Katharina Milena Steinicke: Die Konstruktion der "phallischen Frau

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Katharina Milena Steinicke:
Die Konstruktion der "phallischen Frau" im Diskurs um die Haarentfernung in
Frauenzeitschriften
Modernes Schönheitshandeln stellt sich als widersprüchliches Phänomen dar, da es einerseits als selbstbestimmtes Handeln verstanden und verhandelt wird, andererseits auch unabweisbar mit einer Unterwerfung unter kollektive (Norm)Vorstellungen, insbesondere unter
heteronormative Geschlechterkodierungen verbunden ist. In diesem Spannungsfeld bzw.
dieser Paradoxie – dass die Anrufung der individuellen Freiheit die reale Unterwerfung unter
restriktive Normen und Zwänge begleitet – (be)findet sich auch die Schönheitspraxis der
Enthaarung: Dass Frauen sich enthaaren, scheint so selbstverständlich und ‚natürlich‘ zu
sein, dass die Frage nach dem Wieso dieser Praxis außerhalb feministischer Zirkel kaum
gestellt wird. Auch in der sozialwissenschaftlichen und psychologischen Forschung ist das
Phänomen der Haarentfernung kaum bearbeitet. Dies mag daran liegen, dass es weniger
invasiv bzw. spektakulär ist als andere Aspekte zeitgenössischen Körper- und Schönheitshandelns, wie z.B. Schönheitsoperationen oder extremes Essverhalten. Was die Praxis der
Haarentfernung von anderen Schönheitshandlungen zudem abhebt, ist die Tatsache, dass
sie kaum von gesundheitsbezogenen Sachargumenten legitimiert werden kann. Vor allem
aber ist diese Praxis besonders stark mit Geschlechtlichkeit verwoben, ja für die Herstellung
von Weiblichkeit geradezu konstitutiv. Ein ubiquitäres Alltagsphänomen also, das sich
gerade wegen seiner unauffälligen Pervasivität ganz besonders eignet, um die psychopolitischen Mechanismen der Regulierung des Körperhandelns und der Reproduktion
herrschender Geschlechterverhältnisse zu untersuchen.
Dass sich die Autorin bei dieser Fragestellung an der von ihr sehr kondensiert, aber präzise
referierten Machttheorie Foucaults, insbesondere an seinen Ausführungen zum
Spannungsfeld von Selbststeuerung und Unterwerfung orientiert, ist ein ebenso nahe
liegender und günstiger metatheoretischer Ausgangspunkt wie die Diskursanalyse nach
Jäger, auf die sich die Autorin im ebenfalls sehr knapp, aber auch sehr konzise gehaltenen
methodischen Teil beruft.
Als empirisches Material dienen Artikel aus den Zeitschriften Cosmopolitan und Brigitte.
Diese gehören zu den auflagenstärksten Frauenzeitschriften des deutschen Sprachraums,
können also mit gutem Grund als Träger bzw. Verhandlungs- und Reproduktionsorte jenes
populärkulturellen (Schönheits)Wissens angesehen werden, das die Autorin interessiert. Das
Genre der Frauenzeitschrift ist auch besonders von jenen Widersprüchen geprägt, denen
Frau Steinicke auf der Spur ist.
Der Materialkorpus setzt sich aus 71 Artikeln der beiden genannten Zeitschriften aus den
Jahren 2000 bis 2012 zusammen. Dabei wurden alle jene Artikel in den Korpus
aufgenommen, die sich auf irgendeine Art und Weise – und sei es auch nur ganz am Rande
– mit Enthaarung beschäftigen. Die Artikel lassen sich, das ergibt die den empirischen Teil
eröffnende Strukturanalyse, grob in zwei Gruppen aufteilen: Die größere beschäftigt sich
vorwiegend mit praktisch-technischen Fragen rund um die Enthaarung, d.h. mit den
technischen Methoden dafür – dies ganz abgehoben von allen lebensweltlichen Bezügen, in
denen diese Praxis steht. Diese Texte wirken fast wie ein wissenschaftlicher Spezialdiskurs;
tatsächlich wird an einigen Stellen augenzwinkernd von Enthaarung als einer Wissenschaft
gesprochen. Dass es gerade von höchster diskursiver Relevanz sein kann, jeden Diskurs
über die Sinnhaftigkeit einer Handlungspraxis zu überspringen und gleich auf die
technischen Details, auf das Wie abzuheben, leuchtet der Autorin vielleicht nicht unmittelbar
ein; jedenfalls konzentriert sie sich auf jene andere Gruppe von Texten, bei der die
Enthaarung stärker in lebensweltliche Kontexte des Schönheits- und Körperhandelns bzw. in
darin vorfindliche Sinnzusammenhänge, Regeln und Produkte eingebettet ist. Dabei stellt sie
nun fest, dass die ‚Verhandlung‘ der männlichen Enthaarung und des männlichen
Schönheitshandelns die für die Fragestellung interessantesten Rückschlüsse auf weibliche
Enthaarung (vor allem bezüglich Fragen nach Gleichberechtigung und Emanzipation)
zulässt, da die Männer in diesem Diskurs als eine Art Kontrastfolie fungieren. Vor allem aus
dieser Überlegung heraus fällt die Auswahl der Texte, die schließlich feinanalysiert werden,
auf drei Artikel, die sich (auch) mit männlicher Enthaarung befassen.
Der erste der drei feinanalysierten Texte - „Lustvoll leiden“ (Cosmopolitan, Januar 2010) - ist
sowohl hinsichtlich inhaltlicher als auch formaler Gesichtspunkte typisch für den Diskurs. Er
handelt von einer Frau, die sich im Waxing-Studio enthaaren lässt (der erste Besuch im
Waxing-Studio bildet in vielen Texten den Ausgangspunkt für anschließende allgemeinere
Überlegungen zur Enthaarung), die Schönheitshandlungen mit einer Art von
‚protestantischem Arbeitsethos‘ vollzieht und schließlich ihren Freund zur Enthaarung
animiert. Auch für den Diskurs typische AkteurInnen - der Partner oder die ‚Depiladora‘ treten in diesem Text auf. Ein formales Merkmal, das dieser Text mit vielen Artikeln des
Diskurses gemeinsam hat, ist die Tatsache, dass es hier eine weibliche Ich-Erzählerin gibt,
die in der ersten Person von ihren Erlebnissen berichtet. Auffällig in der Analyse ist hier, aber
auch in den weiteren Texten (feinanalysiert werden noch „I’m every woman“ aus der
November 2004-Ausgabe von „Cosmopolitan Beauty & Body und „Lasst Brusthaar um mich
sein“ aus dem Heft 18/2007 von „Brigitte“), die ‚Deagentialization‘, d.h. das Verschwinden
der Akteurin hinter einem als naturnotwendig, ja fast automatisch dargestellten
Schönheitshandeln. Wie bei anderen Phänomenen des Schönheitshandelns auch, dient die
Konstruktion der Natürlichkeit der Produktion ihres Gegenstücks, d.h. der Künstlichkeit und
Zurichtung von Körpern - und der Verschleierung dieser Tatsache.
Die Feinanalyse weist auf, dass sich im Enthaarungsdiskurs eine Verkehrung der
traditionellen Zuschreibung von Kultur (Mann) und Natur (Frau) vollzieht, werden doch
sie sich enthaarenden Frauen nun auf der Seite der Kultur angeschrieben und die behaarten
bzw. enthaarungsverweigernden Männer auf der Seite der Natur. Während männliches
Körperhandeln in dem hier untersuchten Diskurs als unmittelbares, wenig reflektierendes,
instinktgeleitetes Agieren erscheint, Männer gerne mit (behaarten) Tieren gleichgesetzt
werden, als Wesen, die mit Plessner gesprochen, aus ihrer ‚positionalen Mitte‘ heraus
handeln, ist das Schönheitshandeln der Frauen eher von einem vergegenständlichenden
und instrumentalisierenden Blick auf Körper und Erleben geprägt. Der weibliche Körper
erscheint (der Frau) objekthaft, wie ein Ding unter anderen Dingen. Frau Steinicke zieht an
diesem Punkt Plessners Unterscheidung von Leib-Sein und Körper-Haben heran, um diese
Geschlechterdifferenz theoretisch zu fassen.
Auch arbeitet sie in diesem Zusammenhang heraus, dass in den untersuchten
Frauenzeitschriften ‚die Männer‘ als ‚die Anderen‘ durch die Frauen konstruiert werden, d.h.
dass Ihnen jene Position der Alterität zugewiesen wird, die vormals als weiblich kodiert war.
Denn seit Diskurse um Körper und Geschlecht im 18. und 19. Jahrhundert Konjunktur
bekamen, war die Reflexion über Körper und Geschlechtlichkeit des jeweils ‚Anderen‘ eine
männliche Angelegenheit; in dem hier analysierten Diskurs aber liegt die Sprecherinnenposition und damit die Definitionsmacht über das ‚Andere‘ bei den Frauen: in puncto
Enthaarung haben die Frauen das Sagen – zumindest in den untersuchten Frauenzeitschriften .
Überzeugend gelingt es Frau Steinicke zu zeigen, wie dieses empowerment in dem von ihr
untersuchten Genre funktioniert – nämlich darüber, dass überhaupt nur Frauen sich
artikulieren; dass sie über ironische Brechungen oder Übertreibungen Distanzierungen
vornehmen bzw. Einwände vorwegnehmen; dass die Sprecherinnen klare, namentliche
Identitäten aufweisen, wohingegen ‚die Männer‘ identitätslos sind – und in welchen Grenzen
das weibliche Sprechen dann doch verbleibt.
Denn die Handlungsmacht der selbstständigen autonomen Frau, wie sie die Zeitschriften
Brigitte und Cosmopolitan konstruiert, bewegt sich bei genauerem Hinsehen auf Pfaden, die
das heteronormative Gefüge und die Sphäre klassisch weiblicher Interaktionsmuster nicht
verlassen. Weibliche Selbstentfaltung wird in den Zeitschriften immer als eine beschrieben,
die sich über äußere Merkmale vollzieht, sich im Rahmen heteronormativer Vorstellungen
von Weiblichkeit bewegt und dementsprechend begrenzt ist. Beispielsweise wird in allen
Texten die heterosexuelle Beziehung vorausgesetzt bzw. zur Norm erhoben.
Bei der Analyse des Diskurses um die Haarentfernung in Frauenzeitschriften wird jedenfalls
deutlich, dass sich die Anrufung von weiblichem empowerment eine gleichzeitige Unterwerfung unter die ‚patriarchale Ordnung‘ keineswegs ausschließt. So erscheinen die Frauen
in dem hier untersuchten Diskurs einerseits als selbstbestimmte, emanzipierte
Protagonistinnen, die mitunter sogar die Grenzen von typisch ‚männlichen‘ und typisch
‚weiblichen‘ Handlungsweisen überschreiten; gleichzeitig jedoch werden einschränkende,
stereotype und heteronormative Vorstellungen von Geschlecht auch fortgeschrieben und
sogar aufs Deutlichste affirmiert. Das Produkt dieser gegenläufigen Bewegungen ist ein
Subjekttypus, der sich sowohl dadurch auszeichnet, dass er einem Regime der
Selbstkontrolle unterworfen ist, als auch dadurch, dass er nur unter der Bedingung
selbstbewusst und souverän in Erscheinung treten und Geschlechtergrenzen in Frage stellen
kann, dass die Geschlechterhierarchie im Großen und Ganzen doch weiterhin aufrecht
erhalten wird. Gerade indem eine Neuordnung der bestehenden Geschlechterverhältnisse
also thematisiert, aber letztlich verfehlt wird, scheinen sie diese – das ist ein interessanter
Hinweis auf die Absorptionskraft der herrschenden diskursiven Matrix –sogar noch in
besonderem Maße zu verfestigen.
Als Erfolg der Emanzipation vermag die Autorin ihre Befunde zur Enthaarung daher nicht zu
lesen: zwar wird weibliches Schönheitshandeln – einst im Feminismus für seine patriarchal
auferlegten Schönheitsnormen und als Zeichen von Unterdrückung kritisiert – in dem
untersuchten Korpus als Akt der Selbstverwirklichung diskursiviert, doch die
Selbstverwirklichung besteht letztlich und paradoxerweise darin, dass es der Wunsch der
Frauen ‚ist‘, als Objekt wahrgenommen und funktionalisiert zu werden – nach dem Motto:
mein Körper gehört zwar mir, dies aber nur dazu, ihn für Euch her- und zuzurichten. Dass in
diesem Diskurs sozusagen en passant, umgekehrt auch ‚die Männer‘ funktionalisiert,
passiviert, stereotypisiert bis hin zu entmenschlicht (weil mit pelzigen Tieren, vornehmlich
Hunden gleichgesetzt) werden, stellt eine besondere Pointe der Arbeit dar, welche die
Autorin theoretisch über den Begriff der ‚produktiven Negativität‘ ausarbeitet.
Auffällig ist auch, dass die Frauen ihre Enthaarungspraxis nur immanent kritisch betrachten,
also über technische Aspekte oder über mehr oder weniger effiziente, mehr oder weniger
schmerzvolle Methoden der Depilation handeln, während sie in Bezug auf männliche
Enthaarung sehr wohl eine exmanent kritische Perspektive einnehmen können, die den Sinn
bzw. gesellschaftlich-historischen Kontext der Enthaarungspraxis miteinschließt. Die Autorin
deutet das als eine Verschiebung von Kritik, die sich eigentlich gegen das eigene Handeln
richtet, auf das der Männer, die Wut über die Unterwerfung, über das eigene Opfer-Sein
bleibt dabei allerdings unlesbar.
Mit Holzkamps Unterscheidung von restriktiver und erweiterter Handlungsfähigkeit fasst die
Autorin einen damit eng verwandten Aspekt: Anstatt - im Sinne einer erweiterten
Handlungskompetenz - Schönheitsstandards und abwertende, diskriminierende Reaktionen
auf Nicht-Erfüllen dieser Standards – also das System - in Frage zu stellen und
anzuprangern, beginnen die Frauen innerhalb des Systems um Schönheit und
Schönheitshandeln selbstbewusst bzw. auch kritisch zu agieren bzw. bemühen sich darum,
dessen Normen auf die Männer auszuweiten. Frau Steinicke deutet das sozusagen als
Emanzipation auf Bürgerart: als Hineinziehen der Anderen in das System der Unterdrückung,
anstatt an diesem zu rütteln.
Aus Ihrem Analysematerial heraus kann Frau Steinicke also die Foucaultsche Grundeinsicht
überzeugend bestätigen, dass eine Praxis, die auf den ersten Blick bzw. dem Handelnden
selbstbestimmt erscheint, ebenso engen normativen Grenzen unterliegen kann, wie eine, die
offensichtlich von Zwang und Unterdrückung geprägt ist. Dies wird in den Frauenzeitschriften
mit der Geste einer Art von fun feminism vorgetragen, der weibliche Handlungsmacht und
weiblichen Hedonismus propagiert, allerdings innerhalb eng gesetzter impliziter Grenzen.
In ihrer sehr akribischen Feinanalyse sieht die Autorin also der Reproduktion von
Geschlechtsrollenklichées bzw. heteronormativer Geschlechterstereotype sozusagen in
Superzeitlupe zu. Das Genre ‚Frauenzeitschriften‘ ist dafür besonders geeignet, weil sich
darin feministisch-emanzipatorische Potentiale gerade nicht realisieren. Mit dem darin in aller
Regel transportierten Amalgam aus aggressivem Individualismus, Hedonismus, Konsumismus und weiblichem ‚Phallizismus‘ auf dem Gebiet der Sexualität leisten sie eher einen
Beitrag zur Abwicklung klassischer feministischer Grundsätze. Eine an der Geschlechterdifferenz orientierte Sichtweise, welche Männer und Frauen(welten) als Gegenstücke
betrachtet und stereotypisiert, die das größte und stärkste Verlangen von Frauen als
dasjenige nach Anerkennung ihrer Schönheit charakterisiert und Männer als Tiere führt, ist
insofern genretypisch; im Enthaarungsdiskurs versteilt sie sich in besonderem Maße. Und
wo doch Kritik an der Enthaarung aufkommt, wird diese entweder nur bei den Männern
delegitimiert oder als veralteter, humorloser Feminismus diskreditiert. Die von der (zweiten)
Frauenbewegung propagierte ‚Selbstermächtigung qua Körper‘ ist also gleichsam von der
diskursiven Matrix zurückgeschluckt worden – ein Beispiel dafür, wie ‚das Herrschende‘
kritisch-innovative Impulse absorbiert und zu seiner eigenen Steigerung verwendet.
Der feinanalytische Teil ist sehr aufwändig und gut nachvollziehbar gearbeitet. Die
wesentlichen Diskursstränge und -bewegungen werden nach dem Feindurchlauf durch die
drei Texte überzeugend im Résuméteil erarbeitet; dabei wird auch weiteres empirisches
Material aus dem Gesamtkorpus zu- und einschlägiger Theorie einbezogen. Dies gilt auch
für den der Arbeit den Titel gebenden Begriff der „phallischen Frau“, den die Autorin zwar im
Theorieteil in Anlehnung an AutorInnen wie McRobie, Villa und Butler schon kurz eingeführt
hatet, aber erst an dieser Stelle elaboriert. Er bezeichnet eine Frau, die sich männlich
kodierte Seinsweisen zu eigen macht, ohne ihre Weiblichkeit verlieren zu wollen, maW: die
sich den ‚Phallus‘ aneignet, ohne die männliche Hegemonie damit zu stören.
Die Balance zwischen dem Theorie-/Methodenteil (er ist inkl. Einleitung, historischem Abriss
und Entwicklung des Erkenntnisinteresse gerade einmal 20 Seiten lang) und dem
empirischem Teil (die Feinanalyse allein umfasst ca. 60 Seiten) wirkt aus diesem Grund auf
den ersten Blick unausgewogen. Denn vielfach werden erst im empirischen Teil direkt am
Material diskursanalytische Methodenbegriffe bzw. Analyseinstrumente bzw. werden im
Résumé zentrale theoretische Figuren – wie eben die der phallischen Frau entwickelt. Dies
bricht mit der herkömmlichen Leseerwartung, hat aber den Vorteil, dass die methodischen
wie auch (aber etwas weniger) die theoretischen Ausführungen vom empirischen Material
aufgeladen bzw. in dieses eingebunden sind, der Text außerdem am Beginn schnell ‚zur
Sache selbst‘ kommt und eingängig zu lesen ist.
Bleibt als Gesamteindruck, dass sich Frau Steinicke im Zuge ihres Projektes mit einem der
avanciertesten Verfahren kritischer Sozialforschung – der Diskursanalyse – vertraut gemacht
und diese Herausforderung in Theorie wie Analysepraxis ausgezeichnet bewältigt hat. Der
vorgelegte Text öffnet dem/der LeserIn jedenfalls die Augen für die Transmission von
Rollenklischees, wie sie sich in Frauenzeitschriften vollzieht, und exponiert am Beispiel des
Schönheitshandelns der Enthaarung einen zentralen Montagepunkt postmoderner
Geschlechter-Diskurse: die nahtlose Verfugung von (hier: weiblicher) Selbstverwirklichung
mit (hier: als patriarchal gedachter) Unterdrückung. Dass Material spricht dafür, dass sich die
Geschlechterkonstruktionen dabei wechselseitig – im Sinne der erwähnten produktiven
Negativität – konstituieren (und zwar beide als Unterworfene und Objektivierte) – eine
Fährte, die Frau Steinicke allerdings nicht besonders stark aufgreift.
Viel stärker wird bei ihrer Analyse des Diskurses um die Haarentfernung in
Frauenzeitschriften jedenfalls deutlich, dass sich die Anrufung von weiblichem empowerment
und eine gleichzeitige Unterwerfung unter die ‚patriarchale Ordnung‘ keineswegs
ausschließen. So erscheinen die Frauen in dem untersuchten Diskurs einerseits als
selbstbestimmte, emanzipierte Protagonistinnen, die mitunter sogar die Grenzen von typisch
‚männlichen‘ und typisch ‚weiblichen‘ Handlungsweisen überschreiten; gleichzeitig jedoch
werden einschränkende, stereotype und heteronormative Vorstellungen von Geschlecht
auch fortgeschrieben und sogar aufs Deutlichste affirmiert. Das Produkt dieser
gegenläufigen Bewegungen ist ein Subjekttypus, der sich sowohl dadurch auszeichnet, dass
er einem Regime der Selbstkontrolle unterworfen ist, als auch dadurch, dass er nur unter der
Bedingung selbstbewusst und souverän in Erscheinung treten und Geschlechtergrenzen in
Frage stellen kann, dass die Geschlechterhierarchie im Großen und Ganzen doch weiterhin
aufrecht erhalten wird. Die Selbstverwirklichung besteht also letztlich darin, dass die
moderne Frau sich und anderen zeigt, dass sie eine Praxis freiwillig auszuführen meint,
obwohl es zu ihr im Grunde genommen überhaupt keine Alternative gibt. Anders gesagt: Das
Paradoxon der zeitgenössischen Selbstverwirklichung besteht darin, die Unterwerfung zu
wollen – dieses von Foucault beschriebene Grundprinzip moderner Herrschaftsverhältnisse
in solcher Detailliertheit an einem Spezialfall auszuweisen, stellt eine bemerkenswerte
Leistung für ein Diplomprojekt dar!
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