Seite 2 Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf 3 PATHOGENESE UND KLINISCHE SYMPTOME BEI KINDERN UND JUGENDLICHEN 3.1 Einleitung 3.2 Pathogenese und Transmission 3.3 Klinische Symptome bei Kindern 3.4 3.4.1 3.4.2 Saisonale Influenza Klinische Symptome und Komplikationen Hospitalisierung und Todesfälle 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 Pandemische Influenza A/H1N1/2009 Klinische Symptome und Komplikationen Hospitalisierung Tödliche Verläufe 3.6 Literatur Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf 3.1 Einleitung Grundsätzlich unterscheiden sich Pathogenese und klinische Symptome der pandemischen A/H1N1/2009-Infektion bei Kindern nicht von der saisonalen Influenza. Dennoch gibt es einige Besonderheiten. Zunächst erfolgt eine kurze Rekapitulation der Pathogenese der Influenzainfektion. 3.2 Pathogenese und Transmission Wirtszellen für Influenzaviren sind v. a. die Epithelien der Atemwege und die Endothelien der Blutgefäße. Die Infektion der Wirtszellen erfolgt in konsekutiven Schritten. Zunächst bindet das Influenzavirus an die Zellmembran. Hierbei haftet das Hämagglutinin (HA) an spezielle Rezeptoren der Zelloberfläche. Danach gelangt das Virus per Endozytose komplett in die Wirtszelle. Hierbei fusioniert das Viruspartikel mit der Membran der aufnehmenden Endosomen. Dieser Vorgang wird durch die proteolytische Spaltung des HA in H1 und H2 vermittelt. Endosomale Milieuveränderungen (Erhöhung des pH-Wertes!) können diese Fusionen und damit die Infektion verhindern. Sodann erfolgt das un-coating, bei dem das Virus von seiner Hülle befreit wird. Es folgen die Transkription der viralen RNS und die Replikation. Hierbei entstehen 3 Arten von RNA: vRNA, mRNA (Produktion virusspezifischer Proteine) und Minusstrang-vRNA. Die mRNA gelangt in das Zytoplasma; hier induziert sie in den Ribosomen die Synthese der Virusproteine (Translation). Neu gebildete HA- und Neuraminidase- (NA-)Moleküle werden zur Zellmembran transportiert. Auch die übrigen Virusbestandteile werden ebenfalls zur Zellmembran transportiert, dort werden die neuen Virusbestandteile gepackt (assembly) und nach extrazellulär ausgeschleust. Die Freisetzung der fertigen Viruspartikel erfolgt mithilfe der Spaltung der seralinhaltigen Rezeptoren durch die NA des Virus. Mit Influenza infizierte Zellen sterben ab. Ist die Infektion mit Influenzaviren als Aerosol über den Respirationstrakt erfolgt, sind auch die (s. oben) zunächst betroffenen Zellen die Epithelien der Atemwege. Die hieraus resultierenden Symptome sind nahezu immer hohes Fieber und Husten. Anders als bei der saisonalen Influenza bzw. saisonalen H1N1-Infektion liegt bei der pandemischen H1N1-Infektion experimentellen Daten zufolge offensichtlich eine deutlich ausgeprägtere Virusverbreitung (virus shedding) vom oberen Respirationstrakt aus vor. In einer niederländischen, tierexperimentellen Studie [1] wurden je 6 Frettchen mit 106 TCID50 (50 % tissue culture infectious dose) des pandemischen H1N1-Influenzavirus bzw. des saisonalen Influenzavirus intranasal infiziert. Das 2009-A/H1N1-Virus war aus einem Patienten mit mildem Verlauf isoliert worden. Frettchen mit einer pandemischen H1N1-Infektion nahmen innerhalb der ersten Woche etwas mehr an Gewicht ab: Mit saisonalem Influenzavirus infizierte Tiere verloren innerhalb von 7 Tagen 10 % des Gewichtes, während H1N1 (pandemisch) infizierte Frettchen 12 % ihres Gewicht einbüßten. Klinisch erholten sich die Frettchen mit einer saisonalen Infektion nach 4 Tagen deutlich schneller als mit H1N1 infizierte Frettchen. Letztere wiesen eine um 2 Tage verzögerte Besserung der klinischen Symptome auf. Darüber hinaus verbleibt das H1N1-Virus länger in Nase und Rachen der Tiere und ist auch noch nach 7 Tagen signifikant nachweisbar. Die Virusausscheidung im Rachen der Frettchen war in der Gruppe der mit 2009-A/H1N1-infizierten Tiere um 1,5-fach höher als in der Gruppe mit saisonalem Virus. Je 3 Tiere wurden nach 3 bzw. 7 Tagen getötet und histopathologisch untersucht. Nach 3 Tagen war der Virusbefall der Lungen (Anfärbung mit monoklonalen Antikörpern) in beiden Gruppen vergleichbar. Nach 7 Tagen waren 10, 20 und 40 % (saisonale Influenza) sowie 20, 40 und 70 % (2009-A/H1N1) der Lungen virusinfiziert. Im weiteren Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 3 Seite 4 Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf Verlauf wurden 4 „naive“, influenzagesunde Frettchen in Käfige mit infizierten Tieren überführt. Bereits nach kurzer Zeit (Tabelle 1) waren die zuvor gesunden Frettchen infiziert. Infizierte Frettchen Virus Schnupfen Saisonal A/H1N1 2009 A/H1N1 Virus shedding Aerosolkontakte, zuvor gesunde Tiere Beginn nach Inokulation Schnupfen (Tage) Virus shedding Beginn nach Inokulation (Tage) 4/4 4/4 1 3/4 4/4 1,2 4/4 4/4 1,2 4/4 4/4 1,2 Tabelle 1 Transmission im Tierexperiment (saisonal H1N1 vs. 2009 H1N1). Das Virus verbreitete sich bei den je 4 Versuchstieren unabhängig von der Art des Erregers nach intranasaler Applikation genauso schnell wie nach Aerosolkontakt. Die Autoren schließen aus den tierexperimentellen Daten, dass das 2009-A/H1N1Virus aufgrund der längeren Persistenz und der höheren Virusdichte im Respirationstrakt bei vergleichbaren Transmissionscharakteristika das Potenzial hat, das saisonale H1N1-Virus kompetitiv zu verdrängen. 3.3 Klinische Symptome bei Kindern Systematische Untersuchungen, die klinische Symptome der saisonalen (H1N1) Influenza mit der pandemischen (H1N1) Influenza) Influenza vergleichen, liegen nicht vor. Im Folgenden werden daher zunächst klinische Symptome, Komplikationen, Hospitalisierung und Todesfälle der saisonalen Influenza kursorisch zusammengestellt. Anschließend erfolgt die Darstellung von Einzelberichten zu Symptomen und Komplikationen der pandemischen Influenza auf Basis von Einzelberichten. Systematische nationale oder internationale (Sentinel-) Untersuchungen liegen nicht vor. 3.4 Saisonale Influenza 3.4.1 Klinische Symptome und Komplikationen Neben den typischen Symptomen wie plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, respiratorischen Symptomen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, allgemeinem Krankheitsgefühl sind Komplikationen bekannt. Hierzu gehört mit einer Häufigkeit von bis zu 15 % der Fälle die Otitis media. Daneben treten folgende Komplikationen auf: • Enzephalopathie, • Krupp und Epiglottitis, • Pneumonie, Tracheobronchitis und Bronchiolitis, Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf • Myokarditis und • Reye-Syndrom. Nicht selten gehen mit dem Fieber auch Fieberkrämpfe einher. Das Kind spielt bei der Verbreitung der saisonalen und der pandemischen Influenza eine große Rolle. Kinder sind "Dreh- und Angelpunkt" des Infektionsgeschehens, weil die Ausscheidung einer großen Anzahl von Viren im Zusammenhang mit der (Erst-) Infektion überdurchschnittlich lange erfolgt. Die Unterbringung in Kinder-, Jugendund Gemeinschaftseinrichtungen geht zudem mit einer hohen Exposition und Kontaktrate einher, und das kindertypische "unhygienische Verhalten" begünstigt die Virusverbreitung. Neben virusspezifischen Besonderheiten spielen für die klinischen Symptome der Influenza (Respirationstrakt!) im Kindesalter anatomische Besonderheiten eine besondere Rolle. Der Innendurchmesser der Atemwege ist bei Kindern im Verhältnis zum späteren Lebensalter geringer (Abb. 1); dies begünstigt pathogenetisch schwere Verläufe des entstehenden Schleimhautödems. Kleinkind Erwachsener 1 mm dickes Ödem im Bereich des Rinknorpels Durchmesser Strömmungsfläche Atemwegswiderstand 50% verringert 75% erniedrigt 16 x erhöht < 25% verringert ca. 44% erniedrigt 3 x erhöht Abbildung 1 Folgen einer Schwellung im Bereich des Ringknorpels bei Kleinkindern im Vergleich zum Erwachsenen. (Abb.: Knuf). 3.4.2 Hospitalisierung und Todesfälle Säuglinge und Kleinkinder werden besonders häufig wegen Atemwegsinfektionen durch eine Influenza zur Behandlung vorgestellt. Die Konsultationsrate je 100.000 Einwohner ist mit bis zu 8000 deutlich höher als bei Erwachsenen. Zweifelsohne liegt bei Senioren eine deutliche Übersterblichkeit, meist infolge einer influenzaassoziierten Pneumonie vor. Andererseits finden sich neben der höheren Rate an Arztkontakten im Kindesalter auch, insbesondere im Vergleich zu jungen Erwachsenen und Erwachsenen, deutlich erhöhte Hospitalisierungsraten. Die Notwendigkeit zur Krankenhausbehandlung ist durchaus mit der bei älteren Menschen (über 60 Jahre) vergleichbar. Tabelle 2 ergibt die Inzidenz der influenzaassoziierten Hospitalisationen bei Kindern in den Vereinigten Staaten und in Deutschland aufgrund verschiedener Studien wieder. Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 5 Seite 6 Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf Ort [Referenz] Zeit Inzidenz pro 100.000 0 bis < 5 Jahre Inzidenz relatives Risiko pro 100.000 0 < 5/5-16 5-16 Jahre Houston [Glezen 1993] 1985-90 427 5 85 Kalifornien [Mullooly 1982] 1967-73 120 40 3 Kalifornien [Izurieta 2000] 1993-97 136 19 7,2 Seattle [Izurieta 2000] 1992-97 90 16 5,6 Kiel [Weigl 2002] 1996-01 123 22 5,6 Kalifornien [Mullooly 1982] 1967-72 470* 210 2,2 Tennessee [Neuzil 2000] 1973-93 382** 40 9,6 Tabelle 2 Influenzaassoziierte Hospitalisationen bei Kindern (Nach CDC). Die Studien unterscheiden sich methodologisch erheblich; dies erklärt die unterschiedlichen Ergebnisse. Sehr eindrücklich liegt jedoch ein einheitlicher Trend vor. Die Inzidenz influenzaassoziierter Hospitalisationen ist allen Studien zufolge besonders häufig bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Verbreitung des Virus durch Kinder illustriert Abb. 2. Kleinkinder, Kinder (und Jugendliche) unterhalten das „Feuer der Influenza“. Die im Vergleich zu Erwachsenen deutlich höheren Transmissionsraten sind durch eine längere Ausscheidungsdauer, enges/beengtes Miteinander und mangelhafte Hygiene bedingt [2, 3]. Diese Umstände sind für die saisonale Influenza und auch für die pandemische Influenza zu berücksichtigen. Kinder Kindergarten KJGE Schnelle Ausbreitung der Influenza (1-2 Wochen)1 Ausscheidung von hoher Viruslast, länger als Erwachsene2 Transmission Geschwister Eltern Betreuer Großeltern Abbildung 2 Kinder als „Transmitter“ der Influenza. (Abb.: Knuf). Neben dem hohen Hospitalisierungsrisiko ist besonders hervorzuheben, dass Frühgeborene oder Kinder mit einer Lungenerkrankung bzw. einer kardialen Erkrankung ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf (Hospitalisation) aufweisen. Die durchschnittliche Krankenhausaufenthaltsdauer bei Kindern unter 5 Jahren liegt bei 6,3 Tagen [6]. Die ambulante Konsultationsrate für respiratorische Infektionen durch Influenza lag in Deutschland bei 1,1 % [6]. Analysiert man die Hospitalisationsraten genauer, so sind insbesondere junge Säuglinge hiervon betroffen. Der Krankenhausbehandlung gehen schwerwiegende, v. a. respiratorische Symptome voraus. Wenig beachtet, jedoch ein Faktum, sind influenzabedingte Todesfälle, auch bei Kindern. Todesfälle Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf unterliegen ebenfalls einer deutlichen Altersabhängigkeit. Die meisten Fälle treten bei Säuglingen auf. Während der Influenzasaison 2003/2004 starben in den Vereinigten Staaten 153 Kinder (unter 17 Jahren) an Influenza [7]. Es waren 63 % der Kinder jünger als 5 Jahre und 75 % der Betroffenen jünger als 2 Jahre. Bemerkenswert war, dass 47 % der Kinder zuvor gesund gewesen waren. Nach den Senioren (älter als 65 Jahre) weist die Altersgruppe der unter 6 Monate alten Kinder die höchste Sterblichkeitsrate auf. Da sich besonders in interpandemischen Perioden die Aufmerksamkeit häufig auf ältere Menschen mit schweren Krankheitsverläufen konzentriert, entsteht offenbar der falsche Eindruck, dass die Influenza bei Kindern nicht besonders gravierend verläuft. Tatsächlich werden bei Kindern schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle beobachtet (s. oben). Monto u. Sullivan [8] analysierten 1993 die Altersverteilung in 2 Ausbrüchen von Influenza A/H3N2. Alle Altersgruppen waren an den Infektionen mit Influenza-A/H3N2-Viren beteiligt, jedoch überwogen in beiden Ausbrüchen die Erkrankungen von Kindern und Jugendlichen deutlich. 3.5 Pandemische Influenza A/H1N1/2009 3.5.1 Klinische Symptome und Komplikationen Bezüglich der pandemischen A/H1N1-Influenza ist festzustellen, dass zunächst in Nordamerika junge Erwachsene betroffen waren [9]. In Europa (Großbritannien) hingegen wurden v. a. Klein- und Schulkinder von der H1N1-Influenza befallen [10]. Hauptansteckungsort war bei 101 von 238 Kindern die Schule [10]. ClusterUntersuchungen in den USA führten zu einer attack rate unter Haushaltsbedingungen von bis zu 27,3 %. Die Analyse eines Ausbruchs in einer Schule ergab, dass ein Schulkind 2,4 andere Kinder innerhalb der Schule infiziert hatte [11]. Eine britische Untersuchung [12] analysierte 89 Kinder, bei denen mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR) Influenza A/H1N1 (pandemisch) nachgewiesen wurde. Die Kinder waren im Median 5,7 Jahre alt. Es waren 50 der 89 Kinder männlichen Geschlechts. Die überwiegende Anzahl der Patienten wies hohe Temperaturen, Husten, eine Rhinorrhö und auskultarisch diagnostizierbares Giemen auf. Weniger häufige Symptome waren Tachypnoe, Atemnot, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Myalgien, Erbrechen, Durchfall, Fieberkrämpfe und abdominelle Beschwerden. Im Vergleich zur saisonalen H1N1-Infektion im Kindesalter ist die pandemische Form offenbar bislang klinisch „milder“ verlaufen. Zwischen 2004 und 2007 wurden in Großbritannien 58 Kinder mit einer saisonalen H1N1-Infektion auf eine Intensivstation eingewiesen [13]. Die Kinder waren 2,7 Jahre (Median) alt. Im Vordergrund standen respiratorische Symptome. Neun Kinder wiesen neurologische Symptome auf. Von den 58 Kindern starben 9 Betroffene. Prädisponierende Erkrankungen (neurologische Erkrankungen, chronische respiratorische Erkrankungen, Frühgeburtlichkeit) hatten 32 Patienten und alle 9 Verstorbenen. Es mussten 17 Kinder mit Inotropika behandelt werden. Drei Patienten erhielten eine extrakorporale Membranoxygenierung. Myokarditisfälle traten nicht auf. Neurologische Komplikationen der saisonalen Influenza (Krampfanfälle, Enzephalitis, Reye-Syndrom) sind seit Langem bekannt (s. Abschn. 3.4.1). Es liegen aber auch erste Berichte von neurologischen Komplikationen durch die Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 7 Seite 8 Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf pandemische H1N1-Influenza vor [14]. In Dallas wurden innerhalb eines Monats 405 Patienten mit einer H1N1-Infektion identifiziert. Es mussten 44 Betroffene hospitalisiert werden; hierbei waren 83 % der Patienten jünger als 18 Jahre. Vier Kinder bzw. Jugendliche wiesen erhebliche neurologische Probleme auf (Tabelle 3). Charakteristikum Patient A Patient B Patient C Patient D Alter (Jahre) 17 10 7 11 Geschlecht Männlich Weiblich Männlich Weiblich Hospitalisation Mai 18–21 Mai 23–29 Mai 26–28 Mai 27–30 Neurologic complication(s) diagnosed Enzephalopathie Anfälle, Enzephalopathie Anfälle Enzephalopathie 1 4 2 1 39,2 40,0 38,2 38,9 2 2 4 4 (Keine Diff.) (65 % Lymphozyten (Keine Diff.) (95 % Lymphozyten Intervall “Beginn respiratorischer Symptome bis erste neurologische Auffälligkeiten“ (Tage) Fieber (maximal, °C) Liquordiagnostik Leukozyten (per mm3; Differentierung) 31 % Monozyten) 5 % Monozyten) Glukose (mg/dl; normal: 50–80 mg/dl) 39 63 58 65 Protein (mg/dl; normal: 10–45 mg/dl) 37 50 15 21 Kultur Kein Wachstum Kein Wachstum Kein Wachstum Kein Wachstum Punktförmige Verkalkung, linksfrontaler Kortex Keine intrakraniellen Auffälligkeiten Keine intrakraniellen Auffälligkeiten; Sinusitis Keine intrakraniellen Auffälligkeiten Neurotope Diagnostik Kraniale Keine Computertomographie intraparenchymatösen Auffälligkeiten, Pansinusitis Magnetic resonance imaging Nicht durchgeführt Keine parenchymatösen Auffälligkeiten Kortikal (T2): Hyperintense Fokusse in weißer Substanz Elektroenzephalogra- Nicht durchgeführt Generalisierte, kontinuierliche, polymorphe, δAktivität, kein Fokus Parietal Verlangsamte intermittierende, Hintergrundaktivität polymorphe δAktivität phie Tabelle 3 Charakteristika bei pädiatrischen Patienten mit neurologischen Komplikationen durch pandemische H1N1-Infektion, Dallas, April bis Mai 2009. Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf In einer anderen Untersuchung wurden die ersten 45 pandemischen InfluenzaA/H1N1-Fälle in Zypern (Juni bis August 2009) hinsichtlich der klinischen Charakteristika untersucht. Vorzugsweise waren Schulkinder betroffen [15]. Tabelle 4 fasst die klinischen Symptome bei Kindern mit durch Laboruntersuchungen bestätigter nachgewiesener A/H1N1-Infektion zusammen. Symptom Anzahl/Kinder mit Angaben Anteil ( %) Fieber 44/45 98 Husten 43/45 96 Rhinorrhö 34/43 79 Erbrechen 8/39 21 Durchfall 7/40 18 Konjunktivitis 3/45 7 25/34 73 Krankheitsgefühl 21/31 68 a 17/30 57 8/34 24 Halsweh a Kopfschmerzen a Arthralgien a Bei Kindern über 5 Jahre (n=35). Tabelle 4 Klinische Charakteristika von A/H1N1-Infektion (Nach ECDC/CDC). Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass 19 der 45 Kinder mit Oseltamivir behandelt wurden. Die Autoren heben hervor, dass das InfluenzaA/H1N1-Virus sich auf Zypern rasch verbreitet hat und die Infektion mit „klassischen“ Symptomen einherging. Der Verlauf war praktisch nicht von einer saisonalen Influenza zu unterscheiden und in der klinischen Ausprägung eher "mild". 3.5.2 Hospitalisierung Besonders häufig mussten pädiatrische Patienten (bis zum vierten Lebensjahr) stationär behandelt werden, wenn eine pandemische Influenza A/H1N1 nachgewiesen wurde. Mit ansteigendem Alter ist danach die Hospitalisierungsrate (d. h. die Zahl der Hospitalisierungen pro 100.000 Einwohner) der von erwachsenen Patienten relativ ähnlich (Australien, USA; [16]). Der Altersmedian von 829 hospitalisierten Fällen lag in Deutschland zum 28.08.2009 bei 20 Jahren. Übereinstimmend liegen Berichte aus den USA, Australien und Kanada vor, dass Kinder unter 4 Jahren die höchste Hospitalisierungsrate aufwiesen. Diese lag (Analogie zur saisonalen Influenza!) etwa 4- bis 7-mal höher als bei den höheren Altersgruppen. In den USA wurden 4,5 je 100.000 der 0- bis 4-jährigen Einwohner, 2,1 je 100.000 der 5- bis 24Jährigen, 1,1 je 100.000 der 25- bis 49- Jährigen und 1,2 je 100.000 der 50- bis 64-Jährigen stationär behandelt. Eine ansteigende Inzidenz (1,7 pro 100.000) war dann bei den über 65-Jährigen aufgrund einer laborbestätigten Infektion mit Influenza A/H1N1 zu beobachten [17]. Auch in Großbritannien kamen die höchsten Hospitalisierungsraten bei Kindern unter 5 Jahren vor [18]. Die kumulativen Hospitalisierungsraten für die Influenza A/H1N1 in Bezug auf verschiedene Altersgruppen in den USA von Mai bis Juli 2009 [19] näherten sich den durchschnittlichen Hospitalisierungsraten der saisonalen Influenza der letzten 3 Saisons schon frühzeitig an (Altersgruppe der 18- bis 49-Jährigen) oder Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Seite 9 Seite 10 Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf überschritten sie sogar bei Schulkindern [19], obwohl die reguläre Influenzasaison noch gar nicht begonnen hatte. Für Deutschland liegen solche Daten allerdings (noch) nicht vor. 3.5.3 Tödliche Verläufe Französische Autoren haben alle weltweiten Todesfälle durch A/H1N1 (bis 16.07.2009) analysiert. Die meisten Todesfälle traten bei Patienten in einem Alter zwischen 20 und 49 Jahren auf. Allerdings wurden hier auch regional deutliche Unterschiede festgestellt [20]. Die Aufteilung hinsichtlich Alter und Geschlecht von 448 Todesfällen (weltweit) gibt Abb. 3 wieder. Kleinkinder sind in ähnlicher Weise betroffen wie Erwachsene im "Risikoalter" über 60 Jahre. Abbildung 3 Todesfälle durch pandemische A/H1N1-Infektion, Differenzierung nach Alter und Geschlecht [20]. Übereinstimmend konnte in den USA, Australien und Kanada gezeigt werden, dass besonders häufig junge Kinder unter 4 Jahren hospitalisiert werden mussten [21]. Dies könnte allerdings auch mit einem besonderen Konsultations- und Aufnahmeverhalten in dieser Altersgruppe assoziiert sein. In Deutschland waren bisher besonders die Altersgruppen zwischen 15 und 24 Jahren von der pandemischen A/H1N1-Influenza betroffen. Die Erkrankungen in dieser Altersgruppe gingen allerdings bislang nicht mit einem höheren Anteil schwerer Verläufe oder Todesfälle einher. In einer am 04.09.2009 erschienenen Publikation [21] wurden die bis Ende August in den Vereinigten Staaten gemeldeten InfluenzaA/H1N1-Todesfälle zusammengefasst. Bis dahin waren 36 Todesfälle bei Kindern unter 18 Jahren beobachtet worden. Hiervon waren 19 % jünger als 5 Jahre! Höher als bei saisonaler Influenza war in dieser Population der Anteil von Kindern mit Grundkrankheiten: Es wiesen 67 % der verstorbenen Kinder eine Grundkrankheit auf; hierbei überwogen neurologische Grundkrankheiten (61 %), gefolgt von chronischen Lungen- (28 %) und angeborenen Herzkrankheiten (8 %). Besonders wichtige Arbeiten sind im Text und im Literaturverzeichnis fett gedruckt. Pathogenese und klinische Symptome bei Kindern und Jugendlichen, M. Knuf 3.6 Literatur 1. Munster VJ, de Wit E, van den Brand JM, Herfst S, Schrauwen EJ, Bestebroer TM, van de Vijver D, Boucher CA, Koopmans MM, Rimmelzwaan GF, Kuiken T, Osterhaus AD, Fouchier RA (2009) Pathogenesis and transmission of swine origin 2009 A(H1N1) influenza in ferrets. Science 325:481–483 2. Reichert TA, Sugaya N, Fedson DS, Glezen WP, Simonsen L, Tashiro M (2001) The Japanese experience with vaccinating schoolchildren against influenza. N Engl J Med 344(12):889–896 3. 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