Geologische Erstkartierung des Kartenblattes 5522 – Freiensteinau

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Norbert Henkel
Geologische Erstkartierung des Kartenblattes 5522 – Freiensteinau
Geologische Erstkartierung des Kartenblattes
5522 – Freiensteinau
G1
Norbert Henkel
Einleitung
Die Geologische Landesaufnahme gehört zu den
Kernaufgaben des Dezernates Geologische Grundlagen (G1) des HLUG. Sie umfasst die flächenhafte
und punktuelle Beschreibung des geologischen Untergrundes von Hessen. Ziel ist es, die im Gelände
erhobenen Flächen- und Punktdaten in einem Fachinformationssystem für die Öffentlichkeit in aktueller
und standardisierter Form bereit zu stellen. Eines
der Produkte der Geologischen Landesaufnahme ist
das Kartenwerk der Geologischen Karte im Maßstab
Lage des Blattgebietes
1 : 25 000 (GK25), zu dem auch das bislang noch
nicht bearbeitete Blatt 5522 Freiensteinau gehört.
Die geologischen Karten lassen Aussagen hinsichtlich der Verbreitung, Beschaffenheit, Genese und der
Altersbeziehungen einzelner Gesteinseinheiten zu.
Einen Überblick zur regionalen Geologie bietet die
Geologische Übersichtskarte von Hessen im Maßstab
1 : 300 000 (GÜK300).
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Das Kartenblatt Freiensteinau hat eine Ausdehnung
von rund 120 km2. Die mächtigen vulkanischen
Gesteinsabfolgen dieses Gebietes bilden den südöstlichen Rand des vulkanischen Vogelsberges, dem
mit einer Fläche von über 2 100 km² größten zusammenhängenden Vulkangebiet in Mitteleuropa
(Abb. 1). Die Gesteine des Buntsandsteins im Osten
des Blattgebietes gehören zur angrenzenden Osthessischen Buntsandsteinscholle.
Die höchsten Erhebungen sind mit 553,4 m der
Horst und mit 553,6 m die Naxburg in der Umgebung von Gunzenau im zentralen Bereich der Karte.
Zahlreiche Gewässer wie die Lüder, Moosbach, Kemmete, Salz, Steinaubach und Steinebach durchfließen
und entwässern in die Vorfluter Fulda im Nordosten
oder Kinzig im Süden.
5522
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Freiensteinau
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1199
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vulkanische Gesteine (Tertiär)
Sandstein (Buntsandstein)
Kalkstein (Muschel-Kalk)
Schluff, Sand, Schutt (Quartär)
Abb. 1: Lage der Geologischen Karte 5522 Freiensteinau und
seiner Nachbarblätter am SE-Rand des Vogelsberges,
der Osthessischen Buntsandsteinscholle im Nordosten
und des Schlüchterner-Beckens im Südosten.
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Jahresbericht 2011
Geländearbeiten
Der Vogelsberg gilt generell nicht als Ballungsraum
und hat daher nicht die Bedeutung anderer dicht
besiedelter Gebiete von Hessen. Die mangelhaften
Aufschlussverhältnisse im gesamten Arbeitsraum
lassen dazu eine schnelle geologische Landesaufnahme nicht zu. Dies sind wohl mit die Gründe dafür,
dass die geologische Karte des Blattes Freiensteinau
bislang noch nicht erstellt worden ist. Sie gehört
daher zu den letzten noch nicht herausgegebenen
hessischen Kartenblättern. Diese Lücke soll nun geschlossen werden.
heiten Hinweise auf die Lagerung von Gesteinsformationen im Untergrund. Wichtige Informationen
liefern ebenfalls die in der Bohrdatenbank Hessen
dokumentierten Bohrungen, die im Vorfeld der Geländearbeiten ausgewertet wurden. Sämtliche Erkenntnisse wurden mit graphischen Symbolen in die
geologische Geländekarte eingetragen. Die Karten­
grundlage für die Feldkarte liefert die Topographische
Karte TK25, die zum Zwecke der besseren Bearbeitung für die Geländearbeiten auf den Maßstab
1 :1 0 000 vergrößert wurde.
Neben der GÜK300 existiert nur für einen schmalen
Nach einer Übersichtsbegehung wurde mit der DeStreifen am Ostrand des Kartenblattes eine moder­ne
tailkartierung begonnen.
geologische Teilkartierung in Manus­
kriptform, mit der die dort zu Tage
tretenden Sedimentgesteine des Buntsandsteins und des Tertiärs erfasst worden sind. Über das gesamte Blattgebiet
von Freiensteinau verteilt liegen vor
allem von den vulkanischen Gesteinen
Proben sowie Dünnschliffe vor, die von
verschiedenen Bearbeitern zwischen
1952 und 1989 genommen und in die
petrographische Sammlung des HLUG
überführt worden sind. Vor allem die
Ergebnisse der Auswertung der Gesteinsdünnschliffe und der Handstücke
aus der Sammlung sind eine wichtige
Grundlage für die weitere Bearbeitung Abb. 2: Entnahme von Gesteinsproben im Gelände.
des Kartenblattes, geben sie doch punktuelle Daten über die Beschaffenheit der
Gesteinsformationen preis. Mit diesen
punktuellen Informationen über die Gesteine, zusammen mit den vorliegenden
flächen­haften Kartierungen im Ostteil
des Kartenblattes sowie auf den Nachbarblättern, konnte die Gelände­arbeit
begonnen werden.
Im Gegensatz zum Rheinischen Schiefergebirge sind im Vogelsberg oft wenige oder keine Gesteinsaufschlüsse zu
finden. Die geologische Kartierung ist
daher im Wesentlichen auf Lesesteine
angewiesen. Daneben geben dem Geo­
logen auch morphologische Gegeben-
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Abb. 3: Basanitblock mit herausgewitterten sogenannten „Olivinknollen“
(Lherzolith-Xenolithen).
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Im Rahmen der Kartierung wurden zunächst natürliche Felsaufschlüsse, wie
Felswände, Klippen (Abb. 3) und Böschungen aufgesucht. Hier konnten aus
dem frisch anstehenden Gestein neue
Proben genommen werden. Die Dünnschliffe (Abb. 4+5) dieser Gesteins­
proben geben später Gewissheit über
die mineralogische Zusammensetzung
des Gesteins und den genauen Gesteinsnamen an diesem Geländepunkt.
Im zweiten Schritt wurden die Flächen
begangen, auf denen nur indirekte Beobachtungen bezüglich der dort im Untergrund anstehenden Gesteinsforma­
tionen gemacht werden konnten. Dabei
ist die Landesaufnahme auf Lesesteine
angewiesen, die z. B. auf Ackerflächen,
Waldböden, Weganschnitten oder unter
den Wurzeln umgestürzter Bäume verbreitet sind. Diese während der jüngsten
Erdgeschichte im Hangschutt der Fließerden oftmals umgelagerten Gesteinsbruchstücke liefern meist einen guten
Hinweis auf die Gesteinsvorkommen im
Untergrund und in der Umgebung des
Fundpunktes.
Weitere Hinweise geben die Geländeformen. So können Geländedellen, Verebnungen, Rippen, Kanten aber auch
Quellen, Talanfänge und Täler sowie
Feuchtstellen Ausdruck der verschiedenen Gesteinsformationen sein.
Abb. 4: Dünnschliff eines typischen Basanits mit großen Olivin-Ein-
sprenglingen in feinkörniger Grundmasse (gekreuzte Polarisatoren).
Abb. 5: Dünnschliff eines typischen Leuko-Alkalibasalts mit großen
Olivin- und Pyroxen-Einsprenglingen in feinkörniger feldspatreicher Grundmasse (gekreuzte Polarisatoren).
Nachdem alle Erkenntnisse zum Aufbau
des geologischen Untergrunds zusammengetragen wurden, gilt es die Gesteinsvorkommen des Blattgebietes in
einheitlich aufgebaute Kartiereinheiten
zu gliedern und diese auf der geologischen Karte voneinander abzugrenzen.
Es entsteht so eine geologische Manuskriptkarte im Maßstab 1 : 10 000 (Abb. 7)
als Grundlage für die GK25.
Abb. 6: Ackerterrassen im hügeligen Gelände.
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Jahresbericht 2011
3526
27
3529
28
7
15
17
4
17
17
17
4
15
17
7
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4
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17
15
7
12
5595
4
44626
5595
17
..
4
5
17
12
3
17
4
15
5594
15
3
Auenlehm
4
Abschwemmmassen
5
5594
3
4
12
5
Ablagerungen in Nebentälern
7
Fließerde
12
Olivinbasalt, porphyrisch
17
15
15
Alkalibasalt, porphyrisch
5
Basanit, porphyrisch
17
17
Gesteinsgrenze
7
17
17
15
Probenahmestelle
s. Abb. 3+4
4
15
4
15
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3529
Abb. 7: Ausschnitt aus geologischer Karte (NW-Quadrant, Manuskriptblatt 1 : 10 000) mit der dazugehörigen Legende.
Zur Geologie der Gesteinsvorkommen
Die vulkanische Gesteinsabfolge lagert über einem
heterogenen Untergrund aus Sedimentgesteinen des
Tertiärs, der Trias (Buntsandstein, Muschelkalk, lokal
Keuper), des Perms (Rotliegend, Zechstein) und des
Devons. Im Kartiergebiet wurden im nordöstlichen
und östlichen Randbereich Gesteine des vorbasaltischen Tertiärs (kiesig-sandige Basisschichten des
Untermiozäns) und der Trias (Mittlerer Buntsandstein) angetroffen. Die vulkanischen Gesteine des
Vogelsberges sind im Unter- bis Mittelmiozän (vor 18
bis 15 Millionen Jahre) abgelagert worden (Bogaard
et al. 2001). Sie sind aus unterschiedlichen Magmen hervorgegangen, die im oberen Erdmantel in
Tiefen zwischen etwa 50 und 100 km entstanden
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sind. Das Gesteinsspektrum lässt sich grundsätzlich
in drei große Gruppen unterteilen (Ehrenberg 1986,
Bogaard et al. 2001). Zunächst wurden Gesteine
der alkalibasaltischen sowie der tholeiitischen Serie
gefördert, die dann in einer Spätphase von basanitischen Vulkaniten überlagert worden sind. Diese
jüngsten Vulkanite des Vogelsberges führen häufig
zahlreiche Olivinknollen (Erdmantel-Xenolithe). Das
sind Gesteinsbruchstücke, die beim Aufstieg der
betreffenden Magmen aus bis zu 80 km Tiefe mitgerissen wurden. Sie belegen, dass die Schmelzen
schnell und weitgehend unverändert unmittelbar aus
dem Erdmantel gefördert wurden. Die Olivinknollen
sind sehr instabil und verwittern daher oft sehr leicht
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Geologische Erstkartierung des Kartenblattes 5522 – Freiensteinau
(Abb. 3). Voluminöse Laven überwiegen bei weitem.
Die Abfolge der jüngsten Phase im Vogelsberg überdeckt weiträumig die älteren vulkanischen Gesteine,
wodurch der Eindruck eines fast rein basaltischen
Vulkangebietes entsteht. Der Vogelsberg ist durch
eine intensive Bruchtektonik in einzelne Schollen
zerlegt (Ehrenberg & Hickethier 1985).
Während vulkanischer Ruhephasen wurden die
Gesteine unter den damals herrschenden tropischsubtropischen Klimabedingungen z. T. tiefgründig
verwittert und abgetragen. Nach dem Ende des Vulkanismus setzte eine intensive Bodenbildung ein, die
zur Entstehung von Roterden und Bauxiten führte.
Die letzten gut 2,5 Millionen Jahre, das Zeitalter des
Quartärs, werden durch einen Wechsel von Warmund Kaltzeiten charakterisiert. Die Vogelsberg-Region
gehörte während der Kaltzeiten zum Periglazialraum,
so dass es zu oberflächennahen Umlagerungsprozessen gekommen ist, welche die heutige Landschafts­
oberfläche stark prägen.
Ausblick
Bislang sind ca. 1/3 des Kartenblattes Freiensteinau
geologisch aufgenommen worden. Weitere Geländeaufenthalte folgen. Parallel zur Arbeit im Gelände ist
eine Luftbildauswertung sowie Analyse von Laserscandaten der Geländeoberfläche zur Bestimmung
vorhandener tektonischer Elemente vorgesehen,
deren Ergebnisse die geologische Kartierung ergänzen werden. Ebenfalls soll die Bodenkarte im Maßstab 1 : 50 000 (BK50) in die Kartierung einbezogen
werden und ein Abgleich erfolgen. Vor allem für die
Beschreibung der jüngsten, quartären Gesteinsformationen können die Informationen aus der Bodenkarte
eine wichtige Grundlage darstellen.
Mit der geologischen Landesaufnahme des Kartenblattes Freiensteinau wird in absehbarer Zeit eine der
letzten „weißen“ (d. h. noch nicht veröffentlichten)
geologischen Karten des Kartenwerkes GK25 von
Hessen den Nutzern zur Verfügung gestellt werden.
Literatur:
Bogaard, P.J.F., W örner, G. & Henjes-Kunst, F.
(2001): Chemical stratigraphy and origin of
volcanic rocks from the drill-core “Forschungsbohrung Vogelsberg 1996“. – Geol. Abh. Hessen, 107: 69-99; 7 figs., 4 tabs., 1 ann.; Wiesbaden.
Ehrenberg, K.-H. & Hickethier, H. (1985): Die
Basalt­basis im Vogelsberg. Schollenbau und
Hinweise zur Entwicklung der vulkanischen
Abfolge. – Geol. Jb. Hessen, 113: 97-135,
2 Abb., 1 Tab., 2 Taf.; Wiesbaden.
Ehrenberg, K.-H. (1986): Vulkanische Bildungen im
Vogelsberg. – Fortschr. Mineral., 64, Beih. 2:
1-34, 3 Abb., 18 Tab.; Stuttgart.
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