Therapievorgeschichte, Therapieverlauf und Ergebnisse bei

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Heinrich Küfner
Kriterien für Chronisch mehrfach
beeinträchtigte Abhängige (CMA) und
Ergebnisse
IFT
1
Gliederungsüberblick
1. Unterschiedliche Aufgaben und Interessenslagen von
Versorgungsbereichen zur Behandlung von Suchtstörungen
2. Die verschiedenen Definitionsansätze und deren
Hintergrund
3. Ergebnisse von Studien zur Anwendung von CMA Kriterien
4. Studien zum Therapieverlauf und Behandlungsergebnisse
bei CMA Patienten in der Psychiatrie
5. Weitere Studien in anderen Suchtbereichen
6. Der RMK-Ansatz im Bereich der medizinischen
Rehabilitation als Ergänzung oder Alternative
7. Schlussfolgerungen
IFT
2
1. Unterschiedliche Aufgaben und Interessenslagen
von Versorgungsbereichen zur Behandlung von
Suchtstörungen
IFT
3
Zum Begriff CMA: Historische Entwicklung
1975 Psychiatrie Enquete: Bericht zur Lage der Psychiatrie in Deutschland: Es
ist mit einer Gruppe von Suchtpatienten zu rechnen, die auf längere Sicht
behandlungsunwillig und nicht rehabilitationsfähig ist (Patienten mit
Verwahrlosungstendenzen, körperlich und psychisch erheblich geschädigt
und weiterhin akut gefährdet).
Alternative Begriffe: depravierte Süchtige, Patienten mit Komorbidität,
Doppeldiagnosen, Klienten in komplexen Lebenslagen (in der Sozialhilfe)
1988 Bericht einer Expertenkommission zur Reform der Versorgung im
psychiatrischen und psychotherapeutisch/psychosomatischen Bereich. Dort wird
der Begriff (chronisch mehrfachgeschädigt) zum ersten Mal erwähnt und als
„harter Kern“ der Sucht beschrieben: Viele sind von der Familie getrennt oder
geschieden, Schulden (mit Pfändungen u.ä.m.), Verkehrsunfälle, kleinere
Delikte, Hineingleiten in Wohnungslosigkeit u.a.
1995 Mühler & Leonhardt u.a.: Beschreibung von Chronisch
mehrfachgeschädigten Abhängigkeitskranken in Leipzig
1999 Arbeitsgruppe CMA (gefördert durch das BMG): Definition der Chronisch
mehrfachbeeinträchtigten Abhängigen
IFT
4
Das Thema CMA im Versorgungssystem Sucht
Ausgangslage: Die Diagnose Abhängigkeit von psychotropen Substanzen ist unter
versorgungsbezogenen und therapeutischen Aspekten zu wenig aussagefähig und
differenziert.
Bedarf an Differenzierung in therapeutisch relevante
Fallgruppen oder nach therapeutisch relevanten Dimensionen
Für eine effektive Verteilung des
Versorgungsangebots
Versorgungsbeeich 1
Versorgungsbereich 2a
Medizinische
Rehabilitation
Entzugs- u.
Motivationsbehandlung
Psychiatr. Kliniken
Alllgemein
Krankenhäuser
Suchberatungsstellen
Komorbidität
Doppeldiagnose
Missbrauch
Suchtfachkliniken
Suchtambulanzen
CMA Stationen:
vorwiegend
CMA Pat.
Versorgungsbereich 2b
RehabilitandenManagementKategorien (RMK)
IFT
Versorgungsbereich 3
Soziale
(psychosoziale)
Hilfen
Soziotherapie
Spez. Einrichtungen
(z.B betreutes Wohnen)
Chronisch-mehrfach
Beeinträchtigte
Abhängige
5
Verschiedene Ansätze zur diagnostischen Differenzierung
von Suchtstörungen für Versorgung u. Therapie
Missbrauch
Abhängigkeit von psychotropen
Substanzen
Schweregrad?
Typologieversuche
Gesamtversorgung
Stepped Care Ansätze
- minim. Behandlung
- z.B. MATE (Schippers
et al 209 u.a.)
Behandlungsbedarf
Differenziert in Fallgruppen
oder Dimensionen?
Versorgungsbereich
Mediz. Rehabilitation
Rehabilitanden-Management
Kategorien (RMK)
Fallgruppen mit
unterschiedlichem
Behandlungsbedarf
(Spyra et al 2011, MüllerFahrnow et al
-
Schäden
Ressourcen
Prognose
- Zusätzlich
Leidensdruck
Versorgungsbereich
soziale Hilfen
CMA-Ansätze
Chronisch mehrf.
geschädigte
Abhängige
IFT
Chronisch mehrf.
beeinträchtigte
Abhängige
6
2. Verschiedene Definitionen von CMA
IFT
7
GAD1-Checkliste: Definition der chronisch mehrfach geschädigten
Abhängigkeitskranken
(Böttger et al 199, 2001, 2002, Leonhardt & Mühler, 2003, 2010)
Psychische
Folgeerkrankungen
somatische
Folgeerkrankungen
Soziale
Desintegration
Delir
Demenz
Hirnorganisch. Durchgangs- u.
Psychosyndrom
Entzugssyndrom
Halluzinose
Paranoide Psychose
Neurotische und PersönlichKeitsfehlentwicklung
Korsakow
Karzinome d. Verdauungstrakts
Epileptische Anfälle
Hypertonie
Lebererkrankungen
Ösophagusvarizen
Pankreatitis
Lebenssituation : 0 – 2
-Verheiratet
-in Lebensgemeinsch.
- allein
Arbeit 0 - 2
- feste Stelle
- befristete Arbeit
- arbeitslos
Wohnung 0 - 2
- eigene Wohnung
- Bei Dritten
- wohnungslos
Rating von 1-6
Rating von 1-6
Werte: 0 – 6 Punkte
Gesamtwert: Summenwert aus den 3 Bereichen max. 18 Punkte
Trennpunkte >12
für CMA
1 Gesellschaft gegen Alkoholund Drogengefahren, Dresden
IFT
8
Hilge & Schulz (1999): Braunschweiger Merkmalsliste
11 Items , Außenkriterium klinische Beurteilung durch Psychiater,
Patienten einer Station für hirnorganisch geschädigte Alkoholiker,
Patienten mit Antrag auf medizinische Reha-Behandlung
1. soziale Situation
1) Alleinstehend
2) Sozialhilfe (in den letzten 3 Monaten)
3) arbeitslos im letzten Jahr
4) Wohnungslos
2. Behandlungsvorgeschichte
5) mind. 6 stationäre Entgiftungsbehandlungen
6) richterliche Krankenhauseinweisung
7) gesetzliche Betreuung (Vormundschaft, Pflegschaft)
8) Heimunterbringung
3. Psychiatrisch-neurotische Befunde
9) Delir (jetzt Vorgeschichte)
10) Korsakow
11) Polyneuopathie
IFT
CMA Diagnose: Ab 4 positive Antworten
9
Arbeitsgruppe CMA (1999): Definitionsvorschlag
Kriterienbereich 1
Konsumverhalten
1 Punkt, wenn
Alkoholabhängige
Kriterienbereich 2
Kriterienbereich 3
Behandlungserfahrungen
Soziale, mater.,
rechtl. Situation
1 Punkt, wenn
- mind. 5 stat.
Entgiftungen
- mind. 2 Entwöhnungsbehandlung.
Kriterienbereich 4
Gesundheitl.
Situat.
1 Punkt, wenn
1 Punkt, wenn eine
Lebensunterhalt
regelmäßige
Rente wg. Erwerbsunf. körperliche Erkrankung
Trinkexzesse
oder
aus einer Liste
(mind. 1x im Monat)
unregel. Einkommen
Spiegeltrinken
Wohnen:
Oder:
Bei Opiatabhängigen
wohungslos oder
Bei Opiatabhängigen
mind. 2 der folgenden
instit. Wohnen
aktuell (letzte 4 Wochen)
Maßnahmen
stark verwahrloste
Wenn eine psych.
oder mind. 5 Jahre regelm. - stat. Entwöhnung
Wohnsituation
Störung aus einer Liste
Gebrauch von Opiaten
- ambulante Entwöhn.
Soz. Nahbereich
Zutrifft (letzte 2 Jahre)
- Substitutionsbehandl.
alleinstehend u.
ohne festen Partner
nur suchtbezogene
Kontakte
In drei von vier Kriterienbereichen sollte ein
Rechtliche Situation
Punkt erreicht werden.
mind. 24 Monate in Haft
mehr als 5 Verurteilungen (kumul.)
IFT
10
3. Empirische Studien zur Anwendung
des CMA Ansatz
IFT
11
Zusammenfassung von einzelnen Studien zur
Anwendbarkeit von CMA Definitionskriterien
Studie
Methodik
Ergebnisse
Fleischmann &
Wodarz, 1999
Alkoholabhängige in einer
psychiatr. Klinik N=159
(sämtliche)
Schlanstedt et
al 2001
N=1618 Klienten aus
Bundesmodell
Casemanager mit
Vergleich
Expertendiagnose und
Definition AG-CMA;
Viele Drogenabhängige
Nach klin. Expertendiagnose:
44% CMA
Nach Definition AG-CMA: 49,1%
Sensitivität: 83,% Spezifität: 77,5%
Korrelation: r=0,6
Faktorenanalyse kann die
Kriteriumsbereiche nicht reproduzieren
Nach Expertenurteil 76,9% CMA
Nach AG CMA: 66,6%
Sensitivität: 77,8%, Spezifität: 70,5%
Für das Expertenurteil wichtig:
Somat. Störungen
Überwiegend suchtbezogene Kontakte
Wohnungslos oder wiederholt unsicher.
Für Abschaffung des Kriteriums
Konsumverhalten u.
Behandlungserfahrung, Gewichtung der
soz. Situation
IFT
12
Fortsetzung: Zusammenfassung von einzelnen Studien
zur Anwendbarkeit von CMA Definitionskriterien
Studie
Methodik
Ergebnisse
Arnold et al
1999
Drogenabhängige in zwei
Studien:
Stichprobe A:
Heroinabhängige in
Substitutionsbehandlung
N=336
Stichprobe B: Drogenabh.
In stationärer Behandlung
N=1304 (Projekt
Drogennotfallprophylaxe/
nachgehende Sozialarbeit
Stichprobe A: 64,3% CMA, M: 64,9%;
F=63,4%
Stichprobe B: 42,9% CMA; M: 46,1%, F:
36,6%
Am wenigsten erfüllt Kriterien der
Therapieerfahrung
Gute Anwendbarkeit
Anregung geschlechtsspezifische
Aspekte zu untersuchen
IFT
13
Wagner et al (2003): Überprüfung des Konstrukts CMA im Rahmen
der ambulanten Langzeittherapie (ALITA, Ehrenreich et al)
Fragestellung
Vergleich der drei CMA-Definitionen bzw. Instrumente
Analyse der prädiktiven Validität
Methodik
Untersuchungsdesign: Psychometrische Überprüfung und Analyse der
prognostischen Aussagemöglichkeiten im Rahmen einer Evaluationsstudie des
Therapieprogramms ALITA
Patientenstichprobe: N=112,
Erhebungsinstrumente: EuropASI, Mini-DIPS, SCl-90, IDCL-P
(Persönlichkeitsstörungen) u.a.
Statist. Analyse: Survivalanalysen für die Prädiktion von Rückfällen bzw. der
Abstinenz
IFT
14
ALITA Projekt (Wagner et al 2003): Ergebnisse
Kriterium/Variable
AG-CMA
BML
GAD-Liste
Cronbach‘s Alpha
(innere Konsistenz)
Diagnose CMA
.62
.57
,42
73,2%
28,6%
41,1%
Korrelation mit der
jeweils anderen CMA
Klassifikation
Mit BML: phi=.38
Mit GAD: phi=.42
Mit GAD:
phi=.64
Korr. mit
Abhängigkeitsdauer
0,30
0,15
0,18
Korr. mit
Chronizitätsindex
0,28
0,12
0,22
Aussage zur Prädiktion eines Rückfalls: BM Lund GAD-Liste überhaupt
nicht prognostisch aussagefähig, AG-CMA grenzwertig signifikant;
Mindestens ein Achse II Störung und der Chronizitätsindex sind klare
IFT
Prädiktoren.
15
Fortsetzung: ALITA Projekt (Wagner et al 2003)
Korrelative Zusammenhänge der CMA Skalen mit verschiedenen Einzelkriterien
Gesamtwert Gesamtwert Gesamtwert
AG-CMA
BML
GAD-Liste
Mindestens 1 komorbide Achse-I-Störung
0,33**
0,32**
0,31**
Mindestens 1 komorbide Achse-II-Störung
0,41**
0,24**
0,27**
Aktuelles Befinden (SCL-90-R, GSI)
0,38**
0,37**
0,42**
Mindestens 1 Suizidversuch in der
Vorgeschichte
0,34**
0,36**
0,42**
Anzahl stationärer Entgiftungen
0,57**
0,52**
0,33**
Anzahl stationärer Langzeittherapien
0,41**
0,38**
0,41**
Tägliche Alkoholmenge (g/Tag)
0,35**
0,34**
0,29**
Körperliche Alkoholfolgeschäden
0,26**
0,37**
0,53**
**Pearson-Korrelation, punktbiseriale Korrelation oder phi, p< 0,01 (zweiseitig)
IFT
16
Folgerungen aus der Vergleichsstudie von Wagner et al
(2003)
•
Es zeigte sich eine schwache Konstruktvalidität gemessen an der
Chronizität und Übereinstimmung der verschiedenen CMA Ansätze
•
Alle drei CMA Ansätze seien für die praktische Anwendung nicht
ausreichend geeignet, um Gruppen zu differenzieren mit einem
einheitlichen Therapiebedarf.
•
Die prognostisch wichtigsten Kriterien sind in dieser Studie die Chronizität
und die Persönlichkeitsstörungen (ohne Spezifizierung)
•
Die CMA Gruppe ist für therapeutische Zuweisungen von Klienten zur
Therapie noch zu heterogen.
•
Eine Überarbeitung der CMA Definition erscheint notwendig, wird aber die
Notwendigkeit zusätzlicher Differenzierung in Untergruppen nicht ändern.
•
Die Ergebnisse einer Studie sind immer auch abhängig von der jeweiligen
Stichprobenauswahl und der jeweiligen Therapie.
Komorbide Störungen der Achse I haben hier keinen prädiktiven Wert.
Bekannt ist, dass komorbide depressive Störungen sogar einen günstigen
Faktor für den weiteren Verlauf darstellen (z.B.Kranzler et al 1996)
•
IFT
17
4. Studien zum Therapieverlauf und Behandlungsergebnisse bei CMA Patienten in der Psychiatrie
IFT
18
CMA Patienten in der Psychiatrie
In psychiatrischen Kliniken: CMA Station für Abhängige, die (zunächst) nicht
für eine medizinische Reha-Behandlung geeignet erscheinen (Prognose der
Arbeits- und Erwerbsfähigkeit).
Dazu zwei Studien (Müller-Mohnsen et. al 1999, Fleischmann, 2001).
Zur Studie von Müller-Mohnsen (1999):
Von einer Suchtaufnahmestation (N=2830 in 4 Jahren) wurden 13,6% (384)
auf eine CMA Station verlegt.
Von 110 Patienten (ein Jahrgang) werden Daten über deren Entlassziele nach
ca. 92 Tage Behandlungsdauer angegeben:
Nach Hause
In medizin. Rehabilitation
In soziale Rehabilitation
In Alten- u. Pflegeheimen
Stationäre Verlegung
Behandlungsabbruch
:
48,6%
23,4%
7,2%
9,0%
5,4%
6,3%
IFT
19
Fleischmann (2001): Vergleich von CMA Patienten
und Reha-Patienten in einer psychiatrischen Klinik
Fragestellung:
Vergleich von Patienten in einer CMA Behandlung und einer
medizinischen Rehabilitationsbehandlung im Rahmen der gleichen Klinik
Wiederaufnahmen in der gleichen Klinik
Methodik:
Studiendesign: Prospektive Studie mit 18-Monatskatamnesen. Die stark
eingeschränkte Katamnese erfolgte nur bezüglich der Wiederaufnahmen
in die Klinik.
Patientenstichproben: CMA-Patienten N=139, Entwöhnungstherapie:
N=167. Zuordnung zur CMA Behandlung und zur Reha-Behandlung
erfolgte als klinische Gesamtbeurteilung (Prognose der Erwerbs- und
Berufsfähigkeit, Kriterien eines organischen Psychosyndroms spielten
eine Rolle)
Ergebnisse:
1. Vergleich CMA Patienten und Patienten der Reha-Behandlung
2. Katamnestische Ergebnisse bez. Wiederaufnahme
IFT
20
Fortsetzung Fleischmann (2001)
Variablenbereich
CMA Patienten
Pat. der Reha-Behandlung
Soziodem.
Daten
- Mehr Männer (82% vs.
72,5‘%)
- 10 J. älter
- Schlechtere Schulbildung
- Häufiger Rente/Sozialhilfe
Soziale Lage
- Häufiger arbeitslos (84,2% - Mehr Alkoholkonsum
vs. 51,5%)
(häufiger Rauschtrinken,
- Keine Wohnung (13,7%
größere Trinkmenge u.a.)
vs. 2,4%)
- Häufiger keine
Bezugsperson (54,4% vs.
32,7%)
Alkoholkonsum
Störungen/
Erkrankungen
Kein Unterschied bez.
Körp. Erkrankungen
Häufiger hirnorganisches
Syndrom
Häufiger Minderbegabung
IFT
- Kein Unterschied bez.
Fam.stand
- Häufiger Entzugssyndrom
- Mehr Unzufriedenheit mit
Gesundheitszustand (auch
mit Freizeit)
- Häufiger Neurosen,
Reaktionen, mehr
Persönlichkeitsstörungen
21
Fortsetzung Fleischmann (2001) II
Variablenbereich
CMA Patienten
Entlassung
Mehr Abbrüche (47% vs.
17,1%)
Häufiger Abbruch durch
Pat. selbst
Häufiger Verlegung in
somat. Klinik
Wiederaufnahme
in eigene Klinik
Mehr Behandlungstage
(40,3 Tage vs. 9,2 Tage)
Schnellere
Wiederaufnahmen,
Mindestbehandlung von 2
Monaten war mit weniger
Aufnahmen verbunden
IFT
Pat. Der Reha-Behandlung
22
Folgerung bez. CMA Stationen in psychiatr. Kliniken
•
Für Patienten, die zunächst nicht Reha geeignet erscheinen, sind
spezielle Stationen erforderlich,
weil wahrscheinlich erst nach einiger Zeit deutlich wird, welche
Behandlung ein schwer gestörter Suchtpatient längerfristig braucht
und außerdem eine psychosoziale Behandlung zur Stabilisierung
erforderlich ist.
•
Auch danach ist noch für einen beträchtlichen Teil eine med.
Rehabilitation angezeigt.
•
Diese speziellen CMA Stationen sollten eine Therapiedauer von
mindestens 2 Monaten aufweisen.
•
Eine qualifizierte Entzugsbehandlung kann wahrscheinlich nicht
diese Funktion und Aufgabe übernehmen.
IFT
23
5. Weitere Studien in anderen Suchtbereichen
IFT
24
Ausgewählte Ergebnisse aus der GAD Arbeitsgruppe über CMA
Erhebungen:
In den Jahren 2000, 2002 und 2004 wurden umfangreiche Daten der
unterschiedlichsten Suchteinrichtungen in Sachsen gesammelt (s. z.B. Härtel et
al, 2005). Die Datenausfälle sind aber in verschiedenen durchgesehenen
Publikationen nicht dargestellt, so dass über die Repräsentativität der Daten
nichts ausgesagt werden kann.
Anteil von CMA
2000
2002
2004
24,1%
32,0%
43,9%
Der Anstieg kann aber nicht sicher wegen fehlender Angaben über
Ausschöpfungsquoten interpretiert werden.
Spekulative Darstellungen über „stille Alkoholiker“ oder über das Hell und
Dunkelfeld im Bereich des Alkoholmissbrauchs erscheinen zwar interessant,
werden aber mangels fundierter Zahlen nicht näher dargestellt.
IFT
25
Theoretische Vorstellungen von Leonhardt & Mühler
(2006 u.a.)
Soziologischer Ansatz:
Alkoholabhängigkeit bedeutet einen ständigen Verbrauch von Ressourcen,
ohne diese ausreichend wieder aufzufüllen (keine Investition mehr in
Ressourcen).
Ressourcen können vor der Alkoholabhängigkeit vorhanden gewesen sein,
z.B. in Form von Arbeitsprestige.
Als Ressourcen werden unterschieden:
- Ökonomisches Kapital (Einkommen, Besitz)
- Humankapital (Bildung, Wissen, Fertigkeiten)
- Soziales Kapital (soziale Beziehungen)
Kritik:
• Einseitig soziologisch geprägt
• Ausklammern der biologischen und psychologischen Seite
• Therapeutisch m.E. wenig brauchbar
IFT
26
Zusammenhang zwischen den drei Definitionsmerkmalen für CMA
(Härtel et al 2005)
Soziale
Desintegration
2004
2002
2000
Eigengewicht:
.456**
.496**
.275**
-.223**
-.158**
-.333**
-.193**
-.183**
-.356**
Psychische
Erkrankungen
Somatische
Erkrankungen
Eigengewicht:
Eigengewicht:
.510**
.528**
.490**
.113**
.117**
keine
IFT
.550**
.565**
.536**
27
Struktur der CMA nach dem Schädigungsprofil
(alle Erhebungszeitpunkte)(Härtel et al 2005)
6,4
5,0
69,4
2004
2002
2000
19,2
5,4
80,6
4,4
9,5
5,7
5,6
81,5
7,2
dom psychischdom somatisch
dom desintegriert
komb. Erkrankung
Die Angaben beziehen sich auf 100% der jeweiligen Erhebungswelle
Eine genaue Definition von dominant psychisch u.s.w. wurde nicht gegeben.
Trotzdem ist deutlich, dass die Mischtypen weitaus am häufigsten auftreten.
IFT
28
Vorschlag für Subgruppen innerhalb CMA
Rinas, Sohns-Pflüger & Schulz (1992, zit. In Dörfert, 2001)
Pat. mit hirnorg.
Veränderungen
Pat. ohne soziale
Bindungen
CMA
Untergruppen
Pat. mit psychiatr.
Erkrankungen
Pat. mit Persönlichkeitsstörungen
Pat. mit path.
Bindungen
IFT
29
Vorschläge zur Differenzierung von CMA in Untergruppen
Vorschlag einer Arbeitsgruppe CMA bei der 4.
Norddeutschen Suchthilfetagung:
Gruppe, die zwar schwer
geschädigt ist, aber
prognost. günstig erscheint
Eine psychorganisch
stärker abgebaute
Gruppe von Abhängigen
kann sich nicht
eigenständig versorgen
Benötigt dauerhafte
Betreuung
Kann sich noch ohne inst.
Hilfe halten, ist aber nicht
zu suchtspez. Hilfen bereit
IFT
30
6. Der RMK-Ansatz im Bereich der medizinischen
Rehabilitation als Ergänzung oder Alternative
IFT
31
RMK (Rehabilitanden-Management-Kategorien) Ansatz im Rahmen
der medizinischen Rehabilitation von Alkoholabhängigkeit
(Spyra et al 2010, Müller-Fahrnow et al 2007)
•
Patienten wurden mittels einer Fülle von Skalen und Test zu allen möglichen
Merkmalen (auch personale Ressourcen wurden miteinbezogen) untersucht und nach
einer latenten Klassenanalyse in 4 Bedarfsklassen aufgeteilt.
•
Diesen unterschiedlichen Bedarfsklassen (Fallgruppen) entsprechen
unterschiedlichen therapeutische Leistungen (empirisch ermittelt), so dass eine
Zuordnung von Bedarfsgruppe und therapeutischen Leistungen erfolgen kann.
•
Es ist anzunehmen, dass auch in den psychiatrischen Kliniken sich zumindest ein Teil
dieser Bedarfsklassen bzw. Fallgruppen wieder findet. Untersuchungen dazu sind
bislang jedoch nicht bekannt.
•
Der RMK-Ansatz ist im Rahmen der Suchtrehabilitation nur für Alkoholabhängigkeit
entwickelt worden, Es gibt aber ein entsprechendes System auch für die
Rehabilitation von Rückenschmerzen
IFT
32
RMK Datenerhebung
(Spyra et al 2010)
Klinikbezogenes RMK-Assessment
12 Seiten / 34 Fragen / 220 Items
Substanzbezogene Dimension
- Alcohol Use Disorders Identification Test (AUDIT)
- Alkohol-Abstinenz-Selbstwirksamkeits-Erwartung (AASE-Versuchung)
Psychische Dimension
Psychische Symptomatik
- Trait-Angst (STAI-X2)
- Schwere der Depression (BDI-II)
- Klinische Symptome (SCL-90/SCL-9)
Persönliche Ressourcen
- Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartungen (SWE)
- Aktive Copingstrategien (COPE)
- Lebenszufriedenheit (SOEP-Item)
Soziale Dimension
- Erwerbslosigkeit
Arbeitsbezogenes Erleben und Verhalten
Soziale Unterstützung
- Erfolgserleben im Beruf und
- Offensive Problembewältigung (AVEM)
- Praktische Unterstützung
und emotionale Unterstützung (F-SozU)
IFT
33
RMK-Ansatz: Charakterisierung der Bedarfsgruppen
Alkoholabhängigkeit (Spyra et al 2010)
Gruppierung
AL-1
AL-2
AL-3
AL-3
Dimension
Substanzbezog.
Dimension (AUDIT,
Selbstwirksamkeit, Entzug)
+
16,9%
+++
62,1%
+++
51,3%
++++
76,6%
+++
73,7%
++
47,0
++++
100%
Psychische Dimension
Psych. Symptomatik
(Depressivität, Angst, SCL9)
Persönliche Ressourcen
+
9,1%
+
1,9%
++
44,7%
++
46,2%
++++
90,1%
Soziale Dimension
- Erwerbsproblematik
- Arbeitslosigkeit
-Arbeitsbezogenes Erleben
u. Verhalten (offene
Problem-bewältigung)
-Soziale Unterstützung
++
28,6%
++
34,7%
+++
47,0%
+++
58,6%
+++
63,7%
+++
66,7%
+
42,1%
+++
99,1%
++++
89,2%
34
++++
90,1%
++
47,4%
+
23,4%
IFT
Beeinträchtigung der 4 RMK-Bedarfsgruppen
Alkoholabhängigkeit
Beeinträchtigung der 4 RMK-Bedarfsgruppen Alkoholabhängigkeit
IFT
35
7. Schlussfolgerungen
• Etwa 20 bis 50% der Abhängigen bekommt eine CMA Diagnose, bei
Drogenabhängigen dürften mehr Patienten die Kriterien für CMA
erfüllen als bei Alkoholabhängigen.
• Die verschiedenen Definitionsansätze sind noch nicht praxistauglich
und bedürfen einer konsensorientierten Überarbeitung und einer
empirischen Erprobung.
• Bei allen Ansätzen fehlt eine Überprüfung der Reliabiltät, z.B. als
Übereinstimmung zwischen zwei verschiedenen Beurteilern
• Die Validierung an Hand von Experteneinschätzungen als klinisches
Außenkriterium zeigt eine mäßige bis gute Übereinstimmung (r=0,6).
• Die Faktorenanalysen können die vier Kriteriumsbereiche der AG
CMA nicht gut reproduzieren. Meist ergeben sich drei Dimensionen.
• Besonders umstritten erscheint der Bereich des Konsumverhaltens,
der einen aktuellen Konsum sichern sollte.
• Umstritten ist auch der Bereich der Behandlungserfahrung, dem aber
m.E. eine gut gesicherte prognostische Bedeutung zukommt.
IFT
36
Schlussfolgerungen (II)
• Die bislang prognostisch wichtigsten Einzelkriterien sind zusätzliche
Persönlichkeitsstörungen und Chronizität der Suchterkrankung.
• Die Ressourcen- Dimension erscheint noch wenig berücksichtigt, ist
aber z.B. in dem RMK einbezogen.
• CMA Patienten erfordern eine eher längere Behandlungszeit,
keineswegs alle benötigen eine ständige soziale Unterstützung.
• CMA Patienten stellen eine heterogene Gruppe dar und bedürfen
einer Differenzierung in Untergruppen.
• Schließlich ist bei einer Differenzierung in Fallgruppen eine
Zusammenarbeit und Abstimmung mit den anderen Versorgungsbereichen der Sucht, also vor allem der medizinischen Rehabilitation
erforderlich.
IFT
37
IFT
38
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