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Consumer Industries & Retail Group
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Big Data
Wert schöpfen aus dem
Datenmeer
Marketing
Werttreiber ins
Zentrum stellen:
Wie Konsumgüterhersteller
ihre Strategie
richtig umsetzen
Online-Handel
Überblick behalten: Das „e-Commerce Observatory“ beobachtet
Wettbewerb und
Markt
Interview
Was sich Fressnapf-Gründer
Torsten Toeller
von den Markenartikelherstellern
wünscht
Benchmarking
Studie Kundenmanagement:
Die Erfolgsfaktoren der besten
Konsumgüterunternehmen
Energieeffizienz
Auf die Filialen
kommt es an:
Neue Energiesparstrategien
für den Einzelhandel
Kommentar
Gut ist nicht gut
genug: Jeff
James vom
Disney Institute
über exzellenten
Kundenservice
2
Inhalt
4 McKinsey News
Deutschlands „Goldene Zwanziger“; Luxuskonsum in China; Spitzenwerte für duale
Ausbildung; Zeitschriftenverlage im Fokus der
Werbekunden; B2B-Marken; Buchneuheit:
Retail Marketing and Branding
8 Titelthema: Big Data – Wert schöpfen aus
dem Datenmeer
Wie Sie Daten richtig analysieren und wertsteigernd nutzen können
Titelthema: Big Data – wie Informationen zu echten
Erträgen umgemünzt werden. Seite 8
16 Strategie zum Leben erwecken
Ein integrierter Ansatz richtet das Operating
Model auf die wichtigsten Werttreiber aus
22 Ein Radar für den e-Commerce-Markt
Das „e-Commerce Observatory“ behält neue
Wettbewerber und Angebote im Visier
28 Das Geheimnis der Gewinner
Eine Benchmarking-Studie untersucht, wie
erfolgreiche Konsumgüterunternehmen ihre
Beziehung zum Handel organisieren
34 „Ich rufe die Markenartikler auf: Bringt uns
innovative Sortimente und treibt den Markt“
Interview mit Torsten Toeller, Gründer und
Chef von Fressnapf, Europas größtem Händler
für Tierfutter und -zubehör
Die Umsetzung macht’s: So erwecken Sie anspruchsvolle Strategien zum Leben. Seite 16
40 Handel(n) unter Strom
Wie Einzelhändler mit klugen Energiestrategien Wert schaffen
46 Guter Service ist nicht gut genug ...
… kommentiert Jeff James, Vice President und
General Manager des Disney Institute
48 Werkstatt
Aktuelle McKinsey-Themen
49 Impressum
Interview: Fressnapf-Chef Torsten Toeller ist stolz auf
seine hochpreisigen Eigenmarken. Seite 34
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3
Editorial
Big Data – jetzt aber richtig
Die DatenÀut ist Realität. Unternehmen können entweder darin
untergehen oder auf der Welle zum Erfolg surfen. Viele Manager
sind nach hohen IT-Investitionen und ausbleibenden Erfolgen beim
Thema „Big Data“ skeptisch. Gerade sie sollten unsere Titelgeschichte
in dieser Ausgabe von Akzente lesen. Meine Kollegen stellen darin
einen ganzheitlichen Ansatz vor, vom Sammeln der relevanten Daten
über deren Auswertung mit Advanced Analytics bis zum Bestimmen
der richtigen Vertriebsmaßnahmen. Und sie zitieren erstaunlich
erfolgreiche Vorbilder, die so ihren Datenschatz geborgen und zu
Umsatz und Ertrag umgemünzt haben.
Genau das hat auch unser Interviewpartner Torsten Toeller vor,
Gründer und Chef von Fressnapf. Um noch besser zu verstehen, was
seine Kunden bewegt und was sie erwarten, baut Europas größter
Händler für Tierfutter und -zubehör ein ausgefeiltes Data-MiningProgramm auf. Dabei beweist die Fressnapf-Mannschaft schon lange
Gespür für Kundenwünsche: Das Unternehmen wächst dynamisch
und systematisch. Und Fressnapf hat etwas geschafft, wovon alle
Einzelhändler träumen: Es verkauft seine Premiumeigenmarke
Moments doppelt so teuer wie die konkurrierenden Spitzenprodukte
der Markenartikler. Lesen Sie selbst, es lohnt sich.
Mit einer DatenÀut – auch wenn sie gewiss noch nicht die Bezeichnung Big Data verdient – sind auch meine Kollegen umgegangen, als
sie unsere jüngste Leserbefragung ausgewertet haben. Wir freuen uns
über die rege Teilnahme und durchweg gute Noten. Jedes einzelne
Heft hat im Schnitt drei Leser, besonders beliebt sind die Artikel unserer Berater, die häu¿g weiterempfohlen werden. Stolze 70 Prozent bevorzugen Akzente in gedruckter Form, von den 30 Prozent, die es lieber elektronisch hätten, wünschen sich die meisten eine PDF-Version.
Unter www.mckinsey.de/publikationen ¿nden Sie alle Artikel zum
Download.
Allen Lesern, die sich die Mühe gemacht haben, den Fragebogen
auszufüllen, sagen wir unseren herzlichsten Dank.
Anregende Lektüre wünscht Ihnen
Klaus Behrenbeck, Herausgeber von
Akzente, Leiter des europäischen Konsumgüter- und Handelssektors von McKinsey
[email protected]
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News
Deutschlands
„Goldene
Zwanziger“
Diesmal können sie
wirklich golden werden – wenn zentrale
Herausforderungen
bewältigt sind.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Die
viel zitierten „Goldenen Zwanziger“ des
vergangenen Jahrhunderts erwiesen sich
rasch als Talmi – eine Scheinblüte, auf
Pump finanziert. In diesem Jahrhundert
allerdings haben die Deutschen die
Chance, tatsächlich wirtschaftlich „goldene Zwanzigerjahre“ zu erleben.
Dies ist die zentrale These der neuen
McKinsey-Studie mit dem programmatischen Titel „Die Goldenen Zwanziger“.
Die Startbedingungen sind günstig:
Innovative und flexible Industrien profitieren von der Nachfrage der wachstumsstarken Schwellenländer, noch
stehen gut ausgebildete Arbeitskräfte
zur Verfügung und die Bewertung des
Euro wirkt begünstigend auf den Export.
Ein „Weiter so“ reicht nicht
Damit allerdings die deutsche Wirtschaft
die günstigen Voraussetzungen in reales
Wachstum überführen kann, müssen vier
zentrale Herausforderungen bewältigt
werden.
Eurokrise. Bislang hat das Krisenmanagement nur Zeit erkauft. Eine nachhaltige
Lösung kann nicht allein durch monetäre
Maßnahmen erzielt werden, sondern nur
durch eine starke Realwirtschaft, auch
in den Krisenländern der Eurozone. Ziel
sollte eine wachstumsorientierte Trans-
Wachstumsmotor Export: Eine zukunftsfähig aufgestellte Industrie kann
vom Nachfrageboom in den Schwellenländern erheblich pro¿tieren.
formationsunion sein – an Stelle einer
bloßen Transfergemeinschaft. Ein EU-Investitionsprogramm von jährlich 20 Milliarden Euro würde helfen, private Investitionen anzuschieben. Mit den in der Studie identifizierten Maßnahmen können
die Krisenländer Irland, Portugal und
Spanien schon 2017 ein stabiles Schuldenniveau erreichen.
Innovationskraft stärken
Weiterentwicklung der Industriestruktur.
In den vergangenen Jahren profitierte die
deutsche Wirtschaft vor allem von der
Exportstärke der Schlüsselindustrien
Chemie, Automobil- und Maschinenbau.
Der Importbedarf gerade der Schwellenländer an Gütern aus diesen Branchen
wird auch in den kommenden Jahrzehnten kräftig wachsen. Doch die globale
Konkurrenz technologisch leistungsfähiger Anbieter wächst und die zuletzt
abflachende Produktivitätskurve gefährdet die deutsche Wettbewerbsfähigkeit.
Die deutsche Wirtschaft muss produktiver werden, auch indem sie ihre Industriestruktur zu neuen Wachstumssegmenten mit deutlich höherer Pro-KopfWertschöpfung hin weiterentwickelt.
Energiewende. Bei der Umsetzung der
Energiewende gilt es einerseits, eine
stabile Versorgung zu garantieren, an-
dererseits, die damit verbundenen Kostensteigerungen zu begrenzen. Hierzu
sollten der Ausbau von Solar-Photovoltaik-Anlagen eingeschränkt, Transportnetze ausgebaut und konventionelle
Kraftwerke erhalten werden. Nicht zuletzt
bietet die Energiewende den deutschen
Schlüsselindustrien auch Chancen, mit
intelligenten Produkten im Energieeffizienzmarkt zu punkten.
Kräftiges Wachstum möglich
Fachkräftemangel. Bis 2025 entsteht eine
demografisch bedingte Lücke von 4 Millionen Fachkräften. Gezielte Arbeitsmigration, eine höhere Frauenerwerbsquote und die stärkere Aktivierung älterer
Fachkräfte können die Lücke schließen.
Weiteres Potenzial entstünde durch eine
noch stärker am Arbeitsmarkt ausgerichtete Ausbildung und die Qualifikation von
Mitarbeitern.
Eurokrise, Industrieentwicklung,
Energiewende, Fachkräftemangel: Gelingt es Deutschland, diese Herausforderungen zu meistern, kann das deutsche
Bruttoinlandsprodukt bis 2025 um
2,1 Prozent pro Jahr wachsen. Dem
Export kommt dabei einmal mehr eine
Schlüsselrolle zu. Die komplette Studie
kann kostenlos bestellt werden auf
www.goldene-zwanziger.mckinsey.de
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5
Ausbildung in
Deutschland:
Top mit kleinen
Schwächen
Grenzenloser Luxus
China avanciert zum Wachstumsmotor
des weltweiten Luxuskonsums.
Spitze: das duale System.
Chinesen geben mehr Geld für Luxusprodukte aus als jede andere Konsumnation weltweit. Bereits heute machen
chinesische Premiumkäufe – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes –
ein Viertel der globalen Luxusausgaben
aus. Damit hat China den bisher größten
Luxusmarkt Japan überholt und ist nun
der stärkste Wachstumsmotor in diesem
Segment – mit weiter zunehmender
Kraft: Schon 2015, so prognostiziert
eine aktuelle McKinsey-Studie, wird
der Anteil Chinas am weltweiten Luxuskonsum mehr als ein Drittel betragen.
Mittelschicht mit Ambitionen
Um genauere Erkenntnisse über die
Gründe für diesen Trend zu gewinnen,
hat McKinsey mehr als 1.000 LuxusShopper in 14 chinesischen Städten befragt. Umfangreiche Datenanalysen und
Einschätzungen von Brancheninsidern
vervollständigten das Bild vom jüngsten
Luxusboom in China.
Auslöser des Trends sind laut Studie
zum einen die stetig steigende Zahl
wohlhabender Chinesen mit hoher Affinität zu Luxusgütern, zum anderen die
stark wachsende chinesische Mittelklasse, die mit steigendem Einkommen
neu in das Premiumsegment vorstößt.
Die Freude am Luxuskonsum geht hier
einher mit einem großen Vertrauen in
die eigene finanzielle Zukunft: Drei Viertel der Befragten sind überzeugt, dass
ihr Einkommen in den nächsten fünf
Jahren noch beträchtlich steigen wird.
Shopping rund um die Welt
Sprunghaft angestiegen ist bereits die
Zahl der Konsumenten, die ihre Luxuseinkäufe ins Ausland verlagern: Rund die
Hälfte der chinesischen Luxusausgaben
werden außerhalb Chinas getätigt – wegen der oft günstigeren Preise nutzen
Chinesen ihre Reisen zunehmend für
Shoppingtouren in den Metropolen der
Welt.
Umso wichtiger wird für Markenartikler eine über alle Ländergrenzen hinweg
konsistente Markenkommunikation. Allerdings zeigen sich chinesische Luxuskonsumenten durchaus nicht homogen
in ihren Vorlieben: Während erfahrenere
Premium-Shopper immer häufiger auf
dezentes Understatement setzen, bevorzugen Luxuseinsteiger weithin bekannte
Marken mit auffälligen Logos, um ihren
Status zu unterstreichen. Beide Zielgruppen bedienen zu wollen, so warnen die
Autoren der Studie, könnte mittelfristig
das Markenprofil verwässern.
Mehr zur Studie „Luxury Without
Borders“: www.mckinseychina.com
Chinesen lieben
Luxus: 2015 werden
sie ein Drittel der
globalen Ausgaben
für Luxusgüter und
-dienstleistungen
bestreiten.
Das deutsche Ausbildungssystem schneidet im internationalen
Vergleich sehr gut ab. In keinem
anderen Land ist die beruÀiche
Ausbildung gegenüber akademischen Abschlüssen so hoch angesehen. Die Jugendarbeitslosigkeit
liegt unter 10 Prozent und damit
um die Hälfte niedriger als der
OECD-Schnitt. Bei der Vorbereitung auf das Berufsleben allerdings
zeigt Deutschlands Jobnachwuchs
Schwächen.
Das sind die Resultate der
Vergleichsanalyse „Education to
Employment“, die McKinsey in
neun Ländern durchgeführt hat. An
der repräsentativen Studie nahmen
8.000 junge Menschen, Arbeitgeber
und Mitarbeiter von Bildungseinrichtungen teil. Als wesentlicher
Erfolgsfaktor Deutschlands gilt die
duale Berufsausbildung, die besser als jedes andere System in die
Arbeitswelt integriert: 70 Prozent
der befragten jungen Leute hatten
drei Monate nach ihrer Ausbildung
einen Anstellungsvertrag – international liegt der Mittelwert lediglich
bei 54 Prozent.
Allerdings sehen nur 43 Prozent
der Arbeitgeber die Berufseinsteiger
wirklich gut auf das Arbeitsleben
vorbereitet. Deutschland schneidet
hier schlechter ab als Indien, die
USA und die Türkei. McKinsey-Experte Kai von Holleben sieht hierin
ein Signal an die Bildungseinrichtungen, Personal und Lehrinhalte
noch stärker an den Ansprüchen
des Arbeitsmarkts auszurichten.
6
News
Neue Medien,
neue Ansprüche
Zeitschriftenverlage
überprüfen das
Leistungsangebot an
ihre Werbekunden.
Mit integrierten Kommunikationskonzepten können Zeitschriftenverlage die Anzeigenkrise bekämpfen.
Werbungtreibende Unternehmen in
Deutschland erwarten von Zeitschriftenverlagen neue Angebote und Kompetenzen, um auf die veränderte Mediennutzung der Konsumenten zu reagieren. Den
Verlagshäusern bietet sich dadurch die
Chance, mittelfristig neue Einnahmequellen von bis zu 500 Millionen Euro pro Jahr
zu erschließen. Das sind Kernaussagen
einer Studie des Verbands Deutscher
Zeitschriftenverleger (VDZ) in Kooperation mit McKinsey. Für die Untersuchung
wurden erstmals explizit Werbekunden,
Agenturen und Verlage befragt.
Multikanallösungen gefordert
Aus den Umfrageergebnissen zeichnet
die Studie ein Zukunftsbild der Zusammenarbeit von Werbungtreibenden und
Verlagen. „Um im Kerngeschäft erfolgreich zu bleiben, müssen Verlage übergreifende Lösungen für Paid-, Ownedund Earned-Kanäle anbieten“, sagt
Adam Bird von McKinsey. Das Leistungsangebot müsse dabei über das klassische Duo „Print plus Online-Display“ hinausgehen und zusätzliche Lösungen für
so genannte Owned-Kanäle wie Corporate Publishing, Kampagnenseiten und
Apps bereitstellen und auch Social Media
einschließen. Die neue Kanalvielfalt gilt
es zudem stärker als bisher in den klassi-
schen Anzeigenvertrieb zu integrieren.
Dazu müssen die Vermarktungshäuser
der Studie zufolge noch gezielter integrierte Kommunikationskonzepte entwickeln
und individueller auf die Bedürfnisse der
Werbekunden eingehen. „Nur als Mehrwertdienstleister können Verlage mittelfristig dem Preisdruck durch Mediaagenturen entgehen und ihre starke Position
in der Wertschöpfungskette beibehalten“,
so Adam Bird.
Die Zeitschriftenverlage verfügen
nach Einschätzung der Befragten über
eine gute Ausgangsposition für die neuen
Herausforderungen. Ihre größte Stärke ist
aus Sicht der werbenden Unternehmen
ihre Glaubwürdigkeit und Autorität in den
Themenbereichen ihrer Titel: 93 Prozent
bewerten diese als hoch. Dass Zeitschriften starke Zielgruppen anbieten können,
gilt als weiterer Pluspunkt.
Neugeschäft aus alten Stärken
Setzt man das Stärken-Schwächen-Profil
in Relation zur veränderten Werbe- und
Kommunikationslandschaft, so zeigt
sich, in welche Richtung sich Verlage in
den kommenden Jahren weiterentwickeln sollten: Während 71 Prozent der
Werbungtreibenden die Verlage für ihre
hochwertigen Print-Werbeumfelder loben, sehen 59 Prozent Raum für Innovati-
onen in der digitalen Werbung. Verlage
sollten demnach ihre vorhandenen Kompetenzen bei der Erstellung redaktioneller
Inhalte in neue Geschäftsmodelle einfließen lassen: Insbesondere im Angebot
qualitativ hochwertiger Lösungen für
die eigenen Kampagnenauftritte von
Werbungtreibenden besteht noch ungenutztes Potenzial.
Big Data für die digitale Welt
Nicht zuletzt können die Verlage ihr
Know-how in puncto Datenverwertung
weiterentwickeln. Nur knapp 28 Prozent
der werbungtreibenden Unternehmen
glauben, dass Verlage ihr starkes datenbasiertes Kundenverständnis im Printbereich bereits vollständig in die digitale
Welt transferiert haben.
Alexander von Reibnitz, Geschäftsführer Anzeigen und Digitale Medien im
VDZ, betrachtet die Umfrageergebnisse
als Ansporn für den Verlagssektor: „Klassische Werbung wird sich zunehmend in
eine inhaltlicher orientierte, plattformübergreifende Kommunikation verwandeln. Dabei können Zeitschriftenverlage
ihre Werbekunden unterstützen.“
Die Studie „Veränderte Medienlandschaft – veränderte Media Spendings“ ist
als kostenloser Download erhältlich unter
www.vdz.de/publikationen-ueberblick
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Retail Marketing:
Neues Wissen für
den Handel
Was B2B-Kunden von Marken
erwarten
Sie schätzen starke Marken genauso
wie Konsumenten – aber aus anderen
Gründen.
Wer von Marken spricht, denkt fast immer ans Endkundengeschäft. Die Macht
der Marke im B2B-Bereich dagegen
wird durchgängig unterschätzt – obwohl
einige der weltweit stärksten Marken
auf Firmenkunden zielen: IBM, SAP und
Goldman Sachs sind ausschließlich im
B2B-Geschäft engagiert, andere Marken
wie Siemens, Microsoft, Allianz und
MasterCard haben immerhin einen sehr
starken Firmenkundenbereich. Was erwarten Geschäftskunden von Marken?
Und wie beeinflussen sie ihre Kaufentscheidungen? Diese Fragen beantwortet
jetzt die Studie „Business branding“ von
McKinsey.
und im Geschäft mit Komponenten,
Asiaten schätzen sie im Schnitt höher
ein als Europäer und Nordamerikaner.
Markenstärke zahlt sich aus
Die Studie hat eine hohe Korrelation
zwischen der Markenstärke und dem
Finanzerfolg von B2B-Unternehmen
festgestellt. Im Schnitt liegt ihre EBITMarge um 20 Prozent höher als die von
Unternehmen mit schwachen Marken.
Die Entscheider im Einkauf sind offensichtlich bereit, ein Preis-Premium zu
akzeptieren, wenn sich eine B2B-Marke
positiv auf ihr eigenes Geschäft auswirkt.
Beim Einsatz der eigenen Marke zur
Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb sehen die Autoren noch einigen
Spielraum für Verbesserungen – die
meisten Unternehmen betonen derzeit
Stärken, die den Käufern wenig wichtig
sind. Die Ergebnisse der Studie finden
Sie unter dem Suchbegriff „Business
branding“ auf www.mckinsey.de
Einkaufsmanager wollen Sicherheit
Das wichtigste Ergebnis: Starke Marken
zählen auch im B2B-Geschäft. Doch
die Kunden in den Einkaufsabteilungen
der Unternehmen legen auf andere Markenleistungen wert als Konsumenten.
Während dort oft Image und Emotion
im Mittelpunkt stehen, zählen für EinBusiness-Marken betonen oft die falschen Stärken
kaufsmanager vor
Was B2B-Marken
Was Kunden interessiert
allem Risikoreduziekommunizieren
rung und Informationseffizienz.
1. Corporate Social
Ehrlicher und offener Dialog
Die Studie zeigt
Responsibility
allerdings deutliche
2. Nachhaltigkeit
Verantwortliches Handeln über
Unterschiede in der
die gesamte Supply Chain
Wertschätzung von
3. Globale Reichweite
Fachexpertise
Marken nach Regionen und Branchen.
4. Marktprägend
Passt zu unseren Werten
Am meisten zählen
5. Innovation
Segmentführerschaft
sie im Maschinenbau
Mehr als 40 Experten haben an
der NeuauÀage mitgewirkt.
Die Welt des Einzelhandels dreht
sich immer schneller: Fragmentierte
Konsumgruppen, multiple Kanäle,
innovative Formate und Big Data
fordern die Unternehmen heraus.
Neue Marktteilnehmer, viele davon
reine Online-Anbieter, verändern
die Spielregeln. In diesem Umfeld
starke Marken aufzubauen und dabei einen hohen Marketing-ROI zu
erzielen, gestaltet sich für Händler
schwieriger denn je.
Wer mit den Entwicklungen
Schritt halten will, muss sein Wissen
stetig ausbauen. Aus diesem Grund
haben die McKinsey-Partner Jesko
Perrey und Dennis Spillecke ihren
ROI-Guide „Retail Marketing and
Branding“ runderneuert. Ergänzt
um aktuelle Themen und Fallstudien
liegt das Kompendium jetzt in erweiterter NeuauÀage vor.
Mehr als 40 Spezialisten für
Retail-Marketing haben ihre Expertise eingebracht. Die neue Ausgabe
enthält unter anderem Kapitel über
Formatentwicklung und Promotion
Management sowie aktuelle Zahlen
und Fakten zum digitalen Marketing. Neue Einsichten aus der Praxis
liefern Interviews mit SevenOne
Media, Altagamma und OWM
sowie mehr als ein Dutzend Fallbeispiele, darunter Amazon und Asos.
„Retail Marketing and Branding.
A De¿nitive Guide to Maximizing ROI“
ist im Verlag Wiley-VCH erschienen
und im Buchhandel erhältlich.
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Informationsmanagement
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Big Data – Wert schöpfen
aus dem Datenmeer
Die wachsende Informationsflut
wird zur entscheidenden Waffe
im Kampf um Kunden und Marktanteile. Gewinnen wird, wer die
Daten richtig analysieren und
wertsteigernd nutzen kann. Ein
strukturierter Ansatz und Strategien
aus der Praxis helfen dabei.
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Informationsmanagement
Von Peter Breuer, Lorenzo Forina und
Jessica Moulton
Konsumgüter- und Handelsunternehmen sitzen auf
einem wahren Datenschatz. Sie haben Zugriff auf unzählige Informationen über ihre Kunden und deren
Transaktionen – nicht erst seit gestern, sondern schon
seit geraumer Zeit. So kommt es, dass viele Unternehmen dem gegenwärtigen Hype um diese Datenmengen,
kurz Big Data, eher skeptisch gegenüberstehen. Andere
wiederum sehen das Profitpotenzial, scheuen aber die
hohen IT-Investitionen – auch eingedenk manch teurer
Kundenmanagementsysteme, deren Anschaffung sich
schon in der Vergangenheit nicht ausgezahlt hat. Zwei
Fragen treiben die Unternehmen um: Können Big Data
und deren leistungsfähige Analysen (Advanced Analytics) wirklich mehr verwertbare Informationen liefern
als die jetzigen Quellen und Methoden? Und zahlen sich
Investitionen in große Data-Warehousing- und ITSysteme wirklich aus?
Die Antwort lautet Ja. Untersuchungen in großen B2CUnternehmen zeigen: Datenpools und leistungsfähige
Verfahren zu ihrer Analyse gehören derzeit zu den wichtigsten Waffen im Kampf um Wachstum und Wettbewerbsvorteile. Gewinnen werden diejenigen Unternehmen, die in die richtigen Fähigkeiten investieren, um
den Datenschatz zu heben, und dabei eine Reihe von
Erfolgsfaktoren berücksichtigen.
Immenses Potenzial
Mit Big Data können Unternehmen das Verhalten ihrer
Kunden in jeder Kaufprozessphase entschlüsseln (Grafik 1). Schon die Analyse von Browserverlauf und OnlineSuchanfragen gibt Aufschluss darüber, welche Produkte
Kunden in Betracht ziehen, welche Kaufkriterien sie
anlegen und wie sie ihren Warenkorb zusammenstellen.
Anhand dieser Informationen lassen sich wertvolle
Up- und Cross-Selling-Potenziale ermitteln. Als weitere
Informationsquelle dienen Produktdiskussionen in
Social Media: Wer sie genau verfolgt, erfährt Gründe
und Umstände von Kaufentscheidungen und weiß, welche Produktmerkmale beim Kunden gut oder schlecht
ankommen. Mit diesen Analysen können Händler detailliertere „Kaufentscheidungsbäume“ zeichnen als bisher
– für ihren Webshop ebenso wie für ihr stationäres Geschäft. Auch Kundenreaktionen auf Werbekampagnen
und Verkaufsaktionen lassen sich leichter nachverfolgen,
so dass Unternehmen ihre Mediabudgets gezielter einsetzen und Promotions profitabler gestalten können.
Derlei Daten und Analysen sind für Unternehmen eine
wichtige Hilfe im Tagesgeschäft. Sie ermöglichen schnellere und vor allem bessere Entscheidungen über Produktinnovationen, Sortiment, Preise und Promotions ebenso
wie bei Verhandlungen mit Lieferanten. Untersuchungen von McKinsey und dem Massachusetts Institute of
Technology zeigen, dass Unternehmen, die mit Big Data
und Analytics arbeiten, um 5 Prozent produktiver und
um 6 Prozent profitabler sind als ihre Wettbewerber. Für
den Handel und die Konsumgüterbranche dürfte das
Potenzial sogar noch höher sein.
Die europäische Supermarktkette Tesco zum Beispiel
verdankt ihren Erfolg zu einem Gutteil den Erkenntnissen, die sie durch Big Data und Advanced Analytics
gewinnt. Bereits Anfang 1995 hatte das Unternehmen
seine „Clubcard“ eingeführt, eine Kundentreuekarte,
mit der es seither systematisch Käuferdaten für Analysen sammelt. Auch Online- und Social-Media-Informationen wertet Tesco aus. Mehr als 20 Tools umfasst
heute das Advanced-Analytics-Set, mit dem das Unternehmen seine täglichen Entscheidungen absichert. Die
datengestützte Vertriebsstrategie macht sich bezahlt:
Seit 2000 hat Tesco seine Profitabilität Jahr für Jahr
gesteigert und seinen Gewinn bis 2011 auf das Sechsfache erhöht (Grafik 2, Seite 12).
Wege zum Datenschatz
Wie können Unternehmen vorgehen, die es Vorreitern
wie Tesco gleichtun und das enorme Wertschöpfungspotenzial von Big Data und Advanced Analytics heben
wollen? McKinsey hat die erfolgreichsten Wege zum
Datenschatz ausgemacht: Erstens braucht es Mittel und
Methoden, die richtigen Daten auszuwählen und mehrere
Informationsquellen gleichzeitig zu managen. Zweitens
gilt es, aus den Daten relevante Erkenntnisse abzuleiten,
also analytische Expertise mit Geschäftssinn zu kombinieren. Drittens muss das Management die Prozesse im
Unternehmen so verändern, dass die Erkenntnisse in
effektive Vertriebsmaßnahmen übersetzt werden können.
1. Daten richtig managen
Viele Unternehmen, die sich für Big Data und Advanced
Analytics entscheiden, fischen nach allen Daten, die ihnen
nützlich erscheinen. Auch bestehende Bestände werden
herangezogen in der Hoffnung, sie könnten zu wertvollen
Erkenntnissen verhelfen. Big-Data-Initiativen sind jedoch keine Fischereiexpeditionen mit dem Schleppnetz.
Stattdessen empfiehlt sich ein Ansatz, der die Verbesserung von Entscheidungen in den Mittelpunkt stellt und
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1. Über neue Datenquellen gewinnen Unternehmen tiefere Einsichten in die
Entscheidungsprozesse der Kunden
Big-Data-Quellen in der Customer Decision Journey
• Produktbewertungen von Nutzern
• Social Media
• Mobile Anwendungen
• Daten zur Sortimentsoptimierung
• Internetrecherche
Informationsbeschaffung
• WebsiteNavigationssmuster
• Website-Navigationsmuster
Kaufauslöser
Erwägung
Loyalitätsschleife
Kauf
• Syndizierte, laufend
verfeinerte Daten
von Dritten
• Transaktionsdaten
von Kreditkarten
Shoppingimpuls
Bindung
• Daten aus Treueprogrammen
• Produktbewertungen von Nutzern
• Social Media
• Internetbasierte Marktforschung
Quelle: McKinsey
dabei auf allen Ebenen strukturierten Fragestellungen
folgt (Grafik 3, Seite 13).
Die Anwendung in der Praxis kann dann so aussehen:
Ein Einzelhändler möchte bessere Entscheidungen über
seine Promotionausgaben treffen. Er fragt sich: Wollen
wir das Design unserer Verkaufsbeilagen ändern, etwa
die Anzahl der Produkte pro Seite? Wollen wir die Distribution neu gestalten – welchen Zeitungen sollten sie
beiliegen? Sollten wir den Produktmix in unseren Beilagen überprüfen? Für jede einzelne Entscheidungsoption
benötigt das Unternehmen spezifische Datensätze und
Analyseverfahren. Bei der Identifizierung, Beschaffung
und Verwaltung aller relevanten Daten sind dann mehrere Herausforderungen zu meistern:
Datenvolumen und Analyseaufwand. Tag für Tag häuft
der Einzelhandel Berge von Transaktionsdaten an. Wer
Trends verstehen will, muss sie über Jahre hinweg auswerten – und zu diesem Zweck in leistungsfähige Datenbanken investieren, die Entscheidern leichten Zugriff
auf die benötigten Daten geben. Zum Glück für die Unternehmen sinken die Preise für Speicherkapazitäten
stetig. Mancher Händler greift bereits zu „Software as
a service“-Angeboten von externen Dienstleistern, um
seinen steigenden IT-Bedarf zu decken.
Abgleich von Daten aus verschiedenen Beständen.
Nicht alle Bestände beinhalten dieselben Daten. Der
Kundenkartenspeicher eines Händlers zum Beispiel enthält ganz andere Informationen als seine ProduktkostenDatenbank. In einem solchen Fall lassen sich zwar
Aussagen über den Umsatz treffen – über die Gewinnmargen jedoch nicht. Führende Unternehmen nutzen
neuartige Programme, die Daten verschiedenster Art
und Herkunft per Mustererkennung abgleichen können.
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Informationsmanagement
2. Die Supermarktkette Tesco zählt zu den Pionieren bei der Nutzung von
Big Data im Einzelhandelsmarketing
Maßnahmen und Gewinnentwicklung seit den 1990er Jahren
Nettogewinn
Indexiert (1991 = 100)
600
Auswertung aller Promotions
Sortimentsprüfungen anhand von Substituierbarkeitsanalysen
„Wertindex“ als Kombination aus Preis- und Promotionindex
500
Optimierung von Makroflächen
Promotions um
25% reduziert,
Kundenwahrnehmung
verbessert
400
300
200
100
1991
Ermittlung
von „Lücken“
in Warenkörben
Einführung
Tesco
Clubcard
Start Tesco
Baby Club,
gefolgt von Wine Club
Sortimentstool
Start
Tesco.com
Gründung
des Shopper
Panel
Coupons
@Till
Promotiondaten
Relaunch
der Clubcard
mit Schlüsselanhänger
Lifestyle-Segmentierung
Einführung
der Produktlinie
„Finest“
95
2000
05
2010
Quelle: Experteninterviews; Geschäftsbericht; Analystenberichte
Datenhygiene und Aktualität. Ob Verpackungsgrößen,
Produktbeschreibungen oder Warengruppenangaben:
Nicht immer sind die Informationen in den Datenbänken auf dem neuesten Stand. Die Gründe dafür sind
vielfältig. Mit ausschlaggebend dürfte jedoch die große
Anzahl von Artikeln sein – bei Großunternehmen oft
nicht weniger als 300.000 –, deren Daten zeit- und
arbeitsintensive Pflege brauchen.
Umgang mit Datenlücken. Oft fehlt es an historischen
Daten, die für die Interpretation und Analyse von entscheidender Bedeutung sind. So hängt der Erfolg von
Promotions in hohem Maße davon ab, ob die Ware prominent auf einer Aktionsfläche präsentiert wird oder
unauffällig am Regalende ausliegt. Einzelhändler dokumentieren jedoch nicht immer ihre Produktplatzierungen – und gelangen infolgedessen zu einer fehlerhaften
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3. Ein entscheidungsbasierter Managementansatz maximiert den Wert von
Big-Data-Investitionen
Strukturiertes Vorgehen zur Verbesserung von Big-Data-Entscheidungen
Entscheidung
Strategie
Typische Fragen auf den verschiedenen Managementebenen
Wie sieht eine „gute“ Entscheidung aus? Welche Ziele sollen mit
ihr erreicht werden?
Wie wird die Entscheidung getroffen und umgesetzt?
Prozess
Personen
Systeme
Analyse
Wer ist an der Entscheidungsfindung beteiligt? Haben die
Personen genügend Zeit und sind sie angemessen qualifiziert?
Welche Hilfsmittel und Tools werden gebraucht, um die
Entscheidung treffen zu können?
Welche Analysemethoden werden für die Entscheidungsfindung
benötigt?
Welche Daten sind für die Analyse relevant?
Daten
Quelle: McKinsey
oder unvollständigen Einschätzung ihres Umsatzerfolgs
aus der Promotion. Manche Unternehmen machen den
Mangel an Daten durch Crowdsourcing wett: Über spezielle Apps werben sie Konsumenten an, die für sie in den
Filialen vor Ort Fotos machen oder Daten sammeln und
diese dem Unternehmen dann online übermitteln.
2. Aus Daten Erkenntnisse gewinnen
Sind die Daten systematisch erfasst und abgeglichen,
gilt es, aus der Flut an Informationen sinnvolle Erkenntnisse zu schöpfen. Komplexe Algorithmen und Analysetools können dabei helfen, bringen für sich gesehen
jedoch noch keinen Wettbewerbsvorteil. Nur wer die
Werkzeuge effektiv einzusetzen versteht, kann sich einen
Vorsprung vor anderen Marktteilnehmern verschaffen.
Hier ist zunächst qualifiziertes Personal gefragt – Analysten, die in der Lage sind, relevante von irrelevanten
Daten zu unterscheiden, Schlussfolgerungen zu ziehen
und nutzbringende Einsichten zu gewinnen. Doch gute
Analysten sind nur die halbe Miete. Analyseverfahren
sollten den Geschäftsfunktionen nur als Hilfsmittel
dienen und nicht Selbstzweck sein. Ein Beispiel: So
mancher Händler vertraute schon zu sehr auf einen
Preiselastizitätsalgorithmus, ohne Alternativen auch
nur zu prüfen. Die Folge: Er erhöhte die Preise, verlor
prompt Marktanteile – und war vom vermeintlich
geringen Nutzen seiner Tools so enttäuscht, dass er
sie komplett abschaffte.
Ein weiteres Problem, vor dem Unternehmen häufig
stehen, ist der so genannte Blackbox-Effekt. Big-DataInitiativen liefern zuweilen Resultate, mit denen die
Verantwortlichen nicht gerechnet haben – und die sie
gegenüber ihren Stakeholdern in Erklärungsnot bringen.
So können die Analysen ergriffene Maßnahmen auch
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Informationsmanagement
schon mal als falsch entlarven mit der Folge, dass die
Verantwortlichen bei dem Versuch, ihre Arbeit zu verteidigen, durch die neu gewonnenen Daten an Glaubwürdigkeit verlieren.
Dies lässt sich umgehen, wenn analytisches Know-how
und Businesskompetenz Hand in Hand gehen. Allerdings ist die Nachfrage nach Fachkräften, die beides
beherrschen, deutlich größer als das Angebot. Einfacher
und ebenso effektiv dürfte es daher für viele Unternehmen sein, Teams zu bilden, in denen beide Fähigkeiten
vertreten sind.
3. Erkenntnisse in Aktionen übersetzen
Ihren vollen Nutzen entfalten Big Data erst dann, wenn
es den Unternehmen gelingt, relevante Erkenntnisse aus
Daten in effektive Vertriebsmaßnahmen umzuwandeln.
Dabei kommt es vor allem darauf an, die Analyseergebnisse vollständig in die täglichen Entscheidungsprozesse
von Managern und Mitarbeitern einzubetten. Software
und Tools sollten selbsterklärend und skalierbar sein
und die Prozesse so klar definiert, dass alle Beteiligten
sie mitvollziehen können.
Neue Tools entwickeln Unternehmen am besten unter
der Leitfrage: „Welches ist das einfachste Modell, das
unser Geschäftsergebnis verbessert?“ Bei der Implementierung komplexerer Entscheidungstools ist besondere
Sorgfalt geboten; anspruchsvolle Analyse-Algorithmen,
etwa zur Prognose der Nachfrage, bergen die Gefahr, von
Mitarbeitern nicht verstanden und infolgedessen nicht
genutzt zu werden. In jedem Fall sollten Führungskräfte
ihre Organisation auf einen grundlegenden Kulturwandel einstimmen: Die Mitarbeiter müssen bereit sein,
Resultate neu zu interpretieren, Fehler einzugestehen
und Kurskorrekturen vorzunehmen, wenn die Datenanalysen ergeben, dass frühere Entscheidungen nicht
zielführend waren.
Wie wichtig außerdem die Schaffung der richtigen
Anreize für den Umsetzungserfolg ist, zeigt das Beispiel
eines Konsumgüterunternehmens. Es brachte ein
Programm auf den Weg, um seine Promotionausgaben
profitabler zu machen, und führte dazu im Vertrieb ein
neues Tool zur Analyse von Verkaufsaktionen ein. Das
obere Management übernahm sogar die Leitung der
Trainings. Doch die Mitarbeiter ließen sich weder auf
das Programm noch auf das Tool ein, da die Unternehmensanreize und Berichtsprotokolle auf den Umsatz
fokussiert waren, nicht auf den Gewinn. Nach mehreren
Gesprächen mit den Vertriebsleitern wurde das Programm neu gestartet – dieses Mal mit gewinnorientierten Anreizen und Berichten.
Erfolgsrezepte aus der Praxis
Es ist ein langer Prozess, bis eine Organisation von Big
Data und Advanced Analytics in vollem Umfang profitiert. Er kann sich in jeder Phase auszahlen – oder aber
Frustration auslösen, wenn sich die Investitionen nicht
rentieren. Einige Erfolgsrezepte aus der Praxis helfen
Unternehmen, ihre Big-Data-Initiativen auf Kurs zu
halten.
Pilotprojekte als Türöffner. Ein europäisches Konsumgüterunternehmen wollte in einer reifen Produktkategorie weiteres Wachstum generieren. Bis dahin hatte es
versucht, den Umsatz mit Innovationen anzukurbeln –
ein ebenso teures wie riskantes Unterfangen. Nun ermittelte der Hersteller mit Hilfe von Kundendaten und
Advanced Analytics, welche Artikel in welchen Handelsformaten hohen Absatz fanden, und tauschte gezielt
Waren aus, um den Verbrauchervorlieben gerecht zu
werden. Die Datenauswertung brachte ein Umsatzwachstum von 10 Prozent in der an sich wachstumsarmen und hoch kompetitiven Kategorie. Der rasche
Erfolg dieser Initiative löste im Unternehmen eine Welle
weiterer Maßnahmen aus – und bewirkte, dass sich die
Mitarbeiter den neuen Ansatz vollständig zu eigen
machten. Das Beispiel zeigt: Hat ein Pilotprojekt erst
den Erfolgsnachweis geliefert, können größere und langfristig angelegte Investitionen in Big Data folgen.
Topmanager als Wegbereiter. Jede Big-Data-Initiative
braucht einen tatkräftigen Förderer aus dem Vorstand,
der mindestens 5 Prozent seiner Zeit in ihren Erfolg investiert. Er ist von Anfang an Teil der Initiative und stellt
sicher, dass das Projekt einem entscheidungsbasierten
Ansatz folgt. Im Verlauf wirkt er weiter an der Entwicklung mit, prüft die Ergebnisse und nutzt seine Autorität
dazu, die Geschäftsprozesse den neuen Anforderungen
anzupassen.
Externe Vorbilder. Die wenigsten Unternehmen verfügen über genügend hauseigene Ressourcen, um BigData-Potenziale zu ermitteln und zu bewerten. Für sie
könnten sich „Open Source“-Angebote auszahlen –
Kooperationen mit externen Experten und Netzwerken,
die sie bei den größten analytischen Herausforderungen
unterstützen. Eine weitere Inspirationsquelle sind
Erfolgsgeschichten aus anderen Industrien: Das Ge-
Akzente
1’13
sundheitswesen, der öffentliche Sektor und die Finanzdienstleistungsbranche warten mit einer Fülle wegweisender Big-Data-Initiativen auf, die Händlern und Konsumgüterunternehmen als Vorbild für ihre eigenen
Vorhaben dienen können.
Zahlreiche Klientenstudien belegen: Unternehmen, die
Big Data und Advanced Analytics als Schlüssel zu mehr
Wachstum verstehen und nutzen, bietet sich ein immenses Potenzial. Zu Beginn können sie definieren, welche
Geschäftsentscheidungen sie verbessern möchten, um
dann schrittweise ihr Vorgehen festzulegen – und
schließlich jenen Wandel anzustoßen, der Big Data in
ihren täglichen Prozessen verankert. Richtig und vollständig umgesetzt, führen Big-Data-Programme zu
Umsatz- und Gewinnsteigerungen, deren Höhe die
Investitionskosten mehr als kompensieren – Tesco hat
es vorgemacht.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: [email protected]
15
Kernaussagen
1. Big Data und Advanced Analytics zählen derzeit zu den wichtigsten Instrumenten, mit denen
Konsumgüter- und Handelsunternehmen ihren Kampf um
Wettbewerbsvorteile austragen.
2. Drei Fertigkeiten braucht es,
um den Datenschatz zu heben:
ein umfassendes Datenmanagement, die Ableitung verwertbarer
Informationen und die Übertragung in effektive Vertriebsmaßnahmen.
3. Richtig umgesetzt, generieren
Big-Data-Initiativen Wertschöpfung in beträchtlicher Höhe, die
den Investitionsaufwand mehr
als wettmacht.
Autoren
1 Dr. Peter Breuer ist Partner im Kölner Büro von McKinsey. Er leitet den deutschen Konsumgüterund Handelssektor sowie das europäische Consumer and Marketing Analytics Center in Retail.
In seiner Arbeit konzentriert er sich auf Strategieentwicklung und operative Verbesserungsprogramme.
2 Lorenzo Forina ist Partner im Mailänder Büro und gehört dem europäischen Konsumgüter- und
Handelssektor von McKinsey an. Er berät im Schwerpunkt Klienten aus dem Lebensmitteleinzelhandel zu Strategie- und Verkaufsfragen.
3 Jessica Moulton ist Partnerin im Londoner Büro von McKinsey und Mitglied des europäischen
Konsumgüter- und Handelssektors. Hersteller und Einzelhändler berät sie vornehmlich zu Strategieund Organisationsthemen.
16
Marketing und Vertrieb
Strategie zum
Leben erwecken
Wie setzen Konsumgüterhersteller ihre
Strategie für Marketing
und Vertrieb am besten
um? Indem sie sich auf
die wichtigsten Werttreiber konzentrieren.
Von Raphael Buck, Roland Harste, Stefan Rickert,
René Schmutzler und Alexander Thiel
Stetig wechselnde Kundenbedürfnisse, veränderte
Lieferketten, kürzere Innovationszyklen, gesamtwirtschaftliche Risiken – für Konsumgüterhersteller ist das
Leben in den vergangenen Jahren schwerer geworden.
Die Fähigkeit eines Unternehmens, Strategie, Organisation und Arbeitsweise ständig anzupassen, ist mittlerweile eine entscheidende Voraussetzung für den Erfolg
im Wettbewerb. Doch wie schwierig es sein kann, sich
auf neue Gegebenheiten einzustellen, zeigt das Beispiel
der Eastman Kodak Company.
Strategie allein garantiert nicht den Erfolg
Nach über 100 Jahren musste Kodak Anfang 2012 Konkurs anmelden – der ehemalige Technologieführer hatte
mit der digitalen Revolution nicht Schritt halten können.
Dabei hatte das Management schon 1980 erkannt, dass
die analoge Fotogra¿e keine Zukunft versprach, und in
den folgenden Jahren eine neue Strategie beschlossen:
Kodak entwickelte, produzierte und vertrieb die erste
Digitalkamera. Doch letztlich gelang die Strategieumsetzung nicht: Zum einen fehlte das Verständnis für die
Mechanismen im veränderten Markt. Zum anderen tat
das Unternehmen zu wenig, um Strukturen und Prozesse
an die neuen Realitäten anzupassen.
Ein neuer McKinsey-Ansatz macht
Werttreiber sichtbar und hilft
Unternehmen, ihr Operating Model
darauf auszurichten.
Praxisbeispiel: Mit neuem Operating
Model zu profitablem Wachstum
Der Vorstand eines führenden globalen Konsumgüterunternehmens hatte einen Strategiewechsel beschlossen.
Aus einem stagnierenden sollte ein wachstumsorientiertes Unternehmen werden. Das Ziel: Marktführerschaft in
der relevanten Kategorie. Das Unternehmen nutzte den
von McKinsey entwickelten Ansatz, um seine Organisation und Arbeitsweise entsprechend umzustellen.
Zunächst wurden die erfolgsentscheidenden Werttreiber identifiziert. Dazu gehörten verbraucherorientierte
Innovationen, effiziente Lieferketten und eine Leistungs-
Akzente
1’13
kultur. In den Länderorganisationen galt es insbesondere,
kategoriebestimmende Marken aufzubauen und einen erstklassigen Vertrieb sicherzustellen. Zu diesem Zweck richtete
das Unternehmen eine Trade-Marketing-Abteilung ein, die
sich gezielt um Themen wie Kategorieoptimierung, Kanalsteuerung, Promotion und Platzierung kümmert. Dabei wurde
die Abteilung auf der gleichen Hierarchieebene angesiedelt
wie Marketing und Vertrieb.
Auch andere Elemente aus dem bisherigen Operating
Model mussten an die neue Strategie und ihre Werttreiber angepasst werden. Neue Prozesse und Zuständigkeiten wurden
entwickelt und in Handbüchern und Checklisten festgehalten.
Noch in der Konzeptionsphase wurden wichtige Elemente des
17
neuen Operating Model getestet und pilotiert. So half etwa ein
neu entwickeltes Tool zur Beurteilung von Promotions, die Ausgaben besser zu kontrollieren und zu senken. Um die Abstimmung zwischen allen Marketing- und Vertriebsfunktionen zu
vereinfachen und Entscheidungen zu beschleunigen, wurden
monatliche Entscheidungssitzungen und vierteljährliche Business-Review-Meetings eingeführt.
Schließlich galt es, die Mitarbeiter auf die Veränderungen
vorzubereiten und die Akzeptanz zu erhöhen. Zu diesem Zweck
wurden unter anderem Change Agents geschult. Anhand eines
neuen standardisierten Business-Intelligence-Systems konnte
die Organisation Fortschritte und Effekte des Transformationsprogramms weltweit verfolgen.
18
Marketing und Vertrieb
1. Ein auf Werttreiber ausgerichtetes Operating Model führt zu höherem Ertrag
Anstieg Total Return to Shareholders
in Prozent
400
353
300
200
179
Konsumgüterhersteller
Vergleichsgruppe
100
0
Jan. 2006
07
08
09
10
Jan. 2011
Quelle: Datastream India; McKinsey
Ganz anders Fuji¿lm. Wie Kodak hatte auch der Konkurrent die Zeichen der Zeit erkannt und eine ähnliche
Strategie beschlossen: heraus aus der analogen Fotogra¿e, hinein in neue Wachstumsfelder. Fuji setzte jedoch
die neue Strategie konsequenter um. Das Management
richtete das gesamte Unternehmen – Strukturen, Prozesse und Kultur – auf Innovationen und ihre Kommerzialisierung aus. So gelang es Fuji, Standbeine in der
Pharma-, Chemie- und Kosmetikindustrie aufzubauen.
Wie der Fall Kodak zeigt, reicht die „richtige“ Geschäftsstrategie allein also nicht aus, um erfolgreich zu sein. Die
größte Herausforderung liegt darin, die Strategie in die
DNA des Unternehmens zu überführen. Wie gut ist das
eigene Unternehmen auf diese Aufgabe vorbereitet? Um
das herauszu¿nden, sollten sich Manager vier kritische
Fragen stellen:
Läuft die Implementierung unserer Marketing- und
Vertriebsstrategie planmäßig?
Sind die Werttreiber der Strategie in unserer Organisation hinreichend bekannt?
Sind die Strukturen und Prozesse auf diese Werttreiber
ausgerichtet?
Hat unsere Organisation die Fähigkeiten und Instrumente, um das Strategieziel zu erreichen?
Wer eine oder gleich mehrere dieser Fragen mit „Nein“
beantwortet hat, sollte weiterlesen.
Integrierter Ansatz stellt Umsetzung sicher
Denn McKinsey hat eine Methodik entwickelt, die Unternehmen dabei hilft, Strategien erfolgreich umzusetzen. Der integrierte Marketing- und Vertriebsansatz
stützt sich auf zahlreiche Beratungsprojekte bei großen
Konsumgüterunternehmen unterschiedlicher Branchen
und Regionen.
Das Neue daran: Zwischen Strategieentwicklung und
Umsetzung in der Organisation sieht der Ansatz einen
wichtigen und oftmals vernachlässigten Zwischenschritt
vor – nämlich die Analyse, welche Werttreiber (Commercial Value Drivers) für die Strategie des Unternehmens den größten Nutzen versprechen. Das können
Markenportfolio-Management, Innovation, Pricing oder
Route to Market sein. Das Operating Model in Marketing und Vertrieb wird dann exakt auf diese Werttreiber
ausgerichtet. Das Unternehmen kann sich ganz auf die
wirklich relevanten Erfolgsfaktoren konzentrieren, statt
sich auf Nebenkriegsschauplätzen zu verlieren. Aktivitäten ohne strategischen Mehrwert werden transparent
und können zurückgestellt werden. Coca-Cola bei-
Akzente
1’13
19
2. Die Werttreiber werden anhand vorgegebener Kriterien priorisiert
Hypothesenbasierte Liste
möglicher Werttreiber
4 Kriterien für die
Priorisierung von
Werttreibern
Beispiel: Hauptwerttreiber
eines führenden Konsumgüterunternehmens
Aufbau globaler Marken
Entwicklung lokaler
Markenportfolios
Aufbau globaler Marken
Markt
Wirtschaftlichkeit
Innovation
Markenaktivierung
Fähigkeiten
Kultur
Entwicklung lokaler
Markenportfolios
Innovation
Markenaktivierung
Sortimentsmanagement
Sortimentsmanagement
Kategorieoptimierung
Kategorieoptimierung
Pricing
Pricing
Route to Market,
Kundenmanagement
Route to Market,
Kundenmanagement
Umsetzung in der Filiale,
Shopper-Marketing
Umsetzung in der Filiale,
Shopper-Marketing
Supply Chain Management
Supply Chain Management
…
…
Quelle: McKinsey
spielsweise hat seinen Fokus bewusst auf Werttreiber
wie Shopper-Marketing, Route to Market und Umsetzung in der Filiale gelegt. Das operative Marketing- und
Vertriebsmodell spiegelt dies wider: Unter anderem hat
der Getränkekonzern eine Abteilung „Customer and
Commercial Leadership“ geschaffen, die Abfüller gezielt
in diesen Punkten unterstützt.
Wie sehr sich eine konsequente Strategieumsetzung auszahlt, zeigt ein Klientenbeispiel: Mit seinem durch Werttreiber optimierten Operating Model konnte der Konsumgüterhersteller den Total Return to Shareholders in
fünf Jahren doppelt so stark steigern wie die zum Vergleich herangezogenen Wettbewerber (Gra¿k 1).
Werttreiber zeigen, wo der größte Nutzen steckt
Die Strategie wird in einem strukturierten Prozess umgesetzt. Zunächst gilt es, auf Basis von Hypothesen eine
Liste der möglichen Werttreiber zu erstellen. Diese Treiber werden analysiert, bewertet und in Workshops mit
der Unternehmensführung priorisiert. So werden diejenigen Treiber identi¿ziert, die für die Strategie des Unternehmens den größten Nutzen versprechen. Die Priorisierung erfolgt anhand von vier Kriterien (Gra¿k 2).
Markt. Hier wird geklärt, inwieweit ein Werttreiber einem Unternehmen hilft, sich vom Wettbewerb abzusetzen – etwa hinsichtlich der Erfüllung der Bedürfnisse
von Einkäufern oder Konsumenten. So können die Erfolgsfaktoren ermittelt werden, mit denen sich Markttrends noch besser adressieren sowie zusätzliche Wachstums- und Ertragspotenziale erschließen lassen. Beispiel
Russland: Dort setzen sich zunehmend Einzelhandelsketten durch, deshalb gewinnt der Werttreiber Key
Account Management an Bedeutung.
Wirtschaftlichkeit. Hier wird geprüft, welchen Beitrag
ein Werttreiber bisher zum Erfolg des Unternehmens
geliefert hat und was er künftig leisten kann. So zeigten
die Analysen einem Brauereikonzern, dass in seiner Ka-
20
Marketing und Vertrieb
3. Ein integrierter Ansatz zur Strategieumsetzung umfasst 3 Phasen
Diagnose
1 Monat
Design
2 - 3 Monate
Umsetzung
Kontinuierliche Verbesserung
Hauptaufgaben
• Werttreiber in einem strukturierten Prozess
identifizieren
und priorisieren
• Elemente des Operating Model
an die Werttreiber anpassen
• Veränderungen testen und
pilotieren
• Umsetzungsfahrplan entwickeln
• Change Agents schulen
• Anpassungen flächendeckend
implementieren
• Veränderungserfolg absichern
durch z.B.
- Change-Management-Programm
- Kommunikationsstrategie
- Fähigkeitenausbau der Mitarbeiter
- Field Coaching
Ergebnisse
• Verständnis der
relevanten Werttreiber
• Liste mit
priorisierten
Werttreibern
• Dokumentation des neuen
Operating Model (z.B. Handbücher, Poster, Intranetseiten)
• Umsetzungsfahrplan
• Change-Agent-Teams
• Informierte Mitarbeiter
• Funktionsfähige Kernelemente
des Operating Model
• Optimierte Dokumentation
• Motivierte Mitarbeiter
Beispiele
Interaktionen
• Kickoff-Meeting
• Interviews
• Workshops
• Workshops
• Pilotprojekte
• Trainings
• Workshops
• Trainings/Coachings
• Informationsveranstaltungen
Quelle: McKinsey
tegorie nicht globale, sondern lokale und regionale Marken den größten Erfolg versprechen. Damit war lokales
Marketing als Werttreiber identi¿ziert.
Fähigkeiten. An dieser Stelle geht es um die Frage, welche Fähigkeiten ein Unternehmen für die Werttreiber
braucht. Wie groß ist die Lücke zur Best Practice und wie
kann sie in angemessener Zeit geschlossen werden?
Kultur. Schließlich ist zu bewerten, inwieweit die Unternehmenskultur die Werttreiber unterstützt. Setzt ein
Konsumgüterhersteller beispielsweise auf Innovation,
muss das Betriebsklima Experimentierfreude und Unternehmertum fördern.
Das Operating Model muss angepasst werden
Nun gilt es, das Operating Model in Vertrieb und Marketing an den Werttreibern auszurichten. Konkret: Wie
muss die Organisation aufgestellt sein und arbeiten,
damit die Werttreiber optimal zur Zielerreichung beitragen? Dabei sind fünf Elemente zu unterscheiden:
Organisation und Struktur. Hierzu gehören das Festlegen von Organisationsstruktur und Berichtslinien
sowie das Ausgestalten der Rollen und Zuständigkeiten
von Führungskräften und Mitarbeitern.
Prozesse und Verantwortlichkeiten. Damit sind die
Kernprozesse gemeint, aber auch die damit verbundenen Aktivitäten, Endprodukte und Schnittstellen über
die einzelnen Funktionen hinweg.
Tools und Technologien. Hier geht es um die Auswahl
unterstützender Instrumente. So hilft beispielsweise ein
Tool zur Aktivierungsplanung und -steuerung mit Zeiträumen, Vorlaufzeiten und Mengen dabei, 360°-Aktivierungen (zum Beispiel Promotion, TV- und Online-Werbung) erfolgreich umzusetzen.
Planung und Performance Management. Dazu gehört
die Festlegung von Planungsintervallen und ReviewMeetings. Aber auch Regeln, Prozesse und Kennzahlen
für Leistungskontrollen sind zu bestimmen.
Akzente
1’13
Fähigkeiten. Schließlich ist zu klären, welche Kompetenzen und welches Know-how benötigt werden, um einen
reibungslosen Ablauf der Kernprozesse sicherzustellen.
Der McKinsey-Ansatz zur Umsetzung einer Marketingund Vertriebsstrategie umfasst typischerweise drei Phasen (Gra¿k 3): Ausgangspunkt ist eine Diagnose von Unternehmen und Markt mit Identi¿zierung der wichtigsten Werttreiber. In der Designphase gilt es, das künftige
Operating Model entsprechend auszugestalten und die
nötigen Veränderungen zu erproben. In der dritten Phase schließlich kommt es darauf an, die Fortschritte bei
der Umsetzung der Einzelmaßnahmen zu messen und
die Organisation für kontinuierliche Verbesserungen zu
gewinnen. So können Marketing und Vertrieb die Unwägbarkeiten einer zunehmend volatilen Welt besser
bewältigen.
21
Kernaussagen
1. Viele Unternehmen scheitern
bei der Umsetzung ihrer Marketing- und Vertriebsstrategie.
2. Ein neuer integrierter Ansatz
von McKinsey hilft, das Operating
Model in Marketing und Vertrieb
auf relevante Werttreiber auszurichten.
3. Konsumgüterunternehmen
können mit der Methodik deutlich
höhere Wachstumsraten erzielen.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: [email protected]
Autoren
1 Raphael Buck ist Partner im Züricher Büro von McKinsey und leitet den Konsumgüter-, Luxusund Handelssektor in der Schweiz. Er unterstützt Klienten insbesondere bei Marketing- und
Vertriebsthemen.
2 Dr. Roland Harste ist Berater im Hamburger Büro von McKinsey und Mitglied des europäischen
Konsumgütersektors. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in Strategie, Marketing und Vertrieb.
3 Dr. Stefan Rickert ist Partner im Hamburger Büro von McKinsey und Mitglied des europäischen
Konsumgüter- und Handelssektors. Seine Klienten unterstützt er insbesondere in Wachstums- und
Strategiefragen.
4 René Schmutzler ist Berater im Hamburger Büro von McKinsey und Mitglied des europäischen
Konsumgüter- und Handelssektors. Er berät Klienten zu Strategie, Marketing und Vertrieb.
5 Alexander Thiel ist Berater im Münchner Büro von McKinsey. Er ist spezialisiert auf Marketing &
Sales mit Fokus auf Strategie.
22
Online-Handel
Ein Radar für den e-Commerce-Markt
Der Internethandel bringt täglich neue Wettbewerber
und neue Angebote hervor. Mit dem „e-Commerce
Observatory“ behalten Unternehmen den Überblick
über das rasante Geschehen.
Von Peter Breuer, Karel Dörner, Carina Kauter und
Boris Mittermüller
Wissen ist Macht – und Nichtwissen kostet Märkte:
Diese Grundregel gilt auch und gerade im boomenden
e-Commerce. Dort haben es die Akteure schwer, den
Überblick zu behalten. Das starke Wachstum lockt
permanent neue Anbieter an. Die Webseite deutschestartups.de zählte 2012 mehr als 400 Neugründungen
und Übernahmen, das sind fast 60 Prozent mehr als im
Vorjahr. Begünstigt wird die Entwicklung einerseits
durch relativ niedrige Einstiegsbarrieren, andererseits
durch „Inkubatoren“, also Start-up-Investoren, die den
Gründern mit Coaching oder Infrastruktur bei der
Umsetzung ihrer Geschäftsidee helfen.
Seit 2002 ist der Online-Handel in Deutschland laut
Marktforschungsinstitut Forrester Jahr für Jahr um
durchschnittlich 20 Prozent gewachsen – während
der übrige Handel 2012 gerade mal Steigerungen von
0,5 Prozent verzeichnete. Und die Wachstumsraten
im Web bleiben hoch: Bis 2016 werden sie immer noch
16 Prozent pro Jahr betragen. Zugleich erobert das
Internet immer mehr Produktkategorien – schon längst
werden hier nicht mehr nur Bücher oder CDs gehandelt.
Erreichten im Jahr 2002 die online verkauften Artikel in
nur einer Kategorie einen Anteil von 5 Prozent, trifft dies
heute schon auf fünf Kategorien zu – Tendenz steigend.
Die Akteure de¿nieren neue Spielregeln für ganze Industrien. So hat beispielsweise Zalando mit seinem
100-Tage-Rückgaberecht nicht nur das Geschäftsmodell
des Internethandels und der Schuhindustrie verändert,
sondern auch den Werbemarkt. Zalando kauft „Media
for Equity“, bietet TV-Sendern also den Tausch von
Sendezeit gegen eine Beteiligung am Unternehmen. So
verstärken immer neue Handelskonzepte den Druck auf
die Unternehmen. Dabei helfen innovative Technologien
und Plattformen – etwa die rasante Verbreitung von
Smartphones und Tablet-PCs – sowie neue Logistikkonzepte. So erproben die ersten Händler eine Auslieferung
der Ware innerhalb von 90 Minuten nach der Bestellung. Zugleich gewinnt aber auch die Abholung durch die
Kunden („Click & Pick“) zunehmend an Bedeutung: In
manchen Ländern und bei einigen großen deutschen
Lebensmittelhändlern entfällt darauf bereits der Großteil des Online-Umsatzes.
Wissen ist (Markt-)Macht
Viele Anbieter werden diesem Innovations- und Wettbewerbsdruck auf Dauer nicht standhalten. Sei es, weil
sie die vielfältigen Veränderungen im e-Commerce
nicht aufmerksam genug verfolgen und deshalb wichtige
Entwicklungen verpassen, sei es, weil sie das eigene Geschäft trotz Wissens um den Wandel nicht schnell genug
anpassen. Händler und Hersteller müssen zwei Herausforderungen meistern, um von der Dynamik des OnlineMarkts nicht überrollt zu werden.
Transparenz schaffen. Bezeichnenderweise hatten die
meisten etablierten Händler den Schuh- und Textilanbieter Zalando – trotz seines hohen Werbeaufwands –
in den ersten beiden Jahren nach der Gründung nicht auf
dem Radar. Hätten sie die Bedrohung erkannt, hätten sie
den Aufstieg des Newcomers womöglich verhindern oder
sich zumindest besser wappnen können. Gerade in einem
hoch dynamischen Umfeld wie dem e-Commerce-Markt
ist derjenige im Vorteil, der neue Akteure und Strategien
frühzeitig identi¿zieren und die erfolgreichen von den
weniger erfolgreichen unterscheiden kann.
Tempo entwickeln. In einem Markt, in dem sich die Spielregeln innerhalb kürzester Zeit verschieben können,
geht es aber nicht allein darum, Neues zu registrieren,
Akzente
11’13
13
23
24
Online-Handel
1. Im Online-Möbelhandel sind Start-ups bereits stark positioniert, während
weitere Neuanbieter nachdrängen
Wettbewerbslandschaft (Deutschland) nach Search Traffic1
in Prozent
Marktanteil2
40
Angeschlagene etablierte
Unternehmen
Kategorieführer
20
15
Kategorieverlierer
Herausforderer
WOODY MÖBEL
-50
-30
-20
-10
0
10
20
Kategoriewachstum = 5%
30
• FashionForHome wächst bei
bereits hohem
Marktanteil
schneller als die
meisten Wettbewerber
• Newcomer Westwing (seit Juni
2011) wächst exponentiell und
gewinnt schnell
Marktanteile
5
0
-60
• Home24 hat trotz
vorübergehender
Verluste infolge
seines Relaunchs
einen Marktanteil
von 20%
40
1.810
Wachstum3
1 Ohne direkten Traffic, Affiliate-Netzwerke und Social Media 2 Anteil am gesamten Search Traffic
3 Generierter Search Traffic über die vergangenen 6 Monate
Quelle: Searchmetrics; McKinsey
sondern es schnell zu tun und ebenso schnell darauf
zu reagieren. So war etwa im Drogeriesegment das
Geschäftsmodell der Birchbox – die monatliche Lieferung von Kosmetikaproben – ein durchschlagender
Erfolg in den USA. In Deutschland gelang es Douglas jedoch, den hiesigen Ableger Glossybox durch das prompte
Angebot einer „Douglas-Box-of-Beauty“ zu überÀügeln.
Mit dieser raschen Reaktion spielte Douglas seine Handelsmacht aus und verdiente, im Gegensatz zu Glossybox,
mit der Beigabe von Rabattgutscheinen gutes Geld.
Damit Händler und Hersteller beide Aufgaben meistern,
hat McKinsey ein neues Tool entwickelt: Das e-Commerce Observatory beobachtet und analysiert das Markt-
umfeld anhand von Suchmaschinendaten – und schafft
somit die nötige Transparenz, Chancen wie Risiken rasch
zu erkennen, um entsprechend zu handeln.
In Zusammenarbeit mit Xamine, einem Spezialisten
für die Analyse von Suchmaschinendaten, werden die
Trefferlisten der Suchmaschinen, das Suchverhalten von
Kunden und die Suchmaschinenwerbung von Unternehmen täglich untersucht. Die Erfahrung zeigt, dass vor
allem der Search Traf¿c, also das über Suchmaschinen
generierte Besuchervolumen, ein verlässlicher Indikator
für die Umsatz- und Geschäftsentwicklung von Händlern im Internet ist – ungeachtet der Bedeutung anderer
Kanäle wie Display oder soziale Netzwerke.
Akzente
1’13
25
2. Einige Akteure übertrumpfen die etablierten Wettbewerber gleich
in mehreren Dimensionen
Ungenügend
Gesamtwert
1 2 3 4 5
20
Sortimentskompetenz
Preisführerschaft
1 2 3 4 5
2
5
5
15
1
5
14
1
5
3
9
9
2
9
2
9
2
1
4
1
4
2
3
4
1
3
3
5
5
4
2
1
4
2
3
1
1 2 3 4 5
5
5
1
14
1 2 3 4 5
4
2
Service/
Bequemlichkeit
Kauferlebnis
1 2 3 4 5
5
19
WOODY MÖBEL
Herausragend
Positionierung in der Wettbewerberlandschaft
Bewertung auf einer Skala von 1 - 5
Sortimentsbreite (Auswahl)
18
Durchschnittlich
1
3
1
5
1
3
1
3
2
1
2
1
1
3
Quelle: McKinsey
Chancen und Risiken ermitteln
Das e-Commerce Observatory unterstützt die Entscheider
in zwei Schritten: Zunächst verfolgt es auf Basis von Suchmaschinendaten die Wettbewerbsentwicklung in 40 Handelssegmenten in Westeuropa und den USA. Für jedes
Segment und Land werden tagesaktuell neue Anbieter
sowie Marktverschiebungen ermittelt. Auch Akteure, die
aus ihrem bestehenden Geschäft in neue Segmente vorstoßen, lassen sich frühzeitig identi¿zieren. Auf Basis der
gesammelten Daten hilft das Observatory Entscheidern
im zweiten Schritt dabei, die neuen Anbieter hinsichtlich
Sortiment, Preis, Kauferlebnis und Servicelevel zu untersuchen und mit den eigenen Leistungen zu vergleichen,
um so gegebenenfalls frühzeitig reagieren zu können.
Einige Beispiele zeigen, wie es gelingt, mit dem e-Commerce Observatory bessere Entscheidungen zu treffen
und die richtigen Maßnahmen einzuleiten – um sich so
einen Vorsprung im Wettbewerb zu verschaffen.
Möbelhandel: Der deutsche Online-Möbelmarkt wird
dominiert von Inkubatoren wie Rocket Internet, der
Hunderte Millionen Euro in seine Start-ups Home24 und
Westwing investiert. Diese und zahlreiche weitere neue
Akteure attackieren Marktführer wie Ikea. Das e-Commerce Observatory zeigt, dass zwar zwei der neuen Webshops – Pharao24 und Möbelsensation – noch nicht
erfolgreich sind, die übrigen aber stark wachsen und
Marktanteile gewinnen (Gra¿k 1). Bei der Analyse von
26
Online-Handel
3. Im Online-Schokoladenmarkt verzeichnen vor allem spezialisierte Händler
hohe Zuwächse
Beispiel Search Traffic Schokolade (Deutschland)
in Prozent
Organischer Traffic
Bezahlter Traffic
Anteil am gesamten Search Traffic1
9,5
Anteil am gesamten Search Traffic1
16
schoko-seite.de
2
9,0
15
5,5
14
6
2,5
5
2,0
4
1,5
3
1,0
2
0,5
1
0
-100 -50
0
50
100
350 600
650
Zunahme des Search Traffic
im Vergleich zum Vorjahr3
0
-100
0
100
200
1.100
1.200
Zunahme des Search Traffic
im Vergleich zum Vorjahr3
1 Ausgenommen direkter Traffic, Affiliates und Social Media 2 Beinhaltet die Ferrero-Webseiten ferrero-dekotipps.de, ferrero-kinder-weihnachten.de,
ferrero-rocher.de, moncherie.de, raffaelo.de 3 Annahme eines Wachstums von 100%, sofern keine Daten für den Erhebungszeitraum verfügbar sind
Quelle: Xamine; McKinsey
Sortiment, Preis und Service wird deutlich, wie spitz sich
die neuen Akteure positionieren und damit weniger klar
abgegrenzte Wettbewerber unter Druck setzen. Während einige Newcomer die Preisführerschaft bei gleichzeitig großer Produktauswahl und hohem Serviceniveau
erringen wollen, setzen andere Anbieter auf Designermöbel, Einkaufsclubs und den Erlebnischarakter beim
Shopping (Gra¿k 2, Seite 25).
neben den großen Wettbewerbern im Netz wie Amazon,
auch mögliche Vertriebspartner zu ermitteln, etwa Webshops von traditionellen Süßwarenhändlern oder spezialisierte reine Online-Händler. Die Observatory-Analyse
zeigt, dass sowohl im organisch generierten als auch im
bezahlten Traf¿c das Wachstum vorrangig bei Schokoladenspezialisten wie World of Sweets und Generalisten
wie Amazon liegt (Gra¿k 3).
Schokoladenindustrie: Der Online-Lebensmittelhandel
in Deutschland wächst laut Euromonitor jährlich um
rund 10 Prozent. Der Handel mit Schokolade im Netz
wächst mit der gleichen Rate. Lebensmittelhersteller
zählen bislang jedoch nicht zu den Nutznießern des
e-Commerce, weil sie zumeist weder direkt mit ihren
Handelspartnern noch mit eigenen Online-Vertriebskanälen signi¿kant am Web-Geschäft teilnehmen.
Möchte ein Schokoladenhersteller am wachsenden
Online-Handel partizipieren, ist es für ihn daher wichtig,
Investoren: Das e-Commerce Observatory ist nicht nur
für Konsumgüterhersteller und -händler ein wichtiges
Instrument, sondern auch für Finanz- und strategische
Investoren, die frühzeitig Trends, Marktsegmente und
Übernahmeziele identi¿zieren wollen. Denn dies ist gerade in einem Umfeld schwierig, das eine solch rasante
Dynamik besitzt wie der e-Commerce-Markt. Mit Hilfe
des Observatory konnten hier für einen Investor schnell
15 Marktsegmente analysiert und für jedes Segment
die zehn attraktivsten Übernahmeziele erfasst werden.
Akzente
1’13
Beispielsweise zeigte sich in einem Marktsegment, dass
es neben dem Marktführer sowie etablierten Verfolgern
wie Otto und Amazon noch genügend Potenzial für
einen weiteren Anbieter gibt. Die Übernahmeziele selbst
wurden dann anhand von Wachstumsentwicklung und
aktueller Marktposition der Akteure ermittelt.
Transparenz und Schnelligkeit sind der Schlüssel zum
Erfolg im Online-Handel – und das e-Commerce Observatory schafft hierfür eine objektive und jederzeit
aktuelle Faktenbasis: Händler und Hersteller erhalten
so die Chance, Trends in Echtzeit zu erfassen, neue
Entwicklungen rasch mitzuvollziehen und direkt in
Maßnahmen zu übertragen. Das frühe Wissen um neue
Wettbewerber, Angebote und Technologien verschafft
ihnen einen entscheidenden Vorsprung im Kampf um
die Online-Kunden von heute und morgen.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
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27
Kernaussagen
1. Die enorme Marktdynamik im
Online-Handel setzt Händler wie
Hersteller permanent unter Wettbewerbs- und Innovationsdruck.
2. Wer sich in diesem dynamischen Umfeld behaupten will,
muss die Entwicklungen fortlaufend beobachten, Veränderungen
rechtzeitig erkennen und sehr
schnell darauf reagieren.
3. Das e-Commerce Observatory
hilft Unternehmen, neue und etablierte Akteure im Online-Markt,
ihre Positionierung und ihre
Entwicklung zu beobachten – und
sich so einen Wissensvorsprung
im Wettbewerb zu verschaffen.
Autoren
1 Dr. Peter Breuer ist Partner im Kölner Büro von McKinsey. Er leitet den deutschen Konsumgüterund Handelssektor sowie das europäische Consumer and Marketing Analytics Center in Retail.
2 Karel Dörner ist Partner im Münchner Büro von McKinsey und Leiter der europäischen
„Consumer Digital Excellence“-Initiative. Unternehmen verschiedener Sektoren berät er hauptsächlich im Bereich digitaler Transformationen.
3 Carina Kauter ist Beraterin im Frankfurter Büro von McKinsey und Mitglied der „Consumer
Digital Excellence“-Initiative. Händler und Hersteller berät sie in Marketing und Vertrieb, vorrangig
zu Multikanal- und e-Commerce-Strategien.
4 Dr. Boris Mittermüller ist Berater im Kölner Büro von McKinsey und Mitglied des europäischen Konsumgüter- und Handelssektors sowie der Marketing & Sales Practice. Er unterstützt
Handelskonzerne insbesondere im Bereich Pricing & Promotions.
28
Kundenmanagement
Das Geheimnis der Gewinner
Konsumgüterunternehmen, die ihre Beziehungen
zum Handel richtig managen, verdienen besser und
wachsen schneller. Eine Benchmarking-Studie identifiziert die Erfolgsfaktoren der Branchenbesten.
Von Stefan Rickert, Nils Schlag und Jens Weng
Gesättigte Märkte, sparsame Konsumenten: Die Konsumgüterindustrie ¿ndet in Europa wenig Spielraum für
Wachstum. Gleichzeitig wächst der Druck des Handels
auf Margen und Konditionen, die Zahl der Absatzkanäle
steigt, Vertriebsstrukturen gestalten sich zunehmend
komplex.
Um in diesem Umfeld stabiles und pro¿tables Wachstum
zu generieren, brauchen die Hersteller ein Vertriebsund Kundenmanagement, das den neuen Herausforderungen gewachsen ist. Wie aber steht es derzeit um das
Kundenmanagement in der europäischen Konsumgüterindustrie? Wie professionell ist es aufgestellt, wie pro¿tabel arbeitet es? McKinsey hat führende Unternehmen
in 17 europäischen Märkten untersucht und verglichen,
darunter Nahrungsmittel- und Getränkekonzerne sowie
Hersteller von Gesundheits- und PÀegeprodukten. Mehr
als 500 Vertriebsmanager in 78 Landesgesellschaften
multinationaler Konzerne nahmen an der Studie teil.
Analysiert wurden das Management der Geschäftsbeziehungen zu großen Einzelhandelsketten wie zum Beispiel
Tesco, Metro oder Carrefour, aber auch zu kleinen Filialisten und zum fragmentierten Handel – also zu unabhängigen Einzelhändlern wie Apotheken, Tankstellen,
Kiosken und Cafés.
Spitze in Performance und Profitabilität
Ziel des European Customer Management Benchmarking 2012 war es, die Erfolgsgeheimnisse der besten
Konsumgüterhersteller aufzuspüren. Im Fokus der
Untersuchung stehen Art und Umfang der Handelsausgaben, Organisation und Aufstellung des Vertriebs
sowie personelle und strategische Fähigkeiten im
Kundenmanagement. Insgesamt zehn „Gewinner“
macht die Studie unter den Unternehmen aus, die an-
Qualität schlägt Quantität: Bei der Betreuung der
Handelspartner durch den Außendienst kommt es
mehr als auf die Höhe des Budgets auf die Qualität
der BeziehungspÀege an.
Akzente
1’13
29
hand ihrer Kennzahlen verglichen werden konnten –
sechs aus dem Bereich schnelldrehende Konsumgüter
(FMCG) und vier aus dem Segment der frei verkäuflichen Gesundheitsprodukte (Consumer Healthcare).
Alle Gewinner wachsen in ihrem Umsatz stärker als der
Markt, in dem sie tätig sind, und erzielen dabei überdurchschnittliche Pro¿te (Gra¿k 1, Seite 30). Ihr Wachstum liegt durchschnittlich 8 Prozentpunkte über dem
ihres Marktes, ihre EBITDA-Marge beträgt im Schnitt
30 Prozent und fällt damit sogar zwei- bis dreimal so
hoch aus wie in Unternehmen mit schwächerer Performance. Doch im Gegensatz zur Gruppe der „Gewinnmaximierer“ erzielen die Besten im Benchmarking ihre
Pro¿tabilität nicht auf Kosten des Wachstums. Ihre
Umsatzsteigerungen wiederum erreichen sie durch besseres Kundenmanagement und nicht vorrangig durch
Ausdehnung ihres Produktportfolios – ihre Neuproduktquote liegt gleichauf mit der anderer Unternehmen.
Effiziente Investments als Erfolgsfaktor
Was machen die Gewinner besser? Auf einen Nenner gebracht: Sie investieren nicht unbedingt mehr in Vertrieb
und Kundenmanagement als andere Unternehmen, aber
sie investieren vorausschauender, schaffen mehr Wert
und agieren insgesamt professioneller. Schon der Blick
auf die zentralen Kennzahlen in diesem Bereich lässt
deutliche Unterschiede zwischen den Besten und ihren
Wettbewerbern erkennen.
Fast alle Konsumgüterhersteller haben in den vergangenen zwei Jahren ihre Budgets für Handelskonditionen
erhöht und vor allem in das Key Account Management
investiert, um der wachsenden Macht des Handels zu
begegnen. Rund 30 Prozent vom Bruttoumsatz investieren Unternehmen in den Handel – unabhängig von ihrer
Performance. Für die Besten allerdings zahlt sich jeder
30
Kundenmanagement
1. Die Gewinner wachsen stärker als der Markt und erzielen hohe Profite
Performance nach Umsatzwachstum und EBITDA-Marge
in Prozent, n = 53
Gewinnmaximierer
n = 15
33
0,3
x
Gewinner
n = 13
1,7
Optimierungsbereiche
30
8
Hoch
Ø EBITDAMarge
EBITDAMarge1
-6
Ø marktbereinigtes
Umsatzwachstum
Nachzügler
n = 15
0,3
Ø EBITDAMarge
Ø marktbereinigtes
Umsatzwachstum
Wachstumsmaximierer
n = 10
1,1
15
Gering
7
8
Ø EBITDAMarge
Ø marktbereinigtes
Umsatzwachstum
-6
Ø EBITDAMarge
Ø marktbereinigtes
Umsatzwachstum
Gering
Handels-ROI3
• Gewinner zeichnen sich durch
Fähigkeit zu
profitablem
Wachstum aus
• Gewinnmaximierer erzielen
noch höhere
Margen als die
Gewinner –
allerdings auf
Kosten ihres
Wachstums
Hoch
Marktbereinigtes Umsatzwachstum2
1 Anteil am Nettoumsatz; Ausreißer (> 50% oder < -50%) in den Durchschnittswerten nicht berücksichtigt; Durchschnitt 25 Consumer-Healthcare- und 18 FCMG-Unternehmen
2 Nettoumsatzwachstum über Marktwachstum hinaus; Ausreißer (> 50% oder < -50%) in den Durchschnittswerten nicht berücksichtigt; Durchschnitt Teilnehmer 1%
3 ¨ Nettoumsatz/¨ Handelsinvestitionen
Quelle: McKinsey European Customer Management Benchmarking 2012
zusätzlich eingesetzte Euro nahezu doppelt aus: Der
Return on Investment (ROI) auf ihre Aufwendungen
beträgt im Durchschnitt stattliche 1,70 Euro, bei den
übrigen Unternehmen gerade einmal 70 Cent (Gra¿k 2).
Zwei Gründe sind für das Gefälle verantwortlich: Gewinner-Unternehmen generieren nur 20 Prozent ihres
Umsatzes über reine Preispromotions (im Vergleich
zu 27 Prozent bei den übrigen Unternehmen) und sie
steuern ihre Handelsausgaben differenzierter auf mehreren Ebenen. So fällen neun von zehn Gewinnern ihre
Entscheidungen über kundenspezi¿sche Investitionen
zukunftsgerichtet, etwa mit Blick auf die Sortiments-
gestaltung oder Produktneueinführungen. Von den
übrigen Unternehmen tun dies nur 60 Prozent. Auch
planen Champions die Verteilung ihrer Budgets vorausschauend auf Basis aktueller Analysen und 30 Prozent
wenden dabei sogar Marketing-Mix-Modelling an
(Akzente 3/2011). Nur 15 Prozent der Unternehmen
mit schwächerem ROI nutzen diesen ökonometrischen
Ansatz zur Optimierung ihrer Mediaeinsätze. Die anderen handeln stattdessen die Budgets zwischen den
Funktionen aus. Nicht zuletzt verfügen die meisten
Gewinner über das nötige personelle Know-how und
entsprechende Instrumente, um Handelskonditionen
und Pricing-Strategien integriert zu steuern.
Akzente
1’13
31
2. Für die Besten der Branche zahlen sich Handelsinvestitionen stets aus
Verteilung des Handels-ROI1 bei Benchmarking-Teilnehmern
n = 49
Pro zusätzlich investierten Euro ist der Nettoumsatz ...
… gesunken
… um bis zu
0,5 EUR
gestiegen
… um rund
1 EUR
gestiegen
… um mehr
als 1,5 EUR
gestiegen
Umsatz trotz reduzierter Handelsinvestitionen gestiegen
Gewinner
3
2
4
1
Wachstumsmaximierer
2
6
3
2
Gewinnmaximierer
6
3
2
Nachzügler
8
5
1
1
1 ¨ Nettoumsatz/¨ Handelsinvestitionen
Quelle: McKinsey European Customer Management Benchmarking 2012
Starkes Management, schlanke Organisation
Das ausgefeilte Investitionsverhalten weist bereits auf
den Grad der Professionalisierung hin, mit dem die
Benchmarking-Besten ihr Vertriebsmanagement betreiben. Um herauszu¿nden, wo genau ihre Stärken
liegen, wurden in der Studie neben organisatorischen
Indikatoren auch Managementfähigkeiten abgefragt –
insgesamt 110 für den Bereich Handelsketten und 54
für den fragmentierten Handel. McKinsey hat dazu
einen quali¿zierten Bewertungsbogen erstellt, rund
350 der insgesamt gut 500 an der Studie teilnehmenden
Vertriebsfachleute beantworteten diese Spezialfragen.
Im Bereich Handelsketten erwiesen sich vor allem Wachstumsstrategien als Erfolgsrezept, gefolgt von Kompetenzen im Konditionenmanagement und einem ebenfalls
wachstumsorientierten Key Account Management, das
exakt zugeschnitten ist auf Kanäle und Kunden. Im fragmentierten Handel zählt dagegen vor allem Ef¿zienz:
Die Gewinner ziehen großen Nutzen aus dem Direktvertrieb (50 Prozent gegenüber 31 Prozent) sowie aus einer
möglichst kostenef¿zienten Bedienung der Kanäle.
Ef¿zienz zählt auch im indirekten Vertrieb. Erfolgreiche
Unternehmen beschäftigen nur eine kleine Zahl an
Distributoren (durchschnittlich unter 10), während die
weniger erfolgreichen auf mehr als 20 kommen. Das
stärkste Differenzierungsmerkmal der Champions im
fragmentierten Handel aber ist ihre schlank aufgestellte
und effektiv arbeitende Vertriebsmannschaft.
Die besten Unternehmen haben nicht die größten und
teuersten Vertriebsorganisationen, im Gegenteil. Ihre
Ausgaben in diesem Bereich sind insgesamt geringer,
dafür aber stärker auf den Flächenvertrieb konzentriert
und ihr Verkaufspersonal arbeitet dreimal ef¿zienter als
das der anderen Unternehmen. Flache Hierarchien sind
ein zentraler Grund für die höhere Ef¿zienz: Bei den
Champions berichten 7 bis 10 Mitarbeiter direkt an den
Vertriebsbereichsleiter, bei den übrigen nur 4 bis 6.
Im Geschäft mit Handelsketten setzen erfolgreiche
Unternehmen zudem auf kleine, schlagkräftige Key-
32
Kundenmanagement
3. Erfolgreiche Vertriebsteams investieren mehr Zeit in die Kunden- und
Geschäftsentwicklung als in das Ordermanagement
Zeitverteilung auf Vertriebsaktivitäten im fragmentierten Handel
in Prozent, n = 19
Gewinner
Andere
Laden-/Preisprüfung/Umfragen
Forderungsmanagement
Verkaufsförderung
Geschäftsentwicklung
Gesprächsvorbereitung
0
13
4
25
28
19
11
Beziehungsaufbau
Auftragsannahme
Laden-/Preisprüfung/Umfragen
Forderungsmanagement
2
Gesprächsvorbereitung
18
13
11
20
22
Verkaufsförderung
Geschäftsentwicklung
14
Beziehungsaufbau
Auftragsannahme
Quelle: McKinsey European Customer Management Benchmarking 2012
Account-Teams und legen strengere Kriterien bei der
Auswahl ihrer Schlüsselkunden an: Nur 30 Prozent
aller Kunden gelten dort als Key Accounts, in anderen
Unternehmen sind es mehr als die Hälfte. Diese Fokussierung ermöglicht ein besseres Beziehungsmanagement: Rund 45 Prozent ihrer Zeit verbringen die Key
Account Manager mit direkter Kundeninteraktion.
Auch im fragmentierten Handel legen die GewinnerUnternehmen besonderes Augenmerk auf die Qualität
der Kundenbeziehungen. Bei Besuchen vor Ort verwendet der Außendienst mehr Zeit auf die Entwicklung von
Kunden und Geschäftsbeziehungen als auf das eigentliche Ordermanagement (Gra¿k 3). Unterstützt wird dies
durch ein differenzierteres Incentivierungssystem, das
die Performance der Außendienstler auf Basis verschiedener Kennzahlen und in kürzeren Abständen bewertet.
Effektive Erfolgsmessung
Das Prinzip „Qualität schlägt Quantität“ gilt auch für das
Finanzberichtswesen im Bereich Vertriebsmanagement.
Bei der Nachverfolgung der ¿nanziellen Performance
zeigen die Studienergebnisse, dass es weitaus mehr auf
die Güte der Erfolgsmessungen ankommt als auf ihre
Häu¿gkeit. So führen die Benchmarking-Gewinner
durchaus nicht mehr Performancebewertungen durch
als andere Unternehmen, generieren aber mit ihren Reportings zuverlässigere Ergebnisse. Wirkungsmessungen von Promotions nehmen die Champions sogar seltener vor, dafür leisten sie sich analytische Instrumente,
um die Pro¿tabilität ihrer Aktionen exakt zu ermitteln.
Im fragmentierten Handelsgeschäft nutzen die besten
Unternehmen außerdem granulare Analyseansätze und
Outletsegmentierungen, um ihre Investitionen und Vertriebsmannschaften in der Kundenlandschaft optimal
einzusetzen.
Insgesamt ergibt das European Customer Management
Benchmarking ein klares Bild, was herausragendes Kundenmanagement ausmacht und welche ökonomischen
Effekte es hat. Die besten Kundenmanager unter den
europäischen Konsumgüterunternehmen erreichen ihr
pro¿tables Wachstum nicht durch ein Mehr an Investment, sondern durch ein Mehr an Ef¿zienz und Effektivität in Mitteleinsatz, Management, Organisation und
Erfolgskontrolle. Sie erzielen höhere Returns on Invest-
Akzente
1’13
ment durch faktenbasierte Budgetverteilung, integrierte
Pricing- und Handelskonditionensysteme sowie durch
eine zukunftsorientierte Ausrichtung ihrer Ausgabenplanung. Ihre Vertriebsorganisationen sind ef¿zienter
aufgestellt und deutlich produktiver. Schließlich verfügen sie über die geeigneten Analyseinstrumente,
um ihre Gesamtperformance im Kundenmanagement
effektiver, zuverlässiger und detaillierter zu bewerten.
Das Benchmarking liefert nicht nur spannende Einsichten, wie die Top Performer der Branche ihre
Handels- und Marketingausgaben managen, wie sie
ihre Vertriebsmannschaften organisieren und was sie
tun, um ihr Leistungslevel zu halten. Es gibt anderen
Unternehmen zugleich wichtige Orientierungshilfen
für ihr eigenes Kundenmanagement. Denen, die noch
auf der Suche nach der besten Strategie sind, werden
die Ergeb- nisse ein Ansporn sein, es den Besten gleichzutun. Und den Besten wiederum liefern sie die Bestätigung, dass der Weg, den sie eingeschlagen haben, der
richtige zu nachhaltig pro¿tablem Wachstum ist.
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33
Kernaussagen
1. In Zeiten geringer Wachstumsraten wird das Kundenmanagement für europäische Konsumgüterunternehmen zum wichtigen
Treiber ihrer Pro¿tabilität.
2. Die Gewinner des Benchmarkings investieren nicht stärker in
ihren Vertrieb, sondern gestalten ihn ef¿zienter und effektiver
durch optimale Budgetverteilung,
eine schlagkräftige Verkaufsmannschaft und hochwertiges
Performancemanagement.
3. Der Lohn eines nach ROIKriterien optimierten Kundenmanagements sind höhere
Erträge, geringere Kosten und
Handelsbeziehungen auf Augenhöhe.
Autoren
1 Dr. Stefan Rickert ist Partner im Hamburger Büro und Leiter der europäischen Consumer Pricing
Practice von McKinsey. Markenhersteller berät er vornehmlich in den Themen Strategie, Organisation,
Vertrieb und Pricing.
2 Dr. Nils Schlag ist Partner im Düsseldorfer Büro von McKinsey und Mitglied des europäischen
Konsumgüter- und Handelssektors. Seine Klienten unterstützt er insbesondere in Wachstums-,
Vertriebs- und Pricing-Fragen.
3 Dr. Jens Weng ist Partner im Münchner Büro von McKinsey und Leiter der Customer Management
Group im europäischen Konsumgütersektor. Zu den Schwerpunkten seiner Beratertätigkeit zählen
Customer Management, Vertrieb und Pricing sowie länderübergreifende Transformationen.
34
Interview
Akzente
1’13
35
„Ich rufe die Markenartikler auf: Bringt uns
innovative Sortimente und treibt den Markt!“
Was sich Torsten Toeller, Gründer und Chef von
Fressnapf, von der Industrie wünscht und wie er im
Online-Handel Amazon Paroli bieten will, verrät er im
Akzente-Interview.
Dose auf, Löffel rein, probieren: „Ah, Thun¿sch mit
Shrimps!“ Torsten Toeller, Gründer und Vorsitzender
der Geschäftsführung von Fressnapf, der größten
Handelskette für Tierbedarf in Europa, löffelt Moments,
die neue Eigenmarke des Tierfutter-Discounters, die
doppelt so teuer wie die edle Katzenfuttermarke Sheba
verkauft wird: „Wir liefern bei Moments Lebensmittelqualität.“
Große Auswahl, kleine Preise – mit diesem Konzept
hatte der damals 23-jährige Torsten Toeller Fressnapf
1990 gestartet und damit den Handel mit Tierfutter
revolutioniert. Längst wurde das ursprüngliche Discount-Konzept um Erlebniskomponenten und Premiumangebote aus dem eigenen Hause ergänzt. Die
1.240 Märkte in zwölf europäischen Ländern setzen fast
1,5 Milliarden Euro um, die Wachstumsrate lag über die
vergangenen fünf Jahre bei 7 Prozent.
An der Wand im Foyer der Unternehmenszentrale in
Krefeld stehen die Mission Statements von Fressnapf:
„Wir sind anders – wir sind besser – wir sind leidenschaftlich – wir sind menschlich – wir handeln.“ Zusammenfassung: „Wir sind der geilste Fachdiscounter der
Welt.“ Durch die Büros tönt fröhliches Bellen, viele
Mitarbeiter bringen ihren Hund mit. Und auch
Torsten Toeller hat zum Akzente-Interview Familienhund Sunny dabei.
„Das habe ich spaßeshalber mit
meinen Kindern als Pizzabelag
ausprobiert“: Fressnapf-Chef
Torsten Toeller über sein
Nobelkatzenfutter Moments.
36
Interview
Akzente: Herr Toeller, mit den Tieren ist es wie mit
den Menschen in Deutschland: Die Population wächst
nicht mehr. Wo kommt künftig bei Fressnapf das
Wachstum her?
Toeller: Wir haben in Deutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, europaweit die wenigsten Tiere. Aber die
Deutschen geben relativ viel Geld pro Tier aus. Der erste
Trend, der uns seit dem Start 1990 kräftige Wachstumsraten beschert hat, war der Ersatz von Essensresten als
Futter durch industriell gefertigte Produkte. Dann gab es
kräftigen Schub durch den Trend zum Snack für Hunde
und Katzen, das hält auch jetzt noch an.
Akzente: Zu ihren Tieren entwickeln die Menschen
eine tiefe emotionale Bindung. Spüren Sie das im Kaufverhalten?
Toeller: Ja, die Wertschätzung der Haustiere steigt. Sie
werden heute als Familienmitglieder wahrgenommen,
für die das Beste gerade gut genug ist. Deshalb entwickelt
sich der Premiumbereich sehr dynamisch. Diesen Trend
bedienen wir unter anderem mit real nature, Select Gold
und unserer neuen Eigenmarke Moments.
Akzente: Wie bestehen Sie mit einer Eigenmarke im
Premiumsegment gegen die starken eingeführten
Marken wie Chappi oder Whiskas?
Toeller: Falsche Frage – wir wollten dort nicht mithalten,
sondern unsere Marke oberhalb dieser etablierten
Marken aufbauen. Wir erreichen das durch unbedingte
Qualität. Moments wird speziell für uns in Thailand
gefertigt und hat absolute Lebensmittelqualität – die
Geschmacksrichtung „Thun¿sch mit Shrimps“ habe
ich spaßeshalber mit meinen Kindern als Pizzabelag
ausprobiert – eine tolle Qualität und echt lecker.
Akzente: Nehmen Ihre Kunden Moments an?
Toeller: Ja, sie honorieren, dass das Produkt
einzigartig ist. Das erzeugt
Kundenbindung. Wir können
uns diese hohe Qualität leisten, weil wir viel weniger in
Marketing und mehr in hochwertige Rohstoffe investieren
als die Markenartikler. Und
wegen dieser absoluten TopQualität können wir auch den
doppelten Preis erzielen.
Akzente: Lassen sich nur
Katzenbesitzer für ein sol-
ches Super-Premiumprodukt begeistern oder gelingt
das auch bei anderen Tierhaltern?
Toeller: Zwar sind Katzenbesitzer am experimentierfreudigsten, aber wir registrieren generell einen Trend
zur Humanisierung des Tieres und zur Premiumisierung
der Produkte. Hundehalter sprechen wir deshalb mit der
Produktlinie real nature an – da bieten wir unter anderem Dosen mit echtem Angus-Rind. Aber wir sind mit
unseren Eigenmarken natürlich nicht nur im Luxussegment präsent. Wir haben Angebote in jeder Preisklasse,
angefangen beim Preiseinstiegssegment: Unser ¿t+fun
nennen wir nicht umsonst die Aldi-native. Private Label
hat bei uns einen Umsatzanteil von 35 Prozent und ich
weiß, dass wir den Anteil auf über 40 Prozent steigern
können.
Akzente: Premiumeigenmarken sind für den ganzen
Handel ein aktuelles Thema – ein Private Label, das sich
doppelt so teuer verkauft wie die teuersten Herstellermarken, dürfte alle interessieren. Fragen andere Händler Sie nach Ihrem Erfolgsrezept?
Toeller: Klar fragen andere Händler danach. Eigentlich
kennen sie aber auch die Antwort. Wir garantieren mit
unseren Eigenmarken nicht nur konstante Qualität und
haben uns damit die Glaubwürdigkeit hart erarbeitet.
Als einer der ersten Händler haben wir uns zudem erfolgreich an das Super-Premiumsegment gewagt und
sind nicht beim Preiseinstieg geblieben. Außerdem schulen wir unsere Mitarbeiter ganz gezielt im Verkauf der
Eigenmarken. Jedes Jahr kommen 2.000 Mitarbeiter
zur Präsenzschulung in unsere Fressnapf-Akademie
in Krefeld, knapp 6.000 jährlich erreichen wir über
E-Learning. Da lernen sie unter anderem, am Point of
Sale die Eigenmarken in Szene zu setzen, denn unser
extrem starkes Trade Marketing ist ein wichtiger Faktor
für unseren Erfolg.
Akzente: Brauchen Sie denn da
überhaupt noch die Markenartikelindustrie?
Toeller: Natürlich brauchen wir starke
Marken. In den vergangenen Jahren
waren wir allerdings häu¿g innovati-
Doppelt so teuer wie die TopProdukte der Markenartikler:
Fressnapf-Eigenmarke Moments
für die anspruchsvolle Katze.
Akzente
1’13
37
„Haustiere in Deutschland werden heute als Familienmitglieder wahrgenommen, für die
das Beste gerade gut genug ist.“
ver als die Hersteller, auch die großen. Deshalb rufe ich
die Markenartikler auf: Bringt uns innovative Sortimente
und treibt den Markt! Wir brauchen Ideen in den Segmenten, die gerade im Trend liegen: Premiumprodukte,
Snacks, vor allem für Katzen, und innovative Zubehörprodukte und Accessoires. Wir freuen uns über jedes
p¿f¿ge Produkt und wollen gemeinsam mit der Markenartikelindustrie die verschiedenen Kategorien im Heimtierbedarf weiterentwickeln.
Akzente: Sie sind in zwölf Ländern aktiv. Ist das Fressnapf-Konzept eins zu eins ins Ausland übertragbar?
Toeller: Grundsätzlich ähnelt sich die Tierhaltung in allen
europäischen Ländern doch sehr. 70 bis 80 Prozent
unserer Sortimente in den Ländern sind gleich, so dass
unser Konzept gut auf andere Märkte übertragbar ist.
Akzente: Sind Sie überall so erfolgreich wie in
Deutschland?
Toeller: Sehr gut aufgestellt sind wir in Österreich,
Ungarn, Dänemark und der Schweiz. Aber im Rückblick erkennen wir, dass wir zu schnell in zu vielen
Ländern gestartet sind und dort nicht zügig genug die
kritische Masse aufbauen konnten. Bei 70 Läden in
Frankreich oder 25 Märkten in Italien gibt es keine
Synergien. Zum Vergleich: In Deutschland haben wir
830 Standorte, in Österreich 115.
Akzente: Spüren Sie in Südeuropa
die Krise?
Toeller: Das Geschäft erweist sich als
relativ krisenresistent. An seinem
Freund dem Tier spart der Mensch
erst, wenn es wirklich sein muss.
Allerdings haben wir in Spanien nach
der Testphase – wir eröffnen in einem neuen Land als
„proof of concept“ immer fünf Geschäfte und sammeln
Erfahrungen – den Markteintritt gestoppt. Wir hatten
gesehen, dass wir dort zwar pro¿tabel hätten arbeiten
können, aber der ROI unter den anderen Ländern liegt.
Umgekehrt entwickeln sich andere Krisenländer, wie z.B.
Irland und Italien, für uns gut.
Akzente: Sind die Wachstumsmärkte der Schwellenländer für Sie ein Thema?
Toeller: Auch für unsere Branche gilt: Das Wachstum
¿ndet woanders statt, nicht in Europa. Am interessantesten ist der brasilianische Markt. Brasilien hat nach den
USA die zweithöchste Tierpopulation der Welt. Trotzdem
ist das für uns zurzeit kein Thema. Wir müssten alles neu
aufbauen: Eigenmarken, Lieferantenstruktur, Warenwirtschaftssystem – das bringt eine irre Komplexität.
Und wir brauchen noch zwei bis drei Jahre, um wichtige
Projekte als Basis für weiteres Wachstum und weitere
Internationalisierung zu Ende zu bringen.
Akzente: Woran arbeiten Sie?
Toeller: Wir erneuern mit unserem Projekt „Compass“
die komplette ERP-Landschaft und alle Geschäftsprozesse durch eine hochintegrierte SAP-Lösung, so dass wir in
Zukunft alle Kanäle verbinden und unsere Kunden durch
ein intelligentes CRM-System abbilden können.
38
Interview
Akzente: Im stationären Geschäft in Deutschland setzen Sie vor allem auf Franchisenehmer. Warum?
Toeller: Stimmt, in Deutschland betreiben wir selbst
nur 100 Läden, 730 werden von Franchisenehmern
geführt. Nur deshalb konnten wir so schnell wachsen,
das hätten wir vor 23 Jahren als Start-up-Unternehmen
ohne Kapital nicht alleine ¿nanzieren können. Auf den
Auslandsmärkten setzen wir auf eigene Märkte, aber im
Inland sind wir mit unseren Partnern sehr zufrieden.
Wir betreiben auch aus Sicht unserer Franchisenehmer
ein sehr erfolgreiches System: In einer anonymen Befragung sagten 91 Prozent, sie würden, vor die Entscheidung gestellt, wieder Fressnapf-Partner werden.
Akzente: Wie stehen die Franchisenehmer Ihrem
forcierten Ausbau des Online-Handels gegenüber –
der kannibalisiert doch den Umsatz der Märkte?
Toeller: Es gibt keine Reservate für Händler. Wenn
wir Marktführer bleiben wollen, müssen wir auch
online eine führende Rolle spielen. Das sehen auch
unsere Franchisenehmer so. Aber natürlich fragen sie
uns: Was haben wir davon?
Akzente: Was antworten Sie?
Toeller: Wir beteiligen die Franchisenehmer an unseren
Online-Umsätzen, obwohl wir vertraglich dazu nicht verpÀichtet wären. Und wir erklären ihnen, dass wir online
ihre VerkaufsÀäche virtuell erweitern: Dort können wir
ein viel größeres Sortiment abdecken als in den Märkten
und so das Longtail-Geschäft mitnehmen.
Erlebnisse: In den
Fressnapf-XXL-Märkten
gibt es auch lebende
Tiere zu bestaunen und
zu kaufen.
Akzente: Stirbt das Kataloggeschäft?
Toeller: Langfristig stirbt es bestimmt. Aber das bedeutet nicht, dass wir auf Print verzichten: Wir bauen unser
Kundenmagazin Fressnapf Journal zum „Magalog“ um,
einer Mischung aus Magazin und Katalog. Es bleibt so
Teil unseres Cross-Channel-Systems.
Akzente: Im Online-Geschäft treffen Sie auf heftige
Konkurrenz, von Amazon über Spezialisten wie zooplus
bis zu zahllosen Start-ups. Wie wollen Sie sich durchsetzen?
Toeller: In Internet-Start-ups wird zu viel „sick money“
investiert, gerade auch in unserem Bereich. Doch da wird
schnell Ernüchterung eintreten. Am Ende bleiben einige
wenige Starke übrig, darunter werden wir sein. Dazu werden sich einige in Nischen etablieren, alle anderen werden scheitern und das Geld der Investoren verbrennen.
Akzente: Amazon mischt schon große Bereiche des
etablierten Handels auf. Was können Sie dagegen tun?
Toeller: Vor Amazon haben wir den meisten Respekt.
Doch unser Geschäft steht dort nicht im Fokus. Wir setzen auf den Plattformgedanken und wollen uns für den
Kunden vom Händler zum bevorzugten und kompetentesten Ansprechpartner in Sachen Tier entwickeln. Wer
etwas wissen will, soll nicht die Hersteller oder Wikipedia
fragen, sondern Fressnapf, entweder im Laden oder
auf der Fressnapf-Website. Mit den Daten aus dem neuen ERP- und CRM-System werden wir unsere Kundenbeziehung und die Kundenloyalität drastisch verbessern.
Akzente
1’13
39
Wenn wir mehr über unsere Kunden wissen, können
wir ihre Bedürfnisse ganz anders ansprechen.
Akzente: Kennen Sie nach über 20 Jahren Ihre Kundschaft nicht schon ganz genau?
Toeller: Das ist ein vielschichtiges Thema, weil schon die
Motive für die Tierhaltung extrem unterschiedlich sind:
Mal wird ein Hund wie bei Paris Hilton als Modeaccessoire gehalten, mal als robuster und gutmütiger Spielkamerad für die Kinder, mal als Jagd- oder Wachhund.
Je besser wir unsere Angebote und Services auf die unterschiedlichen Motive und Bedürfnisse unserer Kunden
zuschneiden können, desto besser geht unser Geschäft.
Akzente: Was haben Sie konkret schon unternommen?
Toeller: Die Kunden wollen in tollen, modernen Läden
etwas erleben, deshalb bauen wir unsere Märkte zu hellen, übersichtlichen Future Stores und XXL-Märkten
um. Wir haben gelernt, dass ein attraktives Sortiment
und niedrige Preise heute vom Kunden selbstverständlich erwartet werden, als „Hygienefaktor“, ohne den
nichts geht. In unseren Fressnapf-XXL-Märkten in den
Ballungsgebieten verkaufen wir z.B. auch lebende Tiere:
Nager, Vögel, Aquaristik und Tiere aus Terrarien. Außerdem testen wir Services: Hundefriseure und -schulen,
Tierversicherungen, Tierärzte, die sich auf dem Gelände
niederlassen. Wir haben da viele Ideen, bis hin zu Hundehotels oder einer Art Kita-Betreuung, wenn Herrchen
und Frauchen Termine haben.
Akzente: Wo steht Fressnapf in fünf Jahren?
Toeller: Dann werden wir, unterstützt von der neuen
Technik, noch mehr Kundenfokus haben. Aktuell ist es
doch so, dass wir uns mitten in einer digitalen Revolution
be¿nden und der Handel sich täglich wandelt. Darum
Torsten Toeller (46) gründete nach einer Einzelhandelslehre und dem
Studium der Betriebswirtschaft mit 23 Jahren
Fressnapf. Als geschäftsführender Gesellschafter baute er das
Unternehmen zu Europas größtem
Fach-Discounter für Tiernahrung und
-zubehör auf.
A hS
Auch
Services
i
werden
d auff allen
ll VertriebskanäV t i b k ä
len angeboten: Über die Website gibt es heute
schon Tierversicherungen.
haben wir die „Challenge 2020“ als Teil unserer neuen
Strategie ausgerufen. Wir arbeiten an vielen Punkten, um
unsere Retail-Exzellenz nicht nur in den Märkten, sondern auch online zu verbessern. Das bedeutet, dass wir
die Bedürfnisse und Motive unserer Kunden noch besser
kennen lernen und verstehen werden und sie noch individueller ansprechen können – inklusive neuer Angebote
und Services. Wir arbeiten also daran, die Kunden zu
echten Fans zu machen. Fressnapf ist dann die Marke,
die ganz oben im Relevant Set der Verbraucher steht und
sie auch auf der emotionalen Seite nachhaltig berührt.
Unser Wissen über die Kunden verhilft uns zu einer
strategischen Positionierung, die uns einzigartig macht
und die Kunden an uns bindet. Mit diesen neuen Kompetenzen wollen wir in den kommenden zehn Jahren nicht
nur pro¿tabel wachsen, sondern uns insbesondere zum
Ansprechpartner Nummer eins rund um die Tierhaltung
entwickeln.
Die Fressnapf-Gruppe
(Foto: Zentrale in Krefeld)
betreibt 1.240 Fachmärkte
für Tiernahrung und -zubehör
in elf europäischen Ländern.
Der Umsatz betrug 2012 gut
1,46 Milliarden Euro. Rund 10.000 Menschen arbeiten in der Gruppe,
die neben dem stationären Geschäft seit 2009 auch im Online-Handel
engagiert ist. Die enge Verzahnung der Vertriebskanäle ist eins der
wichtigen Themen der kommenden Jahre.
40
Energieeffizienz
Handel(n) unter Strom
Einzelhändler, die Energiestrategien entwickeln und
auf grüne Technologien setzen, handeln nicht nur
umweltbewusst, sie schaffen auch Wert.
Von Christoph Eltze und Mathieu Loury
Die Energiekosten sind hoch. Im Einzelhandel machen
sie in der Regel rund 1 Prozent vom Umsatz aus. Und
wirkliche Entlastung ist nicht in Sicht – trotz der aktuellen Diskussion um sinkende Energiepreise infolge der
riesigen Gasfunde vor allem in den USA. Trotzdem gibt
es gute Nachrichten für Händler: Einsparungen im Energieverbrauch sind, was die Umsetzbarkeit angeht, der
stärkste Kostenhebel in einer Filiale nach dem Faktor
Arbeit – noch vor der Infrastruktur.
Dabei winkt doppelter Lohn: Immer umweltbewusstere
Verbraucher erwarten inzwischen, dass auch Einzelhändler ökologisch agieren. Das gelingt nur, wenn sie
eine umfassende Energiestrategie erarbeiten und dabei
das Filialnetz in den Mittelpunkt stellen. Zwar verteilen
sich Filial-, Lager- und BüroÀächen bei jedem Unternehmen anders, doch die meiste Energie verbraucht das
Filialnetz: Bei großen Handelsketten verursacht es rund
80 Prozent der gesamten Energiekosten.
Führende Einzelhändler wie Walmart, Ikea und Colruyt
haben bereits Energiestrategien für ihre Filialnetze entwickelt – aus guten Gründen: Ein ef¿zienter Energieeinsatz steigert sofort die Ergebnisse in den Filialen.
Der Wechsel zu günstigeren Energiequellen wiederum
bringt langfristige Kostenvorteile. Nicht zuletzt lassen
sich mit ökologischem Handeln Kunden gewinnen und
binden. Händler können diese Wertschöpfungsquellen
auf drei Ebenen erschließen (Gra¿k 1, Seite 42):
Einsparungen in bestehenden Filialen. Um die Energiesparpotenziale zu heben, sind nicht immer große
Programme nötig, wie etwa der Bau energieef¿zienter
Anlagen. Oft genügen schon Veränderungen von Standards im operativen Filialbetrieb, um Quick Wins
zu erzielen. Die Skala der kurzfristig umsetzbaren
Maßnahmen reicht von der ef¿zienteren Nutzung der
Heizungs- und Klimaanlagen bis zum Einsatz energiesparender Lampen. Mitarbeiter vor Ort sind dabei
oftmals gute Ideengeber. Wer seine Sparmaßnahmen
zusätzlich nach außen kommuniziert, pro¿tiert gleich
zweifach: Die Energiekosten sinken und die Reputation
bei den umweltbewussten Kunden steigt.
Neue Konzepte und Filialdesigns. Hat ein Handelsunternehmen erst einmal für sich herausgefunden, wie Energiesparmaßnahmen wirken und welche Ziele realistisch
sind, kann es noch ambitionierter planen. Auf der Konzeptebene geht es dann um qualitativ neue Filialdesigns,
die nach Kriterien der Energieef¿zienz gestaltet sind,
oder sogar um Nullemissionsgebäude bei vollständigem
Erhalt des Einkaufserlebnisses für die Kunden.
Die hier vorgestellten strategischen Optionen lassen
bereits erahnen, welches Wertsteigerungspotenzial im
Thema Energieef¿zienz steckt. Dennoch haben die Maßnahmen der meisten Händler in den vergangenen drei
bis fünf Jahren lediglich Einsparungen von 2 bis 5 Prozent erzielt. De facto aber lassen sich allein schon mit der
ersten Wertschöpfungsquelle, dem AuÀegen von Sparprogrammen in bestehenden Filialen, 15 bis 25 Prozent
der Kosten senken (Gra¿k 2, Seite 43). Die Ef¿zienzverbesserung vor Ort sollte daher der Ausgangspunkt für
alle strategischen Aktivitäten in Sachen Energie sein.
Einsatz erneuerbarer Energien. Einzelhändler sollten
nicht nur ihren Energiebedarf reduzieren, sondern sich
auch nach kostengünstigeren, zukunftssicheren Energiequellen umsehen. Schon in drei bis sieben Jahren, so die
Prognose der Marktbeobachter, könnte erneuerbare
Energie günstiger sein als konventionelle. Deshalb sollten
Einzelhändler mittelfristig zu einem „grünen“ Energie-
Akzente
1’13
Im Handel machen die Energiekosten rund 1 Prozent vom Umsatz aus – eine Strategie für mehr Ef¿zienz lohnt sich.
41
42
Energieeffizienz
1. Effektive Energiestrategien verhelfen Einzelhändlern auf 3 Ebenen zu
höherer Wertschöpfung
Energieeffizienz in
bestehenden
Filialen erhöhen
Neue Filialen
nach Energieaspekten
gestalten
Erneuerbare
Energien
nutzen oder
selbst erzeugen
Quelle: McKinsey
anbieter wechseln – oder gleich selbst erneuerbare
Energien produzieren. Welche der beiden Möglichkeiten
der Händler auch wählt: Er sollte die Kunden abermals
über seine Energieaktivitäten informieren – diesmal mit
breit angelegten Kommunikationskampagnen.
Effizienz vor Ort: Filialen könnten viel mehr sparen
Wer ein Gefühl für das eigene Energiesparpotenzial
bekommen will, nimmt am besten eine Gruppe von
Filialen mit ähnlichem Konzept, ähnlichem Alter und
ähnlichen klimatischen Bedingungen ins Visier. In der
Regel verbrauchen die Filialen im besten Quartil schon
jetzt 10 bis 15 Prozent weniger Energie als der Rest –
auch ohne koordiniertes Ef¿zienzprogramm.
Will ein Händler seinen Energiekonsum aber systematisch senken, sollte er sich auf drei Bereiche konzentrieren: Filialmarketing, Ausstattung sowie Verhalten und
Prozesse. Die Analyse bei einer US-amerikanischen
Kaufhauskette ergab bereits beim Beleuchtungssystem
eine ganze Reihe von Einsparmöglichkeiten:
Filialmarketing. Eine Filiale änderte die Standards für
die Warenpräsentation von kW pro m² in Lux – die Maßeinheit für das Licht, das der Kunde in einem bestimmten Areal wirklich sieht. Hierbei zeigte sich, dass der gleiche visuelle Effekt auch mit 25 Prozent weniger Licht
möglich ist, besonders wenn gleichzeitig hellere, stärker
reÀektierende Bodenbeläge verlegt werden. Dass zu viel
Licht sogar kontraproduktiv sein kann, zeigt sich in Su-
permärkten. Dort fordern Marketingstandards oft Lampen in Kühl- oder Gefrierschränken. Diese aber geben
nicht nur Wärme ab und senken damit die Ef¿zienz der
Kühlgeräte, sie erzeugen oft auch ReÀexionen auf den
Türen, was die Ware für Kunden schwerer erkennbar
macht.
Ausstattung. In der Bettwarenabteilung des US-Kaufhauses entschied sich das Einrichtungsteam zuerst für
eine einfache Beleuchtung mit leicht installierbaren
Neonröhren, die den Kostenrahmen für die Modernisierung einhielt. Dann aber baute das Team Leuchten mit
besseren ReÀexionseigenschaften ein, reduzierte die
Zahl der Neonröhren auf die Hälfte und verwendete dabei ef¿zientere Modelle. Im Ergebnis ging die Total Cost
of Ownership (TCO) deutlich zurück. Fälle wie dieser
ereignen sich häu¿g: Einrichtungsteams entscheiden
auf Grundlage ihrer Euro/m²-Budgets sowie der Kostenund Ef¿zienzangaben der Hersteller – berücksichtigen
aber nicht die TCO oder die Kundenbedürfnisse. So
haben viele Händler inzwischen traditionelle Leuchten
durch LEDs ersetzt. Die sind in der Tat ef¿zienter und
halten zwei- bis dreimal länger, allerdings gehen die
Fassungen auch schneller kaputt: 5 bis 10 Prozent
müssen jährlich ausgetauscht werden. Auch die Wartungskosten bei LEDs sind üblicherweise höher.
Auf einen Nenner gebracht: Die höheren Lebenszykluskosten machen die Energieeinsparungen zunichte. LEDs
sind im Handel daher nur in bestimmten Bereichen
Akzente
1’13
43
2. Energieeffizienz-Programme in Filialen mindern den Kostendruck künftiger
Strompreisanstiege deutlich
Entwicklung der Energiekosten1
in Prozent (Basis: 100)
Szenario „Weiter wie bisher“
• Keine Effizienzsteigerung
• Starker Druck auf die Filialbilanz
100
Ad-hoc-Maßnahmen
• Einsparungen von 2 - 5% p.a.
• Potenzialeinbußen durch Kompromisslösungen, kontraproduktive
Maßnahmen und fehlenden Einstellungswandel
120
100
80
60
40
20
0
2012
2014
2016
2018
2020
Koordiniertes Effizienzprogramm
• Einsparungen von 15 - 25% in
3 Jahren
• Maßnahmen in allen Filialbereichen
(Konzept, Ausstattung, Verhalten,
Prozesse), um Quick Wins und
schnellen ROI zu erzielen
1 Annahme: Anstieg der Strompreise um 1 - 5% p.a.
Quelle: Enerdata; McKinsey-Analysen; Erfahrungswerte aus Klientenprojekten
sinnvoll, zum Beispiel beim Beleuchten von Fleisch,
Fisch, Obst und Gemüse: Die verderbliche Ware bleibt
länger frisch, weil LEDs weniger Hitze entwickeln als
konventionelle Leuchten. Auch in Schmuckauslagen bieten sich LED-Leuchten an, weil sie als Blickfang dienen
und die Ware zum Leuchten bringen.
Verhalten und Prozesse. Die Richtlinien des Kaufhauses
forderten, dass im Verkaufsbereich die Hälfte der Lampen
in der Zeit ausgeschaltet sein sollte, in der die Beschäftigten zwar arbeiteten, die Filiale aber für Kunden geschlossen war (täglich fünf Stunden). Das Filialteam empfand
das als unsinnig und ignorierte die Regel. Das änderte sich
in dem Augenblick, als die Mitarbeiter erkannten, wie sich
ihr Verhalten auf das Budget ihrer Filiale auswirkte. Generell gilt, dass Händler besonders viel Energie in den Zeiten
sparen können, in denen keine Kunden in der Filiale sind.
Schon mit diesen Sofortmaßnahmen können Handelsunternehmen erstaunliche Einspareffekte erzielen.
Für die US-Kaufhauskette brachte allein die Änderung
der Beleuchtung in der Heimtextilienabteilung Einsparungen von 15 Prozent der Gesamtenergiekosten – ohne
dass die Kunden die Veränderung auch nur bemerkten
(Gra¿k 3, Seite 44).
Sparen mit System: Neues Management gefragt
Eine umfassende Verbesserung der Energieef¿zienz
erfordert mehr als nur Wissen über aktuelle Energiesparmöglichkeiten oder fortschrittliche Warenpräsentation. Um wirklich nachhaltige Erfolge zu erzielen,
sollten Einzelhändler in drei Bereichen Kompetenzen
aufbauen: in der funktionsübergreifenden Zusammenarbeit, bei umfassenden Veränderungsprogrammen
und im Leistungsmanagement.
Funktionsübergreifende Zusammenarbeit. Ef¿zienzprogramme greifen erst dann richtig, wenn die einzelnen
Funktionen sich darauf verständigt haben, welche
Maßnahme tatsächlich kundenrelevant ist, und daraus
Ziele ableiten. Dann gilt es herauszu¿nden, mit welchen
Technologien und Partnern sich diese Ziele möglichst
44
Energieeffizienz
3. Viele Energiesparmaßnahmen bleiben für den Kunden unsichtbar
Beispiel Warenbeleuchtung im Kaufhaus
Vorher
Nachher
Erkennen Sie den
15%-Spareffekt?
Vorher waren pro Regalfach 6 Neonröhren installiert, nachher sind es nur noch 5. Der Display-Strahler
gleicht den Lichtverlust vollständig aus. Durch die Umsetzung dieser Maßnahme in allen Filialen spart
die Kaufhauskette 15% ihrer gesamten Energiekosten ein.1
1 Filialnetz mit 1.000 Warenhäusern, 600.000 32-Watt-Röhren mit Haltbarkeitsdauer von 4 Jahren, durchschnittlich 110 USD/MWh
Quelle: McKinsey
kostengünstig erreichen lassen. Die TCO-Berechnung
sollte hier über drei bis sechs Jahre angestellt werden,
je nach typischer Lebensdauer eines Filialkonzepts.
Schließlich sind Richtlinien nötig, damit die Mitarbeiter
diese Technologien möglichst ef¿zient nutzen. Die
Händler können aber noch mehr tun und zum Beispiel
ganz neue Prozesse einführen: Ein „Hochfahren“ der
Filiale am Morgen etwa und das „Herunterfahren“ am
Abend senken den Energieverbrauch oft erheblich.
Umfassende Veränderungsprogramme. Ein breit angelegtes Energieef¿zienzprogramm in einem Filialnetz
läuft üblicherweise zwei bis drei Jahre. Oft entsteht dabei eine Liste mit 50 bis 100 Maßnahmen; jede davon
wird in gewissem Maße auf die jeweilige Filiale zugeschnitten. Einige Änderungen können schnell und ohne
großen Aufwand umgesetzt werden, andere erst, wenn
die Filiale modernisiert wird. Wieder andere erfordern
hohe Investitionen oder die Zusammenarbeit mit Lieferanten. Ein solch umfassendes Vorhaben lässt sich meist
nur mit Hilfe eines Analysetools verwirklichen, das alle
Initiativen dokumentiert, sie budgetkonform plant und
ihre Fortschritte überwacht. Anhand dieser Daten kann
ein zentrales Team Ausreißer identi¿zieren und den
Filialen helfen, Hürden zu überwinden.
Leistungsmanagement. Kennzahlen sollten den Energieverbrauch der Filiale in Euro und in kWh widerspiegeln.
Euro-Kennzahlen sind sinnvoll, um die Einsparungen
zu überprüfen, sie eng an das Budget zu koppeln und
Anreize für die Filialteams zu setzen. Anhand der kWhbasierten Informationen lassen sich die verbrauchsintensivsten Bereiche ermitteln und sofort angehen.
Zudem dienen die kWh-Daten als Regulativ, wenn etwa
sinkende Energiepreise die Euro-basierten Indikatoren
senken, ohne dass tatsächlich Energie gespart wurde.
Diese Kennzahlen sollten für alle Unternehmensebenen
gelten – von der Zentrale bis hinunter zu den Filialen.
Ein Regionalleiter beispielsweise würde sich primär auf
Einsparungen in seiner Region konzentrieren und dabei
Filialen unter die Lupe nehmen, die das Budget nicht
einhalten. Ein Filialleiter hingegen achtet auf sein Budget, ist aber auch am kWh-Verbrauch je Quelle (etwa
Beleuchtung, Kühlung) interessiert.
Vom Stromverbrauch zum Stromverkauf
Auch jenseits konkreter Verbesserungen vor Ort kann es
sich für Einzelhändler schon heute lohnen, den Energieverbrauch ihres gesamten Filialnetzes neu zu gestalten.
Energieef¿ziente Ladenkonzepte und der Wechsel zu
erneuerbaren Energien sind Wege in diese Richtung.
Akzente
1’13
Einige große Ketten haben schon vor Jahren begonnen,
erneuerbare Energien in ihren Energiemix aufzunehmen. Der belgische Lebensmitteleinzelhändler Colruyt
testete bereits 1999 die Nutzung von Windenergie;
Walmart deckt inzwischen 13 Prozent seines Bedarfs
mit Strom aus erneuerbaren Quellen.
Denkbar ist aber noch mehr: Handelsunternehmen, die
erfolgreich eigene Energie erzeugen, haben die besten
Voraussetzungen, diese auch weiterzuverkaufen. Der
Einstieg ins Stromgeschäft mag manchem Einzelhändler
gewagt erscheinen – unrealistisch ist er nicht: Dichte
Filialnetze mit hohem Energieaufkommen und der direkte Draht zum Endkonsumenten prädestinieren Einzelhandelsketten geradezu für den Handel mit Strom.
Und nicht nur sie. Große Banken beispielsweise, die
über ähnlich dichte Filialstrukturen und enge Kundenbeziehungen verfügen, entwickeln bereits Strategien,
das Geschäft mit dem Strom für sich zu erschließen.
So könnte es sein, dass sich Banken und Handelsunternehmen schon bald im gleichen Marktsegment treffen –
sei es als Partner oder als Wettbewerber. Chancen auf
zusätzliches Wachstum eröffnet ihnen das Geschäftsfeld
Energiehandel so oder so.
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Kernaussagen
1. Durch Ad-hoc-Maßnahmen
sparen Einzelhändler derzeit
jährlich 2 bis 5 Prozent Energie;
mit breit angelegten, koordinierten Programmen lassen sich die
Kosten innerhalb von drei Jahren
um 15 bis 25 Prozent senken.
2. Ef¿zienzsteigerungen in bestehenden Filialen und Strategien
zum Einsatz erneuerbarer Energien legen den Grundstein für
Wettbewerbsvorteile und innovative Ladenkonzepte der Zukunft.
3. Umweltbewusste Händler pro¿tieren nicht nur von sinkenden
Kosten und einem Imagegewinn
bei den Verbrauchern, sie können
als Anbieter erneuerbarer Energien auch neue Geschäftsfelder
erschließen.
Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?
Die Autoren freuen sich auf Ihre Zuschrift.
Bitte E-Mail an: [email protected]
Autoren
1 Christoph Eltze ist Partner im Kölner Büro und Leiter des europäischen Retail-Operations-Sektors
von McKinsey. Zu seinen Beratungsansätzen zählen unter anderem Frontline-Optimierungen und die
Entwicklung neuer Handelsformate.
2 Mathieu Loury ist Berater im Genfer Büro von McKinsey. Er unterstützt Einzelhandelsunternehmen
beim Auffinden und Umsetzen von Werttreibern im Filialbetrieb.
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Kommentar
Guter Service ist nicht gut genug …
… findet Jeff James, Vice President und General Manager
des Disney Institute, in seinem Kommentar. Service soll so
sein, wie die besten Filme seines Arbeitgebers: „magic“.
Die Walt Disney Company gilt als Vorreiter und Benchmark, wenn es darum geht,
macht- und kraftvolle Kundenerlebnisse
zu schaffen. Jeder exzellente Kundenservice beginnt mit dem Engagement der
Mitarbeiter und mit Vertrauen. Erst eine
solche Kultur führt zu außergewöhnlichen
Kundenerlebnissen, erfolgreichen Geschäften und guten ökonomischen Ergebnissen. Das Disney Institute wurde
gegründet, um die Einsichten und Best
Practices, die Disney in diesem Feld entwickelt hat, an andere Unternehmen
weiterzugeben. Unser Service „magic“
basiert nicht auf Magie, sondern ist in
Wirklichkeit eine klar umrissene Geschäftsphilosophie, die wir über Jahrzehnte entwickelt und kultiviert haben.
Heute genügt es nicht mehr, die Erwartungen der
Kunden zu erfüllen – man sollte sie deutlich übertreffen.
Alles beginnt mit den Mitarbeitern. Es ist
wenig überraschend: Wer ein besseres
Kundenerlebnis schaffen will, muss zunächst intern bei den Mitarbeitern ansetzen. Ihr Engagement schafft erst die
Grundlage. Unsere Cast Members, wie wir
bei Disney die Mitarbeiter nennen, werden vom Management so behandelt, wie
wir erwarten, dass sie die Gäste behandeln. Sie haben die Handlungsfreiheit, die
Bedürfnisse von Gästen zu erfüllen, ohne
erst ihre Chefs um Erlaubnis fragen zu
müssen. Wer beispielsweise sieht, dass einem Kind das Eis aus der Hand fällt, kann
spontan ein neues Eis ausgeben. Das ist
eine simple Geste, die jedoch das Erlebnis
des Gastes nachhaltig prägt. Deshalb ermuntern wir unsere Leute, nach Möglichkeiten zu suchen, unsere Gäste angenehm
zu überraschen.
Magische Momente. Guter Kundenservice
ist mehr als nur eine erfolgreiche Transaktion: Es geht darum, die Interaktion so
zu gestalten, dass eine emotionale Verbindung entsteht. Egal, ob Gäste einen unserer Themenparks besuchen oder einen
Disney-Film anschauen – sie erwarten
mehr als bloße Unterhaltung. Sie wollen
etwas Besonderes spüren, als ob der Park
oder der Film speziell für sie gemacht
wäre. Genau das meinen wir, wenn wir von
der emotionalen Verbindung sprechen.
Disney sucht permanent nach solchen
emotionalen Verbindungen, die wir „magische Momente“ nennen und die besondere Erinnerungen schaffen, einmalig
für jeden Gast. Das Spektrum reicht vom
Mitarbeiter, der für einen optimalen Service auch ungewöhnliche Wege geht, bis
zu Investitionen in eine Infrastruktur, die
uns hilft, die Kunden noch besser kennen
zu lernen. Im Großen wie im Kleinen
geht es um das Ziel, dass sich unsere Gäste
wie VIPs fühlen, very important für uns.
Unternehmenskultur vorleben. Jede Organisation hat ihre eigene Kultur. Aufgabe
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1’13
47
der Führung ist es, diese zu de¿nieren und
dann sicherzustellen, dass sie auf allen
Ebenen des Unternehmens gelebt wird.
Bei Disney heißt dies „culture by design“,
im Gegensatz zu „culture by default“.
In unserer kundenzentrierten Kultur weiß
jedes Cast Member um die Ziele der Organisation und was sie mit dem Kundenerlebnis zu tun haben. Aus „Customer Relationship Management“ wurde „Customer
Managed Relationships“, um auszudrücken, wie stark unser Fokus auf den Gästen und ihren Bedürfnissen liegt. Das Management hält allen Cast Members in Erinnerung, dass es ihr Job ist, einmalige
Erlebnisse zu schaffen, wo immer sie können. In einer kundenzentrierten Kultur,
die von Managern und Mitarbeitern getragen wird, werden die Gäste den Unterschied spüren.
Die Mitarbeiter im Kundenkontakt erfahren unmittelbar, was die Gäste denken –
und sie geben es weiter. So half das Feedback von Cast Members dem Disney-Management, Ideen zu entwickeln für einen
besseren Umgang mit den Schlangen, die
sich vor den beliebtesten Attraktionen der
Parks bildeten. Das Ergebnis ist der „Fastpass“, mit dem heute die Gäste eine feste
Zeit für den Besuch dieser Attraktionen
vereinbaren und somit kaum noch Wartezeiten haben.
„Fastpass“ ist keine Ausnahme – auch
zahllose andere Innovationen sind ent-
standen, weil Mitarbeiter Kundenreaktionen und -wünsche an die Führung weitergeleitet hatten. Umgekehrt teilt das Management ganz bewusst jede positive
Äußerung von Gästen mit dem gesamten
Team. Solche Stories und Briefe von begeisterten Besuchern tragen viel zur Motivation der Mitarbeiter bei.
Am Ende braucht es ein klares Bekenntnis
zum „magic“ Service auf allen Hierarchieebenen, um Kunden zu überraschen und
zu erfreuen. Und es braucht Manager, die
verstehen, dass die Mitarbeiter das höchste Gut sind, und die ihnen die Freiräume
geben, einen wirklich guten Job zu machen. Dann steigen die Chancen, dass
Kunden begeistert sind und wieder und
wieder zurückkommen.
Autor Jeff James ist Vice
President und General
Manager des Disney
Institute, das Unternehmen berät, die ihre
Kundenbeziehungen
verbessern wollen.
Dieser Beitrag wurde in englischer
Sprache verfasst. Trotz größter
Sorgfalt bei der Übersetzung
können Textpassagen stellenweise
vom Original abweichen.
48
Werkstatt
CEO of the Future: Lieber gestalten als führen
Die Sieger der 8. Runde des Nachwuchswettbewerbs
Gibt es 2015 noch Buchverlage? Werden Apps bald die Dosierung von Medikamenten kontrollieren? Es waren Fragen nach
den Trends von morgen, mit denen sich die 20 Finalisten im
Contest „CEO of the Future 2013“ auseinandersetzten. Bereits
zum achten Mal fand der Förderwettbewerb für Nachwuchsführungskräfte statt, der von McKinsey mit Industrie- und Medienpartnern veranstaltet wird. Im diesjährigen Finale konnte
sich der Wirtschaftswissenschaftler Philipp Eska durchsetzen.
Der 24-Jährige absolviert derzeit sein Masterstudium an der
HEC Paris. Bei der Preisverleihung in Kitzbühel bekannte er,
dass „die Lust mitzugestalten“ ihm eher liege als zu führen.
Das gilt auch für die übrigen Finalisten: Für die Endausscheidung programmierten sie Apps, produzierten Werbe¿lme und
experimentierten mit Chemiewerkstoffen. Die vier Erstplatzierten erhalten neben CEO-Coachings durch die Partnerunternehmen ein Karrierebudget von insgesamt 15.000 Euro.
CEO of the Future: Philipp Eska gewann in diesem Jahr den
Förderwettbewerb für Nachwuchsführungskräfte.
BT Award:
Glückliche Kunden
surfen schneller
McKinsey Campus:
Mini-MBA in fünf
Tagen
Designpreis:
Grand Prix für
„Pinselstrich“
Die Art, wie Online-Nutzer ihre Maus
bewegen, lässt Rückschlüsse auf ihre Gemütslage zu: Zufriedene Kunden fahren
schneller und gezielter über den Bildschirm, verärgerte rollen die Maus weiter
und langsamer. Zu dieser Erkenntnis
kommen Markus Weinmann und Martin
Hibbeln von der Technischen Universität
Braunschweig. Die beiden Forscher sind
Preisträger des „Business Technology
Award“, den McKinsey zum dritten Mal
vergibt. Er belohnt wissenschaftliche
Untersuchungen, die sowohl innovativ
sind als auch praktischen Nutzen haben.
Die Maus-Studie, so die Jury, vermittelt
Händlern neue Einsichten in die Servicequalität und Benutzerführung ihrer
Online-Shops.
Als Biologe, Ingenieur oder Jurist in die
Beratung – das geht. Managementwissen
kompakt gibt es für Studierende und
Doktoranden nicht ökonomischer Fachrichtungen jährlich auf dem „McKinsey
Campus“. Vom 12. bis 16. März hatten
rund 30 Teilnehmer in Kitzbühel Gelegenheit, ihren „Mini-MBA“ zu absolvieren. Professoren renommierter Universitäten wie der Business School INSEAD
führten gemeinsam mit McKinsey-Experten durch die fünftägige Veranstaltung.
Die Campus-Themen reichen von Mikroökonomie über Finanzwesen und Strategie bis hin zu operativer Planung. Voraussetzung für die Teilnahme sind exzellente
Studienleistungen und Engagement.
Mehr unter www.campus.mckinsey.de.
Das Recruitingvideo „Der erste Pinselstrich“, den die Werbeagentur Heimat für
McKinsey entwickelte, ist als bester Corporate Film mit dem „red dot: grand prix“
in der Kategorie Communication Design
ausgezeichnet worden. Der Preis wird
seit 20 Jahren vom Design Zentrum
Nordrhein Westfalen verliehen; mit
15.000 Bewerbern pro Jahr zählt der
„red dot award“ zu den größten Designwettbewerben weltweit. Mit seinem Sieg
setzte sich „Pinselstrich“ gegen starke
Corporate-Film-Konkurrenten wie Audi
und Porsche durch. Der 90 Sekunden
lange Spot von McKinsey überzeugte
die Jury schließlich durch seine Originalität, Ästhetik und einen starken Wiedererkennungswert.
Haben Sie Fragen oder Anregungen? Wir freuen uns auf Ihre E-Mail: [email protected]
Akzente
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Impressum
Herausgeber
Dr. Klaus Behrenbeck
McKinsey & Company, Inc.
Consumer Industries & Retail Group
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Tel.: +49 (0)221 208-7270
Redaktion
Verena Dellago
Dr. Kirsten Zirkel
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Image source, Siemens AG, McKinsey
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© McKinsey & Company, Inc.
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49
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