Kurzkonzept eines Vertrages zur ambulanten Therapie von Kindern

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Anlage 1
zum Vertrag „Trauma first“
Ambulante Therapie von Kindern und Jugendlichen mit posttraumatischer
Belastungsstörung nach sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt oder
anderen psychischen Traumafolgeerkrankungen
Kurzkonzept eines Vertrages zur ambulanten Therapie von Kindern
und Jugendlichen mit posttraumatischer Belastungsstörung nach
sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt oder anderen
psychischen Traumafolgeerkrankungen
Partner, die im Rahmen des Vertrages Leistungen erbringen:
• Kinder- oder Hausärzte
• ambulante psychotherapeutische Praxis
Zuweisende Kooperationspartner, keine Leistungserbringer im Rahmen des
Vertrages
• Kinder- und Jugendlichenpsychiater, Psychiater und Nervenärzte
• Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
• Psychologische Psychotherapeuten
• Sozialpädiatrisches Zentrum Halle
• Klinik für Kinder- und Jugendmedizin MLU
• Familienhebammen, Hebammen
• sowie psychosoziale Einrichtungen, z. B. Erziehungsberatungsstellen,
Beratungsstellen wie ProFamilia und die Interventionsstelle für häusliche
Gewalt
• Jugendämter
Zielgruppen
Die Versorgung nach diesem Vertrag richtet sich an Kinder, Jugendliche und
Heranwachsende/junge Frauen mit Traumafolgestörungen nach sexueller,
körperlicher und psychischer Gewalt oder sonstigen traumatischen Ereignissen und
deren Bezugspersonen. Weiterhin sollen Risikofamilien am Vertrag teilnehmen
dürfen.
Zielgruppe A: Der Schwerpunkt liegt im Bereich der intrafamilialen Formen von
Gewalt gegen Kinder. Diese beschreiben eine Störung der Eltern-Kind-Beziehung,
die zu erkennbaren gesundheitlichen, d.h. seelischen oder körperlichen Folgen beim
Kind führt, z.B. Misshandlung, Vernachlässigung, sexueller Missbrauch, häusliche
Gewalt etc..
-1© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
Zielgruppe B: Kinder, die Formen extrafamilialer Gewalt erlebt haben, dies kann
Kriegsteilnahme, Kinderhandel einschließlich illegaler Adoption, Prostitution,
Pornographie, Ausnützung durch Pädophilie, Sexuelle Belästigung durch NichtFamilienmitglieder, Exhibitionismus, Vergewaltigung, Kindesentführung, Gewalt
gegen Kinder in Institutionen etc. sein.
Zielgruppe C: Eine dritte Zielgruppe stellen Kinder mit psychischen Traumafolgen
dar, die nicht Opfer von Gewalt durch Personen wurden, sondern Opfer sogenannter
„non-man-made
desaster“
wie
Verkehrsunfälle,
Zugunglücke,
Überschwemmungen, Tod eines Geschwisterkindes, Tod eines Elternteiles,
schwerer Krankheit etc.. Auch diese Kinder sollen nach diesem Vertrag behandelt
werden.
Zielgruppe D: Eine vierte Zielgruppe stellen jugendliche Mädchen und
heranwachsende Frauen dar, die traumatisierende Erfahrungen jeglicher Art
gemacht haben.
Zielgruppe E: Eine fünfte Zielgruppe stellen „Hochrisikofamilien“ dar, also Familien
oder Lebensgemeinschaften, in denen nach wissenschaftlichem Forschungsstand für
die Kinder ein hohes Risiko gravierender Vernachlässigung besteht, als Folge der
gegebenen psychosozialen Bedingungen.
Ausgangspunkt
Eine
Reihe
spektakulärer
Fälle
von
Kindesvernachlässigung
und
Kindesmisshandlung haben in jüngster Zeit die Öffentlichkeit bewegt. Die scheinbare
aktuelle Häufung dieser Vorfälle und die daraus folgende öffentliche Diskussion
warfen die Frage auf, welche Konsequenzen daraus für die Familien-, Sozial- und
Gesundheitspolitik zu ziehen sind. Die extremen Fälle von Vernachlässigung und
Misshandlung, welche den Tod des Kindes zur Folge haben, sind nach
Expertenschätzungen nur „die Spitze des Eisberges“ (e.g. Niethammer, 2007). Nach
den Forschungsergebnissen der Mannheimer Risikokinderstudie (Esser, 1996)
wachsen ca. 5 % aller Kinder in Deutschland in Familien oder Teilfamilien auf, die als
„Hochrisikofamilien“ zu bezeichnen sind, also Familien oder Lebensgemeinschaften,
in denen nach wissenschaftlichem Forschungsstand für die Kinder ein hohes Risiko
gravierender Vernachlässigung besteht, als Folge der gegebenen psychosozialen
Bedingungen. De facto sind von diesem hohen Risiko in jedem Geburtsjahrgang
rund 30.000 Kinder in Deutschland betroffen.
Der Schwerpunkt des entwickelten Angebotes liegt im Bereich der intrafamiliären
Formen von Gewalt gegen Kinder. Diese beschreiben eine Störung der Eltern-KindBeziehung, die zu erkennbaren gesundheitlichen, d.h. seelischen oder körperlichen
Folgen beim Kind führt. Entsprechend den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für
Sozialpädiatrie und Jugendmedizin werden folgende Formen intrafamiliärer Gewalt
gegen Kinder unterschieden:
-2© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
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Körperliche Misshandlung wie Schläge, Stöße, Schütteln, Verbrennungen,
Stiche usw.
Seelische Misshandlung: alle Handlungen oder Unterlassungen von Eltern oder
Betreuungspersonen, die Kinder ängstigen, überfordern, ihnen das Gefühl der
eigenen Wertlosigkeit vermitteln und sie in ihrer seelischen Entwicklung
beeinträchtigen können.
Körperliche und seelische Vernachlässigung: die Befriedigung der
grundlegenden Bedürfnisse ist nicht gewährleistet, unzureichende Ernährung,
Pflege, Förderung, gesundheitliche Versorgung und Beaufsichtigung und kein
ausreichender Schutz vor Gefahren.
Sexuelle Misshandlung: aktive und/oder passive Beteiligung von Kindern an
sexuellen Aktivitäten, denen sie aufgrund ihres Entwicklungsstandes oder
anderen Gründen nicht frei oder verantwortlich zustimmen können. Dabei wird die
Unterlegenheit und Abhängigkeit der Kinder zur Befriedigung der Bedürfnisse von
Erwachsenen ausgenutzt.
Psychische Folgen von traumatischen Ereignissen
Die psychischen Folgen sind stets individuell und sorgfältig zu diagnostizieren, da sie
vom Schweregrad der schädigenden Einflüsse und den biologischen oder
psychologischen Eigenschaften des einzelnen Kindes abhängig sind, die seine
Störanfälligkeit (Vulnerabilität) oder auch Widerstandsfähigkeit (Resilienz)
beeinflussen.
Häufige psychische Traumafolgestörungen sind: überangepasstes Verhalten,
Rückzug
und
Isolation,
geringes
Selbstwertgefühl,
Kontaktund
Beziehungsstörungen, Scham- und Schuldgefühle, diffuse Ängste, Angststörungen
(z.B.
Phobien,
Panikstörungen),
Depressionen,
Zwangsstörungen
(z.B.
Waschzwang), Posttraumatische Belastungsstörung, Ess-Störungen, aggressives
Verhalten gegen andere oder sich selbst (Selbstverletzungen), Dissoziative
Störungen (z.B. Dissoziative Identitätsstörung), Alkohol- und Drogenmissbrauch oder
Abhängigkeit. Viele psychobiologische Spätfolgen früherer Traumatisierung sind
bereits empirisch belegt:
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Verringertes Hirnvolumen, erweiterte Ventrikel (De Bellis et al. 1999),
verringerte Dicke des Corpus callosum (Teicher et al. 1993), verringertes
Volumen des Hippocampus (Stein et al. 1997, Bremner et al. 1997), Defizite
der Frontalhirnentwicklungen besonders im Bereich der rechten Hemisphäre
(Schore 2001).
Weiterhin Defizite auf der Ebene der sensorischen Integrationsfähigkeit, z.B.
Körperempfinden (Young 1992), Schmerzempfinden (van der Kolk und Ducey
1989), Bewegungskoordination (Streeck-Fischer et al. 2000).
vielfältige Verhaltensstörungen (Putnam 1993)
Defizite auf der Ebene von Lernen und Gedächtnis (Pollak et al. 1998)
Dissoziative Symptome (Spiegel und Cardena 1991, Putnam 1993)
-3-
© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
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Gestörte Affektregulation (van der Kolk et al. 1996, Schore 2000)
Manifestation
unterschiedlicher
psychischer
Störungsbilder:
Somatisierungsstörungen,
Borderline-Persönlichkeitsstörung,
Drogenabhängigkeit (Sachse et al. 1994), selbstverletzendes Verhalten (van
der Kolk et al. 1991), Depressionen, Zwangsstörungen, Essstörungen,
Angststörungen, ADHS etc. (Swatt et al. 1990, Post et al. 1994, Cichetti and
Toth 1995).
Die Bedeutung des Erziehungsverhaltens
Psychische Störungen sind insgesamt deutlich vom Erziehungsverhalten beeinflusst.
Umgekehrt wird das Erziehungsverhalten der erwachsenen Bezugsperson von
eventuellen emotionalen Störungen des Kindes negativ beeinflusst, worunter auch
die psychische Gesundheit vor allem der Mutter leidet. Emotionale Störungen junger
Säuglinge äußern sich bevorzugt in sog. Regulationsstörungen (Fütterungs- und
Schlafstörungen, exzessives Schreien), die ihrerseits ihre Wurzeln in frühen
Interaktionsstörungen haben und eventuell bei den Eltern für das Kind nachteilige
Reaktionen auslösen. Auf diese Weise besteht die Gefahr von Teufelskreisen mit
steigendem Risiko von Vernachlässigung und Misshandlung, wenn nicht rechtzeitig
therapeutische und/oder soziale Hilfen einsetzen.
Erwachsene, die als Kinder nicht die Erfüllung ihrer grundlegenden Bedürfnisse (v.a.
Bindung und Sicherheit, Verlässlichkeit, Anregung) erlebt und während ihrer
Entwicklung Gewalt als gewissermaßen „normale“ Form von Konfliktlösung kennen
gelernt haben, werden mit großer Wahrscheinlichkeit als Eltern ihren Kindern
vergleichbar ungünstige, deprivierende Lebensweltbedingungen bieten und dazu
beitragen, die Probleme generationsübergreifend weiter zu geben. In der Zeit
zwischen früher Kindheit und Adoleszenz sind solche Kinder sehr häufig sowohl
Opfer als auch Ausübende von Gewalt, eine besonders problembeladene Gruppe.
Die Opferrolle ist die Folge jahrelanger Demütigung und fehlender Entwicklung von
Selbstwert und Selbstvertrauen, und in die Täterrolle wechseln sie, sobald sie sich
jemandem Schwächeren überlegen fühlen und ihre Frustration abreagieren können.
Prävalenz traumatischer Ereignisse
Man geht von einer Lebenszeitprävalenz von Gewalterfahrungen in der Kindheit in
Deutschland für körperliche Gewalt bei 11,8% der Männer und bei 9,9% der Frauen
aus. Sexuelle Misshandlungen mit Körperkontakt in der Kindheit werden von 2,8%
der befragten Männer und 8,6% der Frauen zwischen 16 und 69 Jahren berichtet.
Eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickeln ca. 90 Prozent der sexuell
missbrauchten Kinder (Hamblen J,, 2002). Das Erleben sexueller Gewalt birgt
generell ein gegenüber anderen Formen der Traumatisierung 6-7fach höheres
Risiko, eine posttraumatische Belastungsstörung zu entwickeln (Breslau et al., 1991;
Giaconia et al., 1995). Ein physischer Angriff oder zu sehen, wie jemand getötet oder
verletzt wird, hat bei 23% bzw. 24% der Betroffenen die Entwicklung einer
posttraumatischen Belastungsstörung zur Folge (Giaconia et al., 1995). Multiple
Traumatisierung erhöht bei Kindern das Risiko der Ausbildung einer
posttraumatischen Belastungsstörung (Deykin & Buka, 1997). Mit der Intensität der
Traumatisierung steigt das Risiko, an einer psychischen Störung zu erkranken (vgl.
-4© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
Nader, Pynoos, Fairbanks & Frederick, 1990). Kognitive Faktoren wie die
peritraumatisch subjektiv wahrgenommene Lebensbedrohung oder die Attribution
eigener Schuld zeigten eine positive Assoziation mit dem Grad der
Symptombelastung (Aaron et al, 1999; Schwarz & Kowalski, 1991).
Fazit: Intrafamiliale Gewalt kann sehr unterschiedliche Folgen haben; in jedem Falle
wird das betroffene Kind daran gehindert, seine Entwicklungsmöglichkeiten
auszuschöpfen.
Risikofaktoren für intrafamiliale Gewalt
Die Ergebnisse der Mannheimer Risikokinder-Studie belegen als erheblichen
Risikofaktor die Bedeutung des Erziehungsverhaltens der Bezugspersonen. Widrige
Lebensereignisse und chronische Belastungen beeinflussen die Erziehungshaltung
wiederum erheblich und beeinflussen dadurch die Entwicklungschancen der Kinder.
Erschwerend kommt hinzu, dass psychosoziale Risikofaktoren selten isoliert,
sondern meist gehäuft auftreten, so dass ein Kind gleichzeitig ungünstigen
Wohnbedingungen, schlechten finanziellen Möglichkeiten, überlasteten Elternteilen
etc. ausgesetzt ist.
Je höher die Belastung der Familie und je geringer die Bewältigungsmöglichkeiten
und Ressourcen sind, desto wahrscheinlicher wird eine Dekompensation, hier ist bei
Müttern eine depressive Reaktion mit der Folge von Vernachlässigung
wahrscheinlich, bei Vätern tritt häufiger eine aggressive Reaktion auf, sprich eine
Misshandlung.
Mütterliche Depressivität stellt einen erheblichen Risikofaktor für die psychosoziale
Entwicklung der Kinder dar. Depressivität hindert die Mutter daran, die Signale und
Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen, richtig zu interpretieren und angemessen zu
beantworten, was die Voraussetzungen für die Entwicklung einer sicheren Bindung
darstellt.
Psychosoziale Risikofaktoren
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Armut, Arbeitslosigkeit
Alleinerziehende Eltern
Niedriges Bildungsniveau
Unerwünschte Schwangerschaft
Psychische Erkrankung eines Elternteils, Sucht
Zerrüttete Familien, Gewalt/Kriminalität in der Familie
==> inadäquates, defizitäres Erziehungsverhalten
-5© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
Neben dem Risiko, eine posttraumatischen Belastungsstörung zu entwickeln, können
auch andere psychische Folgeerkrankungen auftreten, vor allem Angst- und
Zwangsstörungen, Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörungen, Störungen des
Sozialverhaltens, Essstörungen und Depressionen. Diese weisen, wenn sie
unbehandelt bleiben, eine hohe Persistenz für das weitere Leben auf. Depressionen
im Kindes- und Jugendalter werden in einem Drittel der Fälle chronisch und haben,
wenn sie nicht behandelt werden, eine ungünstige Prognose.
Implikationen für die Versorgung der betroffenen Kinder, Familien und
Bezugspersonen
In ihrer Hilflosigkeit nach traumatischen Ereignissen oder zu Beginn der
intrafamilialen Dekompensation greifen Eltern oft nach jedem Strohhalm, was zu
einer unkoordinierten Inanspruchnahme unterschiedlichster Hilfsangebote führt. Dies
verbraucht Ressourcen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden könnten.
Im Falle chronischer intrafamilialer Gewalt ist der Zugang zur Familie bereits
erschwert und häufig erst nach Eingreifen des Jugendamtes möglich. Die aktuell
eingeführten Frühwarnsysteme werden dazu führen, dass gefährdete Familien früher
erkannt werden. Diese äußerst begrüßenswerte Entwicklung wird dazu führen, dass
eine Vielzahl von Kindern sich aus dem Dunkelfeld in das „Hellfeld“ bewegen.
Perspektivisch wird sich der Versorgungsbedarf traumatisierter Kinder vervielfachen,
da deutlich mehr „Fälle“ frühzeitig identifiziert werden können. Die strukturellen
Vorgaben der kassenärztlichen Versorgung orientieren sich an der klassischen
Einzeltherapie. Hier stellen sich zwei Probleme:
1. Auf circa 360.000 Kinder und Jugendliche in Sachsen-Anhalt unter 18 Jahren
kommen lediglich neun Kinderpsychiater und sechs zugelassene Kinder- und
JugendlichenpsychotherapeutInnen, welche die ambulante psychiatrische und
psychotherapeutische Versorgung der Kinder in der GKV sicherstellen sollen
(Bühring, 2007).
Bei geschätzten 5 % der Kinder, die unter akut
behandlungsbedürftigen psychischen Störungen leiden, sind demnach circa
18.000 Kinder und Jugendliche von lediglich 15 Kinder- und
Jugendlichenpsychiater bzw. -psychotherapeuten zu versorgen.
2. Möglicherweise handelt es sich bei einer Einzeltherapie für die Behandlung
von Kindern und Jugendlichen mit komplexen und schwerwiegenden
Störungen nicht um die bestmögliche Versorgungsform. Optimaler können ein
interdisziplinärer Ansatz und eine intensive Arbeit mit den Eltern sein. Dies
allerdings erfordert einen erhöhten Koordinationsaufwand.
Für die effektive Behandlung von Traumafolgestörung ist die intensive Einbeziehung
der Eltern unerlässlich. Je jünger die Kinder sind, um so stärker liegen die
Veränderungsmöglichkeiten für das Alltagserleben der Kinder und damit ihrer
Befindlichkeit in den Händen der Eltern und Bezugspersonen. Das angestrebte
Versorgungsmodell soll der Unter- und Fehlversorgung bei der Behandlung von
Kindern und Jugendlichen mit komplexen und chronischen psychischen Störungen
nach körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt begegnen und die
Versorgungssituation zu verbessern.
-6© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
Zentrale Inhalte
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Indikationsentscheidung für die Teilnahme am Vertrag auf der Grundlage einer
standardisierten, dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Diagnostik,
standardisierte Basisdokumentation,
interdisziplinäre Zusammenarbeit der Praxis mit medizinischen, pädagogischen,
kinderärztlichen, ergotherapeutischen und sozialen Diensten,
regelmäßige Fallbesprechungen unter Einbeziehung der am Vertrag
teilnehmenden Leistungserbringer,
zentrale Evaluation der Behandlungsergebnisse
Aus den Zielgruppen ergeben sich fünf Fallgruppen :
• Fallgruppe 1: Kind + Eltern/Bezugspersonen, intrafamiliale Gewalt
• Fallgruppe 2: Kind + Eltern/ Bezugspersonen, extrafamiliale Gewalt
• Fallgruppe 3: Kind + Eltern/Bezugspersonen, non-man-made desaster
• Fallgruppe 4: Jugendliche/junge Heranwachsende (13- 17Jahre) nach
traumatischem Ereignis
• Fallgruppe 5: Jugendliche/junge Heranwachsende (18- max. 27Jahre) nach
traumatischem Ereignis
• Fallgruppe 6: Risikofamilie Kleinkindalter (2– 4 Jahre)
Organisatorischer Ablauf
Die Praxis für Psychotherapie stellt eine Anlaufstelle für Familien/
Kinder/Bezugspersonen nach traumatischen Erfahrungen und Risikofamilien dar.
Nach dem Erstkontakt erfolgt die störungsspezifische und standardisierte
Eingangsdiagnostik, die sowohl mit den Eltern/Bezugspersonen als auch dem Kind
bzw. der Jugendlichen mehrere diagnostische Sitzungen beansprucht. Anschließend
erfolgt ein Rückmeldungsgespräch mit der/den Familie/Bezugspersonen, in der die
Diagnose(n) mitgeteilt werden und gemeinsam mit der Familie einen individuellen
Behandlungs- und Betreuungsplan entwickelt wird. Die Familie erhält eine
Empfehlung, ob das Kind bzw. die Eltern am Projekt dieses Vertrages teilnehmen
sollten. In jedem Einzelfall wird individuell festgelegt, ob und welche Kindergruppe,
ob und welche Elterngruppe indiziert ist. Einen Überblick über die geplanten Kinderund Elterngruppen gibt die folgende Tabelle.
-7© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
Kind
Eltern
Intrafamiliale
Gewalt
Extrafamiliale
Gewalt
Non-manmade
desaster
Risikofamilie
Alter: 5-12
Alter: 5-12
Alter: 5-12
Alter: 2-4
traumaspezifisches
standardisiertes
Gruppentraining A
engmaschige
Elternschulung,
standardisierte
Gruppenarbeit,
Video-feedbacktraining
traumaspezifisches
standardisiertes
Gruppentraining A
standardisierte
Elterngruppe:
störungsspezifische
Psychoedukation,
Unterstützung bei
Alltagsproblemen,
Stabilisierungstechniken
traumaspezifisches
standardisiertes
Gruppentraining B
standardisierte
Elterngruppe:
störungsspezifische
Psychoedukation,
Unterstützung bei
Alltagsproblemen,
Stabilisierungstechniken
Kurse
Verbesserung
Eltern-KindInteraktion
Traumatisierte
Mädchen/junge
Frauen
Alter 13-27
zur
der
traumaspezifisches
standardisiertes
Gruppentraining C
standardisierte
Elterngruppe:
störungsspezifische
Psychoedukation,
Unterstützung bei
Alltagsproblemen,
Stabilisierungstechniken
Entscheidet sich die Familie dafür, übernimmt ein multiprofessionelles Team die
Versorgung. Das multiprofessionelle Team setzt sich zusammen aus folgenden
Berufsgruppen: PsychotherapeutInnen und SozialpädagogInnen. Gemeinsame
Fallbesprechungen sichern eine abgestimmte Versorgung.
Für
das
Qualitätsmanagement
verpflichten
sich
die
teilnehmenden
Leistungserbringer zu Dokumentationen, die den Behandlungsablauf und die
Ergebnisse für alle Beteiligten transparent machen und damit die Kooperation
ermöglichen. Regelmäßige Befragungen der Patienten sind Bestandteil des
Qualitätsmanagements. Die Kinder/Familien werden in Abhängigkeit vom
Zeitaufwand, der für ihre Betreuung notwendig ist, Hilfebedarfsgruppen zugeordnet.
Für die verschiedenen Altersgruppen werden pauschale Vergütungen vereinbart. Für
das Projekt sind hohe Standards im Bereich des Datenschutzes und der
Geheimhaltung vereinbart.
-8© Dr. Ahrens-Eipper & Dipl.Soz-Päd Nelius, Praxis für Psychotherapie, Händelstr. 38, 06114 Halle. Eine
Verbreitung erfordert die Autorisierung durch die Autorinnen.
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