MARKETING NEWS 100 JAHRE PERSIL „MARKEN SIND NICHT, MARKEN WERDEN.“ ERFOLGREICHE MARKENFÜHRUNG IN WESTUND OSTEUROPA 223. Marketing Club-Abend am 25. Mai 2009 Mag. Heike Riedl Mag. Martina Steinberger-Voracek Unternehmen mit Markenpersönlichkeit liegen im Trend. Fast die Hälfte aller Unternehmen, die eine MehrmarkenStrategie verfolgen, erzielen 80 Prozent des Gesamtumsatzes mit lediglich drei Marken. Dabei werden durchschnittlich acht Marken innerhalb eines Mehrmarkenportfolios geführt. Auch Henkel ist eines der Top-Unternehmen der Welt, das bekanntlich eine Mehrmarken-Strategie betreibt. Am Beispiel der Marke Persil zeigte Mag. Martina Steinberger-Voracek, Business Unit Managerin Laundry & Home Care bei Henkel eindrucksvoll, wo man das Geheimnis einer starken Marke suchen und wie eine Marke über Generationen erfolgreich am Markt bestehen kann. Wäsche waschen zur Jahrhundertwende Gemeinsam mit der Referentin bestiegen wir die Zeitmaschine zurück zur Jahrhundertwende. Und dies gelingt wohl kaum besser als mit entsprechenden TV-Spots, die ja nicht zuletzt historische Zeitzeugen über den jeweiligen soziokulturellen Background der augenblicklichen Dekade sind. Abbildung 1: 1922 – Die weiße Dame startet ihren Werbefeldzug für Persil Die Zeit der Erfindung von Persil fällt in das Endzeitalter der Österreich-Ungarischen Monarchie unter Kaiser Franz Joseph I und in die Epoche des Aufbruchs in die Moderne – charakterisiert durch große Innovationen wie die Dampfschifffahrt, Eisen- und Straßenbahnen sowie die Gründung des ersten Gaswerkes, die das Kochen, die Warmwasserzubereitung und das Heizen ermöglichte. Abbildung 2: ÖsterreichUngarische Monarchie mit einer Fläche von 676.600 km² und rund 52,8 Mio. Einwohnern Das Wäsche waschen um die Jahrhundertwende war körperliche Schwerstarbeit und nahm einen wesentlichen Anteil der Tätigkeiten im Haushalt ein. Abbildung 3: Wäsche waschen zur Jahrhundertwende Der „Waschtag“ umfasste tatsächlich mindestens einen gesamten Tag an dem frau nichts anderes machte, als sich intensiv um die Reinheit der Wäsche zu kümmern. Das Einweichen in Seifenlauge, ausgiebiges Kneten und Reiben, Spülen, Trocknen und das Bleichen in der Sonne dauerte mitunter auch Tage. Unter diesen Voraussetzungen war die Erfindung eines „selbsttätigen“ Waschmittels mehr als eine schöpferische Innovation, vielmehr handelte es sich um eine soziokulturelle Revolution. Abbildung 4: 1907: Noch ist das Waschbrett als Hilfsmittel nicht überflüssig. Die neuen Waschmittel sind allerdings eine erhebliche Erleichterung PER SIL ersetzt die Rasenbleiche in der Sonne durch chemische Bleiche (Perborat). Diese wiederum setzt beim Kochen Sauerstoff frei, der die Wäsche bleicht und zudem einen Beitrag zur Hygiene leistet. Damit die Sauerstoffabgabe langsam, gleichmäßig und schonend abläuft, wird Silikat beigegeben. Auch in der Werbung geht Persil von Beginn an unkonventionelle Wege. Die Ankündigung in der Öffentlichkeit und gleichsam die Geburtsanzeige der Marke Persil erfolgte am 6. Juni 1907 in der Düsseldorfer Zeitung. Henkel reagiert auf die neuen Anforderungen mit „Persil 50“ – dem ersten synthetischen Waschmittel und gleichzeitig dem besten Persil, das es je gab. So jedenfalls lautet das Werbeversprechen, das den KundInnen mittels breit angelegter Print-, Funk- und TVKampagne vermittelt wird. Abbildung 6: Persil 59, das beste Persil, das es je gab Abbildung 5: Zeitungsanzeige Zur langen Geschichte von Persil 1907 bringt Henkel das erste selbsttätige Waschmittel der Welt auf den Markt. 1908 wird – nach dem erfolgreichen Start in Deutschland – Persil in der österreich-ungarischen Monarchie eingeführt. Obwohl Persil zehn Jahre nicht produziert wird, findet es durch den Ausdruck „Persilschein“ den Weg in den deutschen Wortschatz. Nach Ende des zweiten Weltkrieges ist Persil wieder in den Geschäften erhältlich und bedeutet für viele ein Stück Rückkehr zur Normalität. Mit Leuchtreklamen und Plakaten wird der Produktname des erfolgreichen Waschmittels wieder in Erinnerung gerufen. Die Waschmittelrezeptur wird durch optische Aufheller ergänzt, die der Wäsche ein noch reineres Weiß verleihen sollen. In den 50er und frühen 60er Jahren wird der Waschmittelmarkt durch die Erfindung der Waschmaschine revolutioniert. Mit Persil 70 kommt das erste biologisch aktive Waschmittel auf den Markt, dessen Enzyme selbst hartnäckige eiweißhaltige Flecken auflöst. In den 80er Jahren wird der Umweltschutz zu einem immer relevanteren Thema. Persil Phosphatfrei verzichtet zum ersten Mal völlig auf umweltbelastende Phosphate. 1991 kommt mit Persil Color das erste Vollwaschmittel mit Farbschutz auf den Markt. Drei Jahre später setzt Henkel einen weiteren Meilenstein in der Persil Geschichte. Nach über fünf Jahren Forschungszeit gelingt der Durchbruch mit Perlen statt Pulver. Eine verbesserte Waschleistung bei geringerer Dosierung revolutioniert den Waschmittelmarkt und verschafft Henkel einen deutlichen Innovationsvorsprung. Nachdem 1997 mit dem Persil Color-Gel das erste Gel auf den Markt kommt, das hartnäckige Flecken bereits ab 30° entfernt, ist ein Jahr später Convenience das Zauberwort. Um den VerbraucherInnen das Waschen so einfach und bequem wie möglich zu machen, entwickelt Henkel ein Universalwaschmittel in Tablettenform. Abbildung 7: Persil Tabs sind die ersten Universalwaschmittel-Tabs auf dem europäischen Markt Speziell für Menschen, die zu empfindlicher Haut neigen oder an Allergien leiden, wurde Persil Sensitiv entwickelt, das zusätzlich zur gewohnten Waschleistung sehr gut hautverträglich ist. Ein einzigartiges Wohlfühlerlebnis frischer Wäsche wird durch die Kombination von Persil mit einem Hauch von Silan 2006 erreicht, bis 2009 das neue Persil Gold noch mehr Waschkraft bei 20° bietet. Herausforderungen an die Markenführung Wie gelang es nun, dass Persil 2007 nicht 100 Jahre alt, sondern vor allem 100 Jahre jung wurde? Und wie wird Persil erfolgreich aus der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft in Harmonie mit dem Kern und der Persönlichkeit der Marke geführt? Die Antwort auf diese beiden Kernfragen fokussiert insbesondere die letzten 10 bis 15 Jahre, da gerade in dieser Zeit wesentliche Bemühungen und auch Erfolge rund um die Marke zu verzeichnen waren. Gerade die Packungsgestaltung nimmt als Visitenkarte nach außen und somit als Botschafter für die KonsumentInnen eine immer wichtiger werdende Rolle am POS ein. Der hohe Stellenwert lässt sich unter anderem damit begründen, dass sich heute viele Marke klassische Werbung gar nicht mehr leisten können und damit der Auftritt am POS eine der wenigen Möglichkeiten ist, den KonsumentInnen zu zeigen, wer oder was die Marke ist. Obwohl diese Einschränkungen für die Marke Persil nicht gelten war die Packung schon immer ein wesentlicher und wichtiger Teil des Marketing Mix. Abbildung 8: Produktgestaltung einst und heute So wurden die ersten 50 Jahre der Persil Packung durch die drei Farben grün, weiß und rot dominiert. Von 1907 bis 1956 blieb die Packung weitgehend unverändert, bis ab 1959 der Markenschriftzug quer über die Packung rutscht. Die Grundstruktur der heutigen Persil-Packung mit einem Drittel Marken-Schriftzug und zwei Drittel Bildmotiv gibt es bereits seit 1965. Seit 1982 trägt die Packung das EnergieKraftfeld. Die Herausforderung an die Gegenwart und Zukunft zeigte sich in einer ordentlichen Verjüngungskur für Persil 100. Die Forderung nach mehr Dynamik, Modernitätssteigerung und einer deutlichen Verbesserung der Displaywirkung am POS einerseits und der Anspruch auf Kontinuität, Wiedererkennung und Auffälligkeit als Grundbedingung andererseits, erforderten einen geschickten Brückschlag zwischen Innovation und Tradition. Die zentrale Aufgabenstellung an die Packungsgestaltung von Persil 100 war eine rasche Wiedererkennung am POS. Eine essentielle Rolle spielte dabei die Positionierung des MarkenSchriftzuges. Abbildung 9: Alternative Positionierungen des MarkenSchriftzuges Eine wesentliche Überlegung lag darin, die klassische ein Drittel-zwei Drittel-Aufteilung zu durchbrechen. Hierfür wurden KonsumentInnen in sehr abstrahierter Form Packungen gezeigt und gleichzeitig abgefragt um welche Marken es sich dabei handeln könnte. Das beeindruckende Ergebnis erwies sich für Henkel als richtungweisend für weitere Überlegungen zur Packungsgestaltung. Um die unverwechselbare Wiedererkennung zu gewährleisten galt es, eine Modernisierung innerhalb der gelernten Codierung umzusetzen. Abbildung 10: Persil 100 – Deutliche Modernisierung, jedoch klar in der 1/3 und 2/3 Aufteilung Kommunikation Nicht nur in der Packungsgestaltung, auch in der Werbung geht Persil neue Wege, indem Henkel oft unkonventionell und spektakulär wirbt. Kinowerbung und ein Stummfilm gehörten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den ungewöhnlichen Werbeaktionen. Ein traditionelles Element der Persil- Werbung ist die Weiße Dame. Sie wurde 1922 erstmal auf Plakaten gezeigt und war bis in die 1960er-Jahre eine bestimmende Figur der PersilWerbung. Außerdem warb Persil 1956 mit dem ersten TVSpot, der in Deutschland gezeigt wurde. Der Werbeslogan "Persil – da weiß man, was man hat" oder die Aktion "Unser Bestes" begleiten das Waschmittel seit den 1970er-Jahren. Markenpositionierung zu berücksichtigen, bindet man Frauen, Familien mit Kindern, KonsumentInnen mit hohen Qualitätsanspruch wohl am besten an eine Waschmittelmarke. als 2006. Beim spontanen Bekanntheitsgrad kam Persil 2008 auf ein Plus von 2,5 Prozent. Alles in allem also Ergebnisse, die so richtig zum Wohlfühlen sind. Mittlerweile ist Persil mit 37 Prozent Marktanteil Marktführer auf dem Waschmittelmarkt. 1995 Marktanteil Abbildung 12: Persil – reine Kraft Position 16,9 % 2 10,4 % 4 7,9 % 5 (schwac Total: Nr. 2 im UWM-Markt mit 35,2% Marktanteile Die „Jahrhundertmodernisierung“ hat Persil am Markt noch einmal deutlich gestärkt und den Abstand zum Hauptmitbewerber Ariel weiter verringert. Während der Umsatz der gesamten Branchen von 109 Millionen auf 112 Millionen Euro nur um 2,7 Prozent stieg, legte Persil um 6,4 Prozent auf über 33 Millionen Euro zu. 1 – 4 / 2009 Marktanteil Position 35,8 % 1 9,2 % 3 7,8 % 4 Total: Nr.1 im UWM-Markt mit 40 35,8 Abbildung 11: Persil Uhr 29,8 26,5 28,8 30 24,5 25 20,5 22,2 22,1 24 30,8 25 25,5 20 20 16,9 17,4 15 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02 20 03 20 04 20 05 20 06 20 07 20 08 20 09 Im Jubiläumsjahr 2007 lautet das Motto "Persil 100 Jahre – rein in die Zukunft". In diesem Zusammenhang konnte Persil auch seine KonsumentInnenakzeptanz weiter erhöhen. Dazu haben unter anderem die neuen Werbekampagnen in TV auf Plakat beigetragen. Dabei stand der Ausbau der funktionalen genauso wie der emotionalen Werte im Vordergrund. Wohlfühlmomente der Reinheit wurden mit Nähe und familiärer Zusammengehörigkeit und Harmoniesituationen gekoppelt. Indem man auf Wertewelten der jungen Menschen und ihre Vorstellungen Rücksicht nimmt, sie, ihre Sprache, ihre Weltwahrnehmung erforscht und versucht, diese Werte innerhalb der Marktanteil 35 Persil Marktanteil Abbildung 13: Marktanteile Der Marktanteil wuchs um 3,6 Prozent, von 28,8 auf 29,8 Prozent. Hier trifft Erfolg auf Effizienz: Pro Euro Umsatz wurden 2007 knapp 0,08 Werbeeuro investiert, trotz „Jahrhundertrelaunch“ um 0,6 Prozent weniger Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kontinuität als einer der primären Erfolgsfaktoren in der Markenführung zu sehen ist. Lokales Marketing mit der Synergie von internationalem Input, Priorität und interner Fokus für die Marke Persil, intensive lokale Marktforschung, die KonsumentInnen-Nähe garantiert, gepaart mit einem starken lokalen Vertriebsmanagement und einem Innovationsmanagement als Schlüssel zur Modernität mit Tradition liefern die Antwort auf die eingangs gestellte Frage, wie eine Marke über Generationen erfolgreich am Markt bestehen kann. rend sich die Verbraucher durch eine geringe Markenloyalität und mehr Kaufakte pro Jahr, sowie ein weniger frei verfügbares Haushaltseinkommen bei relativ hohen Preisen und durch teilweise sehr traditionelle Reinigungs- und Waschgewohnheiten auszeichnen, weist die Handelslandschaft ungleiche Preisniveaus innerhalb einer Region, ein Wachstum der Diskonter sowie hohe Handelsspannen und Forderungen auf. Persil Global und in der Region CEE Die Voraussetzungen für den Erfolg liegen in einer Strategie „Close to the Market“, indem Rücksichtnahme auf das lokale Erbe sowie Vertrauen in Ländekompetenzen gelegt und auf lokale Bedürfnisse gebaut wird. Um auch auf die zunehmende Sättigung der osteuropäischen Märkte vorbereitet zu sein, gilt es für Markenartikler mittels Innovationen und kontinuierlicher Markenpflege eine starke Stellung aufzubauen, die Profitbringer im Markenportfolio zu fokussieren und einen genaue Orientierung an den Konsumentenbedürfnissen zu verfolgen. Als Beispiel für eine gelebte Orientierung an den Bedürfnissen der KonsumentInnen gelten sicherlich die unterschiedlichen Packungsgrößen der Henkel-Waschpulver in den einzelnen CEE-Ländern. Aufgrund unterschiedlicher Waschgewohnheiten und deutlich geringerer Kaufkraft, bietet Henkel im Osten beispielsweise kleinere Packungsgrößen als in Westeuropa an. Abbildung 14: Uzbekistan Die Herausforderungen der Region zeigen sich zum einen bei den KonsumentInnen, zum anderen im Handel selbst. Wäh- Genauso wie einst VW den Spruch – „Da weiß man, was man hat“ unverblümt von Persil „entliehen“ hat, dürfen auch wir uns diesem für unsere Dankesworte bedienen – mit Mag. Steinberger-Voracek und Univ.-Prof. Dr. Thomas Foscht, dem nicht zuletzt unser herzlichster Dank für die Moderation des Abends gebührt, wussten wir auf jeden Fall was wir haben! Einige Eindrücke des Abends… Vorschau auf den nächsten Clubabend 29. Juni 2009 224. Marketing Clubabend Referent: Mag. Andreas Schwarz, Sanlas Holding GmbH Moderatorin: Mag. Claudia Brandstätter, Geschäftsführerin, bmm Ort: Privatklinik Laßnitzhöhe Beginn: 19.00 Uhr