„Die Hoffnung ruht auf der Früherkennung“.

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Heidelberger Myelomtage 2012: „Die Hoffnung ruht auf der Früherkennung“. Vor 20 Jahren, am 6. Juni 1992, wurde an der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg der erste Heidelberger Patient mit Multiplem Myelom (MM) mit Stammzellen aus dem eigenen Blut erfolgreich behandelt. Heute ist das Heidelberger Myelomzentrum die weltweit drittgrößte Einrichtung dieser Art und mit mehr als 170 Stammzelltransplantationen bei der Myelomerkrankung pro Jahr führend in Deutschland. Vor diesem Hintergrund fanden vom 28. bis 30. September 2012 an der Medizinischen Universitätsklinik in Heidelberg wieder die Myelomtage statt. Ärzte und Wissenschaftler informierten vor mehr als 200 Patienten, Angehörigen und Vertretern von Selbsthilfegruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie über 100 Ärzten über aktuelle Ergebnisse und Fortschritte in der Diagnostik und Therapie des Multiplen Myeloms. Hohe Teilnehmerzahlen unterstrichen auch dieses Jahr wieder die Bedeutung dieser jährlichen umfassenden Fortbildung. Da die 200 zur Verfügung stehenden Plätze für den Patiententag schnell ausgebucht waren, erhielten Patienten, die nicht teilnehmen konnten, detaillierte Informationsmaterialien zugesendet. Heidelberger Weg bei bildgebenden Verfahren. Das Multiple Myelom kann heute bereits sehr früh diagnostiziert werden. Dazu tragen bildgebende, laborchemische und molekularbiologische Methoden bei, die in ihrer Aussagekraft und Sensitivität kontinuierlich verbessert werden. Über viele Jahrzehnte umfasste die Diagnostik des Multiplen Myeloms eine einfache Untersuchung des Blutes, eine Knochenmarkpunktion zur Bestimmung des Anteils an malignen Plasmazellen und die Feststellung von Knochensubstanzdefekten (Osteolysen) mittels des sog. „Röntgenskelettstatus“, bei dem Schädel, Brustkorb, Wirbelsäule, Becken sowie die Ober‐ und Unterarme mittels konventioneller Röntgenstrahlung untersucht werden (Pariser Schema). Nach wie vor sind bei ca. 50% der Patienten die Ergebnisse des „Röntgen‐Skelettstatus“ die Basis der Beschreibung der Knochenschädigung. Außerdem wird aufbauend auf den Befunden der bildgebenden Diagnostik die Entscheidung getroffen, ob eine systemische (Chemo‐)Therapie aufgrund von Knochenzerstörung eingeleitet wird. Jedoch ist die Empfindlichkeit des konventionellen Röntgens gering. Eine Schädigung im Sinne von Osteolysen kann erst ab einer zerstörten Knochenmasse von mind. 30 – 50% sichtbar gemacht werden. Eine höhere Sensitivität bietet die Computertomographie (CT). Die CT ermittelt die Lokalisation von Osteolysen präziser und ist damit zur Beurteilung der Stabilität des betroffenen Knochens besser geeignet. Aufgrund der höheren Strahlenbelastung durch das CT wird die Bildgebung des Knochens zunehmend auf die Low‐dose Computertomographie (statt Röntgen) umgestellt. Durch die Einführung der sog. Ganzkörper‐low‐
dose‐CTs mit niedriger Strahlendosis und guter bildgebender Qualität können Schädigungen durch das MM früher erkannt und prophylaktische Maßnahmen eingeleitet werden. Während früher lediglich dargestellt werden konnte, wie sehr die Erkrankung zu einer Schädigung des Knochens geführt hat, ist es heute durch neue Verfahren bereits möglich, die Menge an bösartigen Zellen und deren Aktivität direkt einzuschätzen. Zunehmend erlangt bei der Bildgebung die Ausrichtung „hin zum Knochenmark“ an Bedeutung. Insbesondere Methoden wie die Magnetresonanztomographie (MRT) haben hier eine Vorreiterfunktion. Die Magnetresonanztomographie oder Kernspintomographie bietet die Möglichkeit, Knochenmark und sonstige Gewebe in der derzeit höchsten verfügbaren Qualität darzustellen. Basierend darauf wurden außerdem Techniken entwickelt, die die Darstellung des gesamten Organismus ermöglichen (Ganzkörper‐Magnetresonanztomographie) und die basierend auf pathophysiologischen Veränderungen des Knochenmarks wie Zellularität und Mikrozirkulation (diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI), dynamische kontrast‐verstärkte MRT) semiquantitative Parameter zur Krankheitsaktivität liefern. Die Positronenemissionstomographie (PET) stellt weiterhin Zucker‐
Stoffwechselvorgänge in Zellen mit hohem Teilungspotential, wie z.B. Tumorzellen, dar und wird meist in direkter Kombination mit einer Computertomographie angewendet. PET ist nur in Studien oder besonderen Situationen verfügbar. Die verschiedenen funktionellen Parameter der Bildgebung werden mit klinischen Parametern der Krankheitsaktivität korreliert und auf ihre prognostische Signifikanz hin überprüft. Zeigen sich nach Abschluss der Therapie im MRT noch residuelle Herde, so hat dies einen negativen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Krankheit. Während international bzw. auf Empfehlung der „International Myeloma Working Group“ bereits bei mehr als drei fokalen Läsionen eine Therapie begonnen wird, verhält man sich in Heidelberg eher zurückhaltend und beobachtet zunächst noch den weiteren Verlauf der Erkrankung. Patienten sprechen auf individualiserte Therapie besser an. Das Ziel, Algorithmen abzuleiten, um Myelompatienten abhängig von ihrer genetischen Veranlagung unterschiedlich zu behandeln, verfolgt man auch in der Molekularbiologie. Im Bereich der molekularen Diagnostik des Multiplen Myeloms spielen insbesondere Zugewinne, Verluste (Deletionen) oder Umlagerungen (Translokationen) von Chromosomenteilen eine große Rolle, die mittels interphase‐Fluoreszenz‐in situ‐Hybridisierung (iFISH) untersucht werden. Insbesondere das Vorliegen einer Deletion 17p und Translokation t(4;14) bzw. eines Zugewinns der chromosomalen Region 1q21 ist bei Myelompatienten mit einer ungünstigen Prognose verbunden. Kombiniert man die FISH‐Analyse mit dem sog. ISS‐Score (ISS = International Staging System: Stadieneinteilung in Abhängigkeit von Beta2‐Mikroglobulin‐ und Serumalbuminkonzentration), erlaubt dies die Abgrenzung von Hochrisikogruppen innerhalb der „Smouldering Myeloma‐Patientengruppe“ und der Patienten mit symptomatischem MM. Weiterhin lassen sich das Überleben zuverlässiger prognostizieren als anhand der alleinigen ISS‐Einteilung. Symptomatische Patienten mit einer t(4;14) sowie Deletion 17p profitieren in einer Studie insbesondere von einer Therapie mit dem Krebsmedikament Bortezomib vor und nach der Stammzelltransplantation. „Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Patienten auf eine individualisierte Therapie besser ansprechen und länger überleben. Zytogenetische Techniken haben bereits heute Auswirkungen auf das risikoadaptierte Management von Patienten mit Multiplem Myelom.“, sagt Professor Dr. Hartmut Goldschmidt, Leiter der Sektion Multiples Myelom. Mittels globaler Genexpressionsanalysen (GEP) lassen sich ebenfalls unterschiedliche prognostische Gruppen abgrenzen. Sogenannte Metascores erlauben es, die Vielzahl der prognostischen Faktoren und Informationen in eine Information zusammenzufassen und das Risiko in hoch, mittel und niedrig einzuteilen. Ein Genexpressionsbefund der Sektion MM ermöglicht es darüber hinaus, Ergebnisse der Genexpression und des Metascores in der klinischen Routine zu berichten. Experten äußern die Hoffnung, dass durch frühzeitige Diagnose die Myelomerkrankung vollständig geheilt werden kann. „In naher Zukunft werden Erkenntnisse aus der molekularen und bildgebenden Diagnostik helfen unsere Patienten risikoadaptiert und noch effektiver zu behandeln. Große Hoffnung ruht dabei auf der Früherkennung des Myeloms.“ Neben Professor Dr. Brian Durie, einer der weltweit führenden Experten für das Multiple Myelom, Präsident der Patientenorganisation „International Myeloma Foundation (IMF) und diesjähriger Gastredner der Heidelberger Myelomtage, äußerten eine Reihe weiterer Referenten diese Überzeugung und begründeten ihre Zuversicht mit dem Modell der „klonalen Evolution“. Dieses geht davon aus, dass die Myelomkrankheit sich genetisch kontinuierlich weiterentwickelt. Klinisch zeigt sich dies beispielsweise bei Patienten, die ein extramedulläres Myelom im Verlauf ihrer Erkrankung entwickeln. Die Heterogenität der Erkrankung wird auch sichtbar bei Therapieresistenzen. Eine Zelle auf dem Weg zur Tumorzelle hat noch nicht alle Möglichkeiten, die der bösartige Tumor in seiner vollen Ausprägung besitzt. Im Prozess der klonalen Evolution erwerben die anfangs nur durch wenige Mutationen veränderten Zellen schrittweise, durch weitere Mutationen und Selektion, alle Eigenschaften des bösartigen Wachstums. Um beim Multiplen Myelom dauerhaft eine Remission zu erreichen, müsste eine zielgerichtete Therapie möglichst frühzeitig angreifen. Sollte es möglich werden, in die Pathogenese des MM therapeutisch einzugreifen, ließe sich möglicherweise eine deutliche Verbesserung der Heilungsrate und gleichzeitige Verminderung der Rezidivrate erreichen. Das Diagnostizieren der Myelomerkrankung in einem frühen Stadium kann helfen, den richtigen Therapiezeitpunkt festzulegen. In der frühen Therapie der Myelomkrankheit liegt der Schlüssel zur Heilung. Neue Medikamente geben Hoffnung. In den letzten Jahren wurden beim Multiplen Myelom Medikamente entwickelt, die weniger Nebenwirkungen haben und einen verbesserten Wirkungsgrad besitzen. Zum einen handelt es sich um Nachfolger der Wirkstoffe Thalidomid, Lenalidomid und Bortezomib, jedoch werden auch neue Substanzen aus verschiedenen anderen Wirkungsklassen beim Multiplen Myelom geprüft, die bisher in der Therapie noch keine Rolle spielten. Die zweite Generation der erfolgreichen Proteasomeninhibitoren (bekannt durch Bortezomib) wird angeführt durch Carfilzomib. Carfilzomib zeichnet sich durch eine hohe Effektivität und eine geringe Neurotoxizität aus und scheint Bortezomib bezüglich Wirksamkeit und Nebenwirkungen überlegen zu sein. Der orale Proteasomeninhibitor Ixazomib (MLN9708) ist ebenfalls vielversprechend. Die zweite Generation der immunmodulatorischen Substanzen (bekannt durch Lenalidomid) wird durch Pomalidomid vertreten. Pomalidomid ist insbesondere wirksam in der Gruppe der Bortezomib‐ und Lenalidomid‐refraktären Patienten, wo es bislang kaum therapeutische Optionen gab. Eine neue Option in der Myelomtherapie sind die monoklonalen Antikörper, die bereits in anderen malignen Erkrankungen in der Therapie fest verankert sind. Diese Antikörper leiten eine neue Ära in der Therapie des Multiplen Myeloms ein und bilden einen Schwerpunkt der Studienaktivitäten des Heidelberger Myelomzentrums, welches in allen Krankheitsstadien, vom asymptomatischen Myelom bis zur mehrfach vorbehandelten Erkrankung, diese neuen Therapieoptionen einsetzt. Sie sind gerichtet gegen 
CS‐1 (Elotuzumab) bei älteren, neudiagnostizierten und auch bei mehrfach vorbehandelten Patienten, 
CD38 (MOR202) in mehrfach vorbehandelten Patienten 
BAFF (Tabalumab) ebenfalls in mehrfach vorbehandelten Patienten. Korrelierend mit den richtungsweisenden Heidelberger Arbeiten zur molekularen und bildgebenden Diagnostik der Myelomerkankung werden am Heidelberger Myelomzentrum zur Zeit in Studien neue Medikamente geprüft, um die bei der symptomatischen Myelomkrankheit auftretenden Organschäden schon im Vorfeld zu vermeiden. Das „Smouldering Myeloma“ ist eine Vorstufe des symptomatischen Myeloms und birgt ein hohes Risiko für eine Progression zum symptomatischen MM. Die Diagnose Smouldering MM erfordert keine „Antitumortherapie“. Patienten mit Smouldering Myeloma sind beschwerdefrei trotz der Krebsdiagnose. Der Übergang von der asymptomatischen Myelomerkrankung zur behandlungspflichtigen Tumorerkrankung beträgt im Median ca. vier Jahre. Gegenwärtig wird daran gearbeitet, beim Smouldering Myeloma Hochrisikokonstellationen verbindlich abzugrenzen und die Patienten zu behandeln. Am Heidelberger Myelomzentrum werden Antikörper (z.B Antikörper gegen das Protein Dickkopf‐1, Dkk‐1 (BHQ880) oder Antikörper gegen das Zytokin Interleukin 6 „Siltuximab“ (CNTO328)) zur Behandlung des Hochrisiko Smouldering Myeloma innerhalb von Studien eingesetzt. Weltweit werden Medikamente und neuartige Therapieoptionen in über 1.500 Studien zum Multiplen Myelom geprüft. Durch die Teilnahme an klinischen Studien ist es möglich, auch bei Patienten nach der ersten Wiederkehr der Erkrankung bessere Ergebnisse zu erzielen. Am Heidelberger Myelomzentrum wird bei der Auswahl der Studien größter Wert auf Transparenz, umfassende Aufklärung, Sicherheit und Machbarkeit gelegt. Transplantation – Stellenwert wird geprüft. Neue Substanzen haben das Tor zu einer neuen Ära in der Myelomtherapie aufgestoßen. Neue Substanzen werden als Bestandteil von Transplantationsstrategien gestestet und haben ebenso wie herkömmliche Therapieregime das Ziel, die Tiefe der Remission im Rahmen der Myelomtherapie zu verbessern und dadurch das Überleben weiter zu verlängern. Das Gesamtüberleben nach einer Myelomtherapie wird durch eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst. Zunehmend festigt sich die Datenlage dahingehend, dass die Qualität des Ansprechens auf die Behandlung, besonders das Erzielen einer kompletten Response (CR) in allen Stadien der Therapie, eindeutig mit der Verlängerung des progressionsfreien und des Gesamtüberlebens korreliert. Zunehmend kommen immer empfindlichere Analysetechniken zum Einsatz, um stringentere Remissionen und die Beseitigung der minimalen Resterkrankung (MRD) zu definieren. Hohe CR‐Raten sind entscheidend sowohl in der Erstlinientherapie als in der Rezidivsituation und können mit oder ohne Stammzelltransplantation erreicht werden. Ob die CR‐Rate durch die Stammzelltransplantation verbessert wird und eine Konsolidierung im Rahmen der Therapie darauf Einfluss hat, wird zur Zeit in Studien geprüft. Therapieregimes mit den neuen Substanzen Bortezomib, Thalidomid und Lenalidomid sind gegenüber früheren Standardschemen mit sehr hohen CR‐Raten assoziiert. Erfolgsrezept: Hohe Qualität in Therapie und Begleitforschung. Im Heidelberger Myelomzentrum der Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie der Medizinischen Universitätsklinik und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen NCT werden Patienten aus ganz Deutschland und dem Ausland untersucht und interdisziplinär, überwiegend in Studien behandelt: Ca. 350 Patienten stellen sich jährlich neu in der Sektion Multiples Myelom vor, mehr als 1.400 Patienten werden jedes Jahr hier betreut. Bereits am 7. Dezember 2010 wurde die 2000. autologe Stammzelltransplantation in Heidelberg durchgeführt. Ziel der vor 20 Jahren ins Leben gerufenen Heidelberger Myelomgruppe und der 2005 daraus hervorgegangenen Sektion Multiples Myelom ist es, die molekularen Hintergründe der bislang unheilbaren Krebserkrankung zu erforschen und Diagnostik und Therapie nachhaltig zu verbessern. Rund 3.500 Menschen erkranken in Deutschland jährlich neu am Multiplen Myelom. Dank intensiver Forschung und den daraus resultierenden Fortschritten in der Therapie hat sich die durchschnittliche Überlebenszeit der Patienten in den letzten beiden Jahrzehnten von drei auf ca. sechs Jahre verlängert. Die medizinischen Highlights des Patiententags stehen wieder als Film zur Verfügung. Im Sekretariat der Sektion Multiples Myelom können unter der Telefonnummer 06221 56 5427 kostenfrei DVDs bestellt werden. Die Vorträge und Präsentationen der Veranstaltung sind im Internet abrufbar unter http://www.klinikum.uni‐heidelberg.de/Aktuelles.118160.0.html 
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