Kapitel I Das Allokationsproblem in einer Volkswirtschaft

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Kapitel I
Wiederholung:
Marktwirtschaft und Staat (Kap. I, V)
Das Allokationsproblem in einer
Volkswirtschaft
1. Faktorallokation: Für welche Güter (Konsum- und Investitionsgüter)
und Dienstleistungen werden die Produktionsfaktoren verwendet?
Beachte: Ressourcen (Produktionsfaktoren) sind nur beschränkt
verfügbar (knapp) – nicht alles kann produziert werden.
2. Güterallokation: Für wen werden die Güter und Dienstleistungen
produziert? Welchen Personen bzw. Haushalten kommen sie zugute?
Weitere Fragen dieser Art:
Wie werden die Güter produziert, welche Technologien werden
eingesetzt? Wie viele Ressourcen werden für die Suche nach
Innovationen eingesetzt?
Teil I/2
Charakteristika der Marktwirtschaft
Eine Marktwirtschaft stellt einen bestimmten institutionellen Rahmen für
die Allokationsentscheidungen dar. Wichtige Merkmale sind:
Dezentrale Entscheidungen
•
Unternehmen sind (großteils) in Besitz privater Haushalte. Sie
treffen Produktionsentscheidungen nach ihren eigenen Zielen.
•
Private Haushalte treffen Entscheidungen über Konsumnachfrage
(und über Arbeitsangebot sowie Ersparnis) nach eigenen Zielen.
Koordination durch Marktpreise
•
Die Entscheidungen aller Wirtschaftseinheiten werden durch Güterund Faktorpreise, die auf Märkten gebildet werden, aufeinander
abgestimmt (Koordination durch die „Unsichtbare Hand des
Marktes“ - Adam Smith 1776). Als Ergebnis kommt es zu einer
bestimmten Lösung des (Güter- und Faktor-)Allokationsproblems).
Teil I/3
Märkte sind virtuelle Orte. Gemeint ist, dass Nachfrage und Angebot
aufeinander treffen.
Im Prinzip gilt, dass die Teilnahme am Marktgeschehen freiwillig ist.
Man kann (in einem gewissen Rahmen) selbst entscheiden, welche
Güter man kauft bzw. wie viele Stunden man arbeitet, und man kauft
nur dann ein Gut, wenn man dies als vorteilhaft empfindet, d.h. wenn
man das gekaufte Gut höher schätzt als den dafür hinzugegebenden
Geldbetrag.
Gegensatz zur Marktwirtschaft: Planwirtschaft (ehemalige
kommunistische Systeme)
Teil I/4
Mixed Economy
Nicht alle wirtschaftlichen Aktivitäten werden aufgrund von
individuellen Entscheidungen der privaten Unternehmen und
Haushalte ausgeführt, sondern auch der öffentliche Sektor spielt eine
bedeutende Rolle. Er beeinflusst damit die Faktor– und die
Güterallokation
•
•
•
•
Gesetzlicher Rahmen für private Aktivitäten
Angebot an bestimmten Gütern und Dienstleistungen (Bildung,
Kultur, Sicherheit, Sozialversicherung, Infrastruktur ...)
Einhebung von Steuern und Beiträgen
...
Problem: Zwang anstelle freiwilliger Teilnahme (keine individuelle
Entscheidung über das Ausmaß und die Qualität der vom Staat bereit
gestellten Güter und Dienstleistungen, vom Staat vorgeschriebene
Steuer statt Bezahlen des Marktpreises)
Teil I/5
Institutionen des Staates – Öffentlicher Sektor
Gebietskörperschaften:
• Bund
• Länder
• Gemeinden (und Gemeindeverbände)
Parafisci:
• Sozialversicherungen (Kranken-, Unfall-, Pensions-,
Arbeitslosenversicherung)
• Kammern
• Fonds
z. T. auch öffentliche Unternehmen (im Besitz der Gebietskörperschaften), je
nach Abgrenzung. (Manches Mal wird eine Unterscheidung getroffen:
öffentliche Unternehmen werden nicht zum Staat gerechnet, aber zum
öffentlichen Sektor.)
Teil I/6
Effiziente Allokation durch den Markt
Der geläufige Effizienzbegriff bezieht sich auf die Produktion: sie ist
dann effizient, wenn es unmöglich ist, mit den gleichen Ressourcen
noch mehr zu produzieren. Dies wird in einer Marktwirtschaft durch
das Kostenminimierungsziel der Unternehmen (tendenziell)
herbeigeführt.
Im Folgenden verwenden wir einen anderen Effizienzbegriff. Er betrifft
die Frage, ob die "richtigen" Mengen der Güter produziert werden, ob
also die Ressourcen dem "richtigen" Verwendungszweck zugeführt
werden (effiziente Allokation der Ressourcen).
Eine genaue theoretische Analyse erfordert die Verwendung eines
Modells. Sie folgt der Idee, dass alle Bewertungen letztlich von den
individuellen Haushalten kommen (methodischer Individualismus).
Teil I/7
Zunächst: Überlegungen im Modell des Partialmarkts.
Effizienz im Partialmarktmodell
Ausgangspunkt:
Das Standardmodell der Ökonomen basiert auf der
Grundannahme, dass die (rationalen) Konsumenten jede
Einheit eines Gutes (die sie für den Kauf in Betracht ziehen),
bewerten können. Diese Bewertung nennen wir die
(marginale) Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. (Es gibt
keine andere Instanz, keinen Monarchen, keinen Politiker,
keinen Gelehrten, der weiß, "was richtig ist" bzw. "was die
Dinge wert sind").
Man spricht in diesem Zusammenhang auch von subjektiver
Wertlehre. Beachte den Unterschied zwischen der subjektiven
Bewertung einzelner Einheiten eines Gutes durch jeden
Konsumenten einerseits und dem Marktpreis andererseits.
Letzterer ergibt sich aus der Interaktion aller Nachfrager und
Teil I/8
Anbieter.
Weiterer Ausgangspunkt: Es gibt bekannte (Grenz-)Kosten für jede
weitere produzierbare Einheit eines Gutes.
Effizienzbedingung (was ist die effiziente Menge, die von einem
Gut produziert werden soll?): eine (weitere) Einheit eines Gutes soll
produziert werden, wenn sie einem Nachfrager mindestens so viel
wert ist, wie sie bei der Produktion kostet. Wenn genau jene
Einheiten, für die diese Bedingung zutrifft, produziert (und auf dem
Markt gehandelt) werden, sprechen wir von Effizienz im
Partialmarkt.
Grob gesprochen: Ein Wirtschaftssystem funktioniert dann gut (=
effizient), wenn genau das produziert wird, was die Individuen
wollen, d. h. wofür sie mindestens so viel zu zahlen bereit sind, wie
die Produktion kostet.
Teil I/9
Das ist nicht selbstverständlich, auch nicht in der Marktwirtschaft. Die
Frage ist, wie die Konsumenten den Produzenten ihre
Zahlungsbereitschaften bekunden und ob die Verfolgung individueller
Ziele durch Konsumenten und Produzenten in Summe zur Erfüllung
der Effizienzbedingung führt.
Im Folgenden betrachten wir die übliche graphische Darstellung des
Modells eines (Partial-)Marktes bei vollkommener Konkurrenz und
zeigen, dass im Marktgleichgewicht die obige Effizienzbedingung
erfüllt ist. (Beachte: Marktgleichgewicht bedeutet, dass ein Preis
herrscht, bei dem gilt: angebotene Menge = nachgefragte Menge. Bei
diesem Preis können die (Angebots- und Nachfrage-) Pläne beider
Marktseiten realisiert werden. Keine andere Situation kann auf Dauer
bestehen bleiben.)
Teil I/10
Illustration der Effizienz eines Partialmarktes
für ein privates Gut
Preis
Marktangebotskurve
(=aggregierte Grenzkostenkurve, bei
inverser Betrachtung)
p”
p*
Marktnachfrage
(= aggregierte Kurve der
marginalen ZB, bei inverser
Betrachtung)
p’
x”
x*
x’
Menge eines
Gutes
Die Haushalte würden zum Preis p' die Menge x' kaufen, anders
ausgedrückt: die x'-te Einheit ist den Haushalten p' wert (die x"-te
Einheit ist p" wert).
Teil I/11
Allgemein: Die – inverse - aggregierte Nachfragekurve gibt an, wieviel
den Haushalten bei einer bestimmten Menge die jeweils letzte Einheit
wert ist (= marginale Zahlungsbereitschaft, eigentlich: Verzicht auf
andere Güter).
Analog: Die – inverse - aggregierte Angebotsfunktion gibt an, was die
jeweils letzte Einheit bei der Produktion kostet = Grenzkosten (eigentlich:
Opportunitätskosten - Faktoren können nicht zur Produktion anderer
Güter eingesetzt werden).
Erfüllung der Effizienzbedingung im Marktgleichgewicht: Im
Marktgleichgewicht (x*,p*) werden genau so viele Einheiten produziert,
dass für jede Einheit gilt: sie ist einem Nachfrager mindestens so viel
wert, wie sie bei der Produktion kostet (Maximum der Summe von
Konsumenten- und Produzentenrente).
Vergleiche den Wohlfahrtsverlust (excess burden) durch eine Steuer
(Kap. IV): Es werden manche Einheiten nicht produziert und gehandelt,
obwohl sie einem Nachfrager mehr wert wären, als sie bei der
Produktion kosten.
Teil I/12
Verallgemeinerung: Effizienz der
Marktwirtschaft in einem Modell mit
Märkten für viele Güter
Grundannahme: Haushalte haben Präferenzen (üblicherweise dargestellt
mithilfe von Indifferenzkurven) bezüglich aller Güter. D. h., sie können
Güterbündel reihen: Je nachdem, welche Menge von jedem Gut sie
konsumieren (können), sind sie einmal besser oder einmal schlechter dran.
Für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen mithilfe von
Ressourcen (Produktionsfaktoren) existieren gegebene Technologien,
beschrieben durch Produktionsfunktionen.
Effizienzbedingung (Pareto-Effizienz): Die Produktion der Güter mithilfe
der Ressourcen und der Konsum der Güter durch die Haushalte sollen so
erfolgen, dass es nicht (mehr) möglich ist, einen Haushalt besser zu stellen
ohne einen anderen schlechter zu stellen. In diesem Fall liegt eine Paretoeffiziente Allokation vor (es werden keine Ressourcen verschwendet).
Teil I/13
Erster Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie
Man kann in einem allgemeinen Modell mit vielen Gütern zeigen, dass
eine Marktwirtschaft zu einer Pareto-effizienten Allokation führt
(genauer: das allgemeine Gleichgewicht einer Marktwirtschaft ist eine
Pareto-effiziente Allokation).
Dies ist die theoretische Begründung für die Aussage, dass die
Marktwirtschaft, im Prinzip eine geeignete Organisationsform für
wirtschaftliche Aktivitäten darstellt: sie führt zu einer effizienten
Abstimmung der Produktion mit den Präferenzen (= Wünschen) der
Konsumenten.
Dieses Modell beruht auf wichtigen Annahmen, vor allem: Rationalität
der Haushalte und Unternehmen, Vollkommener Wettbewerb
(Preisnehmerverhalten), Keine Interdependenzen von Nutzen und
Kosten (siehe später).
Teil I/14
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