung
natürlich Vorrang, so dass dann häufig eine Dokumentation der Rhythmusstörung nicht möglich ist.
Hat ein Patient eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung erlitten, muss er sich unbedingt sofort
einer ausführlichen stationären Abklärung in einem Krankenhaus unterziehen. Am Anfang jeder
Untersuchung steht die Befragung des Patienten,
die Hinweise auf eine mögliche Ursache der Rhythmusstörung geben soll. Von Interesse ist ebenso,
ob bereits früher Rhythmusstörungen bemerkt wurden. Dann wird man sich einen Überblick über den
Herzrhythmus des Patienten in verschiedenen Situationen verschaffen. Hierfür wird ein Elektrokardiogramm (EKG) in Ruhe, unter Belastung sowie
ein Langzeit-EKG, das der Patient für 24 Stunden
am Körper trägt, angefertigt. Außerdem kommt der
sogenannte Event-Recorder zum Einsatz, der den
Herzrhythmus nicht dauerhaft registriert, sondern
so programmiert ist, dass er nur bei einem Event,
d. h. bei einer Herzrhythmusstörung aufzeichnet.
Weiterführende Untersuchungen sollen helfen, die
auslösende Ursache der Herzrhythmusstörung zu
finden. Dazu gehören Laboruntersuchungen des
Blutes, eine Röntgenaufnahme von Herz und Lungen sowie die Ultraschalluntersuchung des Herzens. Die genauesten Informationen über eine bestehende Herzerkrankung und deren Schweregrad
ergeben sich durch eine Herzkatheteruntersuchung.
Daher ist diese Untersuchung für Patienten nach
einem lebensbedrohlichen Ereignis unverzichtbar.
Hierbei werden Katheter über Blutgefäße in der
Leiste ins Herz vorgeschoben und mit Hilfe von
Kontrastmittel die Herzkranzgefäße und die linke
Herzkammer dargestellt. So können eventuelle Ver78
engungen von Herzkranzgefäßen festgestellt und
gegebenenfalls aufgedehnt werden.
Bei der elektrophysiologischen Untersuchung wird
das Herz über Elektrodenkatheter in der rechten
Herzkammer stimuliert, um festzustellen, an welcher Rhythmusstörung der Patient leidet und wie
anfällig das Herz für diese Rhythmusstörung ist.
Unter Umständen kann es erforderlich sein, eine
kleine Probe aus dem Herzen zu entnehmen und
mikroskopisch zu untersuchen, um eine Herzmuskelerkrankung festzustellen.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Bei der Therapie ist zwischen der Akut-Situation
und der langfristigen Behandlung der Patienten zu
unterscheiden.
Akut-Situation
Da bei lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen die Gefahr des Herz-Kreislauf-Versagens besteht und die Folgeschäden sehr rasch eintreten
können, ist in der Akut-Situation schnelles Handeln von großer Bedeutung. Entscheidend für das
Überleben der Betroffenen ist das schnelle und gezielte Reagieren der Beobachter. Neben der Verständigung des Notarztes ist bei Bewusstlosigkeit
eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung wichtig, um die lebenswichtigen Organe weiter mit Sauerstoff zu versorgen (Abb. S. 80).
Bei sehr schnellen lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen (z. B. Kammerflimmern) sollte als
rettende Maßnahme die möglichst frühzeitige Anwendung eines Elektroschocks mit Defibrillator erfolgen. Da bis zum Eintreffen des Notarztes oft
Keine HLW
verzögerte
Defibrillation
0–2 %
überleben
Frühe HLW
verzögerte
Defibrillation
2–8%
überleben
Frühe HLW
frühe
Defibrillation
20 %
überleben
Frühe HLW
sehr frühe Def.
frühe ACLS
30 %
überleben
Minuten
2
4
6
Durch eine sofortige Herz-Lungen-Wiederbelebung,
den frühzeitigen Einsatz der Defibrillation und den
möglichst frühen Beginn erweiterter lebensrettender
Herz-Lungen-Wiederbelebung
Defibrillator
wertvolle Zeit verstreicht und sich die Überlebenschance dabei in jeder Minute um etwa 10 % verringert, werden in öffentlichen Bereichen zunehmend
Automatisierte Externe Defibrillatoren (AED) installiert, die durch geschulte Laienhelfer problemlos angewendet werden können (Abb. S. 81).
Die Deutsche Herzstiftung und andere Initiativen
bemühen sich derzeit um eine vermehrte Verfügbarkeit dieser Geräte an öffentlichen Plätzen und
Gebäuden und um ein breites Training der Bevölkerung in der Anwendung dieser Geräte.
Behandlung des Grundleidens
Bei Patienten, die einmal eine lebensbedrohliche
Herzrhythmusstörung überlebt haben, besteht ein
Risiko von etwa 10 %, innerhalb der ersten sechs
Monate nach dem Ereignis plötzlich zu sterben.
Aus diesem Grund sind eine konsequente Abklärung möglicher Ursachen und eine entsprechende Therapie erforderlich. Je nach zugrundeliegender Erkrankung stehen verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieformen
zur Verfügung. Beispielsweise muss ein Patient mit
einer koronaren Herzerkrankung optimal mit
Medikamenten eingestellt werden (z. B. mit ASS,
8
10
Maßnahmen (ACLS) kann die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand
deutlich verbessert werden.
ACLS
Betablocker, ACE-Hemmer, Lipidsenker). Liegen
höhergradige Engstellen der Herzkranzgefäße vor,
kann eine Ballonaufdehnung, gegebenenfalls mit
Einsetzen einer Gefäßstütze (Stent), erforderlich
sein. Kardiomyopathien oder Störungen des Mineralhaushaltes (Kalium, Magnesium etc.) werden
mit Medikamenten behandelt. Substanzen, die an
der Entstehung von Rhythmusstörungen beteiligt
sein können, müssen abgesetzt werden.
Die Behandlung der Grunderkrankung soll durch
eine Stabilisierung oder Besserung des Grundleidens die Neigung zu Rhythmusstörungen verringern. In vielen Fällen kann es gelingen, ein Fortschreiten der zugrundeliegenden Erkrankung zu
verhindern. Das Risiko für das Auftreten von Herzrhythmusstörungen besteht aber möglicherweise
weiterhin.
Rhythmusmittel und Defibrillator
In der Behandlung lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen wurden in den vergangenen Jahren
große Fortschritte gemacht. Zunächst standen nur
Medikamente zur Behandlung der Herzrhythmusstörungen (Antiarrhythmika) zur Verfügung. Inzwi79
Leben retten kann man lernen.
Das Vorgehen ist relativ einfach.
Aber es muss in Herz-LungenWiederbelegungskursen gelernt
und geübt werden.
Wo? Fragen Sie die Herzstiftung
(Telefon 069 955128-111).
80
schen ist bekannt, dass diese Antiarrhythmika häufig nicht wirksam sind und bei herzkranken Patienten nicht selten zur Zunahme der Rhythmusstörung oder sogar zum Herzstillstand führen können. Aus diesem Grund war es wichtig, für Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen
alternative Therapiekonzepte zu entwickeln.
Da lebensbedrohliche Rhythmusstörungen zuverlässig durch einen Elektroschock beendet werden
können und die Zeit vom Auftreten bis zur Unterbrechung der Herzrhythmusstörung für das Überleben entscheidend ist, kommt bei Patienten mit
erhöhtem Risiko für einen plötzlichen Herztod zunehmend der implantierbare Defibrillator (ICD =
implantable cardioverter defibrillator) zum Einsatz.
Das Gerät kann sehr zuverlässig lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen erkennen und behandeln. Dadurch kann die Lebenserwartung von
Risikopatienten wesentlich beeinflusst werden
(s. S. 82).
Wenn es bei einem Patienten zu häufigen Entladungen des Defibrillators kommt, können Medikamente (z. B. Betablocker, Amiodaron) durch Unterdrückung der Rhythmusstörung die Häufigkeit
der Schockabgabe verringern.
Was kann die Katheterablation?
Ein interessantes und vor allem bei gutartigen Formen von Herzrasen sehr erfolgreiches Verfahren
stellt die Katheterablation dar. Hier wird im Rahmen eines Herzkathetereingriffs gezielt Strukturen
am Herzen verödet, die für die Rhythmusstörung
verantwortlich sind. Dadurch kann die Rhythmusstörung oft geheilt werden. Dieses Vorgehen
kommt jedoch nur für bestimmte Patienten mit
lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen in
Frage. Dabei kann durch diese Behandlung allein
in der Regel aber kein ausreichender Schutz vor
gefährlichen Rhythmusstörungen erreicht werden.
Bei Patienten mit ICD kann jedoch in einigen Fällen durch eine Ablation in Kombination mit einer
optimalen medikamentösen Behandlung die Häufigkeit der notwendigen Schocktherapien und damit die Lebensqualität deutlich verbessert werden.
Eine Strategie der Vorbeugung
Das Hauptproblem lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen ist die Tatsache, dass die meisten
Patienten an ihrer ersten lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörung sterben, bevor ärztliche Hilfe sie
erreichen kann. Deswegen ist das Hauptziel vorbeugender Strategien die frühzeitige Erkennung
und Behandlung von Risikopatienten. Neben regelmäßigen Untersuchungen ist es für den Patienten wichtig, auf Beschwerden zu achten, die auf
eine Herzkrankheit hinweisen. Dazu zählen z. B.
ein Engegefühl oder Schmerzen in der Brust, die
unter körperlicher Belastung auftreten. Atembeschwerden oder ein allgemeines Schwächegefühl
können erste Hinweise für eine Herzschwäche sein.
Bei Patienten nach Herzinfarkt oder einer bekannten Herzschwäche sind Episoden mit anhaltendem
Herzrasen von großer Bedeutung. Plötzlich auftretender Schwindel und Ohnmachtsanfälle sind als mögliche
Warnsymptome für eine lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung anzusehen. In diesen Fällen
sollte dringend eine weitere Abklärung erfolgen.
Automatisierter Externer
Defibrillator (AED).
81
Schutz vor dem plötzlichen Herztod:
der Defibrillator
Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, Medizinische Klinik II,
(Schwerpunkte Kardiologie und Angiologie), Marienhospital Herne, Ruhr-Universität Bochum
Lange Zeit musste der plötzliche Herztod als unentrinnbares Schicksal hingenommen werden.
Männer und Frauen wurden plötzlich aus dem Leben gerissen, ohne dass man ihnen helfen konnte.
Dann wurden die modernen Antiarrhythmika (Medikamente gegen Herzrhythmusstörungen) entwickelt. Die Ergebnisse blieben unbefriedigend.
Eine Wende zeichnete sich erst ab, als der Herzspezialist Michel Mirowski einen engen Freund
durch plötzlichen Herztod verlor. Dieser Tod ließ
ihm keine Ruhe: Er erfand den implantierbaren Defibrillator (im Volksmund Defi, in der Fachsprache
ICD, nämlich implantable cardioverter defibrillator). Der erste wurde 1980 in Baltimore einer Patientin eingesetzt. Inzwischen sind weltweit viele
100 000 Patienten mit Defibrillatoren behandelt
worden.
Ursache des plötzlichen Herztodes
Der plötzliche Herztod wird nahezu immer durch
lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen ausgelöst, die zum Zusammenbruch des Kreislaufs
führen: Es sind krankhaft schnelle Herzschläge, sogenannte Kammertachykardien, die das Herz mit
einer Frequenz von 150 – 300 Schlägen pro Minute schlagen lassen. Dieses Herzrasen geht oft innerhalb von Sekunden bis Minuten in eine völlig
ungeordnete elektrische Erregung über, das sogenannte Kammerflimmern. Das Herz zuckt nur noch
und kann deshalb keine Leistung mehr erbringen.
Der Kreislauf bricht zusammen, die Gehirnfunktion erlischt. Nur ein Elektroschock kann das Herz
wieder in den richtigen Rhythmus bringen. Dieser
Schock kann abgegeben werden durch externe
Defibrillatoren, die heute z. B. nicht nur in Kliniken, sondern auch in Flugzeugen und Flughäfen
zur Verfügung stehen, oder durch schrittmacherähnliche Geräte, die gefährdeten Patienten eingesetzt werden.
82
Für welche Patienten?
Seit 1980 der erste Defibrillator eingesetzt wurde,
haben sich unsere Kenntnisse über Häufigkeit und
Ursachen des plötzlichen Herztodes wesentlich erweitert. So hat man auch lernen müssen, dass durch
eine Therapie mit Medikamenten das Risiko des
plötzlichen Herztodes nicht gesenkt werden kann.
Neben der Behandlung der Grunderkrankung ist
daher der Defibrillator das einzig wirksame Verfahren, das Risiko des plötzlichen Herztodes zu
verringern.
Bei welchen Patienten sollte ein Defibrillator eingesetzt werden?
n Heute besteht kein Zweifel, dass Patienten, die
eine lebensbedrohliche Rhythmusstörung überlebt haben, von einem Defibrillator profitieren.
Entsprechend empfehlen weltweit alle Leitlinien, einen Defibrillator bei diesen Patienten einzusetzen.
n Ebenfalls allgemein anerkannt ist heute die Notwendigkeit, einen Defibrillator bei Patienten
einzusetzen, deren anhaltende Rhythmusstörungen in den Herzkammern (z. B. anhaltende
Kammertachykardie) zu einer Beeinträchtigung
der Herz- und Kreislaufleistung führen wie Blutdruckabfall, Minderdurchblutung des Gehirns
mit Benommenheit (Präsynkope) oder Bewusstlosigkeit (Synkope).
n Patienten mit koronarer Herzkrankheit und deutlich eingeschränkter Leistungsfähigkeit der linken Herzkammer (meist nach mehrfachen Herzinfarkten) haben ein erheblich erhöhtes Risiko
für einen plötzlichen Herztod. Wenn diesen
Patienten ein Defibrillator eingesetzt wird, kann
ihr Risiko plötzlich zu sterben, deutlich vermindert werden. Diese Patienten sollten einen Defibrillator erhalten, wenn die Auswurffraktion der
linken Herzkammer unter 30 % und die Breite
Anfall erlitten haben, erhalten dagegen in der Regel keinen Defibrillator. In diesen Fällen reicht normalerweise die Behandlung der Grundkrankheit
aus.
Was kann ein Defibrillator?
Röntgenaufnahme des Brustkorbes eines Patienten nachdem
ein Einkammer-Defibrillator eingesetzt ist. Eine Elektrode ist zur
Entdeckung von gefährlichen Herzrhythmusstörungen, zur
Stimulation und zur Schockabgabe in der Spitze der rechten
Kammer zu erkennen. Der Generator ist links über den Rippen
zu sehen.
des Kammerkomplexes im EKG über 120 ms
liegt. Diese Empfehlung gilt nicht innerhalb der
ersten Monate nach einem Herzinfarkt, sondern
erst später, wenn der Zustand chronisch geworden ist.
n Weniger klar ist die Situation bei Patienten, bei
denen die Leistungsfähigkeit des Herzens nicht
durch koronare Herzkrankheit, sondern durch
andere Herzerkrankungen eingeschränkt ist.
Auch diese Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, unerwartet und plötzlich zu sterben,
aber die Leitlinien empfehlen derzeit nur im Ausnahmefall (z. B. bei familiärer Belastung durch
plötzlichen Herztod bei dieser Erkrankung) das
Einsetzen eines Defibrillators.
n Andere Krankheitsbilder, bei denen das Einsetzen eines Defibrillators bei besonderer Gefährdung des Patienten erwogen werden sollte:
angeborene QT-Syndrome, Brugada-Syndrom
sowie Patienten mit hypertropher Kardiomyopathie.
Patienten, die einen Herzstillstand infolge eines
niedrigen Kaliumspiegels oder während eines Herzinfarkts oder bei einem schweren Angina pectoris-
Der Defibrillator besteht aus einem Elektrodensystem, das gefährliche Herzrhythmusstörungen
erkennt sowie einem Generator, der in der Lage
ist, die Spannung aufzubauen, die zur Schockabgabe gebraucht wird. Das Gerät überwacht den
Herzrhythmus kontinuierlich. Wird eine gefährliche Herzrhythmusstörung erkannt, dann gibt es einen Gleichstromimpuls ab, der den regulären Herzrhythmus wiederherstellt. Die dazu benötigte Energie liegt zwischen 3 – 25 Joule. Moderne Defibrillatoren verfügen über eine ausgefeilte Technik, so
dass die Stärke des Elektroschocks auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten abgestimmt werden
kann.
Außerdem speichert der Defibrillator durch ein eingebautes Langzeit-EKG alle Rhythmusstörungen.
Je nach Diagnose stehen unterschiedliche Geräte
zur Verfügung:
n Als Standard der heutigen Defibrillator-Therapie gilt der Einkammer-Defibrillator, bei dem
lediglich eine Elektrode über eine Vene im Herzen plaziert wird. Sie ermöglicht es, Herzrhythmusstörungen zu erkennen, das Herz zu stimulieren und elektrische Schocks abzugeben. Der
Generator, der die Energie für den Schock liefert, wird unter die Haut im Bereich der Brustmuskulatur eingesetzt.
Eine wichtige Aufgabe des Defibrillators ist es,
schnelle Herzrhythmusstörungen zu erkennen,
die dem Kammerflimmern vorausgehen. Dann
reagiert das Gerät mit dem sogenannten Overdrive (Abb. S. 84). Das heißt: Es unterbricht das
Kammerrasen durch noch schnellere Impulse
und bringt das Herz in den normalen Rhythmus.
Wenn das gelingt, bleibt dem Patienten der Elektroschock erspart. Gelingt die Unterbrechung
nicht, dann bereitet die elektrische Entladung
der Herzrhythmusstörung ein Ende.
Um den Patienten gegen einen zu langsamen
Herzrhythmus abzusichern, verfügt der Einkammer-Defibrillator zusätzlich über eine Schrittmacherfunktion.
83
Zweikammer-Defibrillator
Bei einem Zweikammer-Defibrillator wird nicht
nur wie bei einem Einkammer-Defibrillator eine
Elektrode an der Spitze der rechten Herzkammer
eingesetzt, sondern zusätzlich eine weitere im rechten Vorhof. Dieser Defibrillator ist besonders bei
Patienten von Nutzen, die neben den bösartigen
Kammerrhythmusstörungen auch Vorhofflimmern
(phasenweise oder anhaltend) haben. Warum?
Vorhofflimmern verursacht häufig eine rasche Kammerfrequenz, die bei einem Einkammer-Defibrillator unnötige Schockabgaben hervorruft. Das
Zweikammer-System kann die schnellen Herzrhythmusstörungen besser unterscheiden und beugt so
einer unnötigen Schockabgabe vor. Vollständig
kann man sie allerdings durch einen ZweikammerDefibrillator nicht verhindern.
A
I
II
III
B
I
II
III
I
Der biventrikuläre Defibrillator
Bei einer Reihe von Patienten (etwa ein Drittel) mit
schwerer Herzschwäche breitet sich die Erregung
im Herzen verzögert und nicht gleichzeitig aus. Damit ist das Zusammenziehen der linken Hauptkammer gestört und die Auswurfleistung des Herzens
vermindert. Bei einem biventrikulären Defibrillator werden nicht nur der Vorhof und die Spitze der
rechten Herzkammer stimuliert, sondern zusätzlich die Seitenwand der linken Herzkammer (Dreikammer-System). Hierdurch wird das Zusammenspiel der einzelnen Abschnitte der linken Herzkammer verbessert und die Herzleistung gesteigert.
Durch diese Art der Stimulation wird auch die Häufigkeit bösartiger Herzrhythmusstörungen vermindert, allerdings nicht so, dass solche Rhythmusstörungen nicht mehr auftreten könnten. Daher kombiniert man diese Art der Stimulation mit einem Defibrillator. So erhalten solche Patienten einen
Zweikammer-Defibrillator mit einer zusätzlichen
Elektrode, der die Seitenwand der linken Herzkammer stimuliert.
84
II
III
Abb. A: Overdrive: Durch Abgabe von vier Impulsen
[ATP = antitachykardes Pacing (Stimulation)] wird das Herzrasen vom Defibrillator ohne Elektroschock beendet.
Abb. B: Diese Aufzeichnung zeigt eine Kammertachykardie,
eine Stimulation des Herzens, die nicht wirkt, und deswegen
gibt der Defibrillator einen Schock ab. Nach der Schockabgabe
schlägt das Herz etwas langsamer, dann sorgt die Schrittmacherfunktion des Defibrillators dafür, dass das Herz wieder
normal schlägt.
Wie lange hält ein Defibrillator?
Die Batterie eines Defibrillators hat eine Funktionsdauer von fünf bis zehn Jahren. Die Haltbarkeit ist abhängig von der Stärke und der Häufigkeit der abgegebenen Schocks. Eine Erschöpfung
der Batterien zeigt das Gerät frühzeitig an. Dann
muss der Generator in einer Operation ausgetauscht werden.
Wie wird der Defibrillator
eingesetzt?
Außerdem raten wir den PatienVoraussetzung für das Einsetzen eines
ten, in die Klinik zu kommen:
Defibrillators ist eine Reihe von Unn nach der ersten Schockabgabe,
tersuchungen: EKG, Echokardiogran wenn sich der Patient nach
phie, Röntgenaufnahme des Brusteiner Schockabgabe nicht wohl
korbs. Eine Herzkatheteruntersuchung
fühlt und
klärt den Zustand der Herzkranzgen wenn die Schockabgaben sich
Modell eines Defibrillators.
fäße und die Herzleistung. Die elekhäufen. Die Ursachen vermehrter
trophysiologische Untersuchung gibt InformatioICD-Entladungen müssen umgehend abgeklärt
nen über die Art der Rhythmusstörung und wie ihr
werden.
am besten begegnet werden kann.
Während in den Anfängen der ICD-Therapie kein
Komplikationen
Zweifel daran bestand, dass der Einbau von Defibrillatoren durch einen Herzchirurgen vorgenomInfektionen gehören zu den schwerwiegenden
men werden sollte, nehmen heute in einer Reihe
Komplikationen nach dem Einsetzen eines Defivon Zentren die Kardiologen allein oder gemeinbrillators. Die Infektionsrate ist mit 2 % relativ niedsam mit dem Herzchirurgen diesen Eingriff vor;
rig, etwa die Hälfte der Patienten stirbt, wenn sich
denn in den vergangenen Jahren sind die Defibrildie Infektion unbehandelt im Körper ausbreitet.
latoren wesentlich kleiner geworden.
Das kann vermieden werden, wenn der Patient
Durch die kleinen Aggregate ist eine Vollnarkose
schnell in die Klinik kommt. In einzelnen Fällen
zum Einsetzen des Gerätes nicht nötig. Nur wenn
hat eine antibiotische Behandlung Erfolg gehabt.
während der Operation die Stärke des ElektroDie meisten Herzspezialisten sehen diese Behandschocks bestimmt wird, erhält der Patient eine Kurzlung als ungeeignet an und empfehlen bei einer
zeitnarkose. 24 Stunden lang muss der Patient nach
Infektion, das gesamte Defibrillator-System zu entder Operation überwacht werden, um frühzeitig
fernen.
Probleme wie Blutungen (Hämatome), AnsammDann muss gewartet werden, bis die Infektion ausgeheilt ist, um erneut einen Defibrillator einzusetzen.
lung von Gewebeflüssigkeit (Serome) oder VerWie kann der Patient eine Infektion entdecken?
schiebungen der Elektrode(n) zu erkennen. Dann
Zeichen einer Infektion sind Rötungen und Schwelkann der Patient auf eine Allgemeinstation verlegt
lungen in dem Bereich, in dem der Defi eingesetzt
werden. Die Dauer des stationären Aufenthaltes
wurde. Bei der Hälfte der Patienten stellt sich auch
ist in Abhängigkeit von der Grundkrankheit des
erhöhte Temperatur ein. Da die Infektion sich
Patienten zwischen zwei und vier Tagen. Vor der
schleichend entwickelt, kann sie Tage bis Wochen
Entlassung sollte eine Kontrolle und Feineinstelnach Einsetzen des Defibrillators auftreten. Die Gelung des Defibrillators erfolgen.
fahr ist größer beim Wechsel des Geräts als beim
Ersteinsetzen.
Wann zum Arzt?
Komplikationen des Elektrodensystems werden in
Nach dem Einsetzen des Defibrillators muss der
etwa 5 – 10 % der Fälle beobachtet. Es kann zur
Patient in drei- bis sechsmonatigen Abständen zu
Bei jedem Verdacht einer Infektion von Elektroeiner ambulanten Untersuchung kommen, damit
densystem und/oder Generator sollte der Patient
Störungen oder Komplikationen erkannt und beumgehend das Zentrum, das den Defibrillator
seitigt werden. Ein weiterer Vorteil der regelmäßieingesetzt hat, aufsuchen.
gen Kontrollen liegt darin, dass der Patient, der oft
schwer herzkrank ist, engmaschig betreut wird.
85
Verschiebung der Elektroden kommen, zur Verlagerung der Sonden, zu Kabelbrüchen usw. Diese Defekte zeigen sich in häufigen Entladungen.
Typisch ist in solchen Fällen, dass die Entladung
durch bestimmte Bewegungen hervorgerufen wird.
Einer unserer Patienten hatte immer elektrische
Entladungen, wenn er seinen Enkel hochhob. Das
Gerät war defekt. Solche Defekte müssen rasch
chirurgisch behoben werden.
Beim Auftreten häufiger ICD-Entladungen sollten die gespeicherten Elektrogramme so schnell
wie möglich analysiert werden. Ein Defekt des
Elektrodensystems muss unverzüglich durch eine
Operation beseitigt werden.
Häufige Entladungen
Häufige Entladungen können nicht nur durch Defekte des Elektrodensystems hervorgerufen werden, sondern auch durch Rhythmusstörungen, die
an sich nicht gefährlich sind wie z. B. Vorhofflimmern oder Vorhofflattern. Der Verdacht, dass DefiEntladungen auf Rhythmusstörungen aus dem Vorhof zurückgehen, ergibt sich häufig schon aus dem
Beschwerdebild des Patienten: Oft haben solche
Patienten mehrere Schocks hintereinander, ohne
dass sie schwindlig oder bewusstlos werden. Bei
der Mehrzahl dieser Patienten ist eine Behandlung
mit Medikamenten (Digitalis, Verapamil, Betablocker, Antiarrhythmika) erfolgreich, und nur bei
sehr wenigen Patienten (etwa 5 %) sind andere
Maßnahmen notwendig.
Eine wiederholte Schockabgabe in kurzen Abständen stellt eine Notfallsituation dar, da der Patient
zum einen durch die meist schmerzhaften Schockimpulse erheblich psychisch beeinträchtigt ist und
zum anderen eine unangemessene Schockabgabe
Herzrhythmusstörungen fördern kann und damit
eine Gefährdung für den Patienten darstellt. Unangemessen ist eine Schockabgabe, wenn sie nicht
durch schnelle Herzrhythmusstörungen in den
Herzkammern ausgelöst ist. Eine Klinikeinweisung
ist in der Regel unumgänglich.
Allerdings gibt es häufige ICD-Entladungen auch
durch lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen
86
bei schwer herzkranken Patienten. Sie werden vor
allem bei einer Verschlechterung der Herzleistung
beobachtet. In solchen Fällen muss die Therapie
in erster Linie darauf abzielen, die Herzschwäche
zu behandeln und/oder den Herzrhythmus zu stabilisieren.
Wechselwirkungen mit Medikamenten
Patienten mit einem Defibrillator müssen oft Medikamente einnehmen; auch Medikamente gegen
Herzrhythmusstörungen, die den Herzrhythmus
stabilisieren sollen.
Zwischen Medikamenten und Defibrillator gibt es
keine Wechselwirkungen mit einer wichtigen Ausnahme: Amiodaron (z. B. in: Cordarex, Amiohexal). Wenn Patienten, die einen Defibrillator tragen, Amiodaron verordnet bekommen, muss ihr
Gerät neu programmiert werden. Die elektrische
Energie bei der Schockabgabe muss erhöht werden, damit Kammerflimmern zuverlässig beendet
werden kann.
Mit dem Defi leben
Wie empfindet man den Schock, den das Gerät bei
Kammerflimmern abgibt?
Das ist sehr unterschiedlich. Manche haben dabei
nur ein unangenehmes Gefühl. Die Mehrzahl der
Patienten empfinden einen mehr oder weniger starken Stoß in der Brust. Manche fühlen sich benommen, bei 8 – 10 % der Patienten tritt eine vorübergehende Bewusstlosigkeit auf. Vielen Patienten
zeigt ein warnendes Vorgefühl, dass eine elektrische Entladung folgt. Sie haben dann die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, indem sie sich hinsetzen oder hinlegen.
Für die Lebensqualität der Patienten hängt viel davon ab, dass die Ärzte den Patienten umfassend
aufklären und auf seine Besorgnisse und Ängste
eingehen. Deshalb haben wir wie viele Kliniken
eine Defi-Ambulanz, in der die Patienten rund um
die Uhr immer einen Ansprechpartner für ihre Probleme finden.
Gut informierte Patienten wissen, dass der Defi das
beste Mittel gegen den plötzlichen Herztod ist, und
dass es keine Alternative gibt, die so zuverlässig
ihr Leben rettet. Die Zahl
der Patienten, die mit ihrem Defibrillator gut zuSchematische Darstellung eines Defibrillators mit Aufzeichnung eines im Herzen
abgeleiteten EKGs.
rechtkommen, ist erstaunlich hoch: Es sind rund
95 %.
Ja, es gibt Leute, die die erste Entladung ihres DeAn sich selbstverständlich: Sicherheitsgurte und
fis feiern, weil sie darin den Beweis sehen, dass ihr
Gurte mit schweren Taschen sollten nicht direkt
Defi sie vor dem plötzlichen Herztod schützt.
über dem Defibrillator getragen werden, weil sonst
Wichtig für die Lebensqualität ist, dass der Defidie Elektroden beschädigt werden können.
brillator wenig Einschränkungen bringt. Gegen EinFlugreisen sind unproblematisch. Eine Studie unflüsse von außen ist er gut geschützt. Nur starke
serer Arbeitsgruppe, die von der Deutschen HerzMagnetfelder, z. B. Transformatoren, große Indusstiftung unterstützt wurde, hat gezeigt, dass Sichertriemaschinen wie Generatoren und Elektromotoheitsschleusen und Handdetektoren auf Flughären, sind zu meiden. Die Magnetresonanztomografen den Defi nicht beeinträchtigen. Dasselbe gilt
phie (MRT) als Untersuchungsverfahren darf – zubei Diebstahlsicherungen von Kaufhäusern.
mindest im Brustkorbbereich – nicht angewandt
Vor Auslandsreisen empfiehlt es sich, den Herstelwerden.
ler des Defibrillators anzurufen, um sich Adressen
Ein heikler Punkt, der viele Patienten beschäftigt,
im Ausland zu beschaffen, die bei Zwischenfällen
ist das Autofahren. Autofahren ist in den ersten
Hilfe leisten können.
sechs Monaten nach Einsetzen eines Defis nicht erEs darf nicht vergessen werden, dass die Einschränlaubt, damit beobachtet werden kann, ob Entkungen, die den Alltag der Patienten beeinträchladungen des Defis stattfinden und wenn ja, weltigen, z. B. mangelnde Belastbarkeit, nicht auf den
che Beschwerden auftreten. Wenn der ElektroDefibrillator zurückzuführen sind, sondern auf die
schock zu Bewusstseinstrübungen oder gar zur BeGrundkrankheit. Die meisten Träger eines Defibrilwusstlosigkeit führt, ist selbstverständlich das
lators leiden an einer koronaren Herzkrankheit
Autofahren auch auf Dauer nicht möglich.
oder an einer Kardiomyopathie. Nur bei 5 % der
Dagegen gibt es im Sport kaum Einschränkungen.
Patienten tritt Kammerflimmern auf, obwohl sie
Nur von Kampfsportarten, die dem Gerät etwas ansonst gesund sind. Ein typischer Fall: Eine 42-jähhaben können, ist abzuraten. Für sexuelle Aktirige Frau brach plötzlich beim Kartenspiel zusamvitäten bringt der Defi keine Probleme. Die elekmen: Herzstillstand. Ihr Mann rettete sie durch
trische Spannung geht bei Berührung auf den PartHerz-Lungen-Wiederbelebung. Ein Defibrillator,
sagte die sonst rundum gesunde Frau, käme für
ner nicht über.
sie nicht in Frage. Sie habe keine Lust LebensquaHandys können genutzt werden, man sollte sie
lität einzubüßen. Als die Ärzte ihr erklärten, wie
15 cm vom Defibrillator entfernt halten. Am beswenig ihr Leben eingeschränkt würde, entschied
ten sollte man das Telefon auf der dem ICD gegensie sich für den Defibrillator und lebt seither sehr
überliegenden Seite tragen und auf dem gegenzufrieden.
überliegenden Ohr telefonieren.
87
Leben mit dem Defi
Als mein Arzt das erste Mal vom Defi sprach, war
ich skeptisch. Die Vorstellung, in meiner Brust ein
Gerät zu tragen, das mir gelegentlich Elektroschocks versetzt, war mir unangenehm. Damals
1997 hatte ich drei Klappenoperationen mit schweren Komplikationen hinter mir. Einen Herzstillstand
hatte ich überlebt, und danach verordneten mir die
Ärzte Amiodaron und Betablocker. Diese Medikamente bewährten sich zunächst: Ein Herzstillstand
kam nicht mehr vor. Aber nach eineinhalb Jahren
traten schwere Nebenwirkungen auf. Deshalb
brachten die Ärzte den Defi ins Gespräch. Nur sehr
zögerlich ließ ich mich überzeugen. Erst nach mehreren Gesprächen mit meinen Ärzten und nachdem ich eine zweite Meinung in einem großen
Herzzentrum eingeholt hatte, entschloss ich mich
zum Defi.
Die Operation, in der der Defibrillator eingesetzt
wurde, war problemlos. Trotzdem sah
ich mit Bangen der Zukunft entgegen.
Ich quälte mich mit den Problemen,
die auf mich zukommen sollten. Wie
würde das Leben mit dem Defi aussehen? Vor allem wie würden die
Elektroschocks auf mich wirken?
In dieser Situation war es für mich
sehr wichtig, mit Menschen
sprechen zu können, die
schon länger mit einem
Defi lebten. In der Klinik
besuchte mich die Vorsitzende des ICD-Arbeitskreises Links der
Weser und in der
Reha-Klinik traf ich
auf eine Patientin,
die mir von ihren Erfahrungen mit Elek88
troschocks erzählte. Dadurch wurden mir meine
Ängste zum großen Teil genommen. Eine große
Hilfe waren auch die Gespräche mit dem Elektrophysiologen und den Psychologen der RehaKlinik.
Die ersten Monate gab der Defi keine Schocks ab.
Es gelang ihm durch sogenannte Stimulationen das
Herzrasen zu unterbrechen, das dem Herzstillstand
vorausgeht. Ich wurde immer sicherer, zumal nun
auch die Nebenwirkungen der vorher verabreichten Medikamente schwanden. Die
erste Schockabgabe war nicht so
schlimm, wie von mir befürchtet.
So lernte ich meinen Defi lieb gewinnen.
Ich vertraute ihm, da ich auf dem
Ausdruck der Defi-Abfrage die
Rhythmusstörungen und das
Eingreifen des Defis selbst
sehen konnte. Mir wurde bewusst, wie der
Defi mein Leben
schützt.
Mein kleiner „Aufpasser in der Brust“
bringt mir ein sehr
positives, gutes und
sicheres Lebensgefühl. Denn ich
weiß, kein Medikament ist bei gefähr-
Unterwegs mit der Herzsportgruppe.
lichen Herzrhythmusstörungen so sicher wie der
Defi. Meine Sorgen wurden immer geringer. Die
Rhythmusstörungen sind zwar immer noch vorhanden und ab und zu gibt der Defi Stimulationen
oder in wenigen Fällen auch Schocks ab. Da ich
die Rhythmusstörungen in der Regel rechtzeitig
merke, kann ich mich auf die Reaktion des Defis
vorbereiten. Die Stimulationen merke ich nicht;
der Schock ist zwar unangenehm, aber zu ertragen. Da nach dem Schock in den meisten Fällen die
unangenehmen Rhythmusstörungen vorbei sind,
fühle ich mich nach wenigen Stunden wesentlich
besser.
2004 erhielt ich einen neuen Defi. Er ist technisch
ein großer Schritt nach vorn – ähnlich, wie es bei
den Computern zur selben Zeit zu beobachten war.
Das Gerät erkennt jetzt die dem Kammerflimmern
vorausgehenden Herzrhythmusstörungen besser,
so dass es zu weniger Schockabgaben kommt.
Mein Lebensalltag ist sehr befriedigend. Da ich
erfahren habe, wie wichtig es ist, sich mit anderen
Patienten auszutauschen, arbeite ich intensiv in
verschiedenen Selbsthilfe- und Herzgruppen.
Inzwischen habe ich die Regionalgruppe Emsland/Ostfriesland des ICD-Arbeitskreises Links der
Weser gegründet. Seither arbeite ich dort als stellvertretender Vorsitzender. Über zu wenig Abwechslung kann ich mich nicht beklagen. In meiner Freizeit freue ich mich an der Natur und an der Pflege
von Haus und Garten. Bei den täglichen Spaziergängen und wenn das Wetter es erlaubt, begleitet
mich beim Fahrradfahren mein Schäferhund. Mit
meiner Lebensgefährtin gehe ich gern auf Reisen
– was früher nicht möglich war.
Fazit: Ich komme mit dem Defibrillator gut zurecht,
weil ich mich sicherer fühle.
Hermann Wessels, Neubörger
89
Herzrhythmusstörungen nach der
Operation angeborener Herzfehler
Dr. med. Joachim Hebe, Praxis für Elektrophysiologie/Kardiologie,
Klinikum Links der Weser, Bremen
Prof. Dr. med. Karl-Heinz Kuck, Abt. II., Medizin/Kardiologie,
Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg
Yvonne, eine 15-jährige Schülerin, hatte eigentlich
nicht so recht Lust, schon wieder zur Routineuntersuchung zu ihrem Kardiologen zu gehen. Ihr Leben wurde schon zu lange von medizinischen Eingriffen und Kontrollen diktiert.
Nur dieses eine Mal wollte sie den vorgegebenen
Termin noch wahrnehmen. Denn in den letzten
Monaten waren Phasen aufgetreten, bei denen sie
besonders bei körperlichen Anstrengungen ein ungewohnt starkes Herzjagen spürte. Es war ihr dabei schwindlig, und sie hatte auch Atemnot. Sie
selbst fand das nicht so schlimm, aber da war die
Mutter, die sich Sorgen um sie machte.
Als sie zur Welt kam, so wurde ihr erzählt, sei sie
am ganzen Körper blau gewesen, was die Ärzte
auf einen schweren angeborenen Herzfehler zurückführten. Im Gegensatz zu anderen Kindern
mischte sich in ihrem Herzen das blaue Blut aus
dem Körper mit dem roten Blut aus der Lunge.
Schon in den ersten Lebensmonaten war eine Operation (Fontan-Operation) und eine weitere im Alter von zehn Jahren durchgeführt worden.
Jetzt, nach den einzelnen Untersuchungen, wartete sie auf die abschließende Besprechung. Der Doktor erklärte, dass das Herz von Yvonne viel zu
schnell schlage, vermutlich schon eine ganze Weile. Er sprach von einer tachykarden (schnellen)
Herzrhythmusstörung und empfahl dringend die
Einweisung in das nächstgelegene Krankenhaus,
das auf jugendliche und erwachsene Patienten mit
operierten angeborenen Herzfehlern spezialisiert
sei. Dort sollte Yvonne sich einer sogenannten elektrophysiologischen Untersuchung unterziehen. Über
einen Herzkatheter solle die Ursache für den zu
schnellen Herzschlag geklärt und wenn möglich
auch beseitigt werden. Dabei werde über den Ka90
theter Strom abgegeben und dadurch die Herzmuskelzonen verödet, die für das Herzrasen verantwortlich seien.
Am nächsten Tag folgte der Eingriff: Yvonne bekam fast gar nichts davon mit. Sie erhielt ein Beruhigungsmittel, mit dem sie schnell tief und fest einschlief. Ein sanftes Rütteln an ihrer rechten Hand
holte sie wieder zurück: Ihr erster Blick richtete
sich auf das glückliche Gesicht ihrer Mutter, die ein
paar Freudentränen in den Augen hatte. Alles war
überstanden. Die Ärzte sprachen von einem erfolgreichen Eingriff, der vier Stunden gedauert habe.
Yvonne fühlte sich nur noch etwas schlapp und
müde, als sie am nächsten Morgen das Bett verlassen durfte. Einen Tag später wurde sie entlassen
und konnte wenige Tage darauf wieder zur Schule gehen.
Die letzten Kontrolluntersuchungen zeigten einen
normalen und stabilen Herzrhythmus. Yvonnes Leben änderte sich: Jetzt erst merkte sie, wie leicht
ermüdbar sie früher gewesen war. Auch reichte die
Luft wieder bis in die vierte Etage. Jetzt konnte sie
sich in der Schule besser konzentrieren und in der
Gruppe ungebremst an allen Unternehmungen teilnehmen. Das neue Verfahren hat die Herzrhythmusstörung geheilt.
Yvonnes Geschichte ist exemplarisch: Die Medizin hat in den letzten zwei Jahrzehnten enorme
Fortschritte in der Diagnose, der Operation und
der Nachsorge komplexer angeborener Herzfehler gemacht. Dadurch erreichen immer mehr Patienten das mittlere und hohe Erwachsenenalter
mit einer annehmbaren bis guten Lebensqualität.
Allerdings: Trotz aller Fortschritte bleiben bei diesen Patienten häufig Fehlbelastungen einzelner
Anteile des Herzens bestehen. Bei ihnen treten in
Aorta
obere Hohlvene
Lungenarterie
chirurgische Narbe
Vorhof-ReentryTachykardie
rechter Vorhof
rechte Kammer
untere Hohlvene
Darstellung des Herzens nach einer Operation zur
Korrektur eines angeborenen Herzfehlers. Der Chirurg
stellte eine direkte Verbindung vom rechten Vorhof zur
Lungenarterie her. Im Vorhof läuft eine schnelle kreisende Herzrhythmusstörung (Reentry-Tachykardie)
entlang der Narbe, die von dem chirurgischen Eingriff
herrührt. Der gelb unterlegte Bereich der kreisenden
Tachykardie ist eine Zone, die für die Herzrhythmusstörung verantwortlich ist. Eine Hochfrequenzstromablation, die diese Zone verödet, kann das Auftreten
der Herzrhythmusstörung dauerhaft verhindern.
zunehmender Zahl wiederkehrende und chronische Herzrhythmusstörungen auf.
Diese Herzrhythmusstörungen sind von großer Bedeutung, weil Patienten, die wegen angeborener
Herzfehler operiert wurden, Herzrhythmusstörungen erheblich schlechter vertragen als Menschen
mit normalen Herzen. Die Lebensqualität dieser
Patienten ist wesentlich stärker beeinträchtigt und
zugleich ist das Risiko einer vitalen Bedrohung relativ hoch.
Ursachen erworbener
Herzrhythmusstörungen
Es gibt angeborene Herzrhythmusstörungen wie
das Wolff-Parkinson-White-Syndrom (WPW-Syndrom), wo die Ursache – eine zusätzliche Reizleitung – bereits bei der Geburt angelegt ist.
Abzugrenzen sind hiervon die erworbenen Herzrhythmusstörungen, die durch Erkrankungen (z. B.
Herzmuskelentzündung), Fehlbelastungen (Druck/Volumenüberlastung) oder Sauerstoffunterversorgung (Koronarsklerose) des Herzens entstehen
können. Dazu gehören auch Herzrhythmusstörungen, die ein nicht operierter Herzfehler im Lauf der
Zeit hervorruft. Ein Beispiel dafür ist Vorhofflimmern, das bei Patienten mit einem nicht operierten Vorhofseptumdefekt bei mehr als 50 % der Fälle zu finden ist.
Weiterhin können erworbene Herzrhythmusstörungen direkt oder mittelbar durch chirurgische
91
Links: 12-Kanal-Oberflächen-EKG der jungen Patientin
Yvonne bei der Aufnahme ins Krankenhaus. Yvonne
empfindet keine Beschwerden. Zu sehen ist eine VorhofReentry-Tachykardie mit einem 2:1-Verhältnis von Vorhof
zur Kammeraktivierung bei einer Vorhoffrequenz von
220/min und einer sich daraus ergebenden Kammerfrequenz von 110/min. Offensichtlich hatte sich die Patientin
an die dauerhaft hohe Herzfrequenz gewöhnt.
Rechts: 12-Kanal-Oberflächen-EKG der gleichen Patientin
während der Vorhoftachykardie mit 1:1-Überleitung
auf die Kammerebene und der sich daraus ergebenden
Kammerfrequenz von 220/min. Jetzt hat die Patientin
Beschwerden: Herzrasen, Schwindel, Atemnot.
Eingriffe hervorgerufen werden. Diese können akut
im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Operation (z. B. als Folge der chirurgischen Durchtrennung des AV-Knotens) oder mehrere Jahre später
auftreten z. B. als Folge von Vernarbungen.
Typisch ist hier der Ausfall des Sinusknotens nach
ausgedehnter Vorhof-Chirurgie (z. B. bei Vorhofumkehr nach Mustard/Senning, bei einer Transposition der großen Gefäße) oder der AV-Block III°
(nach Korrektur eines AV-Kanals oder einer Fallot’schen Tetralogie).
Welche Beschwerden treten auf?
Zu langsame Herzschlagfolge (Bradykardie)
Wenn der Hauptimpulsgeber des Herzens, der
Sinusknoten, zu langsam arbeitet oder die Überleitung gestört ist (AV-Block), sinkt die Herzfrequenz unter 40 bis 50 Schläge pro Minute. Dabei
kann es zu einer kritischen Unterversorgung des
92
Kreislaufs kommen, die sich durch Schwindel oder
gar durch Verlust des Bewusstseins (Synkope) äußern kann. Eine höchstgradige AV-Überleitungsstörung (totaler AV-Block) in Kombination mit dem
Fehlen eines ausreichenden Ersatzrhythmus kann
zum Kreislaufzusammenbruch führen.
Zu schnelle Herzschlagfolge (Tachykardie)
Schnelle Herzrhythmusstörungen im Vorhof (atriale Tachykardien) wirken sich je nach Dauer und
Herzfrequenz verschieden aus. Bei Vorhoffrequen-
Welche Möglichkeiten
der Behandlung bestehen?
Langsame Herzrhythmusstörungen
(Bradykardien)
Patienten mit langsamen Herzrhythmusstörungen
können heute mit individuell abgestimmten Schrittmachersystemen trotz der angeborenen Fehlbildung des Herzens meist hervorragend versorgt werden. Einschränkungen der Lebensqualität, auch
der Berufsausübung, gehören in der Regel der Vergangenheit an.
zen von bis zu 350/min kann je nach Bremswirkung des AV-Knotens das Herz bis zu mehr als 200
mal in der Minute schlagen. Es ist leicht vorstellbar, dass bei Vorliegen einer Herzerkrankung solche Herzfrequenzen schlecht vertragen werden.
Hinzu kommt, dass dann auch die Zusammenarbeit zwischen Vorhof und Kammer gestört ist und
dadurch die Pumpkraft des Herzens deutlich verringert wird.
Auch bei schnellen Herzrhythmusstörungen in den
Herzkammern sind herzoperierte Patienten besonders betroffen. Während bei einem sonst herzgesunden Patienten Kammerfrequenzen von 220/min
bis zu mehreren Stunden durchaus vertragen werden, können bereits wesentlich langsamere Kammerfrequenzen bei Patienten mit angeborenen
Herzfehlern zu schwersten klinischen Beschwerden bis hin zum Zusammenbruch der Herz-Kreislauf-Funktion führen.
Es kommt auch vor, dass Patienten die schnellen
Herzrhythmusstörungen nicht wahrnehmen, so
dass sie nur durch einen Zufall aufgedeckt werden. In anderen Fällen treten Beschwerden auf:
Herzrasen, Herzstolpern, Schwindel („Es wird mir
schwarz vor Augen“), Brustschmerzen, Atemnot,
plötzliche Bewusstlosigkeit und sogar Herz-Kreislauf-Stillstand (schnelle ventrikuläre Tachykardie,
Kammerflimmern). Wichtig zu wissen ist: Auch Patienten, die ihre Herzrhythmusstörung nicht spüren, können vital gefährdet sein. Deswegen muss
der Herzrhythmus von Patienten, die wegen angeborener Herzfehler operiert wurden, regelmäßig
vom Arzt kontrolliert werden.
Schnelle Herzrhythmusstörungen (Tachykardien)
Je nachdem, welche Beschwerden schnelle Herzrhythmusstörungen auslösen und welche Bedrohung von ihnen ausgeht, kommen unterschiedliche Behandlungsstrategien in Betracht:
n keine Therapie
n Korrektur der Fehlbelastungen des Herzens
durch Medikamente, durch Operation oder
Herzkathetereingriff
n antiarrhythmische Therapie durch Medikamente, Hochfrequenzstromablation oder Einsetzen
eines Cardioverters/Defibrillators
Nicht alle schnellen Herzrhythmusstörungen bedürfen einer Behandlung. Voraussetzung ist, dass
diese Herzrhythmusstörungen keine vitale Bedrohung oder auch auf Dauer keine Schädigung der
Herzfunktion mit sich bringen. Bei Patienten mit
angeborenen Herzfehlern ist das jedoch selten der
Fall. Daher muss man sich in den meisten Fällen
zu einer Behandlung der Herzrhythmusstörung
entschließen.
Oft ist bei Patienten, die wegen angeborener Herzfehler operiert sind, später schwer auseinanderzuhalten, welche Schäden die Operationsnarben und
welche Schäden die Fehlbelastungen, die nach der
Operation bleiben, hervorrufen. Falls der Nachweis gelingt, dass Herzrhythmusstörungen auf Fehlbelastungen zurückgehen, sollte in erster Linie versucht werden, sie durch Medikamente oder durch
Operation zu verringern oder zu beseitigen. Gegebenenfalls kann dieses Vorgehen mit einer antiarrhythmischen Therapie kombiniert werden.
93
Antiarrhythmische Therapie
Medikamente
Mit Medikamenten gegen Herzrhythmusstörungen
(Antiarrhythmika) versucht man, die Herzrhythmusstörung zu unterdrücken oder zumindest das
durchschnittliche Niveau der Kammerfrequenz im
Normbereich zu halten. Die überwiegende Zahl
dieser Antiarrhythmika hat eine Reihe von Nebenwirkungen, die sich unter anderem negativ auf die
Funktion des Herzens (z.B. Pumpkraft) auswirken
kann.
Elektrophysiologische Untersuchung (EPU)/Hochfrequenzstromablation
Therapie der Wahl für schnelle Herzrhythmusstörungen nach Operation angeborener Herzfehler
ist heutzutage die Hochfrequenzstromablation
(s. S. 26). Während Medikamente derartige Herzrhythmusstörungen zeitweise unterdrücken, lassen sie sich mit dieser Technik dauerhaft heilen.
Das Verfahren kann vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter eingesetzt werden. Behandelt werden neben den herzoperierten Patienten auch Säuglinge und Kinder, die „nur“ an einer Herzrhythmusstörung leiden, ohne dass eine Herzoperation
durchgeführt werden muss.
Die Erfolgsquote der Hochfrequenzstromablation
liegt für die Mehrzahl der Herzrhythmusstörungen
bei über 90 %. Wesentliche Voraussetzung für den
Erfolg ist große Erfahrung mit dieser Behandlung.
Außerdem müssen besondere zusätzliche bildgebende Techniken zum Auffinden (Lokalisation)
und Analyse der Herzrhythmusstörung (sogenannte Mapping-Techniken) zur Verfügung stehen. Die
Eingriffszeiten sind heutzutage deutlich kürzer als
früher und liegen in der Regel bei zwei bis vier
Stunden.
Das Risiko dieser Therapie hängt von der zugrundeliegenden Herzkrankheit, von der Art der Rhythmusstörung und vom Alter des Patienten ab. Je
schwerer die Herzkrankheit und je jünger der
Patient, desto höher das Risiko. Ebenso ist die Behandlung von Herzrhythmusstörungen mit Ursprung in den Herzkammern im allgemeinen risikoreicher als die Behandlung von Herzrhythmusstörungen aus den Herzvorhöfen. Heutzutage sind
94
schwerwiegende Komplikationen selten und liegen in einer Größenordnung von zwei bis drei Prozent. Eine Notwendigkeit der Behandlung mit der
Hochfrequenzstromablation besteht immer dann,
wenn die Herzrhythmusstörung lebensbedrohlich
ist oder zu einer Pumpschwäche des Herzens führt.
Implantierbarer-Cardioverter-Defibrillator
Bei Patienten mit lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, deren Behandlung z. B. durch
Hochfrequenzstromablation nicht gelingt, sollte
das Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators
(ICD) erwogen werden (s. S. 82). Dieses System ist
in der Lage, schnelle Herzrhythmusstörungen zu
beenden. Es ist besonders bei Patienten angebracht,
bei denen bereits in der Vergangenheit schnelle
Herzrhythmusstörungen zum Zusammenbruch der
Herz-Kreislauf-Funktion (plötzlicher Herzstillstand)
geführt hatten.
Fortschritte der Medizin
In den letzten Jahren sind große Fortschritte in der
Behandlung von Herzrhythmusstörungen erreicht
worden, die gerade Patienten zugute kommen, die
wegen angeborener Herzfehler operiert wurden.
Herzschrittmacher helfen bei langsamen Herzrhythmusstörungen (Bradykardien). Bei schnellen Herzrhythmusstörungen (Tachykardien) ist in zunehmendem Maße die Hochfrequenzstromablation
erfolgreich. Dadurch können diese Patienten eine
oft lebenslange Einnahme von Medikamenten
(Antiarrhythmika) vermeiden.
Das Einsetzen eines Cardioverters/Defibrillators
kann ausgewählte Patienten, bei denen ein lebensbedrohliches Risiko erkannt wurde, vor dem plötzlichen Herztod schützen.
Das heutige breite Therapiespektrum wird in Zentren praktiziert, die auf die Versorgung von Patienten im Jugend- und Erwachsenenalter mit angeborenen Herzfehlern und auf die neuen Verfahren
zur Therapie von Herzrhythmusstörungen spezialisiert sind.
Das hilft Ihnen weiter
Wichtige Informationen können Sie den folgenden
Broschüren, Sonderdrucken und Faltblättern entnehmen, die hervorragende Herzexperten für Sie
geschrieben haben:
n Sonderdruck Nr. 24
Helfen Medikamente bei
Herzrhythmusstörungen?
n Sonderdruck Nr. 32
Störeinflüsse auf Herzschrittmacher
n Sonderdruck Nr. 13
Bluthochdruck – das verkannte Risiko
n
n
n
n
n
Broschüre Gerinnungshemmung
Broschüre dolce vita – herzgesund leben
Gesundheits-Pass
Notfallausweis
Ausweis zur Gerinnungskontrolle bei Behandlung mit Marcumar, Falithrom oder Coumadin
Diese Informationsmaterialien erhalten Sie als Mitglied kostenlos, ansonsten gegen eine Versandkostenpauschale von 1,45 Euro pro Artikel in Briefmarken.
Ihre Anforderung schicken Sie an:
Deutsche Herzstiftung e.V.
Vogtstraße 50
60322 Frankfurt am Main
Wir hoffen, dass Sie durch die vorliegende Broschüre Herzrhythmusstörungen besser verstehen werden
und dadurch auch besser mit ihnen umgehen können. Wenn das so ist, freuen wir uns und sind Ihnen
dankbar, wenn Sie unsere Arbeit mit einer Spende unterstützen, zum Beispiel:
mit einer Überweisung auf unser
Spendenkonto 903000
Frankfurter Sparkasse
BLZ 500 502 01
mit einem Anruf aus dem deutschen Festnetz:
Spendenhotline 0900 1 444 224
Der Anruf kostet 5,- Euro und die Verrechnung
dieser Spende erfolgt über Ihre Telefonrechnung.
95
Was kann die Deutsche Herzstiftung
für Sie tun?
Die Deutsche Herzstiftung hilft Ihnen, gesund zu
bleiben – oder, wenn Sie krank sind, mit Ihrer
Krankheit besser fertig zu werden:
n
n
Informationsdienst
Sprechstunde
Die Deutsche Herzstiftung bietet ihren Mitgliedern
eine telefonische Arztsprechstunde mit Herzspezialisten und Herzchirurgen zweimal im Monat an.
Außerdem können sich die Mitglieder jederzeit
schriftlich an die Sprechstunde: Patienten fragen
– Ärzte antworten der Zeitschrift der Deutschen
Herzstiftung wenden oder die Fragen online stellen. Jedes Jahr werden Tausende von Anfragen bearbeitet.
n
Ausgaben der Zeitschrift und Sprechstunden zurückgreifen.
Zeitschrift
Die Deutsche Herzstiftung gibt für ihre Mitglieder
viermal im Jahr die Zeitschrift Herz heute heraus,
in der Spezialisten über neue Entwicklungen auf
allen Gebieten der Medizin informieren: über koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt, über Bypass- und Klappenoperationen, über Rhythmusstörungen und Schrittmacher, über neue Behandlungsmethoden, Medikamente und ihre Nebenwirkungen, über Ernährung und Cholesterin, auch
über alternative Medizin. Zusätzlich berichten Patienten über ihre Erfahrungen.
Auf den Internetseiten der Deutschen Herzstiftung
können Mitglieder auch auf Artikel aus früheren
Besonders wichtige Themen haben wir für unsere Mitglieder als Sonderdrucke zusammengefasst:
Herzuntersuchungen, Herzinfarkt, Ballondilatation, Herzklappe, Stress usw. Darüber hinaus informieren wir über Warnsignale vor Herzinfarkt
und Schlaganfall, Reisetipps für Herzkranke, Endokarditis-Prophylaxe, Selbstkontrolle des Gerinnungswertes und vieles andere. Jedem Mitglied
steht der Notfallausweis für Herzpatienten zur Verfügung. Das Informationsmaterial kann ebenfalls
online bestellt werden.
Unter www.herzstiftung.de können sich Besucher
über die Ziele und die Struktur der Herzstiftung
und deren Aktivitäten informieren. Das Lexikon
erklärt medizinische Fachbegriffe. Interessierte können sich über Veranstaltungstermine informieren,
den Newsletter beziehen, Broschüren und Ratgeber anfordern oder herunterladen und Kontakt zu
Selbsthilfegruppen knüpfen u.v.m. Mit der SucheFunktion können schnell und gezielt die gewünschten Inhalte gefunden werden.
n
Herz-Seminare und Vorträge
Warum muss ich welche Medikamente regelmäßig
einnehmen? Was geschieht bei einer Bypass-Ope-
An dieser Stelle sollte ein Aufnahmeantrag kleben, mit dem Sie
Mitglied in der Deutschen Herzstiftung werden können.
Wenn er fehlt und Sie Mitglied werden wollen, rufen Sie uns einfach an:
Telefon 069 955128-0 oder
online unter www.herzstiftung.de.
Natürlich können Sie uns auch schreiben:
Deutsche Herzstiftung
Vogtstraße 50
60322 Frankfurt am Main
96
n
ration? Was ist Herzschutzkost? Wie ist sie im Alltag zu erreichen? Wie stark soll ich mich körperlich belasten? Antworten auf diese und andere Fragen geben Ihnen nicht nur unsere Informationsschriften, sondern auch Herzspezialisten auf
unseren Herz-Seminaren und Vortragsveranstaltungen. Eine vollständige Übersicht der Termine
finden Sie auf den Internetseiten der Deutschen
Herzstiftung.
Forschung
Die Deutsche Herzstiftung führt jedes Jahr eine bundesweite Aufklärungsaktion durch: die Herzwoche
z. B. zur Früherkennung des Herzinfarktes oder den
Herzmonat z. B. zum Thema Herzrhythmusstörungen oder Herzklappenerkrankungen.
Im Kampf gegen die Herz-Kreislauf-Krankheiten ist
die Forschung von besonderer Bedeutung. Alle wesentlichen Fortschritte der letzten Jahrzehnte wurden durch die Förderung der Wissenschaft erzielt.
Die Förderung der Forschung ist ein besonderes Anliegen der Deutschen Herzstiftung in Verbindung mit
der Deutschen Stiftung für Herzforschung.
Die Stärke der Deutschen Herzstiftung ist ihre enge
Bindung zur Wissenschaft: Sie ist nicht nur mit der
Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herzund Kreislaufforschung eng verbunden, sie ist auch
die offizielle Vertretung Deutschlands in der internationalen Gemeinschaft der Herzstiftungen. Dem
Wissenschaftlichen Beirat gehören fast alle führenden Kliniker und Wissenschaftler an, die auf
dem Gebiet der Herz-Kreislauf-Erkrankungen arbeiten.
n
n
n
Herzwoche/Herzmonat
Reisen für Herzkranke
Die Deutsche Herzstiftung bietet gemeinsam mit
Reiseveranstaltern fachärztlich und sporttherapeutisch betreute Reisen an, die auf die Wünsche
und Bedürfnisse chronisch kranker Menschen abgestimmt sind.
n
Gesprächs- und Selbsthilfegruppen
Unter dem Dach der Deutschen Herzstiftung haben sich über 90 Gruppen für Bypass-, Schrittmacher- und Herzklappen-Patienten gegründet. Hier
treffen sich Patienten und ihre Angehörigen zum
Erfahrungsaustausch.
n
Kinderherzstiftung
Die Deutsche Herzstiftung engagiert sich mit ihrer
Kinderherzstiftung für herzkranke Kinder und unterstützt ihre Familien durch Information und Rat.
Mit der Zeitschrift Herzblatt erhalten Eltern eines
herzkranken Kindes viermal im Jahr wichtige Informationen über angeborene Herzfehler und ihre Behandlung.
Kinderkardiologen, Herzchirurgen und Psychologen schreiben in Herzblatt, aber auch Eltern selbst.
Sie vermitteln Erfahrungen über ihr Leben mit einem herzkranken Kind und berichten über Probleme, die sie bewältigen müssen.
Wir setzen uns für Ihre Gesundheit
und Ihr Leben ein
Die Deutsche Herzstiftung kämpft für eine bessere Versorgung der Herzpatienten. Sie hat ihren Einfluss erfolgreich geltend gemacht gegen die lebensgefährlichen Wartelisten in der Herzchirurgie. Sie
setzt sich energisch für eine einheitliche medizinische Notrufnummer in Deutschland und gegen
den Pflegenotstand ein. Sie vertritt auf politischer
Ebene die Interessen der Patienten gegenüber
Krankenkassen und dem Gesetzgeber, was heute
von besonderer Wichtigkeit ist.
n
Mehr als 55 000 Mitglieder
Die Deutsche Herzstiftung wurde 1979 von bedeutenden Medizinern gegründet. Sie ist ein gemeinnütziger Verein, der sich ausschließlich aus
Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Die
Deutsche Herzstiftung steht unter der Schirmherrschaft von Barbara Genscher.
Immer mehr Herzpatienten und Gesunde werden
Mitglied in der Deutschen Herzstiftung, weil sie ihnen hilft, gesund zu bleiben oder, wenn sie krank
sind, mit ihrer Krankheit besser fertig zu werden.
Zur Zeit hat die Deutsche Herzstiftung mehr als
55 000 Mitglieder. Und jeden Tag kommen neue
dazu.
97
Deutsche
Herzstiftung
ISBN 3-9806604-8-6
Herunterladen