STUDIENBERICHT Klinische Studie belegt Eignung einer neuen proteinreduzierten Säuglingsanfangsnahrung Originaltitel: Fleddermann M et al. Infant formula composition affects energetic efficiency for growth: The BeMIM study, a randomized controlled trial. Clin Nutr 2014; 33(4): 588-595. Hintergrund Säuglinge sollen nach WHO-Empfehlung möglichst 6 Monate voll gestillt werden. Stillen schützt nicht nur vor Infekten des Magen-Darm-Trakts und der Atemwege, sondern reduziert auch das Risiko für Übergewicht und Diabetes im späteren Leben. Wenn Stillen nicht möglich ist, sollte eine geeignete Säuglingsanfangsnahrung gefüttert werden. Säuglingsanfangsnahrungen wurden in den letzten Jahrzehnten unter anderem durch den Zusatz von LCPs (langkettige mehrfach ungesättigte Fettsäuren) und durch Anpassung des Proteingehaltes bzw. der -quelle verbessert. Dennoch nehmen flaschenernährte Säuglinge immer noch mehr Protein auf als gestillte Säuglinge, da Milchnahrungen aufgrund der geringeren Proteinqualität von Kuhmilch gegenüber Muttermilch mehr Protein enthalten müssen. Unterschiede in der Aminosäurezusammensetzung erfordern höhere Mengen an Kuhmilchprotein um die adäquate Zufuhr an essentiellen Aminosäuren zu sichern. Basierend auf der „frühen Proteinhypothese“ führt eine hohe Proteinaufnahme im Säuglingsalter zu einer erhöhten Gewichtszunahme, welche mit einem erhöhten Risiko für Übergewicht und den damit verbundenen Erkrankungen im späteren Leben assoziiert ist. Daher scheint eine dem Bedarf angepasste Proteinaufnahme im Säuglingsalter für eine langfristige Gesundheit förderlich zu sein. Um den Proteingehalt in einer Säuglingsanfangsnahrung senken zu können, muss eine hohe Proteinqualität gewährleistet sein. Die Verwendung von Alpha-Lactalbumin (ALAB), einem hochwertigen Molkenprotein, ermöglicht die Reduzierung des Proteingehalts in Säuglingsanfangsnahrung, da es die ausreichende Versorgung mit den essentiellen Aminosäuren sichert. Studienziel Nachweis der Eignung und Sicherheit einer Säuglingsanfangsnahrung mit reduziertem Proteingehalt für die Ernährung von gesunden reifgeborenen Säuglingen (Nichtunterlegenheit gegenüber einer Standardnahrung). Primärer Zielparameter: durchschnittliche tägliche Gewichtszunahme (g/Tag) im Alter von 30 bis 120 Tagen. Laut EU-Richtlinie 2006/141 ist für eine Säuglingsanfangsnahrung mit einem Proteingehalt zwischen 1,8 und 2,0 g/100 kcal eine Studie zum Nachweis der Eignung erforderlich. Methodik Design: Prospektive, randomisierte, parallele, kontrollierte, doppelblinde Interventionsstudie (BelgradeMunich-Infant-Trial; BeMIM) Probanden: Gesunde reife Neugeborene, bei denen innerhalb der ersten 28 Tage mit der Fütterung von Säuglingsanfangsnahrung begonnen wurde. Interventionsnahrung: Proteingehalt 1,89 g/100 kcal; 67 kcal/100 ml; Zusatz von ALAB, L-Phenylalanin und L-Tryptophan; Zusatz von LCP (Arachidonsäure (AA), Docosahexaensäure (DHA)). Kontrollnahrung: Standard-Säuglingsanfangsnahrung mit Proteingehalt 2,2 g/100 kcal; 67 kcal/100 ml; ohne LCP. Referenzgruppe mit gestillten Kindern Ergebnisse Ausgewertet wurden die Ergebnisse von je 82 Kindern der Interventions- und Kontrollgruppe. Es gab keinen signifikanten Unterschied bei der durchschnittlichen täglichen Gewichtszunahme zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe (30,2±6,3 vs. 28,3±6,5 g/d). Die Interventionsnahrung wurde zudem gut vertragen und akzeptiert: bei den Stuhlcharakteristika, dem Spuckverhalten, Blähungen und Koliken gab es keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Unerwünschte Ereignisse (wie Atemwegsoder Harnwegsinfekte, Hautekzeme, gastrointestinale Probleme) traten bei Säuglingen der Interventionsgruppe seltener auf als in der Kontrollgruppe. August 2014 INFORMIERT Proteinzufuhr aus den Studiennahrungen 16 Proteinaufnahme in g/Tag 14 Proteinreduzierte Nahrung 1,89 g / 100 kcal Kontrollnahrung 2,2 g / 100 kcal 10 *** *** *** 12 ** 8 6 4 2 0 30 60 Lebenstage Diskussion 90 Unterschiede signifikant: ** P< 0,01; *** P< 0,001 Die Proteinaufnahme war während der gesamten Studiendauer in der Interventionsgruppe signifikant geringer als in der Kontrollgruppe. Die Analyse der Blutparameter zeigte, dass das Plasma-Aminosäure-Profil der Säuglinge in der Interventionsgruppe insgesamt näher an dem der gestillten Kinder lag. Die Interventionsnahrung mit LCP-Zusatz führte zu einem höheren AA- und DHA-Gehalt im Plasma im Vergleich zur Kontrollnahrung ohne LCP (8,24 vs. 7,02% bzw. 4,51 vs. 1,48%). Insgesamt hatten die Säuglinge mit Interventionsnahrung einen LCP-Status näher dem der Referenzgruppe. Die Trinkmengen beider Gruppen lagen im alterstypischen Rahmen. Im Alter von 3 bzw. 4 Monaten tranken die Kinder der Interventionsgruppe signifikant weniger als die Kinder der Kontrollgruppe (im Mittel um 90 ml bzw. 140 ml) und nahmen damit weniger Energie auf (509±117 vs. 569±152 kcal/d, P=0,005 bzw. 528±123 vs. 617±169 g/d, P=0,001). Trotz der geringeren Trinkmenge zeigten die Kinder der Interventionsgruppe ein vergleichbares Wachstum zur Kontrollgruppe. Dies weist auf eine bessere energetische Effizienz (gleiches Wachstum bei geringerer Energieaufnahme) hin. Das Wachstum von Säuglingen mit einer proteinreduzierten Anfangsnah- rung lag innerhalb des normalen Rahmens flaschengefütterter Säug- linge und war der Kontrollgruppe nicht unterlegen. Das Studienziel wurde somit erreicht. Alle Kinder akzeptier ten die Nahrung gut. Die geringere Zahl an unerwünschten Ereignissen in der Interventionsgruppe gegen- 120 über der Kontrollgruppe ist laut Auto- ren möglicherweise auf den Zusatz von ALAB zurückzuführen. ALAB werden immunmodulatorische und antibakterielle Effekte zugeschrieben. Die reduzierte Proteinaufnahme mit der Interventionsnahrung wurde nicht durch eine höhere Trinkmenge kompensiert. Im Alter von 3 und 4 Monaten zeigten die Kinder der Interventionsgruppe eine geringere Mahlzeitenfrequenz, weshalb sie signifikant weniger Nahrung zu sich nahmen als die Kontrollgruppe. Die Trinkmengen beider Gruppen lagen jedoch im alterstypischen Rahmen. Das geringere Trinkvolumen könnte laut Autoren auf eine bessere Sättigung der Interventionsnahrung zurückgeführt werden. Der Grund hierfür liegt möglicherweise in der verbesserten Proteinqualität. Diskutiert wurde ein Zusammenhang zwischen dem im Vergleich zur Kontrollgruppe höheren Verhältnis von Tryptophan zu den verzweigtkettigen, neutralen Aminosäuren im Plasma und einem höheren Tryptophanspiegel im Gehirn. Letzteres ist eine Vorstufe von Serotonin, welches eine Rolle bei der Regulierung des Hungergefühls spielt. Der scheinbar kleine Unterschied in der Zusammensetzung der beiden Säuglingsanfangsnahrungen beeinflusst offensichtlich die energetische Effizienz. Laut Autoren ist dieser Effekt möglicherweise auf dem Zusatz von ALAB begründet. hipp-fachkreise.de hipp-fachkreise.at Für das Wertvollste im Leben. 47074-08-2014 In der BeMIM-Studie wurde gezeigt, dass die Säuglingsanfangsnahrung mit dem auf 1,89 g/100 kcal abgesenkten Proteingehalt und gleichzeitig verbesserter Proteinqualität für die Ernährung von gesunden, reifgeborenen Säuglingen ab Geburt geeignet ist. Die Nahrung wurde gut vertragen und akzeptiert und führte zu einer guten Sättigung. Mit der neuen Säuglingsanfangsnahrung kann die Proteinaufnahme von flaschenernährten Säuglingen reduziert werden, was aktuellen Empfehlungen von Experten entspricht dem physiologischen Proteinbedarf auch mit Flaschennahrung nahe zu kommen. Gedruckt auf Recyclingpapier mit dem Europäischen Umweltzeichen. Fazit