III. Das Europäische Parlament, Art. 189 – 201 EGV

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Aachener Europarechtsatelier – Veranstaltung Nr. 2 – Institutionen der Europäischen Gemeinschaften
Die Institutionen der Europäischen Gemeinschaften
Der Begriff der Institutionen umfaßt alle Einrichtungen der Gemeinschaft. Sie lassen
sich in Organe, Hilfsorgane und sonstige Einrichtungen unterteilen. Eine Aufzählung
der Organe enthält Art. 7 Abs. 1 EGV. Dies sind das Europäische Parlament, der Rat,
die Kommission, der EuGH und der Rechnungshof. Hierzu kommen der Wirtschaftsund Sozialausschuß und der Ausschuß der Regionen als Hilfsorgane, Art. 7 Abs. 2
EGV. Zu den Institutionen der Europäischen Gemeinschaften gehören zudem die
Europäische Zentralbank und die Europäische Investitionsbank.
I. Der Rat der EU, Art. 202 –210 EGV
Das bedeutendste der in Art. 7 I EGV aufgezählten Organe ist der Rat der EU. Auf
europäischer Ebene bestehen mehrere Institutionen, die die Bezeichnung „Rat“
führen, jedoch voneinander unterschieden werden müssen. In Art. 7 Abs. 1 EGV ist
der Rat der EU bezeichnet.
1. Aufgaben
Der Rat ist das Hauptrechtssetzungsorgan für sekundäres Gemeinschaftsrecht und
erläßt die wesentlichen Rechtsakte. Im Verfahren nach Art. 251, 252 EGV wirkt er
mit dem Europäischen Parlament zusammen. Der Rat sorgt für die Abstimmung der
Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten (Art. 202 EGV) und ist für die
Regierungszusammenarbeit im Zweiten und Dritten Pfeiler der EU sowie für die
Außenbeziehungen
der
Union
zuständig
(Art.
300
f.
EGV).
Im
Rechtssetzungsverfahren wird der Rat grundsätzlich nur auf Initiative der
Kommission tätig, er kann die Kommission aber auffordern, eine entsprechende
Initiative zu ergreifen (Art. 208 EGV). Bezüglich der Durchführung der vom Rat
erlassenen Rechtsakte besteht das sog. Prinzip der Regeldelegation. Demzufolge
überträgt der Rat der Kommission die Befugnisse zur Durchführung der betreffenden
Vorschriften, Art. 202 3. Spiegelstrich in Verbindung mit Art. 211 4. Spiegelstrich
EGV.
2. Zusammensetzung und Beschlußfassung
Der Rat setzt sich aus je einem Vertreter der Mitgliedstaaten auf Ministerebene
zusammen, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedsstaats verbindlich zu
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handeln, Art. 203 Abs. 1 EGV. Gewohnheitsrechtlich anerkannt ist die Entsendung
von Staatssekretären zur Vertretung der Mitgliedstaaten in den Rat. Die
Ratsmitglieder sind an die Weisungen der Regierungen der Mitgliedstaaten
gebunden. Der Rat tritt grundsätzlich jeweils in der Besetzung der Fachminister
zusammen, die für den betreffenden Bereich zuständig sind. Der Vorsitz im Rat
wechselt alle sechs Monate und wird von den Mitgliedstaaten nacheinander
wahrgenommen, Art. 203 Abs. 2 EGV. Im Ersten Halbjahr 2000 führt Portugal den
Vorsitz, gefolgt von Frankreich und Schweden.
Grundsätzlich entscheidet der Rat mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder,
wobei jedes Ratsmitglied über eine Stimme verfügt, Art. 205 Abs. 1 EGV. Im
Rechtsetzungsverfahren ist jedoch regelmäßig die Beschlußfassung des Rates mit
qualifizierter Mehrheit vorgesehen, dies gilt insbesondere in den Verfahren nach Art.
251, 252 EGV. Beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit, so werden die
Stimmen
der
Mitgliedstaaten
nach
Einwohnerzahl
und
Wirtschaftskraft
unterschiedlich gewichtet (sog. Pondierung), Art. 205 Abs. 2 EGV. Der Beschluß
muß mit mindestens 62 der insgesamt 87 Stimmen gefaßt werden. Eine einstimmige
Beschlußfassung des Rates ist in sensiblen Politikbereichen von besonderer
Bedeutung für die Mitgliedstaaten vorgesehen, z.B. in Art. 93, 94, 308 EGV. Die
Stimmenthaltung eines Mitgliedsstaates steht
dem
Zustandekommen eines
einstimmigen Ratsbeschlusses nicht entgegen, Art. 205 Abs. 3 EGV. Eine
Übertragung des Stimmrechts ist nach Maßgabe des Art. 206 EGV möglich. Der
Ausschuß der ständigen Vertreter (AstV oder COREPER, Art. 207 Abs. 1 EGV) tritt
wöchentlich zur Vorbereitung der Ratssitzungen zusammen.
3. Abgrenzung zu anderen Organen
Die im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen sind mit dem Rat der EU
personengleich,
stellen
aber
ein
anderes
Gremium
dar.
Sie
sind
eine
Staatenkonferenz und werden auf Gebieten tätig, die in der Zuständigkeit der
Mitgliedstaaten verblieben sind. Sie fassen sog. uneigentliche Ratsbeschlüsse, die im
Rahmen der Zweiten und Dritten Säule der EU von Bedeutung sind und Abkommen
auf dem Gebiet des Völkerrechts darstellen (sog. begleitendes Gemeinschaftsrecht).
Der Europäische Rat der Regierungschefs kann grundlegende Entscheidungen fällen,
insbesondere eine Änderung der Verträge beschließen. Der Europäische Rat (Art. 4
EUV) setzt sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem
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Präsidenten der Kommission zusammen und tritt mindestens zwei mal jährlich
zusammen. Durch die EEA wurde der Europäische Rat zu einer vertraglichen
Gemeinschaftsinstitution und dem Rat durch eine Weisungsbefugnis faktisch
übergeordnet. Er gibt Impulse für die Entwicklung der Union und legt die
allgemeinen politischen Zielvorstellungen in allen EU-Tätigkeitsbereichen fest,
zudem befaßt er sich mit strittigen Fragen, die auf Ministerebene ungeklärt blieben.
Der Europarat hingegen ist kein Gemeinschaftsorgan, sondern eine Staatenkonferenz
zum Schutz der Menschenrechte nach der EMRK.
II. Die Kommission, Art. 211 – 219 EGV
Das zweitwichtigste Organ der Gemeinschaft ist die Kommission. Regelungen über
die Kommission finden sich in den Art. 211 – 219 EGV.
1. Aufgaben und Befugnisse
Innerhalb der Ersten Pfeilers der EU hat die Kommission das alleinige Initiativrecht
(Art. 251, 251 EGV) und ist deswegen für die Ausarbeitung von Vorschlägen für
gemeinschaftliche Rechtsakte zuständig. Die Kommission achtet als sog. „Hüterin
der Verträge“ auf die Einhaltung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften und
leitet gegebenenfalls das Vertragsverletzungsverfahren ein (Art. 211, 226 EGV), um
die
Mißachtung
von
Gemeinschaftsrecht
zu
sanktionieren.
Besitzt
das
Gemeinschaftsrecht ausnahmsweise Vollzugsbefugnisse nach außen, so werden diese
von der Kommission wahrgenommen. Sie wird zudem nach dem Prinzip der
Regeldelegation zur Durchführung der vom Rat erlassenen Rechtsakte ermächtigt
und ist somit Exekutivorgan. Die Kommission vertritt die Gemeinschaft im
Privatrechtsverkehr (Art. 282 EGV) und unterhält die notwendigen Kontakte zu
internationalen Organisationen und Drittstaaten (Art. 302 EGV).
2. Zusammensetzung und Beschlußfassung
Die 20 Mitglieder der Kommission werden von den Mitgliedstaaten im gegenseitigen
Einvernehmen ernannt. Sie sind nur den Interessen der Gemeinschaft verpflichtet
und an Weisungen nicht gebunden. Ein Mitglied der Kommission nimmt die
Präsidentschaft wahr. Der ebenfalls im gegenseitigen Einvernehmen durch die
Mitgliedstaaten benannte Präsident bedarf der Zustimmung des Europäischen
Parlaments, der designierte Präsident und die übrigen Mitglieder der Kommission
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müssen als Kollegium vom Europäischen Parlament bestätigt werden, bevor sie für
fünf Jahre ernannt werden. Die Kommission übt ihre Tätigkeit unter der politischen
Führung
des
Präsidenten
aus.
Die
Beschlußfassung
erfolgt
nach
dem
Mehrheitsprinzip (Art. 219 EGV).
III. Das Europäische Parlament, Art. 189 – 201 EGV
Die Bedeutung des Europäischen Parlaments ist
mitgliedstaatlichen
Parlamente,
es
verfügt
geringer
über
viel
als
die
der
schwächere
Kontrollmöglichkeiten und Mitwirkungsbefugnisse im Bereichen der Rechtssetzung.
1. Aufgaben und Befugnisse
Das Europäische Parlament beteiligt sich an Gemeinschaftsakten nach der Maßgabe
und in den Beteiligungsformen des Art. 192 EGV. An der Rechtssetzung der EU
wirkt es im Rahmen der Verfahren der Mitentscheidung und der Zusammenarbeit
nach Art. 251, 252 EGV mit. Im Verfahren der Mitentscheidung nach Art. 251 EGV
und im Fall der vom EGV geforderten Zustimmung (z.B. nach Art. 49 Abs. 1 EUV)
besitzt das Europäische Parlament ein echtes parlamentarisches Vetorecht. Im
Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 252 EGV und in der Beteiligungsform der
Stellungnahme
ist
seine
Rechtsstellung.
Auch
außerhalb
des
Rechtssetzungsverfahrens ist eine Anhörung des Europäischen Parlaments in den
Verträgen vorgesehen, z.B. in Art. 48 EUV. Zudem nimmt das Europäische
Parlament Kontrollfunktionen wahr, indem der Jahresbericht der Kommission
diskutiert wird und ein Mißtrauensantrag gegen die Kommission gestellt werden
kann, Art. 200, 201 EGV. Auch ein nichtständiger Untersuchungsausschuß kann
eingesetzt werden, Art. 193 EGV.
2. Zusammensetzung und Beschlußfassung
Das Europäische Parlament besteht aus in den Mitgliedstaaten gewählten
Abgeordneten, Art. 189 EGV. Die vollkommen unabhängigen Abgeordneten werden
für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Die Zahl der Abgeordneten pro Mitgliedsstaat
ist unterschiedlich, Art. 190 Abs. 2 EGV. Sie bestimmt sich nach Bevölkerung und
wirtschaftlicher Bedeutung der Mitgliedstaaten. Derzeit umfaßt das Europäische
Parlament 626 Abgeordnete, dem Vertrag von Amsterdam zufolge darf auch nach
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einer Erweiterung der EU die Zahl der Abgeordneten 700 nicht überschreiten.
Beschlüsse werden grundsätzlich mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen
Stimmen gefaßt, Art. 198 Abs. 1, 199 EGV).
IV. Der Europäische Gerichtshof, Art. 220 – 245 EGV
Der EuGH besteht aus 15 Richtern und 8 Generalanwälten, die von den Regierungen
der Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen ernannt werden, Art. 221, 223
EGV. Die Richter und Generalanwälte genießen richterliche Unabhängigkeit und
werden für eine Dauer von 6 Jahren ernannt; eine teilweise Neubesetzung des
Gerichtshofs findet alle drei Jahre statt. Der EuGH hat die Aufgabe der Sicherung
und Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung des primären und
sekundären
Gemeinschaftsrechts,
Art.
220
EGV.
Er
besitzt
das
Entscheidungsmonopol für die Auslegung und Verwerfung des Gemeinschaftsrechts,
Art. 234 Abs. 1 b), Abs. 3 EGV.
Neben dem EuGH besteht das Gericht Erster Instanz, Art. 225 EGV. Es gehört nicht
zu den Institutionen der Gemeinschaft. Das Gericht Erster Instanz ist gem. Art. 3 des
Beschlusses zur Errichtung eines Gerichts Erster Instanz in den Fällen der Art 236,
230 Abs. 2, 232 Abs. 3, 125 und 138 EGV zuständig. Im Rahmen dieser
Zuständigkeit ist der EuGH dann Rechtsmittelinstanz, Art. 225 Abs. 1 EGV.
VI. Sonstige Organe
Ein weiteres Organ der EU ist der mit der Finanzkontrolle betraute Rechnungshof
(Art. 246 – 248 EGV). Der Wirtschafts- und Sozialausschuß (Art. 257 – 262 EGV)
und der Ausschuß der Regionen (Art. 263 – 267 EGV) sind Nebenorgane der EU.
Sie üben eine beratende Tätigkeit aus und besitzen Anhörungsrechte. Zudem
existieren die europäische Investitionsbank, die europäische Imsvestitionsprojekte
finanziert (Art. 9, 266 f. EGV) und die EZB mit Sitz in Frankfurt (Art. 8, 105 ff.
EGV), die die Geldpolitik der Gemeinschaft regelt.
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