Leseprobe zum Titel: Symbiose

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I OASEN IN DER
FINSTERNIS
»Alvin« ist alles andere als eine
Luxusjacht. Das U-Boot, Jahrgang 1964,
ist für drei Personen ausgelegt – und
dabei gerade mal sieben Meter lang. Es
gehört der US-Navy und wird betrieben
vom WHOI, dem Ozeanographischen
Institut in Woods Hole, Massachusetts.
Besondere Kennzeichen: 16 Tonnen
schwer, umhüllt mit einer fünf
Zentimeter dicken Titanschicht,
Sichtfenster aus neun Zentimeter
starkem Kunststoff, Atemluft für drei
Tage. Diese Ausstattung macht »Alvin«
trotz mancher Unbequemlichkeit zu
einem begehrten Gefährt. Denn es kann
4500 Meter tief tauchen und seine
Insassen in Regionen bringen, die kein
Mensch zuvor gesehen hat.
Im April 1966 konnte dank ›Alvin‹
eine Wasserstoffbombe aus dem
Mittelmeer geborgen werden, die wenige
Wochen zuvor bei der Explosion eines
amerikanischen B52-Bombers nahe der
spanischen Küstenstadt Palomares
versunken war. 1977 sollte das U-Boot
einen weiteren Coup landen, diesmal im
Dienste der Wissenschaft: Damals nahm
ein Team von Geologen, Chemikern und
Archäologen aus verschiedenen
Forschungsinstituten mit »Alvins«
Mutterschiff Kurs auf die Galapagos-
Inseln. In dieser Region des Ostpazifiks
findet der Meeresboden keine Ruhe. Die
Erdkruste zerfällt hier in drei Platten, die
pro Jahr mehrere Zentimeter in
verschiedene Richtungen voneinander
wegstreben. Dabei reißen Gräben und
Spalten auf, durch die sich die heißen
Eingeweide der Erde ergießen. Magma
quillt hervor, erstarrt im kalten
Meerwasser und türmt sich über eine
Länge von mehreren hundert Kilometern
zu einem riesigen Unterwassergebirge
auf.
Diesen Höllenschlund am zerrissenen
Meeresgrund wollten sich die Geologen
aus nächster Nähe ansehen. Als Erste
zwängten sich Jerry von Andel von der
Oregon State Universität und sein
Doktorand Jack Corliss in das kleine UBoot. Pilot Jack Donnelly ließ das
Gefährt immer tiefer abtauchen.
»Alvins« Scheinwerfer frästen
Lichtschneisen in die absolute Finsternis.
Messsonden erfassten die Beschaffenheit
des Seewassers: Temperatur, pH,
chemische Bestandteile. Immer weiter
hinab glitt das Boot durch die endlose
Wasserwüste. In 2400 Metern Tiefe stieß
die Crew schließlich auf felsigen Grund.
Dort tat sich eine gespenstische
Landschaft auf: Schlanke Röhren ragten
mehrere Meter weit in die Höhe, wie
Fabrikschlote, aber verzweigt, mit langen
Fahnen aus einer Art schwarzem Rauch.
Ein Name drängte sich auf: Schwarze
Raucher (Bild 1).
Die rauchenden Schlote gehören zu
einer besonderen Art der sogenannten
Hydrothermalquellen. Es sind Fontänen
aus extrem heißer Flüssigkeit,
angereichert mit großen Mengen von
schwefel- und stickstoffhaltigen
Mineralien sowie Schwermetallen wie
Arsen, Blei, Cadmium, Eisen, Gold,
Kupfer, Mangan, Nickel und Zink. Die
Unterwassergeysire entstehen, wenn
kaltes Meereswasser in die rissige
Erdkruste eindringt und sich am heißen
Gestein aus dem Erdinneren erhitzt.
Normalerweise wird Wasser ab hundert
Grad zu Dampf. Doch unter dem
gewaltigen Druck der Wassermassen
bleibt die giftige Brühe noch mit 500
Grad Celsius flüssig. Weil sie leichter ist
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