Skript Susanne Jung

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Neurologie
1. Einführung
Literaturempfehlungen:
 Poeck/ Hacke: Neurologie (Springer)
 Wallesch: Neurologie (Urban & Fischer)
 Neurologie-Kapitel in Harrison, Principles of Internal Medicine (McGraw/Hill)
Patientenbeispiel 1:
 Weiblich, 57 Jahre
 Lähmung des rechten N. abducens durch Gefäßspasmus ( Ischämie)
 Nach Migräneanfall (evtl. paralytische Migraine = Migraine accompagnie; eher aber
zufälliges Zusammentreffen ohne kausale Verknüpfung, da bei 10-15% der Bevölkerung
Migräne auftritt)
 Strabismus convergens bei Abducensparese
 Initial Doppelbilder, dann durch Exklusion nicht mehr
 Veränderte Gesichtssensibilität
 Angiographie der A. carotis interna zeigt: massives Aneurysma, das den N. abducens
komprimiert  unabhängig von der Migräne, vgl. aber genetische Veranlagung zu
Kollagenstörung
Patientenbeispiel 2:
 Weiblich, 50 Jahre
 Ausfall der linken Körperhälfte bei schon länger bekanntem erhöhtem Blutdruck
 Dabei Kopfschmerzen, diese aber schon seit der Jugend bekannt, daher vermutlich
Migräne ohne kausale Verknüpfung
 Cave: bei neuartigem oder andersartigem Kopfschmerz immer Akutdiagnostik
durchführen !!!
 Zentrale, armbetonte Lähmung (auf der betroffenen Seite Hyperreflexie, mit heftiger
Ansprungsdynamik)  Läsion vermutlich oberhalb des Tentoriums
 Zentrale Gesichtslähmung (nicht Fazialisparese!): Augen und Stirn nicht betroffen
 Differentialdiagnosen eines Schlaganfalls mit Halbseitenlähmung:
o Ischämie
o Blutung
nur mit CT zu unterscheiden
o Andere
 CT zeigt frische Hirnblutung  bessere Prognose als bei Hypoxie/ Ischämie, es kann mit
Rückbildung bis auf kleine Reste gerechnet werden
 Häufigste Ursache der Hirnblutung: maligner Hypertonus
Patientenbeispiel 3:
 Weiblich, 17 Jahre
 Innerhalb von 5 Monaten Entwicklung progressiver Paresen, v.a. in Augenlidern,
Kaumuskeln und Extremitätenmuskulatur, Verwaschen der Sprache, leichte
Ermüdbarkeit der Muskulatur (v.a. im Kopfbereich)
 Dabei Erholungsfähigkeit der Kraft, keine Sensibilitätsausfälle


Myasthenia gravis
Therapie: in Akutphase
Immunsuppression
Plasmaphere
zum
Auswaschen
der
Antikörper,
Patientenbeispiel 4:
 Männlich, 75 Jahre
 OP an der rechten Hüfte, nach 3 Monaten starke Schmerzen in Unter- und
Oberschenkel, Bein nicht belastbar
 Sensibilitätsausfall L5  nicht OP-bedingt
 Reflexe am Knie seitengleich, Achillessehnenreflex rechts abgeschwächt  S1
 Schmerz-Lähmungs-Gefühls-Störung  Bandscheibenvorfall, vermutlich zwischen L5
und S1, Bandscheibe drückt auf Nervenwurzel
 Nach konservativer Behandlung Rückkehr der Sensibilität aber verbleibende
Fußheberlähmung
 CT zeigt Bandscheibensequestrierung  OP zur Entfernung des abgesprengten Anteils
Patientenbeispiel 5:
 Männlich, 45 Jahre
 Erstmalig 2001 beim Joggen Hängenbleiben des rechten Fußes, Gangunsicherheit
 Mittlerweile Verwendung eines Gehstocks, da Gangunsicherheit und schwankender
Gehstil (Ataxie)
 Ermüdungserscheinungen erst einseitig, dann beidseitig
 Tonus- und Reflexsteigerung (Spastik)
 Abhängig von Anstrengung Sprachprobleme (heiser, gequetscht, mühsam, teilweise nasal)
 spastische Dysphonie durch Beeinträchtigung der Kehlkopfmuskulatur
 Multiple Sklerose (entzündliche Erkrankung im Kleinhirn), Nachweis von
Entmarkungsherden im Kernspin
 Immuntherapie
2. Schwindel
Schwindel:
 Unsystematischer Schwindel (dizziness): häufig ungerichtetes, diffuses Schwindelgefühl
mit und ohne „Drehen im Kopf“, z.B. bei Hypotonie, Anämie, vor Synkope, o.ä.
o Benommenheit, Kopfdruck
o Verschwommen sehen
o Drehen im Kopf
 Davon anamnestisch abzugrenzen: systematischer Schwindel (vertigo, Schwindel i.e.S.)
durch Störungen des Gleichgewichtssystems  Dreh-, Schwank- oder Riesenradgefühl,
teils Nystagmus, Übelkeit/ Erbrechen und erhebliche Probleme sich auf den Beinen zu
halten
o Umgebung dreht sich
o Definierte Fallneigung
o Liftgefühl
Systematischer Schwindel:
 Entsteht durch Mismatch zwischen optischen, somatosensorischen und vestibulären
Sinneseindrücken


Physiologisch: Höhenschwindel, Seekrankheit
Iatrogen: durch Medikamente, z.B. Lithium, Carbamazepin
Diagnostik:
 Drehstuhl mit Aufzeichnung der Augenbewegungen:
o Langsame Andreh-Bewegung: Nystagmus in Drehrichtung (perrotatorisch)
o Adaptation während des Drehens (kein Nystagmus)
o Plötzliches Anhalten: Nystagmus gegen Drehrichtung (postrotatorisch),
Gangabweichung und Fallneigung gegen Drehrichtung
 Drehtrommel:
o Nystagmus in alle Richtungen auslösbar
o Kann psychogen nicht unterdrückt werden  bei Ausfall liegt organische Störung
vor
 Spontannystagmus:
o Pathologisch und eher peripher bedingt
o Kann durch Fixation unterdrückt werden  Untersuchung mit Frenzelbrille
o Kann durch Blick in gleiche Richtung gebahnt werden und wird dann stärker
 Blickrichtungsnystagmus:
o Pathologisch und eher zentral bedingt
o Tritt erst bei Blick in eine bestimmte Richtung auf
Patientenbeispiel:
 Plötzliche Übelkeit und kurzzeitiger eher unsystematischer Schwindel
 Nach einem Tag Einsetzen von starkem systematischem Drehschwindel mit definierter
Fallneigung und Übelkeit, sonst keine neurologischen Ausfälle  peripher vestibulär
 Vermutlich parainfektiöser Vestibularisausfall
Gleichgewichtsorgane:
 Propriozeptive Afferenzen, z.B. Meldung über Gelenkstellung
 Innenohr
 Kleinhirn
 Okulomotorik
Zentrale Verarbeitung der Gleichgewichtsmeldungen in Abgleich mit Sinnesrückmeldung:
 Erstellen einer Efferenzkopie = Eigenbewegungsidentifikation
 Abgleich mit dem sensorischen Erwartungsmuster
 Bei verschiedenen Meldungen, z.B. inadäquate Sinnesmeldung bei Labyrinthläsion:
Schwindelsensation
 Zentrale Kompensation bei Schwindel: Änderung der sensorischen Erwartungsmuster,
z.B. Ignorieren der Meldung eines Labyrinths
 Deshalb: unbedingt therapeutische Krankengymnastik, keinesfalls Bettruhe!!!
Untersuchungsgang bei Schwindel:
 Anamnese
 Okulomotorik, Nystagmus
 Lagerungsproben mit Frenzelbrille
 Rumberg, Unterberger, Strichgang, Zeigeversuche und weitere neurologische Symptome
 Otoskopie inklusive Hörtest
 Blutdruck inklusive Schellong-Test
Nystagmus:
 Regelmäßige Sequenz aus einer raschen sakkadischen (ruckartigen) Augenbewegung in
eine Richtung und einer langsamen, gleitenden Rückführung der Bulbi in die
Gegenrichtung
 Richtung des Nystagmus wird über die schnelle Komponente definiert
 Physiologischer Nystagmus:
o Eisenbahnnystagmus (optokinetischer Nystagmus)
o Kalorischer Nystagmus
o Endstellnystagmus
 Pathologischer Nystagmus:
o Spontannystagmus (bei Geradeausblock ohne Fixation)
o Blickrichtungsnystagmus
o Lagennystagmus
o Seesaw u.v.a.
Ursachen von gerichtetem Schwindel:
 Labyrinthär:
o Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
o M. Meniére
o Neuronitis vestibularis
 Neurologisch :
o Pontocerebelläre Hirnstammläsion bei Tumor (v.a. Akustikusneurinom)
o Ischämische Prozesse (Basilaris!)
o Entzündliche Prozesse, z.B. MS
Ursachen von akutem Drehschwindel:
 Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
o Lageabhängig, durch Ablagerung von Otolithenmaterial in Bogengang
o Therapie: Lagerungstraining
 Akuter Vestibularisausfall:
o Rotatorischer Spontannystagmus (in Richtung von Läsion weg) mit Erbrechen,
Drehschwindel, Fallneigung zur gesunden Seite
o Im Verlauf zentrale Kompensation mit Fallneigung nach ipsilateral zur Läsion
o Untererregbarkeit des ipsilateralen horizontalen Bogengangs (Test über
kalorischen Nystagmus)
o Therapie: Methylprednisolon, z.B. Urbason, hochdosiert beginnend (100mg über
d1-3)
 M. Meniére:
o Drehschwindel, Tinnitus, Hörminderung, Ohrdruck
o Endolymphatischer Hydrops
o Therapie: Betahistin (Vasomotal, Aequamen) über 1-3 Wochen
Lokalisatorisch wichtige Begleitsymptome bei Schwindel ( gefährlichere Formen):
 Bewusstseinsverlust
 Doppelbilder und Gesichtsfeldausfälle
 Paresen und Sensibilitätsstörungen
 Dysarthrie
 Lageabhängigkeit
 Schwerhörigkeit, Tinnitus
 immer Neuro-Konsil anfordern!!!
Bsp.: Basilaristhrombose, Tumoren, Herpes-Enzephalitis
Neurologische Schwindelursachen:
 Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel
 Neuronitis vestibularis
 Phobischer Attackenschwankschwindel (oft mit Zwangsstörung assoziiert)
 M. Meniére
 Zentraler Lageschwindel
 Basilaris- oder Vertebralisprozess
Therapie:
 Kausal bei Raumforderungen und Gefäßprozessen im Sinne der Sekundärprophylaxe
 Symptomatisch nur in der Akutphase (Antivertiginosa, Antiemetika)  CAVE:
Verzögerung der zentralen Kompensation
 Wichtig: Lagerungstraining
Ursachen für Okulomotorikstörungen:
 Muskulär
 Neuromuskuläre Transmission
 Periphere Nervenläsion
 Vestibularisausfall, Schwindel
 Supranukleäre Störung (zentral)
3. Zerebrovaskuläre Krankheiten
Zerebrovaskuläre Krankheiten:
 Hirninfarkt (84%)
 Hirnblutung (14%)
 Subarachnoidalblutung (<1%)
 Sinus-Venen-Thrombose
 Angiitis
 Epi-/subdurales Hämatom
 A.v.-Fisteln
 Angiom
Schlaganfall
Kopfschmerz
Trauma
Trauma
meist Zufallsbefund
Subarachnoidalblutung:
 1/10.000/a
 Blutung in den Liquorraum
 Stets perakut
 Letalität 30-40%, bei Nachblutung 70%, bei zweiter Nachblutung fast 100%
 Perakute arterielle Ruptur eines Aneurysmas:
o Angeborene Schwachstelle
o Wachstum im Lauf des Lebens
 Fördernde aber nicht dringend notwendige Faktoren:
o Hypertonus
o Degenerative Prozesse


o Antikoagulation
o Trauma
Symptome:
o Kopfschmerz
„wie
noch
nie“
und
Bewegungshemmung zur Schmerzeingrenzung)
o Synkope
o Bewusstseinstrübung bis zum Koma
o Krampfanfall
o Herdsymptome
Diagnostik: Diagnosesicherung nach Symptomen
o CCT
o Liquor
o MR-Angio/ 3D-CT-Angio
o Arteriographie
Nackensteife
(reflektorische
Sinus-Venen-Thrombose:
 Leitsymptome: subakut-chronischer dumpfer Kopfschmerz und Herdsymptome, langsam
fortschreitend
 Chamäleon! Weil Venen individuell unterschiedlich anatomisch angeordnet sind, kommt
es je nach Lokalisation zu
o Sehstörung
o Herdsymptomen
o Krampfanfall
o Pseudotumor cerebri
o Etc.
 Risikofaktoren:
o Adipositas
o Hyperkoagulabilität
 Diagnostik:
o MRT (CCT mit Kontrastmittel): venöses Ödem, Thrombus
o Angio-MR-Angiographie
Schlaganfall (=Insult = Apoplex):
 Definition: akute neurologische Funktionsstörung, die auf eine umschriebene Läsion des
ZNS hinweist
o 85% ischämisch  Infarkt
o 15% hämorrhagisch  Blutung
 Perakut
 Bsp.: Ausfall der A. cerebri media
o Blickwendung
o Hemianopsie
o Sensomotorische Hemiparese, schlaff
 Leitsymptom: Hemiparese  DD der Hemiparese:
o Akut:
 Insult: Ischämie – Blutung (250.000/a)
 Migräne
o Subakut:
 Trauma
 Tumor
 Sinusthrombose
 Entzündlich






o Mit Kopfschmerzen:
 Meningoenzephalitis
 Tumor
 Subarachnoidalblutung
 Thrombose
 Migräne
Risikofaktoren für Insult:
o Hypertonus Risiko x6
o Hyperlipidämie
x4
o Diabetes mellitus
x2
o Nikotin, Adipositas x1,5
o Vitium
x1,5 (Mitralklappenprolaps) bis x30 (Endokarditis)
o Frischer Myokardinfarkt
x2-4  Antikoagulation nach MI
o Alter Myokardinfarkt mit Aneurysma
x8
o Vorhofflimmern
x6-12
o Lebensalter
exponentiell
Verifikation der Ursache:
o Infarkt/ Blutung nur mittels CCT/ MRT unterscheidbar
 Infarkt dunkel (Wasser  Ödem)
 Blutung hell (Blut)
o Differentialdiagnosen nur mit neurologischen Hilfsmitteln
Fördernde Faktoren für Hirnblutung:
o Hypertonie
o Gerinnungsstörung: zwar kein Auslöser, aber die eintretende Blutung ist stärker
ausgeprägt
o Trauma
o Gefäßmissbildung
o Sekundäre Infarkteinblutung
o Amyloidangiopathie
Infarktfrühzeichen: Dichteminderung und Schwellung im CT
Unterschiedliche Infarktmuster:
o Territorialinfarkt: (thromb-)embolisch, Cortexbeteiligung, „Käseecke“
o Endstrominfarkt: hämodynamisch, im Marklager, keinem Gefäß zuzuordnen
o Mikro-Angiopathie: mikrothrombotisch
Mikroangiopathie:
o Zeichen:
 Lakunen
 Leukaraiose (um die Ventrikel herum dunkle „Hirschgeweihe“)
o Risikofaktoren: RR > Alter >> Diabetes > Nikotin
o Symptome:
 Insulte mit oft guter Rückbildung
 Progrediente Demenz
 Heißt in Kombination M. Binswanger oder subkortikale
arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE)
o Lakunäre Syndrome:
 Pure motor stroke  beinbetont, ohne Gesichtsbeteiligung,
Pyramidenzeichen positiv
 Pure sensory stroke  wenig Hypästhesie, starke Dysästhesie
 „ataktische Hemiparese“
 dysarthria – clumsy hand syndrome
 Hemiballismus




 Etc.
Territoriale Infarkte:
o Thrombembolisch
o Verschluss eines größeren hirneigenen Gefäßes
o Typische territoriale Syndrome:
 MCA: sensomotorische, schlaffe, später spastische Hemiparese, kortikale
Aphasie, Apraxie
 PCA/ hintere MCA: Hemianopsie
 A. ophthalmica: Amaurosis fugax (Bild wird vorübergehend von oben
vorhangartig grau, dann setzt körpereigene Fibrinolyse ein  TIA)
 Basilaris-Thrombose:
Prodromal rezidivierende Hirnstammsymptome (bei Atherosklerose)
Akut
progredienter
Bewusstseinsverlust,
bilaterale
Pyramidenzeichen, Hirnstammsymptome
Letalität > 90%
Gekreuzte Hirnstammsyndrome:
o Embolisch – thrombotisch – mikroangiopathisch  halbseitiger Ausfall (z.B.
Ausfall der halben Brücke)
o Pyramidenbahn X untere Medulla
o Hinterstränge X untere Hirnnervenkerne
 ipsilaterale Hirnnerven, kontralaterale lange Bahnen
Nachweis einer akuten Ischämie:
o Frühes CT (oft unauffällig)
o SPECT (zu ungenau)
o Perfusions-CT Methode der Wahl: dunkle Verfärbung + Penumbra (=
Mangeldurchblutungsbereich, in dem zwar Funktionsstoffwechsel ausfällt aber
Strukturstoffwechsel noch erhalten ist, der daher erhalten werden kann)
o Perfusions-MRT
o Angio-CT, Angio-MR
o Doppler-Duplex-Sono
o Arteriographie (invasiv mit Katheter und Kontrastmittel, daher selten
durchgeführt wegen Komplikationen)
Suche nach der Emboliequelle nach bewiesenem thrombembolischen Ereignis:
o In hirnversorgenden Arterien:
 Doppler-Duplex-Sono
 MRA
 Arteriographie
o Im Herz:
 EKG: Vorhofflimmern?
 Langzeit-EKG: intermittierendes Vorhofflimmern?
 TTE/TEE: Vorhofthrombus, Vitium, Akinesie, PFO
o HITS: high intensity transient signal
 Zur Darstellung mikroembolischer Signale
 Embolien abgrenzbar von Artefakten
 Verwendet z.B. beim Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine
 Zum Beweis, dass z.B. ein Vorhofflimmern tatsächlich die Ursache eines
Schlaganfalls war
 Z.B. Hirninfarkt rechts bei Carotisstenose rechts und Vorhofflimmern 
mit HITS Untersuchung ob kardiogener oder karotidogener Schlaganfall
Therapiesteuerung

o Suche nach Thromboseneigung:
 Hämatokrit (Polyglobulie, Leukämie, Thrombozytose, Exsikkose)
 Erythrozytenanomalien, z.B. Sichelzellanämie
 Fibrinogen
 Gerinnungsstörung
Grenzzonen-/ Endstrom-Infarkte:
o Hämodynamisch = „letzte Wiese“
o Verschluss />90% Stenose der A. carotis interna + insuffiziente intrakranielle
Kollateralen
o Kollateralen beim ACI-Verschluss:
 MCA  50% Seitendifferenz = hämodynamische Auswirkung aufs Gehirn
 Ophthalmica-Kollaterale
 Anteriores Crossfilling
 Posteriores Crossfilling
 Individuell unterschiedlich angelegt  Hirnarterienverschluss per se hat
keine eindeutige Prognose
o Vasomotorenreserve:
 Autoregulation der Hirngefäße zur konstanten Glucose und SauerstoffAusschöpfung über Blutgase bzw. pH
 Hämodynamischer Infarkt
Diamox oder CO2  periphere Dilatation
Doppler: nimmt Fluss nicht zu so besteht bereits eine maximale
Dilatation = erschöpfte Reserve
HMPAO-Spect: Abnahme der Perfusion, Anstieg der Stase, d.h.
viel Volumen bei wenig Fluss = hämodynamische
Beeinträchtigung  genaue Abgrenzung des Infarktareals möglich
(ohne Penumbra)
Diagnostik des Schlaganfalls:
 Klinische Untersuchung:
o Ausfälle und ihre Ausdehnung  Lähmungen, sensorische Ausfälle
 Hemiparese  Media-Stromgebiet
 Hemianopsie  Posterior-Stromgebiet
o Reflexstatus: gesteigert, pathologische Reflexe (z.B. Babinski)?
o Okulomotorik: Blickwendung, Gesichtsfeld, Augenreflexe?
o Sprache: Verständnis? Lesen? Schreiben? Rechnen? Links- oder Rechtshänder?
 Broca: gestörte Produktion, Patient redet kaum
 Wernicke: Patient redet viel, aber unverständlich
o Apraxie: gestörte Handlungsausführung
 Fremdanamnese:
o Kardiale Vorerkrankungen? KHK, d.h. generalisierte Atheroskleroseneigung?
o Marcumarisierung?!
 CT:
o Wenn nichts zu sehen ist  auf jeden Fall keine Blutung, dann
o Innerhalb der ersten 3h nach Symptombeginn sofort Lyse (i.v.)
o Danach Angiographie (auch bei unbekanntem Beginn)
 Problem: bei Schlaganfall treten keine Schmerzen auf  die meisten Patienten kommen
zu spät in die Klinik!
Pathophysiologie des Schlaganfalls:
 80-90% durch Ischämie, überwiegend thrombembolisch, nur selten hämodynamisch




Davon 45% kardiale Ursachen (ca. 7% Vorhofflimmern)
Bei 15% symptomatische Stenosen hirnversorgender Gefäße
Bei ca. 10% intrazerebrale Blutungen
Okklusionsmodell:
o Infarktareal: <22 ml/100g/min Perfusion
o Penumbra: 22-50 ml/100g/min Perfusion
Nekrose Apoptose
Reorganisation
 Apoptosehemmung als
Pharmakologische Option?
Excitotoxizität
Periinfarkt Depolarisationen
Inflammation
Erfolg der Rekanalisierung:
 Wiedereröffnung des Gefäßes führt nicht unbedingt zur Verhinderung eines Infarkts!
 Bei 90% Reperfusionsschaden!
 NNT = 10
Therapeutische Optionen – allgemein:
 Akut: Fibrinolyse  Heparin (-analoga), ASS (TAH)
 Kollateralfunktion verbessern:
o Blutdruck heben (andere Toleranzschwellen, evtl. erhöhter Druck zur Versorgung
gefährdeter Gebiete nötig)
o Hydrierung
o Oxigenierung
o Hypervolämische Hämodilution?
 Zytoprotektion:
o Temperatur senken (im Rahmen von Infekten häufiger Schlaganfälle wegen
Fieber!)  ganz wichtig!!!
o Hyperglykämie vermeiden
o Substanzen?
Therapeutische Optionen bei ischämischem Hirninfarkt:
 Akutphase:
o Kausal: systemische/ intraarterielle Lyse
 Infusion von 0,9mg/kgKG rekombinanten Plasminogen-Aktivator (rt-PA)
i.v., maximal 90mg
 10% als Bolus, 90% über Infusomat über 60min
 Voraussetzungen:
Symptombeginn vor <3h
Keine Infarktdemarkierung im CT
Blutungsausschluss
Signifikantes neurologisches Defizit
Bislang noch keine Spontanbesserung
Beobachtung: Stroke-Unit oder Intensivstation
 Kontraindikationen:
Symptombeginn vor >3h
Infarktdemarkierung im CT (Gefahr der Einblutung)
Blutung
Schwerstes neurologisches Defizit mit Bewusstseinsstörung1
(Ausnahme: Basilaris)
Hypertonie (>200syst bzw. >110diast)
OP vor <30d, i.m.-Injektion, epileptischer Anfall, Trauma,
Tumorleiden, septische Embolie, biologisches Alter >80
o „frühe“ Sekundärprophylaxe:
 ASS
 Vollheparinisierung
 in Erprobung: GPIIb/IIIa-Antagonisten
Sekundärprophylaxe:
o TIA = vollständig reversibles neurologisches Defizit, Rückbildung innerhalb 24h
 z.B. Amaurosis fugax (immer durch Augen-Abdecken überprüfen, wenn
Gesichtsfeldausfall bestehen bleibt, liegt statt dessen Hemianopsie vor)
 immer sofort zum Arzt und untersuchen lassen: kardiologische
Diagnostik und Carotis-Doppler!!!
o Möglichkeiten der Sekundärprophylaxe:
 Thrombendarterektomie der A. carotis interna bzw. Angioplastie
 Antikoagulation
o Indikation zur Thrombendarterektomie:
 Absolute Indikation: symptomatische ACI-Stenose >70%
 Relative Indikation:
Symptomatische ACI-Stenose 50-70%
Asymptomatische ACI-Stenose >70%
 Keine Indikation:
Symptomatische ACI-Stenose <50%  durch medikamentöse
Plaque-Stabilisierung bessere Erfolge!!!
Asymptomatische ACI-Stenose <70%
o Antikoagulation:
 Thrombozytenaggregationshemmer: ASS (75-300mg) bzw. Clopidogrel
(75mg)  breites Indikationsgebiet
 Vollheparinisierung  enges Indikationsgebiet:
Standardmäßig nach Lyse
Bekannte Koagulopathie
Hochgradige Carotisstenose vor OP
Herzklappenvegetationen
Vorhofflimmern vor Markumarisierung
Dissektion
 Markumarisierung: bei kardiogener Emboliequelle (Vorhofflimmern,
absolute Arrhythmie, etc.), z.B. bei Vorhofflimmern:
INR 2-3: Risikoreduktion um 68% (!)
INR 1-2: kein gesicherter Effekt
ASS: Risikoreduktion um 21%
Kombination Marcumar + ASS: kein zusätzlicher Nutzen,
gefährlich
 Vorübergehende Markumarisierung bei Carotisdissektionen (junge
Patienten)
-

1
Bewusstseinsstörung: Hirnstamm betroffen oder bihemisphärisch (Basilaristhrombose oder fortgeschrittener
Media-Infarkt, der bereits auf die andere Seite drückt)

Häufige Gerinnungsstörungen (junge Patienten):
Protein-S-Mangel
Protein-C-Mangel
APC-Resistenz
Faktor-V-Leiden
o Kontrolle der Risikofaktoren für Mikro- und Makroangiopathie:
 Hypertonus
 Diabetes mellitus
 Nikotinabusus
 Hyperlipidämie
4. Erregerbedingte ZNS-Erkrankungen
Definition: Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks und ihrer Häute durch Bakterien,
Viren, Protozoen oder Pilze
 Akute Infektion
 Subakute (chronische) Infektion
 „slow virus“ Erkrankung des ZNS
4.1 Akute eitrige Meningitis/ Meningoenzephalitis
Begriffe:
 Meningitis (Leptomeningitis): Entzündung der weichen Hirnhäute (Pia und Arachnoidea)
zwischen Gehirn und Dura, selten isoliert, meist als
 Meningoenzephalitis: Mitbeteiligung des Gehirns
Bakterien erreichen das ZNS:
 Hämatogen: Besiedlung des Mund-Rachen-Raums, chronischer Infektionsherd 
natürliche Barrieren ins und im Blut müssen überwunden werden, d.h. besondere
pathogenetische Eigenschaften sind nötig
 Per continuitatem: vom Mastoid, Mittelohr, Nasennebenhöhlen
 Von Haut und Schleimhäuten des Kopfes bei Schädel-Hirn-Trauma, Schädelbasisfraktur,
Hirnverletzung
Epidemiologie:
 3455 Meningitiden/ Meningoenzephalitiden pro Jahr
 davon 729 durch Meningokokken mit einer Letalität von 8,5% (vs. 7,7% beim Rest)
 1214 durch andere Bakterien (v.a. Pneumokokken)
 891 durch Viren
Vorgeschichte/ prädisponierende Faktoren:
 HNO-Infektion im Kindesalter
 Schädel-Hirn-Trauma
 Ventrikelkatheter
 Endokarditis (i.v. Drogenabusus)
 Immunsuppression (Alter, Alkoholabusus, etc.)
 Sammelunterkunft (Endemie)
Klinische Symptomatik:
Pneumokokken, H.i.
Staphylokokken, Pneumokokken
Staphylokokken
Streptokokken, Staphylokokken
Listerien
Meningokokken





Prodromalstadium (wenige Stunden bis Tage):
o Fieber
o Allgemeines Krankheitsgefühl
o Kopf- und Gliederschmerzen
Meningitische Symptomatik:
o Heftigste Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit (Meningismus, Ophistotonus)
 Lasègue-Zeichen
 Widerstand bei passiver Nackenbeugung
 Brudzinski- und Kernig-Zeichen
o Licht- und Lärmscheu, Hyperpathie
o Hohes Fieber (>39°C, septisch oder continua)
o BSG-Erhöhung, Leukozytose
Enzephalitische Begleitsymptomatik: Bewusstseinstrübung (Verwirrtheit, Somnolenz bis
Koma)
Begleitend: Konjunktivitis, Herpes labialis
Bei Meningokokken:
o Tendenz zur Auslösung eines septischen Schocks  Petechien etc.
o Extremform: Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom (85% letal)
Meningokokken – Pathogenese und Klinik:
 Tröpfcheninfektion
 Anheftung des Erregers an Rachenwand
 Häufig Trägerstatus, selten Erkrankung  unklar, was Erkrankung auslöst
 Inkubationszeit ca. 2-4d
 Ca. 800 Erkrankungen/Jahr
 70% Serogruppe B, 20% Serogruppe C (vgl. Afrika: überwiegend A)
 Jahreszeitliche Häufung Februar-April
 Schwerste Form: Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom
 Prophylaxe:
o Behandlung von Kontaktpersonen: Angehörige und Pflegepersonal mit engem
Kontakt erhalten 2x600mg Rifampicin (extrem gut liquorgängig) p.o. über 2 Tage
(Kinder 20mg/kgKG) oder 1x750mg Ciprofloxacin
o Impfung: verfügbar gegen Meningokokken der Serogruppe A und C
(Kapselpolysaccharide), nicht gegen Serogruppe B (nicht ausreichend
immunogen)
Zerebrale Komplikationen der bakteriellen Meningitis – Ursache der hohen Letalität:
 Hirnödem mit Gefahr der Einklemmung
 Zerebrovaskuläre Beteiligung  Vaskulitis mit Gefäßverschlüssen  Schlaganfälle
 Hydrozephalus (Verklebung des Abflusses durch eiweißreichen Liquor)  verstärkt
Wirkung des Hirnödems
 Hirnnervenparesen (u.a. häufige Ursache frühkindlicher Ertaubungen)
 Vestibulocochleäre Beteiligung
 Zerebritis (Hirnphlegmone, Abszess)
Ein Patient mit V.a. bakterielle Meningitis ist immer ein neurologischer Notfall!!!
Algorithmus:
V.a. bakterielle Meningitis
Blutkulturen
Bewusstseinsstörung/ neurologisches Defizit
Nein
Schädel-CT, Lumbalpunktion
Empirische AB-Therapie
Ja
Empirische AB-Therapie
Kein Anhalt für erhöhten Druck
Schädel-CT
+ HNO-Konsil
Bei nicht ausreichend ausgestattetem Krankenhaus: Antibiose, dann Transport
Auch bei jeder Zeitverzögerung immer gleich Antibiose!
Lumbalpunktion:
 Atraumatische Nadel nach Sprotte
 Zwischen L3/L4 oder L4/L5
 Vorher CT (Hirndruck!)
 Liquoranalytik:
Normalbefund
Bakterielle Meningitis
Farbe
Klar
Trüb
Glucose
2/3 des Blutzuckers
Erniedrigt
Laktat
1,2-2,1mmol/l
Erhöht
Zellzahl
<4/µl
300 bis >>1000/µl
Zytologie
Lympho-monozytär
Granulozytär
Proteinanalytik
<50mg/dl
>>120mg/dl
Virale Meningitis
Klar
Normal
Normal
3-300 (<1500)/µl
Lymphozytär
Leicht erhöht
(aber <100mg/dk)
Erreger, Ag, Ak
Pos. Nachweis möglich
Serologie, PCR
Beachte: sehr spät im Verlauf bei bakterieller Meningitis monozytäres Zellbild, sehr früh
im Verlauf granoluzytär-monozytäres Mischbild bei viraler Meningitis  evtl.
Verwechslungsgefahr
 Apurulente Meningitis: kaum Granulozyten aber viele Bakterien  Immunsystem war zu
langsam, immer tödlicher Verlauf
Antibiotika-Therapie bei unbekanntem Erreger:
 Frühzeitige Antibiotika-Therapie verbessert die Prognose!!!
Patientenkollektiv
Antibiotika
Gesund, keine Abwehrschwäche, Krankheit
Cephalosporin der 3. Generation
ambulant erworben
Abwehrgeschwächte ältere Patienten,
Cephalosporin der 3. Generation
Neugeborene
+ 5g Ampicillin (gg. Listerien, rel.
schlecht liquorgängig  hohe Dosis)
Nosokomial erworbene Erkrankung
Vancomycin
(neurochirurgische OP, Schädel-Hirn-Trauma)
+ Meropenem
 Insgesamt über ca. 2 Wochen
 Dazu immer HNO-Konsil bzgl. Fokussanierung
4.2 Akute lymphozytäre (virale) Meningitis/ Meningoenzephalitis
Durch 2 Erregergruppen:
 Nicht primär neurotrope Viren (Enteroviren, Adenoviren, etc.): befallen fakultativ im
Generalisationsstadium die Meningen


Primär neurotrope Viren: erzeugen neben charakteristischen Krankheitsbildern auch
akute Meningitis (abortive Form)
Insgesamt häufigste entzündliche Erkrankung des ZNS!
Klinische Symptomatik:
 Allgemeines Krankheitsgefühl
 Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit
 Erhöhte Temperatur (eher subfebril)
 BSG normal, Blutbild normal oder Leukopenie
 I.d.R. über einige Tage, mit guter Prognose, alles weniger ausgeprägt als bei bakterieller
Variante
 Keine spezifische Behandlung, serologische Identifikation lohnt sich i.a. nicht
Akute Virusenzephalitis:
 Immunitätslage des Individuums und Erregervirulenz entscheiden über Prognose und
Verlauf
 Durch neurotrope und nicht-neurotrope Viren
o Enteroviren (Echo-, Coxsackie-, Polioviren)
o Paramyxoviren (Mumps, Masern)
o Arboviren (FSME)
o Herpesviren (HSV, VZV, EBV, CMV)
 Enzephalitische Symptomatik im Vordergrund
Kardinalsymptome der Enzephalitis:
 Psychische Veränderungen (Bewusstseinstrübung, akute Psychose)
 Zerebrale Krampfanfälle
 Neurologische Herdsymptome je nach Lokalisation
o Hirnmantel
o Hirnstamm
o Rückenmark
 EEG: Allgemeinveränderungen, Herdbefunde
 Liquor: leichte Pleozytose, mäßige Eiweißerhöhung
Herpesenzephalitis:
 Infektion durch HSV-1
 Hauptsächlich Befall der limbischen Strukturen, des basalen Temporal- und
Frontallappens, durch Hämorrhagien und Ödeme gekennzeichnet
 Grippales Vorstadium, danach nach kurzer Besserung
 Hauptstadium:
o Wernicke-Aphasie
o Kurze psychotische Episoden (Verwirrtheit, psychotische Situationsverkennung)
o Krampfanfälle
 Letalität unbehandelt >70%!!!
 Diagnostik:
o MRT  Ödeme
o EEG  Verlangsamung der Temporalbahnen
o Liquor  lymphozytäre Pleozytose, PCR
 Therapie:
o Bereits bei Verdacht (!!!): Aciclovir i.v. 3x 10mg/kgKG (ca. 750mg) über mindestens
14 Tage bei ausreichender Hydrierung  Senkung der Letalität auf 20%
o Dazu Antibiose (Ampicillin/ Amoxicillin)  Immunsystem kann sich auf Viren
konzentrieren
o Antiödematöse Therapie
o Antikonvulsiva, Antipyretika, etc.
FSME:
 RNA-Flavivirus
 3 Subtypen (regional  je weiter östlich desto maligner)
 Übertragung durch Zecken
 Risikogebiete: v.a. Bayerischer Wald, Schwarzwald, Rhön  Impfempfehlung
 Klinik:
o Zweigipfliger Fieberverlauf (für virale Erkrankung sehr hohes Fieber)
 3-8d Prodromalphase
 Zweite Krankheitsphase
50% Meningitis
40% Meningoenzephalitis
10% Myelitis
o Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt: Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit
o Entzündung mit Bewusstseinsstörung, Koordinationsstörung, Lähmungen von
Extremitäten- und Gesichtsnerven
 Keine kausale Therapie
 5% der Patienten werden intensivpflichtig, 20% brauchen längerfristig Reha
 Letalität 1%, bei Myelitis 10%
 Bei Kindern und Jugendlichen meist günstigerer Verlauf
5. Zentrale Motorik I –
Motoneuronerkrankungen
Spastische
Syndrome
Physiologie:
 Beteiligte Strukturen:
o Motorischer Cortex
o Kleinhirn
o Motoneurone
o Basalganglien
o Rückmeldung sensorischer Neurone
 Primärer motorischer Cortex:
o Brodman Area 4 und 6
o Präzentraler Cortex
o Motorischer Humunculus
 Deszendierende Bahnen:
o Tractus corticospinalis ventromedialis (kreuzt nicht)
o Tractus corticospinalis laterali (kreuzt zur anderen Seite)
o Mediale bulbospinale Bahnen
proximale Muskulatur, Stellreflexe
o Laterale bulbospinale Bahnen
kaum Feinmotorik
Spinale Reflexe:
und


Segmentale und intersegmentale regulative Reflexe über Ia- oder Ib-inhibierende
Interneurone:
o Monosynaptischer Dehnungsreflex
o Gekreuzter Flexor-Extensor-Reflex
o Ib-inhibitorischer Reflex
Kortikosegmentale regulative Reflexe:
o Renshaw-Reflex
o Ia-inhibitorischer Reflex
Spastik – Pathophysiologie:
 Motorische Störung mit geschwindigkeitsabhängigem Anstieg der tonischen
Muskeldehnungsreflexe, gesteigerten Muskeleigenreflexen und Hyperexzitabilität der
phasischen Dehnungsreflexe (Komponente des UMN-Syndroms)
 Hypothesen zur Entstehung:
o Servo-loop-Hypothese (Überaktivierung der -Motoneurone durch exzessive
Aktivierung propriospinaler Neurone)
o Ausfall der reziproken Hemmung durch Antagonisten (Disinhibition
interneuronaler Netzwerke auf segmentalem Niveau: Renshaw, Interneurone, IaInterneurone)
o Release- und Sprouting-Hypothese (Ausfall inhibierender deszendierender
Bahnen und lokales Sprouting auf segmentalem Niveau mit Besetzung frei
gewordener Synapsen)
o Synaptische Alteration an -Motoneuronen
o Motor unit remodeling (Typ-1 Faser Prädominanz)
 Bsp.:
o Spastische Beugekontraktur nach Zerebralblutung
o Streckspastik des Beines mit Zirkumduktion nach Schlagangall (Wernicke-MannGangbild)
o Schmerzhaft einschießende Beugespastik
Charakteristika zentral-motorischer Erkrankungen:
 Spastische Muskeltonuserhöhung (Affektion des 1. Motoneurons, UMN):
o Fokale Spastik
o Hemispastik
o Paraspastik
o Tetraspastik
 Muskelatrophie und Faszikulationen (Affektion des 2. Motoneurons, LMN)
 Begleitende Symptome (Sensibilität, Koordination, Vegetativum) je nach Ätiologie der im
Vordergrund stehenden motorischen Symptomatik:
o + traumatisch, z.B. Querschnittsyndrom, ischämisch, hämorrhagisch, entzündlich,
neoplastisch
o – degenerativ
 Pathologische Befunde:
o Zentralmotorische Paresen, Massenbewegungen, Spastik: bei pyramidaler,
juxtapyramidaler Läsion (Tractus corticospinalis, Area praerolandica parasagittalis)
o Muskelatrophie,
Faszikulationen:
segmentale
Muskelatrophie
und
Spontanaktivierung durch Degeneration des motorischen Axons, „peripher“
imponierende schlaffe Parese
o Reflexstatus:
 Muskeleigenreflexe:
Pyramidale Läsionen: verstärkt, pathologisch überspringend,
Klonus
Vorderhornläsion: verringert bzw. ausgefallen
Fremdreflexe: bei pyramidalen Läsionen auslösbar (Babinski-Gruppe)
-


Folgen:
o Paresen (spastisch atroph):
 Arme: Invalidisierung, Verlust der Eigenständigkeit
 Beine: Gangstörung, Sturzneigung
 Kopf: Dysphagie, Dysarthrie, Dysphonie, Blickmotorikstörung
o Schmerzen infolge Bewegungseinschränkung oder Tonuserhöhung
Muskulatur, sekundäre ligamentäre Kontrakturen
o Sekundäre psychologische Konsequenzen
der
Degenerative zentral-motorische Erkrankungen – Motoneuronerkrankungen:
 Meist selektive Degeneration zentraler Motoneuronen
 Selektivität durch Besonderheiten der motorischen Nervenzellen (besonders groß und
langstreckig, daher am anfälligsten für Energiemangel und oxidativen Stress)
 Folgen:
o Spinales Vorderhorn: Muskelatrophie, Faszikulationen, Paresen
o Kortex: Spastizität
o D.h. Spastik immer bei Schädigung der kortikospinalen Bahnen
 Formen:
o LMN-Erkrankung: lower motoneuron, Vorderhorn, -Motoneuron (z.B. SMA,
Post-Polio-Syndrom, Morbus Tay-Sachs)
o UMN-Erkrankung: upper motoneuron, Pyramidenbahn, präzentraler Cortex (z.B.
primäre Lateralsklerose, hereditäre spastische Paresen)
o Kombination UMN/LMN, z.B. ALS (häufigste Erkrankung)
 Ätiologie der zum motoneuronalen Zelltod führenden Mechanismen ist vielschichtig
(energetische Dysbalance verschiedener Ursache)
 Gemeinsame Endstrecke eines nicht nekrotischen Zelltods mit Caspasenaktivierung,
DNA-Degradation und Zelllyse (Apoptose)
Spinale Muskelatrophie (SMA):
 Erkrankung des 2. Motoneurons
 Typische und atypische Formen
 Axonale Degeneration  atrophe Parese, keine Spastizität, da keine Beteiligung
deszendierender kortiko-/ bulbospinaler Bahnen
 Milde bis mäßige CK-Erhöhung (300-1500mmol/l)
 Zeichen der Denervierung im EMG, reduzierte CMAP als Ausdruck axonalen
Untergangs
 Typische Form: typische SqSMA
o 1:6000 bis 1:10000
o Zweithäufigste autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung (nach CF)
o 2-3% der Bevölkerung sind Carrier der SMN1-Mutation auf Chromosom 5q13
o Degenerative Erkrankung der motorischen Vorderhornneurone (gestörte snRNPRegeneration  Schaden am Spliceosom)
o Typ 1: Werdnig-Hoffmann
 Beginn in utero
 Floppy baby
 Sitzen und Stehen nie möglich


 Tod vor dem 18. Lebensmonat durch respiratorische Insuffizienz
o Typ 2/3: Kugelberg-Welander
 Typ 2: Sitzen möglich, Tod nach dem 2. Lebensjahr
 Typ 3: Stehen möglich, Beginn nach dem 18. Lebensmonat, Tod im
Erwachsenenalter
o Typ 4:
 Selten
 Beginn im Erwachsenenalter
 Auch asymmetrische und distal betonte Formen
X-Bulbospinale SMA (Kennedy-Syndrom)
o Wichtigste Differentialdiagnose zur ALS im Erwachsenenalter
o Häufigste atypische SMA
o Beginn im Erwachsenenalter
o Symmetrische proximal betonte Tetraparese mit Atrophien und Faszikulationen
o Weitere Symptome: Gynäkomastie, Dysarthrie
o Ätiologie: Störung des Androgen-Rezeptor-Proteins (ARP)  Probleme in der
dendritischen Entwicklung
o Triplett-repeat-Disease (CAG-repeats auf Chromosom Xq12)
o Dadurch Polyglutamin-Aggregate in Zytoplasma und Zellkern
o Durch Aggregate aberrante Proteolyse nach Ubiquitinierung
Differentialdiagnosen der SMA:
o Myopathien:
 Muskeldystrophien: Duchenne, Becker, OPMD
 Myositiden: Polymyositis, Einschlusskörperchenmyositis
 Glucogenose Typ III (Debranching enzyme deficiency)
o Neuropathien (z.B. durch Vaskulitiden)
o Poliomyelitis, polioähnlicher Verlauf einer FSME
Bulbäre Symptomatik:
 Zungenatrophie, Fibrillationen (2. Motoneuron)
 Pseudobulbäre Zungenmotilitätsstörung (1. Motoneuron)
 Dysphagie mit supraglottischer Penetration  Speichelaspiration
 Mimische Parese
Zeichen peripherer Denervierung:
 Myatrophien
 Faszikulationen
Amyotrophe Lateralsklerose:
 Sporadische Form (SALS)
o Inzidenz: 1,5-2:100000/a
o Prävalenz: 5-8/100000
o Männer:Frauen = 1,5:1
o Prädilektionsalter: 58-64 Jahre
o Tod meist 3-6 Jahre nach Initialsymptomatik
 Familiäre Form (FALS)
o 5-10% aller ALS-Erkrankungen
o Meist autosomal-dominant vererbt
o Erkrankungsbeginn meist früher als bei SALS
o Häufigste Mutation: im SOD-1-Gen (Cu/Zn-Superoxiddismutase-1  wichtig
für Detoxifikation toxischer Sauerstoffradikale)


Pathophysiologie:
o Erkrankung des 1. und 2. Motoneurons  Atrophien und Spastizität
o Degenerativer Zelltod (Vorderhorn und präzentrale Betz-Zellen)
o Pathogenetische Hypothesen:
 Glutamaterge Exzitotoxizität
 Schädigung durch freie Radikale
 Störung des axonalen Transports
 Neurotrope Viren, Umgebungsfaktoren (?)
o Beeinflussung der Suszeptibilität und des Verlaufs durch modifizierende Gene
(z.B. CNTF)
o Ausschließlich motorische Symptomatik
o Schleichend progredienter Verlauf
o Häufig zunehmende Dysarthrie und Dysphagie
o Tod durch respiratorische Insuffizienz oder Aspirationspneumonie
o Milde bis mäßige CK-Erhöhung
o Im cMRT hyperintense Pyramidenbahn
o Pathologische motorisch evozierte Potentiale (MEP)
 Pathologische zentrale Leitungszeit
 Pathologische Spontanaktivität
o ElEscorial-Kriterien (klinische und elektrophysiologische Kriterien und ihr
Verteilungsmuster)  Diagnose vermutet – möglich – wahrscheinlich – sicher je
nach Anzahl und Stärke vorhandener Kriterien
Differentialdiagnose der ALS:
o Zervikale Myelopathie
o Syringomyelie, Syringobulbie
o HTLV-I-Myelopathie
o HIV-Enzephalomyelopathie
o CJD
o Post-Polio-Syndrom
o Motorische Neuropathien
o Tauopathien: insbesondere frontotemporale Demenz (FTD)
o Hexosminidase A-Mangel
Hereditäre Spastische Spinalparalyse (HSP):
 Erkrankung des 1. Motoneurons  keine Atrophie oder Faszikulationen
 Häufigkeit: 1-2/100000
 Degenerativer Zelltod präzentraler Betz-Zellen
 Schleichend progrediente spastische Paraparese/ Tetraparese
 Typische Scherenspastik
 Leichte Sensibilitätsstörungen
 Unkomplizierte und komplizierte Formen
 Komplizierte Formen mit Begleitsymptomen:
o Periphere Neuropathie
o Epilepsie
o Ataxie
o Demenz
 Differentialdiagnosen:
o ALS
o Zervikale Myelopathie
o Spinale Tumoren
o Stoffwechselerkrankungen und entzündliche Erkrankungen des Myelons
Therapieansätze:
 Kausale Therapie bei degenerativen Erkrankungen noch nicht möglich  Bedeutung der
symptomatischen Therapie
 Symptomatische Therapie:
o Spastizität: orale Antispastika, Krankengymnastik
o Muskelschwäche: Cholinesterasehemmer, Krankengymnastik, Ergotherapie
o Orthesen und Hilfsmittel
o Dysphagie: Schlucktherapie, evtl. PEG
o Dysarthrie: Logopädie
6. Zentrale Motorik II – Bewegungsstörungen
Die Basalganglien:
 Anteile:
o Nucleus caudatus
Striatum
o Putamen

Nucleus lentiformis
o Globus pallidus (internus und externus)
o Nucleus accumbens
o Tuberculum olfactorium
Enge Beziehungen zu
o Substantia nigra (pars compacta und pars reticularis)
o Nucleus subthalamicus
Funktionelle anatomische Schleifen:
 Limbische Schleifen: affektiv/ emotionale Funktionen, Motivationsprozesse
 Präfrontale Schleifen: kognitive Funktionen, andere „high level“ Prozesse
 Motorische Schleifen: (rot: Hemmung, grün: Aktivierung)
Normale motorische Kontrolle
Kortex
Striatum
D2-Rez. D1-Rez.
GABA
Enkephalin
Dopamin
Substantia nigra
pars compacta
Globus pallidus
externus
GABA
Ncl. subthalamicus
Glutamat
Ncl. ventralis anterior
+ Ncl. ventrolateralis thalami
GABA
Substanz P
GABA
Globus pallidus internus
Substantia nigra pars reticularis
Glutamat
Einteilung der Bewegungsstörungen:
 Hypokinetische Syndrome – Parkinson-Syndrome
 Hyperkinesen:
o Chorea
Hirnstamm
o
o
o
o
o
o
o
Dystonien
Tremor
Ballismus
Athetose
Tics
Myklonus
Etc.
Morbus Parkinson:
 70-80% der Parkinson-Syndrome
 Prävalenz : 1-2 auf 1000
 Bei >60jährigen 1% der Bevölkerung
 Diagnostik des Parkinson-Syndroms:
o Obligat : Akinese/ Bradykinese
 Verlangsamung der Bewegungsinitiation
 Verlangsamung und Amplitudenreduktion bei der Durchführung von
Bewegungen
o + eines der folgenden Symptome:
 Ruhetremor (4-6Hz), häufig durch eine kognitive Aufgabe provozierber
 Rigor (nicht geschwindigkeitsabhängig wie bei der Spastik)
 Störung posturaler (gleichgewichtsregulierender) Reflexe bei gleichzeitiger
Abwesenheit visueller, zerebellärer oder propriozeptiver Dysfunktionen
 Diagnostik des M. Parkinson:
o Diagnose des Parkinson-Syndroms
o + 3 der folgenden Kriterien:
 Einseitiger Beginn
 Persistierende Asymmetrie
 Ruhetremor
 Progredienter Verlauf
 Initial gute L-Dopa-Response
 Wirksamkeit von L-Dopa über >5 Jahre
 Mehr als 10jähriger klinischer Verlauf
 L-Dopa-getriggerte Hyperkinesen
 Pathologisches Substrat:
o Verlust dopaminerger Neurone in pars compacta der Substantia nigra 
Depigmentierung im Mittelhirn
o Lewykörperchen = intraneurale Einschlüsse, anfärbbar mit Antikörpern gegen
Synuclein und Ubiquitin
 Mechanismus der Neurodegeneration:
o Proteinaggregate als Schlüsselereignis (Lewykörperchen)
o Toxische Wirkung der Aggregate  Apoptose
 Genetik des M. Parkinson:
o Gestörte Expression von Genen, deren Produkte an Proteinstoffwechsel, -faltung
und –abbau beteiligt sind
o Z.B. Parkin-Gen, PARK3, PARK4, etc., alpha-Synuclein-Gen
o Genetische Komponente v.a. bei früh beginnenden Formen, bei der Mehrzahl der
Patienten ist die Krankheit aber idiopathisch
 Multimodale Neurodegeneration: auch Abbau noradrenerger, serotonerger und
cholinerger Neurone  weitere Störungen:
o Depression (nicht reaktiv sondern durch Degeneration serotonerger und
noradrenerger Neurone)

o Kognitive Störungen durch Degeneration cholinerger Neurone
Schema:
Normale motorische Kontrolle
Kortex
Striatum
D2-Rez. D1-Rez.
GABA
Enkephalin
Dopamin
Substantia nigra
pars compacta
Globus pallidus
externus
GABA
Ncl. subthalamicus



GABA
Substanz P
GABA
Globus pallidus internus
Substantia nigra pars reticularis
Glutamat
d.h.:
Glutamat
Ncl. ventralis anterior
+ Ncl. ventrolateralis thalami
Hirnstamm
Ausfall der Substantia nigra pars compacta
Wegfall der Hemmung der D2-Rez. und der Aktivierung der D1-Rez.
Verstärkte Hemmung des Globus pallidus externus, dadurch weniger Hemmung
des Ncl. subthalamicus
Verstärkte Aktivierung des Globus pallidus internus (auch durch wegfallende
Hemmung durch Striatum) und der Substantia nigra pars reticularis
Verstärkte Hemmung der Thalamuskerne
Fehlende Energisierung des motorischen Kortex
Dopamin-Ersatztherapie:
o Dopaminergika:
 L-Dopa (Dopamin selbst kommt nicht über Blut-Hirn-Schranke)
 Dopamin-Rezeptor-Agonisten
 COMT-Hemmer, MAO-B-Hemmer
o Antiglutamatergika (Amantadin, Budipin)
o Anticholinergika (synthetisch, Budipin)
 Logik: Dopamin und Acetylcholin halten eine Balance  durch Abbau
von Acetylcholin mehr Dopamin
 Problem: Verstärkung der Wirkung der cholinergen Neurodegeneration,
daher nur Medikamente 2. oder 3. Wahl
Komplikationen der Dopamin-Ersatztherapie:
o Stadium I: Motilität normalisiert sich
o Stadium II: Fluktuation der Motilität mit dem Medikamentenspiegel
o Stadium III: Endintervall-Akinese (mit Abnahme des L-Dopa-Spiegels im
Intervall zwischen den Einnahmen nimmt die Motilität ab)
o Stadium IV: L-Dopa-Spätsyndrom (choreatiforme Hyperkinesen im Wechsel mit
Akinesen)
Chirurgische Therapie: pallidale Chirurgie
o Zerstörung des Globus pallidus oder des Nucleus subthalamicus
o Heute meist reversible Inaktivierung durch implantierte Elektroden (=
stereotaktische Therapie – elektrische Tiefenstimulation)
Multisystematrophie:






Häufigere Erkrankung der 20-30% Parkinson-Syndrome, die nicht M. Parkinson
zuzuordnen sind
Klinische Leitsymptome:
o Parkinson-Syndrom
o Dysarthrie
o Dysphagie
o Autonome Störung (Shy-Drager-Variante)
o Antecollis
o Laryngealer Stridor
o Spasmodische Dysphonie
o Zerebelläre Ataxie (OPCA-Form
Neuropathologie:
o Vorwiegend in Oligodendrozyten lokalisierte argyrophile, -Synuclein-positive
Einschlusskörperchen
o Verbreiterter Neuronenverlust und Gliose u.a. in
 Substantia nigra
 Putamen
 Autonomen Kerngebieten
 Olive
Zwei Formen:
o Beginn mit Parkinson-Symptomatik
o Ataktischer/ zerebellärer Beginn
o Gemeinsame Endstrecke: beide Komponenten
Diagnosekriterien:
o Blutdrucksenkung bei Orthostase
o Harninkontinenz
o Parkinson-Syndrom
o Zerebelläre Symptomatik
o Pyramidenbahnläsion
Bildgebung: Mittelhirn- und/oder Kleinhirnatrophie
Progressive supranukleäre Blickparese (PSP):
 = Steel-Richardson-Olschewsky-Syndrom
 Klinische Leitsymptome:
o Parkinson-Syndrom
o Frühzeitige Gangstörung
o Vertikale Blickparese
o Dysphagie
o Demenz
o Reklination des Kopfes
o Sehr schlechte bzw. fehlende L-Dopa-Response
o Rasche Progression
Kortikobasale Degeneration – klinische Diagnostik:
 Parkinson-Syndrom
 „Alien-Limb“-Phänomen
 Dystonie (v.a. distal betonte Flexionsdystonie des Arms)
 Aktions-/ Haltemyoklonus
 Kortikale Sensibilitätsstörung (Astereognosie, Hypographästhesie)
 Apraxie

Pyramidenbahnzeichen
Chorea Huntington:
Normale motorische Kontrolle
Striatum
D2-Rez. D1-Rez.
GABA
Enkephalin
Globus pallidus
externus
GABA
Ncl. subthalamicus






Dopamin
Kortex
Glutamat
Ncl. ventralis anterior
+ Ncl. ventrolateralis thalami
GABA
Substanz P
Substantia nigra
pars compacta
Glutamat
Globus pallidus internus
Substantia nigra pars reticularis
GABA
Hirnstamm
Neuronenuntergang im Striatum, besonders im Bereich der D2-Rezeptoren
Wegfall der Hemmung des Thalamus  überschießende Aktivierung des Kortex
Klinische Trias:
o Choreatiforme Hyperkinese
o Demenz
o Depression
Prävalenz: 21 auf 100000
Erkrankungsmanifestation zwischen 30. und 50. Lebensjahr
Autosomal-dominant vererbte Triplett-repeat-Erkrankung mit 100%iger Penetranz
Hemiballismus:
 Ausfall des Nucleus subthalamicus, z.B. durch Infarkt
 Nichtdegenerativ
 Überschießende Bewegungen
Dystonie:
 Verkrampfungen der Willkürmuskulatur, die zu abnormen Bewegungen und Stellungen
führen und mit der normalen Bewegungsausführung interferieren
 Klassifikation nach:
o Lokalisation:
 Fokal/ segmental (z.B. Blepharospasmus, zervikale Dystonie, etc.)
 Generalisiert:
Multifokal
Hemidystonie
Sonderformen
o Erkrankungsalter
o Ätiologie
o Therapie
 Ätiologie:
o Idiopathisch
o Genetisch bedingt:
 Autosomal-dominant vererbt (z.B. DYT-1-Gen), geringe Penetranz

 X-chromosomal vererbt
o Strukturelle Läsionen
o Medikamentös (Neuroleptika)
Therapie:
o Botulinumtoxin
 Bei fokalen Dystonien
 Wirkmechanismus: Bindung, Internalisierung und Hemmung der Acetylcholinfreisetzung
 Wirkungsbeginn 3-8 Tage nach Injektion
 Wirkdauer 2-4 Monate
o Medikamentös (bei generalisierten Dystonien)
o Chirurgisch:
 Selektive Denervierung
 Tiefe Hirnstimulation
Essentieller Tremor:
 Häufigster Tremor überhaupt
 Bei ca. 1-3% der Bevölkerung
 Zu 50% autosomal-dominant vererbt
 Erkrankungsgipfel:
o 20.-30. Lebensjahr
o 50.-60. Lebensjahr
 Haltetremor, Aktions- und Intentionstremor, d.h. nicht in Ruhe (wie bei Parkinson) 
interferiert stärker mit Bewegungen
 Therapie:
o Standard:
 Beta-Blocker
 Primidon
o Tiefe Hirnstimulation
 Bei ca. 50% der Patienten Besserung durch Alkohol (wird aber meistens nicht zugegeben)
7. Kopf- und Gesichtsschmerzen
Primäre Kopfschmerzen:
 Spannungskopfschmerzen
 Migräne
 Cluster-Kopfschmerzen
 Chronisch-paroxysmale Hemikranie
 Hemicrania continua
 Trigeminusneuralgie
Sekundäre Kopfschmerzen:
 Subarachnoidalblutung
 Meningitis
 Arteriitis cranialis
 Zosterneuralgie
 Liquorunter-/ überdruck
 Intrakranieller Tumor



Meningeose
Zervikogener Kopfschmerz
Sinusitis, Zahn- und Kiefererkrankungen
Was tut weh im Kopf?
 Sinus, Venen
 Proximale Abschnitte der Arterien
 Hirnhäute in der Nähe großer Arterien
 Hirnnerven
 Obere zervikale Wurzeln
 Extrakranielle Strukturen (Gesichtsschädel)
 NICHT: Hirnparenchym
 Besonders wichtig bei den meisten Erkrankungen: V1 (N. ophthalmicus)
o Oberes Drittel des Gesichts
o Haut: Vertex bis inklusive Oberlid
o Cornea
o Mucosa der Sinus (frontalis, ethmoidalis, etc.)
o Dura mater des Tentorium cerebelli
Subarachnoidalblutung:
 Klinisches Bild:
o Perakut einsetzender heftigster Kopfschmerz
o Kopfschmerzen „wie noch nie“
o Nackensteifigkeit (!)
o Evtl. Bewusstseinsstörung
o Evtl. neurologische Ausfälle
o CT: Blutung in den Subarachnoidalraum zwischen Pia mater und Arachnoidea,
z.B. aus Aneurysma der basalen Hirnarterien
 Stadieneinteilung (Hunt&Hess):
o I:
leichter Kopfschmerz/ Meningismus
o II:
mäßiger – schwerer Kopfschmerz/Meningismus, evtl. Hirnnervenausfälle
o III:
Somnolenz/ Verwirrtheit und/oder neurologische Ausfälle
o IV:
Sopor, schwere neurologische Ausfälle, vegetative Störungen
o V:
Koma
 Diagnostik:
o CCT: Blutungsnachweis
o Liquorpunktion: falls kein sicherer Blutungsnachweis im CT, 3-Gläser-Probe
o Angiographie: Nachweis eines Aneurysmas
 Therapie:
o Intensivmedizinische Überwachung
o Bis zur Aneurysma-Ausschaltung normale Blutdruckwerte anstreben
o Entfernung des Aneurysmas (Clipping, Coiling)
o Danach:
 Doppler-Monitoring auf Spasmen (Verengungen intrakranieller Arterien
 Flüsse >120m/s  Minderperfusion abhängiger Gebiete 
Schlaganfall)
 Nimodipin 2mg/h
 Bei Spasmen HHH-Therapie (nur, wenn Aneurysma vorher beseitigt
wurde!):
Hypertension: RRsyst 160-180
Hypervolämie: ZVD ca. 12
Hämodilution: Hk ca. 30
o Bei fehlendem Aneurysma-Nachweis:
 Re-Angiographie nach 1-2 Wochen bzw. nach Abklingen der Spasmen (3
Wochen)
 CAVE: hohe Gefahr der Rezidivblutung, die dann kaum zu stoppen ist!!!
-
Meningitis:
 Formen:
o Eitrig (septisch = bakteriell)
o Aseptisch (viral, Pilze, einige Bakterien, Meningeose)
 Symptome: wie bei Subarachnoidalblutung, zusätzlich Fieber
Kopfschmerzen vom Spannungstyp:
 Symptomatik:
o Lokalisation: parietal, holozephal, bandförmig, beidseitig, mit „Benommensein“
o Qualität: dumpf, drückend und bohrend
o Intensität: leicht bis mittel
o Meist nicht durch körperliche Aktivität verstärkt
o Keine kombinierten Begleitsymptome (wie Übelkeit, Erbrechen, Licht- und
Lärmscheu)
o Alltagsverrichtungen möglich, Arbeitsfähigkeit vorhanden
 Epidemiologie:
o Lebenszeitprävalenz:
 Episodische Form: 66%
 Chronische Form: 3%
o Frauen:Männer = 3:1
o Familiär gehäuftes Auftreten
 Formen:
o Episodisch, selten:
 >10 Attacken in Anamnese
 <12 Kopfschmerztage im Jahr
o Episodisch, häufig:
 >10 Attacken in Anamnese
 >12 aber <180 Kopfschmerztage im Jahr
o chronisch:
 >180 Kopfschmerztage im Jahr oder
 >15 Kopfschmerztage im Monat
 Unterformen: Palpation des M. temporalis 
o Mit erhöhter Schmerzempfindlichkeit der perikraniellen Muskulatur
o Ohne erhöhter Schmerzempfindlichkeit der perikraniellen Muskulatur
 Ätiologie vielfältig (Stress, Muskelverspannungen, HWS-Störungen, Störung des
Serotonin-Stoffwechsels, etc.)  sorgfältige Anamnese (auch psychosozial)
 Therapie:
o Episodische Form:
 Ibuprofen
3Tabl/d bzw. 10Tabl/Monat sollten
 Ketoprofen
nicht überschritten werden
 ASS
sonst Gefahr des medikamenteninduzierten
 Paracetamol
Dauerkopfschmerzes
o Chronische Form:
 Physikalische Maßnahmen (KG, TENS, Biofeedback)




Entspannungs- und Stressbewältigungsstrategien
Pfefferminzöl 10% äußerlich
Amitriptylin Ret. 10-25mg zur Nacht (ggf. wöchentlich um 25mg steigern
bis 25-0-100)
Mirtazapin 30mg zur Nacht
Migräne:
 Symptomatik:
o Evtl. Prodromi, evtl. Aura (in ca. 20%)  am häufigsten Flimmerskotom )aber
auch Sensibilitätsstörungen, Sprach-/Sprechstörungen, Hemiparesen
o Anfallsartiger Kopfschmerz über 4-72h
o Häufigkeit von einmal/Jahr bis zweimal/Woche
o Meist einseitig, temporal, oft auch okzipital
o Qualität: pochend, pulsierend, drückend, bohrend
o Verstärkt durch Bewegung (Gehen)
o Begleitsymptome: Lärm- und Lichtscheu, Übelkeit, Erbrechen
o Häufig durch Schlaf beendet
 Trigger:
o Stress
o Veränderungen des zirkadianen Rhythmus
o Nahrungsmittel (Zitrusfrüchte, Käse), Alkohol
o Koffein (häufiger aber Milderung durch Koffein)
o Traumen
o Medikamente (Nitrate, NO-Spender)
 Altersabhängigkeit: Gipfel um das 40. Lebensjahr
 Frauen häufiger als Männer betroffen
 Erblichkeit:
o Bei Verwandten ersten Grades mit Aura: 4x erhöhtes Risiko
o Bei Verwandten ersten Grades ohne Aura: 1,6x erhöhtes Risiko
o Eineiige Zwillinge in 20-50% konkordant
o Familiäre hemiplegische Migräne (Aura = Hemiplegie):
 Sonderform mit „Migräne-Gen“
 FHM1 bzw. FHM2
 Störung einer Untereinheit eines Ca-Kanals
 Dadurch mangelnde Kontrolle der neuronalen Erregbarkeit, erniedrigte
Reizschwellen in elektrophysiologischen Untersuchungen
 Rolle des Serotonin:
o Serotoningabe im Anfall kupiert die Migräne, Serotoningabe im Intervall löst sie
aus
o Viele serotoninerge Neurone sind in schmerzmodulierenden Zentren des
Hirnstamms
o Hohe Östrogenspiegel korrelieren mit hohen Serotoninspiegeln  vgl.
prämenstruelles Auftreten der Migräne
o Aktivität serotonerger Neurone ist im Alter und im Schlaf reduziert
o Chronische Analgetika-Einnahme reduziert die Zahl der Serotonin-Rezeptoren
o Bei Migräne mit Aura tritt häufiger das Allel mit schlechter Funktion des
Serotonin-Transporters
auf
(Feinabstimmung
der
serotonergen
Neurotransmission verschoben)
 Aktivität im Hirnstamm während einer Attacke (PET-Scan)  Migränegenerator im
Hirnstamm
 Spreading Depression:




o Wandert beim Versuchstier über den Kortex im gleichen Tempo wie ein
Flimmerskotom  Überprüfung an Migränepatienten 
o Spreading-BOLD-Signal im visuellen Kortex (entspricht einer blood-oxygendependant Vasodilatation)
o Dieses Signal bewirkt Plasmaextravasation durch trigeminale Aktivierung der
Nerven von Blutgefäßen  Vasodilatation und rückwärtige Signale an
Schmerzzentren im Hirnstamm
Pathogenese:
o Cortikale Spreading Depression
o Trigeminusfasern in der Dura
o Sensibilisierung
o Trigeminuskerne – Thalamus
o Kortex
Trigeminovaskuläre Aktivierung als Ansatz für die Therapie (regulatorische Rezeptoren
sind serotoninerg)  Aktivierung der Serotonin-Rezeptoren durch Triptane und
Ergotamine (hilft nicht in der Aura-Phase)
Anfallstherapie:
o ASS/ Paracetamol
o Ibuprofen/ Naproxen
möglichst früh
o Vor/mit Analgetikum: Metoclopramid, Domperidon
o Triptane
o Aspisol (+ Antiemetikum, z.B. Vomex)  nie bei erstmaligem Auftreten (DD
Blutung)
o Ergotamintartrat, Dihydroergotaminmesilat
Intervalltherapie:
o Nicht-medikamentös:
 Aufklärung über Lebensrhythmus, Ernährung, Vermeiden von Triggern
 Ansprechen von Stress, Konflikten
 Entspannungstraining, ggf. Akupunktur
o Medikamentös: bei >3 schweren Anfällen pro Monat
 Beta-Blocker: Metoprolol, Propranolol (Retard-Präparate), dabei wirken
nicht alle Betablocker, außerdem cave Blutdrucksenkung
 Flunarizin 5-10mg (Ca-Antagonist): nicht bei Depression in der
Anamnese, außerdem cave Gewichtszunahme
 Valproat 500-600mg (niedrig dosiertes Antiepileptikum)
 Topiramat 50-200mg (niedrig dosiertes Antiepileptikum)
Cluster-Kopfschmerzen:
 Epidemiologie:
o Selten, Prävalenz ca. 0,1%
o Zu 80% sind Männer betroffen
o Manifestation zwischen 20. und 40. Lebensjahr
 Symptomatik:
o Starker, unilateraler, orbitaler/temporaler Gesichtsschmerz
o Immer auf der gleichen Seite
o Bohrend, brennend, stechend
o Meist über ca. 30min, oft nachts (Patient muss aufstehen und umhergehen)
 Begleitsymptome: ipsilateral
o Konjunktivale Injektion, Tränenfluss
o Verstopfte Nase, Rhinorrhoe
 Über 2-12 Wochen (Cluster), dann Remission für Monate bis Jahre







Jahreszeitliche Häufung (Februar-Juni)
Provokation, u.a. durch Alkohol
Pathogenese:
o Aktivierung des trigeminovaskulären Systems
o Vaskulitis des Sinus cavernosus?
o Störung des inneren Zeitgebers in den Nuclei suprachiasmatici mit Verbindungen
mit dem serotonergen System von Hirnstamm und Trigeminuskernen
PET: Aktivierung im Hypothalamus und Schmerzzentren
Therapie im Anfall:
o Sauerstoff 100% über 10min 5-7l/min über Maske (wirkt bei 80%)
o Sumatriptan 6mg s.c. (bei 80% Besserung in 15min)
o Rizatriptan p.o.
o (ältere Medikamente: Ergotamintartrat i.v. oder i.m.; Lidocain intranasal)
Prophylaxe:
o Verapamil hochdosiert  NE: Obstipation, Müdigkeit, Hypotonus, Blockbilder
o Prednison  NE: Ulcus, Thrombosen, Diabetes
o Lithium  NE: Nierenfunktion, Tremor, Struma, CAVE Intoxikation
o Topiramat  NE: kognitive Störungen, Parästhesien
Unwirksam sind (!!!):
o Paracetamol, Novalgin, NSAR, Opiate
o Entspannung, Psychotherapie, Biofeedback
o Akupunktur, TENS, Massagen, Manualtherapie
Trigeminusneuralgie:
 Prävalenz 1:30000
 Frauen häufiger als Männer betroffen
 Meist ab 6. Lebensjahrzehnt
 Am häufigsten V2 und V3 betroffen, nur 12% V1
 Symptom: stechender, einseitiger Sekundenschmerz
 Anfangs Remissionen über Wochen möglich
 Trigger: Sprechen, Essen, Trinken  wird oft verweigert (besonders im Alter), daher
Therapie sehr wichtig
 Ätiologie:
o Gefäß-Nerv-Konflikt: verhärtete Arterie drückt auf Eintrittspforte des Nerven in
die Brücke
o Symptomatische Neuralgie: MS, Neurinom, Aneurysma drückt auf Nerv
o Durch den Druck Demyelinisierung in der pontinen Eintrittszone
 Medikamentöse Therapie:
o Carbamazepin, einschleichend dosiert (anfangs fast 100% erfolgreich)
o Phenytoin (für schnelle Wirkung, als Kurzinfusion bis Carbamazepin wirkt)
o Baclofen
 OP-Verfahren:
o Offen: mikrovaskuläre Dekompression nach Jammetta
o Perkutan: selektive perkutane Thermoläsion nach Sweet
Arteriitis temporalis:
 Bei Patienten ab 50Jahren
 Neu aufgetretener, langsam schleichender Kopfschmerz
 Oft mit Gliederschmerzen (Polymyalgia rheumatica)
 Generalisierte Gefäßentzündung





Visusverlust
BSG > 50 (!!!)
Temporalisbiopsie: nekrotisierende Arteriitis
Ischämische Optikusneuropathie  Erblindung in 50% der unbehandelten Fälle
Rasche Therapie mit hochdosierten Kortikosteroiden, Erhaltungstherapie über 12-24
Monate (sonst hohe Rezidivgefahr)
8. Neuropsychologie
Definitionen:
 Neuropsychologie: Erforschung der zentralnervösen Grundlagen des menschlichen
Verhaltens und Empfindens
 Klinische Neuropsychologie: Diagnostik und Therapie der Folgen von Hirnschädigungen
auf Intellekt und Psyche des Menschen
Voraussetzungen:
 Das Verhalten des Menschen wird vom Gehirn gesteuert
 Der Mensch hat konstante Fähigkeiten und Eigenschaften (trotz wechselnder
Verhaltensweisen)
 Die konstanten Fähigkeiten und Eigenschaften sind Produkte umschriebener Regionen
des Gehirns
Neuropsychologische Syndrom:
 Aphasie
 Amnesie
 Apraxie
 Agnosien (Störungen des Wissens und Erkennens)
 Störungen der Raumauffassung, Neglect
Aphasien:
 Zentrale Sprachstörungen, die alle expressiven und rezeptiven sprachlichen Modalitäten
betreffen (Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben)
 Differentialdiagnosen:
o Dysarthrien: Störungen der Sprechmotorik
o Verwirrtheit
 Anatomie:
o Sprachzentrum bei 90% der Menschen links in der Konvexität der Großhirnrinde
um die Fissura Sylvii
o Linkshänder: bei 60% Sprachzentrum links, bei 40% rechts oder beidseits
o 1-2% sind rechts sprachdominant
o Festlegung der Sprachdominanz mit 5-6 Jahren
 Ätiologie:
o Ischämische/ hämorrhagische Insulte (80%)
o Tumoren
o Trauma
o Enzephalitis
o Degenerative Erkrankungen
 Symptome:







o Die sprachlichen Modalitäten sind auf sprachsystematischer Ebene in
unterschiedlichen Verteilungen gestört (Syntax, Lexikon, Grammatik, etc.)
o Bestimmte Symptomhäufungen = Aphasiesyndrome (Gefäßsyndrome), je
nachdem welche Gehirnregion ausfällt
Spontanverlauf:
o Aphasiesyndrome bleiben nur bei <50% über die Zeit konstant
o Bei 33% in den ersten 4 Wochen Normalisierung
o Bis zum 7. Monat sind weitere 35% geheilt/ haben minimale Restsymptomatik
o Bei 10% keine Besserung
o Bei 30% Syndromwandel
o Nach 12 Monaten ist der chronische Zustand eingetreten
Untersuchung bei Aphasie:
o Liegt überhaupt eine Aphasie vor?
o Klassifikation und Schweregrad
o Welche sprachlichen Modalitäten und sprachsystematischen Ebenen sind
betroffen?
o Erfassung von Begleitstörungen (Gedächtnis, Aufmerksamkeit, etc.)
Syndrome – typische Störungsmuster:
o 4 Standardsyndrome und 2 Sonderformen
o Im angloamerikanischen Raum Unterteilung in zwei Formen: fluent vs. nonfluent
Zusatzsymptome:
o Apraxie: bukkofacial, Extremitäten-Apraxie
o Konstruktiv räumliche Störung
o Rechenstörungen
Standardsyndrome:
o Amnestische Aphasie: gestörte Wortfindung, der Rest der Sprache ist in
Ordnung, gute Kommunikation möglich (weil Stellvertreterworte gefunden
werden etc.)
o Broca-Aphasie: Verlangsamung, Störung der expressiven Sprache, Telegrammstil,
keine Prosodie, Buchstaben- und Silbenfehler (phonematische Paraphasien, z.B.
Kuschreiber statt Kugelschreiber), Kommunikation stark gestört
o Wernicke-Aphasie: guter Sprechfluss, Artikulation und Prosodie aber viele
semantische Fehler und Neologismen, daher kaum verständlich (DD
Verwirrtheit!!!), Kommunikation stark gestört
o Globale Aphasie: kaum Sprache vorhanden
Lokalisation:
o Broca-Aphasie: Läsion im vorderen Mediastromgebiet
o Wernicke-Aphasie: Läsion im hinteren Mediastromgebiet
o Globale Aphasie: Läsion in beiden Stromgebieten sowie in der Verbindung
zwischen ihnen
Therapie: Logopädie, dabei Aufbau von Kompensationstechniken mithilfe der
Restfähigkeiten
Anterograde Amnesie:
 Störung des Neugedächtnisses
o Kurzzeitgedächtnis (verbal oder räumlich) gestört, dadurch keine Konsolidierung
o Langzeitgedächtnis gestört
 Isolierte Störungen des Kurzzeitgedächnisses sind sehr selten!
o Rechter Parietallappen  Störung der räumlichen Merkspanne




o Auditiver Assoziationskortex im linken Temporallappen  Störung der verbalen
Merkspanne
Langzeitgedächtnisstörung:
o Schwere soziale Beeinträchtigung durch erinnerte Lebensspanne von wenigen
Minuten
o Dabei erhaltene und lernbare Funktionen (motorische und perzeptuelle
Fähigkeiten, z.B. ist es möglich, Klavierspielen zu lernen)
o Vgl. Aufteilung des Langzeitgedächtnisses:
 Deklarativ
Episodisch
Semantisch
 Prozedural
o Unterteilung in explizites und implizites Erinnern (bewusst und unbewusst)
Gedächtnistests:
o Verbal: Lernvermögen für vorgegebene Wörter, freier Spätabruf der gelernten
Wörter, unterstützter Spätabruf, Wiedererkennen der Wörter (vgl.: bei normaler
Altersvergesslichkeit hilft Unterstützung und Wiedererkennen, bei M. Alzheimer
nicht)
o Nonverbal: z.B. komplexe Figur von Rey nachzeichnen (bei anterograder
Amnesie wird das Abzeichnen nach mehrmaliger Wiederholung besser, da geübt,
das Zeichnen aus der Erinnerung funktioniert aber nicht)
Beispiele für anterograde Amnesie:
o Transiente globale Amnesie (TGA) = amnestische Episode: vorübergehend,
gutartig, unklare Ätiologie, meist nur einmalig
o Insult (Hippocampus, Thalamus)
o Hypoxie (Hippocampus, CA1-Feld)
o Tumoren
o Herpes-Enzephalitis (Temporallappen)
o Korsakow-Syndrom (Thalamus, Corpus mammilare)
o M. Alzheimer
o ACA-Aneurysma (basales Vorderhirn)
Anatomie:
o Hippocampus
o Verbindung Hippocampus – Thalamus
o Paramedianer Thalamus
o Amygdala und orbitofrontaler Kortex
Retrograde Amnesie:
 Amnesie für eine Zeitspanne vor einem Ereignis  Prototyp: posttraumatische Amnesie
= fehlende Erinnerung für die letzten Tage/ Stunden vor dem Unfall (zeigt dabei die
Schwere des Traumas an: je länger die verlorene Zeitspanne, desto schwerer der Schaden)
 Störung des Altgedächtisses  Prototyp: M. Alzheimer (Amnesie kann Jahre
zurückreichen)
 Altgedächtnis:
o Episodisch erlebt: Informationen aus persönlichem Leben, öffentlichem Leben
o Semantisch erlernt: allgemeine Kenntnisse, Faktenwissen (Bildung)
o Prozedural erlernt: Handlungsroutinen, Wahrnehmungs- und Denkroutinen
 Tests:
o Abbildungen benennen
o Zeichnungen komplettieren, etc.
 Anatomie:
o Temporalpol
o Inferotemporalkortex
Apraxie:
 Fehlerhaftes Ausführen einiger motorischer Handlungen
 Nicht bedingt durch Parese, Koordinations- oder Sensibilitätsstörung
 Bilaterale Störung
 Meist linkshirnige Läsion mit Aphasie
o Bukkofaciale Apraxie bei 80% der Aphasie-Patienten
o Gleidmaßenapraxie bei 25% der Aphasie-Patienten
 Apraxien sind Diskonnektionssyndrome:
o Normale Verbindung: Aufforderung zur Handlung  visuokinetisches Engramm
 motorischer Assoziationskortex  primär motorischer Kortex via Balken
zur Motorik der anderen Seite
o Bei Unterbrechung der Verbindungen an einer Stelle ist Apraxie die Folge
o Z.B. Balkenläsion: unilaterale Apraxie (sonst bilateral)
 Einteilung:
o Ideomotorisch: Umsetzung eines Plans in motorische Aktion ist gestört (Störung
bei Pantomime-Aufgaben)  häufig
o Ideatorisch: Plan der Bewegung fehlt (Störung von Handlungsfolgen im Alltag)
 selten
 Nicht sinnvolle aber gelegentlich abgefragte Einteilung:
o Gangapraxie
nicht sinnvoll, da schwierige DD zu anderen Störungen
o Lidapraxie
(z.B. Basalganglien-Erkrankung)
o Ankleideapraxie
nicht sinnvoll, da eigentlich keine Apraxie
o Konstruktive Apraxie
sondern räumliche Orientierungsstörung
 Untersuchungsmethoden:
o Transitive Bewegung: Aufforderung zur Pantomime von Objektgebrauch („Tun
Sie so als ob...)
o Intransitive Bewegung (bedeutungsvolle Gesten): z.B. „Zeigen Sie eine lange
Nase“
o Bedeutungslose Gesten
 Aufforderungsmodalitäten bei der Untersuchung:
o Verbal
o Visuell
o Imitatorisch
o Taktil
o Tatsächlicher Werkzeuggebrauch
Parapraxien: Bewegungen mit Fehlern
 Substitution (z.B. Mund spitzen statt Nase rümpfen)
 Überschussbewegungen
 Auslassungen (z.B. beim Pfeifen kein Ton)
 Annäherungsverhalten
 Körperteil-als-Objekt-Fehler (z.B. Finger als Zahnbürste benutzen)
 Perseveration
9. Demenz
Diagnosestellung:
 Notwendige Symptome: KZG- und LZG-Störungen
 + mindestens eines der folgenden Symptome:
o Beeinträchtigung des abstrakten Denkens, Urteilens und Planens
o Fokal-neuropsychologische Zeichen (Aphasie, Apraxie oder Agnosie)
o Veränderungen der Persönlichkeit
 Schwer genug, um mit der Arbeit oder sozialen Kontakten zu interferieren
 Nicht diagnostizierbar, wenn die Symptome im Zusammenhang mit einem Delir (oder
einer anderen akuten organischen Erkrankung) auftreten.
Epidemiologie:
 Prävalenz mit dem Lebensalter ansteigend
 Daher Prävalenz insgesamt ansteigend
 Inzidenz in der Altersgruppe zwischen 85 und 90 Jahren: 10%
Klinische Untersuchung:
 Mini-Mental-Status-Test: schnell durchführbar, aber für bestimmte Störungen nicht
sensitiv
 Schreibtest: Auslassungen von Buchstaben, Perseverationen
 Zeichentest: Haus zeichnen  konstruktive Apraxie
Klassifikation:
 Primär degenerative zerebrale Erkrankungen (am häufigsten)
 Zerebrovaskuläre Formen (Prophylaxe möglich)
 Sekundäre Formen (als einziges kausal behandelbar)
Primär degenerativ bedingte Demenzen:
 M. Alzheimer
 Lobär betonte/ fokal umschriebene kortikale Atrophien
o Ohne Alzheimer- oder Pick-Symptomatik
o M. Pick
 Lewy-Körperchen-Krankheit
 Progressive supranukleäre Ophthalmoplegie
 Kortiko-basale Demenzen
 Etc.
Häufigkeiten:
 M. Alzheimer: 60%
 Lewy-Körperchen-Krankheit: 15%
 Vaskuläre Demenzen: 15%
 Frontotemporale Demenzen: 5%
 Rest: 5%
Beachte dabei: vaskuläre Demenz und M. Alzheimer verhalten sich über-additiv (bei
vaskulärer Erkrankung ist M. Alzheimer viel stärker ausgeprägt)
M. Alzheimer (Demenz vom Alzheimer-Typ, DAT):
 Langsam progrediente Entwicklung von Gedächtnisstörungen, aphasischer und
apraktischer Defizite
 Veränderung des Verhaltens, Verlust der Spontaneität









Verkennungen, Halluzinationen, paranoide Entwicklungen
Versuch, eine Fassade aufrechtzuerhalten (wenn eine Frage wegen Gedächtnisstörung
nicht beantwortet werden kann, Versuch des Themawechsels, o.ä.)
In 20% mit Depressionen
Fakultative Symptome:
o Epilepsie
o Extrapyramidal-motorische Phänomene
o Pathologische (Greif-)Reflexe, Paratonie
o Im Spätstadium Pyramidenbahnzeichen
Verlauf über 7-8 Jahre nach retrospektiv festgestelltem Beginn des intellektuellen Abbaus
Todesursache dann hauptsächlich Infektionen (Bronchopneumonien), Traumata,
Mangelernährung
Diagnostik:
o Kriterien nach NINCDS-ADRDA
o Definitive Diagnose erst post mortem möglich
o Verdächtige Liquorwerte: Erniedrigung von -Amyloid 1-42, Erhöhung von Proteinen
Neuropathologie:
o Neuriten-Plaques
o Amyloid-Plaques
o Neurofibrillenbündel
o Untergang von Neuronen, kortikale Atrophie
o Dabei Stadien:
 Transentorhinal
 Limbisch
 Neokortikal (wird selten erreicht)
Molekulargenetik:
o Bedeutung des Chromosoms 21 (vermehrtes Auftreten von M. Alzheimer bei M.
Down)
o DAT-Gene: APP, PS1, PS2 (autosomal-dominant vererbt)
o Suszeptibilitätsgene: für ApoE (deutlich erhöhtes Risiko)
Lewy-Körperchen-Demenz:
 Neuropathologie:
o Kortikale Lewy-Körperchen
o Neuroaxonale Spheroide
o Lewy-Neuriten (Anfärbung mit Antikörpern gegen Synuclein)
 Diagnostik:
o Definitiv nur post mortem
o Zentrales Merkmal: fortschreitende Abnahme der kognitiven Leistungsfähigkeit,
die mit sozialen und beruflichen Funktionen interferiert
o Gedächtnisstörung ist dabei nicht primär
o Besonders prominent:
 Aufmerksamkeitsdefizit
 Abnahme visuell-räumlicher Fähigkeiten (Uhren-Zeichnen-Test sehr
sensitiv)
 Abnahme frontal-subkortikaler Fähigkeiten
o Hauptmerkmale:
 Fluktuation der kognitiven Leistungen und der Vigilanz
 Wiederholt visuelle, gut geformte und detaillierte Halluzinationen

o
o
o
o
Spontane Zeichen eines Parkinson-Syndroms, vgl. dazu Dauer eines
Parkinson-Syndroms vor Einsetzen der Demenz:
<1a  Lewy-Körperchen-Krankheit
>1a  Demenz im Rahmen des Parkinson-Syndroms
Unterstützende Merkmale:
 REM-Schlaf-Verhaltensstörung:
Parasomnie: lebhafte, beängstigende Träume, die ausagiert
werden)
Häufig assoziiert mit Synukleinopathien
REM-Dissoziation zwischen Schlaf und Wachheit
Schlafstörungen können zu den Fluktuationen der Vigilanz
beitragen
 Neuroleptika-Sensitivität (evtl. bis hin zu malignem NeuroleptikaSyndrom)
 Wiederholte Stürze
 Synkope/ transienter Bewusstseinsverlust
 Systematische Wahninhalte
 Halluzinationen in anderen Modalitäten
 Depression
Ausschlusskriterien:
 Abgelaufener Schlaganfall
 Andere Krankheit, die mit der kognitiven Leistung interferiert
Bildgebung:
 Volumen des Hippocampus gut erhalten (vs. M. Alzheimer: verkleinert)
 Dopamintransporter vorhanden (vs. M. Parkinson: verringert)
Differentialdiagnose Lewy-Körperchen-Krankheit – Parkinsonerkrankung:
 Kognitive Beeinträchtigung
 Psychiatrische Symptome
mehr bei Lewy-Körperchen
 Myoklonus
 Tremor
mehr bei
 L-DOPA-Erfolg
Parkinson
Frontotemporale Demenz:
 Zeichen im Verhalten:
o Witzelsucht
o Impulsivität
o Trägheit
o Vernachlässigung (Hygiene)
o Echolalie, Echopraxie, stereotypes Verhalten
 Neurologisch:
o Pathologisches Greifen
o Palmomentalreflex, Schnauzreflez, Saugreflex
o Parkinson-Symptome (Akinese, Rigor)
 Neuropsychologisch:
o Nichtflüssige Aphasie, Logopenie
o Perseveration (kognitiv und motorisch)
o Relativ gut erhaltene visuospatiale Fähigkeiten und visuelle Orientierung
Demenz vom Pick-Typ:
 Kognitiv:
o Gedächtnisstörung




o Dysexekutives Syndrom
o Progredienz
Zerebrovaskulär:
o Vaskuläre Schädigung in zerebraler Bildgebung erkennbar
o Nachweis pathologischer fokaler neurologischer Befunde
Klinisch:
o Episoden von Zeichen der Pyramidenbahnschädigung
o Frühes Auftreten einer Gangstörung
o Blasenstörung
o Psychische Symptome (Depression, Persönlichkeitsveränderung)
o Dysarthrie, Dysphagie, Akinese, Rigor
Für Diagnose wichtig:
o Zeitlicher Zusammenhang zwischen Demenz und vaskulärer Schädigung (z.B.
innerhalb 3 Monaten nach Schlaganfall)
o Stufenweise Verschlechterung (nicht kontinuierlich)
Besonderheiten:
o Multiple kleine ischämische Ereignisse
o Abrupte Verschlechterungen, abrupte Gangstörungen
o Häufig assoziiert mit Hypertonie
o Leukenzephalopathie
o Lebenserwartung deutlich verkürzt
Zerebrovaskuläre Erkrankungen als Ursache vaskulärer Demenzen:
 M. Binswanger
 Status lacunaris
 Multiple Territorialinfarkte
 Intrakranielle Blutungen
 Vaskulitis
M. Huntington:
 Autosomal-dominant vererbt
 2-7: 100000
 Mutation eines Gens auf Chromosom 4
 Untergang striataler Interneurone
 Beginn typischerweise im 4.-5. Lebensjahrzehnt
 Tod nach etwa 20 Jahren
Creutzfeld-Jacob-Erkrankung:
 Infektionserkrankung durch Prionen
 Diagnostische Kriterien:
o Progressive Demenz (Verlauf kürzer als 2 Jahre)
o Periodische EEG-Komplexe (triphasisches Muster)
o 2 aus den folgenden Kriterien:
 Myoklonien
 Zerebelläre/ visuelle Störungen
 Pyramidale/ extrapyramidale Störungen
 Akinetischer Mutismus
 Innerhalb von 9-18 Monaten nach Diagnosestellung i.d.R. Exitus letalis
„Normaldruck“-Hydrozephalus:


Hakim’sche Trias:
o Gangstörung
o Inkontinenz
o Demenz  kognitive Verlangsamung, Gedächtnisstörung, Abnahme von
Spontaneität und Initiative
Reversibel, durch Ablassen von Liquor behandelbar
Medikamentöse Therapie von Demenzen:
 Cholinesterase-Hemmer:
o Bei M. Alzheimer, Lewy-Körperchen-Demenz und Parkinson-Demenz
o Präparate:
 Donezepil (Aricept®)
5-10mg/d
 Galantamin (Reminyl®)
24-32mg/d
 Rivastigmin (Exelon®)
6-12mg/d
 Tacrin (Cognex®)
120-160mg/d
 Memantin (NMDA-Rezeptor-Antagonist) : Reduktion der Exzitotoxizität bei M.
Alzheimer
10.Hirntumore
Neuroonkologie:
 Hirneigene Tumoren
 Metastasen (intracraniell, intracerebral, ossär)
 Meningeosis (Tumoraussaat in Liquor und Meningen, Symptome ähnlich Meningitis)
 Paraneoplastische Syndrome
Primäre Hirntumore:
 6000 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland
 Hirntumorbedingte Todesfälle: bei Männern 3,7%, bei Frauen 2,7%
 Häufigster Hirntumor: Glioblastom
o 50% aller primären Hirntumoren bei Erwachsenen
o Häufigkeitsgipfel bei 35 Jahren und bei 65 Jahren
o 5-JÜR <5%
 Andere:
o Meningeome (20%)
o Hypophysenadenome (15%)
o Neurinome (8%)
o Andere (7%)
Risikofaktoren für Hirntumore:
 Familienanamnese (z.B. Neurofibromatose, autosomal-dominant vererbt)
 Infektionen (v.a. parasitäre Infektionen in der 3. Welt)
 Leukämien  Gliome als häufige Zweittumoren
 Chemotherapie, Bestrahlung
Symptome intracranieller Raumforderungen:
 40% fokal neurologischer Störungen (ähnlich wie Schlaganfall aber langsam entwickelt
 CAVE: apoplektische Metastase, imitiert Schlaganfall durch plötzliche Einblutung)
 30% epileptische Anfälle


30%
20%
Kopfschmerzen (v.a. bei Alteration der Meningen)
Wesens- und Persönlichkeitsveränderungen, meist früh mit Riechstörungen
Klinische Fragestellungen zu Differentialdiagnosen:
 Vorerkrankungen (Malignome  evtl. Metastasen)
 Alter bei Erstmanifestation (vgl. Altersgipfel verschiedener Erkrankungen)
 Symptomatologie ( Lokalisation des Tumors)
 Dynamik der Symptome ( Dignität)
Altersabhängige Präsentation:
 Kindheit:
o Dysembryoplastische, neuroepitheliale Tumoren
o Medulloblastome, PNET
o Astrozytome, Optikusgliome
o Ependymom, Dysgerminom, Pinealistumor
 Erwachsene <40Jahre:
o Gliome
o Hypophysentumore
o Meningeome, Lymphome
o Dysembryoplastische, neuroepitheliale Tumore
o Metastasen
o Neurinome
 Erwachsene >40Jahre:
o Gliome (G.m.)
o Meningeome
o Lymphome
o Metastasen
WHO-Klassifikation:
 Neuroepitheliale Tumore:
o Astrozytäre Tumore (30%)
o Oligodendrogliale Tumore (6%)
o Medulloblastome (4%)
o Mischgliome, Ependymome, Pinealome (4%)
 Tumore der Meningen:
o Meningeome (15%)
o Andere Tumore mesenchymalen Ursprungs (8%)  Angiome, Sarkome
 Tumore der Nerven (7%)  Neurofibrom, Schwannom
 Lymphome und hämatopoetische Tumore (5%)  primäre B-Zelllymphome,
Plasmozytome
 Kleinzelltumore (4%)  Germinome, Teratome
 Tumore der Sellaregion (7%)  Hypophysenadenom, Kraniopharyngeom
Histopathologie hirneigener Tumore:
 WHO Grad I:
o Z.B. pilozytische Astrozytome
o Gutartige Zellvermehrung
 WHO Grad II:
o Z.B. Ependymome
o Wenig Zellen, selten Kernatypien


WHO Grad III:
o Z.B. anaplastische Astrozytome
o Mitosen und Kernatypien  maligne
WHO Grad IV:
o Glioblastome
o Mitosen, Kernatypien, Nekrosen, Endothelproliferation  hochmaligne
Molekulare Alterationen bei der Gliomgenese:
 Beginn als WHO Grad II Tumor 
 LOH auf 13q, 10, 19q, etc. 
 Dadurch Entwicklung zu WHO Grad III Tumor 
 Diverse LOH, Amplifikation 7q (EGFR) 
 Dadurch Entwicklung zu WHO Grad IV Tumor
 D.h. Malignisierungsprozess einer zunächst benignen Veränderung
Diagnostik:
 Anamnese: Erstsymptome, Ausbreitung, Anfälle, Risikofaktoren, etc. (ggf.
Fremdanamnese bei Verhaltensauffälligkeiten)
 Klinische Untersuchung:
o Internistisch (Ausschluss metastatischer Prozesse)
o Neurologisch (Festlegung des tumorbedingten Defizits)
o Festlegung des Karnofsky-Index
 Bildgebung:
o MRT
o Ggf. CCT (Ausschluss Verkalkungen)
o MRSpektroskopie:
 N-acetyl Acetat = modifizierte Aminosäure als Marker für Neurone/
Axone
 Cholin = Hauptbestandteil von Zellmembranen, Marker für Myelin 
z.B. bei MS erniedrigt, bei erhöhtem Zellumsatz durch
Tumorproliferation erhöht
 Normal: NAA-peak > Cholin-peak
 Liquor: Ausschluss von Lymphom, Keimzelltumor, meningealer Aussaat
 EEG: bei symptomatischen Anfällen
 Neuropsychologie: bei Hirnleistungsstörungen und/oder Verhaltensauffälligkeiten
Prognose:
 95% aller Patienten mit malignen Gliomen versterben innerhalb der ersten 24 Monate
 Je früher die Diagnose gestellt wird und je jünger die Patienten sind, desto besser ist dabei
die Überlebensrate
 5-JÜR: stark abhängig von infiltrativem Wachstum und Resistenz gegenüber
Chemotherapie und Bestrahlung
o Glioblastom 4%
o Astrozytom °III 25%
o Astrozytom °II, Mischgliome, Oligodendrogliome, Medulloblastome 40%
o Ependymome 60%
 Bei Oligodendrogliomen, Oligoastrozytomen, Lymphomen und Medulloblastomen gute
Erfolge mit Chemotherapie
 Benigne Meningeome und Neurinome sind nach totaler Resektion i.d.R. geheilt
Therapie:
 Grundlage: mikroskopische und morphologische Diagnostik, Festlegung des Tumorgrads
nach WHO-Klassifikation
 Multimodaler Ansatz: OP > Bestrahlung, Chemo (Problem: Blut-Hirn-Schranke)
 Präoperativ:
o Aufklärung des Patienten über Tumor und Prognose (Ängste, Befürchtungen,
Versorgungsvollmacht)
o Reduktion des Hirnödems:
 Dexamethason 40mg i.v., 32mg p.o. in absteigender Dosis
 Nicht bei V.a. Lymphom  dann und bei Therapieresistenz: Mannitol,
Glycerol
o Behandlung zerebraler Anfälle: Levetiracetam, (Benzodiazepine), Lamotrigin >
Phenytoin > Valproinsäure
 Operativ:
o Histologische Sicherung
o Funktionserhalt > Radikalität
o Funktionelles MRI, Brain mapping, Neurosonographie
o Stereotaxie
 Bestrahlung: 14-20d nach der OP fokale Bestrahlung mit Herddosis 54-60Gy an 24-30d
 Karnofsky-Index: kritische Grenze bei 70% = sorgt für sich selbst, ist aber unfähig zu
normaler Aktivität/ Arbeit
 Chemotherapie:
o Oligodendrogliome sind sensitiver als astrozytäre Tumoren!
o Vorraussetzungen für Chemo:
 WHO Grad 3 oder 4 (bei Oligos 2)
 Karnofsky > 70
 Alter <70 (individuelle Situation beachten)
 Normales Blutbild, normale Leber- und Nierenfunktion
 Keine schwerwiegenden kardialen und pulmonalen Begleiterkrankungen
o Chemo-Protokolle:
 PCV-Schema (Oligodendrozytome Grad 3)
Procarbazin
CCNU
Vincristin
 ACNU (Nimustin): Astrozytome Grad 3
 Temozolamid (Temodal®)
o 4-6 Zyklen, dabei immer Anpassung bei Nebenwirkungen, AZVerschlechterungen etc.
11. Spinale und radikuläre Syndrome
Nicht-traumatische spinale Erkrankungen: in abnehmender Häufigkeit
 Myelitis: MS
 Spinalkanalstenose (zervikal, lumbal)
 Erregerbedingt (Querschnittsmyelitis; Borreliose, viral, Tbc-Abszess)
 Spinale Durchblutungsstörung (v.a. A. spinalis anterior Syndrom, Aortendissektion,
Dura-Fistel)
 Syringomyelie
 Hereditäre spastische Spinalparalyse (v.a. Adduktorenspastik der Beine)

Spinozerebelläre Ataxie (M. Friedreich)
Bedeutung des Sympathikus:
 Verläuft im Thorakalbereich
 Nicht im Zervikal- oder Lumbalbereich
 Bei radikulären Syndromen oft Arm-/ Beinausfälle  Parasympathikus (?)
Dermatome:
 Fußsohle
 Arme und Beine
 Sensibilitätsstörungen:
o Polyneuropathien  symmetrisch strumpf- und handschuhförmig
o Mononeuropathia multiplex  z.B. N. peronaeus + N. medianus (typisch bei
Vaskulitis)
o Myeloneuropathie  Querschnitt
Halbseitige Rückenmarksschädigung:
 Brons-Sequard-Syndrom (!)
 Ipsilateral: spastische Parese
 Kontralateral: Sensibilitätsstörung
Spinale arterielle Blutversorgung:
 Typisch: arterielle Partialkreisläufe
 Viele Überlappungen und Kollateralkreisläufe, aber nicht überall
 Hauptversorgungsader: A. spinalis anterior und Abzweigungen (z.B. Adamkiewicarterie:
relativ groß)  Spinalis anterior Syndrom: „Schlaganfall“ im Rückenmark
Durafistel:
 Passagere spinale Ausfälle
 Im MRT Venenweitungen sichtbar
Spinales Angiom:
 Druck aufs Rückenmark, Ischämie
 Nur mit Bildgebung diagnostizierbar
Zentromedulläres Syndrom:
 Syrinx  im MRT zentrale Verdunkelung
 Evtl. Chiari
Wirbelsäulentraumata:
 Schleudertrauma: triphasischer Bewegungsablauf des Kopfes (nach hinten  vorne 
hinten), dadurch ist Hirnstamm meist mit betroffen und führt zu vestibulären
Symptomen
 Schleudertrauma heute eher selten, statt dessen meist HWS-Distorsion
 Häufigkeit der Traumata: thorakal > lumbal > zervikal > sakral
 Wirbelkörperfrakturen, verhakte Luxationen, Bruchfragmente im Spinalkanal, etc.
Neoplastische Prozesse:
 Metastase im Wirbelkörper kann Druck aufs Rückenmark ausüben

Neurinom: gutartiger Tumor der peripheren Nervenscheide, wächst sehr langsam, daher
ist Adaptation möglich und Symptome sind oft fehlend
Zervikale Spinalkanalstenose (zervikale Myelopathie):
 Männer sehr viel häufiger betroffen, meist in der zweiten Lebenshälfte
 HWS-Schmerz, Ausstrahlung in Arme und/oder Beine (!!!)
 Schmerzverstärkung bei längerem Stehen oder Gehen
 Intermittierende, später persistierende Lähmungen/ Paraparese
 Kombination von Segmentalen atrophen Paresen an Armen/ Händen mit pyramidaler
Paraparese der Beine
 Blasenstörung, Detrusorhyperreflexie
 Sensible Ausfälle segmental in zervikalen Segmenten, Parästhesien (Manschettengefühl)
an beiden Beinen, afferente Ataxie
 Aggravation durch gleichzeitige Bandscheibenproblematik  fluktuierendes Element
 In frühen Stadien operativ therapierbar
 Diagnostik:
o Meist ossär bedingtes Phänomen
o Spinales CT/ MRT
o Myelographie: Myelo-CT
o Diagnostik der langen Rückenmarksbahnen, d.h. Hinterstrang (SEP2) und
Pyramidenbahnen (MEP3)
 Therapie: neurochirurgisch
o Operative Dekompression des Rückenmarks
o Beseitigung von radikulären Kompressionen
Bandscheiben-Degeneration:
 Stadien:
o Normale Bandscheibe
o Protrusion (leichter Einriss des Anulus fibrosus)
o Prolaps
o Sequestrierter Prolaps (OP-Indikation)
 Symptome:
o Protrusion/Prolaps nach vorne: Schmerz
o Protrusion/Prolaps nach hinten: motorische Ausfälle
 Bandscheiben-Vorfall:
o Lokale Schmerzen in Höhe der kranken Bandscheibe, bewegungsabhängig
o Schmerzen ausstrahlend in geschädigtes Dermatom, bewegungsabhängig
(=“Lumboischialgie“)
o Paravertebrale Myogelosen in Läsionshöhe  Muskelanspannung zur
Stabilisierung, schmerzhaft
o Fakultativ: segmentale Paresen, segmentale Sensibilitätsstörungen
o Keine autonomen Störungen (einzige Ausnahme: komplette Schädigung einer C8Wurzel)
 Klinische Differentialdiagnose:
o Radikulitis (Borreliose, Zoster)
o Diszitis (besonders bei Immundefizienz: Tbc)  eher beidseitige Symptomatik
o Myelitis
o Syringomyelie
2
3
somatosensibel evozierte Potentiale
magnetisch evozierte Potentiale (Magnetstimulation im Bereich des Kopfes)

o Osteoporose  Wirbelkörpersinterung, Fraktur
o Wirbelkörperprozesse (Fraktur, Plasmozytom, Metastase)
o Arm-, Beinplexusläsion: mehr als ein Segment betroffen („fleckförmige“
Symptomatik), kein lokaler Wirbelsäulenschmerz, evtl. autonome Symptome
(Schweißstörungen)
Akutbehandlung:
o Stationäre Behandlung bei schweren Schmerzen
o Bettruhe soweit notwendig
o Schmerzarme Lagerung (Würfel, Seitenlagerung)
o Antiphlogistika (Diclofenac), bei schweren Schmerzen Kortikosteroide 250500mg i.v.
o Basisanalgetika  Paracetamol, Ibuprofen, nicht ASS (falls Lumbalpunktion
nötig, die nach ASS-Einnahme 1 Woche lang nicht durchgeführt werden darf)
o Muskelrelaxantien  Tetrazepam, Orphenadrin
o Vorsichtige KG, keine Massage
12.Schädel-Hirn-Trauma
Einteilung:
 Schädel-Prellung: bei Hirnbeteiligung Commotio bzw. Contusio
 Schädel-Frakturen:
o Geschlossen oder offen
o Mit Subarachnoidalblutung/ mit duralem Hämatom
Schädelprellung: unkomplizierte Frakturen ohne Hirnbeteiligung
 Lokaler Schmerz
 Überwachung nur bei Marcumar-Patienten und Kindern (können stumpfes Hirntrauma
entwickeln)
 Keine Folgen
Schädelbasisfraktur:
 Monokel-/ Brillen-Hämatom
 Retroaurikuläres Hämatom
 Liquorrhoe:
o Wässrig bis blutig
o Rhinoliquorrhoe (enthält Glucose  DD Schnupfen: Bakterien verbrauchen
Glucose)
o Otoliquorrhoe (enthält 2-Mikroglobulin = liquorspezifisches Protein)
 Fraktur selbst ist harmlos (Sollbruchstellen)
 Aber Komplikationen:
o Olfactorius, Opticus, Facialis, Vestibularis
o Ggl. Gasseri
o A. Carotis
 DD Karotis-Cavernosus-Fistel:
o Pulsatiles (Ohr)Geräusch
o Rotes Auge
o Sonographie : Fistel nachweisbar
Offenes Schädel-Hirn-Trauma:




Hirnsubstanz  Zerstörung und Contusio
Gefäße  Zerreißung (Blutung, Infarkt)
Anfälle häufig
Infektion obligat:
o Frühmeningoenzephalitis
o Frühabszess
o Spätabszess (bis zu 20a später)
o Mischinfektionen: Hautkeime + Anaerobier
 sofort breite Antibiose und Nachsorge
Subdurale/ Epidurale Hämatome:
 Traumatisch: mit oder ohne Fraktur
 Gerinnungsstörung
 Spontan
 Progrediente Hemisymptomatik
 Epileptische Anfälle
 Bewusstseinstrübung
 Subdural:
o Meist venös
o Latenz eher länger
o Konkav
 Epidural:
o Meist arteriell
o Latenz eher kürzer
o Relativ scharf begrenzt konvex
 Je rascher progredient und je ausgeprägter die Herdsymptomatik desto dringlichere OPIndikation:
o EDH: Trepanation
o SDH: Drainage (insgesamt schlechtere Prognose)
 Chronisches subdurales Hämatom : im MRT weiß
Stumpfes Hirntrauma:
 Verschiedene Klassifikationen  hier die nach Schweregrad:
o Grad 1: Commotio = Erschütterung ohne Strukturschaden  keine Folgen
o Grad 2: Contusio = stets mit Amnesie und fokaler Läsion  bleibende Folgen
o Grad 3: diffuser axonaler Schaden (DAI) = schwere globale Schädigung
(mechanisch, vaskulär-hypoxisch, ödematös)  gravierende Dauerschäden
 Commotio cerebri:
o Evtl. Schrecksynkope/ vagovasaler Kollaps
o Keine retrograde Amnesie
o Nausea und Emesis
o Evtl. leichter Kopfschmerz und Schwindel
o Therapie:
 Maximal 2d Bettruhe
 Evtl. Analgetika, Antivertiginosa
 Ermutigung
o Achtung: postcommotionelles Syndrom = „Erschütterung der Persönlichkeit“
 Contusio cerebri:
o Bewusstlosigkeit, Amnesie
o Herdsymptome, Anfälle

o Kontusionspsychose
o CCT: hypodenser oder eingebluteter Herd
o Schweregrad entspricht:
 Dauer der retrograden Amnesie
 Dauer des Komas (ohne Medikamente)
 Dauer des Durchgangssyndroms
o Anfallswahrscheinlichkeit: 30-50% (noch keine Antiepileptische Prophylaxe)
o Posttraumatische Psychose:
 Dämmerzustand, Antriebsschwäche
 Verwirrtheit
 Merkfähigkeitsstörung
 Wesensänderung
o Progrediente Erholung
DAI:
Fokal – mechanisch
Endothel
Basalmembran
Vasomotorenparalyse
Exzitation
Kongestion
Kinine
vasogenes Ödem
Schrankenstörung
zellulärer Hydrops
Sekundäre Ischämie
Globaler Axon-Untergang
Dauerfolgen bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma:
 Herdbefunde (contre coup)
 Epilepsie
 Wesensänderung: Adynamie, kognitive Störung, indifferente Affektstörung, Depressivität,
reizbare Schwäche (Neurasthenie, niedrige Frustrationstoleranz), Lärm-Licht-RauchIntoleranz, etc.
Wirbelsäulen-Rückenmarks-Trauma:
 Einteilung wie beim Schädel-Hirn-Trauma:
o Mit/ohne Wirbelsäulen-Fraktur
o Perforierend oder stumpf
 Rückenmarksschädigung durch Kompression und Zerreißung oder sekundär vaskulär
Spinaler Schock:
 Perakute Funktionsunterbrechung des gesamten kaudalen Rückenmarks
o Schlaffe anästhetische Para-Tetra-Plegie
o Ileus, Harnverhalt
o C4: Atemlähmung
 Hochdosis-Kortison, Ruhigstellung
 Dekompressive OP?
 Langsame partielle Erholung
 Über Prognose evtl. nach 2-3 Monaten Aussage möglich
 Spät: Syrinx, Arachnopathie
HWS-Distorsion:
 Zerrung von Halsweichteilen





Extra- und intraspinale Hämatome
Zerreißung von Bändern mit/ohne Instabilität
Bandscheiben-Vorfall (Wurzeln)
Myelonkompression
Einteilung nach Erdmann:
I
Schmerz
Schlucken/Globus
Kopfhalteschwäche
Myogelosen







II
Nach 12h
III
Sofort
Oft mehrere Tage
Nie
Mit Latenz,
<2Wochen
Selten
Meist sofort
Sofort
Stets, >2Monate
Pseudoartikuläre
Häufiger
Dysästhesien
HWS-Röntgen sofort
o.B.
Steilstellung
Instabilität, Fraktur
Prostration
<3d
<14d
>4Wochen
Arbeitsunfähigkeit
<2Wochen
<4Wochen
>6Wochen
Funktionelle Prognose insbesondere der Nackenkopfschmerzen abhängig von der
Primärversorgung , aber auch von möglicher Entschädigung
Röntgen, ggf. Funktionsaufnahme
Bei V.a. Instabilität MRT
Versicherung der Besserung
Kurz Ruhigstellung (Schanzkrawatte)
Ausreichende Analgesie und Relaxation
Früh Mobilisierung, Eis/Wärme, KG, Massage
13.Koma
Bewusstsein:
 Wachheit:
o Reagibel auf externe und interne Reize
o Reaktiver und aktivierbarer Kortex
o = Voraussetzung für:
 Bewusstheit:
o Wahrnehmung des Selbst in der (Um)Welt
o Fähigkeit zu reflektierter Aktion und Reaktion
Bewusstseinstrübung:
 Somnolenz
 Sopor
 Koma
o I
o II
o III
o IV
gezielte Abwehr
ungezielte Abwehr
induzierte Automatismen
keine Reaktion
Mögliche Ursachen einer Bewusstseinstrübung:
 Supratentorieller „Hirndruck“
 Narkose/ metabolische Störung

(progressive) Hirnstammläsion
Koma:
 Tiefe Bewusstlosigkeit
 Ohne Wachheitszeichen bei Weckreizen
 Funktionelle oder strukturelle diencephale Störung
o Diencephalon = aszendierendes retikuläres System, (Hypo-)Thalamus, limbisches
System
o Z.B. beidseitiger Thalamusinfarkt bei Basilarisverschluss (strukturell)
o Anästhesie (funktionell)
Apallisches Syndrom (vegetative state):
 Funktionelle Diskonnektion des Cortex vom Rest
 Wach, Augen auf, Schlaf-Wach-Rhythmus
 Reagibel auf sensible/ sensorische Reize
 Gähnen, Schmatzen, Grimassieren
 Hirnstammreflexe intakt
 Motorik (auch „spontan“)
 Es fehlen: Zielmotorik, Planung, Strebung (limbisch?)
 Ausfall des Kortex mit (weitgehend) intaktem Diencephalon
Locked-in Syndrom:
 Kortex intakt (alpha-EEG): Denken und Emotionalität nicht grundsätzlich gestört
 Hirnstamm schwerst lädiert:
o Kein scharfes Sehen
o Kein Hinschauen
o Keine Mund-Zungen-Schluckbewegung
o Oft kein selbständiges Atmen
o Keine Motorik
o Keine sensible Wahrnehmung
 Kommunikation evtl. über verabredete einzelne Augenbewegungen
 Z.B. Z.n. Basilaristhrombose
Untersuchung des Bewusstlosen:
 Wachheit – Tiefe der Bewusstseinstrübung
 Hirnstammfunktionen:
o Pupillenweite
o Lichtreaktion
o Okulozephaler Reflex
o Kornealreflex (N.V)
o Würgereflex (N.IX)
o Absaugreflex (N.X)
o Atemantrieb
 Anmerkung zur Pupillenweite: je nach Tiefe der Läsion im Hirnstamm
o Anisokorie
o Mittelweite Pupillen (Mittelhirnpupillen)
o Enge Pupillen (Brückenläsion, sieht aus wie Opiatintoxikation)
o Weite Pupillen (medulläre Pupillen)
 Lateralisierende Zeichen:
o Anisokorie

o Blickwendung/ -parese
o Hemiparese: Tonus, Abwehr, Pyramidenbahnzeichen, MER
o Andere Hirnstammreflexe
Hirndruckzeichen im CT:
o Mittellinie verschoben
o Sulcus-Zeichnung
o Ventrikel-Kompression
o Hydrozephalus
Dementsprechend Einteilung:
 Koma ohne lateralisierende Zeichen
 Koma mit Herdsymptomen
Koma ohne lateralisierende Zeichen:
 Hypoxie, metabolische Störung, Elektrolytverschiebung, Intoxikation, etc.
 Aber auch durch „Hirndruck“, Meningoencephalitis, postiktal (nach epileptischem
Anfall), im tiefsten Koma
 Diagnostik:
o Ausschluss symmetrischer/zentraler Hirnläsionen
o Differentialdiagnose der Encephalopathien
o Vorgehen nach Wahrscheinlichkeit/ Häufigkeit
o Beweis der Diagnose: Therapieerfolg
 Die häufigsten Ursachen:
o Metabolische Störung:
 Blutzucker, Elektrolyte
 Blutgasanalyse
 Urämie (Harnstoff)
 Leberausfall (Ammoniak)
 Wasserhaushalt (Osmolarität), vgl. z.B. Wasserintoxikation
 Endokrin (TSH – Myxödem-Koma, Cortisol – Addison-Krise)
o Medikamentös-toxische Einflüsse:
 Sedativa: eher quantitative Psychose
 Diverse Medikamente: oft und qualitativ, z.T. mit Myoklonien, z.B. H2Blocker, Gyrasehemmer, Tacrolimus, etc.
 Meist veränderte Pharmakokinetik (Polypragmasie, Langzeittherapie,
Lebensalter)
 Antidota: 1-2 Ampullen Anexate (Benzodiazepin-Antagonist) bzw. 1-2
Ampullen Narcanti (Opiat-Antagonist)
o Zentral anticholinerges Syndrom (v.a. bei Jugendlichen):
 Verwirrtheitspsychose mit Halluzinationen, dann Bewusstseinstrübung
 Hyperthermie, Mydriasis, trocken-rote Erscheinung, Harnverhalt
 Epileptische Anfälle
 Auslöser:
Psilocibin, MDMA
Antihistaminika, Antiemetika, Muskelrelaxantien
Antidepressiva, Neuroleptika, Antiparkinson
 Antidot: 1-2 Ampullen Anticholium
Koma mit Herdsymptomen:
 Insult, Trauma, Tumor, durales Hämatom, Encephalitis, Sinusthrombose, etc.



Durch Hirndruck werden einzelne Gehirnabschnitte gegen harte Strukturen (Falx,
Tentorium, etc.) gedrückt
Symptome bei Hirndruck:
o Kopfschmerzen, Übelkeit, Verlangsamung
o Somnolenz, Sopor
Hirn rutscht immer weiter nach
o Ungezielte Abwehr, schwimmende Bulbi
unten, Hirnstammfunktionen
o Koma, Pupillenstörung, Atemstörung
fallen von oben nach unten aus (s.o)
o Tiefes Koma
o Ohne und mit Herdsymptomen
o Progredienz abhängig von der Ursache (progressive Eintrübung)
Kompartimente, die zu Drucksteigerung führen können:
o Hirngewebe: Tumor, Entzündung, Infarkt, Blutung
o Liquorraum: Aufstau
5ml mehr können
o Arterielles System
Koma auslösen
o Venöses System: Thrombose
ICP (mmHg)
keine Kompensation mehr, exponentieller Anstieg
20
elastische Elemente, Pufferung
+2ml +6ml

Volumenzunahme
Kompartiment-Volumina:
o Insgesamt: 1500ml
o 80-90% Hirngewebe
 85% intrazellulär
partiell komprimierbar
 15% extrazellulär (190ml)
o 5-10% Liquor (20ml/h bzw. 480ml/d) Produktion reduzierbar, Reserveräume
o 5-10% Blut: 1/3 arteriell, 2/3 venös
partiell exprimierbar
Druck Mechanisch
Vaskulär
Nekrose
Arteriell
EAA
Venös
Endothel
Kongestion

ischämische
ATP-Depletion
zytotoxischer Hydrops
Mikrozirkulation
vasogenes Ödem
ICP (intrakranieller Druck) und Perfusion:
o Soll-ICP <25mmHg
o Soll-CCP >50mmHg = systolischer RR – ICP
o Gegeben bei optimalem arteriellem Mitteldruck: 80-110mmHg
o Kopflage von 50cm (früher Notfallmaßnahme bei Koma) entspricht 38mmHg
hydrostatischer Differenz
 Entleerung des venösen Kompartiments (gut)
 Aber: arterielle Perfusion sinkt auch
 Daher nur, wenn Erfolg sichtbar wird
o CVR unbekannt: ZVD 5-12mmHg (low PEEP-Beatmung)
o CAVE: wenn arterieller Mitteldruck >130mmHg bei defekter Autoregulation
steigt ICP stark an
Therapie bei Koma:
 Hirndrucktherapie: ICP unter 25mmHg senken
o Operative Entlastung (Exstirpation, Trepanation, Ventrikeldrainage)
o Metabolismus einstellen
o CPP >70mmHg (z.B. durch Volumengabe)
 Hirnödemtherapie beim vasogenen Ödem:
o Störung der Blut-Hirn-Schranke (Tumor, Entzündung, Trauma, Blutung)
o Hochdosierte Glukokortikoide
o Bewiesene Effektivität bei Tumoren und eitriger Meningitis
 Hirnödemtherapie bei zytotoxischem ödem:
o Intrazellulärer Hydrops (Infarkt, Hypoxie)
o Osmotherapie (Glycerin, Mannit/Sorbit, Tris-Puffer: saugen Flüssigkeit aus den
Zellen)
o Probleme: Rebound (Zucker wandern in die Zellen ein und ziehen Flüssigkeit
wieder hinter sich her), Lungenödem, Nierenschaden
 Hyperventilation:
o Induzierte Hypokapnie, dadurch Alkalose, dadurch Vasokonstriktion
o Sehr rasch aber nur 4h wirksam
o Blut-Umverteilung zu vasoparalytischen Regionen
 Hibernisierung:
o Medikamentös (Barbiturate, Propofol): dadurch Senkung des Stoffwechsels und
von CBFV, aber Nebenwirkungen an Leber, erhöhte Infektrate
o Thermisch (32-34°C): Senkung von CBF um ca. 6%, aber Prognoseverbesserung
nicht belegt, umfangreiches Monitoring erforderlich, Methode der
Wiedererwärmung nicht klar
Hirntodsyndrom:
 Tiefes schlaffes Koma
 Pupillen mittelweit bis weit ohne Lichtreflexe
 Ausgefallene Hirnstammreflexe
 Sichere Hauptdiagnose
 Kein vernünftiger Zweifel an Ausschluss anderer Koma-Ursachen (wie Sedierung:
Sedierung absetzen!)
 Hirntoddiagnostik:
o Ausschluss reversibler Ursachen
o Dokumentation des Ausfalls supra- und infratentorieller Funktionen
o Primär infratentorielle Läsion: mit Zusatzuntersuchung Ausfall des Froßhirns
nachweisen (Nulllinien-EEG, Farbdoppler – keine Hirndurchblutung, SPECT –
kein Stoffwechsel in Gehirnzellen)
 Hirntod = Zustand des irreversiblen Erloschenseins der Gesamtfunktion des Großhirns,
des Kleinhirns und des Hirnstamms bei einer durch kontrollierte Beatmung noch
aufrechterhaltenen Herz-Kreislauffunktion
 Der Hirntod ist der Tod des Menschen (Definition).
 D.h.:
o Mensch als leib-seelisches Ganzes (Dualismus)


o Gehirn als Substrat des geistigen Individuums
o Ausfall des integrativen Gehirns = Verlust der leiblich-seelischen Einheit
Folgerungen:
o Hirntod erzwingt das Abschalten der Beatmung
o Hirntod erlaubt Organspende
Beachte: bei anderem kulturellen Hintergrund keine Hirntoddefinition (z.B. bei
Buddhisten)
14.Epilepsie
Epileptischer Anfall:
 Klinisch: paroxysmales Phänomen (plötzlich, zeitlich limitiert, unwillkürlich)
o Motorisch
o Sensorisch
o Sensibel
o Vegetativ
o Psychisch
o Mit oder ohne Bewusstseinstörung
 Pathophysiologisch:
o Plötzliche
o Zeitlich begrenzte
Entladungen von
o Rhythmische
Neuronengruppen
o Synchrone
Epilepsie: wiederholtes Auftreten von Anfällen aufgrund paroxysmaler exzessiver neuronaler
Entladungen des Gehirns bei fehlender akuter Ursache
Neue Definition:
Epilepsie = Störung des Gehirns, die durch eine anhaltende Prädisposition charakterisiert
ist, epileptische Anfälle auszulösen
 ein einziger Anfall + Hirnschaden, der weitere Anfälle möglich macht, reicht zur
Diagnose aus (Veranlagung genügt)
Epidemiologie:
 >5% der Bevölkerung erleben infolge epileptischer Reaktionen des Gehirns vereinzelte
Anfälle
 Prävalenz: ca. 1% der Bevölkerung (nur wenig geringer als Diabetes mellitus)
 Kumulative Inzidenz (Risiko, irgendwann im Leben zu erkranken): 2-5%
 Inzidenz ist im ersten Lebensjahr und im Alter >60 am höchsten
 Inzidenz von Epilepsien im Alter >65 ist höher als die in den ersten zwei
Lebensjahrzehnten
o 40% aller Altersepilepsien sind vaskulär bedingt
o Häufigkeit von Epilepsien nach Schlaganfall: ca. 4%
 Der erste epileptische Anfall:
o 38% Gelegenheitsanfall (nur während einer Provokation, z.B. Alkohol,
Alkoholentzug, Schlafentzug, Stress, Medikamente wie Theophyllin, akute
metabolische oder zerebrale Erkrankunge)
o 18% erster und einziger unprovozierter Anfall
o 44% haben nach einem Jahr weitere Anfälle erlebt
Systematik: Einteilung nach
 Ätiologie:
o Idiopathisch (meist genetische Grundlage, familiär gehäuft)
o Symptomatisch/ kryptogen
 Pathogenese:
o Generalisiert
o Fokal (Ursprungsort; der Anfall selbst kann generalisiert sein)
 Anfallsursprung:
o Temporallappen
o Frontallappen
o Parietallappen
o Okzipitallappen
 Manifestationsalter:
o Neugeborenenperiode
o Kleinkindesalter
o Kindheit
o Jugenalter
Pathophysiologie: ätiologische und anfallsauslösende Faktoren
Genetische Disposition
Erworbene Hirnschädigung
Erhöhte Anfallsbereitschaft
Unspezifische Provokationsfaktoren
Spezifische Provokationsfaktoren
Epilepsie
Ionenkanalmutation bei seltenen monogenetischen Epilepsien:
 Generalisierte Epilepsien mit Fieberkrämpfen bei Mutation von Natrium-Kanälen
 Benigne familiäre Neugeborenenkrämpfe bei Mutation von Kalium-Kanälen
 Familiäre nokturnale Frontallappenepilepsie bei Mutation von Acetylcholinrezeptoren
 Die meisten idiopathischen Epilepsien sind aber polygenetisch.
Algorithmus zur Diagnostik:
Körperliche Untersuchung und Familienanamnese
detaillierte Ereignisbeschreibung
vor/während/nach
dem Anfall durch Patient
und Augenzeugen; Aura?
Allgemeine klinische neurologische orientierende psychiatrische Untersuchung
Epileptischer Anfall?
Ja
Nein
DD nichtepileptischer Anfälle
Anfallsklassifizierung
Wiederholte unprovozierte
Anfälle = Epilepsie
Gelegenheitsanfälle oder
akuter symptomatischer
Anfall
Einzelner Anfall
Zusatzdiagnostik:
 EEG: gute Aussagen nur, wenn gleichzeitig mit einem Anfall 
o Bei Intensivmonitoring (Statustherapie)
o Bei präoperativer Epilepsiediagnostik
o Nach Provokation, z.B.
 Einschlafen nach Schlafentzug
 Hyperventilation
 Exposition mit Flickerlicht
o Spezifität 96%
o Sensitivität 40-50%
 CT: nur Notfalldiagnostik
 MRT:
o Nachweis von
 Tumoren
 Malformationen
 Atrophien (Bsp.: Hippokampus-Sklerose)
 Dysgenesien, etc.
o Kein Notfallverfahren
 Evtl. Liquorpunktion
 SPECT: iktaler fokaler Hypermetabolismus  wenn Fokus eingrenzbar, evtl. OP
Pathologische EEG-Merkmale:
 Spikes
 Spike-waves
 Polyspikes
 Etc.
Lokalisation von Hirntumoren, die Epilepsie auslösen:
 Temporal- > Frontal- > Parietallappen
 Rindennah > im Hirninneren
Fokale Anfälle:
 Einfach fokale Anfälle:
o Erhaltenes Bewusstsein, z.B. Jackson-Anfall
o Sprachhemmung, Versivanfälle, sensible oder vegetative Anfälle, subjektive Auren
o Sekunden bis Minuten
o Abruptes Ende
 Komplexe fokale Anfälle (Untergruppe: psychomotorische Anfälle):
o Bewusstsein gestört, Amnesie
o Ca. ein Drittel aller Epilepsiepatienten
o Ca. 80% im Temporallappen, dann häufig Auren im Beginn
o Häufig Automatismen
o Eine bis mehrere Minuten
 Sekundär generalisierte Anfälle:
o Meistens tonisch-klonische Anfälle
o Entscheidend ist die Asymmetrie während der späten klonischen Phase
o Ein bis zwei Minuten
Generalisierte Anfälle:





Absencen:
o Plötzlicher Bewusstseinsverlust ohne vorangehende Aura
o Bei längerer Dauer Automatismen
o 1-30 Sekungen
o Abruptes Ende
o Typisches EEG: bilateral synchrone spike-waves, 3 pro Sekunde
Myoklonische Anfälle:
o Kurze heftige Zuckungen in Armen und Beinen
o Oft in Serien
Klonische Anfälle
Atonisch-astatische und tonische Anfälle
Primär generaelisierte tonisch-klonische Anfälle (=Grand mal):
o Tonischer Beginn (Zyanose), dann
o Klonische Entäußerungen
o Lateraler ein-/doppelseitiger Zungenbiss
o Einnässen > Einkoten
o 2-5min
o Postiktal: Verwirrtheit, Nachschlaf, Kopfschmerz, Muskelkater
o CAVE: bei starken Rückenschmerzen evtl. thorakolumbale Wirbelfraktur
o CAVE: bei einem Drittel der Patienten kurze laterale Einleitung
o EEG:
 Tonische Phase: niedergespannte Aktivität
 Klonische Phase: polyspikes
Gelegenheitsanfälle:
 Entzündlich
 Durch Fieber
 Metabolisch-toxisch
 Traumen
 Zerebrale Durchblutungsstörungen
 Alkohol-/ Drogenentzug
 Schlafentzug
 Prävalenz: ca. 5%
Differentialdiagnosen zu tonisch-klonischen Anfällen:
 Synkopen
 Psychogene Anfälle
 Tetanie
 Generalisierter Myoklonus
Synkopen – tonisch-klonische Anfälle:
Verletzung
Inkontinenz
Verwirrung
Kopfschmerz
Fokales neurologisches Defizit
Vorboten/ Aura
Körperposition
EKG
Synkope
Tonisch-klonischer Anfall
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Selten
Meist stehend
Pathologisch
Häufig
Häufig
Häufig
Häufig
Kommt vor
Häufig
Jede
Normal
EEG
Myoklone Entäußerungen
Dauer
Normal
Möglich
Viel kürzer als Anfall
Gelegentlich ETP
(epilepsietypische Potentiale)
Häufig
Differentialdiagnose epileptischer Sturzanfälle:
 Vertebrobasiläre Insuffizienz
 Periphere Vestibularisläsion
 Hydrozephalus
 Parkinson-Syndrom
 Orthopädische Ursachen, etc.
 meist ohne Verwirrtheit/ Amnesie
Therapie:
 Lebensführung:
o Vermeidung von Provokationsfaktoren
o Alkoholeinschränkung
o Bei manifester Epilepsie kein Autofahren
 Medikamentös:
o Beginn i.d.R. nach 2 Anfällen innerhalb von einem Monat
o Anfallskalender führen, gesunde Lebensweise beachten, während Therapie
optimiert und Medikamente eingestellt werden
o Ziel: Anfallsfreiheit
o Wechsel der Kontrazeptionsmethode nötig (Wechselwirkung zwischen Pille und
Antiepileptika)
o Besonderheiten in der Schwangerschaft (z.B. Folsäureprophylaxe  vgl.:
Epilepsie der Mutter ist assoziiert mit fetalen Fehlbildungen)
o Goldstandard ist immer erst Monotherapie  bei Therapieversagen erst Wechsel
auf andere Monotherapie, erst wenn 2-3 Monotherapien versagt haben, Übergang
auf Kombinationstherapie
 Chirurgisch: besonders bei fokalen Epilepsien, bei denen Medikamente nicht helfen
 Psychotherapie zur Krankheitsbewältigung
 Rehabilitation
Antiepileptika:
 Fokale Epilepsien: Carbamazepin, Oxcarbazepin, Phenytoin, Valproat, Lamotrigin,
Topiramat, Levetiracetam, Gabapentin, Pregabalin, Zonisamid
 Absencen: Valproat, Ethosuximid, Lamotrigin
 Grand-Mal: Valproat, Primidon, Phenobarbital, Lamotrigin
Nebenwirkungen von Antiepileptika:
 Carbamazepin: Allergie, Hyponatriämie, Blutbild ( immer kontrollieren), zerebellär
(verminderte Wachheit)
 Phenytoin: Gingiva, Hirsutismus, Allergie, zerebellär
 Valproat: Gewichtszunahme, Alopezie, Blutbild, Leber, Tremor
 Lamotrigin: Allergie, Blutbild, zerebellär
 Topiramat: Gewichtsabnahme, Sedierung
 Levetiracetam: Irritabilität
 Pregabalin: Gewichtszunahme
Therapieerfolg:
 70-80% aller Patienten könnten innerhalb von einem Jahr mit einer Monotherapie
anfallsfrei werden
 51% aller hausärztlich behandelten Patienten sind nicht anfallsfrei
 33% aller durch Neurologen behandelten Patienten haben weiterhin mindestens einen
Anfall pro Monat
Differentialdiagnose der kurzen Bewusstlosigkeit:
Symptom
Auslöser
Aura
Dauer
Zungenbiss
Reorientierung
Anfall
Synkope
-„Wahrnehmung“
1-5min
Nur lateral 30%
Langsam
Häufig
Leere/“Schwindel“ (kurz)
1-15s
Selten
Rasch
Bemerkungen:
 Zungenbiss: beim Grand mal fast immer vorhanden, da sich die Zunge durch
Verkrampfung verbreitert und durch Masseterkrampf zugebissen wird
 Dauer: wird durch „Lupeneffekt“ meist überschätzt
 Dauer und Reorientierung  Fremdanamnese nötig
 Beim Anfall dauert Reorientierung bis zu 15min (zwar wach aber nicht orientiert)
 Reorientierung: Überprüfung durch Fragen nach Ort, Zeit, Person
 Beim Anfall folgt Gehirndiagnostik, bei Synkope folgt kardiovaskuläre Diagnostik
Epileptische Gelegenheitsanfälle:
 Häufige Ursachen (80%):
o Alkohol (Rausch oder Entzug  bei schweren Trinkern im Entzug immer
Auftreten eines Anfalls innerhalb von 48h)
o Drogen (Genuss oder Entzug)
o Medikamente (viele möglich, auch Medikamentenentzug)
o Schlafmangel
o Fieber
 Seltenere Ursachen (20%):
o Zerebrovaskulär (Infekt, Subarachnoidalblutung, etc.)
o Cerebro Arteriitis
o Enzephalitis
o Tumoren
o Elektrolytstörungen (systemische Erkrankungen, Dialyse, SIADH, etc.)
o Metabolische Entgleisung (Hypoglykämie  durch Stress des Anfalls erfolgt
Gegenreaktion  nach Anfall ist Blutzucker grenzwertig normal  bei
Diagnostik aufpassen)
Patientenbeispiel (Mann, 85Jahre):
 Erstmaliger Anfall: umgefallen „wie ein Baum“ durch generalisierte Muskelverkrampfung
 Amnesie für das Ereignis, verstärkt durch Sturz auf den Kopf
 Einseitiges Brillenhämatom  ausführliche Traumadiagnostik (CT)
 Einfache Commotio cerebri
 Tranquilizer, sedierende Medikamente als unmittelbarer Schutz vor weiteren Anfällen
(können aber die Reorientierungsphase auf bis zu 3-5 Wochen verlängern)
 EEG: keine ETPs  vermutlich einmaliges Ereignis

Über 3-6 Monate leichte medikamentöse Sedierung bis geklärt ist, ob Anfall wirklich
einmalig bleibt
Antiepileptika: orale Therapeutika
 Valproat (Ergenyl, Orfiril)  bei allen Anfallstypen
 Carbamazepin (Tegretal, Timonil)  fokale, sekundär generalisierte Anfälle
 Phenytoin (Phenhydan)  wie Carbamazepin
 Ethosuximid  nur bei Absencen
 Benzodiazepine  Schutz im Intervall
Hauptwirkmechanismen:
 GABA-Inhibition
 Na-Strom-Inhibition
  Dämpfung der Übererregbarkeit
Einzelzellableitungen an einer Pyramidenbahnzelle:
 Normale Reaktion auf einen Reiz

Epileptisches Phänomen: Depolarisationsshift (verursacht im EEG spikes)
Physiologie:
 Ähnlich Herzflimmern (vgl.: Antiarrhythmike wirken auch als Antiepileptika, wenn sie
gehirngängig sind)
 Verstärkung der Übererregung durch rekurrente GABAerge Neurone
Therapie der Epilepsie:
 Nach zwei oder mehr Anfällen oder nach einem Anfall wenn weitere absehbar sind
(auslösende Hirnläsion nachweisbar)
 Anfallsserie: mehrere Anfälle hintereinander, dazwischen wird das Bewusstsein wieder
erlangt
 Status epilepticus: mehrere Anfälle hintereinander, das Bewusstsein wird nicht wieder
erlangt = Notfall
 Praktisches Vorgehen:
o I.a. nicht sofort Behandlung sondern erst
 Wenn bei bekannter Epilepsie der aktuelle Anfall länger als das Doppelte
der üblichen Anfallsdauer anhält
 Nach 5min wenn nichts Näheres bekannt ist (Gelegenheitsanfall)  in
der Zwischenzeit Diagnostik (Blutzucker, Elektrolyte, etc.)
 Wenn Komplikationen auftreten
o Bei Status epilepticus:
 Überprüfung und Sicherung von Atmung und Kreislauf
 Prävention von Verletzungen des Patienten
 Überwachung von EKG, Blutdruck, Sauerstoff-Sättigung
 Sauerstoffgabe bei Zyanose
 Venösen Zugang legen (möglichst zwei, großkalibrig)

Labor: Blutbild, Gerinnung, Glucose, Elektrolyte, Antiepileptika-Spiegel,
Alkohol/Drogen, Blutzucker
 In Alkoholikergebieten: Glucose und Thiamin ( Korsakoff-Syndrom)
 Arterielle Blutgase, Azidose mit pH<7,0 ausgleichen (Bicarbonat)
 Wenn rasches Durchbrechen des Status nicht möglich: mehrlumiger ZVK
bzw. arterieller Zugang, Intubation
o Medikamente beim Status epilepticus: Zeitskala entscheidend!!!
Zeitskala
Medikamente
Allgemeine Maßnahmen
0min: Krampfphase >3min
ABC, i.v.-Zugang, Labor,
= Startpunkt
Blutgase
3-5min
Benzodiazepin (1Dosis)
Zweiter i.v.-Zugang
8-15min
Phenytoin/Valproat (3Dosen) Glucose
und
Thiamin
i.v.
bestimmen
20min
Benzodiazepin wiederholen
Ggf. Bicarbonat
40min (spätestens)
Barbiturat, ggf. Urbason (100- EEG, Intubation
250mg i.v.)
60min (spätestens)
Barbituratnarkose (Propofol)
EEG-Monitoring, ZVK
120min (spätestens)
Lidocain
Bemerkung: nach 60-120min steigt die Letalität auf 35% (je nach Grundkrankheit)
Während eines Krampfanfalls nichts machen, v.a. nicht in den Mund fassen!!!
Chirurgische Therapie:
 Wenn Patient mit Medikamenten nicht anfallsfrei zu bekommen ist (schwere
Hirnläsionen)  Fokus lokalisieren und entfernen (Fokus funktioniert sowieso nicht
mehr normal  Resektion entfernt kein notwendiges Gewebe)
 Resektion:
Erfolgsrate:
o Vorderer Temporallappen
70%
o Amygdala/Hippokampus
70%
o Neokortikale Areale
50%
o Läsionsentfernung
50%
Epilepsie und Schwangerschaft:
 Therapie weiterführen!!!
 Pharmakokinetik (Spiegel bestimmen, genau einstellen)
 Fetale Fehlbildungen (Spaltbildungen/Dysraphie)  Häufigkeit steigt
o Von 2% auf 3% bei einem Medikament
o Von 2% auf 5% bei zwei Medikamenten
o Von 2% auf 20% bei vier Medikamenten (beachte aber: wenn so viele
Medikamente nötig sind, ist die Vorschädigung auch groß und ein möglicher
Grund)
o Vgl.: Goldstandard der medikamentösen Versorgung der Epilepsie ist immer
Monotherapie
 Gerinnungsstörung perinatal (VitaminK-Hemmung)
Epilepsie und Führerschein:
 Epilepsie (rezidivierende Anfälle):
o Nicht fahrtauglich
o Außer:
 Mit Therapie über mehr als ein Jahr anfallsfrei
 Nach Absetzen der Medikamente und nur leicht verändertem EEG





Erster Anfall (Gelegenheits-, Symptomanfall mit reversibler Ursache, provozierter Anfall,
Rest o.B., CT und MRT o.B., EEG o.B.): nicht fahrtauglich für 3-6Monate
Rezidivanfall nach Absetzen/ Umsetzen aber neurologisch o.B., CT und MRT o.B., EEG
o.B., im Intervall  nicht fahrtauglich für weitere 6 Monate
Einfache fokale Epilepsie: fahrtauglich wenn >1a keine generalisierten Anfälle
aufgetreten sind
Berufsfahrer (Taxi, Bus, LKW, etc.) mit >2 Anfällen: i.a. nie mehr fahrtauglich
Diese Regelungen gelten für alle Krankheiten, die Bewusstlosigkeitsanfälle auslösen (also
auch für Synkopen etc.).
15.Neuropathien
Überblick:
 Neuropathie = Erkrankung der peripheren Nerven
 Mononeuropathie: z.B. Engpasssyndrom, Trauma
 Mononeuropathie multiplex: Beeinträchtigung verschiedener einzelner Nerven
o Vaskulitische Neuropathie
o Multifokale motorische Neuropathie
o Hereditäre Neuropathie mit Neigung zu Druckläsionen
 Schwerpunktneuropathie:
o Diabetische Neuropathie
o Entzündliche Neuropathie
 Polyneuropathie:
o Am häufigsten distal symmetrisch
o Viele Ursachen möglich
o Handschuh- und strumpfförmiges Verteilungsmuster
Symptome bei Nervenläsionen:
Motorisch
Plus-Symptome
Minus-Symptome
Folgen
Faszikulationen
Krämpfe
Schlaffe Lähmung
Atrophie
Tonussenkung
Abgeschwächte Muskeleigenreflexe
Hypästhesie
Hypalgesie
Thermhypästhesie
Lagesinnstörung (vgl. Romberg-Test)
Anhidrose
Trophische Veränderungen
Kontrakturen
Sensibel
Parästhesien
Schmerz
Allodynie4
Autonom
Hyperhidrose
Ulcera (vgl. diabetischer
Fuß)
Stürze und ihre
Folgekrankheiten
Trophische Ulcera
Pathogenese:
 Periphere Nerven bestehen aus Axon – Markscheide – Blutgefäßen = Angriffspunkte
 Angriffsstellen im Axon: Mitochondrien, Transportsystem (Mikrotubuli), etc.
Einteilung von Polyneuropathien:
 Ausfallsgebiet:
o Sensomotorisch
4
Schmerzempfindlichkeit auf äußere Reize, die normalerweise nicht schmerzhaft sind (Bettdecke, Socken, etc.)


o Sensibel
o Motorisch
o Autonom
Pathogenese:
o Axonal
o Demyelinisierend
Zeitverlauf:
o Akut
o Chronisch
Ursachen:
 Genetisch: CMT, HSN, Amyloidose
 Entzündlich: infektiös, autoimmun, vaskulitisch
 Metabolisch: Diabetes mellitus, hepatisch, urämisch, B12-Mangel, Alkohol
 Paraneoplastisch: Bronchialkarzinom, Lymphom
 Toxisch: Blei, Thallium, Arsen, Hg, Gold, Acrylamid, Hexocarbone, CO  in Anamnese
Exposition erfragen
 Medikamentös: Vincristin, INH, Sulfonamide, Resochin
Diagnostik:
 Anamnese: Zeitverlauf, Expositionen, Begleiterkrankungen
 Befund: Verteilungstyp, betroffene Systeme
 Labor: Blutzucker, Transaminasen, Nierenretention, MCV
 Liquor: Zellen, Eiweiß
 Elektrophysiologie: Verteilung, axonal – demyelinisierend
 Nervenbiopsie: Pathologie (aus N. suralis  taube Stelle am Vorfuß, am wenigsten
störend)
Entzündliche Neuropathien:
 Erregerbedingt: Typhus, Ruhr, Scharlach, Lepra, HIV, Borreliose, Diphtherie
 Immunologisch: GBS, CIDP, MMN, Vaskulitis
Chronisch inflammatorische demyelinisierende Neuropathie (chronische Polyneuritis):
 Progrediente Parese von mehr als einer Extremität (stark einschränkende Lähmung 
aggressive Therapie nötig)
 Areflexie/ abgeschwächte Muskelreflexe
 Progression über mehr als 8 Wochen oder rezidivierendes Auftreten
 Befall symmetrisch (bis auf Sonderformen)
 Zusatzuntersuchungen:
o Liquoreiweiß erhöht auf bis zu >100mg/dl (normal: bis 50)
o Weniger als 10 Zellen pro ml Liquor
o Elektrophysiologische Zeichen der Demyelinisierung (gesenkte Nervenleitgeschwindigkeit)
o Suralisbiopsie: Zwiebelschalen (Demyelinisierung), Entzündungszellen
 Pathogenese:
o Autoantikörper  PO, P2, beta-Tubulin
o Makrophagen  Angriff des Myelins über Adhäsionsmoleküle, Zytokine (TNF,
IL-2, IFN-gamma)
o T-Zell-Aktivität  Zytokine, weitere Makrophagenaktivität


Therapie:
o Kortikosteroide
o Plasmapherese, i.v.-Ig, Azathioprin
o Cyclophosphamid, Ciclosporin-A
o Rituximab
Prognose:
o Mortalität 3-7%
o Signifkante Behinderung 25%
o Leichte Behinderung 70%
o Abhängig vom Ausmaß der axonalen Schädigung
Guillain-Barré-Syndrom:
 Akute Polyradikuloneuropathie
 Häufigste Ursache einer akuten Lähmung!!! (ähnelt akutem Querschnitt)
 Inzidenz: 1-4/100000/a
 Verlauf:
o Kribbelparästhesien an Händen und Füßen, sonst wenig sensible Symptome,
manchmal Rückenschmerzen (Radikulitis)
o Schwierigkeiten beim Aufrichten aus dem Sitzen
o Areflexie, motorische Schwäche, distaler Sensibilitätsverlust
o Überwachung der Atemfunktion
o Evtl. mechanische Beatmung und voll ausgebildete Tetraplegie innerhalb weniger
Tage bis Wochen
o Restitution bei voller Leistungsfähigkeit möglich (selbstlimitierender Verlauf)
 Rasch progrediente aufsteigende Paresen (entwickeln sich innerhalb 4 Wochen)
 Tetraparese und Fazialisparese beidseits möglich
 Ateminsuffizienz!
 Autonome Störungen: Herzstillstand! (Monitoring, ggf. Schrittmacher)
 Letalität 3-5% (-10%)
 Vorboten:
o Magen-Darm-Infekt (Campylobacter jejuni)  wenn vorhanden, dann auch eher
schwererer Verlauf
o Viraler Infekt (EBV, CMV)
o Impfung
o OP
o M. Hodgkin
 Pathogenese:
o Molecular mimicry  Antigen auf Myelinscheiden ähneln Antigenen von
Campylobacter
o Gangliosid-Antikörper greifen Myelin an
o Überschießende Immunreaktion wird irgendwann gebremst (selbstlimitierend)
 Diagnostik:
o Erloschene Muskeleigenreflexe bei rasch progredienter distal symmetrisch
aufsteigender Parese
o Liquor: starke Eiweißerhöhung, Zellen normal (zyto-albuminäre Dissoziation)
o Elektrophysiologie: Leitungsblocks, gesenkte Nervenleitgeschwindigkeit,
ausgefallene F-Wellen
 Therapie:
o Supportiv: Intensivstation, VK, cardiales Monitoring, ggf. Schrittmacher,
Analgesie, psychologischer Beistand

o Physiotherapie
o Plasmapherese, i.v.-Ig
o Kortikosteroide helfen nicht!!!
Prognose:
o Mortalität 3-10%
o Signifikante Behinderung 10%
o Leichte Behinderung 65%
o Restitutio ad integrum 15%
o Rezidiv 3%  kann in CIDP übergehen (dann helfen auch Kortikosteroide)
Hereditäre Neuropathien:
 Bei schweren Formen Beginn im Kindesalter
 Bei Beginn im Erwachsenenalter meist langsam progredienter Verlauf
 Überwiegend motorische, wenig sensible Ausfälle
 Hohlfüße (!) und dünne Waden
 Diagnostik:
o Familienanamnese
o Neurographie
o Molekulargenetische Diagnostik
o Nervenbiopsie (Ausschluss anderer Ursachen)
 Therapie:
o Symptomatisch
o KG, orthopädische Schuhe, Peronäusschienen
o Beratung
 Beispiel: Charcot-Marie-Tooth-Krankheit (CMT)
 Mutationen in Myelinproteingenen
16.Polyneuropathien
Diagnostik:
 Klinische Untersuchung:
o Neuropathien sind meist längenabhängig: längere Nerven sind häufiger betroffen
o Daher häufig Zehen als erstes betroffen (Endgebiet des N. ischiadicus)
o  Sensibilitätsüberprüfung, Untersuchung auf Muskelatrophie (Fußheber,
Pronatoren, z.B.: klatscht Fuß beim Gehen auf den Boden?)
 Nach Feststellung einer Neuropathie: Erhebung des Schweregrads mittels
Elektroneurographie
o Z.B. am N. medianus: ableitende Elektroden auf Daumenballen, Stimulation
 Am distalen Unterarm ( Karpaltunnelsyndrom)
 In der Ellenbeuge
 Am Oberarm
o Amplitude der Potentiale entspricht der Muskelmasse (normal mindestens 10mV)
o Potentiallänge normalerweise ca. 10ms
o Latenz: z.B. am distalen Unterarm normalerweise höchstens 4,5ms
o Nervenleitgeschwindigkeit: im Schnitt 45m/s (obere Extremität 50m/s, untere
40m/s)
o Untersuchung sensibler Nerven erfolgt entgegen der physiologischen Leitrichtung
(z.B. am Arm ebenfalls Ableitung an der Hand (Haut der Finger) bei Stimulation
an Handgelenk bzw. Ellenbeuge), die Potentiale sind hier aber höchsten 10µV
o Deutung:

 Entmarkungsschaden  erniedrigte Leitgeschwindigkeit
 Axonschaden  erniedrigte Potentiale
Schweregrade der Nervenschädigung:
Begriff

Geschädigte Strukturen
Funktionsstörung
Neurapraxie
Markscheide
Axonotmesis
Axon
Neurotmesis
Axon + Markscheide +
Hüllstrukturen
Leitgeschwindigkeit
Leitungsblock an Läsion
Neubemarkung erforderlich
Abbruch der Nervenleitung
Axonale Regeneration erforderlich (1mm/d)
Abbruch der Nervenleitung
Erschwerte Regeneration
Fehlsprossung
Elektromyographie:
o Auftreten von Spontanaktivität (= Zeichen aktiver Denervierung) nach einigen
Tagen (nicht unmittelbar nach der Verletzung)
 Fibrillationspotentiale (spitz nach oben verlaufend)
 Positive scharfe Wellen (v-förmig nach unten verlaufend)
o Bei Denervierungszeichen liegt immer eine axonale Schädigung vor
Autonome Neuropathie:
 Autonome Beteiligung tritt bei fast allen Neuropathien auf, besonders beim Diabetes
mellitus
 Symptome:
o Häufig: orthostatische Kreislaufregulationsstörung (Extremfall: asympathikotone
orthostatische Hypotonie, auch durch Parkinson-Medikamente oder beta-Blocker
auslösbar)
o Gefährlich: parasympathische Entzügelung
o Blasenstörungen
o Erektile Impotenz
o Störung der Magen-Darm-Motilität
o Erniedrigte Schweiß-Sekretion  unzureichender Temperaturausgleich
o Gestörte Pupillen-Reaktion
o Bei Diabetikern besonders gefährlich: unzureichende HypoglykämieWahrnehmung (normalerweise sympathikusvermitteltes Muskelzitter etc.)
 Diagnostik:
o Kreislaufüberprüfung nach Schellong:
 Normal: Blutdruckwerte nach kurzer Anhebung wieder normal, Puls
erhöht
 Pathologisch: Abfall der Blutdruckwerte, Puls nur leicht erhöht
o Messung der Herzratenvariation im EKG:
 Normalerweise Vorliegen einer physiologischen Sinusarrhythmie
(atmungskorreliert)
 Bei Neuropathien weniger bis keine Variabilität
o Messung der sympathischen Hautantwort (normalerweise bei Erregung/Schreck
 Schweißsekretion)
 Normal: gute Antwort von Hand und Fuß
 Pathologisch: z.B. keine Reaktion am Fuß
Ursachen von Polyneuropathien:
 Diabetes mellitus (39,7%, im Westen eher 50%)  pathogenetische Faktoren:
o Wichtigste Ursache ist Hyperglykämie





o Außerdem: Hypoxie, oxidativer Stress
Ungeklärt (15%)
Multifaktoriell (14,2%)
Toxisch (13%)  v.a. Alkohol (8,9%) und Medikamente (4,1%)
Entzündlich (13%)  in Afrika die Hauptursache (Lepra), in Deutschland v.a. Borreliose
Hereditär (3%), Malabsorption (1,5%), nephrogen (0,5%)
Formen der diabetischen Neuropathie:
 Symmetrische Polyneuropathie (85%):
o Sensibel/ sensomotorisch
o Autonom
 Fokale und multifokale Neuropathie (13%, meist koexistent mit symmetrischer Form):
o Befall von Hirnnerven, Stamm und proximalen Extremitäten, v.a. motorisch
(„diabetische Amyotrophie“)
o Schmerz als Erstsymptom(!), dann Atrophie und Lähmung
o Prädilektionsort Oberschenkel:
 Verminderte Quadrizepsmuskulatur, Neurographie aber unergiebig
 Myographie: Spontanaktivität, da axonale Schädigung
 Biopsie (N. suralis): Vaskulitis des Nerven (der Vasa nervorum)  d.h.
Ursache ist eine Immunvaskulitis
 Kann kurzfristig mit Cortison therapiert werden (Cortison ist aber ein
Insulin-Gegenspieler)
o Prädilektionsort Bauchwandmuskulatur:
 Parese zeigt sich als Tumor abdominale durch aussackende Bauchwand
 Wird in den meisten Fällen mit einem abdominalen Prozess verwechselt!
Therapie der diabetischen Neuropathie:
 Übergeordnetes Ziel: Normoglykämie
 Vermeidung von Fußschäden
 Bei Lähmung/ Gangstörung: Krankengymnastik
 Bei neuropathischen Schmerzen: Antineuralgika
 Thymoleptische Schmerztherapie mit Trizyklika
 Umstritten: Benfotiamin, alpha-Liponsäure
 Bei Muskelkrämpfen: Magnesium, Chinidin, Carbamazepin
 Kurzfristig: Tetrazepam
Karpaltunnelsyndrom:
 Bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie doppelt so häufig wie bei anderen
 Prototyp eines Engpasssyndroms peripherer Nerven, tritt auch am häufigsten auf
 Symptome:
o Missempfindungen (Schmerz, Kribbeln) v.a. nachts
o Provokation durch Handarbeiten, Autofahren (krampfhaftes Halten des
Lenkrads)
o Elektrisierende Empfindungen bei Bewegung
o Später Atrophie der Tenarmuskulatur (Endstadium, durch Operation nicht mehr
therapierbar)
 Diagnostik:
o Phalen-Test: Hyperflexion der Hände bei aufgestützten Ellenbogen für ca. 1min
 Provokation der Symptome
o Hoffmann-Tinel-Zeichen: an Stellen mechanischer Beeinträchtigung kann durch
Beklopfen eine elektrisierende Sensation ausgelöst werden
Radikulo-Neuropathie bei Borreliose (Bannwarth-Syndrom):
 Im Stadium 2 (3-4 Wochen nach Stich, entsteht nur bei 15% aus einer unbehandelten
Borreliose im Stadium 1)
 Weitere Symptome des Stadium 2: Fazialisparese, Meningitis, Myeloradikulitis;
Bannwarth-Syndrom in 90%
 Diagnostik:
o Serologie
o Lymphomonozytäre Liquor-Pleozytose (entscheidendes Merkmal, auch guter
Verlaufsparameter)
o Oft Liquoreiweißstörung mit Schrankenstörung
o Oligoklonale IgG-Banden im Liquor
o Intrathekale Synthese borrelienspezifischer IgM>IgG
 Therapie: wochenlang hochdosiertes Cephalosporin
Idiopathische Fazialisparese:
 Ursachen v.a. infektiös/ parainfektiös (70% HSV!, außerdem Neuroborreliose, VZV,
GBS, etc.)
 Diagnostik:
o Abgrenzung gegen zentrale Parese
o Nachweis/ Ausschluss von Ursachen (Liquor, Serologie, etc.)
 Therapie bei unbekannter Ursache:
o Kortikosteroid
o Valaciclovir
o Ceftriaxon (Rocephin)
o Korneaschutz
o KG
o Nicht mehr: operative Fazialis-Dekompression
 Spontanheilung: 60%, mit Therapie 80%
 Unerwünschte Folgen:
o Inkomplette Rückbildung
o Fehlsprossung
o Spasmus fazialis
17.Myopathien
Klinische Problemstellung:
 Identifikation behandelbarer Formen
 Rechtzeitige genetische und sozialmedizinische Beratung
Klinische Manifestationen von Myopathien:
 Muskelschwäche:
o Häufig proximal betont
o Watschelgang
o Seltener distal betont
o Evtl. mit Facies Myopathica, Ptosis
 Muskelatrophie aber auch Pseudohypertrophie („dicke Waden“)



Abgeschwächte/ erloschene Muskeleigenreflexe
Keine sensorischen Ausfallserscheinungen
Keine Faszikulationen!!!
Diagnostik:
 Labor:
o Häufig (aber nicht obligat) CK-Erhöhung
o Bei Entzündung teilweise BSG- und CRP-Erhöhung
 EMG:
o Kleine polyphasische Einheiten
o Frühzeitige Rekrutierung vieler Einheiten bei minimaler Muskelanspannung
o Metabolische Tests (Ischämie – Laktattest)  z.B. Nachweis von Glykogenosen
o „Goldstandards“: Gentest oder Biopsie
 Untersuchungsschritte im EMG:
o Pathologische Spontanaktivität vorhanden (deutet auf eher neurogene Störung
hin)
o Potentiale motorischer Einheiten
 Gesund: bi- und triphasisch
 Myopathisch: polyphasisch
o Interferenzmuster: Amplitude im pathologischen EMG geringer
Myopathien (!!!):
 Muskeldystrophien
 Metabolische Myopathien (Glykogenosen, Lipidspeichererkrankungen, Mitochondriopathien)
 Endokrine Myopathien (Hypo-/ Hyperthyreose, Steroidmyopathie)
 Entzündliche Myopathien
Muskeldystrophien:
 Duchenne’sche und Becker’sche Muskeldystrophie:
o X-chromosomal-rezessiv vererbt, Gentest verfügbar
o Duchenne:
 CK>1000
 Rollstuhlpflichtigkeit mit 12 Jahren
 Respiratorische Insuffizienz mit 20-30 Jahren
o Becker: mildere Verlaufsform
o Beide mit Kardiomyopathie
o Ursachen:
 Duchenne: vollständiger Verlust von Dystrophin
 Bekcer: Dystrophin-Restaktivität vorhanden
 Fazioskapulohumerale Form (FSH):
o Autosomal-dominant vererbt, Gentest verfügbar)
o Facies myopathica
o Muskelschwäche betont im Schultergürtelbereich
o Große Deletion auf Chromosom 4q
o Cave: bei Biopsien oft entzündliche Infiltrate
 Gliedergürteldystrophie („Sammelsurium“ mit verschiedenen Vererbungsmodi)
 Myotone Dystrophie Curshman-Steinert:
o Autosomal-dominant vererbte Trinukleotid-Erkrankung
o Paresen der distalen Muskulatur (große Ausnahme unter den Myopathien)
o Atrophie des M. temporalis und M. sternocleidomastoideus, Ptosis
o Myotonie mit verzögerter Faustöffnung
o EMG: myopathische Einheiten und myotone Serien (SturzkampfbomberGeräusch)
o Stirnglatze, Katarakt, kardiale Reizleitungsstörung, Hodenatrophie
o Antizipation insbesondere bei maternaler Transmission
o Genetik: CTG-Trinukleotiderkrankung auf Chromosom 19
Entzündliche Myopathien (behandelbar  Bedeutung der Differentialdiagnose!!!):
 Polymyositis
 Dermatomyositis
 Einschlusskörperchenmyositis (IBM)
Polymyositis
Muskelschwäche
Schmerzen
EMG
Besonderheiten
Biopsie
Dermatomyositis
IBM
Proximal, Dysphagie
<10%
Myopathisch,
Spontanaktivität
(Tumor)
Proximal, Dysphagie
Distal, Dysphagie
<25%
Selten
Myopathisch,
Mischbild,
Spontanaktivität
Spontanaktivität
Hautveränderungen,
Tumor
Charakteristische Biopsie-Bilder
Diagnostik entzündlicher Myopathien:
 Polymyositis: intramysiale CD8+-T-Zell-Infiltrate
 Dermatomyositis: perifaszikuläre Atrophie, antikörpervermittelt
 IBM: intramysiale Einschlusskörperchen
Therapie entzündlicher Myopathien:
 Dermatomyositis > Polymyositis: intensive Tumorsuche
 1. Wahl: Steroide
 Langzeitimmunsuppression: Azathioprin, MTX, Cyclophosphamid i.v.
 In Einzelfällen Immunglobuline
 Plasmapherese wirkungslos
 Einschlusskörperchenmyositis: i.d.R. therapierefraktär
Muskuläre Transmissionsstörungen:
 Neuromuskuläre Übertragung: ACh, ACh-Rezeptor, Cholinesterase
 Ausfälle sind zu einem bestimmten Grad kompensierbar (werden meist erst ab
Nachmittag oder bei großer Anstrengung manifest)
 Transmissionsstörungen:
o Myasthenia gravis
o Lambert-Eaton Syndrom
o Botulismus
Myasthenia gravis:
 Symptome (stark fluktuierend!):
o Ptosis, Doppelbilder
o Sprech- und Schluckprobleme
o Ermüdung beim Kauen
o Generalisierte Muskelschwäche









o Dyspnoe
Sonderfall okuläre Myasthenie: nur am Auge, nicht im Gesicht
Vs. generalisierte Myasthenie: Rest auch betroffen
Tensilontest: Cholinesterasehemmer (kurzwirksam)  hebt kurzzeitig die Symptome auf
Besserung der Symptomatik durch Cholinesterasehemmer
Ursache: Antikörper gegen Acetylcholinrezeptor (Autoimmunerkrankung)
Diagnostik:
o Klinische Belastungstests
o Elektrophysiologie: Serienstimulation (bei Myasthenie Abnahme der Amplituden)
o Bestimmung von Acetylcholinrezeptor-Antikörpern (zu 90% positiv)
o Pharmakologische Tests
o Thymusdiagnostik  häufig Thymom vorhanden  entfernen
Differentialdiagnosen:
o Bulbärparalyse/ ALS
o CPEO/ Mitochondrienerkrankung
o Polymyositis
o Botulismus
o Etc.
Therapie :
o Okulär:
 Symptomatische Behandlung mit Cholinesterasehemmern
 Kortikosteroide
o Generalisiert:
 Symptomatische Behandlung mit Cholinesterasehemmern
 Kortikosteroide
 Langfristige Immunsuppression  Basistherapie
o Basistherapie:
 Pyridostigmin alle 4-5h
 Thymektomie
 Kortikosteroide bis zur Remission, dann
 Azathioprin oder Cyclosporin A
Myasthene Krise:
o Warnzeichen für Ateminsuffizienz:
 Schluckstörung für Sekrete
 Dyspnie, Orthopnoe
 Anarthrie
 Aufrichten von Kopf und Rumpf unmöglich
 Senkung der arteriellen Sauerstoffsättigung
o Therapie: Plasmapherese, Hochdosis-Immunglobuline i.v.
Lambert-Eaton-Syndrom:
 Selten aber wichtig
 Proximale Muskelschwäche, die sich nach wiederholter Anstrengung zunächst bessert,
dann wieder verschlechtert („Einlaufen“)
 Mundtrockenheit
 Oft assoziiert mit kleinzelligen Bronchialkarzinomen
 Antikörper gegen Ca-Kanal (dadurch geringere Acetylcholin-Sekretion)
18.Neurologische
Langzeittherapie,
Palliativbehandlung
Rehabilitation
und
Zieldefinition: bei absehbar langwiereigem Restitutionsprozess bzw. fehlenden/ unzureichenden
Möglichkeiten einer ursächlichen Behandlung
 Unterstützung kausal ausgerichteter Behandlungsansätze durch begleitende Therapie zur
Beschleunigung bzw. Verbesserung der Eigenrekonstitution des Nevensystems
 Nutzung plastischer Kapazitäten des ZNS zum Funktionserhalt
 Individuell ausgerichtete symptomatische Behandlung zum erleichterten Umgang mit der
Erkrankung (Lebensqualität) und zur Vermeidung sekundärer Komplikationen
 Erleichterungen für pflegende Angehörige
 Würdige Begleitung in der finalen Krankheitsphase bei infauster Prognose
Frührehabilitation:
 (Phase A: Akutbehandlung)
 Phase B:
o „Basale Stimulationstechniken“ unter Einbeziehung unterschiedlicher
sensorischer Kanäle (visuell, taktil, vestibulär, gustatorisch, olfaktorisch)
o Bewusstlose bzw. stark bewusstseinsgeminderte Patienten
o Ziel: Rückgewinnung des Bewusstseins
 Phase C:
o Patienten bewusstseinsklar, kooperativ und orientiert aber bei vielen Tätigkeiten
des täglichen Lebens auf pflegerische Hilfe angewiesen
o Ziel: Selbständigkeit im aktuellen Alltag
Anschlussheilbehandlung:
 Im Anschluss an Akutaufenthalt im Krankenhaus
 Voraussetzung: Rückbildungstendenz der neurologischen Symptome
 Phase D:
o Patienten kooperativ und weitgehend selbständig
o Ziel: Teilnahme am Erwerbsleben und am gesellschaftlichen Leben
Phasenmodell:
Intensivmedizinische Behandlung
Phase A
Phase B
Kurzzeitpflege
Phase C
Phase F: Dauerpflege, -betreuung
Phase D
Phase E: ambulante Nachsorge
Behandlungsschwerpunkte:
 Neuropsychologische Integrität
 Atmung
 Negative Funktion
 Ernährung
 Kommunikation
 Feinmotorik
Eigenständigkeit und
Wohlbefinden


Schmerzen
Mobilität/ Kraft
Verfahren:
 Physiotherapie:
o Verfahren: Bobath, PNF, Vojta/Hanke, manualtherapeutische techniken, forced
use, Affolter-Konzept
o Neue Ansätze: aktives und repetitives Bewegungstraining, frühes distales Üben
o Effektivität: kein sicherer differentieller Effektivitätsnachweis für traditionelle
Verfahren, im Effekt auf die Funktionalität sind neuere Ansätze den traditionellen
überlegen
 Ergotherapie:
o Verfahren: Bobath, Feldenkrais, etc.
o Effektivität: Metaanalyse bestätigt Wirksamkeit nach zerebralem Insult aber keine
Überlegenheit eines bestimmten Verfahrens
 Logopädie
 Hilfsmittel, Orthesen
 Neuropsychologische Behandlung
 Medikamentöse/ operative Therapie
Schlucktherapie:
 Fazio-oraler-Trakt-Therapie (FOTT nach Kay Coombes): indirekte Einflussnahme auf
unwillkürliche Anteile des Schluckvorgangs durch Behandlung der vorgeschalteten
Vorgänge
o Präorale Phase: Körperposition, Armbewegung, Koordination AtmungSchlucken, etc.
o Orale Phase: sensible und sensorische Stimuli, Training der Zungenbewegung,
etc.
 Versorgung mit geblockter Trachealkanüle
 PEG/PEJ-Versorgung
Dysphagie
Transient
Wach
Permanent/progressiv
Sediert
Penetration/
Aspiration
Drohende Aspiration
Nasogastrale Sonde
Geblockte Trachealkanüle
FOTT
FOTT
Behandlungserfolg
Dysphagie anhaltend
FOTT
Therapeutisches Essen
FOTT
PEG/PEJ
Serielle Redressionstherapie bei Kontrakturen:
 Gipse, Schienen, fokale Spastikbehandlung, kurze Wechselintervalle (1-4d)
 Verbesserung der Gelenkfehlstellung, kein signifikanter Effekt auf Funktionalität
Hilfsmittel:
 Feinmotorik  z.B. Griffverbreiterungen, Druck- und Sensortastaturen
 Mobilität  Rollator, Rollstuhl, Gehhilfen, Orthesen
 Kommunikation  Zeigetafeln, Headmouse-Systeme, iconbasierte Sprachsysteme,
virtuelle Tastaturen
 Atmung 
o Indikation: progrediente muskuläre Atemstörungen (z.B. ALS, SMA,
Muskeldystrophien)
o Voraussetzung: keine bedeutende Dysphagie
o Z.B. nichtinvasive Heimbeatmung
o Ziel: verbesserte Lebensqualität, nicht Lebensverlängerung
 Umgebungskontrolle  Umfeldkontrollsystem und Kommunikator an E-Rollstuhl
Medikamentöse Verfahren bei Spastizität:
 Traditionelle systemische pharmakologische Therapie:
o Baclofen (Lioresal®)
HWZ 2-6h
o Tizamidin (Sirdalud®)
3-5h
o Tolperison (Mydocalm®)
1,5h
o Dantrolen (Dantamacrin®)
10h
o Nebenwirkung bei allen: verringerte Wachheit, Schwäche
 Fokale Spastiktherapie  medikamentöse neuromuskuläre Blockade
o Botulinumtoxin Typ A (Dysport®, Botox®)
o Therapeutischer Effekt auf ROM, ASS  funktionelle Parese
o Hygiene und Funktionsverbesserung
o Nur für einzelne Indikationen zugelassen
 Intrathekale medikamentöse Therapie:
o Morphin, Baclofen
o Indikation: schwere Para-/ Tetraspastik
o Voraussetzung: positiver Screening-Test auf Wirksamkeit
o Subkutane Implantation von batteriebetriebenen oder gasdruckbetriebenen
Pumpen
Medikamentöse Verfahren bei Dystonie, Dyskinesie, Chorea:
 Traditionelle systemische pharmakologische Therapie:
o Anticholinergika
o Benzodiazepine
o Atypische Neuroleptika (Clozapin, Tetrabenazin)
o GABA-Antagonisten (Baclofen)
 Fokale Therapie:
o Botulinumtoxin
o Indikation: fokale segmentale Dystonie (z.B. Blepharospasmus, zervikale
Dystonie, Hemispasmus fazialis  Therapie 1. Wahl)
Langzeitbehandlung von chronischem Schmerz:
s. www.neurologie-ingolstadt.de
19.Multiple Sklerose
Grundlagen:





Multiple Sklerose = chronisch entzündliche, demyelinisierende Erkrankung des ZNS
(praktisch nie peripherer Befall)
120000 Erkrankte in Deutschland
Häufigste entzündliche Erkrankung von Gehirn und Rückenmark
Frauen sind dreimal häufiger betroffen als Männer
Häufig erstes Auftreten in jungen Jahren (20-40Jahre, Median 28Jahre)
Ätiologie:
Autoimmunität
MS
Genetische Faktoren


Umweltfaktoren
Genetische Faktoren: nachgewiesen durch Zwillings- und Geschwisterstudien
Umweltfaktoren:
o Nord-Süd-Gradient: im Norden häufiger, im Süden fast nicht (höchste Prävalenz
und Inzidenz in Nordamerika, Skandinavien, Großbritannien und Deutschland)
o Migrationsstudien: bei Umzug vor dem 20. Lebensjahr wird das Risiko des neuen
Lebensraums übernommen, ab dem 20. Lebensjahr bleibt das Risiko des
Ursprungslands erhalten  Determinierung der Anfälligkeit in den ersten 20
Lebensjahren
o Umwelteinfluss, der in den ersten Lebensjahren greift (Virus, ernährungsbedingt,
o.ä.)?
Pathogenese:
 Genetik + Umwelt = Prädisposition  kein zwingender Auslöser vorhanden
 Entzündung  Entmarkung (reversible Ausfälle)  axonaler Schaden (irreversible
Ausfälle)  Vernarbung
Klinik:




Entzündung des Sehnerven
Hirnstamm: Sprachstörungen, Schluckbeschwerden, Atemnot
Großhirn: Müdigkeit, Abnahme der Denk- und Konzentrationsfähigkeit
Kleinhirn: Sprach- und Koordinationsstörungen (skandierende Sprache), Zittern,
Schwindel
 Rückenmark: Sensibilitätsstörung, Verspannung, Muskelsteife, Blasen- und
Darmstörungen, sexuelle Störungen
 v.a. Strukturen mit dicken Myelinscheiden betroffen
 bei peripheren Symptomen sicherer Ausschluss einer MS
Früher: Charcot-Trias zur Diagnostik:
Intentionstremor
Nystagmus
Skandierende Sprache
Charakteristische Beschwerden:
 Sehstörung (in 60%): Visusverlust, Doppelbilder (nach mehreren Entzündungen
Abblassung der Papille)
 Spastische Paresen: Lähmungen der Extremitäten, spastische Tonuserhöhungen, nie
extrapyramidale Symptome (vgl. Parkinson, Chorea  Rigor etc.)
 Koordinationsstörung: Stand- und Gangataxie, Intentionstremor





Sensibilitätsstörung: Missempfindungen, Taubheit, Schmerzen (häufig in späteren
Stadien)
Fatigue (sehr häufig): abnorme Müdigkeit, inadäquat im Verhältnis zur körperlichen
Belastung
Blasenstörung (häufig), Mastdarmstörungen (seltener): Dranginkontinenz, inkomplette
Blasenentleerung, Obstipation
Hitzeempfindlichkeit (Uhthoff-Phänomen): kurzfristige Verschlechterung klinischer
Symptome bei Temperaturerhöhung
Kognitive Störungen: Aufmerksamkeit, geteilte Aufmerksamkeit, Konzentration, kann bis
zur MS-Demenz gehen
Klinische Bewertung:
 7 funktionelle Systeme (visuelles System, motorisches System, etc.) + „andere“
 In jedem System sind maximal 6 Punkte erreichbar
 Daraus resultiert Behinderungsskala zur MS (EDSS = Expanded Disability Status Scale):
wichtig für die klinische Beurteilung
o 0 Punkte  normaler neurologischer Befund
o Bereich zwischen 3 und 6 Punkten  sehr sensibel für Beurteilung der
Gehfähigkeit
 3 Punkte: Gehen ohne Hilfe möglich
 6 Punkte: Gehhilfe nötig (ab 7 Punkte Rollstuhlfahrer)
o 10 Punkte  Tod durch MS
 Nachteile der Skala:
o Ordinalskala
o Bedeutung von Veränderungen variiert stark
o Schwerpunkt auf motorischen Funktionen
o Starke Variabilität
o Fehlende Bewertung neurologischer Funktionen (z.B. der kognitiven
Funktionen)
Geistige Leistungsfähigkeit bei MS:
 Als Problem lange unterschätzt
 Wesentliche Bedeutung für das tägliche Leben
 Kein Zusammenhang mit körperlicher Behinderung
Typischer Verlauf:
Behinderungsgrad
Schubförmig-remittierender
Verlauf (RR-MS)
aufgesetzte
Schübe
Sekundär-progredienter Verlauf (SP-MS)
CIS (erstes klinisches Ereignis)


>80% beginnen mit RR-Verlauf
ca. 60-70% gehen nach etwa 10 Jahren in SP-MS über


ca. 45% werden frühzeitig innerhalb von 10 Jahren berentet
Verteilung der Patienten:
o 50% RR
o 40% SP
o 10% PP  primär progredient, von Beginn an schlechter werdend (vermutlich
anderer Pathomechanismus, durch Immunsuppression nicht beherrschbar)
Schubdefinition:
 Neue neurologische Symptome oder Verschlechterung bereits bekannter Symptome
 Anhalten über mindestens 24h
 Zeitspanne seit dem letzten Schubereignis mindestens 30d
 Ausschluss
infektassoziierter
Verschlechterung
(Bystander-Aktivierung
Immunsystems) oder von Paroxysmen (Uhthoff!)
des
Diagnostik:
 Klinisch: räumliche und zeitliche Dissemination (2 oder mehr klinische Symptome an
verschiedenen Orten und verschiedenen Zeitpunkten, z.B. Optikusneuritis und später
Hemiparese)
 Evozierte Potentiale:
o Charakteristisch: Potential sieht exakt gleich aus wie ein normales, ist aber
verzögert (= Latenzverlängerung)
o Paraklinische Parameter für örtliche Dissemination
o Insbesondere visuell evozierte Potentiale (VEP), aber auch somato-sensorisch
evozierte (SSEP) und magnetisch evozierte Potentiale (MEP  zentrale
Leitungszeit)
 Liquor:
o Oligoklonale Banden, die nicht im Serum vorhanden sind  intrathekale IgGSynthese
o Geringgradige Pleozytose
 MRT: multiple Läsionen, v.a. periventrikulär (auch: spinale MRT)
o T1: dunkle Löcher
o T2: helle Areale
o T1 mit Kontrastmittel: KM wird punktförmig sichtbar
 Alte Diagnosekriterien: Poser-Kriterien (ohne MRT)
 Neue Diagnosekriterien: McDonald-Kriterien
o Vereinfachte diagnostische Kategorien
o Integration des MRT in die Kriterienfindung: MRT kann das 2. geforderte
klinische Ereignis ersetzen (z.B. 3 Monate nach einem klinischen Symptom
erneute MRT  wenn Läsion progredient ist, ist damit zeitliche Dissemination
gegeben)
o Frühe Diagnose der MS (vgl.: mit den alten Kriterien musste auf einen zweiten
Schub gewartet werden)
Therapie:
 Ziele:
o
o
o
o
o
Rasche Rückbildung von Schubsymptomen
Komplette Rückbildung von Schüben
Reduktion von Schubfrequenz und Schubschwere
Reduktion der Krankheitsprogression!!!
Optimierung der Lebensqualität



Formen:
o Schubtherapie
o Kausal orientierte prophylaktische Therapie (Immunprophylaxe)
o Symptomatische Therapie (Spastik, Blasenstörung, etc.)
Schubtherapie:
o 3x1g Methylprednisolon i.v. in 3d
o Falls das nicht ausreicht, zusätzlich oral Prednisolon + Ausschleichen
o Falls immer noch nicht ausreichend  Eskalationstherapie: zusätzlich 5x2g + 3x
Plasmapherese
Immunprophylaxe:
o Basistherapie Immunmodulation:
 Interferone
 Glatirameracetat
o Bei schweren/ rasch progredienten Verläufen Immunsuppression:
 Azathioprin
 Cyclophosphamid
 MTX
20.
Neurologische Blickdiagnosen
vgl. Videos auf CD (ausleihbar im Sekretariat)
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