Schriftliche Anfrage - Bayerischer Landtag

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Bayerischer Landtag
16. Wahlperiode
Drucksache
16/2352
06.11.2009
Schriftliche Anfrage
des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
vom 20.07.2009
Klonen von Tieren
Klonen ist ein Verfahren, mit dem genetisch identische Organismen geschaffen werden. Dies kann durch Entnahme einer totipotenten Zelle eines sich bis zum maximal Vierzellstadium befindlichen Embryos oder aber durch Zellkernübertragung erfolgen. Bei diesem Nukleustransfer wird ein
Zellkern des zu klonenden Organismus isoliert und in eine
Eizelle eingesetzt, deren Zellkern entnommen worden ist. So
entsteht ein Lebewesen, dessen Erbinformationen mit denen
des Quellorganismus identisch sind. Klonen ist gesellschaftlich sehr umstritten.
Daher frage ich die Staatsregierung:
1.
An welchen bayerischen Forschungseinrichtungen werden Tiere geklont (reproduktives wie nicht-reproduktives Klonen) bzw. wird an und mit geklonten Tieren geforscht (Gene Farming, Xenotransplantation, Nutztiere
als Produzenten von Nutraceuticals etc.)?
1.1 Welche Ziele werden bei den Forschungsvorhaben jeweils verfolgt?
1.2 Welche Erfolge haben die Forschungseinrichtungen dabei erreicht?
2.
Welche Unternehmen haben sich in Bayern auf die Entwicklung, Weiterentwicklung und Anwendung von
gentechnischen bzw. molekulargenetischen Verfahren
bei Tieren spezialisiert?
2.1 Welche Unternehmen generieren transgene Tiere als
Krankheitsmodelle und zur Gewinnung rekombinanter
Proteine?
2.2 Welche Unternehmen haben sich auf die gentechnische
Veränderung und Klonierung von Tieren spezialisiert?
3.
Wie werden bei staatlichen Forschungseinrichtungen
die Vorhaben jeweils finanziert (Anteil und absolute
Höhe von staatlichen Mitteln sowie Drittmitteln; Drittmittelgeber nennen)?
3.1 Welche sonstigen Beiträge leisten private Unternehmen
für die jeweiligen Vorhaben?
3.2 Welchen finanziellen oder sonstigen Nutzen ziehen
Drittmittelgeber aus ihrer Beteiligung?
4.
Wie stellt die Staatsregierung sicher, dass – entsprechend einer Forderung der Europäischen Gruppe für
Ethik in den Wissenschaften und den neuen Technologien (EGE) – das Recht der Öffentlichkeit auf Schutz
vor Risiken sowie ihr Recht auf angemessene Information besonders beachtet werden sollte, soweit das Klonen zu gesundheitlichen Zwecken beitragen soll?
4.1 Wie beurteilt die Staatsregierung ethische Einwände,
Tiere dürften nicht als Ressource oder Ersatzteillager
benutzt werden, denn das sei gegen die Würde der Kreatur bzw. gegen die Schöpfung, in der Abwägung gegen
das Argument, dass Tiere in der medizinischen Grundlagenforschung geklont werden dürften, um mögliche
Heilmethoden für den Menschen zu entwickeln (z.B.
Xenotransplantation aus geklonten Tieren)?
4.2 Wie beurteilt die Staatsregierung tierschutzrechtliche
Argumente, wonach Klonen zusätzliches Tierleid verursache, weil geklonte Tiere früher sterben, häufig
krank und von Geburt an deformiert sind und durch das
Klonen von Tieren mehr Versuchstiere gebraucht werden?
5.
Teilt die Staatsregierung die von der Europäischen
Gruppe für Ethik in den Wissenschaften und den neuen
Technologien (EGE) formulierten Kriterien zu ethischen Aspekten der Tierklonung?
5.1 Wenn ja, wie stellt die Staatsregierung die durch EGE
formulierten ethischen Anforderungen sicher, etwa dass
das Kriterium des Wohlergehens der Tiere streng beachtet wird, die Ziele und Methoden ethisch gerechtfertigt sind und das Forschungsvorhaben unter ethisch annehmbaren Bedingungen entsprechend der Stellungnahme Nr. 7 der GAEIB über transgene Tiere durchgeführt wird – also unter Einhaltung folgender ethischer
Bedingungen: die Pflicht, das Leiden der Tiere zu vermeiden oder so gering wie möglich zu halten, da ungerechtfertigtes oder unverhältnismäßiges Leiden nicht
hingenommen werden kann; die Pflicht, Tierversuche
in der Forschung zu reduzieren, durch andere Versuche
zu ersetzen, und – wenn möglich – zu überprüfen; das
Fehlen besserer Alternativen; die menschliche Verantwortung gegenüber den Tieren, der Natur und der Umwelt, einschließlich der biologischen Vielfalt?
5.2 Wie wird die Einhaltung dieser Kriterien kontrolliert?
6.
Hält die Staatsregierung eine gesetzliche Regelung für
das Klonen von Tieren für erforderlich?
6.1 Strebt die Staatsregierung eine gesetzliche Regelung für
Forschung, Produktion und Handel mit Klonen an?
7.
Hält die Staatsregierung ein Klonverbot beim Menschen für nötig und vereinbar mit der grundgesetzlich
garantierten Freiheit von Wissenschaft und Forschung?
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Antwort
des Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit
vom 19.10.2009
Die Schriftliche Anfrage beantworte ich in Abstimmung mit
dem Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und
Kunst wie folgt:
Klonen ist die natürliche bzw. technische asexuelle Vermehrung, mit der genetisch identische Organismen entstehen.
Das Klonverfahren fällt nicht unter den Anwendungsbereich
des Gentechnikrechts, das lediglich Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) umfasst.
Für das Klonen höherer Organismen gibt es zwei verschiedene Methoden:
Die künstliche Mehrlingsbildung (Embryonensplitting) und
die Übertragung von Zellkernen (Zellkerntransfer) auf andere Zellen. Das Embryonensplitting ist ein seit Jahren etabliertes Verfahren in der Tierzucht und als isoliertes Verfahren tierschutzrechtlich nicht reglementiert. Die Übertragung
von Zellkernen aus differenzierten Zellen auf entkernte tierische Eizellen gilt nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes als Tierversuch und ist nach § 8 des Tierschutzgesetzes genehmigungspflichtig.
In einigen Fällen wird das Klonen mit gentechnischen Veränderungen an den Tieren kombiniert, sodass die Verfahren
nicht immer isoliert voneinander betrachtet werden können.
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BSL Bioservice Scientific Laboratories GmbH
Merck KGaA
Aurigon Life Science GmbH
Corimmun GmbH
Zu 2.1:
Alle unter 2. genannten Unternehmen haben im Rahmen von
genehmigungspflichtigen Tierversuchen die Erzeugung
transgener Tiere als Krankheitsmodelle beantragt, zwei davon verwenden transgene Tiere zur Gewinnung rekombinanter Proteine.
Zu 2.2:
Die genannten Unternehmen besitzen spezielle Kenntnisse
über gentechnische bzw. molekulargenetische Verfahren.
Damit ist auch eine gewisse Spezialisierung vorhanden, die
aber je nach Produktpalette der Unternehmen nicht ausschließlich ist.
Zu 3.:
Aus öffentlichen Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Europäischen Kommission (EU)
werden an der Ludwig-Maximilians-Universität München
folgende Vorhaben finanziert, in denen Klonen von Tieren
eine Rolle spielt, teilweise aber mit gentechnischen Methoden kombiniert wird:
Zu 1.2:
Die meisten der genannten Forschungsprojekte sind noch
nicht abgeschlossen, sodass derzeit keine definitiven Aussagen zu den Erfolgen möglich sind.
– Mechanismen der embryo-maternalen Kommunikation:
Gesamtkosten von DFG finanziert (1.818.000 €)
– Xenotransplantation (Transgenic strategies to overcome
cellular rejection of pig-to-primate xenografts): Gesamtkosten von DFG finanziert (570.000 €)
– Mechanismen der Frakturheilung bei Osteoporose
(Überexpression von RANKL zur Untersuchung der metaphysären Frakturheilung im osteoporotischen Großtiermodell): Gesamtkosten von DFG finanziert (276.000 €)
– Germ cell potential (Ooycte maturation and development
competence at different life cycle stages): Gesamtkosten
von DFG finanziert (168.000 €)
– Cloning in cattle; nuclear architecture and epigenetic status of chromatin during reprogramming of donor cell
nuclei: Gesamtkosten von DFG finanziert (213.000 €)
– Establishment of pig model with gastric carcinoma: Gesamtkosten von BMBF finanziert (138.000 €)
– PLURYSIS – Systems biology approaches to understand
cell pluripotency: von EU mit 392.000 € finanziert, Gesamtkosten 574.000 €
– SABRE – Cutting-edge genomics for sustainable animal
production: Gesamtkosten von EU finanziert (310.000
€).
Zu 2.:
Bei folgenden Unternehmen sind die gesetzlichen Voraussetzungen für gentechnische Arbeiten mit Tieren gegeben:
– Roche Diagnostics GmbH
– Micromet AG
– Agrobiogen GmbH
– Bavarian Nordic GmbH
– Ingenium Biopharmaceuticals AG
Aus Mitteln der Bayerischen Forschungsstiftung (BFS),
anderen Stiftungen und der Industrie werden folgende
Vorhaben finanziert:
– FORZEBRA; Entwicklung genetisch immundefizienter
Schweinemodelle: von BFS mit 229.000 € finanziert
– Muskeldystrophie –- Therapieforschung am Großtiermodell: von BFS mit 260.000 € finanziert
– Generation of CFTR mutant pig models of cystic fibrosis:
Zu 1.:
An der LMU München wird an und mit geklonten Tieren geforscht.
Zu 1.1:
Teilweise sollen im Rahmen der Grundlagenforschung bestimmte Mechanismen bei der Zellteilung untersucht werden, teilweise sollen über gentechnische Veränderungen
Tiermodelle für bestimmte Krankheiten erzeugt werden
(Osteoporose, Magenkarzinom, Muskeldystrophie, Mukoviszidose), teilweise sollen gentechnisch veränderte Tiere erzeugt werden, die immunologisch so verändert sind, dass ihre Organe weniger Abstoßungsreaktionen bei der Verpflanzung auf andere Spezies (Xenotransplantation) hervorrufen.
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Gesamtkosten von Mukoviszidose e.V. finanziert
(282.000 €)
– Cloning of immunoglobulin deficient rabbits:
Gesamtkosten von Roche Diagnostics GmbH finanziert
(304.000 €)
Zu 3.1:
In einem Fall wird eine Lizenz für das Klonen eingebracht,
die es erlaubt, die resultierenden Tiermodelle auch kommerziell zu verwerten; in einem anderen Fall wird eine Methode
zur Verfügung gestellt, die es erlaubt, die notwendigen genetischen Modifikationen einzuführen.
Zu 3.2:
Die DFG, der Bund und die EU ziehen keinen unmittelbaren
Nutzen aus der Förderung der Vorhaben, aber eine Stärkung
des Ansehens der nationalen bzw. europäischen Forschung.
Durch die Vorhaben der Universität werden objektive, der
Allgemeinheit zugängliche Erkenntnisse gewonnen, die für
die Bewertung des Klonens erforderlich oder zumindest
nützlich sind.
Die BFS erreicht mit ihrer Zuwendung eine Stärkung der
biomedizinischen Forschung in Bayern. Mukoviszidose e.V.
erhält ein für die Entwicklung neuer Behandlungsverfahren
für die Erbkrankheit Mukoviszidose notwendiges Tiermodell.
Roche Diagnostics GmbH erhält durch den Forschungsauftrag eine Möglichkeit für die Gewinnung von Antikörpern
zur Behandlung unterschiedlichster Erkrankungen.
Zu 4.:
Vor der arzneimittelrechtlichen Zulassung muss die gesundheitliche Unbedenklichkeit jedes Arzneimittels sorgfältig geprüft werden. Die Ergebnisse der universitären Forschung
werden veröffentlicht (Art. 6, 8 BayHSchG).
Zu 4.1:
Tiere sind schützenswerte Lebewesen und deshalb ist beim
Klonen besondere Sorgfalt geboten. Dennoch kann dieser
Schutz nicht absolut sein, wenn die Erhaltung, Rettung, Förderung und der Schutz menschlichen Lebens das Opfer von
Tieren unabweisbar fordern.
Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit menschlicher Spendeorgane sollte insbesondere auch die Möglichkeit einer sog.
Xenotransplantation, d. h. die Übertragung von Gewebe oder
Organen tierischen Ursprungs auf den Menschen, weiterverfolgt werden. Ziel ist, hierdurch den Kreis schwerstkranker
Patienten, deren Leben verlängert oder gerettet werden kann,
nennenswert zu erweitern.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt finden Xenotransplantationen
nur begrenzte klinische Anwendung. Dafür werden keine geklonten Tiere benötigt. Im Rahmen von Studien werden u. a.
tierische Inselzellen bei Diabetes, Hirnzellen beim Parkinsonsyndrom oder Leberzellen bei Leberversagen eingesetzt.
Die Transplantation von Schweineherzklappen (erste Implantation einer Schweineklappenprothese am 23.09.1964)
ist heute weit verbreitet.
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Ein Beispiel für ein gentechnisch hergestelltes Arzneimittel
ist ATryn®. Dieses enthält das gerinnungshemmende Mittel
Antithrombin alfa. Es wird aus der Milch von Ziegen gewonnen, in die ein Gen (DNA) eingebracht wurde, das sie
zur Produktion des menschlichen Proteins in ihrer Milch befähigt.
Xenotransplantationen werden durch immunologische Probleme (Abstoßungsreaktionen), anatomische und physiologische Unterschiede sowie mögliche Infektionsrisiken begrenzt. Man hofft, durch Gewinnung von genetisch veränderten (transgenen) Tieren (insbesondere Schweinen) sowohl die immunologischen als auch infektiologischen Risiken verringern zu können.
Zu 4.2:
Die tierschutzrechtlichen Aspekte beim Klonen von Tieren
werden von der Staatsregierung sehr ernst genommen. Für
jedes Tierversuchsvorhaben, also auch für die Zellkernübertragung zum Zweck des Klonens, prüft eine unabhängige
Kommission aus Wissenschaftlern und Tierschützern im
Vorfeld die ethische Vertretbarkeit. Nur wenn die ethische
Vertretbarkeit im Hinblick auf den Versuchszweck gewährleistet ist, wird das Versuchsvorhaben genehmigt.
Zu 5.:
Die Europäische Gruppe für Ethik in den Wissenschaften
und den neuen Technologien beschäftigt sich in ihrer Stellungnahme Nr. 23 mit den ethischen Aspekten des Klonens
von Tieren zum Zweck der Lebensmittelgewinnung. Die
Staatsregierung teilt diese Einschätzung.
Zu 5.1:
Die durch EGE formulierten Anforderungen werden durch
den Artikel 20 a des Grundgesetzes, das deutsche Tierschutzgesetz und sonstige tierschutzrechtliche Vorschriften
sichergestellt.
Zu 5.2:
Die Genehmigung entsprechender Tierversuche und die
Überwachung der Einrichtungen, in denen Tierversuche
durchgeführt werden, sind durch das Tierschutzgesetz vorgegeben und werden von den zuständigen Behörden umgesetzt.
Zu 6.:
Wie bereits erwähnt ist das Klonen von Tieren durch Übertragung von Zellkernen aus differenzierten Zellen auf entkernte tierische Eizellen bereits im Tierschutzrecht reglementiert.
Zu 6.1:
Wie die bereits bestehenden Vorschriften sollten weitere gesetzliche Regelungen zum Klonen nur auf Bundesebene getroffen werden.
Zu 7.:
Das Klonen von Menschen ist nach dem Embryonenschutzgesetz in Deutschland verboten. Bereits der Versuch des
Klonens von Menschen ist strafbar.
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