Ein neuer Spiegel für die Stadt

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Ein neuer Spiegel für die Stadt
Sanierung Rathaus St.Gallen
Inhaltsverzeichnis
5 Spiegel der Stadt
6 Auf der Suche nach dem richtigen Ort
Zur Planungsgeschichte des Rathauses am Bahnhofplatz
14 Neues Haus, neue Seele
18 Zweites Sehen
Die Sanierung des Rathauses St.Gallen
aus architektonischer Sicht
32 Die neue Fassade
34 Erfolg in zwei Etappen
36 Technische Aspekte
38 Multifunktional und transparent
40 Ein Fenster zur Gegenwart
Zeitgenössische Kunst im St.Galler Rathaus
50 Plandokumentation
54 Anhang
Impressum
Herausgeber
Stadt St.Gallen, Hochbauamt
www.hochbauamt.stadt.sg.ch
Tachezy, Kleger & Partner AG, St.Gallen
Gestaltung
Andrea Gmünder
Beat Bühler, HGKZ Zürich
Fotografien
Ernst Schär, Fotograf, St.Gallen
Boltshauser Architekten, Zürich
Druck
Typotron AG, St.Gallen
Auflage
1‘000 Ex.
Publikation
Juni 2007
Spiegel der Stadt
Elisabeth Beéry, Stadträtin
Das sanierte Rathaus setzt einen städtebaulichen
­Akzent am richtigen Ort, ist mit seiner modernen
Haustechnik ökologisch durchdacht und arbeitet nachhaltig. Das neue Gebäude entspricht nicht nur vom
energetischen Standpunkt und den aktuellen Sicher-
St.Gallen hat wieder ein neues Rathaus! «Wow – ein
heitsaspekten zeitgemässen Ansprüchen, es ist auch
schlanker, moderner Turm aus Glas und Stahl. Schön,
vollständig behindertengerecht erschlossen und bietet
chic, modern», höre ich immer wieder Passanten,
komfortable Lösungen auch für die Bedürfnisse von
Freunde und Bekannte sagen, wenn sie unser neues
seh- und hörbehinderten Mitmenschen. Die offenen
Aushängeschild sehen. Tatsächlich: zu jeder Tageszeit
Strukturen ermöglichen den Mitarbeitenden Weitblick
spiegelt sich die Stadt im Glas des Rathauses anders,
und eine spezielle Atmosphäre – zufriedene Mitarbei-
es ist wie ein Film anzusehen.
terinnen und Mitarbeiter waren ein primäres Ziel.
In der Geschichte der St.Galler Rathausbauten, die
Ein offenes, einladendes und helles Entree mit Aus-
bis ins 13. und 14. Jahrhundert zurückgeht, konnte mit
kunftsdesk empfängt Stadtbewohnerinnen und -be-
diesem Gebäude nun ein echter Exploit erreicht wer-
wohner. Eine originelle Treppensituation führt in den
den. Über die Jahrhunderte hinweg entstanden und
ersten und zweiten Stock, zu den Büros von Einwohner-,
ver­schwanden verschiedene Rathäuser an diversen
Zivilstands- und Steueramt. Stadtrat und Verwaltung
Standorten. Der Vorläufer des heutigen Rathauses
haben im neuen Gebäude ideale Konferenzräume und
wurde 1973 –1976 erbaut – kein prunkhafter Reprä-
funktionale Sitzungszimmer erhalten; selbstverständ-
sentativbau, sondern ein zweckmässig gestaltetes,
lich gehört auch eine kleine Cafeteria dazu. Im gesam-
13- stöckiges Ver­­waltungsgebäude an optimaler Lage
ten Gebäude können Kunstwerke zeitgenössischer
beim Hauptbahnhof. Das alte Rathaus – das ehemalige
Ostschweizer Kunstschaffender bewundert werden.
Hauptpostgebäude – musste damals dem heutigen
Diese Kunstwerke wurden im Rahmen von Kunst
Bushof auf dem Bahnhofplatz weichen, an dessen
am Bau bewusst angekauft. Das ‹Tüpfli auf dem i›
Umgestaltung derzeit intensiv gearbeitet wird.
ist jedoch die Terrasse im 14. Stockwerk, die eine phan­
tastische Rundsicht über die Stadt erlaubt.
Wir danken allen, die zum Gelingen unseres neuen
Rathauses und der entsprechenden Broschüre beigetragen haben: Hochbauamt, Planergemeinschaft,
beteiligten Firmen, Handwerkern, insbesondere auch
unseren Mitarbeitenden und dem Personal des Hausdienstes im Rathaus, welche alle während der rund
zweijährigen Bauphase erhebliche Unannehmlichkeiten zu erdulden hatten.
Modell zu 2
1
2
Auf der Suche nach dem
richtigen Ort
angeordneten Neubau am alten Standort. Dieser wäre
über eine ‹Seufzerbrücke› mit der erwähnten Bau­lücke
verbunden gewesen. Diese Studie machte deutlich,
dass der öffentliche Verkehr sich als drittes Element
Szenen einer städtebaulichen Entwicklung
Edgar Heilig
räumlich immer stärker bemerkbar machte. Mit einer
Verschiebung des Standortes konnte mehr Platz für
die Anlegekanten der Trams und Busse geschaffen
1 Die Planungsgeschichte für das renovierte Rathaus
werden. Es ist zu vermuten, dass diese Anlage der ei­
begann mit baulichen Problemen: Das alte Rathaus
gentliche Grund für die neue Stellung des Rathauses
am Bahnhofplatz – es stand an der Stelle des heutigen
war.
Bushofs – drohte im Moor zu versinken. Das ebene
Stadtgebiet westlich der Altstadt ist bekanntlich sump-
3 Noch stärker auf den Verkehr – vor allem auf den
fig und besteht aus Torfschichten, die wenig tragfähig,
Öffentlichen – war der ‹Allgemeine Ideenwettbewerb
vom Stand des Grundwassers abhängig und anfällig
über die Gestaltung des Bahnhofgebietes› von 1955 – für Setzungen sind. Offenbar war auch die Fundierung
1956 ausgerichtet. Den Ausgangspunkt bildete der
des alten Rathauses, gebaut 1885 – 1987 als Haupt-
Grossbrand des Hotels ‹Walhalla-Terminus› im Som-
post, nicht stabil genug. Man rechnete schon lange
mer 1955. Im Herbst des gleichen Jahres beschloss
mit dem Abbruch. Die Ingenieur-Gutachten von 1963
das Parlament zudem den Ersatz der Trams durch
und 1971 zeichneten ein alarmierendes Bild: das Rat-
­Trolleybusse. Die Stadt wollte zuerst Klarheit über die
haus war nicht mehr zu retten. An eine sehr teure
räumlichen Verhältnisse im gesamten Bahnhofgebiet
­Unterfangung war auf Grund des schlechten baulichen
und kam mit einem Baustopp einem zu schnellen
Zustands nicht zu denken. Die Setzungen gingen
­Wiederaufbau des Hotels zuvor. Neben der Stadt und
­zuletzt soweit, dass die Fensterbögen des schönen Pa­
der Walhalla-Terminus AG sass die SBB als dritte Part-
lazzos mit Pfählen gestützt werden mussten.
nerin im Boot. Diese hatte schon lange beabsichtigt,
den Standort des alten Bahnhofs besser zu nutzen.
2 Der zweite Grund, warum man sich bereits in den
vierziger Jahren auf die Suche nach neuen Lösungen
Das alte Rathaus stand zu diesem Zeitpunkt offenbar
für das Rathaus machte, war die stetig wachsende
bereits zur Disposition. Der Wettbewerb jedenfalls
Verwaltung. Zuletzt war diese an elf Standorten in der
nahm keine Rücksicht auf den Bestand – das Rathaus
Innenstadt verstreut. Die ersten Studien befassten
wurde im Programm nicht einmal erwähnt. Offenbar
sich noch mit Erweiterungen des alten Rathauses,
waren damals bereits andere Standorte für einen Neu-
etwa in Verbindung mit dem Standort des heutigen
bau im Gespräch. Im Jurybericht steht denn auch der
Hotels ‹Metropol›, welches damals eine Baulücke war.
lapidare Satz: «Das Preisgericht stellt einmütig fest,
1949 folgten die Entwürfe des Stadtbaumeisters Er-
dass die Entfernung des Rathauses eine zwingende
win Schenker für einen entlang der Kornhausstrasse
Voraussetzung ist.»
1 Die Fahrleitungen für die
Trolleys sind schon ab­
gespannt, für den Abbruch
vorbereitet: die letzten Tage
des alten Rathauses beim
Bahnhof. Einst als stolzer
­historistischer Palazzo
für die Hauptpost gebaut,
später für die Stadtver­waltung auf Bescheidenheit
getrimmt musste es zuletzt
gestützt werden.
2 Für den Ideenwettbewerb
über das Bahnhofgebiet
(1956) entwarf Moritz
Hauser eine städtebauliche
Situation mit einem Hoch­
haus an der Stelle des alten
Bahnhofs, einem flachen
Verbindungsbau und einer
zurückgesetzten Bauflucht
für das ‹Walhalla›. Ein
pavillonartiger Baukörper
an der Stelle des Rathauses
vermittelt zwischen dem
‹Metropol› und der ‹Wal­halla›. Moritz Hauser erhielt den ersten Preis.
Sein Projekt bildete die
Basis für den Überbau­
ungsplan von 1957.
Das Preisgericht lobt die
sehr einfach und unspek­ta­
kulär gesetzten Baukörper
und die gute verkehrliche
Organisation der Freiräume.
Die Verkehrsanordnung war ein bedeutender Teil
des Wettbewerbs. Zu kom­plizierte Unter- oder Überfahrten fanden
keine Gnade beim Preis­
gericht. (Situationsplan
Moritz Hauser, erster Preis)
3/4Nach mehreren Versuchen,
das alte Rathaus zu
erweitern, folgte 1949 das
erste Neubauprojekt des
Stadtbaumeisters. Schon
damals stand die Verkehrsa­
nordnung und die Bahnhof­
vorfahrt im Vordergrund mit
dem Rathaus als würdigen
Rahmen – eine interessante
Kombination von Rathaus- und Bahnhofplatz. (grosses
Bild: Modell Richtung Süden
fotografiert, Bahnhof und
4
Bahnlinie im Vordergrund.)
3
1 Als Vergleichsbeispiel
das Projekt des dritt­
rangierten Architektur­
büros Bärlocher und
Unger: Die kubische
Auf­teilung und die
städte-bauliche Wirkung
ist eine völlig andere. Ein
Hochhaus, in den Baukör­
per ‹Wal­­­halla› integriert, dominiert den Bahnhof­
platz. Die Bauvolumen
waren dem Preisgericht
insgesamt zu massig
und die Etappierung
schwierig.
1
Der Wettbewerb wurde zum Meilenstein in der Bauge­
schichte der Stadt St.Gallen: Gefordert war eine zeitgemässe, zukunftsorientierte Lösung und ein breites
Spektrum an Lösungsansätzen, andererseits die Überwindung von wirtschaftlicher Depression und bewah-
2 Die Standortabklärungen
für das neue Rathaus,
1965 und 1967, wider­
spiegeln die Prioritäten
der Konjunkturjahre. Für die Entscheidung
waren letztlich doch über­geordnete und heute noch gültige
­Kriterien bestimmend: die städte­bauliche
Situation in Bezug
zur Zentrumsbildung,
die Verkehrssituation,
­hygienische Gesichts­
punkte (Besonnung,
Bepflanzung, Lärm, etc.),
die Erschliessung, die
Unterbringung des Raumprogramms, die
Chancen für eine schnelle Realisierung.
rendem Landi-Geist. Im Vordergrund stand eine Gesamtlösung für den Verkehr, für den städtebaulichen
Rahmen und für den zentralen Freiraum Bahnhofplatz.
Dem hohen Anspruch entsprach das illustre Teilnehmerfeld: Die meisten bedeutenden St.Galler Architekten waren zur Stelle. Ein grosser Teil der Eingaben
löste das angedachte Raumprogramm mit einem
Hochhaus. Obwohl nicht ausdrücklich gefordert, war
ein solcher Lösungsansatz zwischen den Zeilen bereits im Programm thematisiert. Der Bericht des Preisgerichts im Originalton: «Eine massvolle Dominante
im Ostteil des Wettbewerbgebietes ist erwünscht.
­Diese wird am besten in einem Hochbau gefunden,
welcher sich diagonal gegenüber dem Postturm erhebt.» Der Wettbewerb sollte den «divergierenden
Bauten um den Bahnhofplatz herum einen ruhigeren
und einheitlicheren Charakter verleihen». Das ­Resultat
wurde 1957 in einen rechtsgültigen Überbauungsplan
umgesetzt.
Mit diesem Wettbewerb war das alte Rathaus eigentlich schon abgebrochen. Doch es dauerte noch gute
zwanzig Jahre, bis es wirklich soweit war. Der Betrieb
konnte zuletzt nur noch mit Mühe aufrechterhalten
werden. Mit ‹Rathaus› verband man, wie es im ­ Be­richt zur Abstimmung von 1972 heisst, «ein zweckmässig gestaltetes Verwaltungsgebäude an günstiger
Lage». Als repräsentatives Gebäude des Stadtparla-
ments galt das in der Zwischenzeit renovierte Waaghaus.
Die fünf Standorte von
1965. Standort 4 wurde
bevorzugt:
1 Liegenschaft ‹Helvetia›
an der St.Leonhard-
Strasse
2 Liegenschaft Zollikofer und Landverband (heute Neumarkt 4 + 5)
3 Schochengasse (heute Raiffeisen)
4 Rosenbergstrasse (Villa Am Berg)
5 Unterer Brühl
Die erneute Abklärungs­
runde von 1967:
6 ‹Alter Bahnhof›, heute realisiert,
7 St.Leonhard-Strasse 7 (heute ‹La Suisse›-
Gebäude)
8 Hinterer Teil Rathaus
zusammen mit Bahnhofplatz 1
9 Vadianstrasse 3/5 (Geviert bis zur Fron­gartenstrasse)
10 St.Leonhard-Strasse 15
(Technische Betriebe)
mit Vadianstr. 6/8
«Von diesen Standorten
blieb unter Berücksich­
tung der finanziellen Be­-
lastung der Stadt einzig
derjenige des Alten
Bahnhofs realiserbar»
(Botschaft 4. Juni 1972)
4 «Wohin mit dem neuen Rathaus?» titelte das Tag-
bracht, überzeugten aber ebenso wenig… bis Gemein­
blatt im April 1968. Nach mehr als zehn Jahren war
derat Lumpert eine Motion einreichte und auf den
­diese Frage noch immer nicht geklärt. Warum? Am
Standort des SBB-Hochhauses hinwies. Die SBB ­hatte
­Eifer und der Ernsthaftigkeit der Suche nach einem ge­
ihr Bauvorhaben in der Zwischenzeit weiterentwickelt
eigneten Ort für das neue Rathaus fehlte es gewiss
und 1963 mit einem eingeladenen Wettbewerb ein
nicht. Alarmierend war der bereits erwähnte Bericht
neues Projekt aufgelegt. Durch die Konjunkturdämp-
des Ingenieurs Zähner von 1963 mit der Prognose:
fungsmassnahmen des Bundes geriet es auf die lange
Das Rathaus hält höchstens noch fünf Jahre. Dieser
Bank. Und so lag die Stadt mit ihrem Interesse am
Bescheid löste politische Hektik aus: Eine ­Kommission
Standort ‹Alter Bahnhof› für den Neubau des Rat-
erarbeitet das Raumprogramm. Der Architekt Oskar
hauses gerade richtig. Es wurden nochmals andere
Müller untersuchte im Auftrag des Hochbauamtes fünf
Ver­gleichsstandorte überprüft – mit negativem Ergeb-
mögliche Standorte, erstattete 1965 dem ­Gemeinderat
nis. Ein Vorprojekt befasste sich mit der Tauglichkeit
Bericht und empfahl die Liegenschaft der Villa ‹Am
des SBB-Geschäftshauses als Verwaltungsgebäude.
Berg› an der Rosenbergstrasse gegenüber dem Bahn-
Danach wurde eine entsprechende Projektierung ein-
hofplatz. Nun war die Bühne frei für die Politiker.
geleitet. Die Vorteile des Standortes waren seine zen-
Der Gemeinderat konnte sich für den Standort nicht
trale Lage, die unmittelbare Nähe der öffentlichen
richtig erwärmen, dieser lag zu sehr hinter den Gelei-
­Verkehrsmittel und die besseren Voraussetzungen für
sen, zu wenig am Puls der Innenstadt. Verschiedene
die Sanierung des Bahnhofplatzes als Drehsscheibe
par­lamentarische Vorstösse verlangten weitere Abklä-
des öffentlichen Verkehrs.
rungen. Neue Standorte wurden zur Diskussion ge2
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5 Die Stadt St.Gallen baute also ihr Rathaus im Bau-
Was weiter folgte, entsprach dem damaligen Standard
recht der SBB – vom Gemeinderat beschlossen am
von Hochhausbauten. Die Konstruktion sah eine Ske-
10. Dezember 1968. Anstelle eines Baurechtszinses
lettbauweise mit vorgehängten und vorfabrizierten
wurde eine Ladennutzung im Erdgeschoss zu Guns-
Metallfassaden vor, ebenso die volle Klimatisierung
ten der SBB vereinbart. Das heisst: Die Schalterhalle
der Büros. Im Grundriss waren frei unterteilbare Büro-
sollte im ersten Obergeschoss und weitere Publikums­
flächen um einen Erschliessungskern mit Lift und
nutzungen in einem zweiten Sockelobergeschoss lie-
Nottreppe angeordnet. Eine grosszügige, über eine
gen. Dies war die markanteste Änderung des SBB-
breite und offene Treppe erreichbare Schalterhalle soll­
Projektes. Aus einem schlanken, bewusst niedrig
te das Herzstück bilden.
gehaltenen Verbindungsbau zum Bahnhof wurde ein
dreigeschossiger Sockelbau, aus dem das Hochhaus
Bis zum Baubeginn wurde das Outfit noch mehrmals
aufsteigt. Auch der ursprünglich kompakte Grundriss
geändert. Auch nach der Abstimmung vom 4. Juni 1972
des Hochhauses mit zwei ineinander geschobenen
gab es noch Anpassungen am Grundriss. Der bronze-
Quadraten erfuhr Ausweitungen und Verschleifungen.
ne Ausdruck (‹Goldfinger›) wurde erst 1974 mit der Ver­-
Man entschied sich für eine 13-geschossige Variante,
gabe der Fassadenkonstruktion entschieden. Das
die die Möglichkeit bot, fünf Geschosse zu vermieten.
Hoch­haus erhielt damit eine geschlossene Haut, wäh-
Der bisher auf 8 Geschosse festgelegte Überbauungs-
rend frühere Lösungen mehr Transparenz und eine
plan wurde entsprechend angepasst.
stärker ausgeprägte horizontale Schichtung gezeigt
und gesamthaft skulpturaler gewirkt hatten.
Das Hochhaus, auch dies eine weitere bedeutende
Änderung des Konzeptes von 1956, wurde neu auf die
Anmerkung: Quellen, historische Materialien und Fotos
Poststrasse ausgerichtet und gegenüber der von der
aus der Baudokumentation der DBP.
Bahnlinie diktierten Orientierung des grossen Bahnhofs abgedreht. Diese Geometrie bestimmte dann
auch die Gestaltung des Bahnhofplatzes durch breite,
gepflasterte Bänder und führte zu Überschneidungen
im Sinne einer ‹Collage City›.
1 So präsentierte sich das
Rathaus-Projekt der Bür­
gerschaft im ‹Bericht und
Antrag des Stadtrates über
den Bau eines neuen Rat­
hauses am Bahnhofplatz›
Für die Abstimmung vom 4. Juni 1972.
2 Auf dieser Modellaufnahme
von 1963 wirkt das Hoch­
haus plastisch, skulptural.
(Wettbewerb SBB, Projekt
Prof. Walter Werner Custer,
Zürich).
3 Eine Modellaufnahme des
überarbeiteten Projektes,
Baueingabe SBB,1964.
4 Fassadenvariante in einer
plastisch wirkenden Kons­
truktionsweise während der Projektierungsphase
von 1972.
5 Das Rathaus wie wir es
kannten.
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3
Neues Haus, neue Seele
Gebäudehülle und die Haustechnikinstallationen auf.
Daraus resultierte ein Fassadenkonzept mit niedrigen
Investitionskosten und einer ökologisch vertretbaren
Erwin Boppart, Projektleiter
Kon­struktion. Der Charakter der beiden Nutzungsbereiche Flachbau und Hochbau sowie der architekto-
Das Rathaus wurde aufgrund eines Gestaltungsplanes,
nische und ästhetische Stellenwert des Rathauses
welcher auf der Grundlage eines Wettbewerbes ba­
wurde ebenfalls näher untersucht.
sierte, von der Architektengemeinschaft Prof. W. Cu­
ster, F. Hochstrasser und H. Bleiker erstellt und im Jah-
Mitte 2000 stimmte der Grosse Gemeinderat der
re 1976 bezogen. Mit dem Flach- und Hochbau neben
Stadt St.Gallen (heute Stadtparlament) der Ausarbei-
dem Bahnhof hat das Gebäude eine besondere städte-
tung eines Sanierungsprojektes mit Baukostenberech-
bauliche Bedeutung.
nung zu. In der ersten Phase wurde ein öffentlicher
Studienauftrag durchgeführt. Dieses selektive Verfah-
Bereits im Jahre 1984 wurden an der Fassade die er­
ren befasste sich mit der Fassadensanierung, einer
sten Glasverfärbungen erkennbar. Die unschönen Ver-
Aufstockung um drei Geschosse sowie der Gestaltung
änderungen wurden durch die undichten Randverbin-
des Ladenbereiches im Erdgeschoss. Sämtliche neun
dungen der Glaselemente verursacht. Die eindringende
eingereichten Vorschläge zeugten von einer breit ge­
Luft löste die Sonnenschutzschicht auf. Die defekten
fächerten und tief gehenden Auseinandersetzung mit
Glaselemente wurden jeweils ersetzt. Eine im Jahre
der gestellten Aufgabe. Das Spektrum der vorgeschla-
1991 erstellte Grobdiagnose schlug diverse Varianten
genen Lösungen reichte dabei von einer respektvollen
zur Mängelbehebung vor. Parlamentarische Vorstösse
Haltung gegenüber dem Bestehenden bis zur ku-
betreffend den Zustand und eine energetische Sanie-
bischen Auflösung des Hochbaues. Zur Weiterbearbei-
rung des Gebäudes erfolgten in den Jahren 1992 und
tung wurde das Projekt ‹Goldfinger› von Boltshauser
1993. Mit der 1993 abgeschlossenen Instandstellung
Architekten aus Zürich empfohlen.
der Parkgarage wurden erste Massnahmen zur Wert­
Das Projekt schlug eine Lösung mit einem Verbund-
erhaltung des Rathauses getroffen.
fenster und dazwischen liegendem Sonnenschutz vor.
Im Jahr 1994 stimmte der Stadtrat der Ausarbeitung
Es entsprach den Zielsetzungen der Gestaltung, der
einer detaillierten Problemanalyse zu, welche als Ent-
Energietechnik und der Ökologie und erfüllte die nut-
scheidungsgrundlage für eine mögliche Sanierung die-
zerspezifischen Anforderungen und die ökonomischen
nen sollte. Absichten, Bedürfnisse und Realisierungs-
Kriterien am besten. Eine Aufstockung um drei Ge-
möglichkeiten sollten unter Berücksichtigung von
schosse wäre machbar und aus städtebaulicher wie
Dringlichkeit, Etappierung und Finanzbedarf aufge-
auch aus architektonischer Sicht erwünscht gewesen.
zeigt werden. Mit Vorstudien in den Jahren 1995 bis
Da diese Nutzungserweiterung aber nur mit einem
1996 konnte die Machbarkeit nachgewiesen werden.
­privaten Investor hätte realisiert werden können, wur-
Das Energiekonzept zeigte diverse Varianten für die
de auf sie verzichtet.
1 Ehemaliges Rathaus von der Poststrasse
2 Rohbau Oktober 1974
3 Rathausansicht
von Westen
4 Fahrzeugbrand Januar 2004
5 Alte und neue Fassade
4
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Während der Vorprojektphase zeigte sich, dass zu-
Ein Fahrzeugbrand am 24. Januar 2004 im 2. Unterge-
sätzliche finanzielle Mittel für die Haustechnik und für
schoss der Parkgarage verursachte grosse Schäden an
die Umbaumassnahmen notwendig waren, sofern die
Decken, Wänden und Boden. Sämtliche elektrischen
Zielsetzungen und Empfehlungen eingehalten werden
Installationen und die Lüftungsanlage wurden zerstört.
sollten. Geänderte Vorschriften im Bereich des Brand-
Alle Geschosse des Hochbaues wurden in Mitleiden-
schutzes sowie Änderungen beim Energiegesetz
schaft gezogen. Aus sicherheitstechnischen und finan-
führten ebenfalls zu höheren Kosten. Die zwischen-
ziellen Gründen war die Nutzung des Hochbaues nicht
zeitlich notwendig gewordene Erneuerung der univer-
mehr zu verantworten. Der Bezug eines zentral gele-
sellen Gebäudeverkabelung bedingte eine Anpassung
genen Provisoriums wurde unausweichlich. Mit dem
der Haustechnikanlagen im Bereich der Brüstungen;
Brandfall hatte sich die Situation markant geändert
die dringende Sanierung sämtlicher Aufzugsanlagen
­unter anderem, da selbst die Wiederherstellung des
war ebenfalls zu berücksichtigen.
ehemaligen Zustandes nicht mehr bewilligungsfähig
gewesen wäre. Der Stadtrat empfahl deshalb, die ge­-
Im Jahre 2002 wurden dem Stadtrat vier Projektvari-
samte Erneuerung der Fassaden, der Haus­technik­an-
anten vorgelegt. Sie reichten von einer minimalen Sa-
lagen und des Innenausbaus sowie die Umsetzung
nierung über eine Sanierung mit flexibler Büronutzung
der Brandschutzvorschriften und betrieblicher Verbes-
bis hin zur Verschiebung der Sanierung um 10 Jahre
serungen in einer Etappe zu realisieren. An der städ-
und einer Neubauvariante. Im Sommer 2003 wurde
tischen Volksabstimmung vom 28. November 2004
beschlossen, gemäss dem Konzept ‹von Aussen nach
wurde dem Kredit zur Sanierung des Rathauses mit
Innen› eine Vorlage für die erste Sanierungsetappe
grossem Mehr zugestimmt.
auszuarbeiten.
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1
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Zweites Sehen
Die Sanierung des Rathauses St.Gallen
aus architektonischer Sicht
Aita Flury
eine innenräumliche Neuorganisation ermöglichen und
zudem Strategien aufzeigen, wie der Baukörper besser in den historischen Kontext eingebunden werden
könnte. Das heute umgesetzte Projekt von Roger
Boltshauser Architekten aus Zürich besticht durch eine
Haltung, die trotz etlichen Veränderungen von einer
vordergründigen Unscheinbarkeit der Eingriffe geprägt
Gestern und heute:
ist. Nebst einer klugen Verfeinerung der Fassade sind
Sperrige Unverkennbarkeit und neue Eleganz
auf elegante Weise und mit wenigen Eingriffen volumetrische Justierungen vorgenommen worden, die
Seit 1976 fungierte das von den Architekten Custer
städtebaulich und innenräumlich eine erhebliche Wir-
Hochstrasser Bleiker als Turmhochhaus mit ausla-
kung entfalten. Das neue Rathaus ist eine Hommage
dendem Sockelbau erbaute Rathaus als Visitenkarte
an den Bestand, die als interpretierte Reverenz an die
der Stadt St.Gallen. In seiner ikonografischen Sperrig-
Entstehungszeit die vorher schlummernden Qualitäten
keit zwar unverkennbar, war der gestalterische Wert
der Anlage zur Geltung bringt. Ziel ist eine subtil kalku-
des Gebäudes umstritten: nicht zuletzt, weil die Le-
lierte Ausdrucksabsicht und die damit einhergehende
bensdauer vieler Bauteile innerhalb kurzer Zeit abge-
Veränderung der Wahrnehmung; die dafür angewen-
laufen war. Die zufällige ‹Erblindung› der Fassade liess
deten Massnahmen und Methoden werden erst im
schliesslich die neue architektonische Bearbeitung des
zweiten Sehen begreifbar. Das ‹landmark› hat dabei
Rathauses zwingend werden und die Stadt als Auf-
ein adäquates Mass an Vertrautheit bewahrt: In gegen-
traggeberin formulierte für die Sanierung des Merkzei-
standsgerechter Weise wurde das Rathaus zur ur­
chens einen Wettbewerb mit einem ehrgeizigen Anfor-
banen und eleganten Adresse transformiert, an wel-
derungsprofil: Nebst der üblichen Brandschutz- und
cher die Geschichte des Hauses dezent und doch
Energiehaushaltproblematik sollte der neue Vorschlag
bestimmt weiter geschrieben worden ist.
2
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1 Isometrie: Rathaus –
Hauptbahnhof – Hauptpost
2 Situation mit Grundriss
Erdgeschoss
Neue architektonische Festlegungen:
kalen und nach mehr Plastizität mittels vorstehender
Transparenz und Festigkeit durch Verfeinerung
T-Profile räumlich verstärkt. Diese T-Schwerter stehen
und Justierung
dabei am Rand etwas weiter vor – eine subtile, aber
wirksame Massnahme für eine formale Kräftigung der
Die Architekten begreifen Konstruktion als eine Um-
Eckpartie. Das gestalterische Gesamtpotential dieser
setzung von Wahrnehmungsthemen und entwickelten
Passtücke aus Stahl zeigt sich vor allem auch unter
daraus die neue Grammatik für die Rathausfassade.
den nicht zu vernachlässigenden Bedingungen, die
Als überzeugendes Resultat zeigt sich uns heute ein
das vermeintlich eigenschaftslose Material Glas heute
gleichzeitig transparenter und fester Bau aus Glas und
mit sich bringt. Heute ist jede erdenkliche Funktion
Stahl.
­einer Glasfassade mittels Schichtenfolge herstellbar,
das Paradoxe daran aber ist, dass damit einhergehend
Zur Unterstützung der Idee, den Turm optisch in die
das Urbild des Baustoffes Glas, nämlich seine Durch-
Höhe zu treiben, wurden für die Fassade in Mies’scher
sichtigkeit und Farblosigkeit, eingeschränkt wird: Der
Tradition Gestaltungsmittel angewendet, die als not-
Transparenzgrad und der Farbton von Glas steht in
wendige, künstlerische Bearbeitung des Seriellen und
­direkter Relation zur Energiebilanz; eine Bedingung,
Rationalen verstanden werden können. Diese hatte
die heute die Glasauswahl zu einer rechnerisch stark
den Gebäuden Mies van der Rohes im Chicago der
eingeschränkten Grösse macht und nur allzu oft zu
50-er Jahre die unverkennbare dunkle Transparenz und
einem totalen Transparenzverlust führt. Um diesem
Eleganz eingeschrieben, wodurch sich dessen Bauten
unerwünschten Ausdruck entgegenzuwirken, sind es
für immer von den darauf massenweise folgenden
wiederum die T-Schwerter, welche die Mehrschichtig-
Epigonen unterschieden. Wie Mies etwa bei seinen
keit der Fassade aktivieren, indem sie deren optische
ersten Hochhäusern zu dem in der Fassadenebene lie-
Tiefe betonen. Die Profile durchdringen die äussere
genden statischen Primärraster in einer zusätzlichen,
Verglasung aus dem Inneren und verleihen dadurch
vertikalen Subteilung die berühmten Doppel-T-Träger
dem Baukörper etwas Schwebendes. Diese Massnah-
einführte und damit auf die Abstraktion technischer
me verschiebt die Wirkung der Haut weg von der
Tatsachen verwies, so wurde die neue Fassade des
­nackten, verspiegelten Gläsernheit und produziert den
Rathauses auf der Suche nach der Betonung der Verti-
Effekt einer mehrdeutigen Transparenz.
1 Wettbewerbsmodell ‹Goldfinger›
2 Schalteranlage Einwohneramt
im 1. Obergeschoss
3 Sitzungszimmer im 2. Obergeschoss
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Je nach Blickwinkel und Lichteinfall verändern sich
durch diese Schrägverzahnung wird der Flachbau nun
­dabei Einblicks- und Reflexionsgrad als auch das Farb-
als eine – zusammenhängende – städtische Fassade
spektrum der Fassade wesentlich; ein kaleidosko-
erfahrbar. Diese Massnahme führt zu einer grund­
pischer Reiz, der vom temporalen Moment abhängt
sätzlichen Beruhigung der Gebäudevolumetrie und zu
und sich besonders stark in der Übergangszeit der
einer feinmaschigeren Verräumlichung von Haus und
Abenddämmerung, wenn der optisch im Stadtgewebe
Platz. Eine dritte und letzte Justierung des Volumens
versinkende Turm langsam zu einem von Innen heraus
sucht schliesslich nach einer Präzisierung der Kopfsitu-
leuchtenden Körper oszilliert, entfaltet. Auch in Mo-
ation zum lateralen Bahnhofsgebäude hin: ein einge-
menten der besonders starken Lichtbrechung, in wel-
schossiger Technikaufbau führt eine hierarchische
chen das Glas total reflexiv wird, bleibt der harte Glas-
Klärung zum Zwischenstück der bestehenden Glas­­
körper durch die Nadelstreifen der Schwerter als Haus
überdachung ein und schafft gleichzeitig als Gegenmo-
greif- und begreifbar. Die enge Setzung der Schwerter
ment der sich zum ‹Pärkli› hin aufbäumenden Geste
bewirkt zudem perspektivenabhängig palisadenartige
des Sockelbaus eine Ausbalancierung des Flachbaus.
Verdichtungen, die das atektonische Glas zum Komplementärbaustoff werden lassen und sich in einem
prekären Shift der dünnen, transparenten Haut hin zur
tektonischen Wand äussert.
Dieser Ausreizung der Fassadenverfeinerung unter
Anwendung eines singulären Elementes folgen in logischer Konsequenz wenige volumetrische Justie­
rungen des Gesamtbaukörpers. Nebst der erwähnten
Steigerung des Höhentriebs für den Turm durch die
Überhöhung des Konferenzgeschosses, ist es vor
allem die Entschärfung der schroffen, sägezahnartigen
Abwicklung der Flachbaufassade zum Bahnhofsplatz
hin, die für das neue Verhältnis vom Gebäude zur Umgebung räumlich wirksam wird. Die inversen Gebäudeecken werden im Bereich der stadt- und platzgerichteten Südfassade parallel zur Gleisgeometrie aufgefüllt;
21
Veränderte Repräsentanz und neue
Brauchbarkeit
Heute erreicht der Besucher die oberen Sockelge-
Die neuen Publikumsbereiche
über die neue, von Geschoss zu Geschoss spannende,
schosse über einen zusätzlichen Publikumslift oder
ausschwingende Treppe. Die Setzung der Treppe er-
Die baukünstlerischen Interventionen der äusseren,
folgte an alter Stelle, ihre freihändige Weichheit und
volumetrischen Justierungen des Baukörpers verbin-
die Anstrengungen konstruktiver Art verweisen auf
den sich mit räumlichen Klärungsgesten im Innern, die
ihre Bedeutung als zentrales Scharniergelenk für die
mit der dringlichen Steigerung der Brauchbarkeit und
vertikale Entwicklung der Publikumsbereiche. Wie die
neuen repräsentativen Vorstellungen direkt gekoppelt
Aussentreppen-Anlagen der Renaissance Paläste be-
sind. Das leicht veränderte Rathaus-Volumen generiert
tont sie die Wichtigkeit des darüber liegenden Haupt-
insbesondere für die Publikumsbereiche massgeben­
geschosses, des piano nobile im ersten Obergeschoss.
de räumliche Potentiale für die Reorganisation. So
Dieses zeichnet sich durch den grosszügigen, öffent-
führt einerseits die lapidare Massnahme der Schräg-
lichen ‹Open Space› der Raumfigur aus, welche hier
verzahnung zu einem valablen Flächengewinn im
partiell an die Fassaden tritt und damit innenräumlich
­Flach­bau und eröffnet damit neue Optionen für die
die Stadt- mit der Bahnhofsseite zu verspannen ver-
Raumfolgen im ersten und zweiten Obergeschoss.
mag. Hantelförmig umlagert der Publikumsbereich die
Die eingeschossige Aufstockung des Turmschafts an-
Kerne mit den Ämtern und Diskretschaltern und ord-
dererseits erlaubt den Ausbau eines krönenden, über-
net Wege, Aufenthaltsbereiche und die Wahrnehmung
höhten Konferenzgeschosses mit Aussicht über die
der Besucher neu. Insbesondere die Hauptschalter­
Dächer der Stadt.
halle, die als Bestandteil dieser Abwicklung an der
­süd­westlichen Ecke des Gebäudes implementiert
Grundsätzlich wurde für den Flachbau die Präzisierung
wurde, profitiert von ihrer vorzüglichen Lage und Aus-
der Raumlogik zwischen öffentlichen und privaten Be-
richtung direkt auf den Bahnhofplatz: in der Umkeh-
reichen verfolgt. Durch die geschickte Verknüpfung
rung von früher liegt die Bedienungstheke von der
von Wartebereichen und Erschliessungszonen können
Fassade abgerückt im Gebäudeinneren, währenddes-
die Publikumsbereiche in der neu angelegten Geome­
sen der Publikumsbereich an die Fassade gelegt wur-
trie des Sockelbaus als klar definierte und grosszügige
de und somit in direkter Interaktion zum Stadtraum
Raumfigur interpretiert werden, welche sich nun vom
steht.
Erdgeschoss bis zum zweiten Obergeschoss erstreckt.
Ihr Ausgangspunkt bildet der neue Eingangsbereich
im Erdgeschoss, welcher durch die teilweise Schliessung der düsteren Aussenräume zwischen Gleisbereich und Platzraum sowie durch die Beruhigung der
Abwicklung zur adäquaten Empfangssituation uminterpretiert wurde.
1 Schalter des Einwohneramtes im 1. Obergeschoss
2 Neue Treppenanlage
1
22
2
23
1
2
24
ser dynamischen Raumsequenzen übereck und das
Die neuen Büros
damit erweiterte Raumerlebnis für jeden Arbeitsplatz
Von der modernen Verwaltungsarbeit wird heute of-
werden zum Ausgangspunkt für die Raumeinteilung:
fene Kommunikation im Team erwartet, Transparenz
Der Spielraum pro Etage reicht dabei vom zweiteiligen
und Flexibilität sind Gradmesser des Gelungenseins
Grossraumbüro durch totale Ausräumung bis hin zu
einer heutigen Arbeitswelt. Ganz in diesem Sinne ver-
mehrfach unterteilten Geschossen, welche durch ein-
langte das geforderte Bürokonzept für das neue Rat-
gebaute Kammern, die als abteilungsinterne Bespre-
haus nach offenen und flexiblen Teambürostrukturen.
chungsräume oder Spezialbüros genutzt werden, ge-
Die Kleinteiligkeit der ursprünglichen Zellenbüros ent-
gliedert sind. Diese sind direkt an der Befensterung
sprach nicht mehr der Vorstellung von heutigen Ar-
ausgerichtet, werden räumlich nach Möglichkeit von
beitsabläufen; die vorgefundenen räumlichen Bedin-
den Eckpositionen des Gebäudes aber abgesetzt, um
gungen vermittelten weder das Bild der transparenten
die Dynamik der Gebäudeabwicklung nicht zu unter-
Kommunikation noch waren sie bezüglich Wirtschaft-
binden. Die flexible Systembauweise dieser installati­
lichkeit und Flexibilität optimal. Die Entwurfsstrategie
onsfreien ­Boxen erlaubt ein praktisches, freies (an drei
sucht vor dem Hintergrund der harten Parameter der
Raster gebundenes) Versetzen der Einheiten und da-
Turmgrundrisse nach Variabilität unter gleichzeitiger
mit unaufwändige, teamspezifische Anpassungen der
Erzeugung von räumlich spannungsvollen Situationen.
Raum­auf­teilung. Die ökonomische Überprüfung dieser
Die vorgefundene Einschnürung des Turms und deren
offenen Teambüroflächen zeigt eine klare Erhöhung
heftige Nähe zum zentralen Kern führen zu schleusen-
der Brauchbarkeit, indem die betrieblichen Abläufe
artigen Verengungen, welche die Gesamtfläche von
­ver­bessert werden, sowie eine Redimensionierung
400 m2 pro Geschoss auf natürliche Art in eine zwei­
des Flächenverbrauchs pro Arbeitsplatz um rund 20%.
flüglige Ordnung bringen. Die Veranschaulichung die-
1 Die neuen Büros im Hochbau
2 Cafeteria
3 Explosionsaxonometrie der Hochbaugeschosse mit flexiblen Trennwänden
3
25
!"#$%&'()*$+#+,&$ÿ-#+.#(/ÿ01ÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿÿ23&$&)*+4,*ÿ5"*3,6,",+7+ÿÿ-*8*"8*/9.&//
Den krönenden Abschluss aber bildet der Ausbau
des 12. Geschosses zum Konferenzgeschoss mit abteilungsübergreifenden Sitzungs- und Konferenzmöglichkeiten. Die beiden zweigeschossigen Sitzungsräume werden zu den ausgezeichneten Orten des neuen
Rathauses, die nebst dem atemberaubenden Blick auf
die Stadt eine geschickte Flexibilität anbieten: Im
­offenen Zustand verklammert sich der gepresste Erschliessungskern mit den hohen Räumen zu einem
über das ganze Geschoss ausgreifenden Raumorganismus. Im Kernbereich integrierte Faltwandsysteme
ermöglichen die Abtrennung der Sitzungszimmer zu
eigenständigen Hallensälen, die der Dramaturgie des
Vertikal-Strebens als Funktion von Unendlichkeit folgen. Dieser Dynamik wirken der schwere, oben aufgelagerte und sich verzahnende Technikkern sowie die
dichte Schwertersetzung in der Fassade als optische
Stabilisatoren entgegen; die Glaubwürdigkeit des Aufruhens des Turms auf dem Boden wird für die Raumwirkung in solcher Höhe zum entscheidenden Faktor
für das Vertrauen in die Festigkeit eines Gebäudes.
1 Explosionsaxonometrie
2 Blick aus dem Freudenberg­
saal im 12. Obergeschoss
1
26
2
27
Schlussbemerkung
Was die architektonische Umformung des neuen Rathauses speziell macht, sind weniger Erfindungen in
Form von spezifisch entwickelten Lösungen elaborierter Details oder Elemente. Die Leistung ist vielmehr die Art der Zusammenführung der einzelnen
­Teilsysteme zu einem komplexen Ganzen, das am
Schluss wiederum einfach und selbstverständlich erscheint. Dieses zelebriert weder Technik noch Baukünstlertum auf offensichtliche Art. Die Anstrengungen
liegen vielmehr darin, Raum und Umraum derart miteinander in Relation zu setzen, dass diese über die
menschliche Wahrnehmung unmittelbar zu einem Sy­s­
tem werden. Die Absichten sind dementsprechend
auf sinnliche Wahrnehmung angelegt, man begreift
Massnahmen und Methoden dafür erst im zweiten
Sehen. Die ­ Architekten formulieren dabei mit den
Möglichkeiten der Technik, der Struktur, der Raumordnung und des ­Materials.
Das Bemerkenswerte am architektonischen Resultat
ist zudem, dass das Gebäude trotz teilweise grosser
Eingriffstiefe ein adäquates Mass an Vertrautheit bewahrt hat: Die gegenstandsgerechten Transformationen haben das Rathaus zur urbanen und eleganten
Adresse, zum neu-alten Landmark, in dem die Geschichte des Hauses dezent und doch bestimmt weiter geschrieben wurde, werden lassen.
28
29
1
30
2
3
Die neue Fassade
ten besteht die innere Fassade aus einer ununterbrochenen Abwicklung von Drehflügeln, die zu Lüft­ungsoder Putzzwecken geöffnet werden können. Brüs­-
Ein ästhetischer Kanon oder baukünstlerischer Zugang
­tungen und Deckenstirnen wurden sodann von aussen
wie sie die heutige Rathausfassade zeigt, kann nicht
mit Mineralwolleplatten isoliert und mit einer hinterlüf-
ohne profunde bautechnische Kenntnisse entwickelt
teten Alu-Blechverkleidung neu eingedeckt. Während-
werden. Nebst den harten energetischen Anforde-
dem für die inneren Schichten in den engen Vorgaben
rungen des Endzustandes sind es gerade auch die
des Bestandes Normprodukte eingesetzt wurden,
Ökonomie der Produktionsmethoden sowie konstruk-
zeigt sich die zweite Glasschicht als massgeschnei-
tive Parameter im zu etappierenden Bauprozess, die
derte Konstruktion im nach aussen erweiterten Spiel-
für die Gestaltungsmöglichkeiten relevant werden.
raum der Fassade: Markante, raumgreifende Leichtmetallprofile sind über die ganze Gebäudehöhe jeweils
Das ursprüngliche Konzept basierte auf der Beibehal-
im Deckenbereich verankert. Aus technischer Sicht
tung des bestehenden, engmaschigen Grids der Pfos-
übernehmen die Stahl-Lisenen teilweise aussteifende
ten-Riegelkonstruktion, die als Grundträger die neu
Funktionen; sie sind primär aber eine Art Passstück,
zweischalige Kompaktfassade aufnehmen sollte. In
welches die vertikalen Halterungen der äusseren Ver-
der Umsetzung erwies sich aber, wie so oft, wenn es
bundgläser leistet. In ihrer Ausbildung be­tonen sie zu-
um Anpassungsarbeiten geht, schlussendlich der
dem die äussere Schicht als kastenartigen Zwischen-
­Total-Ersatz als kostengünstiger. Das engmaschige
raum, der mittels seitlichen, in die Lisenen integrierten
­Ra­ster von 90 cm wurde aus Proportions- und Eintei-
Entlüftungsschlitzen vor Überhitzung geschützt wird
lungsgründen übernommen; im Werk produzierte
und die Sonnenschutzanlage aus Flachlamellenstoren
Norm-Fensterelemente wurden an den Deckenstirnen
integriert. Für die äussere Erscheinung entscheidend
und gemauerten Brüstungen über Konsolen einzeln
ist zudem die Tatsache, dass die einzelnen Lisenen­
angeschlagen und dampfdicht verklebt. Isolierte Pa­
stücke ein Fugenbild zeichnen, das zu den Glasstös-
neel­konstruktionen decken die Eckfelder ab, an­sons­
sen versetzt angeordnet ist.
6
5
7
4
8
3
2
Axonometrie der neuen Fassade
1
1 Stahlstütze mit Brand schutzverkleidung EI90 nbb
2 Brüstungsverkleidung
Metall vor Heizkörper und KS-Brüstung
1 Fassadenansicht
3 Konvektor-Gitter
2 Horizontalschnitt
4 Alu-Rahmenfenster
mit IV Verglasung
3 Vertikalschnitt
5 Rafflamellen
6 VSG-Vorverglasung
10
9
11
7
Lisenen-Profile mit seitlichem Luftauslass; an Geschosskonsolen
aufliegend und an
Rahmenfenster zurückgebunden.
8 Geklebte Ecke mit örtlicher Rückhalterung
9 Teppich
10 Hohlraumboden
11 Bestehende Betondecke
mit Zementüberzug
31
Erfolg in zwei Etappen
HRS Hauser Rutishauser Suter AG
‹Hochbau› als erste Etappe
Die Rohbauarbeiten an diesen beiden Geschossen
wurden durch die permanent zu betreibenden Liftanlagen für die nach wie vor in Betrieb stehenden Geschosse im Flachbau erschwert. Nach Fertigstellung
Die kurze Vorbereitungszeit zwischen der Volksabstim-
wurden die beiden Liftanlagen nacheinander erneuert.
mung im November 2004 und dem Baubeginn im April
Riesige Mengen an Material wurden an- und abtrans-
2005 musste optimal genutzt werden. Für die Baustel-
portiert. Aufgrund der sehr beschränkt zur Verfügung
le zwischen den Bahngeleisen und dem Bahnhofplatz
stehenden Lagerplätze musste das Material ‹just in
mit regem Bus-, Bahn- und Personenverkehr waren
time› angeliefert und verarbeitet werden. Als eigent-
umfangreiche Provisorien notwendig. Die Realisierung
licher Engpass erwies sich jedoch der Materialtrans-
des Projektes in zwei Etappen drängte sich hauptsäch-
port innerhalb der Baustelle. Zur Verfügung standen je
lich aus betrieblichen Gründen auf. Mit Ausnahme der
ein Turmdrehkran und ein Fassadenlift.
statischen Tragstruktur wurden alle Bauteile ersetzt.
Dies betrifft nicht nur die gesamte Fassade und den
‹Flachbau› als zweite Etappe
Innenausbau, sondern auch die Haustechnik.
Bei der zweiten Etappe war nicht mehr die vertikale
Distanz massgebend, sondern die Länge des Flach-
Bei beiden Etappen wurde das bestehende Gebäude-
baus mit rund 120 Metern. Die Erneuerung des Laden-
volumen vergrössert. In der Etappe ‹Hochbau› wurde
bereiches im Erdgeschoss in Zusammenarbeit mit der
die bestehende Terrasse mit dem Sitzungszimmer im
SBB stellte an das Planungs- und Bauprogramm zu-
12. Obergeschoss durch ein überhohes Konferenzge-
sätzliche Anforderungen. Nach nur zwei Monaten Bau-
schoss mit eigener Technikzentrale ersetzt. In der
zeit (Juli und August 2006) standen die Räume für den
­Etap­pe ‹Flachbau› wurden die abgesetzten Fassaden­
mieterspezifischen Ausbau bereits wieder zur Verfü-
bereiche der Südfassade und teilweise auch der Nord­
gung. Die Bedachungsarbeiten konnten noch vor dem
fassade durch entsprechende Anbauten begradigt.
Winter abgeschlossen werden, sodass mit dem Fassadenbau begonnen werden konnte. Der gesamte Innenausbau stand in direkter Abhängigkeit zum Fassadenbau. Mit der Erneuerung der Vorplatzflächen
konnte die Gesamtsanierung im Juni 2007 abgeschlossen werden.
1 Muster der neuen Fassade
2 Abbrucharbeiten
3 Einbau der neuen Treppenanlage
4 Bauarbeiten im 12. Obergeschoss
1
32
4
2
3
33
Baustatik
Elektroanlagen
BKM Ingenieure AG
IBG B. Graf AG Engineering
Als Hauptgrundsatz für die Sanierungsarbeiten galt
Energieversorgung
immer: Keine Schwächung des bestehenden Hoch-
Die Energieversorgung ist im Rathaus ein wesent-
baukerns mit neuen Durchbrüchen. Baustatisch wur-
licher Faktor für die Funktionstüchtigkeit. Die Nieder-
den folgende Bereiche bearbeitet:
spannungshauptverteilung im Untergeschoss ist nach
–Baustelleninstallation / Fussgängerschutz
den aktuellsten technischen Standards erneuert wor-
–Rück- und Neuaufbau des 12. Obergeschosses
den. Sie ist das Herzstück des Rathauses. Die Läden
mit Technikgeschoss
im Erdgeschoss werden ebenfalls ab der Hauptvertei-
–Deckenergänzungen im Flachbau
lung gespiesen und gemessen. Im Notfall wird der
–Stützenverstärkungen
Betrieb für wichtige Anlagen wie z.B. der Feuerwehr-
–Neuer Warenlift vom Untergeschoss
lift, die Entrauchung und das Rechencenter durch ei-
bis zum Erdgeschoss
nen Notstromgenerator sichergestellt.
–Neuer Personenlift vom Erdgeschoss
bis zum 2. Obergeschoss
Flexibilität
–Einbau verschiedener Oblichter im 2. Obergeschoss
Die Büroarbeitsplatzerschliessung im Doppelboden
–Neues Haupttreppenhaus vom Erdgeschoss
bringt für den Nutzer eine hohe Flexibilität. Umstel­
bis zum 2. Obergeschoss
lungen
–Neue Treppenverbindung von der Parkgarage
geringem Aufwand realisiert werden. Im Bereich der
zum Hauptbahnhof
Kommunikation unterstützt die Universelle Kommu­ni­
–Perondachverlängerung
ka­tionsverkabelung (UKV) die genannte Flexibilität. Sie
–Betonrückbau im Bereich der neuen
erlaubt es dem Nutzer, wahlweise Sprach- und Daten-
Verkaufsflächen
kommunikation über ein Kabel zu betreiben.
und
Ergänzungen
können
jederzeit
mit
–Umbetonieren der Stahlstützen im Erdgeschoss
als Brand- und Anprallschutz
Sicherheit im Gebäude
Die Sicherheit für Personen und Sachen wird durch ver-
Hochbau
schiedene Anlagen sichergestellt. Für die Brandfrüher-
Der Neuaufbau des überhohen 12. Obergeschosses
kennung ist im ganzen Gebäude eine zeitgemässe
mit dem eingeschobenen Technikgeschoss wurde in
Brandmeldeanlage installiert worden. Sämtliche Flucht-
Ortsbeton und vorfabrizierten Betonstützen ausge-
wege werden über eine mit Akkumulatoren betriebene
führt. Die bestehenden Profilstahlstützen mussten
zentrale Notbeleuchtungsanlage beleuchtet. Die ge-
zur Erhöhung der Tragsicherheit teilweise als Kasten-
ordnete, panikfreie Evakuierung von Personen in
stützen ausgebildet werden.
Gebäuden dieser Grössenordnung ist ein weiteres
wichtiges Element der technischen Gebäudesicher-
Flachbau
heit.
Die Deckenergänzungen im Flachbau wurden massiv
in Ortsbeton ausgeführt. Durch Betonjeten wurden
Behindertengerechte Technik
die Bewehrungen bei den Anschlussstellen freigelegt.
Den Anliegen der Behindertenorganisationen wurde
Die Verbindung von bestehenden Bauteilen zu den
grosse Beachtung geschenkt. Die Evakuationsanlage
Neubaukonstruktionen wurden mittels HiltiHit, sowie
wurde mit einem optischen Warnsystem ergänzt. In
durch Verschweissungen der bestehenden Armierung
den öffentlichen Zonen und in den Besprechungsräu-
mit der Neubewehrung ausgeführt. Die bestehenden
men wurde mit dem Beleuchtungskonzept von ­
Randstahlpilze wurden ebenfalls mittels Betonjeten
Ch.Keller Design AG speziell auf die vertikale Aus-
freigelegt und mittels Vollschweissungen zu Feld-
leuchtung geachtet. Die bessere Ausleuchtung des
stahlpilzen ergänzt. Zusätzlich zur Erhöhung der Trag-
Gesichtsfeldes bietet den gehörlosen Menschen opti-
sicherheit wurden CFK-Lamellen an den Decken auf-
male Verständigungsmöglichkeiten.
geklebt.
34
Heizungs-, Lüftungs-, Klima-,
Kälte- und Sanitäranlagen
Brandschutz
GVA
Calorex, Widmer & Partner AG
Planungsziele
Der Bau des Rathauses mit Flachbau und dem darauf
Die primäre Aufgabe der Haustechnikplaner war, das
aufgesetzten Hochbau aus dem Jahre 1976 erfolgte
Gebäude mit Energie so zu versorgen, dass ein mög-
nach dem damaligen Stand der Technik und den dazu
lichst hoher Benutzerkomfort resultiert – dies unter
anwendbaren Brandschutzvorschriften. Die Brand-
Wahrung der ökologischen und ökonomischen Grenz-
schutzbestimmungen haben sich im Laufe der Zeit
werte. Mit dem Minergiekonzept konnten die Bauphy-
nach gemachten Erkenntnissen und Auswertungen
sikalischen Werte annähernd halbiert werden. Opti-
auch für Hochhäuser massiv verändert. Das Sicher-
mierteTageslichtverhältnisse, geringe Lärmimmisionen
heitsbedürfnis der Gesellschaft hat sich während die-
und geringe Schadstoffbelastung der Raumluft tragen
ser Zeit stark gewandelt. Brandereignisse und daraus-
zum Komfort und zur Energieeffizienz bei. Die Umbau-
folgende Schadensbilanzen haben die Vorschriften neu
arbeiten mussten in zwei Etappen unter Berücksichti-
geprägt, präzisiert und auch verschärft.
gung des laufenden Betriebes realisiert werden.
Die Ausarbeitung der brandschutztechnischen Anfor-
Gebäudehülle, Raumklima und Haustechnik
derungsprofile erfolgte aufgeteilt auf die einzelnen
Die Gebäudehülle hat einen direkten Einfluss auf das
­Sanierungsetappen. Eine sofortige Umsetzung der
Raumklima und die Ausstattung der Haustechnik. Die
teilweise dringend nötigen Massnahmen konnte je-
innere Primärstruktur ist aber im wesentlichen die glei-
doch bis zur Vorlage eines Baugesuchverfahrens nicht
che geblieben. Mittels einer thermischen Gebäudesi-
erfolgen. Dies in Rücksicht auf die vorhandene ‹Be-
mulation wurde das sich einstellende Raumklima rech-
standesgarantie› der Baute und die Verhältnismässig-
nerisch geprüft und daraus die technischen An­forde­-
keit für derartig massive Eingriffe ausserhalb des
rungen an das Haustechniksystem abgeleitet.
­Umbaukonzeptes.
Haustechnikkonzept
Der Fahrzeugbrand im Parkinggeschoss bestätigte
Aufgrund der gesetzlichen Vorschriften an einen mass-
eindrücklich die bekannten Schwachstellen des bau-
vollen Energiehaushalt wurden hohe Anforderungen
lichen Brandschutzes im grossen Schadensausmass.
an die neue Gebäudehülle gestellt. Für die Frischluft-
Es wurden dabei auch noch nicht abschliessend be-
versorgung in den Büros mussten hygienisch minima-
kannte brandschutztechnische Schwachstellen, wie
le Frischluftmengen zugeführt werden. Die Heiz- und
zum Beispiel das im Hochbau vorhandene Lüftungs-
Kühllasten, zur Einhaltung der geforderten Raumkli­
system mit den speziellen Brandfallschaltungen, auf-
magrenzwerte, werden über örtliche Heiz- und Kühlflä-
gedeckt. Eine Wiederinbetriebnahme /-herstellung des
chen zu- und abgeführt. Damit konnte die Heizleistung
Gebäudes mit dem vorhandenen und teilweise un­
um etwa zweidrittel reduziert und die Luftmengen
genügenden Brandschutz konnte nach dem Brand
etwa halbiert werden, was sich in den Elektro- und
nicht mehr verantwortet werden. Für die Wiederinbe-
Wärmebetriebskosten positiv auswirken wird.
triebnahme hätten massive Eingriffe zur allgemeinen
­Ver­besserung der Sicherheit von Personen, den Sach-
Die Treppenhausentrauchung ist den heutigen Feuer-
werten und des Gebäudes verfügt und umgesetzt
schutzanforderungen angepasst und mit einem Brand-
werden müssen.
fall-Überdruck-Belüftungssystem ausgerüstet, um den
Treppenhaus-Fluchtweg im Brandfall rauchfrei halten
Heute wird ein allfälliger Brand durch die Brandmelde-
zu können. Der neue Feuerwehrlift und die Entrau-
anlage frühzeitig erkannt. Die Gebäudenutzer und die
chungsventilatoren funktionieren autonom über die
Einsatzkräfte werden rechtzeitig alarmiert. Das Trep-
Notstromanlage. Die Haustechnikzentralenstandorte
penhaus des Hochhauses wird dabei durch ein Über-
mussten aus umbautechnischen Gründen grundriss-
druck-Lüftungssystem rauchfrei gehalten, so dass
lich in etwa am gleichen Ort bleiben.
flüchtende Personen und die angreifenden Einsatzkräfte den Weg ungehindert benützen können. Eine gross-
Mit der Regel- und Steuertechnik werden die Energie-
flächige Rauchausbreitung im Gebäude wird durch das
ströme für Licht und Wärme energieoptimiert zuge-
Ausschalten der Lüftungsanlagen und das Schliessen
führt und von einem übergeordneten Leitsystem über-
der Brandschutzklappen und Türen sowie durch Schleu-
wacht. So können Störungen frühzeitig erkannt und
sen vor den Aufzugsanlagen verhindert. Weitere ange-
behoben werden.
ordnete Massnahmen tragen zur Sicherheit bei. Das
Gesamtgebäude ‹Rathaus› entspricht heute dem geforderten Sicherheitsstandart nach den geltenden Vorschriften.
35
1
2
3
36
Multifunktional und transparent
Hansruedi Dietsche, Projektgruppe Besteller
Die Publikumsbereiche sind transparent und gut erreichbar im Flachbau untergebracht. Die Kundschaft
kann ihre Anliegen bedarfsgerecht und speditiv erledigen. Eine zentrale Anlaufstelle beim Haupteingang erteilt Auskünfte und leitet die Besuchenden weiter.
Die Stadtverwaltung St.Gallen ist in zahlreichen Ge-
Zahlreiche Diskretschalter ermöglichen eine individu-
bäuden untergebracht, unter denen das Rathaus ein
elle Bedienung und Beratung. Im Hinblick auf eine sich
eigentliches Verwaltungszentrum darstellt. Es be­her­
abzeichnende Regionalisierung des Zivilstandswesens
bergt rund 200 administrative Arbeitsplätze und deckt
wurde der gesamte Trauungsbereich neu gestaltet.
wichtige Publikumsfunktionen ab, z. B. in den Be­
Das oberste Stockwerk ist als Konferenzgeschoss ge-
reichen Einwohnerwesen, Steuern, Zivilstandswesen
staltet. Hier ist das Sitzungszimmer des Stadtrates
und AHV. Die Raumstrukturen im ehemaligen Gebäu-
untergebracht. In einem grossen, repräsentativen Saal
de entsprachen den Anforderungen an traditionelle
können zudem Anlässe für bis zu 100 Personen durch-
Büroarbeitsplätze. Der Anteil der Einzelbüros lag bei
geführt werden. Ein zugeordnetes Office ist für Cate-
rund 75%, entsprechend hoch waren die Flächenan-
ring eingerichtet. Ein weiterer Saal ist mit flexiblen
teile pro Arbeitsplatz. Die starren Raumeinteilungen
Trennwänden versehen. Bei Bedarf kann zusätzlicher
verursachten hohe Kosten für bauliche Anpassungen,
Raum für grössere Anlässe geschaffen werden. Die-
z. B. als Folge von organisatorischen Veränderungen
ser Bereich ist hauptsächlich der betriebsinternen Wei-
oder betrieblichen Expansionen. Eine zweckmässige
terbildung vorbehalten.
Sitzungsinfrastruktur musste im Laufe der Zeit weit­
gehend den zusätzlichen Raumbedürfnissen geopfert
Den in einem öffentlichen Gebäude erforderlichen
werden.
­Sicherheitsmassnahmen wurde ein grosses Gewicht
beigemessen. Die Publikumsbereiche sind räumlich
Die Sanierung ermöglichte es, die bekannten Schwach-
von den Backoffice-Zonen konsequent getrennt. Risi-
stellen zu beseitigen und zahlreiche räumliche und be­
kobeurteilungen und Schutzziele sind in einem Sicher-
triebliche Verbesserungen zu erzielen. Die Raumstruktu­
heitskonzept festgehalten. Dieses umfasst alle tech-
ren in den sanierten Bürogeschossen sind flexibel. Die
nischen, baulichen und organisatorischen Massnahmen
überwiegende Zahl der Arbeitsplätze ist in Teamberei-
in den Teilbereichen Personenschutz, Brandschutz,
chen untergebracht, Einzelbüros bilden die Ausnah-
­Akten- und Datenschutz, Einbruch-, Diebstahl- und
me. Dies fördert die Kommunikation und die Koopera-
Überfallschutz sowie Unfallverhütung. Das Rathaus
tion und unterstützt die Bildung von Teams und Pro-
entspricht in Bezug auf die Sicherheit einem zeitge-
­jektgruppen. Die Büroflächen sind multifunktio­nal nutz-
mässen Stand. Mit der umfassenden Sanierung ist es
bar und intensiver belegt, die Arbeitswege können so
gelungen, den Interessen der Bauherrschaft, der Bür-
kurz gehalten und die Arbeitsabläufe funktional opti-
gerschaft und den Mitarbeitenden gleichermassen ge-
miert werden. Über das ganze Gebäude sind zweck-
recht zu werden. Die zukunftsgerichtete Umsetzung
mässig eingerichtete Besprechungs- und Sitzungsräu-
der räumlichen Bedürfnisse an einer dienstleistungs-
1 Freudenbergsaal
me verteilt. Eine zentrale Cafeteria dient als Pau­-
basierten öffentlichen Verwaltung wird die traditio-
2 Bürogeschoss im Hochbau
senraum und als Treffpunkt für alle Mitarbeiten­den.
nelle Verwaltungskultur nachhaltig beeinflussen.
3 Büroeingang
4 Schalter Zivilstandsamt
5 Empfangstheke
4
5
37
38
39
Patrick Rohner
Norbert Möslang
12. Obergeschoss
Alex Hanimann
2. Obergeschoss
Videolounge
Andy Guhl
Marianne
Rinderknecht
Lutz / Guggisberg
1. Obergeschoss
Silvie Defraoui
40
Möslang / Guhl
Marianne
Rinderknecht
Ein Fenster zur Gegenwart
Zeitgenössische Kunst im St.Galler Rathaus
Konrad Bitterli
viduum und Gemeinschaft wie auch zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen. Die künstlerische
Ausgestaltung erfolgte mittels gezielter Erwerbungen
von Werken Ostschweizer Kunstschaffender auf Vorschlag der vom Stadtrat eingesetzten Arbeitsgruppe ‹Kunst und Raum› in enger Zusammenarbeit mit
Kunst im Rathaus
dem Rathaus-Architekten Roger Boltshauser und dem
Kunstmuseum St.Gallen. Zu sehen sind ausgewählte
Das Rathaus der Stadt St.Gallen ist den meisten
Werke von bedeutenden Künstlerinnen und Künstlern
St.Gal­lern vertraut – als markanter Glasturm gleich
mit engen persönlichen Bindungen an Stadt und Re­
beim Bahnhof fällt es auch den mit der Eisenbahn An-
gion St.Gallen. Das Rathaus wird dabei gewissermas-
reisenden auf. Ein Rathaus ist nicht nur architektonisch
sen zum viel beachteten Schaufenster der regionalen
eine Visitenkarte für ein Gemeinwesen, es handelt
Kunst. Sie soll mit ihren phantastischen Bildwelten die
sich um ein im urbanen Raum sichtbares Zeichen,
Besucherinnen und Besucher inspirieren, den Aufent-
­welches eine Stadt nach Aussen präsentiert, ein
halt im Rathaus abwechslungsreich gestalten oder all-
‹Wahrzeichen› gewissermassen. Im Rathaus treffen
fällige Wartezeiten verkürzen.
die Bürgerinnen und Bürger auf ‹ihre› Stadt als Institution, sie begegnen ihren politischen Vertretern oder
den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung, lassen Pa-
Videolounge
piere ausstellen, holen Rat ein. Im Rathaus werden
Ehen vollzogen, Arbeitslose und Pensionierte betreut,
Im zweiten Obergeschoss des Rathauses ist eine Video­
oder es finden Medienkonferenzen statt. Das Rathaus
lounge eingerichtet, die in Zusammenarbeit mit dem
ist das öffentliche Gebäude par excellence – auch in
Kunstmuseum St.Gallen betrieben wird. In wechselnde
St.Gallen. Diesem hohen Anspruch an Öffentlichkeit
Programmen werden Videoarbeiten von Ostschweizer
soll die im Rathaus präsentierte Kunst gerecht wer-
Künstlerinnen und Künstler gezeigt, u. a. von Roman
den. Nie kann es in einem demokratischen Gemein-
Signer (*1938) oder Pipilotti Rist (*1962), aber auch
wesen um Repräsentation gehen, die bildende Kunst
von weniger bekannten wie Alexandra Maurer (*1978)
thematisiert vielmehr das Rathaus als Ort öffentlichen
oder Barbara Signer (*1982).
Handelns, als Ort der Kommunikation zwischen Indi­
Silvie Defraoui
La nuit des temps, 1999
Fotoarbeit, 190 x 121 cm
41
Silvie Defraoui
Andres Lutz / Anders Guggisberg
Dialog der Kulturen
Phantastische Bildwelten
Handelt es sich um einen geheimen Schriftcode oder
Ein chaotisches Gewühl unterschiedlicher Farben und
um Hieroglyphen aus einer fremden Kultur? Wie auch
Formen: Wild collagiert bilden Holzimitatfolien den Bild-
immer, der Akt des Lesens der Textarbeit von Silvie
grund für weisse Lackschichten, laufen aquarell­artig
Defraoui (*1935) wird zum Entziffern: ‹DER ROTE FA-
rote Farbschleier aus. Einzig im untern Bildfeld sind mit
DEN IM LABYRINTH DER SCHLÜSSEL ZUM KARTEN-
wenigen Linien Gegenstände umrissen: Tische, Stühle,
HAUS›. Eine gebräuchliche Metapher zitierend, hat die
ein Interieur… ‹Tafelbild mit Bürothemen› (2003) ist der
Künstlerin die Textsequenz eigens für das St.Galler
Titel der grossformatigen Malerei des Ostschweizer
Rathaus geschaffen, wobei sie durchaus augenzwin-
Künstlerduos Lutz / Guggisberg, die zusammen mit sei-
kernd auf das Gefühl von Verunsicherung verweist,
nem Pendant ‹Tafelbild mit Tafelapfel› (2003) im Rathaus
das sich beim Gang zu den Behörden gelegentlich ein-
zu sehen ist. Ihre Titelgebung ist sachlich-neutral, nicht
stellen mag.
so jedoch die phantastische Bildwelt, die den Betrachter zu unterschiedlichsten Lesearten inspirieren mag.
Silvie Defraoui erhielt 2006 den Kulturpreis der Stadt
Das gilt auch für die wundervoll verspielte Skulptur
St.Gallen für ihr herausragendes künstlerisches Werk,
‹Popquollmaschine› (2002), die vertraute Dinge wie
das im Rathaus mit der Text- sowie einer Fotoarbeit
eine Popcorn-Maschine ins Absurde wendet. Und ge-
vertreten ist. In der Grossfotografie ‹La nuit des temps›
nau ­darauf zielt das Schaffen von Andres Lutz (*1968)
(1999) entzieht die Künstlerin den Gegenstand der di-
und ­Anders Guggisberg (*1966) ab und eröffnet dem
rekten Wahrnehmung durch eine feine Wachsüber­
Betrachter eine wundersame Bildwelt, die sich bei ­allen
malung, die wie ein Schleier wirkt und die Sachlichkeit
absurden Abgründen, alchemistischen Farb­experi­men­­
des fotografischen Mediums in eine eigenständige
ten und vertrackten Verweisen immer wieder am All-
­visuelle Poesie überführt. Stets geht es in ihrem Werk
täglichen bricht und damit eine feinsinnige Parallelwelt
darum, in eigenen Bildern das Fremde zu spiegeln und
erschliesst, die sich durch ein dichtes Geflecht von
zugleich das Fremde im eigenen Kulturraum sichtbar
­visuellen und gedanklichen Verweisen zu einem Uni-
werden zu lassen.
versum ureigenster Art ausformt.
1 Silvie Defraoui
Textarbeit, 2007
Öl auf Leinwand,
total ca. 300 x 500 cm
2 Lutz / Guggisberg
Popquollmaschine,
2002, Mischtechnik,
105 x 130 x 60 cm
3 Lutz / Guggisberg
Tafelbild mit Tafelapfel,
2003, Mischtechnik auf
Kelko, 280 x 206 cm
4 Lutz / Guggisberg
Tafelbild mit Bürothemen,
2003, Mischtechnik auf
Kelko, 280 x 310 cm
1
42
4
2
3
43
44
Alex Hanimann
Patrick Rohner
Sinnstiftung und Sinnentleerung
Analytische Malerei
Eine Ente quert die Zone, die man bei einer Land-
Der spektakulären Aussicht auf die Stadt St.Gallen
schaftsdarstellung mit dem Himmel verbindet, und
und das Fürstenland hat der Ostschweizer Künstler
watschelt dabei gleichsam durch die Lüfte, während
Patrick Rohner (*1959) eine ‹Landschaftsmalerei› von
darunter ein Transportschiff mit einem geladenen
ganz eigener Qualität entgegengesetzt. Leuchtende
­Einfamilienhaus einen Kanal passiert. In realistischer
Gelb-, Braun- und Grüntöne verbinden sich zu pastos
Manier gehalten, ist die Bildkonstellation von Alex
aufgetragenen Farbschichten, die Oberfläche erscheint
­Hanimanns (*1955) grossformatiger Tuschezeichnung
dicht und krustig wie tektonische Ablagerungen. Dabei
an Absurdität nicht zu überbieten. Das gilt auch für
geht der Künstler beim Malen analytisch vor und unter­
­seine beiden Textarbeiten in Form von Leuchtkästen.
sucht unterschiedlichste Möglichkeiten des Farbauf-
Hier ist es die scheinbar zusammenhangslose Anein-
trags. Er lässt Farbmaterie fliessen oder sich verdi-
anderreihung vertrauter Begriffe, die zu irritierenden
cken, über­lagert sie, nur um sie wieder aufzubrechen.
Kombinationen führt und dem Irrationalen Platz macht:
Patrick Rohner, ein Maler mit Rheintaler Wurzeln, lebt
­‹SEIFE / SUPPE / SAND / SEELEN / HEIL› bzw. ‹DESPOT /
und arbeitet im glarnerischen Rüti. Der geographische
KNOSPE / KONSUL / KOSMO / POLIT›. Alex Hanimann
Hinweis ist von Bedeutung, die steil aufragenden Fel-
zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Schweiz.
sen und die gebirgigen Steinmassen der Glarner Alpen
Sein Schaffen befragt immer wieder das So-Sein die-
finden eine Entsprechung in der Malerei des Künst-
ser Welt, indem er einen Wettstreit unterschiedlicher
lers, jedoch nicht im illustrativen Sinne, sondern als
Codes inszeniert und dadurch dem Betrachter offene
beinahe naturwissenschaftliche Methode des Farb-
Denkfelder zwischen Chaos und Ordnung, Sinnstif-
transfers von einem Bildträger auf den andern.
1 Alex Hanimann
Ohne Titel, 2005
Tuschezeichnung,
220 x 180 cm
2 Alex Hanimann
Ohne Titel, 2007
Textarbeiten in Leuchtkasten, je 128 x 170 cm
3 Patrick Rohner
Nr. 120,
29. 5. 1998 – 20. 2. 2001
Öl auf Hartfaserplatte,
131 x 205 cm
4 Patrick Rohner
Nr. 83, 1997
Öl auf Hartfaserplatte,
52 x 58 cm
Kunstmuseum St.Gallen
5 Patrick Rohner
Nr. 86, 1997
Öl auf Hartfaserplatte,
52 x 58 cm
Kunstmuseum St.Gallen
tung und Sinnentleerung anbietet.
4
5
3
1
2
45
1
2
46
3
Marianne Rinderknecht
‹Voice Crack›, das, von der Avantgarde-Musikszene her­
Florale Fröhlichkeit
kommend, in den 1990er Jahren mit sogenannten ‹TV
Bildern› zu experimentieren begann. Stets brachen die
Das Standesamt ist ein Ort der Freude. Hier vermäh-
Künstler den traditionellen bildkünstlerischen Kanon
len sich frisch verliebte Paare. Die raumgreifenden
auf und bewegten sich in einem spannenden Grenz­
Wandmalereien der St.Galler Künstlerin Marianne
bereich zwischen Klang und Bild.
­Rinderknecht (*1967) sind fröhlich, farbig und verspielt
zugleich – dem Trauzimmer angemessen. Mit ihren
bunten, phantastischen Formen, die in ihrem Reich-
Norbert Möslang
tum an Blumenmuster, Kakteenformen, Seeigel, Blü-
Digitale Landschaften
tenkelche oder Wolkenmuster erinnern, zugleich aber
auch eine organische Abstraktion anklingen lassen,
Ein gestrippter Monitor ist hochkant auf die Wand
verzaubert die Künstlerin den Raum und verleiht ihm
montiert, davor steht ein Ständer mit eingeschaltetem
jenen fröhlichen Grundklang, der auch die Zukunft je-
Mikrofon: Es handelt sich jedoch nicht um eine Verstär-
des Brautpaares begleiten soll.
keranlage für das grosse Sitzungszimmer im zwölften
Obergeschoss des Rathauses, sondern um die Installation ‹karaoke_landscape› (2005) des St.Galler Künst-
Andy Guhl
lers Norbert Möslang (*1952). Zwar nimmt das Mikro-
Bildnerische Rückkoppelungen
fon die Klänge im Raum auf, gibt sie jedoch nicht über
ein Beschallungssystem verstärkt wieder, die Töne
‹Feedback-Bilder› nennt der Künstler Andy Guhl (*1952)
wer­den vielmehr mittels eines Computers in ein Farb-
seine 2003 entstandene Werkgruppe. Durch Klangein-
spektrum umgesetzt, das ein auf dem Monitor er-
wirkung werden auf einem Fernsehmonitor Bildspuren
scheinendes Bild einer Engadiner Berglandschaft pop-
von ausserordentlicher, beinahe schreiender Farbigkeit
pig eintönt. Dabei funktioniert die Installation interaktiv:
sichtbar gemacht und anschliessend abfotografiert.
je mehr und je lauter im Raum gesprochen wird, desto
Es ist nicht mehr der Pinsel, der die abstrakten Bilder
deutlicher die Veränderungen im Bild. Zusammen mit
­erzeugt, sondern es ist eine experimentelle Anord­
Andy Guhl (*1952) bildete Norbert Möslang bis 2002
nung von elektronischen Geräten, die die Bilder gleich-
das Künstlerduo ‹Voice Crack›, das zu den experimen-
sam selbst­tätig generieren. Zusammen mit Norbert
tierfreudigsten Acts im Bereich zeitgenössischer Mu-
­Möslang (*1952) bildete Andy Guhl das Künstlerduo
sik zählte und zunehmend auch mit Sound- und Rauminstallationen in Ausstellungen hervortrat.
5
4
47
1 Marianne Rinderknecht
Ohne Titel, 2007
Wandmalerei, Acryl, 300 x 400 cm
2 Marianne Rinderknecht
Ohne Titel, 2006
Öl auf Baumwolle, 160 x 140 cm
3 Norbert Möslang
karaoke_landscape, 2005
TFT Monitor und Mikrofon
4 Norbert Möslang / Andy Guhl
TV Bilder, 1995
Fotoarbeiten, je 30 x 40 cm
5 Andy Guhl
Feedback-Bilder, 2003
Fotoarbeiten, je 30 x 40 cm
48
49
Grundrisse
Erdgeschoss
1. Untergeschoss
2. Untergeschoss
50
3. Untergeschoss
0
10m
50m
14. Obergeschoss
4. Obergeschoss
13. Obergeschoss
12. Obergeschoss
3. Obergeschoss
11. Obergeschoss
2. Obergeschoss
8. Obergeschoss
5. Obergeschoss
1. Obergeschoss
51
Ansichten und Schnitte
52
Ansicht Nord
Ansicht West
Ansicht Süd
Ansicht Ost
Querschnitt
Längsschnitt
0
10m
50m
53
Chronologie
1991
Grobdiagnose für die Rathausrenovierung
1995
Grundlagen für das Bauprojekt (Fassadenkonzept, Innere
Umbaumassnahmen, Energiestudie, Sicherheitsmanagement)
2000
Projektierungskredit für die Ausarbeitung eines Projektes mit KV
2001
Studienauftrag
24. Januar 2004
August 2004
November 2004
April 2005
Baubeginn 1. Etappe (Hochbau)
April 2006
Inbetriebnahme Hochbau / Baubeginn 2. Etappe (Flachbau)
April 2007
Bauabschluss
Mai 2007
23. Juni 2007
Fahrzeugbrand im 2. Untergeschoss der Parkgarage
Stadtparlament bewilligt die Sanierung des Rathauses
Bürgerschaft sagt JA (ca. 70%) zum Verpflichtungskredit
Inbetriebnahme Flachbau
Tag der offenen Tür
Projektleitungs- und Planungsteam
Bauherrschaft
Projektleitung
Stadt St.Gallen, vertreten durch das Hochbauamt
Martin Hitz, Stadtbaumeister (bis Frühling 2005)
Meinrad Hirt, Stadtbaumeister-Stellvertreter
Erwin Boppart, Projektleiter
Hansruedi Dietsche, Vertreter der Rathausbenutzer
Roger Boltshauser, Architekt, Zürich
Christian Peter, HRS AG, St.Gallen
Planergemeinschaft
Architektur und Gesamtleitung
Boltshauser Architekten, Zürich
Roger Boltshauser, Architekt ETH SIA BSA
Thomas Baumgartner, Niels Lofteröd
Baumanagement
Bauingenieur
Heizung / Lüftung / Klima / Sanitär
Elektrotechnik
HRS Hauser Rutishauser Suter AG, St.Gallen
Christian Peter, Thomas Ringler, Heinz Hafner
BKM Ingenieure AG, St.Gallen
Armin Meile
Calorex Widmer & Partner AG, Wil
Richard Widmer, Richard Stolz
IBG B. Graf AG Engineering, St.Gallen
Marcel Wüthrich, Bruno Graf
Fassadenplanung
Feroplan Engineering AG, Chur
Bauphysik
Berater
Mühlebach Akustik + Bauphysik, Wiesendangen
Beratung Haustechnik
Th. Baumgartner & Partner AG, Dübendorf
Beratung Beleuchtung
Ch. Keller Design AG, St.Gallen
Medienplanung
Haustechnik MSRL
Revitec, Rechsteiner Video-Technik, Goldach
Avireal AG, Kloten
Büroplanung
Grafik
Tachezy, Kleger & Partner AG, St.Gallen
Kunst
Kunstmuseum St.Gallen
54
2W Witzig Waser Büromöbel AG, Frauenfeld
Gebäude-Kennwerte
Gebäude Volumen SIA 116
GV
Hochbau19’526 m3
Flachbau
Erdgeschoss
Geschossflächen SIA 416
25‘864 m3
7‘955 m3
GF
Hochbau5’613 m2
Flachbau5’468 m2
Erdgeschoss1’212 m2
Hauptnutzflächen
HNF
Hochbau
2’851 m2
Flachbau
2‘874 m2
Erdgeschoss1‘019 m2
Baukosten pro m3 Gebäudevolumen (BKP 2)
Glasflächen
CHF 645.–
Hochbau3’700 m2
Flachbau
Erdgeschoss
BKP
Baukosten
1
CHF
Vorbereitungsarbeiten
10
Bestandesaufnahmen
11
Abbrüche1‘430’000
12
Sicherungen
Honorare140’000
2
21
Rohbau 112’500’000
22
Rohbau 2
23
Elektroanlagen3‘100’000
24
Heizungs-, Lüftungs-, Klima und Kälteinstallationen3‘150’000
25
Sanitäranlagen
700’000
26
Transportanlagen
900’000
27
Ausbau 1
28
Ausbau 23‘500’000
29
Honorare5’000’000
Gebäude
3
34’400’000
7‘900’000
2‘650’000
2‘900’000
Betriebseinrichtungen
Elektroanlagen
34
Heizungs-, Lüftungs-, Klima und Kälteinstallationen1‘420’000
35
Sanitäranlagen160’000
780’000
37
Ausbau 1
38
Ausbau 21‘580’000
39
Honorare1‘840’000
2‘120’000
Baunebenkosten
51
Bewilligungen100’000
52
Muster, Modelle und Vervielfältigungen
55
Bauherrenleistungen50’000
56
Übrige Baunebenkosten
9
90
2’600’000
33
Total
990’000
5
940 m2
40‘000
19
2’800 m2
800’000
2‘600’000
440’000
210’000
Ausstattung
Möbel1‘750’000
91
Beleuchtungskörper170’000
92
Textilien120’000
93
Geräte, Apparate170’000
94
Kleininventar110’000
98
Kunst am Bau150’000
99
Honorare130’000
Total Sanierungskosten
48’300’000
Unternehmerliste
211
Baumeisterarbeiten
Stutz AG, St.Gallen
215
Fassadenbau Fassadenbau (Doppelhaut)
4B Fassaden und Metallbau AG, Hochdorf
Fassadenbau Erdgeschoss
Rino Weder AG, Oberriet
222
Spenglerarbeiten
Müller Dach AG, Riedt b. Erlen
224
Bedachungsarbeiten
Merz + Egger AG, St.Gallen
225
Spezielle Dämmungen
Brandschutzisolierungen AG für Isolierungen, St.Gallen
Asbestsanierung
ARGE Achermann AG, Dübendorf
230
Elektroanlagen
Atel Gebäudetechnik AG, St.Gallen
233
Leuchten und Lampen
Zumtobel Staff AG, Zürich
Trilux AG, Spreitenbach
235
Zutrittskontrollsystem
Bixi Systems AG, Mels
236
Brandmeldeanlage
Siemens Building Technologies AG, Gossau
237
Gebäudeautomation
Honeywell AG, Dielsdorf
240
Heizungs- und Kälteanlagen
Hälg + Co. AG, St.Gallen
244
Lüftungsanlagen
O. Keller AG, Arbon
248
Dämmungen
Aebisol AG, St.Gallen
250
Sanitäranlagen
Kreis Wasser AG, St.Gallen
261
Aufzüge
Schindler Aufzüge AG, St.Gallen
263
Fassadenreinigungsanlage
Seeberger Befahranlagen AG, Aesch
271 Gipserarbeiten
Multigips AG, St.Gallen
Tuchschmid AG, Frauenfeld
272
Metallbauarbeiten
Broggini AG, St.Gallen
273 Schreinerarbeiten
Karl Egli, Oberhelfenschwil
Eugen Koch AG, St.Gallen
275
Schliessanlagen
Cantieni GmbH, St.Gallen
277 Elementwände
Uniska AG, Triesen
281 Bodenbeläge
Zuffelato & Wirrer AG, St.Gallen
Interior Service AG, St.Gallen
Senn + Widmer AG, Romanshorn
AWAG Wurster GmbH, St.Gallen
282
Wandbeläge
Keller + Cecchinato AG, St.Gallen
283
Deckenverkleidungen Phonex-Gema AG, St.Gallen
285
Innere Malerarbeiten
Hofmann Malerei AG, St.Gallen
H & T Raumdesign AG, Aarau
Fournier Steiner AG, Regensdorf
287 Baureinigung
A. Benz AG, St.Gallen
331
Notstromanlage
Bimex Energy AG, Wila
335
Evakuationsanlage
Kummler + Matter AG, St.Gallen
339
Audiovisuelle Anlagen
Revitec, Goldach
358
Kücheneinrichtungen
Mega Gastronomie, Walzenhausen
Pronto Reinigung AG, St.Gallen
900 Möbel
2W Witzig Waser Büromöbel AG, St.Gallen
Domus Leuchten und Möbel AG, St.Gallen
Grafitec AG, St.Gallen
940
Beschriftungen
Lista Office St.Gallen, St.Gallen
Impressum
Herausgeber
Stadt St.Gallen, Hochbauamt
www.hochbauamt.stadt.sg.ch
Tachezy, Kleger & Partner AG, St.Gallen
Gestaltung
Andrea Gmünder
Beat Bühler, HGKZ Zürich
Fotografien
Ernst Schär, Fotograf, St.Gallen
Boltshauser Architekten, Zürich
Druck
Typotron AG, St.Gallen
Auflage
1‘000 Ex.
Publikation
Juni 2007
Ein neuer Spiegel für die Stadt
Sanierung Rathaus St.Gallen
Inhaltsverzeichnis
5 Spiegel der Stadt
6 Auf der Suche nach dem richtigen Ort
Zur Planungsgeschichte des Rathauses am Bahnhofplatz
14 Neues Haus, neue Seele
18 Zweites Sehen
Die Sanierung des Rathauses St.Gallen
aus architektonischer Sicht
32 Die neue Fassade
34 Erfolg in zwei Etappen
36 Technische Aspekte
38 Multifunktional und transparent
40 Ein Fenster zur Gegenwart
Zeitgenössische Kunst im St.Galler Rathaus
50 Plandokumentation
54 Anhang
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