Allgemeine Elektrotechnik - ReadingSample - Beck-Shop

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Allgemeine Elektrotechnik
Gleichstrom - Felder - Wechselstrom
von
Heinz-Ulrich Seidel, Edwin Wagner
3., neu bearbeitete Auflage
Hanser München 2003
Verlag C.H. Beck im Internet:
www.beck.de
ISBN 978 3 446 22090 4
Zu Inhaltsverzeichnis
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CARL HANSER VERLAG
Heinz-Ulrich Seidel, Edwin Wagner
Allgemeine Elektrotechnik
Gleichstrom - Felder - Wechselstrom
3-446-22090-9
www.hanser.de
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1.1.1 Elektrische Ladung
Die physikalische Erfahrung zeigt, dass zwischen bestimmten Körpern unter besonderen Umständen in der Natur Kräfte auftreten können, deren Erklärung durch die
Grundgesetze der Mechanik nicht möglich ist. Ein klassisches Beispiel ist die leicht
experimentell nachvollziehbare Tatsache, dass ein mit einem Wolllappen geriebener
Bernsteinstab (griech. elektron) ein an einer Schnur aufgehängtes Metallkügelchen
nach kurzer Berührung abstößt. Andererseits wird ein ebenfalls an Wolle geriebener
Glasstab von Bernstein angezogen. Nach dem griechischen Wort für Bernstein erhielt die so manifestierte Erscheinung den Namen Elektrizität. Die physikalische
Größe, die die Menge der Elektrizität bezeichnet und der der Betrag der auftretenden
anziehenden oder abstoßenden Kraft proportional ist, wird als elektrische Ladung
Q bezeichnet. Die weiteren physikalischen Untersuchungen der Natur der elektrischen Ladungen ergaben folgende Tatsachen:
1.
Es existieren zwei verschiedene Ladungen, deren physikalische Auswirkungen sich unter sonst gleichen Bedingungen lediglich in der Richtung der ausgeübten Kraft (Anziehung oder Abstoßung) unterscheiden. Diese Ladungen
werden durch das positive oder negative Vorzeichen gekennzeichnet. Dabei
ziehen sich ungleichnamig geladene Körper an, gleichnamig geladene Körper
stoßen sich ab.
2.
Ladungen sind an Ladungsträger gebunden und nicht unendlich teilbar. Die
Träger der negativen Elementarladungen werden als Elektronen bezeichnet.
Protonen tragen die gleich große positive Elementarladung. Atome, deren
elektrische Neutralität durch unterschiedliche Prozesse gestört ist und die
demzufolge mit einem ganzzahligen Vielfachen der Elementarladungen aufgeladen sind, heißen Ionen.
14
1 Vorgänge in elektrischen Netzwerken bei Gleichstrom
Die positiv geladenen Ionen werden Kationen, die negativ geladenen Anionen
genannt. Diese Ladungsträger sind in bestimmten Stoffen unterschiedlich
mobil. Materialien, in denen Ladungsträger relativ frei beweglich sind, werden als Leiter bezeichnet. Sind sie hingegen relativ fest fixiert, spricht man
von Isolatoren. Materialien, in denen die Ladungsträgerbeweglichkeit zwischen der von Leitern und der von Isolatoren liegt, sind Halbleiter.
Die Quantifizierung physikalischer Größen erfolgt durch die Definition von Einheiten. Die Einheit der Ladung ist das Coulomb:
[Q] = 1 Coulomb = 1 C = 1 A ⋅ s .
(1.1)
Das Coulomb ist keine Grundeinheit des SI (Système International d´Unités), sondern wird aus messtechnischen Gründen auf die noch zu definierende Einheit der
elektrischen Stromstärke zurückgeführt. Die kleinste Ladung, die so genannte Elementarladung e, wurde zu folgender Größe bestimmt:
e = 1,6021892 ⋅ 10 −19 C .
(1.2)
Eine weitere wesentliche Tatsache ist der Satz von der Erhaltung der Ladung.
Dieser besagt:
In einem abgeschlossenen System ist die Summe aller Ladungen konstant.
Dieser Erhaltungssatz hat einen ähnlichen Charakter wie die übrigen Erhaltungssätze
der Physik, die sämtlich durch die experimentelle Erfahrung und ausschließlich
durch diese bestätigt werden.
Sehr oft ist nicht nur die auf einem Körper insgesamt vorhandene Ladung Q Gegenstand der Betrachtungen, sondern auch deren Verteilung im Raum auf Flächen
oder längs Linien. Zur Beschreibung der Ladungsverteilung werden die so genannten Ladungsdichten verwendet:
½
Raumladungsdichte ρ (x, y, z):
Q
,
V →0 V
ρ (x, y, z ) = lim
[ρ ] = 1 A ⋅3s .
m
(1.3)
Dabei ist ∆Q die Ladung im Volumenelement ∆V.
½
Ladungsbedeckung σ (x, y, z):
Q
,
A→ 0 A
σ (x, y, z ) = lim
½
[σ ] = 1 A ⋅2s .
m
(1.4)
∆Q ist die auf dem Flächenelement ∆A verteilte Ladung.
Ladungsbelag qL (x, y, z):
Ist die Ladung Q auf einem linienförmigen Medium verteilt, erhält man zur
Beschreibung dieser Verteilung den Ladungsbelag zu
1.1 Grundbegriffe und Grundgesetze
Q
,
l
qL (x, y , z ) = lim
l →0
[qL ] = 1 A ⋅ s .
m
15
(1.5)
Dabei ist ∆Q nunmehr die entlang des Linienelements ∆l auftretende Ladung.
Umgekehrt berechnet sich die Größe der vorhandenen Gesamtladung bei bekannter Ladungsdichte gemäß
Q = ∫ ρ dV ,
V
Q = ∫ σ dA,
A
Q = ∫ qL dl .
l
(1.6)
1.1.2 Bewegte elektrische Ladung und elektrischer Strom
Aus dem genannten Grundprinzip der Erhaltung der Ladung und der daraus unmittelbar folgenden Aussage, dass immer dann, wenn Ladungen ein abgeschlossenes
System verlassen, gleich viele Ladungen an anderen Stellen der Systemoberfläche in
das System eintreten müssen, ergibt sich die Tatsache, dass bei mobilen Ladungen
die Ladungsbewegung immer entlang geschlossener Bahnen erfolgt. Eine solche
Ladungsbewegung wird als elektrischer Strom bezeichnet. Wegen der Existenz
von Ladungen entgegengesetzter Polarität ist zur Definition der Stromrichtung die
willkürliche Festlegung getroffen worden, dass die positive Stromrichtung mit der
Bewegungsrichtung der positiven Ladungen übereinstimmt. Diese Festlegung steht
zumindest für die große Gruppe der metallischen Leiter im Widerspruch zur Realität, da dort die frei beweglichen Ladungsträger ausschließlich Elektronen mit negativer Elementarladung sind. Die physikalische Bewegungsrichtung der Ladungsträger in Elektronenleitern erfolgt also entgegengesetzt zur positiven Stromrichtung.
Die Stärke des elektrischen Stromes i lässt sich bestimmen als Quotient der Ladungsmenge, die in einer bestimmten Zeiteinheit eine gegebene Fläche durchsetzt,
und dieser Zeiteinheit (Bild 1.1).
Q
∆Q
Q0
∆t
t0
t
Bild 1.1 Zur Definition der elektrischen Stromstärke
Man schreibt also für die Stromstärke:
Q dQ
=
t →0 t
dt
i = lim
(1.7)
Erfolgt der Ladungstransport zeitproportional, ist also die Stromstärke zeitlich konstant, spricht man von Gleichstrom I.
1 Vorgänge in elektrischen Netzwerken bei Gleichstrom
16
Die Einheit der elektrischen Stromstärke wird über die Kraftwirkung zweier stromdurchflossener Leiter aufeinander bestimmt und ist eine Grundeinheit des SI-Maßsystems. Sie heißt 1 Ampère (Symbol: 1 A).
Da weder die Ladung an sich noch ihre Bewegung durch die menschlichen Sinnesorgane direkt wahrgenommen werden kann, ist die Beobachtung des elektrischen
Stromes nur über seine Kennzeichen möglich.
Das Hauptkennzeichen des elektrischen Stromes ist, dass er stets von einem Magnetfeld umgeben ist. Dieses Kennzeichen hat jeder Strom, gleichgültig auf welche
Weise die Ladungsbewegung erfolgt.
Ströme, die durch Bewegung von Ladungsträgern entstehen (so genannte Konvektionsströme), haben weitere Kennzeichen: Sie sind mit Stofftransport verbunden. Es
erfolgt in der Regel eine Umwandlung von elektrischer Energie in Wärme, Ausnahme sind Supraleiter.
In der Umkehrung von Gleichung (1.7) erhält man bei bekannter Stromstärke für die
zum Zeitpunkt t insgesamt durch eine Fläche transportierte Ladung:
t
Q(t ) = Q0 + ∫ i dt
(1.8)
t0
Q0 - zum Zeitpunkt t0 bereits transportierte Ladung, t0 - Beginn der Beobachtung.
In einer Vielzahl von Fällen ist es wünschenswert, außer der elektrischen Stromstärke, die bekanntermaßen immer an den durchströmten Gesamtquerschnitt gebunden ist, noch eine weitere Größe einzuführen, die Aufschlüsse über den Anteil
jedes Punktes auf dem durchströmten Gesamtquerschnitt am Gesamtstrom gibt. Zu
diesem Zweck unterteilt man den Gesamtquerschnitt in Flächenelemente ∆A und
ermittelt die durch diese Flächenelemente tretenden Teilströme ∆I (Bild 1.2).
dI
dA⊥
Teilstrom
dI
dA
dA⊥
J
α
I
dA
Zur Einführung der elektrischen Stromdichte:
Bild 1.2 Senkrecht durchströmter
Querschnitt
Bild 1.3 Beliebig geneigtes Flächenelement
Man definiert dann als Betrag der elektrischen Stromdichte J den Ausdruck:
1.1 Grundbegriffe und Grundgesetze
I
dI
=
A⊥ → 0 A⊥
dA⊥
J = lim
17
(1.9)
Dabei ist dA⊥ das von dI senkrecht durchströmte Flächenelement.
Umgekehrt erhält man für den Strom
I=
∫ J dA⊥ .
A⊥
(1.10)
Für eine zur Strömungsrichtung der Ladungen um einen beliebigen Winkel geneigte
Fläche gilt (Bild 1.3)
dA⊥ = dA cosα .
(1.11)
Damit erhält man
I = ∫ J dA cosα .
A
(1.12)
Benutzt man nun die Tatsache, dass sich ein Flächenelement in der in Bild 1.3
gezeigten Weise durch einen Vektor darstellen lässt und betrachtet die Stromdichte
ebenfalls als Vektor, dessen Richtung mit der Strömungsrichtung der positiven Ladungen übereinstimmt, vereinfacht sich Gleichung (1.12):
I = ∫ J dA
A
(1.13)
Die elektrische Stromdichte ist somit ein Vektorfeld, das die elektrischen Strömungsverhältnisse in jedem Punkt des Raumes nach Betrag und Richtung beschreibt. Eine gebräuchliche Einheit der Stromdichte ist
[J ] = 1
A
.
mm 2
(1.14)
Besonders einfache Verhältnisse ergeben sich, wenn die Stromdichte auf dem betrachteten Querschnitt konstant ist und dieser vom Strom senkrecht durchsetzt wird.
Man erhält dann aus Gleichung (1.13)
I = J A.
(1.15)
Zur anschaulichen Darstellung der Strömungsverhältnisse im jeweils betrachteten
Medium werden gern die gedachten Spuren der Ladungsbewegung unter dem Einfluss des elektrischen Strömungsfeldes verwendet. Die so entstehenden Linien werden als Strömungslinien bezeichnet. Die Richtung der Stromdichte stimmt mit der
Richtung der Tangente an die Strömungslinien überein (Bild 1.4).
18
1 Vorgänge in elektrischen Netzwerken bei Gleichstrom
dl
J
leitfähiges
Medium
Strömungslinien
Elektroden
Bild 1.4 Darstellung des elektrischen Strömungsfeldes durch Strömungslinien
dA⊥
dI
dI
J
ρ ( x, y , z )
dQ = ρ dl dA⊥
Bild 1.5 Zur Berechnung der
Driftgeschwindigkeit der Ladungsträger
Zeichnet man die Strömungslinien so, dass zwischen benachbarten Strömungslinien
immer gleiche Teilströme fließen, erhält man zusätzlich eine quantitative Vorstellung über die Stromdichte. Eine hohe Dichte der Strömungslinien entspricht dann
auch einer hohen Stromdichte.
Sehr oft ist der Zusammenhang zwischen der elektrischen Stromdichte und der
Driftgeschwindigkeit räumlich verteilter Ladungen von Interesse.
Für das in Bild 1.5 dargestellte Strömungsfeld erhält man als Teilstrom dI durch das
Flächenelement dA gemäß Gleichung (1.13)
dI = J dA .
(1.16)
Andererseits lässt sich dieser Strom auch aus der durch dA in der Zeiteinheit dt
transportierten Ladungsmenge dQ berechnen. Letztere füllt das Volumen dV mit der
Raumladungsdichte ρ aus. Es gilt also
dQ = ρ dV = ρ dl dA .
(1.17)
Damit entsteht für dI
dI =
dQ
dl
= ρ dA = ρ v dA ,
dt
dt
(1.18)
und durch Gleichsetzung mit Gleichung (1.16) erhält man
J = ρv .
(1.19)
Ein einfaches Rechenbeispiel für einen metallischen Leiter möge den Unterschied
zwischen der bekanntermaßen sehr hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Elektrizität in Schaltungen und der Driftgeschwindigkeit elektrischer Ladungsträger illustrieren. In einem Leiter des Querschnitts A = 2,5 mm2 fließe ein Strom von 10 A.
Die Anzahl n der freien Elektronen in Metall ist 8,6⋅1022 cm-3. Dann ist die Ladungsdichte ρ = –n e = –13780 A·s·cm-3, und man erhält als Driftgeschwindigkeit
v = – 0,29 mm/s. Dabei ist anzumerken, dass die so ermittelte Driftgeschwindigkeit
1.1 Grundbegriffe und Grundgesetze
19
die mittlere Geschwindigkeit ist, die von zufälligen Bewegungen entsprechend den
Gesetzen der Thermodynamik überlagert wird.
Untersucht man schließlich noch die Konsequenzen des Satzes von der Erhaltung
der Ladung für die Stärken der Ströme an Stromverzweigungspunkten, den so genannten Knotenpunkten eines Stromkreises (Bild 1.6), so folgt durch einfache zeitliche Differenziation der so genannte Knotensatz oder 1. Kirchhoff´sche Satz:
n
Iν = 0
∑ (vzb)
(1.20)
ν =1
Dabei erhalten zum Knoten fließende und vom Knoten weggerichtete Ströme unterschiedliches Vorzeichen.
Anders ausgedrückt ergibt sich:
n1
n2
ν =1
ν =1
∑ Iν ab = ∑ Iν zu
(1.21)
An Knoten in elektrischen Stromkreisen ist die Summe der Stärken aller zum
Knoten hinfließenden Ströme gleich der Summe der Stärken aller vom Knoten
wegfließenden Ströme.
I6
I1
I5
I2
I4
Ages
I1
I2
A1
I3
A2
I3
Bild 1.6 Zur Veranschaulichung des
Knotensatzes
A3
Bild 1.7 Knotensatz im räumlichen Leiter
Wendet man den in Gleichung (1.20) formulierten Knotensatz und den in Gleichung
(1.13) gegebenen Zusammenhang zwischen elektrischem Strom und Stromdichte auf
eine in sich geschlossene Hüllfläche im Strömungsfeld an, so entsteht (s. a. Bild 1.7)
n
∑ ∫ J dA = 0, ∫ J dA = 0
v =1
Av
A
als wichtige Grundeigenschaft des elektrischen Strömungsfeldes.
(1.22)
20
1 Vorgänge in elektrischen Netzwerken bei Gleichstrom
1.1.3 Kräfte auf Ladungen, elektrische Spannung und elektrische
Feldstärke
Da die Ursache der im vorangehenden Abschnitt beschriebenen elektrischen Strömungserscheinungen Ladungsbewegungen unter dem Einfluss elektrischer Kräfte
sind, muss nun der Beschreibung letzterer das notwendige Augenmerk gewidmet
werden. Physikalische Beobachtungen haben ergeben, dass bei sonst gleichem elektrischem Zustand des untersuchten Mediums die darin auf eingebrachte Probeladungen ausgeübten Kräfte sowohl nach Betrag als auch nach Richtung der Größe und
Polarität der Probeladung proportional sind.
Da die Ladung eine skalare, die Kraft jedoch eine vektorielle Größe ist, muss der
den elektrischen Zustand des Mediums beschreibende Teil der Gleichung eine vektorielle Größe sein. Man schreibt also:
F = Q E,
E=
F
Q
(1.23)
Die Größe E wird als die elektrische Feldstärke bezeichnet und bildet ebenfalls ein
Vektorfeld, da bekanntermaßen die Kraft auf eine Probeladung nach Betrag und
Richtung an jedem Punkt des Raumes variieren kann. Die elektrische Feldstärke
kann somit als ein Vektorfeld interpretiert werden, welches die Kraft pro Ladungseinheit im elektrischen Feld darstellt. Die Richtung des Feldstärkevektors stimmt
dabei mit der Richtung der Kraft auf positive Ladungen überein.
In vielen Fällen erweist sich auch für die elektrische Feldstärke eine übersichtliche
Darstellung durch Feldlinien als wünschenswert. Der Verlauf der Feldlinien wird
wie bei den Strömungslinien dadurch charakterisiert, dass die Richtung des Feldstärkevektors mit der Richtung der Tangente an die Feldlinie im betrachteten Punkt
übereinstimmt. Diese Tatsache nutzt man zur rechnerischen Ermittlung der Gleichungen der Feldlinien aus. Ist dl in dem in Bild 1.8 dargestellten elektrischen Feld
ein Element der Feldlinie durch den Punkt P und E die Feldstärke in diesem Punkt,
so ist die Bedingung für die Parallelität beider Vektoren das Verschwinden ihres
Vektorproduktes.
Elektrode 1
Elektrode 2
P
dl
E
Feldlinien
Bild 1.8 Zur Berechnung der
Feldlinien
1.1 Grundbegriffe und Grundgesetze
21
Der Vektor dl ist also dann Teil einer Feldlinie, wenn gilt:
E × dl = 0 .
(1.24)
Werden beide Vektoren im kartesischen Koordinatensystem durch ihre Komponenten dargestellt, so ergibt sich für die beiden Vektoren dl und E
dl = dx i + dy j + dz k ,
E = Ex i + E y j + Ez k .
(1.25)
Für das Vektorprodukt entsteht dann:
(
)
(
0 = i E y dz − Ez dy + j (Ez dx − Ex dz ) + k Ex dy − E y dx
)
(1.26)
oder für die Komponenten getrennt:
E y dz = E z dy ,
E z dx = E x dz ,
E x dy = E y dx .
(1.27)
Mit diesem System von Differenzialgleichungen können für jede Feldanordnung die
Gleichungen aller Feldlinien berechnet werden.
Die Einheit der elektrischen Feldstärke berechnet sich dann zu
[E ] = [F ] = 1 N = 1 kg ⋅ m3 = 1 V ,
[Q] A ⋅ s A ⋅ s
m
(1.28)
mit der abgeleiteten Einheit
1V =1
kg ⋅ m 2
(1 Volt ) .
A ⋅ s3
b
Uab
dl
Q
(1.29)
Weg der
Probeladung
F=EQ
Bild 1.9 Zur Definition der elektrischen
Spannung
a
Ein wichtiger Zusammenhang ist die Berechnung der zum Transport einer Ladung Q
vom Punkt a zum Punkt b im elektrischen Feld durch dieses aufgebrachten Energie
(Bild 1.9). Die dazu benötigte mechanische Arbeit wird der Energie des elektrischen
Feldes entzogen. Man kann also schreiben:
b
b
b
a
a
a
Wel = ∫ F dl = ∫ Q E dl = Q ∫ E dl .
(1.30)
22
1 Vorgänge in elektrischen Netzwerken bei Gleichstrom
Für das Wegintegral der Feldstärke wird in der Elektrotechnik der Begriff der elektrischen Spannung U eingeführt. Man erhält aus Gleichung (1.30):
b
U ab = ∫ E dl =
a
Wel
Q
(1.31)
Damit ist als elektrische Spannung die Energie pro Ladungseinheit charakterisiert, die notwendig ist, um die Ladungseinheit durch das elektrische Feld vom
Punkt a zum Punkt b zu transportieren.
Erfolgt der Ladungstransport in einem Feld konstanter elektrischer Feldstärke (homogenes Feld) entlang einer Feldlinie, gestaltet sich der Zusammenhang nach Gleichung (1.31) besonders einfach. Man erhält:
U ab = E lab =
Wel
.
Q
(1.32)
Die Einheit der elektrischen Spannung ist also
2
[U ] = 1 N ⋅ m = 1 kg ⋅ m3
A ⋅s
A ⋅s
=1V .
(1.33)
Die Spannung zwischen zwei Punkten des elektrischen Feldes wird durch einen
Spannungspfeil gekennzeichnet, dessen Orientierung mit der Richtung der positiven
Ladungsbewegung übereinstimmt (s. Bild 1.9).
Dies ist auch bei passiven Elementen die Antriebsrichtung auf positive Ladungsträger. Dabei werden im Folgenden alle die Elemente als passiv bezeichnet, bei denen
die Energiedifferenz ∆Wel positive Werte besitzt, in denen also elektrische Energie
in andere Energieformen umgewandelt wird (Wärme, mechanische Energie u. ä.).
Im Gegensatz dazu existieren in elektrischen Stromkreisen auch aktive Elemente, in
denen elektrische Energie aus der entsprechenden Umwandlung anderer Energieformen (chemische Energie, mechanische Energie u. a.) hervorgeht. In diesen Elementen werden durch die äußeren Kräfte die positiven Ladungen gegen das elektrische Feld bewegt, so dass die Energiedifferenz ein negatives Vorzeichen erhält. Um
die unterschiedliche Natur aktiver Elemente zu charakterisieren, spricht man in diesen Fällen von so genannten Quellenspannungen Uq. Diese sind wegen ihrer
"äußeren" Ursachen nicht von Stromdichte oder Strom im elektrischen Feld abhängig. Eine wichtige Fundamentaleigenschaft der elektrischen Spannung und der
elektrischen Feldstärke ergibt sich aus dem Energieerhaltungssatz.
Bewegt man als Gedankenexperiment im elektrischen Feld (s. Bild 1.10) oder in
einem elektrischen Stromkreis (siehe Bild 1.11) eine Probeladung Q längs eines
geschlossenen Weges, so muss aus energetischen Gründen die dabei aufgenommene
Energie gleich der abgegebenen Energie sein. Wegen des unterschiedlichen Vorzei-
1.1 Grundbegriffe und Grundgesetze
23
chens der beiden Energiearten muss die Gesamtsumme aller Energieänderungen also
gleich null sein. Man erhält im Fall von Bild 1.10
U2
U1
E
Q
1
dl
3
2
U5
U3
Uq
5
Bild 1.10 Ladungsbewegung in räumlichen
Leitern
Wel ges = Q ∫ E dl = 0,
L
∫ E dl = 0 .
L
U4
4
Bild 1.11 Maschensatz in Stromkreisen
(1.34)
Für einen elektrischen Stromkreis führt die stückweise Auflösung des Integrals
(s. Bild 1.11) zu
2
3
1
1
2
n
∫ E dl + ∫ E dl + ... + ∫ E dl = 0
(1.35)
und schließlich zu
U1 + U 2 + U 3 − U 4 − U q − U 5 = 0
(1.36)
oder allgemein:
n
Uν = 0
∑ (vzb)
ν =1
(1.37)
Dieser als Maschensatz oder 2. Kirchhoff´scher Satz bezeichnete Zusammenhang
besagt:
Auf einem geschlossenen Weg ist die vorzeichenbehaftete Summe aller Spannungen (unter Einschluss der Quellenspannungen) gleich null. Dabei sind alle
Spannungen, deren Pfeilrichtungen mit der gewählten Umlaufrichtung übereinstimmen, als positiv zu zählen, solche mit entgegengesetzter Richtung als negativ.
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