Gesunde Ernährung für Jedermann – auch für Diabetiker

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Gesunde Ernährung für Jedermann – auch für Diabetiker
Dr. Gertrud Schäfer, Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie
Die heutigen Empfehlungen für die Ernährung bei Diabetes mellitus
unterscheiden sich kaum von den Empfehlungen für Gesunde.
Für Diabetiker und für Nicht-Diabetiker sollen die täglichen
Mahlzeiten und Getränke gerade so viel Energie (‚Kalorien’, kcal)
enthalten, dass ein normales Körpergewicht erreicht und gehalten
wird. Von einer Normalisierung des Körpergewichtes proÞtieren
insbesondere übergewichtige Typ 2-Diabetiker. Denn durch
überßüssige Pfunde wird die Wirkung des Insulins abgeschwächt
(‚Insulinresistenz’). Deshalb führt eine Gewichtsreduktion in vielen
Fällen zu einer Verbesserung oder sogar Normalisierung der
Blutzuckerwerte.
Wie viel Energie und Nährstoffe brauchen Sie?
Als Faustregel für den täglichen Energiebedarf eines Erwachsenen
bei leichter körperlicher Betätigung gilt: rund 25 kcal pro Kilogramm
Körpergewicht. So hält beispielsweise ein 100 Kilogramm schwerer
Mensch sein Gewicht mit täglich 2500 kcal. Will er abnehmen,
sollten es etwa 500 bis 1000 kcal weniger sein (zur Verdeutlichung:
rund 500 kcal sind in einer Bratwurst mit Brötchen oder in einer
Tafel Schokolade enthalten; rund 1000 kcal liefern eine mittlere
Pizza oder ein großer Hamburger mit Pommes frites und 0,33 Liter
zuckerhaltige Limonade).
Die Nährstoffe Kohlenhydrate (KH), Eiweiß (E) und Fett (F) sollen
zu etwa 55, 15 beziehunsgweise 30 Prozent zur Energiezufuhr
beitragen. Pro Gramm liefern Kohlenhydrate und Eiweiß je 4,1
kcal, Fett jedoch 9,3 kcal. Bei einem Energiebedarf von 1800
kcal (Beispiel: Körpergewicht 72 Kilogramm, leichte körperliche
Aktivität) brauchen Sie nach diesen Empfehlungen 235 Gramm
Kohlenhydrate, 65 Gramm Eiweiß und 58 Gramm Fett.
Um diese sehr abstrakten Empfehlungen praktikabel zu machen,
hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)
Zehn Regeln für eine vollwertige Ernährung
formuliert, die für Stoffwechselgesunde und Diabetiker
gleichermaßen gelten. (Bei Diabetes: Achten Sie darauf,
dass Kohlenhydratmengen (BE, KE) und Tabletten oder Insulin
aufeinander abgestimmt sein müssen).
1. Vielseitig essen
Wählen Sie ein abwechslungsreiches Essen und genießen Sie die
Lebensmittelvielfalt, achten Sie aber trotzdem auf die Mengen.
2. Reichlich Vollkornprodukte und Kartoffeln
Sie sind fettarm, aber reich an Vitaminen, Mineralstoffen,
Spurenelementen, Ballast- und sekundären Pßanzenstoffen.
3. Gemüse und Obst – Nimm „5“ am Tag
Von Gemüse und Obst sollten Sie möglichst fünf Portionen
(Obstportion etwa 100 bis 150 Gramm, Gemüseportion etwa
150 bis 200 Gramm) am Tag zu den Hauptmahlzeiten und als
Zwischenmahlzeit zu sich nehmen. Sie liefern ebenfalls Vitamine,
Mineralstoffe, Ballaststoffe und wichtige sekundäre Pßanzenstoffe.
4. Milch und Milchprodukte täglich, Fisch einmal
wöchentlich, Fleisch, Wurstwaren, Eier in Maßen
So erhalten Sie hochwertiges Eiweiß und viele wertvolle Nährstoffe
(Calcium, Jod, Selen, Omega-3-Fettsäuren, Eisen, Vitamin B1,
B6, B12). Wöchentlich 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst sind
ausreichend. Bevorzugen Sie fettarme Produkte.
5. Wenig Fett und fettreiche Lebensmittel
70 bis 90 Gramm Fett pro Tag reichen aus, um Sie mit allen
lebensnotwendigen Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen zu
versorgen. Achten Sie vor allem auf unsichtbare Fette (etwa in
Fleisch- und Milchprodukten, Süßwaren). Bevorzugen Sie pßanzliche
Fette wie beispielsweise Margarinesorten mit einem hohen Anteil
an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren oder Olivenöl
und Rapsöl.
6. Würzig, aber in Maßen: Salz und Zucker
Seien Sie kreativ und heben Sie den Eigengeschmack der Speisen
mit Kräutern und Gewürzen hervor. Salz sollten Sie insbesondere
bei erhöhtem Blutdruck nur sparsam verwenden. Zucker in
‚verpackter’ Form in Lebensmitteln ist für Diabetiker nicht mehr
tabu. Zuckerhaltige Getränke wie Limonaden oder Säfte lassen
den Blutzucker jedoch sehr schnell ansteigen. Sie sollten sie durch
kalorienfreie Getränke ersetzen.
7. Flüssigkeit: reichlich
Trinken Sie rund 1,5 Liter pro Tag - möglichst in Form von Wasser.
8. Zubereitung: schmackhaft und schonend
Bereiten Sie die Speisen bei niedrigen Temperaturen in wenig
Wasser und Fett zu. Damit erhalten Sie den Geschmack, möglichst
viele Nährstoffe und vermeiden, dass sich schädliche Verbindungen
bilden.
9. Zeit für den Genuss
Essen Sie langsam und bewusst - das fördert das SättigungsempÞnden. Denken Sie daran: Das Auge isst mit - so macht das
Essen Spaß.
10. Gewicht im Lot - Þt durch Bewegung
Achten Sie auf Ihr Gewicht und bewegen Sie sich regelmäßig.
Mindestens drei Mal pro Woche 30 bis 45 Minuten körperliche
Aktivitäten wie Radfahren, ßottes Spazierengehen (Walking) oder
Schwimmen bringen Erfolg: Gewichtsreduktion, Blutdrucksenkung,
Anstieg des „guten“ Cholesterins (HDL)!
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Sport trotz Diabetes? – Sport gerade wegen Diabetes!
Dr. Thomas Suermann, Dr. Silke Niehaus-Hahn, Praxis für Innere Medizin
Bewegungsmangel und Überernährung
führen zu Insulinresistenz
Dauer verschiedener Lebensweisen in der
Entwicklungsgeschichte des Menschen
Rund 60 Prozent der Deutschen gelten heute als übergewichtig,
und bereits bei den Kindern bis 16 Jahren schätzt man den Anteil
auf über 20 Prozent.
Der Typ 2-Diabetes als typische Bewegungsmangelkrankheit hat
nicht von ungefähr in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Was früher als „Altersdiabetes“ bezeichnet wurde,
trifft heute immer jüngere Menschen.
Selbst im Kindes- und Jugendalter ist der Typ 2-Diabetes inzwischen
in manchen Regionen der Welt häuÞger als der Typ 1-Diabetes!
120.000 Generationen Jäger und Sammler (99,6 Prozent)
500 Generationen Ackerbau (0,4 Prozent)
10 Generationen industrielle Revolution (0,0083 Prozent)
1 Generation Computerzeitalter (0,00083 Prozent)
Für unsere Ahnen war Bewegung überlebenswichtig – für uns auch!
Durchschnittliche „Belastung“ durch Bewegung heute
„Neuzeitliche Naturvölker“:
Männer legen täglich im Schnitt 15-19 km,
Frauen 9 km zurück.
Fazit: Durch einen aktiven Lebensstil („moderate körperliche
Aktivität“) kann man dem Typ 2-Diabetes effektiv vorbeugen!
„Schreibtischtäter“
Mit dem Auto zur Arbeit, kurze Strecken auf dem Flur, kleiner Einkauf,
am Abend vor dem Fernseher:
300 bis 700 Meter täglich
Bewegung hilft bei Diabetes
Die Analyse von zwölf kontrollierten Studien über durchschnittlich
acht Monate zeigt, dass regelmäßiges (drei- bis viermal pro
Woche) körperliches Training im aeroben Bereich (Man sollte sich
noch unterhalten können) den HbA1c-Gehalt im Blut deutlich
senken kann. HbA1c – glykiertes Hämoglobin – ist eine Form des
Blutfarbstoffes. Sein Gehalt spiegelt sozusagen das „Blutzuckerlangzeitgedächtnis“ wider.
Diese Verbesserung der Stoffwechsellage durch regelmäßigen
Sport und aktiven Lebensstil ist so erheblich, dass das Risiko für
Diabetes-Komplikationen spürbar sinkt.
Das „Medikament“ Bewegung
Regelmäßige Bewegung
• kann Diabetes verhindern (besser als alle Medikamente)
• senkt den Blutzucker bei bereits vorhandenem Diabetes
• hilft beim Abnehmen (die meisten Medikamente fördern
die Gewichtszunahme)
• senkt den Blutdruck
• schützt vor Arteriosklerose (so umfassend wie kein Medikament)
• fördert das allgemeine WohlbeÞnden
Nebenwirkungen: bei richtiger Dosierung: keine
Kosten: keine
Wieviel Bewegung muss es sein?
•
•
•
•
wenig ist besser als nichts!
mehr Bewegung im Alltag!
regelmäßig zusätzlich Bewegung in die Woche einplanen!
lange und langsam ist besser als kurz und kräftig
(1/2 Std. Spaziergang ist besser als 10 Minuten Joggen)
• geeignete Sportarten: (Nordic) Walking, Joggen, Radfahren
Praktische Tipps - So kann es losgehen
Körperliche Aktivität verbessert die Wirksamkeit von Insulin: Mehr Transportermoleküle stehen bereit, die den Blutzucker an seinen Bestimmungsort bringen,
und die Glucose wird besser verbraucht und eingelagert.
Insulinresistenz-Syndrom: Was bewirkt Bewegung noch?
Mit Insulinresistenz ist die verminderte oder sogar ganz verloren
gegangene Wirksamkeit von Insulin im Blutzucker-Stoffwechsel
gemeint. Sie wird durch sportliche Aktivität verbessert. Aber Sport
kann noch mehr:
• Körperliche Aktivität fördert Gewichtsabnahme und Gewichtsstabilisierung. Insbesondere das in Bezug auf den Stoffwechsel
hoch aktive Bauchfett wird reduziert.
• Körperliche Aktivität senkt erhöhte Blutdruckwerte.
• Körperliche Aktivität verhindert oder verbessert Fettstoffwechselstörungen: Umgangssprachlich ausgedrückt sinken die
„Cholesterinwerte“.
• HäuÞg bei Typ 2-Diabetes anzutreffen ist eine Störung der
Þbrinolytischen Aktivität: Blutgerinnsel werden nur verzögert
aufgelöst. Diese Störung verringert sich bei regelmäßiger sportlicher Betätigung.
• Typ 2-Diabetes kann die Versorgung der Gewebeschicht im
Inneren der Blutgefäße stören. Dadurch ist beispielsweise die
Mikrozirkulation im Herzmuskelgewebe beeinträchtigt. Körperliche Aktivität verbessert die Versorgung.
• Die Arteriosklerose (Schädigung insbesondere der den Herzmuskel versorgenden Gefäße) ist möglicherweise ein „entzündlicher Prozess“. Körperliche Aktivität vermindert den entzündlichen Effekt.
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• vor Beginn des Trainings unbedingt Rücksprache mit dem Hausarzt halten
• insbesondere bei Folgeerkrankungen ist nicht jede Sportart
geeignet
• vor dem Training Blutzucker und gegebenenfalls Aceton messen
• nach Rücksprache mit dem Hausarzt gegebenenfalls Insulin
oder Tabletten reduzieren
• an Hypoglykämiegefahr (Unterzuckerung) bis 24 h nach dem
Sport denken!
• stets Messgerät, Insulin, Sport-BE‘s und Getränke mitführen
• Trainingspartner erleichtern den Einstieg.
Informieren Sie sie kurz über Ihre Krankheit
Bieten sich als Sportarten an:
Radfahren, (Nordic) Walking und Laufen.
Strukturiertes Behandlungsprogramm für Diabetes mellitus
Jens-Ove Drechsler, Dr. Rolf Holbe, Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen / Bezirksstelle Göttingen
DMP Diabetes – vereinbart zwischen der
Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen
(KVN) und den Landesverbänden der
Krankenkassen gem. § 73 a SGB V
Ziele der Vereinbarung
Regelmäßige Untersuchungen:
Ihr Hausarzt erstellt gemeinsam mit Ihnen einen individuellen
Therapieplan, der regelmäßige, strukturierte Untersuchungen sicherstellt. So haben Sie die Sicherheit, dass alle wichtigen Behandlungsschritte durchgeführt werden.
Terminerinnerung:
• Regelmäßiges Messen von Urin- und Nierenwerten soll Folgeschäden an Nieren und Augen vermeiden, die Nierenversagen
und Erblindung nach sich ziehen können.
Ihre Krankenkasse erinnert Sie rechtzeitig an anstehende Untersuchungen und Termine. So können Sie diese wenigen wichtigen
Termine nicht vergessen.
• Durch Vermeiden von Nervenschädigungen und dem diabetischen Fuß-Syndrom soll die Amputationsrate wesentlich gesenkt
werden. Dies soll durch regelmäßige Fußuntersuchungen erreicht werden (auch durch die Betroffenen selbst).
Individuelle Schulungen:
• Nebenwirkungen der Therapie – wie beispielsweise Unterzuckerung – sollen vermieden werden.
Gesundheitspass Diabetes:
• Das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko soll durch Normalisierung
des Blutdrucks unter 140/90 mm Hg gesenkt werden.
• Eine gute Blutzuckereinstellung soll erreicht und dadurch typische
Diabetessymptome wie Müdigkeit, starker Durst oder häuÞges
Wasserlassen vermieden werden.
• Die Betroffenen sollen motiviert werden, in einer Diabetiker-Selbsthilfegruppe mitzuarbeiten.
Diabetes tut nicht weh…
…aber die Folgen könnten es!
Dies können Sie vermeiden! Dazu dienen die strukturierten
Behandlungsprogramme Ihrer Krankenkassen, wie beispielsweise
das DAK-Gesundheitsprogramm.
Die Organisation:
Zentrale Anlaufstelle des Programms ist Ihr Hausarzt. Er wird alle
Maßnahmen und Informationen mit behandelnden Kollegen
austauschen.
In speziell für Diabetiker konzipierten Schulungen lernen Sie als
Programmteilnehmer alles, was Sie über das Leben mit Diabetes
wissen müssen.
Sie erhalten einen Gesundheitspass Diabetes, in dem alle wichtigen
Untersuchungsergebnisse und Behandlungsziele notiert werden.
Qualitätssicherung:
Ärzte, die an dem DMP teilnehmen, verpßichten sich gleichzeitig,
die Qualitätsziele zu beachten und entsprechende Fortbildung zu
betreiben. Sie erhalten strukturierte anonymisierte Informationen
(so genanntes Feedback) über die Ergebnisse ihrer Behandlungen.
Voraussetzungen für Ihre Teilnahme am
Programm als Patient sind, dass
1. Sie bei einer gesetzlichen Krankenkasse krankenversichert sind,
2. Ihre Diabetes-Erkrankung eindeutig diagnostiziert ist,
3. Sie grundsätzlich bereit sind, aktiv am Programm mitzuwirken,
4. Sie schriftlich Ihre Teilnahme und Einwilligung erklären.
Ihre Teilnahme ist freiwillig und kostenlos. „Trotzdem“ hatten bei
Redaktionsschluss und damit deutlich vor dem Stichtag am 31.
August 2004 bereits mehrere tausend Patienten in Niedersachsen
an dem Pogramm teilgenommen. Sie wurden von einigen hundert
Ärzten betreut. Für viele dieser Patienten wurden auch bereits erste
Folgeuntersuchungen durchgeführt.
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