Fachhochschule Fulda Fachbereich Sozialwesen Diplomarbeit im Schwerpunkt Psychosoziale Beratung und Gesundheitsförderung Ehescheidungen: Auswirkungen und ewältigungsmöglichkeiten Referent: Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos Korreferent: Prof. Dr. Michael Wolf Vorgelegt von: Christiane Kehr Inhaltsverzeichnis 1 1.Einleitung ................................................................................................................. 6 2. Ehescheidungen, Familien- und Lebensformen im Wandel der Zeit ................ 7 2.1 Zeitgeschichtlicher Anstieg von Ehescheidungen .............................................. 7 2.1.1 Demographische Daten.........................................................................................8 2.1.2 Bedingungsfaktoren für den Anstieg von Ehescheidungen ................................10 2.2 Von der modernen Kleinfamilie als familialer Normaltypus in der Moderne zur postfamilialen Familie der Gegenwart........................................................ 13 2.2.1 Entwicklung der modernen Kleinfamilie nach dem Vorbild der bürgerlichen Familie ................................................................................................................14 2.2.2 Entwicklung postfamilialer Familien- und Lebensformen .................................16 2.3 Bedeutungswandel von Ehescheidungen aus soziologischer Perspektive ....... 21 2.3.1 Frühere Sichtweise: das Desorganisationsmodell ..............................................21 2.3.2 Die heutige Sichtweise: das Reorganisationsmodell ..........................................24 3. Ehescheidungen als phasenhafter Prozeß .......................................................... 32 3.1 Vorscheidungsphase ......................................................................................... 33 3.1.1 Verschlechterung der Ehebeziehung ..................................................................34 3.1.2 Entscheidungskonflikte ......................................................................................35 3.1.3 Auswirkungen der Vorscheidungssituation für die intrapsychische Entwicklung der Kinder .....................................................................................36 3.1.3.1 Beeinträchtigung des Ur-Vertrauens bei Kleinkindern im ersten Lebensjahr .............................................................................................37 3.1.3.2 Beeinträchtigung der Individuation und der Entwicklung von Objektbeziehungen des Kindes in der Wiederannäherungsphase .........38 3.1.3.3 Beeinträchtigung der ödipalen Entwicklung.........................................43 3.1.3.4 Beeinträchtigung der Entwicklungen in der Adoleszenz.......................45 3.2 Scheidungsphase .............................................................................................. 46 3.2.1 Die Trennung und die Zeit danach (Trennungsphase) .......................................46 3.2.2 Die gerichtliche Scheidung.................................................................................48 3.2.2.1 Sorgerechtsregelungen, die bis 01.07.1998 vom Familiengericht getroffen wurden....................................................................................49 3.2.2.2 Sorgerechtsregelungen nach dem Kindschaftsreformgesetz.................50 3.2.3 Entwicklungsbedingungen und Auswirkungen derTrennungsphase auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder ...........................................................51 3.2.3.1 Auswirkungen einer Trennung auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder in den ersten drei Lebensjahren (Individuations- und Loslösungsprozeß): ...............................................................................53 2 3.2.3.2 Auswirkungen einer Trennung auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder zwischen vier und sechs Jahren (ödipale Phase)................53 3.2.3.3 Auswirkungen der Trennung für die intrapsychische Entwicklung der Kinder in der Latenzphase ..............................................................55 3.2.3.4 Auswirkungen der Trennung auf die intrapsychische Entwicklung Jugendlicher in der Adoleszenz .............................................................55 3.3 Die Nachscheidungsphase ................................................................................ 56 3.3.1 Die psychische Scheidung der Geschiedenen und deren Scheidungsbewältigung .....................................................................56 3.3.2 Beziehungsmuster zwischen Geschiedenen .......................................................60 3.3.3 Eltern-Kind-Beziehungen in der Nachscheidungsphase ....................................63 3.3.4 Auswirkungen der Entwicklungsbedingungen in der Nachscheidungsphase auf die psychische Entwicklung der Kinder .......................................................69 4. Folgen der Ehescheidung für Kinder ................................................................. 72 4.1 Reaktionen der Kinder auf den Prozeß der Ehescheidung ............................... 72 4.1.1 Kindliche Emotionen auf die elterliche Scheidung ............................................75 4.1.2 Altersspezifische Reaktionen von Kindern auf die elterliche Scheidung ..........78 4.1.2.1 Geburt bis zum 2. Lebensjahr ...............................................................78 4.1.2.2 Zweites bis drittes Lebensjahr...............................................................79 4.1.2.3 Drittes bis fünftes Lebensjahr ...............................................................79 4.1.2.4 Fünftes bis sechstes Lebensjahr ............................................................80 4.1.2.5 Siebtes bis achtes Lebensjahr ...............................................................80 4.1.2.6 Neuntes bis dreizehntes Lebensjahr ......................................................81 4.1.2.7 Vierzehntes bis neunzehntes Lebensjahr ...............................................81 4.1.3 Geschlechtsspezifische Rektionen auf die elterliche Scheidung........................82 4.1.4 Langfristige Folgen der elterlichen Scheidung für Kinder .................................83 4.1.4.1 Erhöhtes Risiko psychischer Störungen und Entwicklung delinquenter Verhaltensweisen ...................................................................................84 4.1.4.2 Gestaltung von Partnerschaften ............................................................85 4.1.5 Positive Folgen der elterlichen Scheidung für Kinder .......................................85 4.1.6 Intergenerative Transmission des Scheidungsrisikos .........................................87 4.1.7 Fazit zu den kindlichen Reaktionen auf die elterliche Scheidung......................88 4.2 Bedingungsfaktoren der kindlichen Reaktionen auf die elterliche Scheidung . 89 4.2.1 Die sozial-ökonomische Situation von Scheidungsfamilien ..............................89 4.2.2 Beziehung zwischen den Kindern und dem getrenntlebenden Elternteil ...........91 4.2.3 Beziehungen zwischen den Eltern vor und nach der Scheidung (familiales Konfliktniveau) ..................................................................................................92 3 4.3 Familienformen nach der Ehescheidung .......................................................... 94 4.3.1 Mehrelternfamilien als Normalfamilien .............................................................95 4. 3.2 Offene Mehrelternfamilien ................................................................................97 4.3.3 Einelternfamilien, die kooperieren .....................................................................99 4.3.4 Einelternfamilien, die ausgrenzen ....................................................................100 4.3.5 Fazit ..................................................................................................................102 5. Bewältigungsmöglichkeiten und -hilfen im Prozeß der Ehescheidung ......... 103 5.1 Günstige Bewältigungsbedingungen .............................................................. 104 5.1.1 Positives Elternverhalten ..................................................................................104 5.1.2 Günstige sozio-ökonomische Bedingungen .....................................................107 5.2 Beratungsangebote im Scheidungsprozeß ...................................................... 108 5.2.1 Phasenspezifische Intervention ........................................................................110 5.2.1.1 Beratung in der Vorscheidungsphase .................................................111 5.2.1.2 Beratung in der Scheidungsphase .......................................................112 5.2.1.3 Beratung in der Nachscheidungsphase ...............................................114 5.2.2 Interventionsangebote für Kinder .....................................................................115 5.2.2.1 Das Freiburger Gruppeninterventionsprogramm für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien ...................................................117 5.2.2.2 Prävention innerhalb der Schule ........................................................122 5.2.3 Mediation..........................................................................................................123 5.2.3.1 Definition von Mediation im allgemeinen ...........................................124 5.2.3.2 Ziele der Scheidungsmediation ...........................................................125 5.2.3.3 Erfahrungen mit Mediation .................................................................127 5.2.3.4 Einbeziehung der Kinder in die Mediation .........................................129 5.2.4 Fazit zu den Scheidungsberatungsangeboten ...................................................130 6. Schlußbetrachtung ............................................................................................. 132 Literaturverzeichnis ............................................................................................... 133 Materialanhang ...................................................................................................... 189 4 5 1.Einleitung In meiner Diplomarbeit möchte ich mich mit dem Thema „Ehescheidung“ auseinandersetzten. Anlaß dafür ist meine Nebenbeschäftigung in einer Scheidungsfamilie. Im Umgang mit den einzelnen Familienmitgliedern (Eltern und drei Kinder) stellten sich mir viele Fragen, auf die ich eine Antwort suchte. Durch die Bearbeitung dieses Themas erlangte ich zu Erkenntnissen und Kompetenzen, die meinen Umgang mit dieser Familie veränderten. Außerdem ist es meiner Meinung nach dringend notwendig, sich dieser Thematik zu stellen, da in unserer Gesellschaft, wie in Punkt 2.1.1 deutlich werden wird, Ehescheidungen keine Ausnahmen mehr sind, sondern weitverbreitete gesellschaftliche Realität. Fast jeder ist inzwischen mehr oder weniger intensiv berührt durch entsprechende Erfahrungen, die im Kollegen-, Bekannten-, Freundes-, und Familienkreis gemacht werden (vgl. Faltermeier u. Fuchs, 1992, 7). Gerade in der sozialpädagogischen Arbeit, wie in verschiedenen Beratungsstellen oder in der sozialpädagogischen Familienhilfe werden Mitarbeiter auch vermehrt mit Scheidungsfamilien konfrontiert werden. Dafür ist es von großer Bedeutung, daß diese kompetentes Wissen zu dieser Thematik besitzen. Ich werde in meiner Arbeit schwerpunktmäßig auf Familien, d.h. auf Eltern und Kinder, eingehen, die eine Ehescheidung erleben. Dabei stehen vor allem die Kinder, deren Belastungen, Auswirkungen, Folgen und Bewältigungsmöglichkeiten im Vordergrund. Allerdings berücksichtige ich auch immer wieder die Erwachsenen bzw. Eltern, da das kindliche Scheidungserleben entscheidend mit dem elterlichen Verhalten zusammenhängt. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß meine Ausführungen, die sich vor allem auf Ehescheidungen beziehen, genauso gut Trennungen gelten können, da in unserer Gesellschaft zunehmend mehr Paare ohne Trauschein zusammenleben. Ziel meiner Arbeit ist, aufzuzeigen, daß Ehescheidungen nicht in jedem Fall zu langfristigen Störungen für Eltern und Kinder führen müssen, wie lange Zeit angenommen wurde und manchmal auch heute noch geglaubt wird. Ich werde verdeutlichen, daß es Wege gibt, die eine positive Scheidungsbewältigung ermöglichen, d.h. einen Umgang mit Scheidungen, der nicht zu andauernden negativen Entwicklungen führen muß. Zuerst werde ich Ehescheidungen und ihre Bedeutung im Kontext gesellschaftlichen Wandels beleuchten. Danach schildere ich den phasenhaften Prozeß der Ehescheidungen mit den möglichen Anfoderungen und Auswirkungen für alle Familienmitglieder der Kernfamilie. Die Situation der Kinder im Ehescheidungsprozeß, deren mögliche Reaktionsweisen in Verbindung verschiedener Bedingungsfaktoren wird im darauf folgenden Kapitel nochmals besonders herausgestellt. Außerdem erläutere ich günstige und ungünstige nacheheliche Familienformen, in denen Kinder leben. Abschließend gehe ich darauf ein, welche Bedingungen für eine positive Scheidungsbewältigung für Kinder notwendig sind und was verschiedene professionelle Hilfen dabei leisten sollten. 6 ____________________________________________________________________ Anmerkung: Für jegliche Personenangabe verwende ich die maskuline Schreibweise, die aber auch die gedachte feminine Form miteinschließt. 2. Ehescheidungen, Familien- und Lebensformen im Wandel der Zeit In diesem Kapitel möchte ich darauf eingehen, wie häufig in unserer Gesellschaft Ehescheidungen vorkommen und, unter welchen Bedingungen die Zahl der Ehescheidungen in den letzten 30 Jahren so stark angestiegen ist. Weiterhin werde ich die sich veränderte soziologische Bedeutung von Ehescheidungen im Kontext sich wandelnder Familien- und Lebensformen erläutern. 2.1 Zeitgeschichtlicher Anstieg von Ehescheidungen Die Scheidungshäufigkeit der Ehen hat seit Mitte der sechziger Jahre stark zugenommen, steigt seit ein paar Jahren aber nur noch wenig. Die Ehescheidungen scheinen sich wohl auf einem hohen Niveau zu stabilisieren ( vgl. Engstler, 1997,75). Im folgenden werde ich einen kurzen Überblick über aktuelle Zahlen geben und danach mögliche Bedingungen für den zeitgeschichtlichen Anstieg der Scheidungszahlen aufzeigen. 7 2.1.1 Demographische Daten1 Gab es 1960 noch 48.878 Ehescheidungen und 1980 96.222, so liegt die Zahl der Scheidungen 1996 nun bei 152.798. Von 1960 aus gesehen hat sich die Häufigkeit der Scheidungen verdreifacht. 1996 wurde der bisher höchste Stand erreicht, der seit 1950 registriert wurde. Die folgende Tabelle und Graphik sollen den Anstieg der Ehescheidungen verdeutlichen. 1 Jahr Anzahl Deutschland 1960 1965 1970 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1889 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 73418 85304 103927 148461 153061 117795 75758 124225 141016 158087 168348 170941 181064 179364 174882 180490 178109 176691 154786 136317 135010 156425 166052 169425 175550 Früheres Bundesg. 48878 58728 76520 106829 108258 74658 32462 79490 96222 109520 118483 121317 130744 128124 122443 129850 128729 126628 125308 128187 125907 139157 145060 147945 152798 Neue Länder 24540 26576 27407 41632 44803 43137 43296 44735 44794 48567 49865 49624 50320 51240 52439 50640 49380 50063 29478 8130 9103 17268 20992 21480 22752 je 10000 Einwohner Neue Früheres Länder Bundesg. 14,2 8,8 15,6 10 16,1 12,6 24,7 17,3 26,7 17,5 25,7 12,2 25,8 5,3 26,7 13 26,8 15,6 29 17,8 29,9 19,2 29,7 19,8 30,2 21,3 30,8 21 31,5 20,1 30,4 21,2 29,6 20,9 30,1 20,4 19,9 19,3 5,6 19,6 6,3 19 12 20,8 14,7 21,6 15,1 21,9 16 22,5 je 10000 bestehender Ehen Neue Länder Früheres Bundesg. 35 60,9 39,2 63,9 50,9 98,8 67,4 106,5 68,8 102,6 47,7 102,8 20,8 106,3 51 106,3 61,3 115,9 72,3 120,2 78,4 120,3 80,6 122,4 87,1 125,1 86,1 128,5 82,6 124,3 87,6 121,1 86,6 122,8 84,6 78,4 81,1 22,1 81,9 25,1 79,7 48,3 87,3 59,4 90,6 61,5 92,3 65,8 95,2 Die Angaben stammen, soweit nicht anders angegeben, vom Statistischen Bundesamt, Hammes, 1997, 826-835. Ich beschränke mich bei meinen Ausführungen auf Zahlen, wenn nicht andersangegeben, die den Westen Deutschlands betreffen, da die neuen Bundeslände raufgrund unterschiedlicher Entwicklungen gesondert zu betrachten wären. 8 200000 180000 160000 140000 120000 100000 Deutschland Früheres Bundesg. 80000 Neue Länder 60000 40000 20000 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1970 1960 0 Tabelle 1 u. 2: Ehescheidungen in Deutschland, nach Hammes, 1997, 826 Zusammenfassend kann man feststellen, daß sich die Ehescheidungsziffer nach wie vor auf einem hohen Niveau befindet, und es ist damit zu rechnen, daß vermutlich drei von zehn Ehen mit einer Scheidung enden werden (vgl. Hammes, 1997, 827; Engstler 1997, 75). Nun stellt sich die Frage, wieviel Kinder von einer Ehescheidung betroffen sind. 1996 waren 125.200 Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen, gegenüber 119.300 im Vorjahr. Seit 1992 ist die Zahl der betroffenen Kinder wieder angestiegen, d.h. daß zunehmend mehr Kinder die Scheidung ihrer Eltern erleben. 1996 betrug der Anteil der geschiedenen Ehen mit Kindern 52,9%, bei der Hälfte aller Scheidungen sind demnach minderjährige Kinder mitbetroffen. Folgende Tabelle und Graphik geben einen detaillierten Überblick über die durch die Ehescheidung betroffenen Kinder. Ehescheidungen - Deutschland Jahr 1975 1980 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 insgesamt 148461 141016 179364 174882 180490 178109 176691 154786 136317 135010 156425 166052 169425 175550 darunter mit Betroffene Kindern (in%) Kinder 62,3 58,5 57,5 55,9 56,3 54,8 54,0 52,1 49,3 50,4 52,3 53,7 54,7 55,0 154316 125047 148424 140604 146516 141696 139746 118340 99268 101377 123541 135318 142292 148782 Ehescheidungen - Alte Bundesl. Ehescheidungen - neue Bundesl. insgesamt darunter mit Betroffene Kindern (in%) Kinder 106829 96222 128124 122443 129850 128729 126628 125308 128187 125907 139157 145060 147945 152798 58,9 52,9 52,5 50,0 51,3 49,7 48,5 48,6 48,7 49,3 50,1 51,2 52,4 52,9 107216 78972 96991 87986 95740 92785 89552 89393 92298 92662 105431 113148 119348 125187 insgesamt darunter mit Kindern (in%) Betroffene Kinder 41623 44794 51240 52439 50640 49380 50063 29478 8130 9103 17268 20992 21480 22752 71,0 70,4 70,2 69,5 69,0 68,2 68,1 67,0 58,2 65,7 70,5 71,1 70,7 69,4 47100 46075 51433 52618 50776 48911 50194 28947 6970 8715 18110 22170 22944 23595 Tabelle 3: Geschiedene Ehen nach der Zahl der noch lebenden minderjährigen Kinder dieser Ehe, nach Hammes, 1997, 832. 9 160000 140000 120000 100000 80000 Deutscland Alte Bundesländer Neue Bundesländer 60000 40000 20000 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 1986 1985 1980 1975 0 Tabelle 4: Anzahl der an Ehescheidungen betroffenen minderjährigrn Kinder, nach Hammes, 1997, 832 Die Darlegung der demographischen Daten in diesem Abschnitt soll verdeutlichen, daß in unserer Zeit Ehescheidungen keine Ausnahmen und Einzelschicksale mehr sind, sondern daß sie zu einem vordringlichen Problem in der Familienpolitik geworden sind und viele Institutionen, die Ehen, Familien und Kinder beraten, sich mit dieser Problematik zunehmend beschäftigen müssen (vgl. Moch, 1994, 401). 2.1.2 Bedingungsfaktoren für den Anstieg von Ehescheidungen Betrachtet man den Anstieg der Scheidungen seit den 60er und vor allem auch in den 80er Jahren, so stellt sich die Frage, welche Einflüsse und Bedingungen diesen Anstieg und die mittlerweile gleichbleibend hohe Instabilität der Ehe begünstigt und hervorgerufen haben. Einführend möchte ich darauf hinweisen, daß diese Entwicklung nicht mit monokausalen Zusammenhängen erklärbar ist, sondern viele verschiedene Faktoren (gesellschaftliche, kulturelle, soziale, individuelle etc.) haben beeinflussenden Charakter und stehen außerdem noch gegenseitig in Wechselwirkung. Meine Ausführungen werden nicht alle möglichen Faktoren berücksichtigen, sondern sich auf die wesentlichsten Bedingungen und Zusammenhänge beschränken. Besonders geeignet, den zeitgeschichtlichen Anstieg von Ehescheidungen zu erklären, sind kulturelle und gesellschaftliche Bedingungen (vgl. Burkart u. Kohli, 1992, 33). Nach Meinung von Nave-Herz (1997, 117-118) ist die Zunahme der Ehescheidungen nicht, wie man meinen könnte, die Folge eines gestiegenen Bedeutungsverlustes der Ehe, sondern vielmehr ist der Anstieg der Scheidungen Folge ihrer hohen psychischen Bedeutung und Wichtigkeit für den einzelnen. Partner ertragen heute weniger als früher unharmonische, unbefriedigende eheliche Beziehungen und lösen ihre Ehe schneller auf, mit der Hoffnung auf eine spätere bessere Partnerschaft. Laut Nave-Herz 10 sind die gestiegenen Ansprüche an die Qualität der Partnerbeziehung eine Hauptursache für gestiegene Scheidungszahlen. Diese subjektive Sinnzuschreibung der Ehe bestand nicht immer so, sondern hat sich im Zuge von gesamtgesellschaftlichen, ökonomischen und normativen Veränderungen entwickelt (vgl. Klages, 1984 in: Nave-Herz, 1997, 118), die ich nun kurz und vereinfacht erläutern möchte. Während das Leben der Menschen früher, d.h. in der vormodernen Zeit (bis zum 18./19.Jhd.), durch eine Vielzahl traditioneller Bindungen und gesellschaftlicher Vorgaben bestimmt war, z.B. Familienwirtschaft, Dorfgemeinschaft, Heimat, Stand, Religion etc., begann mit der modernen Gesellschaft, also mit der Industrialisierung und Modernisierung eine Entwicklung, die diese traditionellen Bindungen immer mehr auflöste und den Menschen immer mehr Freiraum zu individueller Lebensgestaltung ließ (vgl. Beck-Gernsheim, 1994a, 160). Im Zuge dieses Individualisierungsprozesses veränderte sich auch die Bedeutung der Ehe. Früher war die Ehe vor allem eine Versorgungsinstitution, die den Zweck hatte, den Frauen, die gewöhnlich keine Berufsausbildung hatten, eine sinnvolle Lebensmöglichkeit, Sicherheit und gesellschaftlichen Status zu bieten und gleichzeitig dem Mann eine Frau zu geben, die die Hausarbeit machte und die Kinder versorgte (vgl. Burkart u. Kohli, 1992, 36 u. 245). Diese Eheform war zweckbezogen gegründet und nicht sehr hoch emotional besetzt (vgl. Bien, 1996, 6). Eine Ehe konnte zu dieser Zeit nur geschieden werden, wenn eine eheliche Pflichtverletzung, ein schuldhaftes Verhalten eines Ehepartners vorlag, wie z.B. Trunksucht, Geschwätzigkeit, Faulheit etc. (vgl. Burkhart u. Kohli, 1992, 36). Die Versorgungsehe verlor allmählich an Bedeutung und es wurde zunehmend mehr aus Liebe geheiratet, als die bürgerliche Ehevorstellung sich durchgesetzt hatte. Je mehr die Ehe auf Liebe gegründet ist, desto wahrscheinlicher werden Scheidungen (vgl. ebd., 34). „Je stärker der institutionelle Charakter der Ehe in den Hintergrund tritt und allein die Beziehungsebene und damit Emotionen und Affekte bedeutsam werden, desto eher können Enttäuschungen über den Partner die Auflösung der Ehe begünstigen, da keine weiteren wesentlichen Funktionen der Ehe die aufgetretene Deprivation kompensieren können“ (Nave-Herz, 1997, 118). Im Gegensatz zu früher, wo Scheidungen nur aus Gründen von schuldhaftem Vergehen eines Partners stattfanden, müssen heute Trennungsgründe nicht mehr in schuldhaftem Verhalten des Partners gesucht werden. Scheidungen können heute vollzogen werden, wo zwei Ehepartner die Sinnlosigkeit ihrer Ehe feststellen und z.B. erkennen, daß sich Lebensentwürfe und Lebenspläne auseinanderentwickelt haben (vgl. Burkhart u. Kohli, 1992, 36). Neben dem institutionellen Wandel der Ehe kommt hinzu, daß sich durch die Abnahme traditioneller Vorgaben in Bezug auf die Geschlechterrollen, die Barrieren für eine Ehescheidung verringert haben. Immer mehr Frauen können sich durch eine gute Ausbildung und einen anspruchsvollen Beruf selbst versorgen und sind somit nicht mehr ökonomisch von ihren Männern abhängig (vgl. Nave-Herz, 1997, 119; Burkart u. Kohli, 1992, 35). „Damit aber ist der quantitative Anstieg der Ehescheidungsziffern auch auf die Abnahme bestehender Ehen aufgrund von zwanghafter Kohäsion zurückzuführen“ (Nave-Herz, 1997, 119). 11 Durch die Abnahme traditioneller Vorgaben, d.h. gesellschaftlich vorgegebener Leitbilder für die Gestaltung von Ehe und Familie muß heute jeder einzelne selbst seine Beziehungssysteme gestalten und konstruieren. „Der Deinstitutionalisierung gesellschaftlich vorgegebener Beziehungsmuster steht idealerweise die Re-Institutionalisierung von Ehe und Familie bzw. deren äquivalenten Lebensformen als selbstkonstruktiver Prozeß gegenüber - ein Prozeß, bei dem alle Beteiligten zu Architekten ihres Beziehungssystems werden“ (Schneewind, 1995, 149). Dies hat zur Folge, daß Ehepartner selbst ihre Rollen, Aufgaben, Erwartungen, Verantwortlichkeiten individuell aushandeln müssen. Wiederum erfordert dies ein hohes Maß an Kommunikation. Manche Liebe ist damit überfordert. Nicht selten führt die innereheliche Auseinandersetzung, die Freiheit der Qual der Wahl der Dinge des Alltags, der Lebensweisen und auch die der Liebespartner nicht zur besten aller Ehen, sondern geradewegs zum Ende der Liebe, zur Scheidung (vgl. Menne et al., 1997, 12). Neben diesen hier grob skizzierten historisch-gesellschaftlichen Bedingungen, die zur Erhöhung der Scheidungszahlen beitragen und beigetragen haben, möchte ich noch auf eine Theorie eingehen, die den Aufwärtstrend des Ehescheidungsrisikos damit erklärt, daß es eine Eigendynamik der Scheidungsentwicklung gibt.2 Diekmann und Heekerens unterscheiden fünf Mechanismen, die die Eigendynamik der Scheidungsentwicklung erklären: Zwischen Erwerbstätigkeit und Scheidungsrisiko besteht ein wechselseitiger Zusammenhang. Auf der einen Seite erhöht die Erwerbstätigkeit der Frauen das Scheidungsrisiko, wie schon in den bereits ausgeführten Erläuterungen erwähnt. Andererseits tragen steigende Scheidungszahlen zum Anstieg der Erwerbsquote von Frauen (nicht nur von geschiedenen) bei. Verheiratete Frauen neigen in Anbetracht der vielen Scheidungsfälle dazu, eine Berufstätigkeit aufzunehmen, was wiederum das Scheidungsrisiko wachsen läßt. „Die Wahrnehmung steigender Scheidungsrisiken kann die Wirkung sich ‘selbst erfüllender Prognosen’ ausüben. Haben Ehepartner Zweifel an der Dauerhaftigkeit ihrer Verbindung, dann wird sich die Skepsis in einer Verringerung ‘ehespezifischer Investitionen’ niederschlagen. Dadurch aber steigt das Scheidungsrisiko“ (Diekmann u. Engelhard, 1995, 216). Dies bedeutet, daß die Instabilität der Ehe umso größer ist, je größer die Zweifel sind. Bestehen Zweifel an der Ehe, werden Ehepartner weniger Gemeinsamkeiten, wie z.B. ein gemeinsames eigenes Haus, gemeinsame Kinder, aufbauen, damit im Falle einer Scheidung so wenig Barrieren wie möglich vorhanden sind (vgl. Beck-Gernsheim, 1997, 23). Steigende Scheidungszahlen erleichtern die Partnersuche nach einer Ehescheidung. Ein höheres Potential Geschiedener erhöht die faktische Chance einer Wiederheirat oder die Aufnahme einer neuen Verbindung. Diese verbesserten Aussichten auf neue Partnerschaften begünstigen die Neigung zur Auflösung einer unbefriedigten Ehe. 2 Soweit nicht anders angegeben beziehen sich folgende Ausführungen auf Diekmann, 1987, 1994; Heekerens, 1987, in: Diekmann u. Engelhard, 1995, 215-216. 12 In Gesellschaften, in denen Ehescheidungen die Ausnahme darstellen, sind Geschiedene erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt. Steigt die Zahl der Ehescheidungen, werden sie ein möglicher Bestandteil der bürgerlichen Existenzform, so ist auch ein Abbau der Stigmatisierung Geschiedener damit verbunden. Dieser Wandel im Sozialklima erleichtert die Scheidung und erhöht somit das Scheidungsrisiko. Nach der Transmissionshypothese, auf die ich in Punkt 4.1.6. näher eingehen werde, wird das Scheidungsrisiko von der Eltern- auf die Kindergeneration übertragen. Kinder aus Scheidungsfamilien weisen ein höheres Scheidungsrisiko in ihrer eigenen Ehe auf, als Ehepartner, deren „Mit Eltern der intergenerativen nicht „Vererbung“ geschieden des Scheidungsrisikos wurden. reproduzieren sich Scheidungsraten in der Generationenfolge; ein Faktor, der die Scheidungsdynamik zusätzlich stimuliert hat“ (Diekmann u. Engelhard, 1995, 216). Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, daß durch die hohen Scheidungsraten und die sich wechselseitig bedingenden Effekte das traditionelle Familienmodell aus zusammenlebenden leiblichen Vater, Mutter und Kind immer brüchiger wird. „Die „Normalisierung der Brüchigkeit“ wird die Zukunft der Familie ausmachen“ (Beck-Gernsheim, 1996, 285). Es werden sich zunehmend Muster ausbreiten, wie: Fortsetzungsehen, Mehreltern-Familien (leibliche Eltern und Stiefeltern), Patchwork-Familien (Familien, die aus leiblichen Kindern und Elternteilen und Stieffamilienmitgliedern bestehen). Im Bereich von Partnerschaft, Ehe und Familie werden nicht Stabilität kennzeichnend sein, sondern fortschreitende Instabilität und mehr Wechsel. Die Familie (die Ursprungsfamilie aus Vater, Mutter und Kind) wird zur Teilzeitgemeinschaft, d.h. sie wird viele Menschen nicht mehr lebenslang binden, sondern nur noch über bestimmte Zeiträume und Phasen. Die traditionelle Familie wird zwar nicht verschwinden, aber sie wird immer seltener werden, weil daneben andere Lebens- und Beziehungsformen entstehen. Anstelle von selbstverständlich vorgegebener, oft erzwungener Bindungen und festgefügter Formen treten freiere Wahlmöglichkeiten, die wechselnde Lebens- und Familienformen mit sich bringen (vgl. ebd., 300-302). Diese Entwicklungstendenzen und ihre Hintergründe werden im nächsten Kapitel noch deutlicher werden, in dem ich auf den Wandel von Familien- und Lebensformen eingehen werde. 2.2 Von der modernen Kleinfamilie als familialer Normaltypus in der Moderne zur postfamilialen Familie der Gegenwart 13 Die moderne Kleinfamilie oder auch die privatisierte Kernfamilie, d.h. die selbständige Haushaltsgemeinschaft eines verheirateten Paares mit seinen unmündigen Kindern, war bis zum Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre dieses Jahrhunderts der dominante Familientypus in Deutschland. Sie war eine kulturelle Selbst-verständlichkeit und wurde von der Mehrheit der Bevölkerung gelebt (vgl. Peuckert, 1996, 20). Im Alltag war sie das anerkannte und allgemein angestrebte Lebensmodell. Sie galt als notwendig für das Funktionieren von Staat und Gesellschaft. In der Bundesrepublik wurde sie im Grundgesetz verankert (vgl. Art.6 GG) und unter den besonderen Schutz des Staates gestellt (vgl. Beck-Gernsheim, 1994b, 115). Seit den späten 60er und frühen 70er Jahren begann jedoch ein grundlegender Wandel, der die Monopolstellung dieser modernen Normalfamilie langsam auflöst. In den nun folgenden zwei Kapiteln möchte ich zuerst die Entwicklung beschreiben, die zur Entstehung des Leitbildes der modernen Kleinfamilie geführt hat und dann darauf eingehen, wie es zu dem Wandel der modernen Kleinfamilie hin zu den heute existierenden veränderten Familien- und Lebensformen, der postfamilialen Familie3, gekommen ist. 2.2.1 Entwicklung der modernen Kleinfamilie nach dem Vorbild der bürgerlichen Familie Die Entstehung des Familienmodells der modernen Kleinfamilie kann als Ergebnis eines langfristigen strukturell-funktionalen Differenzierungsprozesses von Gesellschaft gesehen werden (vgl. Parsons, 1975; Rothenbacher, 1987, in: Peuckert, 1996, 20). In der vorindustriellen Gesellschaft stellte die Familie eine Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft dar (vgl. Beck-Gernsheim, 1994b, 120). Familien waren primär Produktionsstätten. Die typische Lebensweise für Bauern und Handwerker war die Sozialform des „ganzen Hauses“, das viele gesellschaftliche Funktionen, z.B. Produktion, Sozialisation, Alters- und Gesundheitsvorsorge erfüllte. Das zentrale Merkmal des „ganzen Hauses“ war die Einheit von Produktion und Familienleben. Knechte, Mägde, Gesellen, Lehrlinge gehörten genauso zum Hausverband wie verwandte Familienmitglieder (vgl. Peuckert, 1996, 21). In dieser Familienform gab es keine Distanzierung zwischen Familienmitgliedern und familienfremden Personen, z.B. waren Kinder nicht bevorrechtigt vor Mägden und Knechten (vgl. Nave-Herz, 1994, 20). Alle Mitglieder dieser Hausgemeinschaft, Männer und Frauen, Alte und Junge hatten je einen eigenen Platz und Aufgabenbereich, wobei sie alle einem gemeinsamen Ziel dienten, und zwar dem Erhalt von Hof oder Handwerksbetrieb. In dieser Familiengemeinschaft war wenig Raum für persönliche Neigungen und Gefühle. Nicht die Einzelperson zählte, sondern die gemeinsamen Zwecke und Ziele (vgl. Beck-Gernsheim, 1994b, 120). „Ohne Einbindung in eine Familie, in Verwandtschaft und 3 Diesen Begriff prägte Beck-Gernsheim, 1994b, 135. Nähere Erläuterungen unter Punkt 2.2.2. 14 Dorfgemeinschaft war der Mensch nahezu ein Nichts, ein Ohnmächtiger und dazu noch ein sozial Degradierter (...) In diesem Geflecht von Abhänigkeiten standen die materiellen Interessen der eigenen Familie, des Hofes und des Dorfes im Vordergrund, nicht die Freiheit des einzelnen. Auf Gedeih und Verderb war jeder an diese Gemeinschaft gefesselt; sie war ihm Rettungsanker und Bleigewicht zugleich“ (Borscheid, 1988, 271f., zit. in: ebd.). In dieser Zeit standen gefühlsärmere Beziehungen im Vordergrund. Kinder galten als potentielle Arbeitskräfte und die Beziehungen zu ihnen waren relativ gefühlsarm. Ausschlaggebende Momente für eine Heirat waren damals weniger Emotionen, als vielmehr ökonomische Faktoren, wie z.B. Arbeitskraft und Mitgift der Frau (vgl. Peuckert, 1996, 21). Mit der Industrialisierung kam der wesentliche historische Einschnitt. Die Familie verlor ihre Funktion als Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft, Arbeits- und Wohnstätte wurden getrennt. Als Folge gesellschaftlicher Differenzierungsprozesse (wie z.B. die Auslagerung der Produktion aus der Familie) kristallisierte sich zuerst im gebildeten und wohlhabenden Bürgertum ansatzweise der Typ, der auf emotional-intime Funktionen spezialisierten bürgerlichen Familie, als Vorläufermodell der modernen Familienform heraus (vgl. Peuckert, 1996, 21-22; Beck-Gernsheim, 1994b, 121). Besondere Kennzeichen dieser bürgerlichen Familie sind4: Wohnung und Arbeitsstätte sind getrennt, was eine maßgebliche Voraussetzung für die Privatisierung des familialen Zusammenlebens darstellt; Gesinde und Dienstboten sind räumlich ausgegliedert (Trennung zwischen Familienmitgliedern und Fremden); Die bürgerliche Familie bildet einen privatisierten, auf emotional-intime Funktionen spezialisierten Teilbereich der Gesellschaft. Liebe wird zum Leitmotiv für eine Eheschließung. Mit der Entstehung der bürgerlichen Familie kommt es zu einer Polarisierung der Geschlechtsrollen. Dem Mann wird die Rolle des Ernährers zugeschrieben. Er ist für den Arbeitsbereich zuständig, der durch Zweckgebundenheit und Rationalität gekennzeichnet ist. Die Frau wird vom Erwerbsleben ausgeschlossen und ist für den familialen Innenraum verantwortlich, der die Aufgabe hat, die emotionalen Bedürfnisse der Familienmitglieder zu befriedigen (vgl. Nave-Herz, 1994, 22). Kindheit wird in dieser Zeit zu einer selbständigen, anerkannten Lebensphase, d.h. Kinder gelten nicht länger als kleine Erwachsene, sondern ihnen werden eigene Bedürfnisse zugestanden. Die Erziehung des Kindes wird zur ureigensten Aufgabe der Frau. Dieser bürgerliche Familientyp wurde zunächst nur von einem kleinen Kreis priviligierter bürgerlicher Schichten realisiert, da die schlechte sozioökonomische Lage (niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit, Frauen und Kinder müssen oft auch noch arbeiten) dem größten Teil der Bevölkerung dieses Familienleben nicht erlaubt. Erst Mitte diesen Jahrhunderts konnte sich die moderne Kleinfamilie nach dem Vorbild des bürgerlichen Familientyps etablieren. Ausschlaggebend waren die tiefgreifenden Wandlungsprozesse der 50er und frühen 60er Jahre. Durch massive Lohnsteigerungen und den Ausbau 4 Die Aufzählung der Kennzeichen geschieht, soweit nicht anders angegeben, in Anlehnung an Meyer, 1992, in: Peuckert, 1996, 22). 15 des sozialen Sicherungssystems kam es zu einer deutlichen Verbesserung aller Einkommensbezieher. Außerdem propagierten zunehmend Parteien und Kirchen diesen Familientypus. Die moderne Kleinfamilie wurde zur dominanten, massenhaft gelebten Lebensform (vgl. Peuckert, 1996, 22-23). Dieses Leitbild der modernen Familie verlangte von jedem Menschen die lebenslange, monogame Ehe (vgl. ebd., 23). Ehe und Familie waren in dieser Zeit von Staat und Gesellschaft stark institutionalisiert, d.h. Eheschließung und Familiengründung wurden den einzelnen als Normalverhalten nahegelegt. Jeder Erwachsene ist dazu nicht nur berechtigt, sondern in gewisser Weise auch verpflichtet (vgl. ebd., 24). Zu Beginn der 60er Jahre zeigte sich diese Berechtigung und Verpflichtung zur Eheschließung und Familiengründung in hohen Heirats- und Geburtenziffern und niedrigen Scheidungsquoten (vgl. ebd., 25). Die moderne Kleinfamilie (lebenslange, monogame Ehe mit eigenen Kindern), die sich vor allem durch intime emotional-affektive Beziehungen der Familienmitglieder und eine geschlechtsspezifische Rollenzuteilung der Ehepartner (Ehefrau und Mutter ist für die emotional-affektiven Bereiche der Familie und die Haushaltsführung zuständig und dem Vater, als Autoritätsperson obliegen die Außenbeziehungen und die instrumentellen Aspekte des Familienlebens) auszeichnete, war in den 50er und 60er Jahren das Monopol der Familienform (vgl. ebd., 23-24). Alternative Formen des Zusammenlebens (z.B. Geschiedene, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, Alleinlebende) wurden in dieser Zeit als Notlösungen toleriert oder diskriminiert (vgl. ebd., 23). Diese Situation hat sich seit Mitte der 60er Jahre in der Bundesrepublik grundlegend gewandelt (vgl. ebd., 25). Wie dieser Wandel aussieht und welche Hintergründe zu diesen Veränderungen beitragen und beigetragen haben beschreibe ich nun im nächsten Punkt. 2.2.2 Entwicklung postfamilialer Familien- und Lebensformen Der Typus der modernen Kleinfamilie nimmt seit 1965 zahlen- und anteilsmäßig ab und wird ergänzt durch eine Vielzahl anderer familialer und insbesondere nichtfamilialer Lebensformen (vgl. Peuckert, 1996, 38). Folgende Tabelle soll die verschiedenen heute möglichen Lebensformen, die von dem Leitmodell der modernen Kernfamilie abweichen, verdeutlichen. Merkmale der Normalfamilie Abweichungen von der Normalfamilie verheiratet Alleinlebende („Singels“); Nichteheliche Lebensgemeinschaft 16 mit Kind/Kindern gemeinsamer Haushalt 2 leibliche Eltern im Haushalt lebenslange Ehe exklusive Monogamie heterosexuell Mann als Haupternährer Haushalt mit 2 Erwachsenen Kinderlose Ehe Getrenntes Zusammenleben („living-apart-together“)5 Ein-Eltern-Familie; Binukleare Familie6; Stief- u. Adoptivfamilie; Heterologe Inseminationsfamilie7 Fortsetzungsehe (sukzessive Ehe) Nichtexklusive Beziehungsformen8 Gleichgeschlechtliche Paargemeinschaft Egalitäre Ehe9, Ehe mit Doppelkarriere10; Commuter-Ehe11, Hausmänner-Ehe Haushalt mit mehr als 2 Erwachsenen (Drei- u. mehrGenerationenhaushalt; Wohngemeinschaft) Tabelle 5: nach Peukert, 1996, 29. Die moderne Kleinfamilie verschwindet allerdings nicht, sie löst sich nicht auf, sondern sie verliert offensichtlich das Monopol als einziges Leitmodell. Ihre quantitative Bedeutung nimmt ab, da sich neue Lebensformen, wie z.B. Alleinleben, Nichteheliche Lebensgemeinschaften, kinderlose Ehen, Alleinerziehende, Stieffamilien, gleichgeschlechtliche Paare etc. ausbreiten. „Es entstehen mehr Zwischenformen und Nebenformen, Vorformen und Nachformen: Das sind die Konturen der „postfamilialen Familie““ (Beck-Gernsheim, 1994, 135). Dieser Veränderungsprozeß der Familien- und Lebensformen ist nicht, wie schon bei dem zeitgeschichtlichen Anstieg der Ehescheidungen erwähnt, auf einen Faktor allein zurückzuführen, sondern er ist Teil epochaler gesamtgesellschaftlicher Wandlungsprozesse (vgl. Rerrich, 1990, 176). Für die Entstehung dieser differenzierten und vielfältigen Formen des Zusammen- und Alleinlebens liegt bis heute kein überzeugender, empirisch abgesicherter Erklärungsansatz vor. Die bisher geeignetsten Theorien sind die Individualisierungstheorie nach Beck12 und die Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung auf die ich nun eingehen werde (vgl. Peuckert, 1996, 251-266, wenn nicht anders angegeben). Individualisierungstheorie: 5 Damit ist eine Lebensform gemeint, bei der die Partner eigenständige Haushalte führen, d.h. zwar eine feste Partnerschaft leben, aber ohne gemeinsame Wohnung und Wirtschaftsgemeinschaft (vgl. Peuckert, 1996, 92). 6 Binukleare Familien sind Familien mit zwei Haushalten und zwar einem Mutter- und Vaterhaushalt, die anläßlich von Ehescheidungen entstehen, wenn beide Elternteile sich weiterhin um die Kinder kümmern (vgl. Ahrons, 1997,11). 7 Familien, die entweder durch künstliche Befruchtung der Samenzelle der Frau mit der Samenzelle eines anderen als des Ehemannes oder durch eine fremde Eizelle, die mit dem Samen des Ehemannes befruchtet, der Ehefrau eingepflanzt und von dieser ausgetragen wurde, entstehen. 8 Darunter versteht man Partnerschaften, bei denen mindestens ein Partner sexuelle Kontakte zu Personen außerhalb der Partnerschaft unterhält (vgl. Peuckert, 1996,34). 9 Damit sind Ehen gemeint, die die Gleichheit und die persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten beide Ehepartner betont (Verbot geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und Autoritätsausübung) (vgl. Peuckert, 1996, 34). 10 Beide Ehepartner streben in dieser Eheform eine berufliche Karriere an (vgl. Peuckert, 1996, 33). 11 Damit sind Ehen gemeint, bei denen die Partner aufgrund der Verfolgung ihrer beruflichen Karriereambitionen getrennte, räumlich weit entfernt liegende Haushalte gründen, so daß ein Zusammenleben nur an Wochenenden oder in größeren zeitlichen Abständen möglich ist (vgl. Peuckert, 1996, 33-34). 12 Vgl. auch Beck, 1986; 1994. 17 Der demographische Wandel und die familialen Veränderungen in der Bundesrepublik ab den 60er Jahren dieses Jahrhunderts kann als Ergebnis eines neuen gesellschaftlichen Individualisierungsschubs gedeutet werden. Auf dem Hintergrund eines hohen materiellen Lebensstandards durch starke Einkommensverbesserungen und weit vorangetriebener sozialer Sicherheiten und durch die Bildungsexpansion der 60er und 70er Jahre wurden die Menschen immer mehr aus traditionellen Klassenbindungen, Vorgaben und Versorgungsbezügen der Familie herausgelöst und wurden gezwungen, ihr Leben individuell zu planen und zu gestalten. Individualisierung bedeutet in diesem Kontext, daß Menschen in ihrem individuellen Lebenslauf zunehmend unabhängiger werden von Instanzen, wie Geschlecht, Alter, soziale und regionale Herkunft, die das Eintreten bestimmter biographischer Ereignisse und Übergänge, wie z.B. die Geburt des ersten Kindes, die Eheschließung, den Eintritt in das Berufsleben, in der Vergangenheit gesteuert haben (vgl. Strohmeier, 1993, in: Peuckert, 1996, 252). Aus der sogenannten „Normalbiographie13“ wird die „Wahlbiographie“ (Ley, 1984, zit. in: Peuckert, 1996, 253), d. h. Menschen können und müssen sich zwischen verschiedenen Wahlmöglichkeiten (Optionen) entscheiden. Außerdem wird durch den Ausbau des Sozialstaatssystems in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts die Entwicklung individueller Lebensentwürfe gefördert und die Bindung an die Familie gelockert, denn wo kollektive Unterstützungsleistungen, staatliche Hilfen und Absicherungen (zB. Krankenversicherung, Altersrente, Sozialhilfe, Ausbildungsbeihilfe, etc.) beginnen, wird ein Existenzminimum jenseits der Familie sichergestellt, d.h. Familienmitglieder sind nicht mehr bedingungslos auf Unterordnung verwiesen, sondern sie können ausweichen (vgl. BeckGernsheim,1994b, 121-122). „Insoweit der Staat Individuen zu Empfängern seiner Gaben macht und nicht die Familie, zu denen sie gehören, wird es wahrscheinlicher, daß Jugendliche mit Ausbildungsbeihilfen ihre Familien verlassen, daß größere Haushalte mehrerer Generationen sich aufspalten, daß erwerbstätige Verheiratete sich scheiden lassen“ (Mayer u. Müller, 1994, 291). Vor allem seit der 60er Jahre hat sich der Individualisierungsprozeß auch auf den weiblichen Lebensverlauf ausgeweitet. Die biographische Selbstverständlichkeit von Ehe und Mutterschaft hat nachgelassen. Die berufliche Karriere als konkurrierender Wert zur Familie ist für zahlreiche Frauen immer wichtiger geworden, insbesondere in Folge der Bildungsexpansion und der Angleichung der Bildungschancen der Frauen und des stark gestiegenen Anteils qualifizierter Berufsarbeit. Dies hat zur Folge, daß in Bezug auf die Gestaltung von Familien- und Lebensformen nun verstärkt die Vorstellungen zweier selbständiger Individuen mit jeweils eigenen Lebensplänen koordiniert werden müssen. Es müssen neue Arrangements von Familie und Beruf gefunden werden. In diesem Zusammenhang gewinnen solche Lebensformen an Bedeutung, die es gestatten, den selbständigen Interessen von Mann und Frau nachzugehen, z.B. kinderlose Ehen, Ein-Eltern-Familien, Getrenntes 13 Normalbiographie ist zu verstehen als den in den 60er Jahren allgemein gelebten Lebenzyklus, der darin bestand, daß man nach dem Ausstritt aus der Herkunftsfamilie eine lebenslange, monogame Ehe einging und eine moderne Kleinfamilie gründete. 18 Zusammenleben (living-apart-together), etc. oder, als konsequentester Ausdruck eines der modernen Gesellschaft angepaßten Lebensstils, das Alleinleben (Single-Leben) (vgl. Peuckert, 1996, 39-40). Familie wird im Rahmen dieser gesellschaftlichen Bedingungen, der zunehmenden Individualisierung der Einzelbiographien, immer mehr zu einer Art Kleinunternehmen, in dem die Interessen, Bedürfnisse und Verantwortlichkeiten der einzelnen Familienmitglieder ausgehandelt, organisiert und aufeinander abgestimmt werden müssen. Der Familienalltag wird zunehmend schwieriger, es treten oft Unstimmigkeiten auf, die meist unter großen psychischen Anstrengungen ausbalanciert und ausgeglichen werden müssen. Der Familienverband wird brüchiger, d.h. wenn diese Abstimmungsleistungen nicht gelingen, droht die Familie auseinanderzubrechen (vgl. BeckGernsheim, 1994b, 123-125; 134-135). Diese Individualisierungsprozesse wurden in den 60er und 70er Jahren dieses Jahrhunderts von einem sozialen Wertewandel begleitet, der auch dazu beitrug, daß die traditionelle Kleinfamilie ihre Monopolstellung verloren hat. Nach Klages (1985, in: Peuckert, 1996, 254) wirkte sich dieser Wertewandel negativ auf die Eheschließungsbereitschaft, die Bindungskraft der Ehe und die Bereitschaft, Kinder in die Welt zu setzen aus. Der Wertewandel bestand in einer Abnahme der traditionellen Pflicht- und Akzeptanzwerte (Betonung von Ordnung, Leistung, Pflichterfüllung, Zurückstellen eigener Interessen zugunsten der Einordnung in eine Gemeinschaft, Erfüllen von Außenanforderungen, wie z.B. gesellschaftliche Normen, etc.) und einer Zunahme von Selbstentfaltungswerten (Autonomie, Selbstverwirklichung, Kreativität, Unabhängigkeit, etc.) (vgl. Klages, 1984, in: Peuckert, 1996, 253-254; Klages, 1984, in: Nave-Herz et al., 1990, 38-39). Da nach Meinung von Bertram (1992, zit. in: Peuckert, 1996, 255) für selbstentfaltungsorientierte Menschen Ehe und Familie als Lebenssinn von untergeordneter Bedeutung sind, kann davon ausgegangen werden, daß dieser Wertewandel zur Veränderung von Ehe und Familie beigetragen hat. Zur Selbstwertorientierung, die Unabhängigkeit, Autonomie und Selbstverwirklichung zum Ziel hat, passen auf Dauer angelegte, traditionelle Lebens- und Familienformen nur mit Schwierigkeiten. Eheschließungen nehmen zugunsten von leichter reduzierbaren Paarbeziehungen (nichteheliche Lebensgemeinschaften) ab, anstelle von lebenslangen Paarbeziehungen treten z.B. befristete Zweierbeziehungen, die sogenannten Lebensabschnittsbegleiter (vgl. Peuckert, 1996, 272). Diese Entwicklungen machen deutlich, daß sich das in den 60er Jahren relativ einheitliche moderne Familienmodell immer mehr in verschiedene Lebensformen ausdifferenziert. Dieses Phänomen beschreibt die Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung, die ich nun kurz erläutern werde. Theorie der gesellschaftlichen Differenzierung14: Nach dieser Theorie kann der familiale Wandel als eine Ausdifferenzierung der Privatheit verstanden werden. Aufgrund von Anpassungserfordernissen der modernen Industriegesellschaft, wie Mobilität, Flexibilität, persönliche Leistung, Bildung und Konkurrenz vor allem im Bereich des heutigen 14 Ausführlicher in Meyer, 1993, 23-40. 19 Arbeitsmarktes15 und Selbstwertorientierungen, wie zuvor beschrieben, entstehen immer ausdifferenziertere Typen der privaten Lebensformen, die mit der komplexer werdenden Umwelt besser fertig werden als die moderne Kleinfamilie. Neben die moderne Kleinfamilie, als dem kindorientierten Privatheitstyp, sind der partnerschaftsorientierte Privatheitstyp (nichteheliche Lebensgemeinschaft, kinderlose Ehen) und der individualistische Privatheitstyp (freiwilliges Alleinleben, Wohngemeinschaften, Partnerschaften mit getrennten Haushalten (living-apart-together)) getreten. Diese Ausdifferenzierung kann nach Meyer (1993, in: Peuckert, 1996, 265) als Steigerung der Anpassungsfähigkeit an die moderne Gesellschaft verstanden werden. Meyer betont, daß die alternativen Privatheitstypen mehr Unabhängigkeit und Reversibilität garantieren, als die auf Dauer angelegte, geschlechtsspezifisch strukturierte moderne Kleinfamilie. Abschließend läßt sich zusammenfassen, daß in unserer heutigen Zeit viele verschiedene Lebensformen nebeneinander gelebt werden. Oft leben Menschen in ihrem gesamten Lebenslauf verschiedene Lebensformen im Wechsel. Nicht mehr die Kontinuität der Lebensform ist die alleinige Norm, d.h. die lebenslange Einheitsfamilie wird zum Grenzfall, sondern die Regel wird eher ein Hin und Her zwischen verschiedenen Familien auf Zeit und nicht-familialen Formen des Zusammenlebens (vgl. Prokop, 1994, 36). Beck formuliert diesen Sachverhalt folgendermaßen: „Zwischen die Extreme Familie oder Nichtfamilie gestellt, beginnt sich eine wachsende Zahl von Menschen für einen dritten Weg: einen widerspruchsvollen, pluralistischen Gesamtlebenslauf im Umbruch zu ‘entscheiden’ ..., zu einem Wechsel zwischen Familie gemischt mit und unterbrochen durch andere Formen des Zusammen- oder Alleinlebens“ (Beck, 1990, 51, zit. in: Peuckert, 1996, 272). Allerdings ist festzustellen, daß trotz vieler Veränderungen in Bezug auf die Lebensformen das Phänomen konstant bleibt, daß die meisten Menschen nach wie vor in Beziehungen leben werden, d.h. die dyadische Partnerbeziehung ist als konstantes Muster zu erkennen (vgl. Schneider et al, 1998, 19). Denn gerade die Individualisierung, die die Menschen zwingt ihr Leben selbst, ohne traditionelle Vorgaben und Orientierungsmuster, zu gestalten und die die Menschen aus traditionellen Bindungen, die auch Sicherheit vermittelt haben, gelöst hat, fördert das Bedürfnis nach Nähe, Intimität und Geborgenheit, das seine Befriedigung in Beziehungen sucht, die heute allerdings in ihrer Art , was Verpflichtungscharakter und Dauer angeht anders gestaltet werden als die traditionelle Ehe- und Familienform (vgl. Beck-Gernsheim, 1994b, 134-135). In Anbetracht dieser sich veränderten und immer weiter verändernten gesellschaftlichen Situation und des Wandels der Familien- und Lebensformen, wird deutlich, daß sich auch die Bedeutung von Ehescheidungen gewandelt haben muß, worauf ich im nächsten Abschnitt eingehen werde. 15 Vgl. dazu auch Beck, 1994, 46-48. 20 2.3 Bedeutungswandel von Ehescheidungen aus soziologischer Perspektive In der Zeit, als die monogame, lebenslange Ehe und die moderne Kleinfamilie das gesellschaftliche Leitbild darstellten, wie in Punkt 2.2.1 beschrieben, wurde die Ehescheidung anders bewertet, als heute, wo viele verschiedene Formen des familialen Zusammenlebens existieren und es viele Ehescheidungen gibt. Ich möchte nun die frühere (60er/70er Jahre) und die heutige soziologische Interpretation der Ehescheidungen erläutern und dabei aufzeigen, daß durch eine veränderte Sichtweise sich auch die Art und Weise der Bewältigung der Ehescheidung und der Umgang mit ihr geändert hat. Es wird deutlich werden, daß das heutige soziologische Verständnis eine optimistischere Haltung darstellt und dadurch hoffnungsvolle Wege im Umgang und in der Bewältigung der Ehescheidung eröffnet werden. Scheidungen führen nach heutigen Erkenntnissen nicht, wie früher vermutet, automatisch, per se zu traumatischen Erfahrungen, die langandauernde Entwicklungsstörungen und psychische Beeintächtigungen zur Folge haben, sondern sie können so bewältigt werden, daß es nicht zu langfristigen Störungen, vor allem bei betroffenen Kindern, kommen muß. Scheidungen können eine Chance zum Neubeginn sein. 2.3.1 Frühere Sichtweise: das Desorganisationsmodell In den 50er/60er Jahren dieses Jahrhunderts war, wie schon beschrieben, die moderne Kleinfamilie das dominante Familienmodell, die Norm des Zusammenlebens. Zu dieser Zeit wurde eine Ehescheidung als Abbruch des normalen Familienzyklus16 und als von der Norm abweichendes Fehlverhalten betrachtet (vgl. Thery, 1988, zit. in: Fthenakis et al., 1997, S. 261). In dieser Zeit war eine Scheidung auch nur möglich, wenn einem Ehepartner schuldhaftes Vergehen, z.B. ein ehelicher Fehltritt, vorgeworfen werden konnte (vgl. Punkt 2.1.2). Es wurde nach dem sogennanten Schuldprinzip geschieden (vgl. Burkhart u. Kohli, 1992, 36). Derjenige, der die Ehescheidung durch seine Schuld verursacht hatte, konnte nicht das Sorgerecht für die Kinder bekommen und hatte auch keinen Anspruch auf Unterhaltszahlungen (vgl. Horst, 1994). 16 Mit Familienzyklus sind die Formen der zeitlichen Abfolge der verschiedenen Beziehungsstrukturen in der Familie, von Liebespaar über Ehepaar ohne Kinder, Elternpaar mit Kindern, Ehepaar nach der Selbständigkeit der Kinder, gemeint (vgl. Fuchs-Heinritz et al., 1994,200). Siehe dazu auch: Schneewind, 1995, 136; Textor, 1991a, 123-124. 21 Wie man an diesen Schilderungen erkennt, waren Ehescheidungen zu dieser Zeit nur sehr erschwert möglich und für die Betroffenen, besonders für die „Schuldigen“, mit gravierenden negativen gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen verbunden (z.B. starke Diskriminierung, in vielen Fällen Ausschluß aus der Familie, wie im folgenden noch deutlich werden wird). Soziologisch vertrat man die Sichtweise, daß sich mit einer Ehescheidung die Kernfamilie auflöst, d.h. familiale Beziehungen, die familiale Entwicklung werden beendet und das Kind muß mit seiner eigenen Geschichte brechen. An die Stelle des verlorenen Zuhauses trat ein neues Zuhause und zwar bei einem der beiden Elternteile und möglicherweise mit dessen neuem Partner. Diese Ersatzfamilie bzw. ihre Stabilität durfte nicht durch den nicht sorgeberechtigten Elternteil gestört werden, der somit ausgegrenzt wurde. Dieses Modell der Ehescheidung nannte Thery das „Desorganisationsmodell“ (vgl. Thery, 1990, 92-94). Interventionen, die sich nach diesem Modell richteten, hatten das Ziel, das familiale System möglichst problemfrei aufzulösen und den nichtsorgeberechtigten Elternteil auszugrenzen (vgl. Fthenakis et al., 1997, S. 261). In der Reduktion des familialen Systems und der Stärkung der Restfamilie wurde die Lösung für die bei der Scheidung anstehenden Probleme gesucht. Die Restfamilie wurde als hinreichende Bedingung zur Überwindung der Folgen scheidungsbedingter familialer Instabilität angesehen (vgl. Lempp, 1983, in: Fthenakis u. Kunze, 1992, 40). Dieses Verständnis hatte automatisch zur Folge, daß ein Elternteil aus der elterlichen Verantwortung entlassen wurde, und das Sorgerecht auf einen Elternteil übertragen wurde (vgl. Napp-Peters, 1992a, 14). Das Desorganisationsmodell beeinflußte bis in die 80er Jahre die Regelung des Sorgerechts nach einer Scheidung (vgl. Balloff, 1997, 119). Auf die Sorgerechtsregelungen werde ich in Punkt 3.2.2 genauer eingehen. Diese Entscheidung, daß nach der Ehescheidung nur ein Elternteil die elterliche Sorge haben sollte, wurde auch durch Annahmen vor allem von Goldstein, Freud und Solnit17 beeinflußt (vgl. Fthenakis u. Kunze, 1992, 40-41). Diese Annahmen möchte ich kurz erläutern und beziehe mich hierzu auf Eckert-Schirmer, 1996, 206208). Zentrale Annahmen von Goldstein, Freud und Solnit: Goldstein, Freud und Solnit gehen davon aus, daß für die gesunde Entwicklung eines Kindes dauernde Gefühlsbindungen, dauernde Umwelteinflüsse und stabile äußere Verhältnisse unerläßlich seien. Sie betonen weiter, daß ein Kind Bindungen hauptsächlich an eine spezifische Person entwickelt, die seine Hauptbindungsperson wird. Daneben kann es noch andere Nebenfiguren geben, die die Hauptbindungsperson jedoch nicht ersetzen können. Für die Entwicklung eines Kindes ist es nach deren Vorstellungen wesentlich, die Bindung zu dieser Hauptbindungsperson zu erhalten und diese 17 Joseph Goldstein, Jurist; Anna Freud, Psychoanalytikerin; Albert J. Solnit, Psychiater; bilden ein interdisziplinäres Autorenteam. Sie vertreten eine bestimmte Version der Bindungstheorie. Die Bindungstheorie geht ursprünglich auf Bowlby zurück (vgl. Bowlby 1959; 1980). Die Theorien über die Bindungen eines Kindes, die Goldstein, Freud und Solnit vertreten, haben allerdings mit dem Konzept von Bowlby nicht mehr sehr viel gemein. Ihre Thesen sind ausführlich nachzulesen in: Goldstein, Freud, Solnit, 1974. 22 durch möglichst stabile und klare Verhältnisse zu schützen. Aus diesem Verständnis heraus sollte die elterliche Sorge nach einer Scheidung einem Elternteil allein zugesprochen werden. Im Rahmen des Desorganisationsmodells galt das Forschungsinteresse vor allem Fragen nach den Wirkungen, die die Auflösung einer Familie auf die soziale und intellektuelle Reife und Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes ausübt (vgl. Napp-Peters, 1992b, 14). Die Forschung versuchte direkte Zusammenhänge zwischen dem Ereignis der Ehescheidung und kindlichen Reaktionen aufzudecken. Die Ehescheidung wurde als ein einmaliges traumatisches Ereignis bewertet und die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder als zwangsläufige Folge davon (vgl. Fthenakis, 1995, 128; Fthenakis et al., 1997, 261). Forscher konzentrierten sich auf die negativen Folgen der Ehescheidung für Erwachsene und Kinder, und Eheberater sahen die Scheidung als Mißerfolg ihrer Klienten an (vgl. Textor, 1991b, 10). Forschungen über Scheidungsfamilien, wie z.B. die Studie von Napp-Peters (vgl. Napp-Peters, 1988; Napp-Peters, 1992b, 15-19) zeigen, daß dieser Umgang mit Scheidungsfamilien, der sich an dem Desorganisationsmodell orientiert und Familienbeziehungen nach einer Ehescheidung, vor allem zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil als beendet ansieht, und die daraus resultierende Folge, daß viele Kinder nach der Scheidung somit keinen oder nur sehr seltenen Kontakt zu einem ihrer Elternteile haben, zu langfristigen negativen Auswirkungen führen kann. Ich möchte auf diese Studie von Napp-Peters kurz eingehen. Napp-Peters führte in den 80er Jahren eine Studie durch (vgl. ebd.), die das Ziel hatte, über nacheheliche Familienbeziehungen und elterliche Kooperation nach der Scheidung Auskunft zu geben. Anhand einer repräsentativen Stichprobe von 150 Scheidungsfamilien in Norddeutschland sollten die Scheidungsfolgen für Eltern und Kinder herausgearbeitet werden und der Einfluß unterschiedlicher nachehelicher Interaktionsmuster auf die kindliche Entwicklung untersucht werden. Die Ergebnisse der Studie zeigen, daß die meisten Kinder nach der Scheidung unmittelbare Reaktionen, wie z.B. Trennungsängste, Depressionen, Schuldgefühle, Wutanfälle etc. (auf die psychischen Folgen einer Scheidung bei Kindern werde ich in Kapitel 4 näher eingehen) zeigten, die aber nach ein bis zwei Jahren abgeklungen waren, wenn sie sich auf die neue Familiensituation eingestellt hatten. Nur bei etwa jedem vierten Kind wurden längerfristige Verhaltensstörungen festgestellt. Die Mehrheit der Kinder mit andauernden Störungen stammte aus Familien, in denen die Eltern keinen Kontakt mehr untereinander hatten oder in denen die Konflikte nach der Scheidung anhielten und die Eltern durch ihre eigenen Gefühle,z.B. des Verletztseins und des Zorns, so in Anspruch genommen waren, daß sie den Bedürfnissen ihrer Kinder nicht gerecht werden konnten. Bei Kindern, die den Kontakt zum getrennt lebenden Elternteil verloren hatten, waren Verhaltensauffälligkeiten und psychosomatische Störungen am stärksten ausgeprägt. Kinder dagegen, deren Eltern es gelungen war, auch nach der Trennung ihre Elternrolle gemeinsam oder in Absprache miteinander wahrzunehmen, hatten am wenigsten Schwierigkeiten, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Die Studie macht deutlich, daß eine Scheidung nicht in allen Fällen zu langfristigen Störungen und psychischen Beeinträchtigungen führen muß, und daß langfristige Auswirkungen nicht unmittelbare Folgen der Ehescheidung an sich sind, sondern daß vielmehr bestimmte familiale Bedingungen, wie 23 z.B. der Kontaktabbruch zum nicht sorgeberechtigten Vater, gravierende negative Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung haben können. Das Desorganisationsmodell der Ehescheidung, das Familienbeziehungen als abgebrochen sieht, wird also nach Erkenntnissen von neueren Forschungen (vgl. auch: empirische Arbeiten in den USA aus den 70er und 80er Jahren: Ahrons, 1981; Hetherington u. Cox u. Cox, 1982, 1985 und viele andere zit. in: Fthenakis et al., 1997, 261) dem Scheidungsgeschehen und den Scheidungsfamilien nicht gerecht und ist nicht mehr geeignet, als Basis für die Arbeit mit Scheidungsfamilien herangezogen zu werden. In den 80er Jahren, in denen die Ehescheidungen stark zugenommen haben, veränderte sich nun langsam die soziologische Sichtweise in Bezug auf Scheidungen und es etablierte sich ein neues Scheidungsmodell. Im nächsten Punkt gehe ich auf diese neue Scheidungsperspektive ein. 2.3.2 Die heutige Sichtweise: das Reorganisationsmodell Wie in Kapitel 2.1 deutlich wurde, ist die Scheidung durch ihre Häufigkeit in unserer Zeit zu einem Bestandteil gesellschaftlicher Wirklichkeit geworden. Sie stellt ein Stück Normalität und nicht Außergewöhnlichkeit von Familienbiographien dar (vgl. Faltermeier, 1992, 141). Sie ist nicht mehr eine von der Norm abweichende Lebensform, da die alleinige Norm der modernen Kleinfamilie, wie in Kapitel 2.2.2 dargelegt wurde, nicht mehr existiert. Nach Ahrons (1997, 52) ist eine Ehescheidung eine normale Reaktion auf das Zusammenspiel vielschichtiger gesellschaftlicher, sozialer, politischer, wirtschaftlicher und persönlicher Faktoren. Für sie ist die Scheidung eine Art, wie sich Familien an eine veränderte Realität anpassen (vgl. ebd., 87). Scheidung kann heute verstanden werden als ein möglicher Verlauf familialer Entwicklung (vgl. Faltermeier u. Fuchs, 1992, 7), da nach Meinung von Beck-Gernsheim die Normalität der Brüchigkeit die Zukunft der Familie ausmachen wird (vgl. Kapitel 2.1.2). Die Scheidung wird nicht mehr als eine Störung oder eine Abweichung von einem dominanten Familienmodell gesehen, sondern als eine der möglichen Entwicklungsformen von Ehebeziehungen (vgl. Napp-Peters, 1992a, 13-14). Die geschiedene Familie ist als eine eigenständige Familienform zu sehen, die nicht a priori als defizitär zu betrachten ist (vgl. Fthenakis et al., 1997, 277). Scheidung wird nicht mehr, wie dies bis in die 80er Jahre der Fall war, als pathologisch, als persönliches Scheitern, als moralisches Versagen der Ehegatten und als Katastrophe für die betroffenen Kinder gesehen. Sie wird als Ausweg aus einer nicht länger tolerierbaren Ehesituation, als legitime Form ehelicher Konfliktlösung akzeptiert (vgl. Textor, 1991b, 10). Nach der heutigen Sichtweise wird bei der Ehescheidung zwar das Ehepaar geschieden, aber nicht die Familie. Die Familie wird bei einer Scheidung nicht aufgelöst, sondern verändert. Diese Sicht resultierte vor allem aus Untersuchungen, die die Familie unter systemischen und entwichlungspsychologischen Gesichtspunkten betrachteten. 24 Ich möchte nun Erkenntnisse aus der Familiensystemtheorie und der Familienentwicklungstheorie erläutern, insofern sie für das Verständnis des heutigen Scheidungsmodells notwendig sind und aus diesem Hintergrund heraus die heutige Sichtweise der Ehescheidungen darstellen. Familiensystemtheorie und Familienentwicklungstheorie:18 Mit der Verbreitung der allgemeinen Systemtheorie19 wurde der Systemgedanke auch vermehrt in den Familienwissenschaften aufgegriffen. Die Familie wird nach systemtheoretischem Verständnis als ein System von Personen (soziales System), die untereinander durch Kommunikation in Beziehung und Interaktion stehen, gesehen und das wiederum in Wechselwirkung mit anderen Systemen in seiner Umwelt steht (vgl. Schneewind, 1995, 131). 18 19 Ausführlicher nachzulesen in Schneewind, 1995, 131-138. Als Begründer der allgemeinen Systemtheorie gilt heute von Bertalanffy (vgl. Bertalanffy, 1956; 1972, in:von Schlippe, 1995, 21). „Die grundlegende Idee der Theorie ist, daß Gesetzmäßigkeiten in verschiedenen Wissensgebieten zu finden seien, die sich glichen, wenn man ihre Strukturen beobachtete. Mittels einer solchen Sichtweise ist es möglich, atomare, molekulare, zellulare, organismische, persönliche, soziale und gesellschaftliche Phänomene als Systeme zu betrachten, deren Charakteristika sich auf jeder Organisationsstufe herausarbeiten lassen“ (von Schlippe, 1995, 21). Anders formuliert bedeutet das, daß die Systemtheorie davon ausgeht, daß alles und jedes als System betrachtet, d.h. unter dem Aspekt seiner inneren Organisation und seiner Interaktion mit der Umwelt analysiert werden kann (vgl. Fuchs-Heinritz et al., 1994, 666). Die Systemtheorie ist ein Teilgebiet der Kybernetik (Bezeichnung für die wissentschaftliche Beschäftigung mit selbstregulierenden Systemen. Diese Systeme können durch Rückkopplungsvorgänge bestimmte Gleichgewichtszustände gegenüber äußeren Einflüssen aufrecht erhalten oder durch Selbstorganisation ihre Struktur und Anpassungsfähigkeit erhöhen und lernen, sich selbst zu entwickeln, vgl. ebd., 1994, 387), das in sehr allgemeiner Weise die Zustandsänderungen undProzeßabläufe in unterschiedlichen Systemen analysiert und die Zusammenhängezwischen der Struktur und Funktionsweise von Systemen zum Gegenstand hat. Die Aussagen der Systemtheorie lassen sich auf eine Vielzahl von Wissenschaften, darunter auch die Psychologie, anwenden (vgl. Becker, 1995, 56). Ein System ist eine Menge von untereinander abhängigen Elementen und Beziehungen. Der Systembegriff geht davon aus, daß alle Systemteile interdependent (wechselseitig abhängig) sind. Veränderungen einzelner Systemelemente wirken mittelbar oder unmittelbar auf alle anderen Systemelemente ein und verändern so den Zustand des Gesamtsystems. Systemveränderungen folgen einer Struktur, die durch das Prinzip der Systemerhaltung und / oder des Systemgleichgewichts bestimmt ist (vgl. Fuchs-Heinritz et al., 1994, 661). 25 Im Familiensystem kann jedes einzelne Mitglied alle anderen Familienmitglieder bzw. das System als Ganzes beeinflussen, und umgekehrt wird das einzelne Familienmitglied von den anderen Mitgliedern und dem Gesamtsystem beeinflusst (vgl. Bronfenbrenner, 1986, in: Oberndorfer, 1991, 9). Das System der Familie besteht aus mehreren Subsystemen (untergeordnete Systeme) und ist integriert in verschiedenen Suprasystemen (übergeordnete Systeme) (vgl. Schneewind, 1995, 131). Bronfenbrenner (1981, in: Schneewind, 1995, 131-132) gliedert die Suprasysteme in das Mikro-, Meso-, Exo- und Makrosystem. Unter dem Mikrosystem versteht er die Familie und ihre einzelnen Mitglieder, die eingebettet ist in übergreifende Systeme, wie das Mesosystem (z.B. Bekanntschafts-, Freundschafts- und Verwandtschafts-beziehungen), das Exosystem (z.B. Schulsystem, Gemeindeorganisation) sowie das Makrosystem (z.B. die kulturelle, politische, rechtliche oder wirtschaftliche Orientierung einer Gesellschaft). Innerhalb des Mikrosystems Familie lassen sich folgende Subsysteme identifizieren: das Partnersubsystem, das Eltern-Kind-Subsystem (genauer: das Vater-Kind-Subsystem, das Mutter-KindSubsystem) und das Geschwistersubsystem. Außerdem stellt jedes Mitglied für sich ebenfalls ein Subsystem dar (vgl. Textor, 1991a, 75). Die einzelnen Subsysteme sind jeweils durch spezifische Interaktions- und Beziehungsmuster gekennzeichnet, die auch jeweils von außen mitbeeinflußt werden. So kann z.B. die Beziehung zwischen der Mutter und dem Kind (Mutter-Kind-Subsystem) durch den Vater oder durch Geschwister mitbeeinflußt werden. Dies ist auch dann der Fall, wenn diese Personen abwesend sind (vgl. Bronfenbrenner, 1986, in: Oberndorfer, 1991, 9). Die systemische Sicht der Familie, die die Komplexität der Interaktionsprozesse in der Familie betont, nimmt Abschied von einem Forschungsansatz, der vor allem dyadische Beziehungen innerhalb einer Familie untersucht und analysiert hat, z.B. die Mutter-Kind- bzw. die Vater-Kind-Beziehung. Sieht man die Familie allerdings als interagierendes Ganzes, so muß die dyadische Betrachtungsweise durch eine triadische oder auch multiple ersetzt werden. Es muß z.B. beachtet werden, daß die Interaktionen der Eltern, wie sie miteinander umgehen, Einfluß auf das Verhalten des Kindes hat, und daß umgekehrt das kindliche Verhalten die Interaktionen der Eltern beeinflußt (vgl. Fthenakis, 1982, 13; 51-54; 88-92). Nach der systemischen Sichtweise weist das Interaktionsgeschehen nämlich keine lineare, sondern eine zirkuläre Kausalität auf, d.h. Verhaltensweisen von Familienmitgliedern stehen in einer komplexen wechselseitigen Beeinflussung und sind somit nicht einseitig gerichtet zu betrachten, d.h. daß das Verhalten eines Familienmitgliedes Ursache für das Verhalten eines anderen wäre (vgl. Schneewind, 1995, 133). Ein Merkmal von sozialen Systemen, wie Familien es darstellen, ist, daß sie einem ständigen Wandel in der Zeit unterworfen sind (vgl. Oberndorfer, 1991, 9). Dieser Wandel innerhalb des familialen Systems läßt sich mit Erkenntnissen aus der Familienentwicklungstheorie erläutern. Nach der Familienentwicklungstheorie ist die Familie ein System von Rollenträgern, 20 wobei sich die Rollen der einzelnen Familienmitglieder mit der Familienentwicklung ändern (vgl. Schneewind, 1995, 136). 20 In der Rollentheorie wird als Rolle ein Bündel normativer Verhaltenserwartungen 26 Die Familienentwicklung verläuft in verschiedenen Phasen und wird als Familienlebens- oder Familienzyklus bezeichnet. Idealtypisch lassen sich die Phasen der Partnersuche und Heirat, der ersten Ehejahre, der Familie mit Kleinkindern, der Familie mit Schulkindern, der Familie mit Jugendlichen im Prozeß der Ablösung, der Familie ohne abhängige Kinder und der Familie im Alter unterscheiden (vgl. Textor, 1991a, 123-124). In den unterschiedlichen Phasen des Familienzyklus haben die einzelnen Familienmitglieder verschiedene Rollen, z.B. die Ehegattenrolle, die Mutterrolle, die Kindergartenkindrolle etc. Jede Phase beinhaltet bestimmte Aufgaben und Anforderungen an die gesamte Familie. Folgende Tabelle soll die verschiedenen Familienzyklusstadien und die speziellen Entwicklungsaufgaben für die Familie deutlich machen. Stadien im Familienlebenszyklus 1. Verlassen des Elternhauses: alleinstehende junge Erwachsene 2. Die Verbindung von Familien durch Heirat 3. Familien mit jungen Kindern Für die weitere Entwicklungerforderliche Veränderungen im Familienstatus a. Selbstdifferenzierung in Beziehungen zur Herkunftsfamilie b. Entwicklung intimer Beziehungen zu Gleichaltrigen c. Eingehen eines Arbeitsverhältnisses und finanzielle Unabhängigkeit a. Bildung des Ehesystems b. Neuorientierung der Beziehungen mit den erweiterten Familien und Freunden, um den Partner einzubeziehen a. Anpassung des Ehesystems, um Raum für ein Kind bzw. Kinder zu machen b. Koordinieren von Aufgaben der Kindererziehung, des Umgangs mit Geld bezeichnet, die an den Inhaber einer mit bestimmten Funktionen, Rechten und Pflichten verbundenen Position gestellt werden. Es gibt z.B. Alters-, Geschlechts-, Familien-, Berufsrollen etc. Jedes Individuum vereinigt eine Vielzahl von Rollen. In einer Familie übernehmen Familienmitglieder je nach Alter und Geschlecht bestimmte Familienrollen, wie die des Ehepartners, der Mutter, des Kleinkindes, des älteren Bruders, des Onkels etc. Diesen Rollen sind unterschiedliche Funktionen, Aufgaben, Rechte und Pflichten zu eigen, die sich vielfach mit dem Alter und den Bedürfnissen der Betroffenen ändern (vgl. Textor, 1991a, 71-72). 27 4. Familien mit Jugendlichen 5. Entlassen der Kinder und nachelterliche Phase 6. Familien im letzten Lebensabschnitt und der Haushaltsführung c. Neuorientierung der Beziehungen mit der erweiterten Familie, um Eltern- und Großelternrolle mit einzubeziehen a. Veränderungen der Eltern-KindBeziehungen um Jugendlichen zu ermöglichen, sich innerhalb und außerhalb des Familiensystems zu bewegen b. Neue Fokussierung auf die ehelichen und beruflichen Themen der mittleren Lebensspanne c. Hinwendung auf die gemeinsame Pflege und Sorge für die ältere Generation a. Neuaushandeln des Ehesystems als Zweierbeziehung b. Entwicklung von Beziehungen mit Erwachsenenqualität zwischen Kindern und Eltern c. Neuorientierung der Beziehungen, um Schwiegersöhne/ -töchter und Enkelkinder einzubeziehen d. Auseinandersetzung mit Behinderungen und Tod von Eltern (Großeltern) a. Aufrechterhalten des Funktionierens als Person und als Paar angesichts körperlichen Verfalls. Erkundung neuer familiärer und sozialer Rollenoptionen b. Unterstützung einer zentralen Rolle der mittleren Generation c. Im System Raum schaffen für die Weisheit und Erfahrung der Alten; Unterstützung der älteren Generation, ohne sich zu stark für sie zu engagieren d. Auseinandersetzung mit dem Tod des Partners, dem Tod von Geschwistern und anderen Gleichaltrigen sowie Vorbereitung auf den eigenen Tod. Lebensrückschau und Integration Tabelle 6:Stadien des Familienlebenszyklus und Familienentwicklungsaufgaben, nach Carter u. McGoldrick, 1988, 15, zit. in: Schneewind, 1995, 137. Ein Wechsel von einer Familienzyklusphase in eine andere ist, wie aus Tabelle 6 ersichtlich wird, mit erheblichen Veränderungen innerhalb der Familie verbunden. Die gesamte Struktur des familialen Systems ändert sich. Mit der Geburt eines Kindes erweitert sich z.B. das gesamte familiale System, indem zum Ehepaarsubsystem das Eltern-Kind-Subsystem hinzukommt. Außerdem müssen die Rollen und Aufgaben der Familienmitglieder, die Beziehungen untereinander und die Beziehungen zu außerfamilialen Systemen (z.B. Arbeitsplatz) neu gestaltet und organisiert werden. Eine solche Familienentwicklung erfordert viele Anpassungsleistungen an die veränderte Situation. Der Wechsel von einer Phase in die nächste kann als Übergangsphase bezeichnet werden. Diese Übergänge von einer Familiensituation in eine andere stellen, wie schon beschrieben, neue Anforderungen an die Familienmitglieder. Sie werden vielfach als Krisen erlebt, da das gesamte Familiensystem aus dem Gleichgewicht gerät und große Veränderungen notwendig werden. Familien können bei der Bewältigung dieser Krisen auch scheitern und es kann zu pathologischen, negativen Entwicklungen 28 innerhalb der Familie kommen, d.h., daß z.B. Familienmitglieder Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Störungen entwickeln können (vgl. Schneewind, 1995, 136; Fthenakis et al., 1992, 15-16; Textor, 1991a, 123-124; Oberndorfer, 1991, 9-10). Welche Bedeutung haben nun diese familiensystem- und familienentwicklungs-theoretischen Erkenntnisse im Hinblick auf das Verständnis der Ehescheidung? Nach der Familiensystemtheorie stellt die Familie eine Einheit dar, in der die einzelnen Mitglieder durch Interaktion und Kommunikation, wie bereits beschrieben, miteinander in Beziehung stehen. Aus diesem Hintergrund heraus sind für die Entwicklung der einzelnen Mitglieder die Beziehungen aller Mitglieder zueinander von Bedeutung und nicht primär nur eine bevorzugte Bezugsperson, wie dies von Goldstein, Freud und Solnit (siehe Punkt 2.3.1) betont wurde. Demnach ist der Erhalt der Beziehungen und Bindungen zu beiden Elternteilen und allen nahen Bezugspersonen auch nach einer Ehescheidung zu erhalten. Aus heutiger Sichtweise bedeutet eine Ehescheidung nunmehr nicht eine Auflösung der ursprünglichen Familie, sondern eine mehr oder weniger tiefgreifende Veränderung des Familiensystems. Die Ehescheidung wird dabei als Übergangsphase im Familienentwicklungsprozeß, wie z.B. auch die Geburt eines Kindes, wie zuvor beschrieben, gesehen (vgl. Fthenakis et al., 1997, 262). Wie alle anderen Übergangsphasen in der Familienentwicklung macht auch die Ehescheidung eine Neustrukturierung, eine Neugestaltung, eine Reorganisation des familialen Systems notwendig. Die Reorganisation betrifft die Rolle des einzelnen in der Familie, die Beziehungen der Familienmitglieder untereinander, die Aufgabenteilung, die Gestaltung der Freizeit, die Beziehungen zum sozialen Netz und vieles mehr. Diesen neuen Ansatz zur Bewertung der Ehescheidung nennt man das Reorganisations-Modell. Die dauerhafte Etablierung dieses Terminus in der modernen Scheidungsforschung geht auf Fthenakis und Mitarbeiter (1982) zurück, obwohl der Begriff „reorganization“ schon 1979 in einem Aufsatz von Kraus zu finden ist (vgl. Kardas u. Langenmayr, 1996, 45). Das wesentliche Merkmal dieses Modells ist, daß trotz einer Scheidung die Kontinuität der familialen Beziehungen erhalten bleiben soll, während der gemeinsame Haushalt aufgelöst wird (vgl. NappPeters, 1992b, 15). Durch die Scheidung geht das Familiensystem, das ürsprünglich aus einem Haushalt bestand, in ein System mit zwei Haushalten, und zwar dem mütterlichen und dem väterlichen Haushalt, über (vgl. Napp-Peters, 1988, 14). Ein solches Zwei-Haushalte-Familiensystem nennt Ahrons eine binukleare Familie (vgl. Ahrons, 1997, 11). Vater und Mutter stellen somit keine alternativen, sondern komplementäre Entwicklungsbedingungen für das Kind dar (vgl. Napp-Peters, 1992b, 15). Diese Sichtweise brachte eine Diskussion in Gang, daß zukünftig die gemeinsame elterliche Sorge nach einer Scheidung zum Regelfall werden soll, da diese am ehesten fördert, daß beide Elternteile auch nach der Scheidung gemeinsam die elterliche Verantwortung für die Kinder beibehalten und somit für die Kinder verfügbar bleiben (vgl. Jopt, 1987, 875-885). Ab 1.Juli diesen Jahres ist diese Situation des Beibehalts des gemeinsamen Sorgerechts nach einer Scheidung nun eingetroffen (vgl. Punkt 3.2.2.2). 29 Wie schon erwähnt, sind Übergangsphasen in der Familienentwicklung, zu denen Ehescheidungen zählen, als Krisen oder kritische Lebensereignisse zu sehen (vgl. Fthenakis et al., 1992, 16). Somit stellen Ehescheidungen kritische Lebensereignisse für betroffenen Familien dar. Was bedeuten nun kritische Lebensereignisse? Unter kritischen Lebensereignissen werden Ereignisse im Leben einer Person verstanden, die eine mehr oder weniger abrupte Veränderung in der Lebenssituation der Person mit sich bringen. Sie sind durch raumzeitliche punktuelle Verdichtungen eines Geschehensablaufes, die die Person in zentralen Bedürfnissen, Interessen und Überzeugungen treffen, gekennzeichnet. Ein weiteres Merkmal der kritischen Lebensereignisse ist ihre affektive Bedeutsamkeit und emotionale Nicht-Gleichgültigkeit für die betroffene Person. Es muß sich nicht nur um negative Erfahrungen handeln, wie z.B. Tod eines Ehepartners, Ehescheidung, Krankheit etc., sondern auch positive Erlebnisse können kritische Lebensereignisse darstellen, wie z.B. Heirat, Geburt eines Kindes etc. Kritische Lebensereignissse sind außerdem charakterisiert durch ein Ungleichgewicht zwischen den Anforderungen, die an eine Person gestellt werden und ihren bisherigen Lebensumständen und Bewältigungsmöglichkeiten, d.h. das Person-Umwelt-System befindet sich nicht mehr im Gleichgewicht. Es wird eine Neuorganisation dieses Systems erforderlich. Diese Neuorganisation, d.h. die wechselseitige Anpassung von Person und veränderter Lebensumstände, nennt man den Bewältigungsprozeß. An der Art der Bewältigung entscheidet sich, ob die kritischen Lebensereignisse zur Weiterentwicklung der Person, zur persönlichen Chance werden oder zur Fehlentwicklung, zu langfristigen physischen und/oder psychischen Störungen führen. Kritische Lebensereignisse bergen nämlich nicht nur eine Gefahr für die Betroffenen in sich, sondern sie stellen immer zugleich auch Chancen für Persönlichkeitsentfaltung und individuelle Weiterentwicklung dar (vgl. Filipp, 1982, 769-788). Entscheident für die Bewältigung der kritischen Lebensereignisse ist das Verhältnis von Belastungen auf der einen Seite und den Kompetenzen, Handlungsfähigkeiten und den Ressourcen auf der anderen Seite. In Bezug zu Ehescheidungen bedeuten diese Erkenntnisse über kritische Lebensereignisse nun, daß Ehescheidungen zwar einschneidende, belastende, schmerzvolle Erlebnisse darstellen, die mit vielen familialen Veränderungen und Belastungen verbunden sind, die aber nicht automatisch zu langfristigen Fehlentwicklungen und Störungen führen müssen. Entscheidend dafür, daß Ehescheidungen zur Weiterentwicklung der einzelnen Familienmitglieder führen können, ist die Art, wie Familien diese Krise bewältigen. Die Bewältigung und die Anpassung an die neue Lebenssituation ist von vielen Faktoren, auf die ich in Kapitel 4 und 5 eingehen werde, abhängig. Eine Hauptaufgabe der heutigen Scheidungsintervention muß deshalb sein, die Kompetenzen für die Bewältigung der Ehescheidung zu fördern und Familien zu helfen, günstige Bewältigungsbedingungen, vor allem für ihre Kinder zu schaffen. Die heutigen Erkenntnisse zeigen nämlich, daß vermutlich das Scheidungsereignis, d.h. die Trennung an sich, nicht für mögliche anhaltende Verhaltensauffälligkeiten für Kinder verantwortlich und nicht die entscheidente Belastung für Kinder ist, sondern vielmehr die Art und Weise wie Eltern im 30 gesamten Scheidungsprozeß, vor, während und nach der Scheidung, miteinander und mit dem Kind umgehen, wie sie ihre Konflikte bewältigen und auch die materiellen und sozialen Bedingungen, unter denen Kinder nach der Scheidung leben (vgl. Niesel, 1995, 156; Stein-Hilbers, 1996, 22). Welche Bedingungen die positive Bewältigung der Ehescheidung, d.h. eine Ehescheidung ohne gravierende langfristige Folgen, vor allem für Kinder begünstigen können, wird im Laufe dieser Arbeit deutlich werden. Vom Hintergrund des Desorganisationsmodells, das ich in Kapitel 2.3.1 beschrieben habe, setzten Interventionen für Scheidungsfamilien erst nach der Scheidung, d.h. nach dem als traumatisch definierten Ereignis, ein und vor allem mit dem Ziel, Verhaltensauffälligkeiten und psychische Störungen der Betroffenen zu therapieren. Somit galten die Hilfsangebote vor allem klinisch auffälligen Familien. Heute steht zunehmend die „ganz normale“ Scheidungsfamilie im Vordergrund, der es gilt, bei der Bewältigung der Neu-bzw. Reorganisation des familialen Systems zu helfen, sie dabei zu unterstützen, so daß alle Beteiligten ohne längerfristige negative Folgen diesen Prozeß erleben können (vgl.Fthenakis et al., 1997, 277ff.). Anstelle der Negativsicht von Scheidung tritt eine Sichtweise, die Entlastungen sucht und positive Potentiale erkennt, stärkt und aufbaut. Damit werden präventive Interventionen immer wichtiger, damit der Familienentwicklungsprozeß, der bei einer Scheidung notwendig wird, gut bewältigt werden kann (vgl. ebd., 279). Zum Maßstab für eine gelungene Reorganisation familialer Beziehungen wird die Minimierung der Auswirkungen der Ehescheidung auf das Kind und die übrigen Familienmitglieder genommen (vgl. Fthenakis u. Kunze, 1992, 50). Im Reorganisationsmodell wird eine Ehescheidung auch nicht mehr als ein einmaliges singuläres Ereignis angesehen, wie dies im Desorganisationsprozeß der Fall war, sondern als ein komplexes prozeßhaftes Geschehen in der familialen Gesamtentwicklung, das die Situationen vor, während und nach der Scheidung mit einbezieht (vgl. ebd., 49). „Eine Scheidung bzw. Trennung ist nicht als ein einmaliges traumatisches, in einem engen zeitlichen Rahmen ablaufendes Geschehen zu verstehen, sondern vielmehr als ‘ein familiärer Entwicklungsprozeß innerhalb eines (meist) langfristig konfliktgeladenen Zusammenlebens’“ (Kardas u. Langenmayr, 1996, 26). Ich möchte nun im nächsten Kapitel auf den Prozeß der Ehescheidung, den man heute in verschiedene Phasen einteilt, eingehen. Dieses Phasenmodell der Ehescheidung ermöglicht es, die einzelnen Aufgaben und Anforderungen, die in den einzelnen Phasen an die Betroffenen gestellt werden, zu formulieren und entsprechend zu erkennen, welche gezielten Interventionen zur Bewältigung dieser Belastungen notwendig sind (vgl. Fthenakis et al., 1997, 264). 31 3. Ehescheidung als phasenhafter Prozeß Aus sozialwissenschaftlicher und therapeutischer Sicht handelt es sich bei der Ehescheidung um einen komplexen, mehrdimensionalen und dynamischen Veränderungsprozeß (vgl. Textor, 1991 b, 13). Eine Scheidung verändert grundlegend viele Lebensbereiche der Betroffenen und sie läuft in ganz unterschiedlichen Ebenen ab. Auf juristischer Ebene müssen Lösungen für wirtschaftliche, versorgungsrechtliche und eventuell sorgerechtliche Fragen, wenn das gemeinsame Sorgerecht nicht beibehalten wird, gefunden werden. Auf individueller Ebene müssen der emotionale Verlust des Partners, Gefühle von Schuld, Wut, Versagen und Trauer verarbeitet werden. Auf der Ebene der Partnerbeziehung muß die gefühlsmäßige, soziale und finanzielle Ablösung vom Partner vollzogen werden. Für Eltern gilt es außerdem, die Ehebeziehung zu beenden, aber die Elternbeziehung zu den Kindern weiterzuführen (vgl. Schneewind et al., 1995, 1101-1102). Dieser komplexe Prozeß kann über mehrere Jahre andauern. Innerhalb dieses Scheidungsprozesses können mehrere Phasen unterschieden werden (vgl. Textor, 1991b, 13). In der Fachliteratur gibt es verschiedene Klassifizierungsmodelle hinsichtlich der Unterteilung des Trennungsprozesses (vgl. Schmitt, 1997, 21-22). Im Rahmen meiner Arbeit möchte ich allerdings nicht auf diese unterschiedlichen Modelle eingehen, sondern nur ein Drei-Phasen-Modell beschreiben, welches für die Arbeit mit Scheidungsfamilien eine große Bedeutung hat. Wichtig ist daraufhinzuweisen, daß jegliche Modelle nur idealtypische Darstellungen sind, da jeder Betroffene die Ehescheidung auf individuelle Art und Weise erlebt und der Verlauf des gesamten Prozesses bei allen Betroffenen unterschiedlich ablaufen kann. Die Phasen können in den jeweiligen Familien von unterschiedlicher Dauer sein, sich wiederholen oder manche Phasen auch wegfallen (vgl. Fthenakis et al., 1997, 264; Textor, 1991b, 13). Außerdem erleben einige Betroffene die Scheidung als Befreiung und Chance, während für andere der Ehescheidungsprozeß vorwiegend mit negativen Ergebnissen verbunden ist und zum traumatischen, stark belastenden Prozeß wird (vgl. Textor, 1991 b, 10-11). Allerdings kann das Drei-Phasenmodell Orientierung geben und verdeutlichen, daß in unterschiedlichen Stadien der Scheidung unterschiedliche Probleme, Bedürfnisse, Emotionen, Belastungen und Aufgaben im Vodergrund stehen, die bewältigt werden und im Umgang mit Betroffenen berücksichtigt werden müssen. Jede Phase bringt neue Probleme und Anforderungen mit 32 sich, und sie führt zu einer erneuten Reorganisation der Familienstruktur, der Beziehungen untereinander, der Umweltkontakte, zu Veränderungen des Denkens, Fühlens und Handelns, sowie der Persönlichkeit der betroffenen Personen (vgl. ebd., 13-14). Ich möchte nun das Drei-Phasen-Modell beschreiben und beziehe mich, wenn nicht anders angegeben, auf Ausführungen von Textor, der die einzelnen Phasen sehr ausführlich dargelegt hat (vgl. Textor, 1991b, 13-94). Das Drei-Phasen-Modell beinhaltet die Vorscheidungs- oder Ambivalenzphase, die Scheidungsphase und die Nachscheidungsphase. Innerhalb dieser einzelnen Phasen beschreibe ich zuerst deren spezifische Veränderungen, Aufgaben, Konflikte und Beziehungsmuster zwischen den Betroffenen und gehe dann darauf ein, welche Entwicklungsbedingungen und Belastungen daraus für die Kinder resultieren. 3.1 Vorscheidungsphase Den Beginn dieser Phase kann man in der Regel nicht festlegen. Erste Anzeichen einer zu Ende gehenden Beziehung sind nämlich schwer zu erkennen, da es in allen Paarbeziehungen Schwierigkeiten gibt und den Betroffenen oft nicht klar ist, ob die Probleme nur vorübergehend sind oder ob es auf Dauer zu einer Trennung führen kann (vgl. Framo, 1980, in: Schmitt, 1997, 22). Der Anfang dieser Phase läßt sich deshalb kaum an bestimmten Krisenzeichen festmachen und es ist auch theoretisch höchst problematisch, aufgrund irgendwelcher Verstimmungen oder Probleme einer Beziehung auf eine Gefährdung der Ehe zu schließen. Den Betroffenen ist es eher in der Rückschau möglich, die ersten Anzeichen einer Zerrüttung zu ermitteln (vgl. Schmitt, 1997, 22). Nach Textor beginnt die Vorscheidungsphase in dem Zeitraum, in dem die zur Scheidung führenden Prozesse mit einer gewissen Konstanz auftreten. Das Ende der Vorscheidungsphase läßt sich allerdings genau bestimmen und liegt in der Trennung der Ehepartner. Die Vorscheidungsphase kann von sehr unterschiedlicher Dauer sein. Es gibt z.B. plötzliche Trennungen, die unvorbereitet stattfinden oder Trennungsabsichten, die sich über einen langen Zeitraum hinziehen können, bis es zur endgültigen Trennung kommt. Die Vorscheidungsphase kann also zwischen einigen Wochen und fünf oder mehreren Jahren dauern. Sie läßt sich grob aufteilen in einen Zeitraum der Verschlechterung der Ehe und in einen Zeitabschnitt der Entscheidungskonflikte, in dem ein Ehepartner oder beide sich über eine Trennung Gedanken machen, aber sie noch nicht beschlossen haben. 33 3.1.1 Verschlechterung der Ehebeziehung In den meisten Fällen verschlechtert sich die Ehe allmählich in einem über mehrere Monate und Jahre erstreckenden Prozeß. Ehezufriedenheit und Ehequalität, d.h. positive Gefühle wie Liebe, Zuneigung, Vertrauen, Achtung nehmen ab. In dieser Zeit sehen Ehegatten oft nur noch die negativen Aspekte ihrer Beziehung und übersehen die positiven, was den Verschlechterungsprozeß noch verstärkt. Die Verschlechterung der Ehebeziehung kann sich auf unterschiedliche Weise zeigen: In manchen Fällen ist eine Zunahme der Konflikthaftigkeit und eine Abnahme der Problemlösefähigkeit, der Geduld und Kompromißfähigkeit festzustellen. Die Situation ist oft durch ungelöste und immer wieder auftretende Konflikte stark spannungsgeladen. Gefühle von Frustration und Ablehnung führen zu einer wachsenden Bereitschaft, den Partner für die schwindende Beziehungsqualität verantwortlich zu machen, persönlich anzugreifen und zu verletzen, möglicherweise auch mit Mitteln der Gewalt. Nach einer Untersuchung, die Nave-Herz et al. 1987 und 1989 in der Bundesrepublik zum Thema „Ursachen von Ehescheidungen“ durchgführt haben (vgl. Nave-Herz et al., 1990), berichteten ein Viertel der Befragten von Gewaltanwendungen ihres Partners gegen Ende der Ehe, wenn es zu einem Konflikt kam (vgl. ebd., 122). In anderen Fällen wird versucht, vorhandene Konflikte zu vermeiden und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, oft aus Angst vor einer Eskalation. Bei anderen Ehepartnern zeigt sich eine Verschlechterung der Ehebeziehung dadurch, daß sie sich langsam voneinander zurückziehen. Sie haben sich nicht mehr viel zu sagen und zu geben. Sie haben sich mit der Zeit in verschiedene Richtungen entwickelt. Ihre Interessen gehen zunehmend auseinander und sie verbringen viel Zeit in einem jeweils separaten Freundeskreis. Es kommt so zu einem langsamen Entfremdungsprozeß. Viele Faktoren können zu einer Verschlechterung der Ehebeziehung führen. Von den vielen Bedingungsfaktoren sollen hier nur einige dargestellt werden: Ein außereheliches Verhältnis kann, wenn es vom Partner entdeckt wird, zu einer plötzlichen Verschlechterung der Ehe und unter Umständen, z.B. bei fehlender Versöhnung und starken verletzten Emotionen, zu einer schnellen Trennung kommen. Zu einer Verschlechterung der Ehebeziehung kann es auch durch Krisen, wie z.B. Arbeitslosigkeit, schwere chronische Krankheit, kommen. Auch Übergangsphasen im Familienzyklus, wie z.B. die Geburt eines Kindes, Auszug des letzten Kindes, Pensionierung etc., können zu Ehekrisen und zu einer Verschlechterung der Beziehung führen, wenn die neuen Lebensphasen und deren Anforderungen nicht befriedigend bewältigt werden können. Wenn Ehepartner zu hohe, unerfüllbare Erwartungen aneinander haben, daß z.B. der Partner alle Bedürfnisse erfüllen und den anderen glücklich und zufrieden machen soll, kommt es oft zur 34 Eheunzufriedenheit, weil diese Ansprüche nicht erfüllt werden können. Meist kommt es zur Suche nach einem neuen Partner, von dem dann diese Bedürfnisbefriedigung erhofft wird. Zur Verschlechterung einer Beziehung können auch zu unterschiedliche Werte und Ziele der Partner beitragen. Vielleicht erwartet der Ehemann, daß seine Ehefrau die traditionelle Hausfrauenrolle ausüben soll, während sie Gleichberechtigung in Beruf und Haushalt leben will oder einer der beiden ist nur auf seine Selbstverwirklichung bedacht und nimmt zu wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse des andern. Im Laufe der Ehe kann es zu einer Auseinanderentwicklung der Partner kommen, da sie immer mehr unterschiedliche Lebensstile entwickeln und Gemeinsamkeiten immer mehr zurückgehen, was zu einer Instabilität der Ehe führen kann. Weiterhin können finanzielle und berufliche Probleme negative Auswirkungen auf die Ehe haben. In der Regel hat die Verschlechterung der Ehebeziehung negative Folgen für das Wohlbefinden und die seelische Gesundheit der Partner. Es kann z.B. zu psychischen und psychosoamatischen Störungen, zu Alkohol-, Drogen- oder Medikamenten-mißbrauch kommen. Meist werden auch die Kinder in Mitleidenschaft gezogen, worauf ich in Punkt 3.1.2 näher eingehen werde. Der Verschlechterung der Ehebeziehung folgen in der Regel Gedanken an eine Trennung. Erwägt einer der Partner ernsthaft eine Trennung, so beginnt die Zeit der Entscheidungskonflikte. 3.1.2 Entscheidungskonflikte Diese Zeit der Vorscheidungsphase ist von einer starken Ambivalenz, einem ständigen Hin und Her, einer inneren Zerissenheit geprägt. Die Ehepartner schwanken oft zwischen Trennungsabsichten und Versöhnungswünschen. Sie befinden sich in einer zermürbenden Unsicherheit und Unentschlossenheit hinsichtlich einer Trennung (vgl. Reich, 1993, 67). In den meisten Fällen ziehen sich die Entscheidungskonflikte über eine lange Zeit hin, oft sogar über Jahre. Entgegen der oft meist verbreiteten Vorstellung geben nämlich die meisten Paare, besonders diejenigen mit Kindern, die Ehe nicht leichten Herzens oder aus geringfügigen Gründen auf. Oft trennen sich Paare mehrmals und kommen wieder zusammmen, bevor es zur endgültigen Trennung kommt (vgl. Furstenberg u. Cherlin, 1993, 40-41). Mögliche Gründe dafür, daß dieser Entscheidungsprozß so lange dauern kann und sich in den meisten Fällen sehr schwierig gestaltet, sieht Textor darin, das eine Trennung eine sehr komplexe, mit weitreichenden, oft nur schwer abschätzbaren Folgen verbundene Entscheidung ist. Viele Ehepartner haben Angst vor dem endgültigen Entschluß und den daraus resultierenden Konsequenzen (vgl. Textor, 1991b, 21). 35 Natürlich verläuft jede Trennung auf ihre individuelle Weise ab. Es gibt z.B. auch Paare, die sich schnell trennen und bei denen diese Ambivalensphase kaum auftritt. Die Art der Trennung hat allerdings Auswirkungen darauf, wie hart die Scheidung die Betroffenen trifft, und wie sie die Scheidung bewältigen. In manchen Fällen wollen beide die Trennung und eine offene und sachliche Diskussion und Auseinandersetzung ist möglich. In anderen Fällen, in denen nur ein Partner Trennungsabsichten erwähnt, kann dies für den anderen sehr überraschend kommen und starke negative Emotionen (Wut, Schmerz, Haß Angst, Verzweiflung, Apathie) auslösen. Diese Gefühle können eine positive Scheidungsbewältigung erschweren. Manche Partner werden über die Trennungsabsichten ihrer Partner nicht einmal informiert, sondern durch den Auszug vor vollendete Tatsachen gestellt. Allerdings muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß der Entschluß zur Trennung noch nicht zur Ehescheidung führen muß. Manche Trennungen werden z.B. auch vollzogen, um den Partner ins Nachdenken zu bringen, ihm zu signalisieren, daß eine Veränderung der Beziehung notwendig ist, um damit die Ehe zu retten. In der Zeit der Entscheidungskonflikte ist die Atmosphäre oft gekennzeichnet durch wachsende Spannungen, Ängste, Gefühle von Schuld, Verzweiflung und Ausweglosigkeit, die je nach Persönlichkeitsstruktur eher aggressive oder eher depressive, rückzugsorientierte Reaktionsmuster aktivieren. Partner hören in vielen Fällen auf, sich gegenseitig zu vertrauen, d.h. Mißtrauen und Ablehnung gegenüber dem Ehepartner nimmt zu. Die Vorscheidungsphase endet mit der endgültigen Trennung (vgl. Schmitt, 1997, 24). Welche Auswirkungen haben nun die Ehekrisen und die konflikthafte Beziehung der Eltern auf die Entwicklungsbedingungn der Kinder? Zuerst möchte ich die Situation (die Beziehungserfahrungen), in der sich die Kinder befinden, kurz beschreiben, um dann vor allem aus psychoanalytischer Sicht Konsequenzen dieser Bedingungen für die psychische Entwicklung der Kinder zu erläutern. Nach Ansichten von Figdor (1991, 87) scheint es nämlich so zu sein, daß ein Teil der seelischen Vorgänge, welche die endgültige Trennung der Eltern bei den Kindern in Gang setzt, nicht allein Folge der Trennung an sich sind, sondern mit dem konfliktgeladenen Familienklima in der Vorscheidungsphase zusammenhängt. Oft werden durch die Scheidung der Eltern nur die früheren Entwicklungsstörungen der Kinder sichtbar. Figdor vertritt ebenfalls die Meinung, daß die Scheidung von den Kindern umso schlechter verarbeitet und bewältigt werden kann, je größer die innerpsychischen Konflikte des Kindes schon vor der Scheidung waren (vgl. Figdor, 1998, 31). 3.1.3 Auswirkungen der Vorscheidungssituation für die intrapsychische Entwicklung der Kinder 36 Kinder befinden sich in der Vorscheidungsphase oft in einer Situation permanenter Verunsicherung und drohender Gefahr, verlassen zu werden (vgl. Bauers, 1997, 43). Dies ist auch der Fall, wenn ihnen die Eltern, oft mit der Absicht die Kinder zu schonen, eine intakte Ehe vorspielen. Die Kinder spüren die Spannungen ihrer Eltern und fürchten um den Bestand der Familie (vgl. Bernhardt, 1988, 127). Viele Eltern ziehen ihre Kinder in ihre Ehekonflikte mit hinein. Die Kinder bekommen so im Familiensystem besondere Rollen. Sie werden z.B. zu Bündnispartnern, d.h. es entstehen Koalitionen zwischen Kindern und einem Elternteil jeweils gegen den anderen Partner. Geschwister werden so oft gespalten in welche, die zur Mutter und welche, die zum Vater halten. Kinder werden in Ehekrisen oft zu existenziellen, emotionalen Stützen für die Eltern. Oft dienen sie auch als Partnerersatz, Kummerkasten, Geheimnisträger oder Vermittler. Diese Einbeziehung der Kinder stellt für die Eltern eine Entlastung dar, während sie die Kinder in hohem Maße überfordert. Diese Erfahrungen können für die Kinder weitreichende Folgen haben, indem sie die Entwicklung ihrer Beziehungen zu sich selbst und zu anderen, auf die ich in den folgenden Ausführungen näher eingehen werde, gefährden können (vgl. Schmitt, 1997, 24-25). Manche Kinder versuchen auch z.B. durch die Entwicklung von Symptomen die Eltern von ihren Konflikten abzulenken und die Familie zusammenzuhalten (vgl. Textor, 1991b, 20-21). Diese Beziehungserfahrungen, die Kinder in der konfliktgeladenen Vorscheidungs-phase machen, haben je nach Alter der Kinder Auswirkungen auf ihre intrapsychische Entwicklung (vgl. Bauers, 1997, 44), die ich nun beschreiben werde. 3.1.3.1 Beeinträchtigung des Ur-Vertrauens bei Kleinkindern im ersten Lebensjahr Nach der Theorie der psychosozialen Entwicklung von Erikson21, macht jeder Mensch in seinem Leben eine Persönlichkeitsentwicklung durch, die psychosexuelle und psychosoziale Entwicklungsschritte beinhaltet. Erikson teilt sie in acht Phasen ein, wobei jede Phase durch spezifische Formen der Sexualität, bzw. der sozialen Interaktion gekennzeichnet ist. Jede Phase beinhaltet psychosoziale Aufgaben, die gelöst werden müssen. Angemessene Lösungen führen zur gesunden Persönlichkeitsentwicklung. Die erste Phase, die ein Säugling im ersten Lebensjahr durchläuft, nennt Erikson „Ur-Vertrauen versus Ur-Mißtrauen“. Ur-Vertrauen kann dann entstehen, wenn auf die Bedürfnisse des Säuglings angemessen eingegangen wird und seine Äußerungen bei Hunger, Durst, Kälte, Unwohlsein verstanden und adäquat beantwortet werden, er eine stetige, stabile und liebevolle Beziehung zu seinen Bezugspersonen erfährt. Das Kleinkind entwickelt Vertrauen in die soziale Umwelt und Vertrauen in die eigene Person. Bleiben dagegen stabile soziale Beziehungen aus, dann entsteht Ur-Mißtrauen. Das Kleinkind erfährt, daß es weder seiner Umwelt noch sich selbst trauen kann. Angst, Hemmungen und mangelndes Selbstvertrauen werden langfristige Folgen sein (vgl. Langfeldt, 1993, 76-81). 21 Nähere Ausführungen sind enthalten in: Erikson, 1971; 1989). 37 Ehekrisen der Vorscheidungsphase, die die Eltern stark belasten, führen oft dazu, daß die Eltern mit ihren eigenen seelischen Problemen so stark beschäftigt sind und unter großen Anspannungen stehen, daß sie weniger in der Lage sind, angemessen und einfühlsam auf die Bedürfnisse der Kinder zu reagieren (vgl. Figdor, 1991, 85). Das langandauernde und zum Beziehungsmuster werdende Auseinanderklaffen zwischen den Bedürfnissen des Kindes und den Handlungen der Eltern kann die Entwicklung des Ur-Vertrauens beeinträchtigen (vgl. ebd., 83). Natürlich legen die frühesten Lebenserfahrungen des Kindes nicht schon das spätere Leben des Kindes fest, aber sie bilden das Fundament der künftigen Entwicklung. Die Erlebnisse, die ein Kind mit seinen Bezugspersonen erfahren hat, hat es als Erfahrungs- und Reaktionsmuster verinnerlicht. Mit diesem Erfahrungshintergrund wird ein Kind auf spätere Situationen reagieren, gerade auch in Krisensituationen. Kinder, deren frühe Erfahrungen mit seinen Bezugspersonen mit massiven Konflikten belastet sind, deren Ur-Vertrauen beeinträchtigt ist, neigen auch später verstärkt zu Liebesverlustängsten, zu depressivem Rückzug angesichts äußerer oder innerer Beziehungskonflikte, und es mangelt ihnen in Krisensituationen an Zuversicht, an Überzeugung der eigenen Kraft und Stärke und an neugieriger Offenheit für neue Erfahrungen. Machen solche Kinder nun die Erfahrung einer Scheidung ihrer Eltern, sind sie vermutlich für die Bewältigung der damit verbundenen Belastungen besonders schlecht gerüstet (vgl. ebd., 86-87). 3.1.3.2 Beeinträchtigung der Individuation und der Entwicklung von Objektbeziehungen des Kindes in der Wiederannäherungsphase Im Laufe des ersten Lebensjahres lernen die Kinder Vater und Mutter als getrennte Personen zu erkennen, die in unterschiedlicher Weise mit ihnen umgehen. Das Kind entwickelt Beziehungen zu Vater und Mutter, die sich gegenseitig beeinflussen. Diese Dreierbeziehung zwischen Vater, Mutter und Kind nennt man in der psychoanalytischen Entwicklungstheorie die Triangulierung. Besondere Bedeutung hat sie in dem psychischen Prozeß, in dem sich das Kleinkind aus der engen Beziehung, der sogenannten Symbiose22, mit seiner Bezugsperson, in den meisten Fällen die Mutter, löst und sich als eigenständiges Selbst (Subjekt) erlebt (vgl. Figdor, 1991, 88-89). 22 Mit Symbiose ist die erlebte Einheit zwischen Säugling und der primären, ihn versorgenden und 38 Diesen Prozeß nennt Mahler den Loslösungs- und Individuationsprozeß23. Sie teilt ihn in vier Phasen ein, auf die ich hier im einzelnen nicht näher eingehen werde. Der Prozeß dauert in der Regel bis zum Abschluß des dritten Lebensjahres und ist dann erfolgreich abgeschlossen, wenn das Kind intrapsychische Autonomie, d.h. innere Selbst- und Objektrepräsentanzen, d.h. innere Vorstellungen von sich und von seinen Bezugspersonen, aufgebaut hat. Das Kind ist nun in der Lage, unabhänig von der Anwesenheit anderer Menschen das Selbstgefühl und die Vorstellung von Objekten aufrecht zu erhalten (vgl. Overbeck, 1994, Kap.III, 34-98). Der Höhepunkt der Loslösung und Individuation liegt in der Wiederannäherunsphase, der dritten von Mahler formulierten Phase. Sie liegt etwa zwischen dem 14. Lebensmonat und zwei Jahren. Welche Entwicklung vollzieht sich nun normalerweise in dieser Phase24? Körperliche Reifung und Ich-Entwicklung sind in der zweiten Hälfte des zweiten Lebensjahres eines Kleinkindes soweit fortgeschritten, daß Mutter und Kind sich langsam aus der symbiotischen Einheit lösen. Das Kind kann laufen und beginnt langsam sich verbal zu äußern, was seine Autonomie fördert und es zur weiteren Individuation drängt. Es verfügt immer mehr über eine innere Vorstellung von sich selbst und von den Objekten, zu denen es Beziehungen hat. In dieser erworbenen Unabhängigkeit wird dem Kind gleichzeitig schmerzlich das Getrenntsein von der Mutter bewußt. In der Wiederannäherungsphase findet ein doppelter Kampf statt, einerseits gegen die Verschmelzung mit der Mutter und andererseits gegen die Isolierung. Das Kind pendelt zwischen seinem Bedüfnis nach Anklammern an die Mutter, nach Festhalten an der sicherheitsspendenden Abhängkeit und nach Autonomie und Selbständigkeit hin und her. In diesem Konflikt erlebt es große Ambivalenz gegenüber der Mutter. Es reagiert oft wütend und aggressiv, wenn seine Wünsche und die der Mutter unterschiedlich sind. Eine wichtige Entwicklungsaufgabe des wachsenden Ichs des Kindes besteht nun darin, mit dieser Aggression zur Mutter umzugehen. Gelingt die Bewältigung des Konfliktes der Wiederannäherungsphase, so kann das Kind gleichzeitig die Wut, den Haß und die Liebe zur Mutter integrieren. Das Kind kann sich innerlich von der Mutter lösen und verinnerlicht ein Selbstbild und ein Objektbild, in dem jeweils positive und negative Anteile integriert sind (vgl. Rotmann, 1978, 11151116). Das Kind erwirbt die sogenannte Objektkonstanz, d.h. das Wissen um das Getrenntsein von Selbst und Objekt. Es kann unterscheiden zwischen eigenen Gefühlen und solchen, die es am Objekt erlebt. Außerdem weiß das Kind nun, daß die Mutter es auch dann liebt und schützt, wenn sie etwas verbietet oder schimpft und wieder zurückkommt, wenn sie gerade abwesend ist. Das Kind kann also bemutternden Bezugsperson, in der Regel der Mutter, gemeint. In den ersten Monaten erlebt sich der Säugling nicht als getrenntes Subjekt, sondern in Verbindung mit dieser Bezugsperson (psychologisches Einssein von Mutter und Kind). Es nimmt keine von sich unabhängig vorhandene Personen wahr (vgl. Overbeck, 1994, Kap.III, 2-33). 23 Nähere Ausführungen über diese psychoanalytische Entwicklungstheorie sind zu finden in: Mahler, 1972. 24 Die folgenden Ausführungen gehen von der üblichen, traditionellen Rollenverteilung in vollständigen Familien, d.h., daß die Mutter primär für das Kind verantwortlich ist, aus. Im Rahmen dieser Arbeit können andere alternative Beziehungsformen im Kontext dieser frühkindlichen Entwicklung nicht berücksichtigt werden. Erläuterungen zur Entwicklungsbedingung von Kindern in alternativen Familienformen sind zu finden in: Rauchfleisch, 1997. 39 Trennungen erleben, ohne Angst vor Selbstverlust. Weiterhin hat es die Fähigkeit zur Ambivalenz erworben, d.h. es akzeptiert, daß ein und dasselbe Objekt befriedigende und frustrierende Seiten hat, welches von ihm geliebt und gehaßt werden kann. Es erkennt, daß es durch eigene Wut und Frustrationen nicht gleich Angst haben muß, die Beziehung zum Objekt zu verlieren. Die Objektkonstanz gehört zu den unerläßlichen Erwerbungen für eine gesunde psychische Entwicklung (vgl. Figdor, 1991, 82). Laut Figdor ist die Bewältigung dieser Wiederannäherungsphase von großer Bedeutung in Bezug auf die Bewältigung der Nach-Scheidungskrise für Kinder, da sie hier Fähigkeiten hinsichtlich Trennungserlebnissen erwerben, die ihnen vermutlich helfen, die belastende Situation einer Trennung von einem Elternteil leichter verarbeiten zu können. Die Wiederannäherungsphase ist hinsichtlich des Scheidungserlebnisses auch nach Meinung Figdors deshalb bedeutend, da viele jüngeren Kinder (bis ca. sechs, sieben Jahre) durch eine Trennung von einem Elternteil bevorzugt in diese Phase regredieren und dann die phasentypischen Konflikte oft ohne den Vater erleben müssen (vgl. ebd., 89). Gelingt die Verselbständigung in der Wiederannäherungsphase nicht, kann sich das Kind auf Dauer von der Mutter in seiner Autonomie bedroht fühlen und versucht sich deshalb häufig mit Hilfe von aggressiv verzweifelten Auseinandersetzungen gegen das „Verschlungenwerden“ zu wehren (vgl. Rotmann, 1978, 1116). Damit die Bewältigung der Wiederannäherungsphase gelingen kann, sind bestimmte Entwicklungsbedingungen notwendig. Besondere Bedeutung hat der Prozeß der Triangulierung, d.h. eine bestimmte Dreier-Beziehung, die dem Kind hilft, sich von der Mutter zu lösen. Der Vater, den das Kind im ersten Lebensjahr schon als von der Mutter unterschiedliches Objekt wahrgenommen hat, wird im Loslösungsprozeß zum dritten Objekt, der dem Kind eine unabhängige, getrennte Beziehung zur Mutter vorlebt. In der Identifikation mit dem Vater kann das Kind die Trennung mit der Mutter wagen. Das Kind benötigt die Beziehung zu einem dritten Objekt, es braucht die Verinnerlichung der Beziehung zu zwei getrennten Objekten, um sich aus der Verschmelzung mit der Mutter lösen und sich als selbständiges Selbst wahrnehmen zu können (vgl. ebd.,1117-1118). Wie schon beschrieben erlebt das Kind in der Wiederannäherungsphase oft Wut und Haß gegenüber der Mutter, von der es sich lösen will. Diese Erfahrung der Aggression bedroht das Kind, weil es fürchtet, die Mutter und ihre Liebe dadurch zu verlieren. Das Kind kann sich den Haß gegenüber der Mutter eigentlich nicht leisten, da es die Mutter braucht, von ihr abhängig ist (vgl. ebd.,1106). Das Kind hat in dieser Zeit zwei völlig konträre Vorstellungen von der Mutter. Zum einen das Bild der ganz guten, schützenden, Befriedigung gebenden Mutter und zum anderen der ganz bösen, zurückweisenden Mutter, die bedrohlich erlebt wird (vgl. Figdor, 1991, 90). Zur Bewältigung dieses Konfliktes und zur Verinnerlichung einer Muttervorstellung, die sowohl negative als auch positive Seiten hat, ist die Beziehung zu einem dritten Objekt besonders wichtig. Diese Beziehung gibt dem Kind die Möglichkeit, mit dem Frustrationshaß auf die Mutter umzugehen, den Haß zu integrieren. Die Beziehung zum Vater, als drittem Objekt, bietet dem Kind 40 Entlastungsmöglichkeit und Sicherheit, da es erlebt, daß dieser ein Getrenntsein von der Mutter lebt und trotzdem ein liebevolle Beziehung zu ihr hat. Diese Erfahrung eröffnet dem Kind die Möglichkeit einer neuartigen, nicht-symbiotischen Liebesbeziehung zur Mutter. Es kann sich als getrenntes Subjekt erleben, ohne die Angst haben zu müssen, die Beziehung zur Mutter zu verlieren, und kann ein Mutterbild mit negativen und positiven Anteilen integrieren. Aus diesen Erläuterungen wird deutlich, daß für die Ablösung des Kindes nicht nur die Beziehung des Kindes zu zwei verschiedenen Personen, zu Vater und Mutter, wichtig ist, sondern auch die Beziehung, die zwischen den beiden Personen herrscht. Mit der Hinwendung zum Vater identifiziert sich das Kind gleichzeitig auch mit dessen Beziehung zur Mutter. Besteht eine enge, liebevolle Beziehung zwischen Vater und Mutter, so kann sich das Kind ohne Angst, ohne die Gefahr vollständiger Trennung, von der Mutter lösen, da es über die Identifikation mit dem Vater die Beziehung zur Mutter nicht verliert, sondern in reiferer Form entwickeln kann. Wichtig ist auch, daß die Mutter, d.h. die erste Bezugsperson, die dritte Person als Mittler anerkennt und wertschätzt, und daß diese Person für das Kind emotional verfügbar sein muß (vgl. Rotmann, 1978, 1105-1147). Unter diesen günstigen Entwicklungsbedingungen verfügt das Kind mit etwa drei Jahren über mindestens zwei eigenständige verinnerlichte Objekte, zu denen es jeweils eine eigenständige Beziehung halten kann, d.h. es hat die Fähigkeit erworben, gleichzeitig zu mehreren Objekten reife, autonome Beziehungen zu führen (vgl. Figdor, 1991, 110). Wie können sich nun Ehekonflikte in der Vorscheidungsphase möglicherweise auf diese Entwicklung der Individuation des Kindes auswirken? Wie schon beschrieben, kann es in Ehekonflikten zu Koalitionsbildungen kommen. Kinder werden von einem Partner zur Unterstützung gegen den anderen gebraucht. Diese Kinder erfahren häufig ein sogenanntes „Triangulierungsverbot“. Diese Kinder müssen nämlich als Koalitionspartner den anderen Elternteil ablehnen, wodurch die dyadische Beziehung zum Koalitionselternteil stabilisiert wird und die Entwicklung der Drei-Personen-Beziehung, die für die Verselbständigung des Kindes und die Entwicklung mehrerer reifer Objektbeziehungen notwendig wäre, behindert wird. Somit wird einerseits die Loslösung von einer symbiotischen Zweierbeziehung zwischen dem Kind und seiner Bezugsperson behindert und das Kind erwirbt vermutlich andererseits nicht die Fähigkeit, zu mehreren Personen gleichwertige Beziehungen nebeneinander führen zu können, ohne diese als Verrat gegen seine symbiotische Beziehung zur Bezugsperson erleben zu müssen. Solche Kinder verinnerlichen oft ein vorwiegend dyadisches Beziehungsmuster, häufig mit dem Bedürfnis nach einer exklusiven Zweierbeziehung, verbunden mit der Sehnsucht nach Vollkommenheit und Harmonie. Diese Wünsche können vermutlich alle weiteren Beziehungen des Kindes und später des Erwachsenen bestimmen (vgl. Bauer, 1997, 45; Rotmann, 1978, 1142). Weiterhin ist in der Vorscheidungsphase in den meisten Fällen keine liebevolle Beziehung mehr zwischen den Eltern vorhanden. Entweder haben sie sich voneinander zurückgezogen oder sie befinden sich z.B. sehr oft im gegenseitigen Streit und Kampf. In einer solchen Situation, in der sich ein Ehepartner zurückzieht und die lebendige Liebesbeziehung zwischen Vater und Mutter nicht mehr existiert, kann zwar das Kind zu beiden Personen eine 41 Objektbeziehung erfahren und zwischen mütterlichen und väterlichen Objekt unterscheiden, aber ihm fehlt das positive, angstfreie Modell einer nicht-symbiotischen Liebesbeziehung zur Mutter. Die Loslösung von der Mutter-Symbiose würde in diesem Fall zum Synonym für Beziehungslosigkeit werden. Unter solchen Umständen schaffen es Kinder vermutlich nicht, sich genügend von der Mutter zu individuieren. Solange der Vater für das Kind verfügbar bleibt, kann die unvollständige Individuation des Kindes von der Mutter oft gut kompensiert werden und es kann sein psychisches Gleichgewicht aufrechterhalten, ohne daß sich psychische Störungen entwickeln müssen. Die Beziehung zum Vater bietet dem Kind die Möglichkeit, genügend Distanz zur Mutter halten zu können. Käme es in diesem Falle zu einer Scheidung, bei der der Vater für das Kind nicht mehr verfügbar wäre, so fiele die Entlastungsfunktion des Vaters weg. Das Kind würde sich der Macht der Mutter ausgeliefert fühlen und müßte sich durch z.B. massive aggressive Auseinandersetzungen vor einem „Verschlungenwerden“ wehren. Da das Beziehungsband zwischen den Eltern fehlt, entwickelt das Kind oft auch nicht die Fähigkeit, mit zwei Objekten gleichzeitig eine Beziehung zu haben, wie bereits schon bei den Koalitionsbildungen beschrieben, da es meist entweder nur mit der Mutter oder dem Vater umgeht und sich beide Beziehungen geradezu ausschließen. Außerdem muß es stets um die Beziehung des anderen fürchten und es kommt in große, schwer erträgliche Loyalitätskonflikte 25. Das Kind möchte zu beiden Elternteilen eine liebevolle Beziehung, fürchtet aber durch die Liebe zu dem Elternteil, der vom anderen abgelehnt wird, jeweils diesen Elternteil zu verraten und seine Liebe zu verlieren (vgl. Figdor, 1991, 96-97; 102). Im Falle, daß zwischen den Eltern eine vorwiegend aggressive Beziehung herrscht, besteht die Möglichkeit, daß dem Kind damit signalisiert wird, daß mit der Loslösung von der Mutter die Gefahr besteht, die Mutter als Liebesobjekt zu verlieren, da der von der Mutter getrennte Vater dem Kind keine Liebesbeziehung zur Mutter vorlebt, was Kinder massiv beängstigen und bedrohen würde (vgl. ebd., 93). Außerdem kann auch die Gefahr bestehen, wenn Kinder eine überwiegend aggressive Beziehung ihrer Eltern erleben, daß sie diese Beziehung als Modell ihrer Ablösung von der Mutter nehmen. Der aggressive Vater wird zum Vorbild der Loslösung von der Mutter. Durch die Identifikation mit ihm gewinnt das Kind die Stärke, sich mit Aggressionen von der Mutter abzugrenzen. Bei solchen Kindern nehmen Aggressionen wohl dann einen hohen Stellenwert in ihrer psychischen Struktur ein. Allerdings verhindert diese Aggressivierung der Objektbeziehung zur Mutter die Individuation des Kindes, da es die Mutter nicht als Objekt erleben kann, das positive und negative Anteile besitzt und das geliebt und gehaßt werden kann (vgl. ebd., 105), weil es nur die negativen Anteile der Mutter sieht. 25 Sprachlich kommt das Wort „Loyalität“ von dem französischen Begriff „loi“ (= Gesetz) und bedeutet somit gesetzestreues Verhalten.Auf der Ebene des Familiensystems läßt sich Loyalität als die Erwartung der Einhaltung bestimmter Regeln verstehen, bei deren Mißachtung Sanktionen drohen. Es stellt ein Gefühl der Verbundenheit und Verpflichtung gegenüber der Familienmitglieder dar (vgl. Simon u. Stierlin, 1993, 222-224). 42 3.1.3.3 Beeinträchtigung der ödipalen Entwicklung Etwa im vierten Lebensjahr kommt es zur ödipalen Entwicklung des Kindes, die dessen Beziehung zu Vater und Mutter wiederum verändert. Jungens richten ihre zärtlichen, sexuellen und besitzergreifenden Strebungen auf die Mutter, die Mädchen dagegen auf den Vater. Angesichts der Liebesbeziehung zu den Eltern erleben die Kinder den gleichgeschlechtlichen Elternteil als Rivale. Die gleichgeschlechtliche Beziehung ist deshalb mit massiven psychischen Konflikten verbunden, die die Kinder bedrohen und beunruhigen. Unter günstigen Umständen gelingt es den Kindern, durch die Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, diesen Konflikt zu lösen. Durch diese Identifizierung mit dem als Rivalen erlebten Elternteil sichern sich die Kinder die Beziehung zum ödipalen Liebesobjekt (vgl. Figdor, 1991, 110). Die Identifikation ermöglicht den Kindern außerdem eine sexuelle Identität zu erlangen. Mit der Bewältigung der ödipalen Phase erwirbt das Kind die psychischen Strukturen, die ihm später als Heranwachsenden die innere und äußere Ablösung von seinen primären Objekten (Bezugspersonen) und das Eingehen reifer Objektbeziehungen ermöglicht. Für das Gelingen der ödipalen Phase, für die Entwicklung stabiler Objektbeziehungen ist die Erfahrung einer konstanten, überwiegend liebevollen Beziehung zwischen den Eltern wichtig (vgl. Bauers, 1997, 46). Durch die Lösung des Ödipuskonfliktes lernen Kinder, zwischen dem vierten und siebten Lebensjahr, den Generationenunterschied zwischen den Eltern und sich selbst zu akzeptieren. Sie können jetzt die Überlegenheit der Eltern, die sie vorher noch ängstigte, für sich nutzen, indem sie die Sicherheit und Geborgenheit genießen, die von der elterlichen Stärke ausgeht. Außerdem beginnen Kinder, die die ödipale Phase bewältigt haben, sich vermehrt Beziehungen außerhalb der Familie, z.B. Lehrern, Gleichaltrigen zu zuwenden. Mißlingt allerdings die Lösung des Ödipuskonfliktes, kann die Eroberung des außerfamilialen Lebensbereiches erschwert werden. Es kann z.B. sein, daß die Beziehungen zu den Eltern soviel Aufmerksamkeit und Energie kosten, daß für Kinder kaum mehr Freiraum für außerfamiliale Beziehungen bleibt. Außerdem werden die Erfahrungen, die ein Kind in seiner frühen Kindheit mit seinen Bezugspersonen macht, verinnerlicht und beeinflussen seinen weiteren Umgang mit Beziehungen. So kann die Gestaltung neuer Beziehungen zu Erwachsenen und Kindern für Kinder, deren ödipale Entwicklung sehr problematisch verlief, sehr schwierig werden (vgl. Figdor, 1991, 111112). Welche möglichen problematischen Beziehungsmuster in der ödipalen Phase aufgrund von Ehekonflikten der Eltern in der Vorscheidungsphase herrschen können, möchte ich nun kurz erläutern. Zwischen schwer zerstrittenen Eltern herrscht z.B. in vielen Fällen große Eifersucht gegenüber den jeweiligen Beziehungen zu den Kindern und jeder Elternteil versucht, die Kinder für sich zu gewinnen. Kinder geraten durch ein solches Elternverhalten oft in große Loyalitätskonflikte, wie bereits in der Wiederannäherungsphase beschrieben. Kinder, deren frühe Beziehungen zu ihren Bezugspersonen durch Loyalitätskonflikte belastet waren, die nicht gelernt haben, mit Dreier-Beziehungen umzugehen, d.h. zu verschiedenen Personen gleichwertige Beziehungen nebeneinander leben zu können, ohne das Gefühl haben zu müssen, eine dritte Person dadurch zu verraten, neigen vermutlich dazu, Menschen zu werden, die permanent das Gefühl haben, sich zwischen zwei oder mehreren Personen entscheiden zu 43 müssen und den abwesenden „Dritten“ dadurch zu verletzen oder seine Sympathie zu verlieren. Diese Menschen befinden sich in einer großen inneren Zerrissenheit. Außerdem können Loyalitätskonflikte, die durch die aggressive Beziehung der Eltern zueinander hervorgerufen werden, verhindern, daß sich die Kinder in der ödipalen Phase mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil identifizieren. Für die Kinder würde nämlich eine Identifizierung mit dem gleichgeschlechlichen Elternteil, der den anderen Elternteil ablehnt, bedeuten, ebenfalls den gegengeschlechtlichen Elternteil hassen zu müssen. Um diesem Konflikt auszuweichen, findet vermutlich eine teilweise Identifizierung mit dem gegengeschlechtlichen Elternteil statt, um sich dadurch das „ödipale Liebesobjekt“ zu erhalten. Dies kann allerdings zu einer Beeinträchtigung der sexuellen Identitätsentwicklung für die Kinder führen. Eine aggressive Beziehung zwischen den Eltern muß aber nicht immer eine gleichgeschlechtliche Identifikation des Kindes verhindern, sondern sie kann auch dazu führen, daß das Kind sich trotzdem mit dem gleichgeschlechlichen Elternteil identifiziert und gleichzeitig dessen Haß auf den anderen mit verinnerlicht. Dadurch wird aber die ödipale Liebesbeziehung und damit wohl auch die spätere Fähigkeit zur heterosexuellen Liebe stark beeinträchtigt. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, daß aggressive Auseinandersetzungen zwischen den Eltern, ihr eifersüchtiger Kampf um die Liebe der Kinder die Lösung des ödipalen Konfliktes erschweren, nämlich die Identifikation mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil und somit die reife Entwicklung von autonomen Liebesbeziehungen zu Mutter und Vater. Dies kann zur Folge haben, daß Kinder in ihrer geschlechtlichen Identität und in der Gestaltung und dem Umgang mit Dreierbeziehungen beeinträchtigt werden (vgl. Figdor, 1991, 114-118). Bei manchen Kinder, die in den ersten sechs Jahren massive psychische Konflikte aufgrund der Partnerschaftskonfikte ihrer Eltern erleben, d.h. die zusätzlich zu den entwicklungstypischen psychischen Aufgaben und Anforderungen noch weitere Belastungen aufgrund der Ehekrise ihrer Eltern bewältigen müssen, kann es zur Entwicklung neurotischer Symptome26, wie z.B. Bettnässen, hysterische Angstanfälle und Phobien (d.h. einer konstanten, irrationalen Furcht vor bestimmten Tieren, Menschen, Plätzen, Orten, vor Dunkelheit, vor dem Einschlafen etc.), zu charakterlichen Veränderungen, z.B. eine starke allgemeine aggressive Reaktionsbereitschaft, Ängstlichkeit und Scheuheit, Unterwürfigkeit, Neigung zu depressiven Verstimmungszuständen, Affekt- und/oder Phantasiearmut kommen. Viele Eltern erkennen diese Verhaltensauffälligkeiten nicht als Zeichen seelischer Konflikte und sehen sie nicht in Zusammenhang mit ihren Partnerschaftskonflikten. Sie verstehen sie vielmehr als reines Fehlverhalten, das sie den Kindern zum Vorwurf machen (vgl. Figdor, 1991, 115-116). 26 Neurotische Symptome entstehen nach psychoanalytischem Verständnis, wenn massive psychische Konflikte ins Unbewußte verdrängt werden müssen, da sie das Bewußtsein zu sehr bedrohen. Neurotische Symptome sind sich zwingend durchsetzende und wiederkehrnde Wahrnehmungs-, Verhaltensweisen, Gefühlszustände oder Wünsche. Sie sind durch willentliche Anstrengung kaum veränderbar, weil sie eine wichtige psychische Funktion erfüllen, und zwar unerträgliche 44 3.1.3.4 Beeinträchtigung der Entwicklungen in der Adoleszenz Eine weitere Ablösungsphase von den primären Bezugspersonen, den Eltern, geschieht in der Adoleszenz, der Zeit der Pubertät27. In dieser Entwicklungsphase muß der Jugendliche zu einer eigenen Identität finden, d.h. eigene Lebensziele und Werte entwickeln, sich mit seiner Geschlechtsrolle auseinandersetzen, und sich von den Eltern intrapsychisch ablösen, um sich Peers (Gruppe der Gleichaltrigen und Gleichgesinnten, vgl. Langfeld, 1993, 94) zuzuwenden und später eine gegengeschlechtliche Patnerschaft eingehen zu können. Diese Phase ist mit großer Verunsicherung und Erschütterung der psychischen Strukturen verbunden. In dieser Zeit wird die fehlende Unterstützung der Eltern als besonders enttäuschend erlebt. Durch eigene Ehekonflikte schaffen es viele Eltern z.B. nicht, ihren adolszenten Kindern ein notwendiges, Halt und Orientierung gebendes Gegenüber für die in dieser Zeit üblichen oft aggressiv gefärbten Auseinandersetzungen zu sein. Andere Eltern brauchen ihre Kinder zur psychischen Unterstützung in ihren Ehekonflikten und können so eine Loslösung der inneren Bindungen der Jugendlichen an sie nicht zulassen. Viele Jugendliche ziehen sich immer mehr innerhalb der Familie zurück, da sie oft unfähig sind, hoffnungsvolle und gelingende altersentsprechende Beziehungen zu knüpfen. Jugendliche entwickeln oft das Gefühl, weder die Angst vor den alten abhängigen Bindungen, noch die Angst vor den neu ersehnten Bindungen überwinden zu können. Sie leiden deshalb oft unter dem Gefühl, nirgends dazuzugehören. Dies kann sie in schwere Selbstwertkrisen und zu Suicidgedanken führen. Brauchen die Eltern ihre jugendlichen Kinder weiterhin ich-stützend zur Bewältigung ihrer Ehekrise und behinderte die Einbeziehung in den Ehekonflikt auch schon die frühe Loslösung in den vergangenen Entwicklungsphasen, bleiben die Kinder vermutlich intrapsychisch an die Eltern gebunden, was eine Gestaltung einer eigenen Partnerschaft wahrscheinlich wiederum krisen- und konflikthaft machen kann, ähnlich wie die Beziehung der Eltern (vgl. Bauers, 1997, 47). Diese Erläuterungen zeigen, daß bereits vor der Scheidung für einige Kinder die Entwicklung psychischer Beeinträchtigungen beginnt, d.h. Störungen in ihren Objektbeziehungen und in ihrer IchEntwicklung, und die nach der Scheidung auftretenden Symptome und Reaktionen, auf die ich in Kapitel 4 meiner Arbeit eingehen werde, durch diese Vorscheidungserfahrungen mitbegründet sind und nicht mit der Scheidung allein in Verbindung gebracht werden dürfen. Viele Entwicklungsbeeinträchtigungen bestehen schon vor der Scheidung und sind Folge der Entwicklungsbedingungen der Konfliktfamilie (vgl. Figdor, 1991, 118) und zeigen sich z.B. auch bei Kindern, deren konflikthafte Familien nicht geschieden werden (vgl. Bauers, 1997, 47). Zur Problematik der Konfliktfamilien versus Scheidungsfamilien siehe Punkt 4.2.3. 27 psychische Konflikte im Unbewußten verdrängt halten (vgl. Figdor, 1991, 31-33). Zur Entwicklungsphase der Adoleszenz bzw. Pubertät vgl.: Bourne u. Ekstrand, 1992, 340-345; Langfeld, 1993, 89-94). 45 3.2 Scheidungsphase Die Scheidungsphase beginnt mit der endgültigen Trennung der Ehepartner und endet mit dem Scheidungsurteil. Sie dauert aufgrund gesetzlicher Vorschriften in der Regel mindestens ein Jahr, da laut BGB §1565 - §1566 eine Ehe geschieden werden kann, wenn sie gescheitert ist und dies angenommen wird, wenn die Ehepartner seit einem Jahr getrennt leben. Generell läßt sich die Scheidungsphase in den Zeitraum nach der endgültigen Trennung und in den Zeitraum um die gerichtliche Scheidung herum unterteilen. 3.2.1 Die Trennung und die Zeit danach (Trennungsphase) Die Trennung bedeutet für die Ehepartner eine Vielzahl von Veränderungen im psychischen, sozialen, finanziellen und beruflichen Bereich. Vielfach müssen in Folge einer Trennung Lebensweisen, Gewohnheiten, die wahrzunehmenden Rollen und damit das eigene Selbstbild neu definiert und gestaltet werden. Die einzelnen Betroffenen reagieren ganz individuell auf diese Veränderungen, was von einer Vielzahl von Faktoren abhängt. Ich möchte im Rahmen meiner Arbeit nicht ausführlich auf Bewältigungsstrategien der Ehepartner in Bezug auf die Trennung eingehen, sondern hier nur auf einige Bedingungen hinweisen, die den Umgang der Ehepartner mit der Trennung beeinflussen können. Einen starken Einfluß auf den Umgang mit der Trennung hat die Art und Weise, wie es zu ihr kommt. So ist bedeutend, ob die Trennung von beiden Partnern gewollt und initiiert wird, ob sie plötzlich und unerwartet oder nach langer konflikthafter Zeit eintritt und ob z.B. ein außereheliches Verhältnis des Ehepatners bei der Trennung eine Rolle spielt. Die unterschiedlichen Reaktionsweisen auf die Trennung hängen außerdem ganz entscheident davon ab, wie die Trennung im Hinblick auf die eigene Gegenwart und Zukunft von den Betroffenen subjektiv bewertet wird. „Sieht ein Getrenntlebender die Scheidung in erster Linie als Chance des Neubeginns, so wird er relativ schnell über sie hinwegkommen. Betrachtet er sie hingegen als Verstoß gegen Gottes Ordnung, als Folge des eigenen Versagens oder als Zeichen, daß er unattraktiv ist und nicht liebenswert ist, so wird er lang an der Trennung leiden“ (Textor, 1991b, 28). Weiterhin hängt die Art der Bewältigung der Trennung davon ab, über welche persönlichen Ressourcen Betroffene im Hinblick auf den Umgang mit kritischen Lebenssituationen verfügen, ob sie z.B. schon viele erfolgreich angegangen sind. Eine große Rolle spielt auch, inwieweit die Trennungssituation als Verbesserung und Erleichterung gegenüber der Ehe erlebt wird. In manchen Fällen können z.B. die in der Vorscheidungsphase erlebten psychischen und psychosomatischen Störungen mit der Trennung verschwinden, da Ehekonflikte oder Angst vor dem Partner sich nun reduzieren können. Manche Getrenntlebende finden auch in einer neuen intimen Beziehung Zufriedenheit und Glück. Andere Personen, die z.B. viel in ihre Ehe investiert haben, die durch sie 46 einen großen Statuswert erlebt haben oder die mit der neuen Situation des Alleinlebens nicht fertig werden, leiden oft unter den negativen Folgen der Trennung. Besonders bedeutsam im Erleben der Trennung ist auch, welche soziale Unterstützung die Betroffenen von Freunden, Verwandten und Bekannten, d.h. von ihrem sozialen Netzwerk, bekommen. Entscheident ist, ob sie z.B. Kontakte haben, die ihnen Hilfe, Verständnis und Rückhalt im Umgang mit der neuen Situation bieten oder ob Freunde ihre Trennung ablehnen und sich von ihnen distanzieren. Manche Getrenntlebende verheimlichen auch selbst ihre neue Situation vor Freunden oder Bekannten und verhindern so selbst, daß sie Unterstützung bekommen. Sie fühlen sich dadurch oft sehr einsam und allein gelassen, was eine positive Bewältigung der Trennung erschwert. Welche Faktoren für eine positive Scheidungsbewältigung der Erwachsenen entscheidend sein können, erläutere ich in Punkt 3.3.1. Je nach Situation der Betroffenen kann die Trennung zu einer Verschlechterung oder einer Verbesserung ihres physischen und psychischen Zustandes führen. Betroffene berichten z.B. von Gefühlen wie Schmerz, Trauer, emotionaler Erstarrung, Selbstmitleid, Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Aggressivität, Wut, Haß, Verbitterung, Rachegefühle, Minderwertigkeitsgefühle, Selbstzweifel, Schuldgefühle etc. Manche leiden auch unter psychischen und psychosomatischen Störungen, wie Schlafstörungen, Depressionen, Apathie, Nervosität, Kopfschmerzen etc. Andere berichten von Drogen- und Medikamentenmißbrauch, erhöhtem Alkohol- und Nikotingenuß etc. Allerdings gibt es auch Ehepartner, die nach einer Trennung über eine Zunahme ihres Selbstwertgefühls, eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes, einen Rückgang von Schlafstörungen und Depressionen berichten (vgl. Spanier u. Thompson, 1984 in: Textor, 1991b, 2728; Simenauer u. Carroll, 1982, in: Textor, 1991b, 27 u. 28). Auf genauere Erläuterungen der psychischen und physischen Auswirkungen einer Trennung für die Ehepartner möchte ich in meiner Arbeit verzichten, da, wie in der Einleitung beschrieben, der Schwerpunkt meiner Ausführungen auf den Auswirkungen der Trennung und Scheidung für Kinder liegt. Besonders wichtig ist vor allem für Ehepartner, die Kinder haben, wie sie ihre Beziehung nach einer Trennung zueinander gestalten. Haben sie keine Kinder, können sie sich oft einfach aus dem Weg gehen und ihre Beziehung muß nicht unbedingt umstrukturiert werden. Im Falle, daß sie Kinder haben, müssen sie ihre Ehegatten- und Elternrolle trennen, d.h. sich als Ehepaar voneinander lösen und als Elternpaar weiterhin für die Kinder verfügbar bleiben (vgl. Schmitt, 1997, 25). Zu welchen unterschiedlichen Beziehungsmustern es zwischen den Ex-Partnern kommen kann erläutere ich in Punkt 3.3.2. Haben sich Ehepartner gemeinsam zur Trennung entschlossen, so gelingt es vielen, nach der Trennung eine wenig belastende Beziehung zueinander aufzubauen und ihre Angelegenheiten, z.B. Aufteilung des Eigentums, Unterhalts- und Sorgerechts-regelungen auf rationale Weise zu klären. In anderen Fällen kann es nach der Trennung zu häufigen Auseinandersetzungen zwischen den Ehepartnern kommen. Oft brechen heftige negative Emotionen hervor und eine sachliche Klärung der Dinge ist nicht möglich. In vielen Fällen kommt es zu Machtkämpfen und zu einer Eskalation von Konflikten. 47 Viele Partner mißtrauen dem anderen, denken nur noch Schlechtes von ihm und weisen ihm die Schuld für die Trennung zu. Können sich die ehemaligen Ehepartner in ihren Angelegenheiten nicht einigen, werden oft Rechtsanwälte, Gerichte und Jugendämter eingeschaltet, was die Konfliktlage in den meisten Fällen noch verstärkt. In vielen Fällen werden die Kinder in die Konflikte mit hinein gezogen und auf ihre Kosten werden diese ausgetragen, z.B. wenn die Mutter den Kontakt zum Vater verbietet, weil dieser keinen Unterhalt bezahlt oder weil sie sich an ihm rächen will. 3.2.2 Die gerichtliche Scheidung28 Nach einer einjährigen Trennungszeit kann in der Regel eine Scheidung beim Familiengericht beantragt werden. Der Antrag muß über einen Anwalt gestellt werden. In dieser Phase des Scheidungsprozesses wird nun das Scheidungsverfahren vorbereitet und am Ende dieser Phase wird das Scheidungsurteil von einem Familiengericht ausgesprochen. Im Scheidungsverfahren werden die Scheidungsfolgen geregelt. Während des Scheidungsverfahrens besteht Anwaltszwang für beide Ehepartner. Zu den Scheidungsfolgen gehören: Regelung des Nachnamens, falls ein Partner diesen ändern will, Sorgerechts- und Umgangsrechtsregelungen, Unterhaltsregelungen, Versorgungs- und Zugewinnausgleich und Wohnungs- und Hausratsteilung (vgl. Horst, 1994). Das Familiengericht mußte seither, bis 01.07.1998, ohne Antrag der Ehepartner die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder regeln und über den Versorgungsausgleich (Klärung des Rentenanspruchs der Ehegatten) entscheiden. Über die weiteren oben genannten Folgesachen entscheidet das Gericht nur auf Antrag (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, 1993, 252-253). In der Scheidungsphase beauftragt in der Regel jeder der getrenntlebenden Partner einen Rechtsanwalt, seine Rechte zu vertreten. Diese Trennungs- und Scheidungsregelungen über Anwälte führen in vielen Fällen aus unterschiedlichen Gründen zu einer zusätzlichen Verschlechterung und konfliktverschärfenden Beziehung zwischen den ehemaligen Ehepartnern. So sind Rechtsanwälte meistens darauf aus, die bestmöglichen Ergebnisse für ihren Mandanten zu erzielen, ohne Rücksicht auf das Wohl der gesamten Familie und vor allem der Kinder. Viele ehemaligen Ehepartner wollen sich auch im Scheidungsverfahren am anderen rächen, ihn erniedrigen, um selber zu gewinnen und das verlorene Selbstwertgefühl wieder zu erlangen. So werden oft überzogene Forderungen an die andere Partei gestellt, die dann im Gegenzug ebenso reagiert. Außerdem verhindern Rechtsanwälte oft, daß sich die ehemaligen Ehepartner miteinander auseinandersetzen, sich austauschen, miteinander Kompromisse finden, vielleicht auch zu einer Versöhnung gelangen, da sie die Partner jeweils anhalten, nur über sie mit der anderen Partei beziehungsweise deren Rechtsanwalt in Kontakt zu treten. Eine günstigere Alternative zu diesen Anwaltsregelungen bietet die sogenannte Mediation oder Scheidungsfolgenvermittlung, die Betroffenen 48 hilft, gemeinsam, einvernehmlich und selbstverantwortlich die notwendigen Scheidungsvereinbarungen zu treffen und vertraglich festzulegen, auf die ich in Kapitel 5 näher eingehen werde. Auf die rechtlichen Fragen, Folgen und den genauen verfahrensrechtlichen Ablauf der Ehescheidung, mit Ausnahme der Sorgerechtsregelung, möchte ich in meiner Arbeit nicht näher eingehen und verweise deshalb auf folgende Literatur: Große-Boymann, 1998. Ab 01.07.1998, mit der Einführung des Kindschaftsreformgesetzes, wird nun nicht mehr vom Gericht über die Regelung der elterlichen Sorge entschieden, es sei denn, die Eltern beantragen ein gerichtliches Verfahren. Die Regel besteht darin, daß nun Eltern nach der Scheidung weiterhin die gemeinsame Sorge für ihr Kind behalten und der Staat nur eingreift, wenn dies von den Eltern verlangt wird (vgl. Sozialmagazin, 1997, 16). Da dieses Gesetz erst am 01.07. diesen Jahres in Kraft getreten ist, kann ich in meiner Arbeit noch nichts darüber schreiben, wie sich die Situation der Kinder in Bezug auf das Sorgerecht nun gestalten wird, d.h. wieviel Prozent der Eltern nun die gemeinsame Sorge beibehalten werden und welche Auswirkungen dies auf ihren Umgang mit den Kindern haben wird. Ich werde lediglich auf mögliche Auswirkungen hinweisen können, die diese neue gesetzliche Regelung vermutlich haben kann (vgl. Punkt 3.3.3). An dieser Stelle möchte ich nun einen kurzen Überblick über die möglichen Sorgerechtsregelungen geben, die ein Gericht hat, wenn es zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt und wie die bisherige Verteilung nach altem Recht aussah. 3.2.2.1 Sorgerechtsregelungen, die bis 01.07.1998 vom Familiengericht getroffen wurden Seit 1982 gibt es für das Familiengericht vier Alternativen bei der Regelung des elterlichen Sorgerechts nach einer Scheidung (vgl. Textor, 1991b, 63; Fthenakis et al., 1982, 190). Die jeweils angegebenen Zahlen zu der Verteilung der einzelnen Sorgerechtsregelungen stammen aus einer bundesweiten Sondererhebung im Rahmen der Justizstatistik vom 01.Juli 1994 - 30.Juni 1995 (vgl. Bundestagsdrucksache, 13/4899, 1996, 37). a) Alleiniges Sorgerecht: In der Regel wurde bisher einem Elternteil (in 82,93% der Fälle) das Sorgerecht übergeben. In 74,64% der Fälle haben die Mütter und in 8,29% der Fälle die Väter das Sorgerecht. b) Geteiltes Sorgerecht: In seltenen Fällen werden ein oder mehrere Kinder der Mutter und die übrigen dem Vater zugesprochen. Jeder Elternteil erhält das Sorgerecht für die bei ihm lebenden Kinder. c) Gemeinsames Sorgerecht: Beide geschiedene Elternteile behalten das Sorgerecht für ihre Kinder. Dies war bei 17,07% der Fall. Voraussetzungen hierfür waren, daß beide Elternteile weiterhin die Verantwortung für ihre Kinder gemeinsam tragen wollen, beide voll erziehungsfähig sind, und das Kindeswohl die 28 vgl. Textor, 1991b, 58-72. 49 Übertragung des Sorgerechts auf einen Elternteil nicht angezeigt erschienen ließ. Beide Elternteile sollten während der Trennungsphase eine positive Beziehung zu den Kindern haben. d) Keiner der beiden Eltern erhält das Sorgerecht, sondern ein Dritter, d.h. ein Pfleger oder Vormund (vgl. Fthenakis et al., 1982, 190). Dieser Fall tritt nur selten auf, wenn z.B. beide Eltern keine Gewähr dafür bieten, daß das Kind bei ihnen ohne Schaden zu nehmen aufwachsen kann, oder wenn beide Eltern durch Krankeit oder Abwesenheit nicht zur Verfügung stehen. Der jeweils nicht sorgeberechtigte Elternteil erhielt ein Umgangsrecht. Er war allerdings nicht verpflichtet, dieses auszuüben. Ab 01.07.1998 ist nun das Kindschaftsreformgesetz in Kraft getreten. Ich möchte nun kurz auf die nun geltenden Regelungen in Bezug auf das Sorgerecht bei Trennung und Scheidung eingehen (vgl. Schwab, 1998, 457-472). 3.2.2.2 Sorgerechtsregelungen nach dem Kindschaftsreformgesetz Im Falle einer Scheidung wird keine gerichtliche Entscheidung von Amts wegen mehr vorgesehen. Eine gerichtliche Sorgerechtsregelung im Falle einer Ehescheidung setzt einen Antrag eines Elternteils voraus. Im Normalfall bleibt die elterliche Sorge bei beiden Eltern, ohne daß darüber vom Gericht entschieden wird. Dem Antrag auf alleinige Sorge eines Elternteils ist vom Gericht stattzugeben, wenn der andere Elternteil diesem Antrag zustimmt oder zu erwarten ist, daß eine Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, bleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht (vgl. BGB, §1671 neue Fassung). Das gemeinsame Sorgerecht nach der Scheidung hat eine gesetzlich festgelegte Struktur. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zu alleinigen Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens, d.h. Entscheidungen, die oft vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben (z.B. Freizeitgestaltung, Behandlung leichterer Erkrankungen üblicher Art). In Entscheidungen oder Angelegenheiten, deren Regelung von erheblicher Bedeutung für das Kind sind, ist das gegenseitige Einvernehmen der Eltern erforderlich (z.B. Operationen, Schulwechsel) (vgl. BGB §1687). Außerdem ist das Umgangsrecht nicht mehr zuerst ein Recht der Eltern auf Umgang mit ihren Kindern, sondern ein Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Eltern (vgl. BGB §1684). Welchen Entwicklungsbedingungen sind nun Kinder in dieser Scheidungsphase möglicherweise ausgesetzt und welche Auswirkungen können diese auf die intrapsychische Entwichlung der Kinder haben? 50 3.2.3 Entwicklungsbedingungen und Auswirkungen derTrennungsphase auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder Für viele Kinder ist die Trennung ihrer Eltern eine verwirrende und verunsichernde Situation. Für die Kinder, die wenig Ehekonflikte miterlebt und die Beziehung ihrer Eltern als stabil eingeschätzt haben, ist die Trennung ein großer Schock. Kinder erleben eine Trennung zunächst nicht als Chance für einen Neubeginn, wie manche Erwachsene, sondern als Verlust eines Elternteils, als Verlust an Liebe, Zuneigung, Hilfe und Zugehörigkeit (vgl. Textor, 1991b, 48-49). Viele Kinder werden von ihren Eltern im Unklaren gelassen und erfahren manchmal bis zum letzten Tage nichts von der bevorstehenden endgültigen Trennung. Dies verstärkt die Verunsicherung und die Ängste der Kinder und erschüttert das Vertrauen zu ihren Eltern (vgl. Schmitt, 1997, 26). Diese mangelnde Information kommt häufig daher, daß die Eltern sich selbst oft nicht sicher sind, ob die Ehe zerbricht oder nicht. So zögern sie lange, bis sie das Thema der Trennung ansprechen (vgl. Furstenberg u. Cherlin, 1993, 45). Viele Kinder werden vielfach auch nicht über die Hintergründe und Ursachen der Trennung aufgeklärt. Auch erhalten sie kaum genügend Informationen, wie es weitergehen wird, welche Veränderungen in Zukunft zu erwarten sind. Ältere Kinder haben oft kein Mitspracherecht, was z.B. die zukünftigen Lebensverhältnisse, ob sie weiterhin bei Vater oder Mutter leben werden, angeht. So sind viele Kinder in dieser unsicheren Zeit mit ihren vielen Fragen allein gelassen. Sie entwerfen sich deshalb ihr eigenes Erklärungsmodell für die Scheidung ihrer Eltern. Sie befürchten dann eine negative Zukunft und entwickeln große Ängste, z.B. daß sie nicht mehr geliebt werden, daß ihre Bedürfnisse nicht mehr befriedigt werden und daß sie auch noch den anderen Elternteil verlieren werden. Diese Ängste werden dadurch noch verstärkt, daß Eltern durch ihre eigene emotionale Belastung kaum Zeit und Kraft haben, sich um das Befinden ihrer Kinder zu kümmern und oft gereizt und ungeduldig reagieren (vgl. Textor, 1991b, 49). Viele Eltern fühlen sich außerdem schuldig, ihren Kindern eine Scheidung zuzumuten und ihnen damit Leid anzutun. Um mit diesen Schuldgefühlen fertig zu werden, um sie abzuwehren, hoffen sie deshalb, daß die Trennung den Kindern nicht allzuviel ausmachen möge. Mit dieser Hoffnung stehen Eltern allerdings in der Gefahr, auftretende Probleme ihrer Kinder zu übersehen oder zu verleugnen. Sie nehmen die kleinen Zeichen nicht wahr, die die Kinder über ihr Unglück oder ihre Angst senden. Außerdem kann ein solches Elternverhalten, das Probleme verleugnet anstatt bewußt anzugehen, bei den Kindern ebenfalls dazu führen, daß diese ihre Gefühle und Probleme hinsichtlich der Trennung ebenfalls wegschieben. Es gibt daher auch Kinder, die nach einer Trennung scheinbar keinerlei Reaktionen zeigen. Kinder können oft ihrem Schmerz erst dann Ausdruck verleihen, wenn ihnen dafür Raum gelassen wird. Der offenbarte Schmerz ist aber der einzige Schmerz, der auch bewältigt werden kann. Wird er allerdings weggeschoben, kann er nicht verarbeitet werden und belastet so die psychische Struktur des Kindes. Eine Trennung der Eltern ist nämlich für alle Kinder schmerzvoll, die 51 zu ihren beiden Eltern Liebesbeziehungen aufbauen konnten, auch wenn diese konfliktbelastet waren (vgl. Figdor, 1998, 20-21). Diese Schilderungen zeigen, daß Eltern aufgrund ihrer eigenen Situation, ihrer eigenen mit der Trennung verbundenen Gefühle des Versagens, Verletztseins, der Enttäuschungswut und Abwehr von Schuldgefühlen, für ihre Kinder oft keine ausreichende psychische Stütze sein können und ihnen bei der Verarbeitung des Verlusterlebnisses kaum helfen können. Diese für die Entwicklung der Kinder ungünstigen Bedingungen bestehen in der Regel vom Beginn der Scheidungsphase bis zu einem Jahr danach (vgl. Schmitt, 1997, 26). Auch Lehmkuhl, die 1984-1985 eine Untersuchung von Scheidungsfamilien durchführte, mit dem Ziel herauszufinden, wie Kinder und Eltern die ersten 18 Monate nach der Trennung erlebten, kam zu dem Ergebnis, daß die Familien in den ersten Wochen und Monaten nach der Trennung am irritiertesten sind. Nach ihrer Meinung brauchen Eltern und Kinder in dieser Phase Beratung, um die akute Krise zu überwinden, ohne daß ein Familienmitglied zum Symptomträger werden muß, um auf die Not in der Familie aufmerksam machen zu müssen (vgl. Lehmkuhl, 1988, 138). In der Scheidungsphase kann es zu ganz unterschiedlichen Beziehungen zwischen den Eltern und den Kindern kommen, was meist damit zusammenhängt, wie die Eltern die Trennung erlebt haben und wie sie weiterhin zu ihrem ehemaligen Ehepartner stehen. Können die Ehepartner die Trennung akzeptieren, erkennen sie weiterhin an, daß beide elterliche Rechte haben, dann fördern sie meist den Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen. In anderen Fällen, in denen die Eltern sich z.B. tief gekränkt und verletzt fühlen und dem jeweils anderen die Schuld für die Trennung geben, werden oft die Kontakte der Kinder zu dem abwesenden Elternteil erschwert. Außerdem wird hier den Kindern meist auch verboten, Gefühle des Schmerzes über die Abwesenheit des anderen Elternteils zu äußern, oder überhaupt von ihm zu reden Dieses Elternverhalten verursacht bei den Kindern oft schwere Loyalitätskonflikte, da die Kinder beide lieben und zu beiden eine Beziehung behalten wollen. Nähere Erläuterungen zu der Gestaltung der nachehelichen Beziehungen zwischen den Eltern und den Kindern erfolgen in den Punkten 3.3.2 und 3.3.3. Viele Kinder übernehmen in der Scheidungsphase, wie möglicherweise auch schon in der Vorscheidungsphase, bestimmte Rollen, wie z.B. Bündnispartner, Vermittler, Informant. Manche Kinder werden auch zum Partnerersatz oder zum parentifizierten Kind, indem sie z.B. eine Art Elternrolle für jüngere Geschwister einnehmen. Diese Rollen können die kindliche Entwicklung beschleunigen, die Kinder überfordern und verhindern, daß Kinder an altersentsprechenden Aktivitäten teilnehmen (vgl. Textor, 1991b, 43-44). In der Scheidungsphase erleben viele Kinder auch eine familiäre Atmosphäre von Bitterkeit, Rache und Haß und werden oft als Spielball im gegenseitigen Kampf ihrer Eltern benutzt, wenn diese keine einvernehmlichen Regelungen der Scheidungsfolgen, wie z.B. des Sorge- und Umgangsrechts, der Unterhaltszahlungen treffen können. Auch diese Situation stürzt viele Kinder in schwere Loyalitätskonflikte, da sie oft gezwungen sind, im Kampf ihrer Eltern sich für einen Elternteil zu entscheiden (vgl. Bauers, 1997, 48). 52 Die zentrale Entwicklungsbedingung für Kinder in der Scheidungsphase ist das Erleben der Trennung von einem Elternteil. Ich möchte kurz erläutern, welche Auswirkungen diese aus psychoanalytischer Sicht auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder haben kann. Hierbei geht es vermehrt um die Trennung vom Vater, da in den meisten Fällen die Kinder nach der Trennung, bzw. Scheidung, bei der Mutter bleiben, wie die Sorgerechtsregelungen (vgl. Punkt 3.2.2.1) belegen. 3.2.3.1 Auswirkungen einer Trennung auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder in den ersten drei Lebensjahren (Individuations- und Loslösungsprozeß)29: Wie bereits in der Vorscheidungsphase beschrieben, ist für die Individuation eines Kindes, d.h. die Loslösung von der engen Mutter-Kind-Beziehung und für seine gesunde psychische Entwicklung, die frühe Triangulierung, d.h. die komplexe Beziehung zwischen Vater, Mutter und Kind, in den ersten drei Lebensjahren sehr wichtig. Verliert das Kind nun durch die Trennung den Vater als triangulierendes Objekt, wird die Tendenz zur Loslösung von der Mutter gehemmt. Kinder regredieren oft und zeigen Verhaltensweisen früherer Entwicklungstufen, wie z.B. Daumenlutschen und Wieder-Einnässen. Kinder zeigen auch häufig ein stark anklammerndes Verhalten an die Mutter, weil sie Angst haben, auch diese zu verlieren. (vgl. Bauers, 1997, 50). Können sich Kinder innerpsychisch nicht genügend von ihrer Mutter trennen, führt dies oft zu sehr konflikthaften Beziehungen zwischen ihnen, da die Kinder durch aggressives Verhalten gegenüber der Mutter gegen eine zu starke innerpsychische Abhängigkeit von ihr und gegen die Bedrohung ihrer IchAutonomie ankämpfen müssen (vgl. Rotmann, 1978, 1116). Weiterhin kann bei einer Trennung der Eltern das Kind die entlastende und ausgleichende Funktion der Beziehung zum Vater verlieren. Lebt ein Kind mit Vater und Mutter zusammen, so kann es nämlich zwischen beiden Elternteilen hin- und herpendeln und sich von jedem das notwendige Maß an Befriedigung holen. Erlebt ein Kind z.B. eine sehr überbehütende ängstliche Mutter, so kann ein Vater, der Selbstständigkeit zulassen kann, für das Kind eine starke kompensatorische Funktion zur Mutter-Kind-Beziehung darstellen. Bei einer Trennung kann nun diese kompensatorische Beziehung zum Vater wegfallen und das Kind ist vollständig der Beziehung zur Mutter ausgeliefert, was nun zu Konflikten führen kann (vgl. Figdor, 1991, 106-109). 3.2.3.2 Auswirkungen einer Trennung auf die intrapsychische Entwicklung der Kinder zwischen vier und sechs Jahren (ödipale Phase)30 29 vgl. Punkt 3.1.3.2 53 In der ödipalen Phase wird der gleichgeschlechtliche Elternteil von dem Kind als Rivale abgelehnt und in der Phantasie oft besiegt und weggewünscht. Verläßt dieser Elternteil nun aufgrund der Trennung die Familie kann das Kind aufgrund seiner magischen Vorstellungswelt die Überzeugung haben, die Trennung selbst verursacht zu haben. Dies kann starke Schuldgefühle und Ängste auslösen. Kinder versuchen oft, diese Situation wieder gut machen zu wollen, indem sie verzweifelt bemüht sind, ihre Eltern wieder zusammenzubringen, ihnen zu helfen, was sie maßlos überfordert. Folge kann z.B. sein, daß Kinder Konzentrations- und Lernstörungen und angstgetriebenes aggressives Verhalten entwickeln (vgl. Bauers, 1997, 50). Weiterhin kann eine Trennung von dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, mit dem sich das Kind in dieser Phase identifiziert und somit seine Geschlechtsrollenidentität entwickelt, diese Identifikation erschweren und zu einer Unsicherheit der eigenen geschlechtlichen Identität führen, da ein adäquates Nachahmungsmodell fehlt. Dieser Zusammenhang zwischen der Geschlechtsrollenidentitätsentwicklung und dem Fehlen der Identifikationsfigur ist in der Literatur meistens nur für den Fall beschrieben, wenn der Vater die Familie verläßt, was in der Mehrheit der Fälle zutrifft, wie bereits beschrieben. So wird angenommen, daß für den Jungen im Fall einer Trennung vom Vater das männliche Identifikationsobjekt fehlt und somit seine Geschlechtsrollenentwicklung beeinträchtigt werden kann, da die Lösung von der Mutter als primären Identifikationsobjekt und die Annahme männlicher Geschlechtsidentität erschwert sind (vgl. Fthenakis et al., 1982, 79). Eine Metaanalyse mit 67 Studien zu väterlicher Abwesenheit und Geschlechtsrollenentwicklung ergab, daß Jungen im Vorschulalter geringere Geschlechtstypisierungen, z.B. in der Wahl des Spielzeugs oder Spielaktivitäten, als vergleichbare Altersgenossen aus Zwei-Eltern-Familien zeigten. Dagegen agierten ältere vaterlose Jungen auf der Verhaltensebene geschlechtsstereotyper, vor allem im Bereich Aggression, als Jungen aus vaterpräsenten Familien (vgl. Stevenson u. Black, 1988, in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 104). Allerdings wird von Hutson (1983, in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 104) darauf hingewiesen, daß zur Erklärung des Geschlechtsrollenverhaltens von Jungen im Vorschulalter mit abwesendem Vater, die Tatsache des fehlenden männlichen Rollenmodells allein nicht für ausreichend gehalten wird. Eine weitere Annahme, die Anna Freud und Dorothy Burlingham äußerten, wie sich die Trennung vom Vater auf die Identitätsentwicklung der Jungen auswirken kann, ist, daß „... weniger die fehlende Identifikationsfigur die weitere Entwicklung des Kindes behindere, als vielmehr die Tendenz des alleinerziehenden Elternteils, das Kind in die Rolle des abwesenden Partners zu drängen; die daraus resultierenden positiven und negativen Rollenprojektionen müßten zu massiven Identitätsschwierigkeiten führen“ (Kardas u. Langenmayr, 1996, 104). In vielen Fällen werden Jungen, die nach der Trennung bei ihren Müttern leben, nämlich als Repräsentant, als Modell des abgelehnten Partners von ihren Müttern gesehen und somit mit diesem negativen Partner-/Vaterbild identifiziert. Auch gibt es klinische Studien, die Zusammenhänge zwischen früher Vaterabwesenheit durch Scheidung und der Ausbildung weiblicher Identität untersuchten (vgl. Lohr; Legg; Mendell; Riemer, 30 vgl. Punkt 3.1.3.3 54 1989, in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 103). Sie fanden heraus, daß Mädchen, deren Eltern sich in der ödipalen Phase scheiden ließen, spezielle Bewältigungsmechanismen aus der Abwesenheit des Vaters heraus entwickelten, die die Ausbildung der weiblichen Identität erschwerten. Die beeinträchtigte weibliche Identität zeigt sich nicht in einem äußerlich unweiblichen Erscheinungsbild, sondern vielmehr in einem angegriffenen weiblichen Selbstwertgefühl. Diese Mädchen haben die Einstellung, sie seien für Männer unattraktiv, bei gleichzeitigem Verlangen nach deren Liebe und Anerkennung. Die Tatsache, daß der Vater gegangen ist, wird als Zurückweisung, nicht liebenswert oder hübsch genug gewesen zu sein, interpretiert (vgl. Kardas u. Langenmayr, 1996, 103). 3.2.3.3 Auswirkungen der Trennung für die intrapsychische Entwicklung der Kinder in der Latenzphase Nach psychoanalytischer Entwicklungstheorie befinden sich Kinder vom sechsten Lebensjahr bis zum Beginn der Pubertät in der Latenzphase. In dieser Phase liegt die Grundschulzeit und damit verbunden die Aufgabe der Kinder, kognitive und soziale Fähigkeiten zu erwerben, die sie auf das Erwachsenenalter vorbereiten (vgl. Bourne u. Ekstrand, 1992, 314). Kinder in dieser Phase orientieren sich in ihren Aktivitäten oft außerhalb der Familie und erleben ihre Situation, in einer Scheidungsfamilie leben zu müssen, oft als beschämender Mangel. Diese Schamgefühle können z.B. durch die Konzentration auf den Leistungsbereich, z.B. auf schulische Leistungen oder außerschulische Leistungen, wie besondere Hobbies, kompensiert werden. Gelingt dies nicht, können diese Schamgefühle auch zu einem Rückzug aus Sozialkontakten führen. Außerdem können sich Kinder in diesem Alter in ihrem Bedürfnis, soziale Kompetenz und soziale Anerkennung zu erlangen, beeinträchtigt fühlen, da ihre Eltern durch die Trennung als Vorbild für sie gescheitert sind (vgl. Bauers, 1997, 50-51). 3.2.3.4 Auswirkungen der Trennung auf die intrapsychische Entwicklung Jugendlicher in der Adoleszenz31 Jugendliche erleben die Trennung ihrer Eltern in der für sie sehr kritischen Phase der Pubertät als Verlust einer sicherheits- und haltgebenden Familienstruktur. Wie bereits in Punkt 3.1.2.4 erwähnt, sind in der adoleszenten Entwicklung, in der Jugendliche ihre eigenen Lebensweg finden wollen und zwischen dieser Unabhängigkeit und noch vorhandener kindlicher Abhängigkeit hin- und herpendeln, unterstützende und verständnisvolle Eltern sehr hilfreich, um die Entwicklungsaufgaben dieser Phase 31 vgl. Punkt 3.1.3.4 55 zu meistern. Trennen sich die Eltern in dieser Zeit, fühlen sich die Jugendlichen im Stich und allein gelassen, worauf sie oft mit Wut, Haß aber auch Angst reagieren können. Folgende Entwicklungsverläufe können in der Adoleszenz im Zusammenhang einer Trennung der Eltern auftreten: zum einen ein emotianaler Rückzug in die Regression, d.h. eine Vermeidung der Bewältigung der adoleszenten Entwicklungsaufgaben, vor allem der altersgemäßen Ablösung von der Familie und ein Zurückfallen in frühere Entwicklungsstufen, z.B. wieder in eine größere Abhängigkeit zu den Eltern zu verfallen, zum anderen ein beschleunigter Entwicklungsablauf mit sexueller Frühreife und pseudo-adoleszentem Verhalten, in vielen Fällen verbunden mit einem frühen Verlassen des Elternhauses. Manche Jugendliche versuchen auch ihre durch die Trennungskrise stark belasteten Eltern zu entlasten, indem sie, unter Vernachlässigung ihrer eigenen Bedürfnisse, Entscheidungen und Verantwortung übernehmen, die „normalerweise“ Elternaufgabe sind. Dieses verfrühte pseudoerwachsene Verhalten verhindert allerdings das Durchlaufen entwicklungsangemessener Aufgaben, die für die Persönlichkeitsentwicklung wichtig sind. Jugendliche in der Spätadoleszenz, die z.B. in Verbindung mit der eigenen beruflichen Identitätsfindung Trennungwünsche von der Familie haben, können dadurch in Loyalitätskonflikte kommen, da sie sich oft verantwortlich fühlen, ihren Eltern in ihrer Trennungskrise helfen zu müssen (vgl. Bauers, 1997, 51). Ist die Ehe nun juristisch durch das Scheidungsurteil aufgelöst, beginnt die Nachscheidungsphase, auf die ich nun eingehen werde. 3.3 Die Nachscheidungsphase Sie beginnnt mit der juristischen Scheidung und dauert bis zur psychischen, bzw. emotionalen Scheidung der Partner. Für manche Paare endet diese Phase nie, da die Partner innerlich nicht voneinander loskommen (vgl. Reich, 1993, 19). In der Nachscheidungsphase ist es also wichtig, daß die ehemaligen Ehepartner sich innerlich voneinander lösen und daß sich die Familie nach der Scheidung an die veränderten sozialen und ökonomischen Bedingungen anpaßt. Welche sozio-ökonomischen Veränderungen eine Scheidung für die betroffenen Familien bringen kann, wird in Kapitel 4 deutlich werden. 3.3.1 Die psychische Scheidung der Geschiedenen und deren Scheidungsbewältigung Unter der psychischen Scheidung versteht man, daß sich die ehemaligen Ehegatten mit ihrer gescheiterten Ehe auseinandersetzen und sich innerlich von ihrem Partner lösen. Dafür ist es notwendig, um den Verlust der Ehe, z.B. um Hoffnungen und Wünsche, die nicht in Erfüllung gegangen sind, zu trauern, Gefühle des Versagens und der Schuld zu verarbeiten, die eigenen Anteile 56 am Scheitern der Ehe zu akzeptieren und ein der Realität entsprechendes Bild vom früheren Partner zurückzugewinnen, d.h. negative und positive Seiten an ihm zu sehen und die in der Trennnungszeit oft angenommene einseitige negative Haltung, die häufig mit Wut, Haß und Verachtung verbunden ist, loszulassen. Es ist wichtig, daß sich die Ex-Partner von dem Einfluß ihres Partners auf ihr eigenes psychisches Leben befreien. Dafür ist es notwendig, die Gefühle, die mit der Trennung und Scheidung entstanden sind, zu verarbeiten. Eine Ehe, um die nicht getrauert wurde, ist nach der Meinung von Wallerstein und Blakeslee psychisch nicht beendet. (vgl. Textor, 1991b, 75; Wallerstein u. Blakeslee, 1989, 329-330). „Nur wenn der Mensch trauert, ist er in der Lage, das, was er verloren hat, nach einiger Zeit angemessen zu beurteilen und eine distanziertere Haltung zur Vergangenheit einzunehmen“ (Wallerstein u. Blakeslee, 1989, 329). Nach einer amerikanischen Studie von Spanier und Thompson 1984 gelang es 90% der Geschiedenen ca. zwei Jahre nach der Trennung das Ende ihrer Ehe zu akzeptieren. Nur 9% waren noch auf ihren früheren Partner wütend (vgl. Textor, 1991b, 75). Viele Betroffene erholen sich im Laufe der Nachscheidungsphase. Negative Gefühle, wie Selbstmitleid, Verzweiflung, Angst, Einsamkeit und vorhandene Symptome, wie Depressionen, Schlafstörungen oder andere psychische oder psychosomatische Störungen, nehmen in der Regel innerhalb von einem Zeitraum von sechs Monaten bis zu vier Jahren nach der Scheidung ab und verschwinden schließlich ganz. Nach der bereits genannten Studie von Spanier und Thompson ergab sich, daß sich zwei Jahre nach der Scheidung etwa 4/5 der Befragten wieder wohl fühlten (vgl. ebd., 73). Nach einer Scheidung müssen die ehemaligen Ehepartner ihr Leben, ihre Identität, ihre Rollen ganz neu definieren und gestalten. Damit haben viele Geschiedene zuerst einmal Schwierigkeiten, besonders mit der Tatsache des Alleinlebens. Viele berichten, daß das Leben nach der Scheidung erst einmal viel schwieriger als erwartet war. Da meine Arbeit nicht das Ziel hat, die Scheidungsbewältigung der ehemaligen Ehepartner darzustellen, sondern vielmehr auf die Situation der betroffenen Kinder einzugehen, möchte ich hier nur kurz aufzeigen, welche Bedingungsfaktoren eine positive Bewältigung der Ehescheidung für Ehepartner ermöglichen können. Eine positive Scheidungsbewältigung der Eltern trägt nämlich unter anderem dazu bei, daß die Kinder unter der Scheidung nicht langfristig leiden müssen. Dazu gibt es zahlreiche Studien, die belegen, daß gut an die Scheidung angepaßte Elternteile, insbesondere der Elternteil, bei dem die Kinder leben, Kinder positiv unterstützen und die Wirkung von scheidungsbedingten Belastungen, wie z.B. eine schlechtere finanzielle Situation vermindern können. Außerdem korrelliert der Grad des mütterlichen Selbstwertgefühls negativ mit Problemen der Kinder, d.h. Kinder haben weniger Probleme, wenn ihre Mütter ein gutes Selbstwertgefühl nach der Scheidung entwickeln können. Psychisch eingeschränkte Eltern können dagegen weniger adäquat auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen und kindliche Entwicklungsstörungen können so leichter entstehen. Eine gelungene Scheidungsanpassung der Eltern kann also Kinder vor ungünstigen Entwicklungsbedingungen schützen (vgl. Kardas u. Langenmayr, 1996, 110-111). Die Aufzählung der positiven Bedingungsfaktoren einer guten Scheidungsbewältigung bezieht sich auf eine Analyse des amerikanischen Soziologen Veevers, der anhand einer Zusammenschau der 57 verfügbaren Literatur Bedingungsfaktoren identifizierte, die eine positive Bewältigung der Scheidung im Sinne einer inneren Reifung, einer Weiterentwicklung und eines inneren Wachstums für Geschiedene ermöglichen (vgl. Veevers, 1991, in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 55-56). Positive Bedingungsfaktoren sind:32 eine normale Scheidung, d.h. die Scheidung wird als normales Ereignis akzeptiert und nicht als persönliches Scheitern und Schuld; die Person verfügt über Persönlichkeitseigenschaften, wie Ich-Stärke, Selbstsicherheit und Willensstärke; die Person ist bei der Scheidung eher jünger; Frauen verarbeiten die Trennung und regenerieren sich in der Regel besser, als Männer (vgl. Bojanovsky, 1983; Chadwick, 1989, in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 60); die Ehe war eher schlechter als durchschnittlich und eher kürzer als länger; selbst aktiv die Scheidung initiiert zu haben; die Trennung kam nicht überraschend, sondern man konnte sich darauf vorbereiten; nach der Scheidung eher eine schwächere Bindung an den Ex-Partner zu haben; nach der Scheidung eine befriedigende Beziehung zum Ex-Partner zu haben; Zugang zu adäquaten finanziellen Ressourcen zu besitzen; eine höhere Bildung zu haben; besser nicht-traditionelle Geschlechts- und Partnerrollen zu leben; Nach einer Scheidung bewältigen die Personen besser ihre neue Lebenssituation, die in der Ehe die Aufgaben nicht nach traditionellen Geschlechtsrollen verteilt hatten, sondern beide Verantwortung übernahmen, die nicht der traditionellen Rollenverteilung entsprachen (z.B. Männer, die Hausarbeit durchführten und Kinderbetreuung übernahmen, Frauen, die sich nicht nur um Haus und Familie kümmerten, sondern auch außerhäusliche Verantwortung und Organisationen, Aktivitäten übernahmen). Diese Personen haben mehr Handlungsspielraum, mehr Handlungskompetenzen in der Bewältigung der Krisensituation nach der Scheidung. Sie sind durch den Verlust des Partners nicht so hilflos im Umgang mit den alltäglichen Anforderungen des Lebens nach der Scheidung (vgl. Studien in: Fthenakis et al., 1982, 102). Stützende Netzwerk-Bindungen, d.h. hilfreiche soziale Kontakte zu haben, die bei der Bewältigung der neuen Situation mit emotionaler Unterstützung und praktischer Hilfe zur Verfügung stehen; Bei viel Unterstützung durch das Netzwerk fühlen sich Geschiedene in der Regel wohler und haben ein positiveres Selbstkonzept (vgl. Textor, 1991b, 77). Zugang zu professionellen Beratungsangeboten zu haben; intime- und/oder Freundschafts-Beziehungen zu haben; So stellten Coysh und Mitarbeiter (1989, in: Textor, 1991b, 78-79) fest, daß sich eine neue befriedigende Beziehung positiv auf das Wohlbefinden Geschiedener auswirkt. 32 Eine genauere Diskussion und Bewertung dieser Bedingungsfaktoren ist nachzulesen in Kardas u. Langenmayr, 1996, 45-67). 58 Dieser Hinweis auf eine positive Bewältigung einer Scheidung soll das Erleben einer Scheidung nicht bagatellisieren und nicht den Eindruck erwecken, daß diese Erfahrung gar nicht so schwierig und ernst zu nehmen sei. In vielen Fällen wird eine Scheidung nämlich als sehr schmerzhaft und sehr belastend erlebt (vgl. Veevers, 1991, zit. in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 56). Klinisch-empirische Studien zeigen nämlich übereinstimmend, daß Männer und Frauen die getrenntlebend oder geschieden sind, eine höhere Vulnerabilität, d.h. eine größere Bereitschaft besitzen, psychische und physische Beeinträchtigungen zu entwickeln. Die Bandbreite physischer und psychischer Beeinträchtigungen ist sehr vielfältig und reicht von vermehrten psychosomatischen Beschwerden und ernsten bis lebensbedrohlichen somatischen Erkrankungen über die Entwicklung von Suchtproblematiken, einer erhöhten Unfall- und Suizidrate bis zu manifesten psychiatrischen Zustandsbildern, vor allem schwere Depressionen, die allerdings häufig bei kürzlich Getrenntlebenden beobachtet wurden (vgl. verschiedene Studien in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 56-57). Bojanovsky (1983, in: Textor, 1991b, 74) kam auch zu der Beobachtung, daß Geschiedene in psychiatrischen Kliniken überrepräsentiert sind und auch häufig ambulant behandelt werden. Allerdings muß man dabei bedenken, daß die psychischen Probleme häufig schon vor der Scheidung auftraten. Mit der Schilderung der positiven Bedingungsfaktoren hinsichtlich der Scheidungsbewältigung soll darauf aufmerksam gemacht werden, daß eine Scheidung nicht per se und in jedem Fall eine ausschließlich negative und stark beeinträchtigende Erfahrung sein muß, sondern daß sie unter bestimmten Umständen eine stärkende Erfahrung sein kann, eine Chance zum Neubeginn und zur Weiterentwicklung. Für die Scheidungsinterventionen ist dies ein Hinweis, welche Bedingungen geschaffen werden können, welche Faktoren, welche Ressourcen genutzt werden können, um Betroffenen zu helfen, diese positive Scheidungsbewältigung zu erreichen (vgl. Veevers, 1991, zit. in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 56). Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die individuelle Entwicklung Geschiedener in der Nachscheidungsphase besser verläuft, wenn sie bereits vor der Trennung relativ wenig psychische Probleme erlebten, wenn die Trennung mit relativ wenig Streß verbunden war, wenn Betroffene viel Unterstützung von Freunden und Bekannten fanden oder bald wieder eine neue Partnerbeziehung eingingen (vgl. Textor, 1991b, 75). Wie bereits beschrieben erholen sich die Mehrzahl der Geschiedenen nach ca. zwei bis vier Jahren und beginnen dann die positiven Seiten ihrer Situation zu erkennen und zu nutzen. Sie entdecken z.B. neue Seiten ihrer Persönlichkeit, erleben eine große innere Weiterentwicklung, ein Gefühl von Freiheit und Ungebundensein. Sie experimentieren mit neuen Lebensstilen, gehen z.B. neuen Freizeitaktivitäten nach, verändern ihr äußeres Erscheinungbild, entwickeln eine neue Identität und neue Lebensziele und haben zu einer neuen Zufriedenheit gefunden (vgl. Textor, 1991b, 74-75). Gelingt den Geschiedenen die psychische Scheidung, d.h. das Loslassen des Partners und eine angemessene Vergangenheits- und Scheidungsbewältigung, so kann sich eine konfliktarme, neutral oder positiv distanzierte Beziehung zum Ex-Partner entwickeln, was für eine positive Weiterentwicklung der Kinder nach der Scheidung von großer Bedeutung ist, wie in Kapitel 4 noch 59 deutlich werden wird (vgl. Textor, 1991b, 75). Dazu schreiben Menne et al.: „Nur wer sich nach der Scheidung als Person wieder intakt fühlt, kann als Vater und Mutter intakt sein“ (vgl. Menne et al., 1997, 20). Nach einer Scheidung kann es zu ganz unterschiedlichen Beziehungsmustern zwischen den ehemaligen Ehepartnern kommen, was unter anderem auch mit der Art der Scheidungsbewältigung der Geschiedenen zusammenhängt. Diese Beziehungsmuster haben dann Auswirkungen darauf, wie sich die Beziehungen zwischen den Kindern und ihren Elternteilen nach der Scheidung ihrer Eltern gestalten werden, ob und wie sich die von Ahrons benannte Zweikernfamilie (nach ihrer Meinung geht nach einer Scheidung eine Kernfamilie, bei der Vater, Mutter und Kinder in einem Haushalt leben, in eine Zweikernfamilie über, d.h. Kinder leben in einer Familie mit einem getrennten Mutter- und VaterHaushalt, vgl. Ahrons, 1997, 11) reorganisieren wird, worauf ich in Punkt 4.3 näher eingehen werde. Ich werde nun zuerst die verschiedenen Beziehungsformen zwischen geschiedenen Ehepartner beschreiben und dann die unterschiedlichen Eltern-Kind-Beziehungen nach einer Scheidung darstellen. Die nun folgenden Beziehungsmuster zwischen Geschiedenen stellen keine statischen Kategorien dar, sondern die Beziehungsmodelle sind dynamisch, d.h. Betroffene können von einem Muster in ein anderes wechseln. Oft verändern sich im Laufe der Zeit nach der Scheidung die Beziehungen der ExPartner zueinander. In vielen Fällen nimmt der Kontakt mit den Jahren ab (vgl. Napp-Peters, 1995, 27). 3.3.2 Beziehungsmuster zwischen Geschiedenen33 Noch immer gibt es die gesellschaftliche Vorstellung, daß geschiedene Paare sich feindselig begegnen müssen, daß sich alle Beziehungen des Paares mit der Scheidung auflösen, daß sich gemeinsame Freunde für den einen und gegen den anderen entscheiden. Man nimmt an, daß sich die Partner entweder hassen oder überhaupt keine Beziehung mehr zueinander haben. Allerdings gibt es zwischen den Möglichkeiten erbitterte Gegner oder Entzweite zu sein noch weitere Alternativen. Es ist wichtig, daß Geschiedene solche verschiedene Möglichkeiten im Umgang miteinander kennenlernen, damit sie ihnen Anregungen für einen konstruktiven Umgang miteinander geben können. 33 Folgende Ausführungen beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf Textor, 1991b, 82 und Ahrons, 1997, 94-107. Ahrons führte in den 80er Jahren eine Längsschnittuntersuchung an 98 Scheidungsfamilien im Mittleren Westen Amerikas durch, um familiale Beziehungen und Beziehungen zwischen den Ex-Partnern nach einer Scheidung zu untersuchen. Die Betroffenen wurden ein, drei und fünf Jahre nach der Scheidung interviewt. 60 In unserer Gesellschaft existieren hinsichtlich der Scheidungen nämlich noch keine vorgegebenen Modelle, wie ehemalige Partner miteinander umgehen können. Viele Geschiedene sind in diesem Punkt auf sich allein gestellt und erfahren darin kaum gesellschaftliche Unterstützung, was eine Scheidungsbewältigung erschweren kann (vgl. Oberndorfer, 1991, 10). Ahrons unterscheidet fünf verschiedene Beziehungsmuster: 1. Gute Freunde: Die früheren Ehepartner sind Freunde geworden. Sie haben weiterhin Interesse am Leben des anderen und helfen sich gegenseitig, wie Freunde dies tun. In manchen Fällen verkehren sie nach wie vor mit den gleichen Freunden. Sie halten Kontakt zur Familie und bleiben im verwandtschaftlichen Umfeld des anderen integriert. Sie zeigen viel gemeinsame Interaktion und Kommunikation. Außerdem herrscht gegenseitiges Vertrauen zwischen ihnen. Ihre Scheidung ist ohne große Feindseligkeit und Aggression verlaufen. Diese Paare übernehmen nach der Scheidung weiterhin gemeinsame Verantwortung für ihre Kinder und ihre Erziehung und kümmern sich beide viel um sie. Oft unternehmen solche geschiedenen Paare mit ihren Kindern als Zweikernfamilie gemeinsame Freizeitbeschäftigungen. Allerdings gelingt dies nur einer sehr kleinen Gruppe von Geschiedenen. In der Studie von Ahrons gelang dies 12% der Paare. Auch muß man anmerken, daß dieses Beziehungsmuster am ehesten in einem frühen Stadium nach der Scheidung gelebt wird, bevor sich die Lebenswelten der beiden unterschiedlich entwickeln, was mit der Zeit der Fall ist, z.B. wenn neue Partner ins Spiel kommen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang nämlich, daß in der Studie von Ahrons die Partner, die auch fünf Jahre nach der Scheidung noch gute Freunde waren, keine festen neuen Beziehungen hatten. „Offensichtlich ist es schwierig, wenn nicht gar schädlich für die neue Beziehung, wenn die Exehepartner weiterhin mit der gleichen Häufigkeit, Intensität und Intimität Umgang miteinander pflegen“ (vgl. Ahrons, 1997, 99). 2. Kooperative Partner: Die größte Gruppe in der Untersuchung von Ahrons bildeten die kooperativen Partner (38%). Diese Partner sehen sich nicht mehr als Vertraute, als gute Freunde, aber in Fragen der Kindererziehung und in der elterlichen Verantwortung kooperieren sie. Sie zeigen im Vergleich zu der Gruppe der guten Freunde, nur eine gemäßigte Interaktion, aber ebenfalls eine hohe Kommunikation. Die gemeinsamen Gespräche beschränken sich allerdings auf kinderbezogene Absprachen oder auf unpersönliche Themen und engere Kontakte zwischen den Ex-Partner gibt es kaum. Konfliktträchtige Themen versuchen diese Partner zu bewältigen, ohne ihre Kinder mit hineinzuziehen. Sie versuchen auch, sich nicht zu konflikthaften Streitereien hinreißen zu lassen, sondern sie versuchen ihre Streitfragen zu klären oder sie vermeiden diese ganz. Gemeinsame Aktivitäten der Ex-Partner und den gemeinsamen Kindern sind eher selten und beschränken sich auf besondere Gelegenheiten, wie Kindergeburtstage, Schulveranstaltungen etc. Aktivitäten finden eher getrennt mit den Kindern statt. Die Kinder haben auf jeden Fall regelmäßigen Kontakt zu dem abwesenden Elternteil. „Ein gemeinsamer Nenner für die kooperativen Partner war die Fähigkeit, ihre Beziehung in 61 bestimmte Bereiche aufzuteilen: Sie trennten die Bereiche, die mit der ehelichen Beziehung zu tun hatten, von denen, die mit ihrere elterlichen Beziehung zusammenhingen. Ihr Wunsch, das Beste für ihre Kinder zu tun, hatte Vorrang vor ihren persönlichen Problemen. Anders als die guten Freunde gaben die meisten kooperativen Partner an, daß sie kaum oder gar keinen Kontakt mit dem Exehepartner hätten, wenn die Kinder nicht wären“(vgl. Ahrons, 1997, 102). In der Studie von Ahrons waren nach fünf Jahren nach der Scheidung noch immer 75% der kooperativen Partner solche geblieben, auch wenn sie mittlerweile wieder verheiratet oder feste Beziehungen eingegangen waren. 3. Erzürnte Partner: Sie machten etwa 25% der untersuchten Paare aus. Sie zeigen im Vergleich zu den beiden vorherigen Gruppen eine gemäßigte Interaktion und nur eine schwache Kommunikation. Diese Partner geraten fast bei jedem Gespräch in Wut und Zorn. Sie reden in der Regel nur dann miteinander, wenn etwas hinsichtlich der Kinder entschieden oder geplant werden muß, vor allem, wenn es sich um wichtige Entscheidungen handelt. Diese Partner schaffen es in der Regel nicht, ihren Zorn und ihre Wut auf bestimmte Streitpunkte zu beschränken, sondern sie verstricken sich häufig in feindselige Streitereien. Allerdings hielt der abwesende Elternteil weiterhin Kontakt zu den Kindern. Die Kinder erleben dadurch, daß ihre Eltern sich oft mit negativen Gefühlen begegnen und sich feindselig streiten, häufig Loyalitätskonflikte. In der Untersuchung von Ahrons äußerten die Mütter und Väter die erzürnte Partner geworden waren, daß sie mit dieser Situation unzufrieden waren. Vielleicht hätten sie es mit professioneller Unterstützung geschafft, zu einem befriedigenderen Umgang miteinander zu finden. 4. Erbitterte Gegner: Zu dieser Gruppe gehörten 25% der Befragten der Studie von Ahrons. Partner dieser Gruppe zeigen schwache Interaktion und schwache Kommunikation. Die geschiedenen Partner bleiben miteinander verfeindet. Ihren Ärger, ihre Wut und Enttäuschung zeigen sie in zahlreichen Konflikten, Machtkämpfen, dem häufigen Einschalten von Rechtsanwälten und Gerichten, da sie meist nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheiten, ihre Meinungsverschiedenheiten selbst zu klären. Absprachen hinsichtlich der Kinder können sie nicht treffen, ohne sich zu streiten. Kinder werden meist zu Bündnispartnern gemacht und Besuchskontakte werden versucht zu unterbinden. Kinder sind in dieser Situation oft gezwungen, sich für einen Elternteil zu entscheiden und somit den anderen zu verlieren. Die erbitterten Gegner sind außerstande, sich an die guten Zeiten ihrer Ehe zu erinnern und geben oft dem Partner alle Schuld am Scheitern der Ehe. Solche Partner haben die psychische Scheidung noch nicht bewältigt. Über die Jahre gehen die Kontakte zu dem abwesenden Elternteil häufig gravierend zurück und viele Partner haben keinen Kontakt mehr zueinander. Allerdings schaffte es ein kleiner Teil (weniger als ein Drittel dieser Gruppe) in der Studie von Ahrons nach drei bis fünf Jahren nach der Scheidung, sich zu kooperativen Partnern zu entwickeln, oft dann, wenn beide wieder neue zufriedene Partnerschaften gefunden hatten. 62 5. Entzweite: In der Untersuchung von Ahrons kam diese Gruppe nicht vor, da hier nur Geschiedene teilnehmen durften, die noch irgendwie Kontakt zueinander haben mußten. Zu dieser Gruppe gehören ehemalige Partner, die keinen Kontakt mehr miteinander haben. Der abwesende Elternteil kümmert sich nicht oder nur sehr selten um die gemeinsamen Kinder. Familien, die nach der Scheidung zu dieser Gruppe gehören, stellen keine Zweikernfamilie dar, sondern sind zu Familien geworden mit einem alleinerziehenden Elternteil. Der ehemalige Ehepartner ist nur noch in der Phantasie und Erinnerung gegenwärtig. Nach den Studien von Ahrons gelingt es der Hälfte der geschiedenen Ehepartner nach der Scheidung eine konstruktive Beziehung aufzubauen, d.h. in Bezug auf die Kinder sind sie fähig zusammenzuarbeiten (vgl. Ahrons, 1997, 31). Wie kann sich nun die Eltern-Kind-Beziehung in der Nachscheidungsphase gestalten? 3.3.3 Eltern-Kind-Beziehungen in der Nachscheidungsphase Wie schon beschrieben leben die Mehrheit der Kinder nach der Scheidung bei ihren Müttern, die das alleinige Sorgerecht haben (vgl. Punkt 3.2.2.1). Das Erziehungs-verhalten einiger Mütter und die Beziehungen zwischen Müttern und Kindern verbessern sich, laut verschiedener Studien, in einigen Familien mit der Zeit nach der Scheidung wieder. Einige Mütter werden wieder verständnisvoller, gehen verantwortungsbewußter mit ihren Kindern um, d.h. sehen wieder mehr deren Bedürfnisse, was in der Trennungszeit und in der ersten Zeit nach der Trennung durch die eigene Belastung weniger möglich war (vgl. Textor, 1991b, 83-84). Nach einer Befragung von Napp-Peters (1987, 124) berichteten ein Drittel der alleinerziehenden Mütter über eine Verbesserung des Kontaktes zu ihren Kindern, der vor der Scheidung durch eheliche Auseiandersetzungen belastet war. Allerdings dauert in vielen Scheidungsfamilien der Zustand an, daß Elternteile nur wenig Zeit für ihre Kinder haben, daß diese vernachlässigt werden und für sich selbst sorgen müssen. Der sorgeberechtigte Elternteil ist oft dadurch überlastet, daß er die bisher mit seinem Ehepartner geteilten Aufgaben alleine bewältigen muß. Häufig muß er versuchen, seine Berufstätigkeit, die viele nach einer Scheidung beginnen, die Haushaltsführung und die Kinderbetreuung miteinander zu vereinbaren. Außerdem möchten auch viele noch Zeit haben, sich einen neuen Partner zu suchen. Durch diese Mehrfachbelastungen kommen viele Kinder mit ihren Bedürfnissen zu kurz. Ältere Kinder müssen z.B. in vielen Fällen die fehlende Elternrolle einnehmen (sie werden parentifiziert) und sich vermehrt um den Haushalt und jüngere Geschwister kümmern. Andere Kinder werden als Partnerersatz oder 63 Verbündete mißbraucht, wie schon erwähnt wurde (vgl. Textor, 1991, 84). Alle diese Rollen hindern Kinder daran, ihre eigene Entwicklung, ihre Lösung vom Elternhaus zu praktizieren, da sie verstärt von ihrem Elternteil gebraucht werden. Wie sieht nun die Beziehung der Kinder zum nichtsorgeberechtigten, bzw. zum getrenntlebenden Elternteil aus? Ob und wie der Kontakt zu dem nichtsorgeberechtigten Elternteil gestaltet wird, hängt in der Regel davon ab, welche Beziehung die geschiedenen Eltern zueinander gefunden haben. Viele Studien zeigen, daß sich ein bestimmtes Muster hinsichtlich des Kontaktes des nichtsorgeberechtigten Elternteils, in der Mehrheit der Fälle der Vater, zu seinen Kindern abzeichnet. Sind kurz nach der Scheidung noch viele Väter gewillt, regelmäßig ihre Kinder zu sehen, so nimmt dieser anfangs noch mehr oder weniger regelmäßige Kontakt mit der Zeit drastisch ab (vgl. Furstenberg u. Cherlin, 1993, 60 u. 62). Nach einer schon in Punkt 2.3.1 erwähnten Studie von NappPeters (1988, 43-44) gibt es nur in 17% der Scheidungsfamilien ein festes Besuchsschema für den nichtsorgeberechtigten Elternteil (in der Regel ein Besuchstag in der Woche oder alle 14 Tage ein Wochenende), 38% haben keine feste Regelungen getroffen, was in vielen Fällen dazu beigetragen hat, daß die Besuchstendenz zurückgegangen ist und in 45% der Familien ist der Kontakt zwischen den Kindern und dem nichtsorgeberechtigten Elternteil abgebrochen. Woran kann es liegen, daß so viele Elternteile sich von ihren Kindern distanzieren? Bisher liegen noch keine befriedigenden Erklärungen vor, warum sich die meisten Männer mit der Zeit aus ihren väterlichen Verpflichtungen zurückziehen (vgl. Furstenberg u. Cherlin, 1993, 65). Ich möchte lediglich auf mögliche Zusammenhänge hinweisen, die dieses Verhalten mitbedingen können. Napp-Peters beschreibt in ihrer Studie folgende Gründe für den Kontaktabbruch des nichtsorgeberechtigten Elternteils (vgl. Napp-Peters, 1988, 36-37 u. 44-45): Manche geschiedenen Ehepartner leiden so sehr unter der Scheidung, daß dieser Schmerz sie daran hindert, ihre elterlichen Pflichten auszuüben. Um dem Schmerz aus dem Weg zu gehen, vermeiden es viele, den Kontakt zur Familie zu halten. Dieses Verhalten wird auch oft durch den sorgeberechtigten Elternteil, manchmal auch von Rechtsanwälten unterstützt, indem geraten wird, zuerst einmal von Besuchskontakten abzusehen, damit sich das Kind auf die neue Situation der Trennung einstellen und ihre Realität akzeptieren kann. Einige Eltern in dieser Studie bedauerten es z.B., daß sie in ihrer Situation niemanden hatten, der ihnen erklärt hat, warum ein Kontakt der Kinder zu beiden Eltern nach der Scheidung so wichtig ist, und daß ihre mangelnde Bereitschaft, mit dem geschiedenen Partner auch nach der Scheidung Kontakt zu halten, von vielen Bekannten und Freunden verstanden und von Anwälten, Lehrern und Ärzten unterstützt wurde. „Viele dieser Ratgeber waren der Meinung, daß die vollkommene Trennung auch für Kinder das beste wäre, eine „klare Lösung““ (Napp-Peters, 1988, 50). Ein anderer Grund, warum der Kontakt zu dem nichtsorgeberechtigten Elternteil abgebrochen wird, ist das Bestreben der sorgeberechtigten Elternteile nach der Scheidung mit den Kindern eine neue Kernfamilie aufzubauen. Durch Besuchserschwernisse wird der getrennt lebende Elternteil auf Distanz gehalten. Er hat dadurch keinen Anteil mehr am Alltagsleben seiner Kinder, was ihn zu einem entfernten Verwandten werden läßt. 64 Außerdem gibt es auch sorgeberechtigte Elternteile, die nachwievor durch die Scheidung noch stark verletzt und wütend auf ihren Ex-Ehemann sind, d.h. die die psychische Scheidung noch nicht vollzogen haben, und sich durch das Erschweren der Besuchskontakte am anderen rächen, ihn bekämpfen und verletzen wollen. Des weiteren kann auch sein, daß Besuchskontakte mit der Zeit abbrechen, weil viele nichtsorgeberechtigte Elternteile die Besuchskontakte als sehr unbefriedigend erleben. Für viele Väter sind z.B. die Besuchstage sehr anstrengend, da sie es nicht gewohnt sind, rund um die Uhr für die Kinder zu sorgen. Ferner erleben die nicht-sorgeberechtigten Eltern die Kinder oft nur am Wochenende, wenn diese sie in ihrem eigenen Haushalt besuchen. Dort fehlt aber meist das gewohnte Spielzeug der Kinder, die vertraute Nachbarschaft und die Freunde des Kindes. Viele Elternteile erleben diese Besuche als besondere Situationen und nicht mehr als ein Stück Alltag mit den Kindern. Oft unternehmen sie in dieser Zeit auch nur besondere Dinge, wie Kinobesuch, Essen gehen, Ausflüge machen etc. anstatt väterliche und mehr alltägliche Dinge zu erledigen, wie z.B. Hilfe bei den Hausaufgaben. Viele Elternteile erleben sich deshalb nicht mehr als „richtige“ Eltern. Dieses Gefühl wird auch noch dadurch verstärkt, wenn der sorgeberechtigte Elternteil, den Nichtsorgeberechtigten nicht mehr am Alltagsgeschehen der Kinder und an den Entscheidungen, die die Kinder betreffen, beteiligt, sondern die gemeinsamen Gespräche und Absprachen ganz einstellt (vgl. Furstenberg u. Cherlin, 1993, 59-66). Kontakte zu den Kinder gehen oft auch dann zurück, wenn die nicht sorgeberechtigten Väter oder die sorgeberechtigten Mütter wieder heiraten. Im ersten Fall nehmen die Kontakte zu den eigenen Kindern, mit denen der Elternteil nicht zusammenlebt, ab, da dieser durch eine Heirat und durch möglicherweise hinzugekommene Stiefkinder neue familiäre Verpflichtungen eingeht. Im zweiten Fall fühlen sich die nichtsorgeberechtigten Väter oft zurückgestoßen und unerwünscht, oder sie sehen sich durch die neue Heirat ihrer Ex-Frau von der Verantwortung ihrer Kinder befreit (vgl. ebd., 64-65). Auch die durch einen Umzug bedingte räumliche Entfernung zwischen dem nichtsorgeberechtigten Elternteil und der Familie kann zu einem Nachlassen des Besuchskontaktes führen (vgl. ebd., 65). Furstenberg und Cherlin vermuten außerdem, daß wohl manche Männer Elternschaft und Ehe aneinander gekoppelt sehen und demnach aufhören Vater zu sein, wenn die Ehe zerbricht (vgl. ebd., 65). Wie sieht nun aber in den Fällen, wo nach der Scheidung noch Kontakt beider Eltern zu den Kindern besteht, der Kontakt aus? Je nach dem, welche Beziehung die Ex-Ehepartner zueinander haben, wie schon beschrieben, so gestaltet sich auch die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern. Im Falle, daß die Eltern gute Freunde oder kooperative Partner bleiben, kann es nach der Scheidung in Bezug zu den Kindern zu einer kooperativen ko-elterlichen Interaktion kommen. Kooperative ko-elterliche Interaktion: Darunter versteht man, daß Eltern sich auch nach der Scheidung elterliche Aufgaben teilen, daß beide am Leben der Kinder weiterhin aktiv teilnehmen können. Nach der schon mehrmals erwähnten Studie von Napp-Peters (1988, 45) schafften es allerdings nur 27% der Eltern diese Form der Elternschaft auch nach der Scheidung zu leben. Diese Eltern versuchen z.B. ihre Wohnsitze nah beieinander zu 65 wählen, so daß die Kinder beide Haushalte leicht erreichen können. In beiden Wohnungen hat das Kind seinen eigenen Raum und seine Spielsachen. In manchen Fällen kann das Kind selbst entscheiden, wann es sich wo aufhalten will, in anderen Fällen gibt es eine feste Regelung. Entscheidentes Merkmal dieser elterlichen Kooperation ist, daß die Eltern alle Dinge, die das Kind betreffen, persönlich und gemeinsam besprechen. Diese Tatsache kann z.B. verhindern, daß der getrenntlebende Elternteil sich allmählich von den Kindern entfremdet, da er keine alltäglichen Belange der Kinder mehr erfährt, sondern nur noch alle vierzehn Tage die Kinder bei ihrem Besuch bei ihm erlebt, sich deshalb nicht mehr als richtiger Vater fühlt, wie bereits beschrieben, und mit der Zeit den Kontakt ganz abbricht. Eltern, die nach der Scheidung diesen kooperativen Umgang wählen, schaffen es in der Regel auch, daß verschiedene Anlässe mit der ganzen Familie erlebt werden, wie z.B. Geburtstage, Schulveranstaltungen etc. Diese ko-elterliche Interaktion wirkt sich positiv auf die Qualität der Beziehung des Kindes zum getrenntlebenden Elternteil aus. Während 63% der Kinder, deren Eltern diese Form der nachehelichen Elternschaft durchführten, eine herzliche und enge Beziehung zu ihrem getrenntlebenden Elternteil haben, haben dies nur 38% der Kinder, deren Eltern sich aus dem Weg gehen und nur 5% der Kinder, deren Eltern entzweit sind, d.h. keinen Kontakt mehr zueinander haben (vgl. Napp-Peters, 1988, 4647). Die ko-elterliche Kooperation erspart den Kindern auch die für sie oft unerträglichen Loyalitätskonflikte, da sie zu beiden Eltern Kontakt halten dürfen, ohne daß ein Elternteil sich dadurch gekränkt fühlt. Sie können weiterhin beide lieben und müssen sich nicht für einen entscheiden (vgl. Oelkers u. Kasten, 1993, 19). Verschiedene Autoren, z.B. Furstenberg und Cherlin (1993, 72), Figdor (1998, 213) sind der Meinung, daß durch die Einführung der gemeinsamen Sorge nach der Scheidung als Regelfall, wie sie ab Juli diesen Jahres gilt, diese elterliche Kooperation bei noch mehr Eltern ins Bewußtsein gerückt werden kann und sich deshalb die Zahl der Eltern vermutlich erhöhen könnte, die versuchen zum Wohl des Kindes auch nach der Scheidung zusammenzuarbeiten. Der Regelfall der gemeinsamen Sorge weist nämlich Eltern darauf hin, daß sie auch nach einer Scheidung beide für ihre Kinder verantwortlich bleiben. Eine Untersuchung von Balloff und Walter (1990, 445-454; 1991, 81-95) zeigt z.B., daß Kinder, deren Eltern auch nach der Scheidung die gemeinsame Sorge behielten, mehr Kontakt zu ihren getrenntlebenden Elternteilen pflegten, als diese, deren Eltern die alleinige Sorge hatten. Außerdem gab es zwischen den Kindern und dem getrenntlebenden Elternteil, der Teilhaber der gemeinsamen elterlichen Sorge war, nach zwei bis drei Jahren nach der Scheidung keinen Kontaktabbruch, während es bei 41,5% der Fälle, bei denen Elternteile die alleinige Sorge hatten, einen Kontaktabbruch zum nichtsorgeberechtigten Elternteil gab. Die gemeinsame elterliche Sorge kann nach diesen Ergebnissen also auch die Möglichkeit, daß Kinder nach der Scheidung zu beiden Eltern Kontakt behalten, erhöhen. Allerdings möchte ich daraufhinweisen, daß die gemeinsame elterliche Sorge allein noch nicht garantiert, daß Kinder nach der Scheidung günstige Eltern-Kind-Beziehungen erleben werden, da dies vor allem von der Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern abhängt. Die gemeinsame Sorge 66 ist lediglich ein Rechtsinstrument, das diese Kooperation vermutlich fördern und unterstützen, aber nicht von vornherein garantieren kann (vgl. Figdor, 1998, 195). Nach der Meinung von Figdor sind Beratungsangebote wichtig, die den Eltern helfen, diese gemeinsame Sorge zu praktizieren (vgl. ebd., 234). Sie müssen Hilfestellungen bekommen, wie die Beziehungen nach der Scheidung gelebt werden können, welche Bedingungen für die Kinder günstig sind, wie z.B. das Heraushalten der Paarkonflikte aus den Beziehungen zu den Kindern. Außerdem müssen die geschiedenen Eltern regeln, wo die Kinder leben sollen, wer sich wann und wie um sie kümmern soll. Es gibt drei verschiedene Modelle, wie diese Beziehungen gelebt werden können, die ich kurz nennen möchte (vgl. Balloff u. Walter, 1991,83; Oelkers u. Kasten, 1993, 20-21): Das Residenzmodell: Kinder haben bei einem Elternteil ihren Lebensmittelpunkt, leben hier die meiste Zeit und haben zum anderen Elternteil kontinuierlichen Besuchskontakt. Das Pendelmodell: Kinder pendeln zwischen dem Haushalt der Mutter und des Vaters annähernd zeitgleich hin und her. Das Nestmodell: Die Kinder leben an einem Wohnort und die Eltern ziehen wechselweise in diese Wohnung ein. Die günstigste Form für die Kinder stellt in der Regel das Residenzmodell dar. Häufige Wohnortwechsel, die bei dem Pendelmodell notwendig wären, können, nach Untersuchungen von Wallerstein und Blakeslee (1989, 303-323), für einen Teil der Kinder nämlich eine große Überforderung darstellen. Sie erleben vielfach ein Hin und Her zwischen manchmal ganz unterschiedlich organisierten Haushalten, in denen es unterschiedliche Regeln gibt. Kinder brauchen oft mehrere Stunden, um sich wieder auf die jeweilige Situation einzustellen und sind ängstlich und verunsichert. Nach der Meinung von Figdor brauchen Kinder das Gefühl, an einem Ort zu Hause zu sein (vgl. Figdor, 1998, 218). Für Kinder, besonders ab dem Schulalter, haben auch das soziale Umfeld, die Freunde und Nachbarn für Kinder eine große Bedeutung. Ein ständiger Wohnortwechsel würde aber diese kontinuierlichen Kontakte verhindern, was von den Kindern selbst als negativ bewertet wurde (vgl. Abarbanel, 1979; Steinmann, 1981, in: Balloff u. Walter, 1991, 84). Nach der bereits oben erwähnten Untersuchung von Balloff und Walter lebten etwa 2/3 der Kinder nach diesem Residenzmodell, während nur ca. 1/4 der Kinder nach dem Pendelmodell lebten. Das Nestmodell wird nach Angaben von Limbach, 1989, in: Balloff u. Walter, 1991, 83) in Deutschland nicht praktiziert (vgl. Balloff u. Walter, 1991, 88). Zu dem Sachverhalt der gemeinsamen elterlichen Sorge nach der Scheidung gibt es kontroverse Diskussionen, die ich im Rahmen meiner Arbeit nicht ausführlicher behandeln kann. Ich verweise lediglich auf folgende Literatur: Balloff u. Walter, 1990; 1991; 1992; Stein-Hilbers, 1992; Figdor, 1998, 209-233; Jopt, 1992. Festzuhalten gilt, daß die gemeinsame Sorge wohl dazu beiträgt, daß der Kontakt zum getrenntlebenden Elternteil eher erhalten bleibt, als bei der alleinigen Sorge. Diese Tatsache spricht vor allem für die gemeinsame Sorge, da sie dadurch das völlige Verschwinden des Vaters, was für 67 Kinder mit sehr großen psychischen Belastungen verbunden wäre, wie bisher schon deutlich wurde, verhindern kann. Wie sich allerdings die Sorgerechtsform auf die psychische Befindlichkeit der Kinder, auf ihre Beziehungen zu den Eltern, auf die Beziehungen zwischen den Eltern auswirkt muß noch genauer untersucht werden. Hier liegt noch ein großer Bedarf an empirischer Forschung (vgl. Figdor, 1998, 213-215). Weiterhin kann durch die gemeinsame elterliche Sorge vermutlich verhindert werden, daß der getrenntlebende Elternteil sich zurückgesetzt und aus der Familie ausgeschlossen fühlt, weil er kaum mehr Einfluß auf die Kinder haben kann, und möglicherweise in einen verbitterten Kampf gegenüber seinem Ex-Ehepartner gerät, um sich ein wenig Mitspracherecht zu erobern oder sich völlig von der Familie distanziert. Praktizieren Eltern das gemeinsame Sorgerecht, so sind sie im Hinblick auf wichtige Entscheidungen gleichberechtigt (siehe Punkt 3.2.2) (vgl. Figdor, 1998, 212). Allerdings muß noch erwähnt werden, daß das gemeinsame Sorgerecht eine große Anforderung an die geschiedenen Eltern stellt. Soll eine gemeinsame Sorge gelingen, so müssen sie viele Absprachen treffen, viel gemeinsam verhandeln und trotz ihrer Trennung den Kindern zuliebe kooperieren. Sie müssen es schaffen, ihre möglicherweise noch konflikthafte Paarbeziehung von ihrer elterlichen Verantwortung zu trennen. Hier ist zu fragen, ob es die Mehrheit der geschiedenen Paare schafft, deren Bedürfnis es oft ist, sich endgültig von ihrem Partner zu trennen, wegen der Kinder weiterhin zusammenzuarbeiten. Viele sind auch zu verletzt und zerstritten, daß keine Einigkeit hinsichtlich der Elternverantwortung mehr besteht. Furstenberg und Cherlin bezweifeln, daß das kooperative Muster zwischen Ehepartner jemals zum typischen Muster nach einer Ehescheidung wird. Sie sind der Ansicht, daß Eltern, die als Ehepartner nicht miteinander auskommen, es nicht schaffen werden als Geschiedene diese Differenzen beizulegen. Sie bezweifeln außerdem, daß Beratungsangebote Eltern zu einer engen und kooperativen Zusammenarbeit dauerhaft befähigen können. Allerdings sehen sie, daß die Beratungsstellen eine hohe soziale Funktion haben, in dem sie mit ihrem Angebot den Gedanken verbreiten, daß Eltern, die geschieden sind, im Interesse ihrer Kinder zusammenarbeiten können und sollen. Durch diese Erwartungshaltung an die Eltern, die realistischerweise als sehr hochgegriffen bewertet werden muß, wird ihnen signalisiert, daß eine Kooperation wünschenswert und möglich ist. Nach der Meinung von Furstenberg und Cherlin wird nur eine Minderheit die kooperative Elternschaft leben und eine große Zahl wird vermutlich nur zu einer sogenannten parallelen Elternschaft fähig sein, während vielleicht in der Mehrheit der Fälle die getrenntlebenden Elternteile auf alle Verantwortung verzichten (vgl. Furstenberg u. Cherlin, 1993, 36-37; 72-75). Parallele Elternschaft: Mit paralleler Elternschaft meinen Furstenberg und Cherlin, daß Vater und Mutter separate und festumrissene Beziehungen zu den Kindern unterhalten und sich jeweils nicht in die Angelegenheiten des anderen einmischen und nicht mehr miteinander Absprachen treffen. Die Ex-Ehepartner haben in diesen Fällen keinen oder nur noch sehr minimalen Kontakt zueinander. In den Augen vieler Eltern ist dies die beste Möglichkeit, nacheheliche Konflikte und Streit zu vermeiden. Für die Kinder hat diese parallele Elternschaft allerdings den Nachteil, daß sie in den beiden Familien zwei völlig getrennte Existenzen führen müssen. Sie dürfen z.B. in den verschiedenen Haushalten jeweils nicht 68 weitererzählen, was sie dort erlebt haben. Oft erleben sie in den zwei Haushalten auch völlig unterschiedliche Regeln und Erwartungen. Klar ist allerdings noch nicht, ob diese Art der elterlichen Verantwortung für das Kind schädlich ist oder ob sich das Kind besser entwickeln könnte, wenn die Eltern engen Kontakt hätten, allerdings weiterhin sehr konfliktträchtigen. Hier ist nämlich darauf aufmerksam zu machen, daß, wie in Punkt 4.2.3 erläutert werden wird, die ehelichen Konflikte wohl das kindliche Befinden mehr beeinträchtigen als die Trennung der Eltern. Die parallele Elternschaft kann auch, wie schon beschrieben, dazu führen, daß der getrenntlebende Elternteil mit der Zeit seinen Kontakt abbricht, da er nicht mehr viel vom Alltag seiner Kinder mitbekommt und sich ausgeschlossen fühlen kann (vgl. ebd., 66-70). Nach der Meinung von Balloff wäre die parallele Elternschaft ein Modell für nachhaltig zerstrittene Ex-Ehepartner, die beide Kontakte zu den Kinder halten können, ohne daß Absprachen und Kooperation von ihnen verlangt werden muß (vgl. Balloff, 1997, 133). 3.3.4 Auswirkungen der Entwicklungsbedingungen in der Nachscheidungsphase auf die psychische Entwicklung der Kinder34 Wie in den Ausführungen deutlich wurde, ist der Verlauf der Nachscheidungsphase unter anderem abhängig davon, wie die Eltern die Scheidung verarbeiten und wie sie ihre nacheheliche Beziehung hinsichtlich der Kinder gestalten. Bleibt der Vater nach der Scheidung für das Kind nicht kontinuierlich verfügbar, d.h. so daß die bestehende Beziehung gehalten werden kann, so fehlt dieser als Identifikationsmodell. Ein Kind bezieht nämlich seine eigene Identität in der Identifikation mit beiden Eltern, die durch einen Verlust des Vaters beeinträchtig werden kann. Während ein Kind beim Tod seines Vaters sich mit dem verlorenen Vater, der oft vom Kind idealisiert wird, weiterhin identifizieren kann, ist diese Identifikation bei einer Scheidung in manchen Fällen nicht oder nur sehr erschwert möglich. Dies erklärt unter anderem auch warum Kinder den Tod eines Elternteils besser verarbeiten können, als eine Trennung von einem Elternteil bei einer Scheidung. Bei einer Scheidung, bei der Eltern weiterhin sehr zerstritten bleiben, sich gegenseitig ablehnen und dem Kind den Kontakt zum getrenntlebenden Elternteil möglicherweise verbieten, stehen Kinder in der Gefahr, wenn sie sich weiterhin mit dem geschiedenen Elternteil identifizieren wollen, von dem Elternteil, mit dem sie zusammenleben, als den bösen Partner angesehen zu werden, von dem er sich getrennt hat. Die Kinder befürchten von daher, auch von diesem Elternteil abgelehnt zu werden. Oft müssen sie sich Bemerkungen anhören, wie: „Du bist wie deinVater oder wie deine Mutter“, was Kinder als Abwertung ihres Selbstwertgefühls erleben können. Um sich vor dieser Ablehnung zu schützen, sind die Kinder oft gezwungen, einen Teil ihrer auf den weggeschiedenen Elternteil gestützten Identität zu verleugnen. Ein Elternteilverlust durch Scheidung bedeutet für Kinder auch eine große Ambivalenz, die im Falle eines Todes nicht vorhanden ist. Bei einer Scheidung empfinden Kinder die Abwesenheit ihres Vaters häufig als narzißtische 34 Soweit nicht anders angegeben beziehen sich die Ausführungen auf Bauers, 1997, 52-60. 69 Kränkung, d.h. das Gefühl nicht mehr geliebt zu werden, nicht mehr liebenswert, sondern wertlos zu sein, zu verspüren, da der Vater noch real existiert, aber sich nicht mehr um sie kümmert. Außerdem quält sie oft die Sehnsucht nach Anerkennung und Zuneigung und die Hoffnung, den verlorenen Vater wieder zu gewinnen. Außerdem fehlt im Fall, daß der Vater nach der Scheidung sich ganz von der Familie zurückzieht, ein Regulativ für die durch die Scheidung oft enger werdende Mutter-Kind-Beziehung. Die kompensatorische und ausgleichende Wirkung des Vaters, die im Falle einer Trennung wegfallen kann, habe ich bereits in Punkt 3.2.3.1 beschrieben. Ich möchte nur noch daraufhinweisen, daß die Wut und Enttäuschung, die ein Kind bei einer Scheidung erleben kann, sich im Falle eines Rückzugs des Vaters oft einseitig auf die Mutter richtet, während der verschwundene Vater eher idealisiert wird. Die Beziehung zur Mutter kann dadurch sehr aggressiv gefärbt sein, was bei den Kindern wiederum mit der Angst einhergehen kann, verlassen zu werden. Andererseits brauchen sie auch die Aggression, um sich vor zu viel Abhänigkeit und Nähe zu schützen. Für viele Kinder wird dadurch die MutterKind-Beziehung nach der Scheidung ebenfalls problematisch. Zusammenfassend, bezüglich der Auswirkungen der Entwicklungsbedingungen der verschiedenen Phasen im Scheidungsprozeß auf die innerpsychische Entwicklung der Kinder, möchte ich nun folgendes festhalten: Im Laufe des Lebens muß jeder Mensch, um zu einer eigenen selbständigen Persönlichkeit zu werden, sich immer mehr von seinen primären Bezugspersonen lösen. Diese Ablösungsprozesse beziehen sich, kurz zusammengefaßt, auf folgende Entwicklungsphasen (vgl. Mentzos, 1987, in: Bauers, 1997, 58-59): Der Säugling muß sich aus der Dualunion oder anders ausgedrückt aus der Mutter-Kind-Symbiose, in der er sich als Einheit mit der Mutter erlebt, ablösen und erreicht allmählich die Differenzierung von Subjekt und Objekt; in der Trennungs-und Individuationsphase muß das Kind sich aus der absoluten Abhängigkeit lösen und eine autonome Entwicklung beginnen, d.h. Bindungen leben und gleichzeitig selbständig bleiben zu können; in der ödipalen Phase lernt das Kind, im Umgang mit Vater und Mutter und in der Lösung des Ödipuskonfliktes, wie in Punkt 3.1.3.3 näher beschrieben, reife Dreierbeziehungen zu leben und die Grundlage für spätere reife Liebesbeziehungen zu bilden; in der Latenzzeit muß das Kind seine Interessen über den engen Familienkreis hinaus richten und seine Abhängigkeit von den primären Bezugspersonen lockern, um mehr Selbständigkeit und soziale Kompetenz in der Gruppe der Gleichaltrigen zu erwerben; in der Adoleszens muß der Jugendliche die Trennung von seinen kindlichen Bindungen an die Eltern bewältigen, eine eigene Identität entwickeln und eine reife heterosexuelle Bindung an einen Partner seiner Generation eingehen. 70 Bauers schreibt in Bezug zu Kindern, die den Scheidungsprozeß ihrer Eltern erleben und ebenfalls diese Entwicklungsaufgaben zu lösen haben folgendes: „Meines Erachtens kann ein Kind gerade diese auf allen Entwicklungsstufen in Variationen wiederkehrenden intrapsychischen Trennungs- und Loslösungsschritte nicht bewältigen, wenn es bei schwerer Ehekrise und Scheidung seiner Eltern einerseits übermäßig von einem oder beiden Elternteilen zu deren Konfliktentlastung als Bündnispartner, Tröster oder Partnerersatz gebunden wird, andererseits durch das Erleben von realer Trennung und der nachfolgenden Ängste, auch noch den anderen Elternteil zu verlieren, sich in seiner emotionalen oder gar existentiellen Situation bedroht fühlt“ (vgl. Bauers, 1997, 59). Kinder, die schwere Ehekrisen ihrer Eltern und eine Scheidung erlebt haben, entwickeln oft eine große Trennungsangst und ihre Fähigkeit, reife gefühlsmäßige Bindungen einzugehen und aufrechtzuerhalten wird beeinträchtigt. Da Scheidungskinder sich auch oft verpflichtet fühlen, ihren Eltern in ihrer Krise zu helfen, opfern sie außerdem ein großes Stück eigener Selbstentwicklung und bleiben intrapsychisch stärker an sie gebunden. Vermehrt verhindert diese große familiäre Abhängigkeit die Entwicklung von Sozialkontakten, woraus eine Vereinsamung des Kinder resultieren kann, was das Kind wiederum verstärkt an seine Familie bindet. Auch in der Adoleszenz wird die notwendige Ablösung von den Eltern verhindert, was den Aufbau einer von der Herkunftsfamilie abgegrenzten eigenen Familieneinheit erschwert. Allerdings möchte ich erneut darauf hinweisen, daß eine Scheidungserfahrung für Kinder nicht automatisch und in jedem Fall zu langfristigen Beeinträchtigungen führen muß. Viele verschiedene Faktoren beeinflussen die Art und Weise, wie Kinder die Scheidung verarbeiten können. In Punkt 4.2 werde ich auf verschiedene Bedingungsfaktoren eingehen, die dabei eine Rolle spielen, ob Kinder langfristige Beeinträchtigungen entwickeln oder nicht. Die verschiedenen Faktoren können sich außerdem gegenseitig beeinflussen und sich z.B. verstärken aber auch wieder aufheben. Scheidungsreaktionen der Kinder dürfen nie monokausal, d.h. als Folge eines bestimmten Wirkfaktors, gesehen werden, sondern müssen immer in einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge betrachtet werden. Nicht nur die Vorscheidungs- und Scheidungsphase und deren Entwicklungsbedingungen für die Kinder beeinflussen die Art und Weise, wie Kinder auf die Scheidung reagieren, sondern auch wie es nach der Scheidung für die Kinder weitergeht, wie sich dann ihre Familienform gestaltet, wie ihre geschiedenen Eltern miteinander umgehen, wie ihre finanzielle und soziale Situation aussieht. In Kapitel 4 werde ich auf diese Folgen der Scheidung eingehen und außerdem zeigen, zu welchen möglichen kindlichen Reaktionen es kommen kann, die allerdings immer im Kontext vieler verschiedener Bedingungsfaktoren zu sehen sind (vgl. Bauers, 1997, 52; Figdor, 1991, 124). Nachdem ich nun den Scheidungsprozeß mit seinen verschiedenen Phasen und den jeweils spezifischen Veränderungen, Entwicklungen und Anforderungen für die Erwachsenen und die Kinder beschrieben habe, möchte ich im nächsten Kapitel nochmals näher auf die Situation von Scheidungskindern eingehen. 71 4. Folgen der Ehescheidung für Kinder In diesem Kapitel werde ich zuerst mögliche Reaktionsweisen von Kindern auf das Scheidungserlebnis schildern und mögliche Bedingungsfaktoren dieser Folgen erläutern. Danach zeige ich verschiedene Familienformen auf, in denen Kinder nach einer Scheidung leben können und welche eher positive oder negative Bewältigungsbedingungen darstellen. 4.1 Reaktionen der Kinder auf den Prozeß der Ehescheidung Nachdem im dritten Kapitel deutlich wurde, welche Auswirkungen die Bedingungen in den einzelnen Phasen im Scheidungsprozeß für die innerpsychische Entwicklung vor allem aus psychoanalytischer Sicht für Kinder haben können, möchte ich nun mehr auf die Reaktionsweisen und Symptome eingehen, die Kinder im Zuge einer Scheidung ihrer Eltern entwickeln können. 72 Einleitend dazu möchte ich zuerst einige Anmerkungen machen, wie diese Scheidungsfolgen zu bewerten sind und welche Schwierigkeiten dabei auftreten. Die Scheidungsforschung ist ein sehr junges Forschungsgebiet, das aus den USA stammt, wo diese Forschung Ende der 60er Jahre begann und erst etwa 20 Jahre später in den deutschsprachigen Ländern aufgegriffen wurde (vgl. Riehl-Emde, 1992, 415). Allerdings existieren im deutschsprachigen Gebiet nach wie vor immer noch sehr wenige Untersuchungen, die sich mit Auswirkungen von Trennung und Scheidung auf die Entwicklung des Kindes befassen (vgl. Fthenakis, 1995, 128). Trotz hoher Scheidungszahlen muß mit Verwunderung festgestellt werden, daß die deutsche Scheidungsforschung noch immer als defizitär eingestuft werden muß und sich viele Erkenntnisse in der deutschen Literatur auf vorwiegend US-amerikanische Untersuchungen und damit verbunden USamerikanische Rahmenbedingungen berufen, die nicht ohne weiteres auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können (vgl. Kardas u. Langenmayr, 1996, 68-69). Außerdem sind die Ergebnisse, die im Bereich der Scheidungsauswirkungen für Kinder vorliegen, sehr vielfältig und auch sehr widersprüchlich, wodurch sich eine Bewertung der Studien als sehr schwierig erweist (vgl. Riehl-Emde, 1992, 416). „Vielleicht gibt es kein Forschungsgebiet, das nicht zugleich so wichtig und noch dazu so verwirrend ist, wie die Literatur zu Kindern und Scheidung“ (Kanoy u. Cunningham, 1984 zit. in: Kardas u. Langenmayr, 1996, 70). Außerdem muß im Bereich der Scheidungsforschung beachtet werden, daß sich die Ergebnisse in Abhänigkeit von der Zeit, in der die Studien durchgeführt wurden, wandeln. Man kann z.B. beobachten, daß die Ergebnisse der späteren Jahre geringere Effekte zeigen, als frühere Studien, was darauf zurückgeführt wird, daß vermutlich die neueren Studien differenzierter, mit höherem methodologischem Standard angelegt werden und diese zu geringeren negativen Auswirkungen kommen. Außerdem spielt hierbei auch eine Rolle in welchem gesellschaftlichen Kontext eine Studie durchgeführt wird, d.h. unter welchen zeitbedingten Norm- und Wertvorstellungen wissentschaftlich gearbeitet und geforscht wird. Vermutlich wird nämlich auch die wissentschaftliche Urteilsbildung von gesellschaftlichen Normen bestimmt (vgl. Riehl-Emde, 1992, 420-421; 429). So leuchtet ein, daß bis zum Beginn der 80er Jahre die negativen Folgen im Vordergrund der Forschung standen, da die Ehescheidung bis dahin vermehrt als Abweichung von der allgemeinen Lebensnorm gesehen wurde und per se negativ bewertet wurde. Die neuere Forschung, wie z.B. die bisher umfangreichste statistische Meta-Analyse von Amato und Keith (1991a in: Riehl-Emde, 1992, 415-432), die Ergebnisse aus 92 Studien über Scheidungsfolgen für Kinder statistisch analysiert haben, zeigt, daß die negativen Auswirkungen überschätzt wurden. Die Meta-Analyse zeigt zwar, daß Scheidungskinder in vielen Bereichen schlechter abschneiden, als Kinder in intakten Familien, aber der Unterschied relativ gering ist. Außerdem weisen Amato und Keith ebenfalls darauf hin, daß es je nach Art der Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann. Klinische Studien zeigen gravierendere Scheidungsfolgen als soziologische Studien. Das Klientel klinischer Studien stammt oft aus sehr problembeladenen Familien, wo die Scheidung als ein zusätzlicher Belastungsfaktor noch 73 hinzukommt. Die Studien lassen sich deshalb nicht ohne weiteres auf alle Scheidungskinder übertragen (vgl. ebd., 421). In der heutigen Forschung werden die negativen Reaktionen der Kinder nicht mehr als direkte Folge des Ereignisses der Ehescheidung der Eltern interpretiert; d.h. eine Scheidung wird nicht mehr per se als negative Beeinträchtigung der Kinder, als Ursache für langfristige negative Auswirkungen gesehen. Ob eine Ehescheidung langfristige Beeintächtigungen bei Kindern hervorruft hängt, wie schon erwähnt, von vielen Faktoren ab (vgl. Fthenakis, 1995, 128-129). Eine Scheidung bedeutet für Kinder zwar eine große Belastung, die bei allen Kindern kurzfistige Symptome hervorruft, aber sie muß nicht zu einer Erfahrung mit langfristigen Beeinträchtigungen werden. „... langfristig ist es nicht allein der Scheidungsverlauf, der darüber bestimmt, ob Kinder später als Erwachsene zu Intimität, Nähe und stabilen Beziehungen fähig sind. Ausschlaggebend sind vielmehr der Familienstil, der Umgang der Familienmitglieder untereinander, und hier vor allem die Beziehungen und elterlichen Aktivitäten nach der Scheidung, die es jedem Partner erlauben, verantwortlich am Leben seiner Kinder teilzunehmen“ (Napp-Peters, 1995, 12). Auf diese Bedingungsfaktoren werde ich in Punkt 4.2 und 4.3 noch ausführlicher eingehen. Sie sollten hier lediglich schon einmal erwähnt werden, um darauf aufmerksam zu machen, daß die Scheidungsreaktionen, die in diesem Punkt beschrieben werden, nicht als Folge der Scheidung an sich mißverstanden werden dürfen, sondern als mögliche Auswirkungen von vielen mit der Scheidung verbundenen Bedingungen, die aber nicht bei allen Scheidungen gegeben sein müssen. Fthenakis stellt fest, daß es der überwiegenden Mehrzahl der Kinder aus geschiedenen Familien gelingt, das Scheidungsgeschehen ohne Beeinträchtigungen ihrer Entwicklung zu bewältigen, aber daß etwa 1/3 der Kinder mittel- und langfristig einen problematischen Entwicklungsverlauf aufweisen (vgl. Fthenakis, 1995, 129). Napp-Peters (1992a, 16) konnte in ihrer Studie über 150 Scheidungsfamilien feststellen, daß die meisten Reaktionen der Kinder nach der elterlichen Scheidung unmittelbare Reaktionen auf das Erleben von gravierenden Veränderungen ihrer Lebensbedingungen sind, wie z.B. der Auszug eines Elternteils aus der gemeinsamen Wohnung, der dadurch nicht mehr so präsent ist, wie früher. Für jedes Kind ist eine Scheidung ein erschütterndes Erlebnis und es ist normal, daß Kinder darauf reagieren (vgl. Figdor, 1991, 38). Bedenklich ist eher eine zu große Angepaßtheit und Unauffälligkeit der Kinder, da der Grund hierfür möglicherweise ein Verdrängen der Gefühle und Probleme darstellen kann, um z.B. die durch die Scheidung belastete Mutter nicht noch mehr zu fordern und sie zu schützen. Mit dieser Verantwortung überfordern sich allerdings die Kinder und berauben sich einer Kindheit, dem Freiraum nach unbeschwerten kindlichen Bedüfnissen (vgl. Jopt, 1997, 18). In der Regel klingen die Reaktionen nach ein bis zwei Jahren ab, wenn sich das Kind auf die neue Familiensituation eingestellt hat. Diese unmittelbaren Reaktionen sind zu unterscheiden von andauernden Anpassungsschwierigkeiten, zu denen es unter Beeinflussung vieler verschiedener Faktoren (vgl. Punkt 4.2) kommen kann (vgl. Napp-Peters, 1992a, 16). Außerdem möchte ich auch noch darauf hinweisen, daß es weder das „Scheidungssyndrom“ noch das „Scheidungskind“ gibt, sondern, daß die Kinder je nach Bedingungsfaktoren sehr individuell reagieren (vgl. Lehmkuhl, 1988, 138). 74 Die Einführung zum Kapitel der Scheidungsfolgen für Kinder schließe ich mit folgenden Hinweisen ab: Die neuere Scheidungsforschung weist unmißverständlich darauf hin, daß „... die bis heute in vorwissenschaftlichen Publikationen anzutreffende Behauptung, die Mehrheit der Scheidungskinder sei bis ins Erwachsenenalter deutlich gestört, als unzutreffend zurückgewiesen werden (kann). Langfristige Beeinträchtigungen scheinen im Mittel eher gering auszufallen und sind keineswegs zwangsläufige Folge der elterlichen Scheidung“ (Klein-Allermann u. Schaller, 1992, 282). Die Scheidung allein hat langfristig weder für die Partner noch die Kinder die negativen Auswirkungen, die oft in der allgemeinen gesellschaftlichen Meinung herrschen. Die meisten Probleme resultieren aus Begleiterscheinungen der Trennung, z.B. ungenügender finanzieller Absicherung der Familie nach der Scheidung, anhaltender Konflikte zwischen den Partnern, mangelndes Verständnis der Umwelt und fehlende soziale Unterstützung (vgl. ebd., 288). Die nun folgenden Ausführungen der Scheidungsreaktionen der Kinder müssen immer mit dem eben erläuterten Hintergrund betrachtet werden. Ich werde die kindlichen Reaktionen untergliedern in: -kindliche Emotionen auf die elterliche Scheidung; -altersspezifische Reaktionen; -geschlechtsspezifische Reaktionen; -langfristige Folgen; -positive Folgen. Abschließend werde ich noch auf die intergenerative Transmissionshypothese hinsichtlich des Scheidungsrisikos eingehen. 4.1.1 Kindliche Emotionen auf die elterliche Scheidung35 a) Trauer: Viele Kinder reagieren auf die Trennung ihrer Eltern mit Trauer, was sie viel Kraft kostet, die dann in anderen Lebensbereichen und bei der Erfüllung anstehender Entwicklungsaufgaben fehlt. Die Trauer kann auch zur Depressivität führen, insbesondere, wenn die Eltern selbst auch depressiv sind, wenn sich das Kind zurückgewiesen und verlassen fühlt oder wenn es die Wut, die es aufgrund der Trennung gegenüber der Eltern empfinden kann, gegen sich selbst richtet, weil es die Wut nicht zeigen darf. b) Wut: Viele Kinder erleben nach der Trennung ihrer Eltern Gefühle der Wut und des Zorns. Sie sind ärgerlich, weil sie sich abgelehnt fühlen, da beide Elternteile mehr mit sich selbst beschäftigt sind 75 und die Kinder oft vernachlässigen. Die Eltern, die selbst durch die Trennung stark belastet sind, übersehen in dieser Zeit oft die Bedürfnisse ihrer Kinder, während ihre eigenen mehr im Vordergrund stehen. Außerdem verursacht die häufig von Kindern erlebte Ohnmacht, nichts gegen die Trennung unternehmen zu können, Wut (vgl. Figdor, 1991, 34). Manche Kinder zeigen ihre Wut gegenüber dem abwesenden Elternteil, der die Familie verlassen hat. Andere zeigen ihre Wut gegenüber dem anwesenden Elternteil, der den anderen vertrieben hat oder wiederum andere richten ihre Wut auf beide Eltern. Manche Kinder unterdrücken sie auch, oder die Wut zeigt sich indirekt z.B. in zwanghaftem Verhalten, Depressionen, Alpträumen etc. c) Schuldgefühle: Nach Erfahrungen von Figdor (1998, 23-24) geben sich fast alle Kinder ein Stück Schuld an der Scheidung ihrer Eltern. Je kleiner sie sind, desto häufiger fühlen sie sich schuldig. Dies hängt zum Teil mit dem Entwicklungsstand der Kinder zusammen. Laut der kognitiven Entwicklungstheorie von Piaget (vgl. Bourne u. Ekstrand, 1992, 322-329) haben Kinder bis etwa sieben Jahre eine egozentrische Erlebnisweise, d.h. sie fühlen sich als Mittelpunkt der Welt und können sich im Grunde genommen nicht vorstellen, daß irgend etwas ohne ihr Zutun geschieht. Sie sind außerdem unfähig, Sachverhalte aus der Perspektive anderer zu betrachten. Diese kindliche Denkweise trägt also dazu bei, daß sich Kinder für die Trennung ihrer Eltern verantwortlich fühlen. Schuldgefühle können aber auch dadurch entstehen, daß Kinder in Familienkonflikten als Vermittler auftreten und versuchen, ihre Eltern wieder zu versöhnen. Klappt dies nicht, dann erleben Kinder die Trennung der Eltern als ein Scheitern ihrer Bemühungen (vgl. Figdor, 1998, 23). Oft bekommen Kinder aber auch mit, daß sich die Konflikte ihrer Eltern immer wieder um Fragen der Erziehung drehen, daß die Eltern sich ihretwegen streiten. Kinder können deshalb annehmen, daß sie der Grund für die Trennung seien, was schwere Schuldgefühle auslösen kann. Schuldgefühle zählen zu den Emotionen, die Menschen nach der Meinung von Figdor besonders schlecht aushalten und deshalb gerne unterdrücken und verdrängen. Ein Teil der Aggressionen, die bei Scheidungskindern zu beobachten ist, muß daher nicht nur Folge von Wut sein, sondern kann auch aus verdrängten Schuldgefühlen resultieren. d) Niedriges Selbstwertgefühl: Die Trennung der Eltern führt bei vielen Kindern zur Ausbildung niedriger Selbstwertgefühle. Sie erklären sich das Weggehen eines Elternteils mit ihrer eigenen Wertlosigkeit, halten sich für nicht liebenswert und entwickeln ein negatives Selbstbild. Dieses negative Selbstbild kann auch daraus resultieren, daß sie die Ehe ihrer Eltern nicht retten konnten. Ein negatives Selbstbild kann sich auch infolge besonderer Rollen, die ein Kind im Scheidungsprozeß einnehmen kann, entwickeln. Wird das Kind z.B. zum Bündnispartner eines Elternteils so muß es sich oft illoyal gegenüber dem anderen Elternteil verhalten, wofür es sich sehr schlecht fühlen und schämen kann. Nehmen Kinder z.B. die Rolle des Ersatzpartners ein, so erleben sie vermutlich das Gefühl, diese Rolle nicht 35 Wenn nicht anders angegeben beziehen sich folgende Ausführungen auf Textor, 1991b, 49-52. 76 befriedigend ausfüllen zu können, was negative Auswirkungen auf ihr Selbstwertgefühl haben kann. e) Angst: Viele Kinder haben nach der Trennung von einem Elternteil Angst, auch den anderen zu verlieren. Dies wird damit erklärt, daß Kinder die Erfahrung machen, daß Eltern sich trennen, weil sie sich streiten und sich nicht mehr lieben. Dies führt bei vielen Kindern zu dem Schluß, daß sie der verbleibende Elternteil auch noch verlasssen könnte, da es zwischen dem Kind und dem gebliebenen Elternteil ja auch Streit gibt und Streit unter anderem der Grund war, warum die Eltern sich nicht mehr mögen und sich getrennt haben. Viele Kinder versuchen deshalb nach der Scheidung, Konflikte möglichst zu vermeiden. Sie verdrängen oft eigene Aggressionen, versuchen brav und angepaßt zu leben, um der Gefahr des Verlassenwerdens zu entgehen. Dieses Verhaltensmuster steckt vermutlich mit dahinter, wenn Kinder nach der Scheidung angepaßter und gehorsamer sind, als vor der Scheidung (vgl. Figdor, 1991, 38). Besonders problematisch ist, daß ein solches Verhalten häufig nicht als auffällig erkannt wird (vgl. Textor 1991b, 51). Viele Scheidungskinder haben auch Angst vor einer ungewissen Zukunft. Sie fragen sich, ob sie den weggegangenen Elternteil wiedersehen werden, machen sich Sorgen, wie es in ihrer Familie weitergehen wird, ob sie z.B. umziehen und damit Freunde verlassen müssen etc. (vgl. Figdor, 1991, 37). Diese beschriebenen Gefühle können bei Kindern sehr unterschiedlich und individuell ausgeprägt sein. Diese Gefühle stellen typische und normale Reaktionen auf die Scheidung der Eltern dar (vgl. Figdor, 1991, 38). Jedes psychisch gesunde Kind muß auf eine solche Krise wie die Scheidung seiner Eltern reagieren, und alle Hoffnungen der Eltern, das Kind möge nicht reagieren, gehen eigentlich in die falsche Richtung. „Denn nur jenen Kindern wird dieser Einschnitt im Leben gar nichts ausmachen, deren frühe Beziehungen zu den engsten Personen, zu den Eltern, bereits gestört waren, sodaß die Unterbrechung oder Veränderung dieser Beziehungen eher eine Entlastung als eine Belastung darstellt“ (Figdor, 1998, 24). Diese Gefühle gehören zum seelischen Reaktionsinventar jedes Kindes. Sie stellen nicht nur eine Erschütterung des seelischen Gleichgewichtes dar, sondern sie sind zugleich auch ein Mittel, die Erschütterung zu bewältigen und das Gleichgewicht wieder herzustellen. Diese Gefühle bedeuten zwar, daß das Kind eine Belastung erlebt, aber sie sind noch kein Anzeichen für eine existenzielle Bedrohung und langfristige Beeinträchtigung (vgl. Figdor, 1991, 38-39). Schaffen es Eltern angemessen auf diese Gefühle ihrer Kinder einzugehen, müssen Kinder vermutlich keine langfristigen Verhaltensauffälligkeiten entwickeln und können eine Scheidung gut bewältigen. Wie positives Elternverhalten aussehen kann, wird in Punkt 5.1.1 deutlich werden. Im nächsten Abschnitt werde ich nun einen Überblick über mögliche altersspezifische Reaktionsweisen und Verhaltensauffälligkeiten geben, die Kinder im Zusammenhang der Scheidung ihrer Eltern zeigen können. Gegenwärtig ist man nämlich der Auffassung, daß Kinder in 77 unterschiedlichen Entwicklungstufen, d.h. auch in unterschiedlichem Alter unterschiedliche Reaktionsweisen zeigen (vgl. Fthenakis, 1995, 130). Ich möchte die Reaktionsweisen nicht mehr näher erläutern, da im dritten Kapitel meiner Arbeit schon deutlich wurde, welche innerpsychischen Prozesse in den einzelnen Scheidungsphasen bei Kindern ablaufen können. Die folgende Übersicht soll lediglich verdeutlichen, zu welchen Reaktionen es kommen kann, da es für die Beratungsarbeit von Scheidungsfamilien wichtig ist, auch darüber Bescheid zu wissen, welche vielfältigen Verhaltensweisen Kinder auf die Scheidung zeigen können. 4.1.2 Altersspezifische Reaktionen von Kindern auf die elterliche Scheidung Der Überblick geschieht in Anlehnung an Fthenakis, 1995, 130-132. 4.1.2.1 Geburt bis zum 2. Lebensjahr Für diese Entwicklungsstufe liegt nur wenig Forschungsevidenz vor. Reaktionen in diesem Alter können sein: Nachtangst: Einschlafschwierigkeiten, Aufwachen in der Nacht mit Erschrecken, Desorientierung und Hilferufe; Müssen Kinder diesen Alters institutionell betreut werden, was wegen einer Scheidung häufig der Fall sein kann, kann es bei institutioneller Betreuung schlechter Qualität zu folgenden Symptomen kommen: a) generelle Retardierung der Entwicklung u.a. im sprachlischen Bereich, b) vermindertes Interesse an Spielzeug, an der äußeren Umgebung sowie an sozialen Kontakten. Säuglinge bemerken vermutlich kaum die Abwesenheit des Vaters. Für sie besteht wohl die größte Gefahr darin, daß die Mutter, durch die aus der Trennung resultierenden Probleme, Belastungen und Konflikte, die Säuglinge nicht mehr angemessen versorgen kann. Nach McNamara und Morrison 1982 reagieren Säuglinge auf jede Veränderung in ihrer Routine mit Verärgerung oder Kummer. Sie sind empfänglich für die Gefühle und das Verhalten des sie versorgenden Elternteils und tendieren dazu, Befürchtungen, Ängste wahrzunehmen, die ihr Elternteil empfindet. Sie entwickeln dann manchmal Schlaf- oder Eßstörungen, werden reizbar oder lassen sich kaum beruhigen (vgl. Textor, 1991b, 53). 78 4.1.2.2 Zweites bis drittes Lebensjahr Folgende Symotome können in diesem Alter auftreten: Regressionen (z.B. Rückschritte in der Sauberkeitserziehung, Trennungsängste, Gebrauch von Ersatzobjekten, wie z.B. Puppen oder Decken zur Rückversicherung bezüglich bestimmter Objekte); Irritierbarkeit, Furchtsamkeit, Weinen; Allgemeine Angstzustände; Gesteigerte Aggressivität und Trotz; Besitzergreifendes Verhalten; Schlafstörungen; Probleme im Trennungs- und Individuationsprozeß (wie im 3. Kapitel beschrieben); Vermehrtes Verlangen nach physischem Kontakt in Verbindung mit schneller Hinwendung zu Fremden. 4.1.2.3 Drittes bis fünftes Lebensjahr In diesem Alter können Kinder folgende Reaktionen zeigen: Aggressiv-destruktives Verhalten und Angst vor Aggressionen; Irritiertbarkeit; Weinerliches Verhalten; Traurigkeit; Vermindertes Selbstwertgefühl; Gehemmtheit im Spiel, im Verhalten und in der Phantasie; Hilfsbedürftigkeit; Gestörtes Vertrauen in die Zuverlässigkeit menschlicher Beziehungen; Einsamkeit; Selbstbeschuldigungen wegen des Zerbrechens der Familie. Kinder in diesem Alter zeigen großes Bemühen, die Veränderungen in den Beziehungen zu ihren Eltern zu erfassen und zu verstehen und suchen nach Erklärungen für das Weggehen eines Elternteils, wobei Selbstanschuldigungen häufig geäußert werden, was wie schon beschrieben mit ihrem egozentrischen Weltbild zusammenhängt. Kinder in diesem Alter geben ihr Verlangen nach dem getrenntlebenden Elternteil deutlich Ausdruck (vgl. Fthenakis et al., 1982, 145). 79 4.1.2.4 Fünftes bis sechstes Lebensjahr Die kindlichen Reaktionen in dieser Entwicklungsphase sind ähnlich wie in der vorhergehenden. Es können folgende Reaktionen auftreten: Aggressives Verhalten; Ängstlichkeit; Ruhelosigkeit; Erhöhte Irritierbarkeit und Weinen; Trennungsprobleme und -ängste; Wutanfälle; Kindheitsdepressionen, Verweigerungsverhalten, Gefühl der Zurückweisung; Schlafstörungen; Phobien; Zwanghaftes Essen; Abhängiges Verhalten; Schlechte Beziehungen zu Mitschülern; Ausgeprägte Tagträume; Weiterhin Schuldgefühle wegen der Elterntrennung. 4.1.2.5 Siebtes bis achtes Lebensjahr Folgende Reaktionen können in diesem Alter beobachtet werden: Anhaltende Traurigkeit als erste Reaktion auf die Trennung; Kinder in diesem Alter sind sich ihres Kummers voll bewußt und können nur schwer Erleichterung finden (vgl. Fthenakis et al., 1982, 147). Die Auflösung der Familie wird als Bedrohung der eignen Existenz angesehen; Die Schuldgefühle treten zurück, d.h. das Gefühl der Verantwortung für die Scheidung der Eltern ist in diesem Alter nicht mehr dominant (vgl. Fthenakis et al., 1982, 147). Beeinträchtigung der schulischen Leistung; Depressionen, die eher mit Rückzugsverhalten als mit Weinen verbunden sind; Starker Wunsch nach Wiedervereinigung der Familie; Loyalitätskonflikte. 80 4.1.2.6 Neuntes bis dreizehntes Lebensjahr Folgende Symptome können in diesem Alter auftreten: Psychosomatische Krankheiten oder Depressionen; In einer Studie von Napp-Peters (1988, 39) klagten Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren häufig über Kopfschmerzen, fühlten sich schlapp, litten unter chronischen Magenschmerzen oder anderen Krankheitssymptomen. Pseudoreife; Bewußter, intensiver Zorn auf den Elternteil, der als Initiator der Scheidung gesehen wird; Angst, verlassen zu werden; Soziale Scham; Identitätsprobleme; Loyalitätskonflikte; Selbstwertprobleme; Schulschwierigkeiten; Angst vor einer ungewissen Zukunft; Gefühl der Einsamkeit und Ohnmacht. 4.1.2.7 Vierzehntes bis neunzehntes Lebensjahr Kinder dieser Entwicklungsstufe reagieren zunächst äußerst heftig auf die elterliche Trennung und Scheidung und zwar mit: Zorn, Trauer, Schmerz; dem Gefühl, verlassen und betrogen worden zu sein. Nach relativ kurzer Zeit entwickeln sie aber die Fähigkeit zur realistischen Einschätzung der Scheidungsursachen und leisten konstruktive Beiträge zur Situationsbewältigung. Sie helfen z.B. mit bei der Neuorganisation des Haushaltes, bei der Betreuung jüngerer Geschwister und reagieren meist einfühlsam und unterstützend auf den Kummer ihrer Eltern (vgl. Fthenakis et al., 1982, 150). Jugendliche suchen häufig auch Hilfe und Rat außerhalb der Familie, z.B. bei Freunden und Lehrern. Oft nutzen sie Aktivitäten außerhalb der häuslichen Umgebung als wichtige Möglichkeit, Konflikten aus dem Weg zu gehen und Erleichterung zu finden (vgl. ebd.). Allerdings zeigen manche Jugendliche auch folgende Reaktionen: Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, eine positive Partnerbeziehung zu haben; Abrupte und destruktive Ablösung vom Elternhaus, meist verbunden mit einem Vermeiden von Kontakt mit den Eltern; 81 Vernachlässigung einer Auseinandersetzung mit den Problemen der Gegenwart, indem sie sich fast ausschließlich mit zukünftigen Plänen und Zielen auseinandersetzen. Die unterschiedlichen alterspezifischen Probleme führt Longfellow (1979, in: Fthenakis et al., 1982, 144-151 und in: Jaede, 1992, 108-110) auf die entwicklungsspezifisch unterschiedlichen sozialkognitiven Kompetenzen der Kinder zurück, das Scheidungsgeschehen zu verarbeiten und zu bewältigen. Ich möchte diese Zusammenhänge kurz darstellen und beziehe mich auf die eben angegebene Literatur. Kinder bis etwa sechs Jahre haben ein ich-zentriertes Weltbild, die eigene Person steht im Mittelpunkt eines Erklärungsversuches der elterlichen Trennung. Außerdem sind Kinder in diesem Alter nicht in der Lage, die eigene Wahrnehmung von einer anderen zu unterscheiden. Erhalten Kinder in dieser Zeit nicht genügend Information über die Scheidungshintergründe, dann kann es vermehrt zu Schulgefühlen kommen. Kinder zwischen sieben und acht Jahren haben nun die Fähigkeit, zwischen ihrer Sicht der Dinge und der Perspektive anderer zu unterscheiden. Das Kind beginnt nun, ein Verständnis für unterschiedliche innere Motive bei beiden Elternteilen zu entwickeln. Schuldgefühle treten in diesem Alter deshalb vermehrt zurück. Allerdings sind Kinder in diesem Alter noch vom Werturteil beider Eltern abhängig und stehen deshalb in der Gefahr Loyalitäts- und Solidaritätskonflikte zu erleben. Kinder in der Vorpubertät (ca. 9-12 Jahre) zeigen ausgeprägte Fähigkeiten zur Selbstreflexion. Sie haben die kognitive Fähigkeit entwickelt, sich selbst zu sehen, wie andere sie sehen könnten und sind ebenso in der Lage, sich vorzustellen, wie ihre Familie mit ihren Konflikten von anderen wahrgenommen wird. Aus diesem Verständnis heraus wird deutlich, warum Kinder in diesem Alter vermehrt Schamgefühle entwickeln. Im Jugendalter (ca. 12-18 Jahre) besitzen Jugendliche die Fähigkeit, komplexe Beziehungen zu erfassen und eine eigene Beziehung zu ihren Eltern, unabhängig von deren Beziehung zueinander, zu entwickeln. Loyalitätskonflikte treten von daher in den Hintergrund. Außerdem verfügen Jugendliche über ein differenzierter werdendes Verständnis der Beziehungsproblematik und besitzen die Möglichkeit, sich mehr zu distanzieren und aktiver Probleme zu lösen. In diesem Alter besteht auch die Möglichkeit der Abgrenzung und der Zukunftsorientierung außerhalb der Kernfamilie. Jugendliche zeigen außerdem häufig das Bedürfnis, die Trennung der Eltern zu verarbeiten. Neben den alterspezifischen Reaktionen auf die Trennung der Eltern können auch geschlechtsspezifische Verhaltensweisen beobachtet werden, auf die ich nun kurz eingehen werde. 4.1.3 Geschlechtsspezifische Rektionen auf die elterliche Scheidung Kindliche Reaktionen auf die Scheidung der Eltern sind nach Forschungsergebnissen (z.B. Zaslow, 1988, 1989, in: Fthenakis, 1995, 133) geschlechtsspezifisch determiniert. Allerdings ist die frühere Sichtweise, daß Jungen anfälliger sind für die negativen Auswirkungen der Scheidungserfahrung als 82 Mädchen und daß sie stärker beeinträchtigt wären, wie z.B. Hetherington et al. (1982, in: SchmidtDenter et al., 1991, 46) in einer Studie ermittelten, überholt. Man geht heute davon aus, daß Jungen und Mädchen beide auf die Scheidung reagieren, jedoch in unterschiedlicher Art und Weise, wobei die unterschiedlichen Reaktionen nicht unbedingt ein unterschiedliches Maß an emotionaler Betroffenheit bedeuteten müssen (vgl. Schmidt-Denter et al., 1991, 46). Jungens zeigen vorwiegend ausagierendes, aggressives (externalisierendes) Verhalten. Sie zeigen oft heftigere unmittelbare Reaktionen und weisen Defizite in der sozialen Entwicklung, Konzentrationsschwierigkeiten, verminderten Optimismus und Leistungsdefizite auf. Mädchen neigen mehr zu internalisierenden Verhaltensweisen, wie z.B. Rückzug, Angst und Depression. Außerdem zeigen viele Mädchen bis in die Pubertät ein überangepaßtes Verhalten. Auch läßt sich bei ihnen häufig pseudoerwachsenes Verhalten beobachten (vgl. Fthenakis, 1995, 131 u. 133). Die Gefahr der Reaktionsweisen der Mädchen liegt darin, daß ihre emotionale Betroffenheit durch die Scheidung oft übersehen wird, da ihre Verhaltensweisen weniger auffällig und in der belastenden Situation der Ehescheidung besonders für die Eltern bequemer sind. Vermutlich wird ihr Verhalten auch als wünschenswert und angenehm erlebt (vgl. Niesel, 1995, 166). Dieser Sachverhalt erklärt vielleicht auch, daß früher angenommen wurde, daß Jungens mehr unter der Scheidung der Eltern leiden, da ihre Reaktionen auffälliger sind. Manche Studien zur Scheidungsproblematik geben Hinweise darauf, daß bei Mädchen die nach außen problematischeren Reaktionen, wie z.B. aggressive Verhaltensweisen, erst in der Pubertät oder im jungen Erwachsenenalter deutlich werden können (vgl. Hetherington, 1991, in: Niesel, 1995, 166). Ich möchte nicht näher auf die geschlechtsspezifischen Reaktionen eingehen, sondern verweise auf eine Dokumentation von Zaslow (1988, 1989), die Fthenakis (1995, 133) in seinen Ausführungen erwähnt hat. Bevor ich nun auf die Schilderung längerfristiger Folgen eingehe, möchte ich nochmals daran erinnern, daß bei den meisten Kindern die geschilderten Symptome nach ca. zwei Jahren verschwinden und deshalb nur unmittelbare Reaktionen auf die Scheidung darstellen und keineswegs andauernde Beeinträchtigungen sein müssen. 4.1.4 Langfristige Folgen der elterlichen Scheidung für Kinder36 Langfristige Folgen von Trennung und Scheidung können sich für Kinder in einem erhöhten Risiko der Entwicklung psychischer Störungen einschließlich erhöhtem Suizidrisiko, in delinquenten Verhaltensweisen und in Problemen bei der Gestaltung von Partnerschaft und Ehe zeigen. 36 Wenn nicht anders angegeben beziehen sich die folgenden Erläuterungen auf Fthenakis, 1995, 140-147. 83 4.1.4.1 Erhöhtes Risiko psychischer Störungen und Entwicklung delinquenter Verhaltensweisen Kalter (1977), Kalter und Rembar (1981) fanden heraus, daß das Risiko, daß ein Kind mit geschiedenen Eltern bis fünf Jahre nach der Scheidung einem Psychologen oder Psychiater vorgestellt wird, bis zu viermal größer ist, als bei einem Kind aus einer nicht geschiedenen Familie (vgl. Fthenakis, 1995, 141). Die häufigsten Probleme, die von professionellen Helfern genannt werden sind: Verhaltensstörungen, Aggressionen, fehlende Impulskontolle, offensichtliche Fehlhaltungen in der moralischen Entwicklung, sowie vermehrt Depressionen. Reich stellte aufgrund seiner Studie folgende langfristigen Probleme bei Kindern und Jugendlichen fest (vgl. Reich, 1993, 82): ca. 30% der Betroffenen zeigten dissoziale Verhaltensweisen; ca. 25% der Betroffenen zeigten schwere Kontaktarmut; ca. 20% der Betroffenen zeigten Lern-und Leistungsstörungen; ca. 13,5% der Betroffenen zeigten psychosomatische Beschwerden. Napp-Peters stellt in ihrer Studie folgende Problemverteilungen fest (vgl. Napp-Peters, 1988, 40-41): 36% der Kinder mit langfristigen Störungen zeigten aggressives Verhalten, das mit anderen Verhaltensauffälligkeiten, wie Tierquälerei, Tobsucht, häufige Wutanfälle einhergeht. Dieses Verhalten war überwiegend bei Jungen zu erkennen. 36% der Kinder zeigten konfliktreiche und depressive Verhaltensmuster, die überwiegend bei Mädchen zu beobachten waren. Diese Verhaltensmuster traten in den meisten Fällen zusammen mit Disziplinschwierigkeiten, Unkonzentriertheit und Schulproblemen auf. In 19% der Fälle zeigten sich langfristige Störungen in wiederholtem Bettnässen, Einkoten, überängstlichem Verhalten und Suizidversuche. Bei 9% der Kinder wurden Verhaltensauffälligkeiten wie Lügen, Diebstahl oder Weglaufen genannt. Abgesicherte Zusammenhänge zwischen dem Erleben der elterlichen Trennung in der Kindheit und delinquenten Verhalten im Jugend- und Erwachsenenalter lassen sich kaum noch feststellen, wenn in Untersuchungen zusätzlich alle Variablen berücksichtigt werden, die ebenfalls beeinflussenden Charakter haben können. Dennoch liegen einige Studien vor, die von delinquentem Verhalten bei Jugendlichen aus Scheidungsfamilien berichten. So konnte bei älteren männlichen Jugendlichen festgestellt werden, daß sie zu 30% in schwerwiegende Vergehen, wie Gewalttätigkeit, Einbruch, Drogenhandel Vehrkehrsdelikte verwickelt waren. Bei Mädchen wurden weniger delinquente Handlungen festgestellt, wohl aber eine gewisse sexuelle 84 Unbekümmertheit, was sich in einer geringeren Sorgfalt bei der Auswahl von Sexualpartnern und in einem hohen Prozentsatz von Abtreibungen manifestierte. Bei Mädchen aus geschiedenen Familien konnten im Teenageralter mit größerer Wahrscheinlichkeit Auffälligkeiten, wie promiskuitives Verhalten, Drogenmißbrauch und Weglaufen von zu Hause, gezeigt werden, als bei Altersgenossinnen aus nicht geschiedenen Familien. 4.1.4.2 Gestaltung von Partnerschaften Reich konnte in seiner Studie beobachten, daß die wesentliche Langzeitfolge ungelöster Scheidungskonflikte eine Beeinträchtigung des Vertrauens in Bindungen und in die konstruktive Lösbarkeit zwischenmenschlicher Konflikte ist. Freundschaften, insbesondere Bindungen an gegengeschlechtliche Partner sind immer wieder von untergründiger Trennungsangst begleitet. Dieser Angst wird durch verstärktes Anklammern an den Partner begegnet, der daraufhin nicht selten mit Rückzug reagiert, was die Trennungsbefürchtungen dann bestätigt. Andere versuchen der Trennungsangst, der Angst, verlassen zu werden, zu entgehen, indem sie selbst abrupte Beziehungsabbrüche durchführen (vgl. Reich, 1993, 83). Verschiedene Studien, auf die Fthenakis die Schilderung der Langzeitfolgen stützt, zeigen, daß viele Jugendliche, die die Scheidung ihrer Eltern erlebten, die Befürchtung äußern, die gleichen Fehler ihrer Eltern zu wiederholen und unfähig zu sein, eine positive Beziehung aufrechtzuerhalten. Allerdings gibt es auch Studien, die zeigen, daß es Jugendliche aus Scheidungsfamilien gibt, die sich wenig von den elterlichen Fehlern beeinflußt fühlen und zuversichtlich sind, was die eigene Zukunft betrifft. Sie suchen meist aktiv nach positiven außerfamilialen Rollenmodellen, an denen sie sich orientieren. In der Gestaltung von Partnerbeziehungen kann man außerdem Unterschiede zwischen den weiblichen und männlichen Jugendlichen aus Scheidungsfamilien feststellen. Während Mädchen eher aktiv die Beziehung zu Gleichaltrigen suchen und übermäßig schnell Verabredungen und sexuelle Beziehungen eingehen, zeigen Jungen häufig eine beträchtliche Vorsicht und Zurückhaltung vor heterosexuellen Beziehungen und eine Reserviertheit der Gefühle (vgl. Fthenakis, 1995, 141-143). Auch bei den langfristigen Folgen muß darauf hingewiesen werden, daß Amato und Keith aufgrund ihrer Meta-Analyse zu der Erkenntnis kommen, daß die oft schwerwiegenden Befunde differenziert betrachtet und relativiert werden müssen. Die Effektstärken hinsichtlich langfristiger Folgen sind nur gering, d.h. es bestehen nur kleine Unterschiede zwischen Erwachsenen aus geschiedenen und vollständigen Herkunftsfamilien (vgl. Amato u. Keith, 1991b in: Riehl-Emde, 1992, 421-422). 4.1.5 Positive Folgen der elterlichen Scheidung für Kinder In den letzten Jahren werden häufiger auch mögliche positive Entwicklungen von Scheidungskindern erwähnt (vgl. Offe, 1992, 34). 85 Kinder, die die Scheidung ihrer Eltern positiv bewältigen konnten, zeigen im Vergleich zu ihren Altersgenossen große psychische Reife und Stabilität. Sie haben erfahren, daß eine Ehescheidung nicht nur einen schmerzlichen Verlust bedeutet, sondern auch eine konstruktive Lösung sein kann, scheinbar ausweglose, konflikthafte Beziehungen abzubrechen und einen neuen Weg zu suchen (vgl. Rauchfleisch, 1997, 31). Oggenfuss (1984, 71-83) konnte in seiner Analyse einer Langzeituntersuchung von 2000 Schülern im Kanton Zürich in Bezug auf Jugendliche aus Scheidungsfamilien feststellen, daß bei ihnen keine vermutete Tendenz zu Gefühlen der Ohnmacht festzustellen war, sondern eher eine Wahrnehmung von Eigenverantwortlichkeit, die sogar über jener der Kinder aus Zweielternfamilien lag. Außerdem stellte Oggenfuss fest, daß Jugendliche aus geschiedenen Familien, im Vergleich zu Jugendlichen aus nicht geschiedenen Familien, bezüglich politischer Fragestellungen doppelt so häufig die Meinung vertreten, daß sie hinsichtlich von Weltereignissen nicht bloß das Opfer unkontollierter Abläufe sind. Dieser Sachverhalt kann unterschiedlich interpretiert werden. Zum einen kann es sein, daß Scheidungskinder das Gefühl des Ausgeliefertseins an die Ehescheidung der Eltern verdrängen und dort Verantwortung übernehmen, wo sie eigentlich Opfer sind. Andererseits besteht die Möglichkeit, daß sie durch die Verarbeitung einer schwierigen Situation gelernt haben, mit Schwierigkeiten umzugehen, Probleme zu meistern, wodurch sie ein großes Selbstvertrauen gewinnen konnten. Nach außen erweckten die Jugendlichen aus Scheidungsfamilien ein Bild hohen Selbstvertrauens und Zuversicht, sie glaubten aus ihrem Leben das machen zu können, was sie wollen und Probleme lösen zu können, wenn sie diese nur richtig anpacken. Kritisch muß hierzu aber angemerkt werden, daß aus der Analyse von Oggenfuss nicht hervorgeht, ob diese Jugendlichen wirklich ein inneres gestärktes Selbstvertrauen besitzen oder ob sie ihre Gefühle der Machtlosigkeit nur verleugnen. Wallerstein macht in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß die bei Scheidungskindern häufig feststellbare große Selbständigkeit und Eigenverantwortung aber auch eine Überforderung sein und sich hinter dem Stolz auf diese Selbständigkeit das Bedauern verbergen kann, nicht genügend Unterstützung gehabt zu haben und nicht hinreichend versorgt worden zu sein (vgl. Wallerstein, 1987 in: Offe, 1992, 34). Als positive Auswirkung wird bei Scheidungskindern auch häufig genannt, daß sie eine wenig starre Orientierung an Geschlechtsrollen zeigen (vgl. Offe, 1992, 34). Diesen Zusammenhang konnte Oggenfuss in seiner Analyse ebenfalls feststellen. Jugendliche aus Scheidungsfamilien zeigen z.B. in Bereichen, in denen im allgemeinen Männer für fähiger gehalten werden (z.B. politisches Verständnis, logisches Denken), eine Tendenz zur Gleichverteilung dieser Eigenschaften. Auch haben diese Jugendlichen ein stärkeres Bewußtsein bezüglich der Diskriminierung der Frau in Beruf und Politik. Sie fordern mehr, als Jugendliche aus nicht geschiedenen Familien, eine Angleichung der Geschlechtsrollen (vgl. Oggenfuss, 1984, 79-80). Diese flexibleren Einstellungen hinsichtlich der Geschlechtsrollen können daraus resultieren, daß die meisten Scheidungskinder nach der Scheidung mit alleinerziehenden Müttern zusammenleben, die, wenn sie die Scheidung gut bewältigt haben, häufig selbstbewußt, unabhängig, ökonomisch selbständig sind und im Alltag oft sogenannte „Männerrollen“ übernehmen. Kinder, die nach der Scheidung bei ihrem Vater leben, was nur einen kleinen Teil der Scheidungskinder ausmacht, erleben Männer, die sich mit ihrer täglichen Versorgung 86 und ihren Problemen beschäftigen, was laut wissenschaftlichen Untersuchungen (vgl. Notz, 1991 in: Gutschmidt, 1997, 303) in Zweielternfamilien noch immer eher die Ausnahme darstellt. Kinder aus Scheidungsfamilien können so ein breites Spektrum von Geschlechtsrollen-kompetenzen erfahren (vgl. Gutschmidt, 1997, 303). Positive Auswirkungen kann eine Ehescheidung vor allem auch für die Kinder haben, die in stark konflikthaften Familien leben, und die mit der Scheidung eine Reduktion ihrer Probleme erfahren. Für sie kann die Scheidung eine Erleichterung bedeuten und ihr seelischer Zustand, der infolge der Beziehungsprobleme ihrer Eltern sehr gelitten hatte, kann sich wieder stabilisieren (vgl. Cherlin et al., 1991 in: Gutschmidt, 1997, 301). Allerdings kann es zu dieser positiven Entwicklung nur kommen, wenn sich nach der Scheidung die konflikthafte Beziehung der Eltern verbessert. Amato und Keith haben in ihrer Meta-Analyse nämlich festgestellt, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, daß Kinder aus Scheidungsfamilien gegenüber Kindern in konflikthaften vollständigen Familien dann im Vorteil sind, wenn sich nach der Scheidung die Konflikte zwischen den Eltern verringern (vgl. Amato u. Keith, 1991a in: Riehl-Emde, 1992, 419). 4.1.6 Intergenerative Transmission des Scheidungsrisikos Nach der Transmissionshypothese wird das Scheidungsrisiko von der Eltern- auf die Kindergeneration übertragen. Demnach lassen sich Männer und Frauen, die in ihrer Herkunftsfamilie eine Scheidung erlebt haben, in ihrem eigenen Leben deutlich häufiger scheiden, als Männer und Frauen, deren Eltern nicht geschieden sind. Dieses Phänomen ist keine bloße Spekulation, sondern konnte bis jetzt in allen empirischen Arbeiten, die diesen Effekt untersuchten, nachgewiesen werden. Allerdings besteht noch keine Einigkeit darüber, wie dieses Phänomen erklärt werden kann. Die Erklärungsansätze werden weiterhin kontrovers diskutiert (vgl. Diekmann u. Engelhardt, 1995, 216). Diekmann und Engelhardt verweisen auf drei Erklärungshypothesen: die Streßhypothese, die Hypothese ökonomischer Deprivation und die Sozialisationshypothese, die sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern vermutlich vielmehr alle einen Beitrag zur Erklärung bieten können (vgl. Diekmann u. Engelhardt, 1995, 215-228). Ich möchte in meiner Arbeit nur kurz auf die Sozialisationshypothese eingehen, um zu zeigen, daß Scheidungskinder vermutlich nach der Meinung von Beck-Gernsheim einem individuellen Lerneffekt ausgesetzt sind, der in der Generationenfolge dann zu weiteren Scheidungen führt (Beck-Gernsheim, 1997, 25). Die Sozialisationshypothese: Diese Hypothese geht davon aus, daß die Erfahrungen, die die Kinder in ihrer Scheidungsfamilie gemacht haben, ihre Haltung gegenüber Ehe, Familie und Partnerschaft beeinflussen (vgl. BeckGernsheim, 1997, 24). Helm-Stierlin weist darauf hin, daß Scheidungskinder häufig nicht lernen, Konflikte, die zu jeder lebendigen Ehe gehören, zu lösen und konstruktiv zu bewältigen, sondern sie erfahren, daß Beziehungen brüchig sind. Viele Scheidungskinder befürchten, wie schon erwähnt, daß ihre späteren 87 Liebesbeziehungen auch scheitern können. Diese negative Erwartung schafft nach Helm-Stierlin auch eine negative Realität, da jede Eheschließung eine gewisse Unbekümmertheit und das Vertrauen darauf, daß es klappt, bedarf. Bestehen zu große Zweifel, kann ein Prozeß einsetzen, der beide Partner zu vorsichtig sein und ständig darauf lauern läßt, wann sich die Befürchtungen bestätigen (vgl. HelmStierlin, 1992, 83). Außerdem könnte auch das von der alleinstehenden, geschiedenen Mutter präsentierte Rollenmodell dazu beitragen, daß besonders die Mädchen in ihrem späteren Leben einen Lebensstil wählen, der das Scheidungsrisiko im Falle einer Ehe erhöhen würde. So können Töchter alleinstehender, geschiedener Mütter lernen, daß Frauen auch fähig sind, eine Familie alleine zu erhalten. Im Falle einer unglücklichen Ehe entscheiden sich diese Töchter vermutlich häufiger für eine Scheidung, als Töchter aus Zweielternfamilien (vgl. Ladner, 1971 in: Fthenakis, 1995, 146). Ergebnisse einer empirischen Studie, in der die Lebensentwürfe junger Mädchen und Frauen untersucht wurden, zeigen, daß Töchter alleinerziehender Mütter sich in ihrem Lebensentwurf deutlich von Mädchen aus Zweielternfamilien unterscheiden. Sie legen mehr Wert auf Selbständigkeit, streben nach beruflicher Eigenständigkeit und finanzieller Unabhängigkeit und wollen sich auf ihre eigenen Anstrengungen verlassen. Zu den Themen Heirat und Mutterschaft sind sie eher reservierter eingestellt. Dieser Lebensstil erhöht, wie in Punkt 2.1.2 deutlich wurde, im Falle einer Ehe das Scheidungsrisiko (vgl. Beck-Gernsheim, 1997, 24). Beck-Gernsheim weist darauf hin, daß die Erfahrung von Trennungsereignissen eine Sozialisation eigener Art beinhaltet. „Wenn es Kindern gelingt, sich mit wechselnden Familienformen zu arrangieren, so heißt dies, sie lernen, Bindungen aufzugeben, mit Verlust fertig zu werden. Sie erfahren früh, was Verlassenwerden und Abschied bedeuten. Sie wissen aufgeklärt, daß die Liebe nicht ewiglich währt, daß Beziehungen enden, daß Trennung ein Normalereignis im Leben darstellt. Sie üben sich darin, mit dem Wechsel zu leben ... . (...) In der Generationenfolge werden Kinder zu Experten des Wandels“ (Beck-Gernsheim, 1997, 25). Diese Sozialisationseffekte können positiv oder negativ interpretiert werden. Positiv gedeutet, lernen Kinder aus Scheidungsfamilien, insbesondere Mädchen, daß ein erfülltes und befriedigtes Leben auch allein, ohne Partner möglich ist und daß das Glück nicht abhängig ist vom Gelingen einer Zweierbeziehung. Sie lernen, sich auf ein selbständiges Leben vorzubereiten, statt ihre Identität nur in der Familie zu sehen. Negativ gedeutet, bedeutet die Sozialisation von Scheidungskindern, daß es ihnen an Bindungssicherheit, an Sozial- und Konfliktfähigkeit mangelt. Unabhängig, ob man nun die positive oder negative Deutung wählt, wird durch die Scheidung „... ein individualistischer Lerneffekt angelegt, was in der Generationenabfolge dann zu weiteren Scheidungen führt“ (ebd.). 4.1.7 Fazit zu den kindlichen Reaktionen auf die elterliche Scheidung Liest man die vielen hier aufgeführten möglichen Reaktionsweisen und Folgen, die eine Ehescheidung für Kinder auslösen kann, so kann leicht ein verzerrtes, stark negativ geprägtes Bild von 88 Scheidungskindern entstehen. Ich möchte deshalb nochmals betonen, daß viele Verhaltensweisen, die Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern zeigen können, unmittelbare Reaktionen sind, die unter günstigen Bedingungen verschwinden, wenn sich die Kinder an die Veränderungen angepaßt haben. Nicht alle Kinder leiden über Jahre unter der Scheidung ihrer Eltern. Langfristige Folgen werden, wie schon beschrieben, bei einem Drittel der Scheidungskinder festgestellt. Heute geht man davon aus, daß nicht das Ereignis der Ehescheidung an sich diese langfristigen Auswirkungen bedingt, sondern daß viele ungünstigen Faktoren in einer Scheidungsfamilie zusammenwirken müssen, wenn es zu anhaltenden Problemen kommt. Im folgenden werde ich auf mögliche Bedingunsfaktoren eingehen, die die Reaktionsweisen der Kinder im Scheidungsprozeß beeinflussen. 4.2 Bedingungsfaktoren der kindlichen Reaktionen auf die elterliche Scheidung Es gibt viele verschiedene Faktoren, die hinsichtlich der Scheidungsbewältigung, d.h. der Art und Weise der Scheidungsreaktionen von Kindern in der Scheidungsliteratur diskutiert (oftmals auch widersprüchlich) werden. Ich kann im Rahmen meiner Arbeit diese Vielfalt der Studien und die unterschiedlichen Ergebnisse nicht alle berücksichtigen. Einen Einblick in die Studienvielfalt bieten Kardas und Langenmayr (1996, 109-130), auf deren Buch ich hinweisen möchte. In meiner Arbeit gehe ich lediglich auf drei Hauptbereiche von Bedingungsfaktoren ein, die in der Scheidungsliteratur häufig erwähnt werden und vermutlich mit dazu beitragen, daß Kinder, die eine elterliche Scheidung erleben verhaltensauffällig werden oder bleiben. Die Ausführungen der Bedingungsfaktoren soll verdeutlichen, daß sich langfristige Beeinträchtigungen nicht per se als Folge des Scheidungsereignisses entwickeln, sondern in einem langfristigen Prozeß, in dem eine Vielzahl ungünstiger Veränderungen auftreten (vgl. Textor, 1991b, 94). Die Bedingunsfaktoren dürfen allerdings nicht als monokausale Verursacher bestimmter ungünstiger kindlicher Entwicklungen gesehen werden, sondern müssen als Faktoren gesehen werden, die in komplexen Wechselwirkungen sich gegenseitig beeinflussen, d.h. entweder in ihrer Wirkung verstärken oder mindern können (vgl. Punkt 3.3.4). Die drei Hauptbereiche, auf die ich nun eingehen werde, umfassen die sozio-ökonomische Situation von Scheidungsfamilien, den Kontakt der Kinder zu dem getrenntlebenden Elternteil und die Beziehungen zwischen den Eltern vor und nach der Scheidung, d.h. welches familiale Konfliktniveau vorliegt. 4.2.1 Die sozio-ökonomische Situation von Scheidungsfamilien 89 In der schon mehrmals erwähnten repräsentativen Studie von Napp-Peters konnte festgestellt werden, daß 40% der Kinder, die mittel- oder langfristige Störungen aufwiesen, mit ihren Eltern und Geschwistern an der Armutsgrenze lebten (vgl. Napp-Peters, 1988, 42). Viele Kinder erleben nach der Scheidung ihrer Eltern eine Einschränkung der finanziellen Ressourcen und damit verbunden oft eine massive Verschlechterung ihres Lebensstandards (vgl. ebd., 21). Da , wo vor der Scheidung ein Haushalt versorgt werden mußte, sind nun zwei Haushalte zu finanzieren (vgl. Rauchfleisch, 1997, 17). Außerdem lebt die Mehrzahl der Kinder nach einer Scheidung mit ihrer alleinerziehenden Mutter zusammen, für die laut einer Analyse der Lebenslagen Alleinerziehender (vgl. Neubauer, 1994 in: Schneider et al., 1998, 124) eine Scheidung in der Regel mit einem deutlichen materiellen und sozialen Abstieg verbunden ist. Laut Neubauer ist jede dritte Mutter-Kind-Familie auf Unterhaltszahlungen, Arbeitslosengeld/hilfe, Sozialhilfe oder sonstige Unterstützungen angewiesen (vgl. Neubauer, 1994 in: Peuckert, 1996, 162). 1991 mußten rund 25% aller Alleinerziehenden mit Kindern in den alten und 60% in den neuen Bundesländern mit einem Einkommen unterhalb der Sozialhilfeschwelle auskommen (vgl. Schwarz, 1993-94b in: Peukert, 1996, 163). Mit zunehmender Kinderzahl erhöht sich das Armutsrisiko von 18% bei einem Kind, auf 30% bei zwei Kindern und auf 60% bei drei und mehr Kindern (vgl. Walper, 1991 in: Peukert, 1996, 163). Die schlechte ökonomische Situation kann auch Auswirkungen auf die sozialen Kontakte der Scheidungsfamilien und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben haben. Der enge finanzielle Spielraum führt oft zu einem sozialen Kontaktmangel, da in vielen Fällen kein Geld vorhanden ist, um verschiedene Freizeitaktivitäten und gemeinsame Unternehmungen zu bezahlen (vgl. Stiehler, 1997, 209). Oft sind Scheidungsfamilien aus finanziellen Gründen auch gezwungen, in kleinere und vielfach auch schlechtere Wohnungen, in meist ungünstigeren Wohngebieten (Stadtrandgebiete mit schlechter Infrastruktur), umzuziehen. Mit dem Umzug verlieren Kinder häufig vertraute Bezugspersonen und Freunde (vgl. Rauchfleisch, 1997, 17). Soziale Kontakte von Scheidungsfamilien verändern sich aber nicht nur durch Umzüge und schlechte finanzielle Verhältnisse, sondern in vielen Fällen auch schon durch die Scheidung selbst. Kontakte, die vom ehemaligen Ehegatten initiiert wurden und die zu seiner Verwandtschaft gehören, gehen in vielen Fällen verloren, besonders dann, wenn die Ex-Ehegatten weiterhin zerstritten sind, sich voneinander zurückziehen und sich gegenseitg die Schuld für die Scheidung geben. Mit der Scheidung schränken sich somit die familiären Beziehungen ein (vgl. Fthenakis et al., 1982, 111). Mit dieser Abnahme der sozialen Kontakte besteht die Gefahr der sozialen Isolation von Scheidungsfamilien (vgl. Gutschmidt 1986, in: Oberndorfer, 1991, 26). Mit der Scheidung besteht demnach das Risiko, daß wichtige soziale Ressourcen, die vor der Trennung zur Verfügung standen, plötzlich nicht mehr erreichbar sind. Dies kann das Gefühl von Einsamkeit und Hilflosigkeit, das viele Erwachsene und Kinder nach der Scheidung erleben, noch verstärken (vgl. Krieger, 1997, 145). Dieser Verlust an sozialen Kontakten bedeutet eine Einschränkung von sozialen Ressourcen, d.h. Verlust an emotionaler und praktischer Unterstützung, was die Scheidungs-bewältigung negativ beeinflussen kann. 90 Gerade in der kritischen Zeit der Scheidung, die für alle Familienmitglieder viele Veränderungen und Belastungen mit sich bringt, hat die Unterstützung von Angehörigen und Freunden für alleinstehende Eltern und Kinder eine stabilisierende Wirkung. Trost, Wärme und zuverlässige Hilfe, die die Scheidungsfamilien hier finden, helfen ihnen, die Veränderungen der Scheidung zu bewältigen und sich an die neue Situation anzupassen (vgl. Napp-Peters, 1988, 48). Napp-Peters konnte in ihrer Studie z.B. feststellen, daß die Eltern, die nach der Scheidung weiterhin gemeinsam Verantwortung für die Familie und die Kinder übernahmen und kooperierten, solche waren, die über mehr freundschaftliche und verwandschaftliche Beziehungen verfügten, als Eltern, die nicht zu einer kindorientierten Interaktion fähig waren. Bei den kooperrierenden Eltern gingen durch die Scheidung weniger Kontakte im sozialen Umfeld verloren, und diese Scheidungsfamilien werden von den Herkunftsfamilien beider Partner unterstützt (vgl. Napp-Peters, 1988, 47). Dieser Sachverhalt weist vermutlich darauf hin, daß Scheidungsfamilien eine Scheidung und die dadurch bedingten Veränderungen besser bewältigen können, wenn die früheren Kontakte durch eine Trennung nicht kaputtgehen, sondern der veränderten Familie weiterhin Unterstützung geben. Eine weitere Belastung, der Familien nach einer Scheidung ausgesetzt sein können, und die die Scheidungsbewältigung der Kinder negativ beeinflussen kann, ist die auftretende Mehrfachbelastung der Elternteile, bei denen die Kinder nach der Scheidung leben. Durch die geringen finanziellen Mittel sind viele alleinerziehende Elternteile gezwungen, berufstätig zu sein. Sie müssen nun Kindererziehung, Berufstätigkeit und Haushaltsführung alleine bewältigen, was vor der Scheidung mit dem Partner gemeinsam bewältigt werden konnte. Durch diese Mehrfachbelastung bleibt oft, im Vergleich zu der Zeit vor der Scheidung, nur wenig Zeit für die Kinder (vgl. Napp-Peters, 1987, 92). Durch diese Mehrfachbelastung fühlen sich viele Elternteile überfordert. Diese Überforderung macht sich meistens auch im Erziehungsverhalten bemerkbar. Viele Eltern verhalten sich dadurch bedingt autoritär, reagieren dann aber aufgrund von Schuldgefühlen mit übergroßer Nachsicht, so daß insgesamt ein inkonsequenter Erziehungsstil praktiziert wird, der kindliches Verhalten negativ beeinflussen kann (vgl. Weiß, 1979; Bartz/Witcher, 1978 in: Sander, 193, 424). Viele alleinerziehende Elternteile verfallen in dieser, sie oft überfordernden Situation (finanzielle Sorgen, Mehrfachbelastungen, wenig soziale Unterstützung), in Depressionen (vgl. Napp-Peters, 1987, 92). In verschiedenen Studien konnte festgestellt werden, daß ein beeinträchtigtes Selbstwertgefühl, das Gefühl von Unzulänglichkeit, Depression und Ängstlichkeit des Elternteils, bei dem die Kinder nach der Scheidung leben, eng verknüpft sind mit kindlichen Verhaltensauffälligkeiten (vgl. Fthenakis, 1995, 136). Napp-Peters schreibt dazu: „...Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit werden als Haltung der Eltern direkt auf die Kinder übertragen, schränken ihren Erfahrungsraum ein und entmutigen sie“ (NappPeters, 1988, 26). 4.2.2 Beziehung zwischen den Kindern und dem getrenntlebenden Elternteil 91 Napp-Peters stellte in ihrer Studie fest, daß bei jedem zweiten Kind mit andauernden Störungen kein Kontakt mehr zu dem getrenntlebenden Elternteil bestand (vgl. Napp-Peters, 1988, 42). Konsistent wird in vielen Studien berichtet, daß der primäre negative Aspekt der elterlichen Scheidung der Verlust eines Elternteils für das Kind ist (vgl. Fthenakis, 1995, 137). Welche Konsequenzen die Tatsache haben kann, daß nach einer Scheidung ein Elternteil, in der Regel der Vater, für die Kinder völlig verschwindet, wurde bereits im dritten Kapitel meiner Arbeit deutlich (vgl. Punkte 3.2.3 u. 3.3.4). Lowenstein und Koopmann (1978 in: Fthenakis, 1995, 137) fanden z.B. einen positiven Zusammenhang zwischen dem Selbstwertgefühl der Kinder und der Umgangshäufigkeit mit dem getrenntlebenden Elternteil. Allerdings ist hier anzumerken, daß nicht zuerst die Quantität ausschlaggebend ist, sondern eher die Qualität der Beziehung zwischen dem Elternteil und den Kindern (vgl. Klein-Allermann u. Schaller, 1992, 286). Dieser Zusammenhang läßt sich mit den aus Kapitel drei gewonnenen Erkenntnissen vermutlich darauf zurückführen, daß die Kinder, die nach der Scheidung weiterhin Kontakt zu beiden Elternteilen haben, sich nicht im Stich gelassen und von daher nicht weniger liebenswert fühlen müssen. Kurdek und Berg (1983 in: Fthenakis, 1995, 137) konnten ebenfalls feststellen, daß Wechselwirkungen zwischen der Anpassung des Kindes, der Qualität der Vater-Kind-Beziehung und der Zeit, die das Kind alleine mit dem Vater verbringen konnte, bestehen. Beelmann und Schmidt-Denter machten in ihrer Studie an 34 deutschen Scheidungskindern die Beobachtung, daß Kinder, die seltener, bzw. keinen Kontakt zum Vater haben, im Vergleich zu Kindern, die ihren Vater häufiger sehen, eine negativere emotionale Beziehung zu Ihrer Mutter, bei der sie leben, haben, d.h. diese Beziehung ist häufiger mit Gefühlen von Feindseligkeit und Abneigung geprägt (vgl. Beelmann u. Schmidt-Denter, 1991, 184-185). Dieser Zusammenhang kann damit erklärt werden, daß die ausgleichende Funktion des Vaters in der oft engen Beziehung zwischen Mutter und Kindern fehlt, wie bereits in Kapitel 3 deutlich wurde (vgl. Punkte 3.2.3 u. 3.3.4). 4.2.3 Beziehungen zwischen den Eltern vor und nach der Scheidung (familiales Konfliktniveau) Wie bereits in Kapitel 3 deutlich wurde sind elterliche Konflikte generell mit schlechter Anpassung von Kindern aus vollständigen und geschiedenen Familien verknüpft. Man vermutet von daher, daß die Scheidungsreaktionen der Kinder eng mit der konflikthaften familialen Situation schon vor der Scheidung und mit anhaltenden Konflikten nach der Scheidung verbunden sind. So können die kindlichen Reaktionen, die in der Literatur oft als Folge der Ehescheidung beschrieben werden, schon Reaktionen auf elterliche Konflikte vor der Scheidung sein (vgl. Fthenakis, 1995, 135). Ergebnisse der Meta-Analyse von Amato und Keith (1991a in: Riehl-Emde, 1992, 419) weisen z.B. darauf hin, daß Kinder aus vollständigen, aber sehr konflikthaften Familien ähnliche Probleme zeigen, wie Kinder aus Scheidungsfamilien, und daß Scheidungskinder sogar im Vorteil sind, wenn sich nach der Scheidung die elterlichen Konflikte verringern. 92 Block et al. (1981, 1986 in: Fthenakis 1995, 134) stellten fest, daß das Verhalten von Jungen bereits bis zu elf Jahren vor der elterlichen Trennung nachhaltig von familialen Belastungen beeinflußt wurde. Sie zeigten z.B. fehlende Impulskontrolle und Aggressionen bereits vor der Elterntrennung. O’Leary und Emery (1984 in: Fthenakis 1995, 134-135) fanden ebenfalls signifikante Zusammenhänge zwischen elterlichem Konflikt vor der Scheidung und kindlichen Fehlentwicklungen, allerdings nur dann, wenn im familialen System weitere Stressoren vorhanden waren, wie Depressionen eines Elternteils und inkonsistentes Elternverhalten. Dies weist daraufhin, daß nicht alle Kinder, die elterlichen Konflikten ausgesetzt sind, mit Verhaltensauffälligkeiten reagieren müssen. Die Entwicklung von Verhaltensstörungen darf demnach nicht monokausal auf elterliche Konflikte allein zurückgeführt werden, sondern muß immer in Zusammenhang mit vielen verschiedenen ungünstigen Bedingungen gesehen werden. Bleiben die Konflikte, die schon vor der Scheidung vorhanden waren, auch nach ihr noch bestehen, so sind die Kinder in einer solchen Situation eine der am stärksten betroffenen Risikogruppen bezüglich der Entwicklung von andauernden Verhaltensauffälligkeiten (vgl. Johnston et al., 1985 in: Fthenakis, 1995, 135). „Ein hohes Ausmaß elterlicher Konflikte in den Jahren nach der Scheidung ist konsistent mit ausgeprägten Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen assoziiert“ (Fthenakis, 1995, 135). In der Untersuchung von Hetherington, Cox u. Cox (1982, in: Niesel, 1995, 163) hatten sich die Kinder etwa nach zwei Jahren von den Belastungen der Trennung ihrer Eltern und den damit verbundenen Konflikten erholt, die sich nach der Scheidung in einer stabilen, konfliktarmen Situation befanden. Hielten die Konflikte der Eltern jedoch an, waren die Verhaltensauffälligkeiten stärker als die der Kinder in nicht geschiedenen Familien mit hoher Konfliktbelastung. Diese Zusammenhänge lassen die These zu, daß das eigentliche Problem der Scheidungskinder mehr im Miterleben der Auseinandersetzungen der Eltern und des Scheiterns deren Beziehung liegt, als in der Tatsache der Scheidung als solcher (vgl. Koechel, 1995, 35). Aus diesen Erkenntnissen läßt sich außerdem der Schluß ziehen, daß die These, eine Scheidung sei für Kinder eine unzumutbare Belastung, die es zu vermeiden gilt, so nicht stimmt. Für eine Reihe von Kindern wäre es vielleicht günstiger gewesen, hätte sich die Konfliktfamilie schon früher aufgelöst. Allerdings wäre dies daran geknüpft, daß die Eltern es schaffen, nach der Scheidung günstigere Entwicklungsbedingungen zu schaffen als davor (vgl. Figdor, 1991, 118). Welche Auswirkungen elterliche Konflikte vor und nach der Scheidung für Kinder haben können wurde bereits in Kapitel 3 deutlich. Ich möchte deshalb nur nochmals daraufhinweisen, daß Kinder in Konflikten oft als Bündnispartner und Spielball von den Eltern benutzt werden. Kinder sind häufig gezwungen, Partei für einen Elternteil zu ergreifen oder schlimmmstenfalls einen Elternteil sogar abzulehnen, was sie in schwere Loyalitätskonflikte stürzen kann. Napp-Peters konnte in ihrer Studie feststellen, daß die überwiegende Mehrheit der Scheidungskinder mit langfristigen Störungen aus Familien stammt, in denen die Konflikte nach der Scheidung anhielten, deren Eltern durch ihr Verletztsein, ihre Demütigung und ihren Zorn so in Anspruch genommen 93 wurden, daß sie den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden konnten und aus solchen, deren Eltern keinen Kontakt mehr zueinander hatten (vgl. Napp-Peters, 1988, 42). Wie in Punkt 3.3.2 schon erwähnt, können Kinder, deren Eltern keinen Kontakt mehr zueinander haben und sich oft auch gegenseitig ablehnen, häufig nur unter starken Loyalitätkonflikten Kontakt zu beiden Elternteilen halten. Außerdem ist der Kontakt zu beiden auch dadurch erschwert, daß Kinder, wie schon in Punkt 3.3.3 hinsichtlich der parallelen Elternschaft erläutert, mit zwei völlig getrennten Lebenswelten zurechtkommen müssen, die nicht mehr zueinander in Beziehung stehen. Die Konflikthypothese, welche besagt, daß ein anhaltendes Konfliktniveau zwischen den Ehepartnern für die kindliche Entwicklung schädlicher sei, als eine Trennung der Eltern, und daß die Scheidungsfolgen zum größten Teil auf die erlebten elterlichen Konflikte zurückzuführen sind, wird in den letzten Jahren zu Erklärung der Scheidungsfolgen favorisiert. Es wird immer mehr in Frage gestellt, daß die Hauptursache für die Anpassungsprobleme der Kinder die Scheidung ist (vgl. RhielEmde, 1992, 419-420). 4.3 Familienformen nach der Ehescheidung Kinder leben nach einer Scheidung laut Ahrons in einer Zweikernfamilie (vgl. Punkt 2.3.2). Wie gestaltet sich nun diese Familienform? Kommt es in allen Fällen zu diesen binuklearen Familienformen nach einer Scheidung? Die schon mehrfach erwähnte Studie von Napp-Peters über Scheidungsfamilien wurde nach 12 Jahren mit einer zweiten Erhebungsphase 1992/93 erweitert, um herauszufinden, in welchen Familienformen Scheidungskinder nach einer Scheidung leben und welche Erfahrungen sie damit machen (vgl. NappPeters, 1995, 15). Folgende Ausführungen zu den unterschiedlichen Familienformen beziehen sich auf diese Studie (vgl. Napp-Peters, 1995). Kinder leben nach der Scheidung entweder mit einem Elternteil in einer Einelternfamilie oder im Falle einer Wiederheirat des Elternteils, bei dem sie leben, in einer in der Fachliteratur benannten Stieffamilie. Napp-Peters verwendet anstelle des Begriffs „Stieffamilie“ den Begriff der „Mehrelternfamilie“, da diese Bezeichnung die Struktur der Nachscheidungsfamilie besser kennzeichnet, da Kinder im Falle einer Scheidung mehrere Eltern haben, die jeweils biologische oder faktische Elternschaft leben, und außerdem kann der mit negativen Assoziationen und gesellschaftlichen Vorurteilen belastete Begriff „Stieffamilie“ durch einen neutraleren ersetzt werden (vgl. Napp-Peters, 1995, 26). Napp-Peters unterscheidet vier verschiedenen Typen von Familienformen, in denen Kinder sich nach einer Scheidung ihrer Eltern zurechtfinden müssen. Ich möchte diese Formen kurz schildern und die Konsequenzen aufzeigen, die diese für die Kinder haben können. Napp-Peters kam nämlich zu dem Schluß, daß die langfristige Entwicklung der 94 Scheidungskinder auch dadurch beeinflußt wird, in welcher Familienform sie nach der Scheidung leben, bzw. wie sich die Familienbeziehungen und der Familienstil nach der Scheidung entwickelt (vgl. ebd., 12). Napp-Peters unterscheidet vier Familienformen: -Mehrelternfamilien als Normalfamilien, -Offene Mehrelternfamilien, -Einelternfamilien, die kooperieren, -Einelternfamilien, die ausgrenzen. 4.3.1 Mehrelternfamilien als Normalfamilien37 Kennzeichen dieser Mehrelternfamilie ist, so zu tun, als ob sie eine ganz normale Familie aus Mutter, Vater und gemeinsamen Kindern wären. Die Kinder werden deshalb aufgefordert, den nicht biologischen Elternteil Mutter oder Vater zu nennen. In dieser Familienform wird nicht differenziert zwischen biologischer und faktischer Elternschaft, d.h. die Stiefeltern nehmen automatisch die Stelle des nicht mehr in der Familie lebenden Elternteils ein. Dieser außerhalb lebende Elternteil und die Verwandschaftsbeziehungen seinerseits werden in der Regel von der Familie ferngehalten und vom Familiengeschehen ausgegrenzt. Oft ist diese Ausgrenzung mit einer Abwertung des getrenntlebenden Elternteils und seiner Verwandtschaft verbunden. Eine solche Familie stellt somit kein binukleares Familiensystem dar, da die Kinder keinen Kontakt mehr zu dem Haushalt des getrenntlebenden Elternteils haben können. Oft kommt es in diesen Familien auch zur Adoption der Kinder durch den Stiefelternteil, um der Normalität noch mehr Ausdruck zu verleihen. Das Ziel der Eltern dieser Mehrelternfamilien ist häufig die Vorstellung, den Kindern nach der Scheidung mit dieser Familienform wieder eine intakte vollständige Familie zu bieten und damit ihr Schuldgefühl, das sie aufgrund der Scheidung gegenüber ihren Kindern empfanden, wieder loszuwerden. In diesen Mehrelterfamilien muß die Vergangenheit verdrängt werden, damit die Normalität der Familienbeziehungen betont werden kann. Alle Familienmitglieder müssen ihr Anderssein verbergen. Kinder haben innerhalb dieser Familien keine Möglichkeit, ihre Gefühle, die mit der Trennung ihrer Eltern zu tun haben, zuzulassen, auszusprechen und aktiv zu bewältigen. Sie sind dadurch häufig in der Familie mit der Verarbeitung ihrer Vergangenheit völlig alleingelassen. Die Kinder leiden darunter, daß sie nicht über ihre Vergangenheit reden dürfen. Die Verdrängung der Gefühle macht sich bei ihnen nicht selten in der Entwicklung psychosomatischer Beschwerden bemerkbar. Kinder aus diesen Familien äußerten in den Interviews der Studie von Napp-Peters oft, daß ihre Kindheit und Jugend die unglücklichste Zeit in ihrem Leben war. Häufig sind diese Kinder depressiv und mit ihrem Leben unzufrieden. Sie fühlen sich von dem weggeschiedenen Elternteil im Stich 95 gelassen. Ihr Wunsch, weiterhin Kontakt zu diesem Elternteil zu halten, wird in diesen Familien als illoyal und kränkend empfunden und muß von den Kindern verleugnet werden. In der Regel ist für Scheidungskinder die Erfahrung einer Wiederheirat sehr bedrohlich und mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Den Kindern fällt es schwer, zu akzeptieren, daß ihr Elternteil, bei dem sie nach der Scheidung leben, nun nicht mehr für sie alleine da ist, sondern der neue Partner auch wichtig ist. Besonders schwierig ist diese Situation für die Kinder, die nach der Scheidung eine Art Partnerersatz für ihr Elternteil waren, weil diese Rolle nun überflüssig wird. Viele Kinder reagieren mit großer Eifersucht und sehen den neuen Partner als Konkurrenten um die Gunst ihres Elternteils. Zusätzlich wird diese problematische Situation noch verstärkt, indem die Mehrelternfamilien, die sich als Normalfamilien verstehen, den weggeschiedenen Elternteil ausgrenzen und den neuen Partner als Ersatzelternteil verstehen. Kinder müssen demzufolge den Elternteil, um dessen Verlust sie trauern, verleugnen, was sie als Verrat am eigenen Elternteil empfinden. Unter solchen Umständen entwickelt sich in den meisten Fällen keine gute emotionale Beziehung zwischen den Kindern und dem Stiefelternteil. Stiefelternteile, die als Ersatzeltern fungieren, werden von vielen Kindern abgelehnt, und es kann zu häufigen Spannungen und Streitereien kommen. Diese Ablehnung der Kinder birgt die Gefahr in sich, daß der Stiefelternteil mit der Zeit auch von seinem Partner abgelehnt und aus der Familie ausgestoßen wird. Eine andere Folge dieser Spannungen und Streitereien kann sein, daß den Kindern dafür die Schuld zugeschoben wird und sie bestraft werden. Viele Kinder reagieren unter diesen belastenden Umständen häufig mit Verhaltensauffälligkeiten. Manche Kinder ergreifen auch sehr früh eine Berufsausbildung, um das Elternhaus verlassen zu können. Weiterhin besteht in diesen Familien das Risiko, daß die Kinder, die sich an diese neue Familienform nicht anpassen können und weiterhin um den weggeschiedenen Elternteil trauern, aus der Familie ausgegrenzt werden, da sie den Normalitätsanspruch dieser Familienform gefährden. Solche Kinder werden z.B. zum geschiedenen Partner geschickt, zu Großeltern, ins Internat, in Pflegefamilien oder Heime gegeben. Die ausgegrenzten, von der Familie getrenntlebenden Elternteile, leiden in der Regel darunter, daß sie keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern haben und wünschen, daß sie sich mehr um sie kümmern könnten. Kinder, die in dieser Nachscheidungsfamilienform leben, die ihnen den Kontakt zu ihren beiden biologischen Elternteilen, zu denen sie eine Beziehung aufgebaut hatten, verwehrt, leiden oft bis ins Erwachsenenalter unter dem Verlust eines Elternteils, fühlen sich nicht liebenswert und besitzen häufig ein mangelndes Selbstwertgefühl. Die Wiederheirat ist für viele Familien nach einer Scheidung, vor allem für finanziell schlecht gestellte alleinerziehende Mütter, oft der Weg, die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Allerdings führt diese Familienform nicht zu einer Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehungen. 37 vgl. Napp-Peters, 1995, 30-67. 96 In der Studie von Napp-Peters hatte sich die Zahl der Eltern dieser Familienformen, die von erheblichen Erziehungsschwierigkeiten berichteten, nach 12 Jahren (d.h. bei der zweiten Erhebung der Studie, im Vergleich zur ersten), fast verdoppelt (vgl. Napp-Peters, 1995, 66). Kinder dieser Familienformen zeigten in der Studie oft massive psychische Auffälligkeiten, Drogenmißbrauch, übermäßigen Alkoholkonsum und sexuelle Probleme. 4. 3.2 Offene Mehrelternfamilien38 Kennzeichen dieser Mehrelternfamilien ist, daß sie sich ihrer Andersartigkeit im Vergleich zur klassischen Kernfamilie stellen und nach neuen Wegen in der Gestaltung der Familienbeziehungen suchen. In diesen Familien werden der abwesendene Elternteil und der Stiefelternteil, jeweils in ihren unterschiedlichen Rollen, ins Familiengeschehen integriert. Voraussetzung für die Entwicklung dieser Familienform ist, daß die geschiedenen Partner die Paarebene, d.h. ihre Konflikte, die sie als Ehepartner miteinander hatten und vielleicht noch haben, von der Elternebene trennen und weiterhin als Mütter und Väter ihrer Kinder kooperieren. Diese Kooperation ist auch vor allem dann möglich, wenn die Ex-Partner ihre Beziehung zueinander geklärt und die psychische Scheidung, wie in Punkt 3.3.1 beschrieben, bewältigt haben. Solche Familienformen stellen binukleare Familiensysteme dar, da die Kinder zum Vater- und Mutterhaushalt Kontakt haben können. Kinder gehen in der Regel meist relativ selbstbewußt und locker mit dem Faktum der Mehrelternschaft um, wenn die Erwachsenen, wie dies in diesen offenen Mehrelternfamilien der Fall ist, sich in ihren verschiedenen Elternrollen akzeptieren und den Kindern den positiven Umgang mit beiden leiblichen Elternteilen und dem Stiefelternteil erlauben. Stiefelternteile in diesen offenen Mehrelternfamilien erwarten nicht, daß sie von den Kindern als Ersatzeltern gesehen und akzeptiert werden, sondern sie leben bewußt damit, daß sie nicht Vater oder Mutter der Kinder sind. Sie verstehen sich eher als Freund oder als Partner des Elternteils der Kinder. Sie müssen ihre eigenständige Rolle neben den biologischen Eltern finden, was oft nicht leicht ist, da es dafür in unserer Gessellschaft keine verbindlichen Rollenmodelle und Verhaltensmuster gibt, an denen sich Stiefeltern orientieren können. In diesen offenen Mehrelternfamilien herrschen komplexe Familienbeziehungen, da keine früheren Familien- und Verwandschaftsbeziehungen, wie dies „Mehrelternfamilien als Normalfamilien“ tun, ausgegrenzt werden. Es kann zu folgenden Beziehungsebenen kommen (vgl. Maier-Aichen u. Friedl, 1997, 311): die neuen Partner zueinander; Stiefelternteil zu Stiefkind; leiblicher Elternteil, bei dem das Kind nach der Scheidung lebt, zu eigenem Kind; 97 Kind zu außerhalb lebendem leiblichen Elternteil und eventuell zu dessen neuem Partner/Familie; die ehemaligen Partner zueinander; Stiefelternteil zu außerhalb lebendem leiblichen Elternteil (Ex-Ehepartner seines neuen Partners); neues Elternpaar zu gemeinsamem Kind; Geschwister/Stiefgeschwister/Halbgeschwister zueinander; Stieffamilienmitglieder zur erweiterten Familie (Großeltern und Verwandte). Das Zurechtfinden in diesen komplexen Beziehungsstrukturen stellt hohe Anforderungen an alle Familienmitglieder. Es erfordert Toleranz, Kooperationsbereitschaft und Konfliktfähigkeit. In diesen Familien muß viel kommuniziert werden, um Verantwortlichkeiten der unterschiedlichen Familienmitglieder zu regeln. Wie schon erwähnt sind diese Familien in ihrer Gestaltung völlig auf sich gestellt, da es noch keine verbindlichen Muster und Normen für diese Familienformen gibt. Die positiven Auswirkungen dieser Familienstrukturen liegen für Kinder darin, daß sie ohne Loyalitätskonflikte weiterhin zu allen Personen, zu denen sie Beziehungen leben wollen, Kontakt halten können. Außerdem müssen sie die Erfahrung der Scheidung nicht verdrängen, sondern können offen damit umgehen. Sie müssen die Andersartigkeit ihre Familienbeziehungen nicht verschweigen, sondern lernen, sie aktiv zu gestalten. Die Stiefelternteile in diesen offenen Familienformen werden in der Regel von den Kindern als Freund akzeptiert, und es kommt nicht zu den Schwierigkeiten, die Mehrelternfamilien haben, die sich als Normalfamilien verstehen. Offene Mehrelternfamilien erweitern außerdem den Verwandtschaftskreis der Kinder. Durch die Wiederheirat können Kinder Beziehungen hinzugewinnen, die potentielle Quellen von Beistand und Unterstützung sein können. Ferner verlieren diese Kinder auch nicht ihre alten Verwandschaftsbeziehungen vonseiten des getrenntlebenden Elternteils. Kinder dieser offenen Mehrelternfamilien scheinen nach den Berichten der Eltern in der Studie von Napp-Peters die Scheidung und die Wiederverheiratung recht gut bewältigt zu haben, d.h. ohne nennenswerte Verhaltensauffälligkeiten. Ich möchte auf die unterschiedlichen Formen und Schwierigkeiten der Mehrelternfamilien nicht weiter eingehen, sondern lediglich auf einen Aufsatz von Maier-Aichen u. Friedl, 1997 verweisen, in dem sie die Situation von Stieffamilien bzw. Mehrelternfamilien differenziert erläutern. Abschließend zu den Mehrelternfamilien möchte ich allerdings nochmals zusammenfassend auf günstige Voraussetzungen hinsichtlich des Gelingens dieser Familienform hinweisen, die aber lediglich als Orientierungspunkte verstanden werden dürfen und nicht als allgemeingültige Empfehlungen, da viele verschiedene, oft voneinander abhängige Faktoren (wie z.B. die Persönlichkeiten, d.h. die persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten der einzelnen Familienmitglieder, die sozio-ökonomische Situation der Familie etc.) die Anpassungsprozesse in diesen Familien beeinflussen. 38 vgl. Napp-Peters, 1995, 68-92. 98 Günstige Bedingungen können sein (vgl. Maier-Aichen u. Friedl, 1997, 321): eine stabile und gute Paarbeziehung der neuen Partner, in denen Konflikte offen angegangen und Unterschiede in den Persönlichkeiten und Vorstellungen toleriert werden können; eine starke Familienorientierung der Ehepartner, d.h. daß beide viel Toleranz und Engagement für den Aufbau der Familienbeziehungen aufbringen und die als Familie gemeinsam verbrachte Zeit einen hohen Stellenwert hat; das Interesse des Stiefelternteils an seinem Stiefkind und seine Bereitschaft, sich auf das Kind einzulassen; ein außerhalb lebender leiblicher Elternteil, der entweder kooperativ ist oder zumindest nicht störend in den Gestaltungsprozeß der Mehrelternfamilie eingreift; die Möglichkeit, daß Kinder zuverlässige und vertrauensvolle Beziehungen zu den verschiedenen Elternfiguren haben können, d.h.: -eine kontinuierliche Beziehung zu dem Elternteil, bei dem sie leben, die nicht durch die zweite Heirat in Frage gestellt wird, -die Möglichkeit des Kindes, eine eigenständige Beziehung zu seinem Stiefelternteil aufzubauen, -eine uneingeschränkte und gute Beziehung zwischen dem Kind und seinem außerhalb lebenden leiblichen Elternteil. 4.3.3 Einelternfamilien, die kooperieren39 Bei dieser Lebensform haben die geschiedenen, alleinerziehenden Elternteile keine neuen dauerhaften Lebenspartner. Sie leben mit ihren Kindern in einer Einelternfamilie. Das entscheidende Merkmal dieser kooperierenden Eineltern-familien ist, daß der außerhalb lebende Elternteil in die Familienbeziehungen integriert ist, d.h. der Kontakt zwischen den Kindern und ihm ist nicht abgebrochen, sondern besteht weiter. Somit stellt diese Familienform eine binukleare Familie dar, in der den Kinder zwei Haushalte zugänglich sind. Auch hier haben es die Eltern geschafft, trotz Beendigung ihrer Ehe die Elternschaft weiterhin gemeinsam wahrzunehmen. Diese gemeinsame Verantwortung beider Elternteile kann einen großen Beitrag zur Stabilisierung des Familiensystems nach der Scheidung und eine positive Anpassung an die sich verändernden Gegebenheiten leisten. Wie in Punkt 4.2.1 beschrieben leiden viele Alleinerziehende nach der Scheidung unter der Mehrfachbelastung, was sich negativ auf ihr Wohlbefinden und das ihrer Kinder auswirken kann. Trägt nun der getrenntlebende Elternteil 99 weiterhin Verantwortung für die Familie und wird von dem alleinerziehenden Elternteil nicht ausgegrenzt, so kann dies eine große Entlastung und Unterstützung für den Elternteil sein, der mit den Kindern zusammenlebt. Dadurch, daß die Kontakte zum ehemaligen Partner bestehen bleiben, existieren meist auch weiterhin dessen Verwandtschaftsbeziehungen. Eine Scheidung muß dadurch nicht, wie ebenfalls in Punkt 4.2.1 beschrieben, zu einer Reduzierung der Kontakte führen, bei der die Gefahr der Isolierung und Vereinsamung der Scheidungsfamilie besteht. Für Kinder in diesen kooperierenden Einelternfamilien sind die Veränderungen nach einer Scheidung in vielen Fällen nicht so gravierend, da der außerhalb lebende Elternteil für sie, wenn auch in einer anderen Form, präsent bleibt. Manche Kinder, derern Väter nach der Scheidung Kontakt zu ihnen halten, verbringen nun sogar mehr Zeit mit ihnen, als zuvor (vgl. Fthenakis et al., 1982, 97-98). Die meisten befragten Eltern dieser Familienform sind in der Studie von Napp-Peters der Ansicht, daß ihre Kinder die Scheidung recht gut bewältigt haben. Außerdem schätzen sie ihre eigene Beziehung zu den Kindern überwiegend als eng und herzlich ein und berichten wenig von problematischen oder konflikthaften Entwicklungen in ihrer Beziehung zum Kind (vgl.Napp-Peters, 1995, 108). Erleben die Kinder nach einer Scheidung eine gut funktionierende Einelternfamilie, die finanziell und sozial über gute Ressourcen verfügt, wie z.B. tragfähiges Einkommen des Elternteils, gute Kinderbetreuungsmöglichkeiten, soziale Kontakte, ausreichende Wohnverhältnisse, entwickeln sie oft besondere Sozialisationskompetenzen. So zeigen sie beispielsweise eine große Selbständigkeit, da durch die Berufstätigkeit des Elternteils keine Gefahr einer Überbehütung (overprotection) besteht, wie sie in Zweielternfamilien häufiger vorkommen kann. Außerdem erleben Kinder in Einelternfamilien vermehrt einen partnerschaftlichen und weniger dirigistischen Erziehungstil, da ihre alleinerziehenden Elternteile eher Konflikte aushandeln, als Weisungen zu erteilen. Das Ergebnis dieses Eeziehungsstils sind oft sehr selbständige, selbstbewußte und gerade auch schulisch erfolgreiche Kinder (vgl. Gutschmidt, 1997, 302). Weitere positive Auswirkungen dieser Einelternfamilien habe ich bereits in Punkt 4.1.5 unter den positiven Folgen einer Ehescheidung beschrieben. Ich möchte an dieser Stelle nicht näher auf eine Diskussion von Einelternfamilien, die früher von vorneherein als defizitär betrachtet wurden, heute aber immer mehr die positiven Aspekte dieser Lebensform gesehen werden, eingehen, sondern verweise lediglich auf Gutschmidt, 1997 und Rauchfleisch, 1997. 4.3.4 Einelternfamilien, die ausgrenzen40 In diesen Einelternfamilien wird der getrenntlebende Elternteil nach der Scheidung ausgegrenzt, wodurch es zu keiner binuklearen Familienform kommt. 39 40 vgl. Napp-Peters, 1995, 93-111. vgl. Napp-Peters, 1995, 112-137. 100 Der häufigste Grund für den Kontaktabbruch besteht darin, daß die Konflikte nach der Scheidung anhalten, daß jedes Elternteil noch so verletzt ist, daß es den anderen sowohl psychisch, als auch physisch aus seinem Leben und dem der Kinder ausschließt und ihn abwertet. Daß diese Situation für Kinder mit hohen psychischen Belastungen verbunden ist, wurde nun schon zur Genüge klar. Solche ausgrenzenden Einelternfamilien verlieren in der Regel auch alle Kontakte, die über den getrenntlebenden Elternteil bestanden, wodurch sich das für die Unterstützung so wichtige soziale Netzwerk verkleinern kann. Die meisten dieser Familien leiden an sozialer Isolierung und Einsamkeit. Napp-Peters stellte in ihrer Studie fest, daß die Familien, die nach der Scheidung zu ausgrenzenden Einelternfamilien wurden, oft schon vor der Scheidung zerrüttete Familienverhältnisse aufwiesen, wie z.B. Alkoholprobleme, körperliche Gewalt zwischen den Eltern etc. Viele dieser Einelternfamilien litten nach der Scheidung außerdem finanzielle Not, was zur Folge haben kann, daß Kinder früh die Schule verlassen müssen, um die Familie durch eine Berufstätigkeit finanziell unterstützen zu können. In dieser Familienform kommt es oft zu den schon beschriebenen problematischen Rollenverteilungen unter den Familienmitgliedern, wie z.B., daß Kinder zum Partnerersatz oder parentifiziert werden, d.h. z.B. zu große Verantwortung in Haushalt oder Kinderbetreuung bekommen, oder daß Kinder in die Rolle des negativ bewerteten getrenntlebenden Elternteils gedrängt werden. Viele Kinder, die solche negativen Familienbeziehungen erleben, entwickeln oft langfristige Verhaltensauffälligkeiten, wie in Punkt 4.1.4 beschrieben. In der Studie von Napp-Peters erlebten fast alle Kinder aus diesen Einelternfamilien die Scheidung ihrer Eltern als schmerzlich und belastend und erklärten auch noch zwölf Jahre später, daß es eine Erfahrung war, die ihre Kindheit und Jugend stark negativ beeinflußt hat und unter der manche immer noch leiden (vgl. Napp-Peters, 1995, 115). Bei den Eltern dieser Familien hatte sich nach zwölf Jahren die Zahl derer fast verdoppelt, die von Schwierigkeiten mit ihren Kindern berichteten (vgl. ebd., 135). Dies weist daraufhin, daß diese ausgrenzende Familienform, die oft verbunden ist mit sozialer Isolation, finanziellen Problemen, zerrütteten Familienbeziehungen, die Reorganisation der Familie nach der Scheidung erschwert und bei Kindern zu langfristigen Störungen führen kann. In dieser Familienform fehlte vor allem ein „zweiter Erwachsener, der als Puffer für die Ängste und den Schmerz dienen konnte und der in Notsituationen einfach da war“ (ebd., 136). 101 4.3.5 Fazit Diese Darstellung der verschiedenen Familienformen ist idealtypisch zu verstehen, da die einzelnen Formen nicht genau in der Weise strukturiert und die unterschiedlichen positiven und negativen Bedingungen nicht unbedingt so auftreten müssen, wie sie beschrieben wurden. Es sollte mit der Erläuterung dieser Typen nur verdeutlicht werden, daß die Scheidungsbewältigung der Kinder, neben vielen anderen Faktoren, auch von den Familienformen und deren unterschiedlichen Bedingungen beeinflußt werden. Außerdem soll daraufhin gewiesen werden, daß es nach einer Scheidung zu einer Reorganisation eines binuklearen Familiensystems kommen kann, was eine positive Scheidungsbewältigung für Kinder bedeutet. Anhand von offenen Mehrelternfamilien und kooperierenden Einelternfamilien kann gezeigt werden, daß es möglich ist, daß eine Scheidung nicht zu einer langjährigen Beeinträchtigung der Kinder führen muß, sondern, daß es Wege gibt, eine Scheidung und deren Folgen konstruktiv zu gestalten. „Eltern, die übereinstimmend sagen, sie können nicht zusammenleben, die aber dennoch freundlich und kooperativ bleiben, die den Haushalt des anderen Partners respektieren und ihre Verantwortung als Eltern gemeinsam ausüben, können ihren Kindern wertvolle Einsichten über Beziehungen mit auf den Lebensweg geben“ (Napp-Peters, 1995, 111). Solche Kinder lernen z.B., daß es konstruktive Wege gibt, eine Beziehung, die nicht mehr lebbar ist, zu beenden, ohne daß langjährige Verletzungen und Beeinträchtigungen entstehen müssen. Damit dieser konstruktive Umgang mit einer Scheidung noch mehr Familien gelingt (vermutlich schaffen dies immer noch nur eine verschwindenden Minderheit), müssen diese positiven Modelle noch mehr in die Öffentlichkeit dringen und die wohl immer noch gängige öffentliche Meinung, nach der Scheidung wäre es das beste, einen klaren Schlußstrich zu dem geschiedenen Partner zu ziehen, muß revidiert werden. Diese positiven Modelle müssen in unserer Zeit, in der es viele Ehescheidungen gibt, viel mehr in den Vordergrund treten und Familien so Orientierungshilfe in der kritischen Zeit der Scheidung geben. Da dieser konstruktive Umgang mit einer Scheidung, der vor allem fordert, daß Eltern die Paarebene und die Elternebene und sich als Partner psychisch voneinander trennen, hohe Anforderungen an die Betroffenen stellt, ist es besonders wichtig den Scheidungsfamilien die notwendige Unterstützung und Hilfe zu bieten. In dem letzten Kapitel meiner Arbeit soll es deshalb darum gehen, welche Hilfen für Scheidungsfamilien wichtig sind, damit eine positive Scheidungsbewältigung gelingen kann. 102 5. Bewältigungsmöglichkeiten und -hilfen im Prozeß der Ehescheidung Nachdem nun klar geworden ist, daß eine Ehescheidung mit vielen verschiedenen Veränderungen innerhalb eines Familiensystems verbunden ist, die leicht zu einer Überforderung der Betroffenen und zu ungünstigen Entwicklungen in ihrem Leben führen können, soll es in diesem abschließenden Kapitel darum gehen, wie den betroffenen Familien dabei geholfen werden kann, den komplexen Prozeß der Ehescheidung so zu gestalten, daß er für alle Beteiligten nicht zu langfristigen negativen und zerstörerischen Entwicklungen führen muß. Da es in meiner Arbeit schwerpunktmäßig um die Kinder im Scheidungsgeschehen geht, werden sie auch hier vermehrt berücksichtigt werden. Zuerst gebe ich einen Überblick über günstige Bewältigungsbedingungen, die sich aus den bisher erläuterten Zusammenhängen schlußfolgernd zusammenfassen lassen. Dabei wird es sich nicht vermeiden lassen, Aspekte zu erwähnen, die bereits in anderen Kapiteln angeklungen sind. Danach werde ich auf Bewältigungshilfen und Angebote der Scheidungsberatung eingehen. Bei den Interventionsangeboten soll es nicht um solche gehen, die im Zusammenhang des Desorganisationsmodells der Ehescheidung (vgl. Punkt 2.3.1 und 2.3.2) im Vordergrund standen und vor allem meist nach der Ehescheidung einsetzten, um Kinder, die Verhaltensauffälligkeiten zeigten, zu therapieren. Hier möchte ich auf Bewältigungsmöglichkeiten und -hilfen hinweisen, die eher 103 präventiven Charakter haben, da sie einen positiven Umgang mit Scheidungen ermöglichen und langfristige Störungen verhindern sollen. „Grundsätzlich kann ... früh einsetzende Hilfe für Scheidungsfamilien durch ein entsprechendes Ünterstützungssystem oder spezielle Beratungsangebote viele der in Scheidungsfamilien auftretenden Probleme verringern oder in der Entstehung stoppen“ (Klein-Allermann u. Schaller, 1992, 288). Ich werde drei verschiedene Arten von Hilfsangeboten vorstellen und möchte an dieser Stelle auf ein Buch verweisen, in dem eine Vielzahl von Beratungsangeboten diskutiert werden: Witte et al., 1992. 5.1 Günstige Bewältigungsbedingungen Nachdem in der Arbeit schon mehrmals daraufhingewiesen wurde, wie wichtig das Verhalten der Eltern im Scheidungsprozeß hinsichtlich einer positiven Bewältigung für Kinder ist, möchte ich nun erläutern, wie ein Elternverhalten aussehen sollte, das den Kinder zu einer gelingenden Scheidungsanpassung verhelfen könnte. Danach gehe ich auf hilfreiche sozio-ökonomische Bedingungen im Scheidungsbewältigungsprozeß ein, die ebenfalls eine bedeutende Rolle spielen, wie in Punkt 4.2.1 erläutert wurde. 5.1.1 Positives Elternverhalten „Die Eltern können ihren Kindern durch ihr Verhalten während der Krise und danach das Leben in jeder Hinsicht erleichtern. Die Unterstützung der Eltern ist entscheidend, um Kinder auf eine Scheidung vorzubereiten und ihnen durch das unvermeidliche Chaos zu helfen“ (Wallerstein u. Blakeslee, 1989, 336). Wie diese Unterstützung aussehen kann wird im folgenden dargelegt41. In Punkt 4.1.1 wurde erläutert, welche Gefühle eine elterliche Scheidung bei Kindern auslösen kann. In diesem Zusammenhang ist es besonders bedeutend, daß Eltern überhaupt den seelischen Kummer ihrer Kinder wahrnehmen und ihn aufgrund eigener Belastung und Betroffenheit nicht übersehen. Es wäre hilfreich, wenn sie Verständnis für die Gefühle der Kinder haben und ihnen Raum geben, diese zuzulassen. Erfahren Kinder hier elterliche Unterstützung, müssen sie sich mit ihren Problemen nicht alleingelassen fühlen. Bezüglich der Schuldgefühle, die die meisten Kinder entwickeln, ist es wichtig, daß Eltern den Kindern immer wieder erklären, warum es zur Scheidung kam, daß es eine Angelegenheit der Eltern ist, an der sie keine Schuld haben. Eltern sollten ihren Kindern verdeutlichen, daß sie beide diese Scheidung verantworten und keiner sollte den anderen beschuldigen. Wird ein Elternteil zum 41 Folgende Ausführungen beziehen sich, falls nicht anders angegeben, auf Figdor, 1991, 39; Figdor, 1998, 24-27, 124-134; Textor, 1991b, 110-112; Wallerstein u. Blakeslee, 1989, 336-339). 104 Schuldigen deklariert und in Folge oft auch vom anderen abgewertet, so können Kinder diesen beschuldigten Elternteil nicht mehr weiterhin problemlos lieben. Weiterhin sollten Eltern ihren Kindern immer wieder zeigen, daß sie sie liebhaben und wie wertvoll sie sind. Diese Bestätigung ist vor allem in der Zeit der Scheidung ganz entscheidend, da viele Kinder Angst haben, die Liebe der Eltern zu verlieren. Außerdem ist es notwendig, die Kinder genau über die Scheidung und deren mögliche Veränderungen zu informieren, um die Angst vor einer ungewissen Zukunft und das Gefühl, hilflos und ohnmächtig dieser Scheidung ausgeliefert zu sein, zu vermindern (vgl. dazu Punkt 4.1.1). Wissen schafft Vertrauen und Sicherheit. Kinder sollten erfahren, welche Veränderungen anstehen, wie z.B. ein Umzug oder die Aufnahme einer Berufstätigkeit der Mutter etc. Besonders sollten auch die positiven Veränderungen genannt werden, wie z.B., daß die Eltern nach der Trennung nicht mehr soviel streiten und weniger gereizt sein werden. Auch sollte erläutert werden, was sich nicht verändern wird, um unnötige Ängste zu verhindern und dem Kind soviel Sicherheit wie möglich zu vermitteln. Die Kinder müssen die Gewißheit haben, daß sie über alle möglichen Veränderungen rechtzeitig informiert werden. Damit Kinder sich nicht als hilflose Opfer im Scheidungsgeschehen fühlen müssen, sollten sie, soweit es möglich ist, an den Überlegungen, wie die Familiensituation nun gestaltet werden soll, beteiligt werden. Sie erfahren dadurch, wie man mit einer Krise aktiv und konstruktiv umgehen kann. Die ausführlichen Gespräche über die Trennung und Scheidung und deren Endgültigkeit sind auch deshalb besonders wichtig, da Kinder oft die Wunschvorstellung haben, es käme wieder zur Versöhnung der Eltern. Eltern können ihren Kindern mit diesen Gesprächen helfen, die unerfüllbaren Hoffnungen loszulassen und die schmerzliche Realität der Scheidung allmählich zu akzeptieren. Damit Kinder keine langfristigen Verhaltensauffälligkeiten entwickeln müssen, ist es notwendig, daß sie von ihren Eltern nicht in pathogene Rollen gedrängt werden, wie z.B. Partnerersatz, Bündnispartner (vgl. Punkt 3.1.3). Besonders bedeutsam ist weiterhin, daß Eltern begreifen und akzeptieren, daß eine Scheidung zwar die Ehe beendet, aber nicht die Elternschaft. Sie müssen ihre beendete, oft sehr konfliktreiche Paarebene von der Elternebene trennen. Das bedeutet zum einen, daß sie die Paarkonflikte nicht in ihre Eltern-Kind-Beziehung miteinbeziehen sollten. Diese Konfliktreduzierung nach der Scheidung ist ganz entscheidend für eine gelingende kindliche Scheidungsbewältigung (vgl. Punkt 4.2.3). Zum anderen heißt dies, daß sie trotz der geschiedenen Ehe weiterhin gemeinsam Verantwortung für die Kinder tragen. Daraus ergibt sich ein weiteres sehr wichtiges Elternverhalten. Nach der Scheidung sollte das Kind zu beiden Elternteilen weiterhin Kontakt haben können und zwar so, daß beide Elternteile diese Kontakte akzeptieren und sie den Kindern wohlwollend ermöglichen. Beide Elternteile müssen zulassen, daß das Kind beide lieben darf. Diese Elternhaltung ist die Voraussetzung dafür, daß Kinder in keine Loyalitätskonflikte kommen müssen, weiterhin beide Elternteile lieben, sich mit beiden identifizieren und sich an beiden orientieren können. Sie sind dadurch nicht gezwungen, 105 einen Elternteil und damit verbunden, die eigenen, von diesem Elternteil übernommenen, Persönlichkeitsanteile, abzulehnen (vgl. Punkt 3.3.4). Ferner müssen Kinder, die nach der Scheidung noch Kontakt zu beiden Elternteilen haben, sich nicht im Stich gelassen und nicht mehr geliebt fühlen. Fortgesetzte Beziehungen zu dem getrenntlebenden Elternteil entsprechen außerdem in der Regel dem ausdrücklichen Wunsch der Kinder (vgl. Fthenakis, 1995, 137). In der Gestaltung der Beziehungen zu beiden Elternteilen ist es ferner von Bedeutung, daß der getrenntlebende Elternteil nicht nur zum Freizeitgestalter und Besuchselternteil wird, sondern weiterhin am Alltag der Kinder, an ihren täglichen Sorgen und Aufgaben beteiligt ist, z.B. daß auch er sich um das Erledigen der Hausaufgaben oder um Termine der Kinder kümmert. Dies hätte zusätzlich den Nebeneffekt der Entlastung des Elternteils, bei dem die Kinder leben. Daß der getrenntlebende Elternteil für die Kinder präsent bleiben kann, d.h. daß Kinder das Gefühl, einen Vater, bzw. eine Mutter zu haben, auch zwischen den Besuchszeiten aufrechterhalten können, liegt vor allem am Verhalten des Elternteils, der bei den Kindern wohnt. Günstig ist z.B., wenn dieser Elternteil den anderen in Gesprächen und in Alltagsfragen miteinbezieht. Wünschenswert wäre auch, wenn Kinder neben den Besuchszeiten mit dem getrenntlebenden Elternteil jederzeit, wenn sie wollen, Kontakt halten können, z.B. telefonisch oder persönlich. Für viele Familien ist es allerdings hilfreich, einen festen Rahmen der Beziehungsgestaltung zum getrenntlebenden Elternteil zu haben, damit nicht ständiges Aushandeln und Absprechen notwendig ist, was für manche Eltern die Gefahr neuer Konflikte erhöhen könnte. Je nach Alter der Kinder ist es im Bereich der Besuchsregelung günstig, die Kinder soweit wie möglich, zu beteiligen und ihre Wünsche und Bedürfnisse zu berücksichtigen (vgl. Lederle et al., ohne Jahreszahlangabe, 29). Zusammenfassend wird deutlich, daß ein positiver Umgang mit der Scheidung ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Offenheit, Kooperations- und Gesprächs-bereitschaft von den Eltern fordert, und daß sie ihre Situation als geschiedenes Ehepaar, aber weiterhin verantwortungsbewußtes Elternpaar akzeptieren und bewältigen lernen. Diese hier aufgeführten günstigen Verhaltensweisen der Eltern, die den Kindern eine positive Scheidungsbewältigung ermöglichen können, stellen ein sehr hohes Ideal und sehr hohe Anforderungen an Eltern dar. Manche mögen sogar denken, daß diese Umgangsweise nicht realisierbar und für geschiedene Eltern unzumutbar ist. Doch ich möchte darauf hinweisen, daß diese Ausführungen nicht als Rezept und einzuhaltende Forderungen zu verstehen sind, sondern als Orientierungshife auf dem langen Weg der familialen Veränderung, die eine Scheidung mit sich bringt. Jede Familie muß für sich ihren eigenen Weg finden. Dafür brauchen sie Zeit zur Entwicklung und die Möglichkeit, Fehler machen zu dürfen. An dieser Stelle wird auch deutlich, daß es sinnvoll und notwendig ist, Scheidungsfamilien auf diesem Weg, der mit hohen Anforderungen verbunden ist, professionell zu unterstützen und ihnen zu helfen, 106 mit kleinen Schritten zu einer positiven Gestaltung der neuen familialen Gegebenheiten zu gelangen. Wie diese professionelle Unterstützung aussehen kann werde ich in Punkt 5.2 erläutern. 5.1.2 Günstige sozio-ökonomische Bedingungen Wie bereits in Punkt 4.2.1 beschrieben, können belastende und ungünstige soziale und ökonomische Veränderungen nach einer Scheidung die Entwicklung und Manifestierung langfristiger Störungen bei Kindern fördern. Deshalb ist es sinnvoll, in diesem Bereich darauf hinzuwirken, die Einschränkungen nach der Scheidung so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Hier sind vor allem Veränderungen in der Familienpolitik und in der Versorgungsstruktur für Alleinerziehende und ihren Kindern dringend geboten, die wesentliche Vorraussetzungen für ein optimistisches Lebensgefühl und eine positive Alltagsbewältigung gewährleisten können (vgl. Stiehler, 1997, 211). Zu erwähnen wären z.B. ausreichend geeignete Betreuungsmöglichkeiten für Kinder, Hilfen beim Wiedereinstieg in das Berufsleben, Ermöglichung flexibler Arbeitszeiten, um Kindererziehung und Beruf vereinbaren zu können. Laut Rauchfleisch (1997, 18) sind z.B. Alleinerziehende im Vergleich zu „vollständigen“ Familien bei etlichen Vergünstigungen im sozialen Bereich benachteiligt. So sind Alleinerziehende bei der Vergabe von Genossenschaftswohnungen zum Teil explizit ausgeschlossen, obwohl gerade sie auf diese preisgünstigen Wohnungsangebote besonders angewiesen sind. Außerdem gewähren viele Reiseunternehmen nur dann Fahrpreisreduktionen für Kinder, wenn zwei voll zahlende Erwachsenen mitreisen. Sander (1993, 423 u. 426) betont ebenfalls, daß es auf sozial-politische Maßnahmen ankommt, die eine Sicherung der ökonomischen Basis der Einelternfamilie zum Ziel haben und der gesellschaftlichen Stigmatisierung, die ihrer Meinung nach in bestimmten räumlichen oder kulturellen Subgruppen noch herrscht, entgegenwirken. Besonders hilfreich ist es, wenn sich nach einer Scheidung das soziale Netzwerk nicht gravierend verändert und verkleinert, d.h. die Beziehungen des gemeinsamen Bekannten- und Verwandtenkreises der Ex-Ehepartner nicht abbrechen, da ein Abbruch für Kinder weitere Verlusterfahrungen im Scheidungsprozeß und eine Abnahme sozialer Ressourcen für die gesamte Scheidungsfamilie bedeuten würden. Bleiben diese Kontakte allerdings erhalten, so können diese eine stark unterstützende Funktion haben. Sie können z.B. bei der Kinderbetreuung behilflich sein und dadurch den Elternteil, bei dem die Kinder leben, entscheidend entlasten. Auch können diese zu Vertrauenspersonen werden, mit denen die Kinder über ihre Gefühle und Probleme hinsichtlich der elterlichen Scheidung reden können, da die eigenen Eltern durch ihre eigenen Sorgen dafür oft keine Zeit und Kraft haben (vgl. Lederle, 1997, 245; Krieger, 1997, 145-152). 107 5.2 Beratungsangebote im Scheidungsprozeß In der Regel wenden sich Ehepaare, die sich scheiden lassen wollen, an Rechtsanwälte und Richter, die ihre Eheauflösung vollziehen und ihnen bei der Klärung der damit verbundenen Folgen helfen sollen. Die juristische Scheidung kann zwar die Ehe formal lösen, aber sie bewirkt nicht, daß Betroffene sich auch psychisch voneinander lösen und ihre neu entstehenden Familienbeziehungen befriedigend gestalten können. Anstatt Eltern bei einer Scheidung zur kooperativen Zusammenarbeit zu befähigen, verstärkt das juristische System meist noch die Konflikthaftigkeit einer Beziehung, da Anwälte aus ihrer Berufsrolle und ihrem Selbstverständnis heraus darauf bedacht sind, ihren Mandanten optimal zu vertreten und dessen Gewinne oft auf Kosten des anderen Ehepartners zu maximieren. Daraus resultiert meistens, daß die Ex-Ehepartner, anstatt gemeinsame Regelungen zu treffen, die sie beide vertreten können, immer mehr gegeneinander arbeiten und um ihren persönlichen Sieg kämpfen. In diesem Verfahren geht es also vermehrt um Gewinner und Verlierer und nicht um eine positive, einvernehmliche Lösung (vgl. Witte et al., 1992, 40-41). Dieser Weg im Umgang mit Scheidungen verhindert aber in den meisten Fällen, daß es nach der Scheidung zu einer Reorganisation der Familie, zu einer Konfliktreduzierung und zu einer elterlichen Kooperation kommen kann. Vielmehr wird dadurch ein Abbruch der Familienbeziehungen begünstigt. Familien, die eine Scheidung erleben, benötigen deshalb Unterstützungen, die ihnen helfen, trotz einer Scheidung ihr Familiensystem zu erhalten, jedoch in einer veränderten Form. Laut Erfahrungen mit Scheidungsfamilien schaffen es nur wenige Eltern von sich aus, die negativen Gefühle und Verhaltensweisen, die eine Scheidung auslösen kann, wie Zorn, Feindseligkeiten und Anschuldigungen, zu überwinden und nach der Trennung gemeinsam Elternverantwortung weiterhin zu tragen. „Aber nur wenn Eltern dies gelingt, haben Kinder eine gute Chance, die Scheidung psychisch gesund zu überstehen. Dazu benötigen Scheidungsfamilien fachliche Hilfe“ (vgl. NappPeters, 1995, 145). Seit der Einführung des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes, das 1991 in Kraft getreten ist, wurde die „Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung“ (vgl. §§17 u. 28 KJHG) als ein eigenständiges Leistungsangebot der Jugendhilfe etabliert (vgl. Menne et al., 1997, 14). Solche Beratungen werden von folgenden Institutionen angeboten: -Erziehungs- und Familienberatungsstellen in öffentlicher und freier Trägerschaft, die auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilfegesetzes arbeiten; -Ehe-und Lebensberatungsstellen, meist in kirchlicher Trägerschaft, die vor allem auf Erwachsene ausgerichtet sind (vgl. ebd., 14-15). Was sollte nun eine Trennungs-und Scheidungsberatung leisten und wie sollte sie aussehen (vgl. Menne et al., 1997, 14-21, falls nicht anders angegeben)? „Beratungsarbeit bei Trennung und Scheidung muß sich an der Leitfrage orientieren: Was trägt dazu bei, daß Eltern auch nach einer Scheidung Eltern sein können?“(Menne et al., 1997, 16). 108 Sie soll dazu beitragen, daß die Reorganisation der Familie nach einer Scheidung gelingt, daß ein binukleares Familiensystem entstehen kann. Dafür ist eine kooperative Zusammenarbeit der Eltern hinsichtlich ihrer Kinder notwendig. Um diese erreichen zu können, sind oft viele Hilfestellungen notwendig. Eltern sind in der Regel erst dann in der Lage , nach der Scheidung der Kinder zuliebe zusammenzuarbeiten, wenn ihnen die Verarbeitung, der mit dem Trennungsprozeß verbundenen emotional-affektiven Belastungen, möglich ist. Bei dieser psychischen Scheidung (vgl. Punkt 3.3.1) sollten Beratungsstellen spezifische Hilfen anbieten. Allerdings darf die Scheidungsberatung nicht nur die psychischen Probleme im Blick haben, sondern muß die Komplexität der Veränderungen und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Belastungen berücksichtigen. Neben psychologischen Aspekten müssen auch soziale und juristische Fragestellungen miteinbezogen werden. Die Scheidungsberatung erfordert also eine multidisziplinäre, eine integrative Arbeit, wie Textor (1991b, 8-10) es nennt, die verschiedene therapeutische Methoden zur Verarbeitung psychischer Probleme, sozialarbeiterische Kompetenzen im Hinblick sozialer Probleme und juristische Kenntnisse beeinhalten sollte. Laut KJHG (vgl. § 28) sollen verschiedene Fachkräfte unterschiedlicher Fachrichtungen bei der Beratung in Trennungs- und Scheidungssituationen zusammenarbeiten, die mit verschiedenen methodischen Ansätzen vertraut sind. Weiterhin sollte die Trennung- und Scheidungsberatung das ganze Familiensystem, beide ExPartner, die Kinder und möglicherweise auch die neuen Partner miteinbeziehen. Wie allerdings mit den einzelnen Familienmitgliedern gearbeitet wird, gemeinsam oder jeweils getrennt, kann ganz unterschiedlich sein und richtet sich nach den jeweiligen Bedürfnissen der einzelnen (vgl. Diez u. Krabbe, 1993, 202). Die Trennungs- und Scheidungsberatung muß sich außerdem an der wissenschaftlichen Kenntnis orientieren, daß Scheidungen einen phasenhaften Prozeß darstellen. Es ist deshalb notwendig, daß die Interventionsangebote phasenspezifisch über den gesamten Prozeß der Ehescheidung ausgerichtet sind. Beratungsangebote sollen von der Vorscheidungs- bis zur Nachscheidungsphase helfen, die Kompetenzen der Familien zu erweitern, um mit den Veränderungen und Anforderungen in den einzelnen Phasen besser umgehen zu können. Die Beratung soll den sich Scheidenden helfen, fähig zu werden, eigenverantwortliche und einvernehmliche Regelungen zu treffen, ohne daß sie Rechtsanwälte und Richter brauchen, die für sie Entscheidungen fällen (vgl. Weber u. Beck, 1993, 211-212). Besonders möchte ich betonen, daß die Trennungs- und Scheidungsberatung noch vielmehr an die Öffentlichkeit dringen und mehr zu einem normalen und selbstverständlichen Angebot für Scheidungsfamilien werden sollte. Viele Menschen besitzen eine große Schwellenangst, eine Trennungs- und Scheidungsberatungsstelle aufzusuchen. Zur Normalisierung von Trennungs- und Scheidungsberatung könnten z.B. offene Informationsverantstaltungen zu rechtlichen und psychologischen Fragen hinsichtlich Trennung und Scheidung beitragen. Der 1986 gegründete Berliner Verein „Zusammenwirken im Familienkonflikt - interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft“ hat beispielsweise mit solchen Informationsveranstaltungen 109 die Erfahrung gemacht, daß die Schwellenangst, eine Beratungstelle aufzusuchen, herabgesetzt werden konnte und Ratsuchenden der Schritt in die Trennungs- und Scheidungsberatung dadurch ermöglicht wurde (vgl. Brehme, 1993, 230-231). Nachdem ich nun die allgemeinen Ziele der Trennung- und Scheidungsberatung dargelegt habe, möchte ich drei Interventionsbereiche schildern, die mir im Rahmen meiner Arbeit bedeutsam erscheinen. Zuerst möchte ich auf die phasenspezifische Intervention eingehen, da ich in meiner Arbeit die einzelnen Phasen der Ehescheidung und die jeweils speziellen Anforderungen und Probleme beschrieben habe, auf die nun damit Bezug genommen werden soll. Danach gehe ich auf Kinderinterventionsprogramme ein, da der Schwerpunkt meiner Arbeit in der Scheidungsbewältigung der Kinder liegt und ich damit ein Unterstützungsangebot speziell für Kinder vorstellen möchte. Abschließend werde ich die Scheidungsmediation erläutern, da sie eine Alternative zur oft konfliktverstärkenden Scheidungsregelung durch die Rechtsanwälte darstellen kann. 5.2.1 Phasenspezifische Intervention In der Beschreibung der phasenspezifischen Intervention beziehe ich mich auf Textor (1991b, 95167), der eine ausführliche Darlegung einer Scheidungsberatung bietet, die sich an dem Prozeßcharakter der Ehescheidung orientiert. Die Scheidungsberatung soll den Klienten helfen, den phasenhaften Scheidungsprozeß auf bestmögliche Weise zu durchlaufen. Sie sollen „... auf der individuellen Ebene psychische Ausgeglichenheit und einen für sie akzeptablen Grad der Leistungsfähigkeit erreichen, auf der Paarebene zu einem relativ konfliktarmen Verhältnis finden und auf der Elternebene die Entwicklung der Kinder fördernde Beziehungen aufrechterhalten... . Ferner können sie Hilfestellung für eine gütliche Einigung über die Scheidungsfolgen und bei praktischen Problemen erhalten (wie Kinderbetreuung, Haushaltsführung, Arbeitssuche, Vereinbarkeit von Familie und Beruf)“ (Textor, 1991b, 97). 110 Die Scheidungsberatung hat demnach die schwierige Aufgabe zu erfüllen, der Komplexität personaler (intrapsychischer), dyadischer (bezogen auf das Ehepaar), familiendynamischer, juristischer, praktischer und therapeutischer Prozesse gerecht zu werden. Sie muß, wie bereits schon in Punkt 5.2 beschrieben, viele verschiedene Methoden und Disziplinen integrieren, wie z.B. Einzel-, Ehe- und Familienberatung, Kenntnisse über das Scheidungsrecht, Techniken der Sozialarbeit, Wissen um Hilfsangebote der Jugendhilfe und Erfahrungen mit Mediation, auf die ich in Punkt 5.2.3 eingehen werde. Ich möchte nun einen groben Überblick geben, welche Beratungsaufgaben in den einzelnen Scheidungsphasen vorliegen. 5.2.1.1 Beratung in der Vorscheidungsphase In dieser Phase beginnt die Beratung meist mit einer Eheberatung, da Ehepartner mit ihrer Ehe unzufrieden sind und Probleme haben. Vielen Ehepaaren ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, ob sie ihre Ehe weiterführen oder beenden wollen. Wichtig ist in dieser Phase, daß die Eheberater beide Alternativen, d.h. die Rettung der Ehe, aber auch die Scheidung der Ehe berücksichtigen müssen. „Weder die Scheidung noch das Fortsetzen der Ehe sollte an sich als ein „gutes“ oder „schlechtes“ Beratungsergebnis definiert werden. Im Einzelfall ist vielmehr zu prüfen, welche dieser Alternativen die bessere ist, durch welche das Wohl und die Weiterentwicklung der Familienmitglieder auf Dauer am ehesten gefördert werden“ (Textor, 1991b, 100). Berater haben in dieser Phase also die Aufgabe, Paaren bei der Entscheidungsfindung zwischen Trennung und Verbleib in der Ehe zu helfen. Dabei werden die beiden möglichen Alternativen durchdacht und die Vor- und Nachteile, sowie die Konsequenzen der jeweiligen Alternative genauer untersucht. Dadurch soll erreicht werden, daß die Partner sich genau darüber im Klaren sind, was z.B. im Falle einer Ehescheidung auf sie zukommt, welche Veränderungen sie dann zu bewältigen haben. Wie in Punkt 3.1.2 schon erläutert, haben viele Paare Angst vor dem Schritt einer Ehescheidung, da sie oft die daraus resultierenden Folgen und Konsequenzen nicht einschätzen und überschauen können. Hier ist z.B. wichtig, Betroffenen genügend Informationen hinsichtlich einer Ehescheidung zu geben (z.B. über den juristischen Ablauf, das Scheidungsrecht, finanzielle Konsequenzen etc.). Haben sich die Betroffenen für eine Ehescheidung entschlossen, dann geht es um die Realisierung dieses Entschlußes. Es wird z.B. besprochen, wie die Paare ihre Entscheidung den anderen Familienmitgliedern, ihren Freunden und Verwandten am besten mitteilen, mit welchen Reaktionen sie zu rechnen haben und auf welche Weise sie damit umgehen können. 111 Besonders entscheidend ist hier, die sich trennenden Eltern genauestens darüber aufzuklären, wie sie sich nun ihren Kindern gegenüber am günstigsten verhalten können, damit diese durch eine Scheidung nicht langfistig beeinträchtigt werden müssen. Ich möchte darauf nicht mehr eingehen, da dies schon in Punkt 5.1.1 erläutert wurde. Außerdem können anstehende Fragen und zu unternehmende Schritte, wie Wohnungs- und Arbeitssuche, Einschalten eines Rechtanwaltes bzw. eines Mediators zur Klärung der Scheidungsfolgen durchgesprochen werden. Als nächstes beginnt für den Berater die Aufgabe, den Partnern zu helfen, sich emotional voneinander zu lösen. Er sollte daraufhinwirken, daß die Partner beide die Scheidung akzeptieren und jeweils ihren Anteil an der Beendigung der Ehe erkennen können. Gelingt dies und kommt es nicht zu einseitigen Schuldzuschreibungen, dann besteht eine gute Voraussetzung für einen konstruktiven, für alle Beteiligten positiven Umgang mit der Scheidung. 5.2.1.2 Beratung in der Scheidungsphase In dieser Phase wäre es ideal für eine Beratung, mit dem gesamten Familiensystem zu arbeiten, da so eine Umstrukturierung der ursprünglichen Familie am besten erreicht werden könnte. Dies bedeutet allerdings nicht, daß immer alle Familienmitglieder bei den einzelnen Sitzungen anwesend sind. In manchen Fällen ist es z.B. wichtig, nur mit einem Partner allein oder nur mit den Eltern oder Kindern zu arbeiten. Im Einzelfall muß immer festgestellt werden, wo die eigentlichen Probleme liegen und welche Hilfen angebracht sind. „Die zugrundeliegende Problematik bedingt die Behandlungsform“ (Textor, 1991b, 113). Folgende Ziele lassen sich für diese Phase der Beratung und für die einzelnen Betroffenen, bzw. für die verschiedenen Beziehungsebenen der Familienmitglieder formulieren: Beratungsziele für einzelne Erwachsene: Die Betroffenen sollen das Ende ihrer Ehe akzeptieren, den eigenen Anteil am Scheitern der Ehebeziehung erkennen, die Trennung emotional verarbeiten und eine psychische Scheidung erreichen, die sich oft bis in die Nachscheidungsphase hinzieht. Wichtig ist, die Betroffenen zu ermutigen, ihre Gefühle, die sie nach einer Trennung vom Partner empfinden, zu-zulassen und auszudrücken. Betroffene brauchen in dieser Phase oft viel Wärme, Empathie, Zuwendung, Trost und emotionale Unterstützung. Außerdem benötigen manche auch Hilfe in der Umstellung vom Verheiratetenstatus zum Getrenntbzw. Geschiedenenstatus. Viele erwarten auch Unterstützung bei den notwendigen Umstellungen wie Wohnungssuche, Wiedereintritt in die Arbeitswelt, Vereinbarkeit von Beruf und Erziehung, Umgang mit der Haushaltsführung und mit den Kindern (in der Regel für die Männer). Betroffene sollten hinreichend über Unterstützungen jeglicher Art informiert werden, sei es über finanzielle Ansprüche, wie z.B. Unterhalt, Wohngeld, Sozialhilfe etc., oder über Betreuungsmöglichkeiten für die Kinder. Der Berater muß sich nicht selbst in allen diesen Fragen auskennen, aber er sollte 112 wissen, an welche Behörden und Institutionen er seine Klienten verweisen kann. Ferner sollte der Berater den Klienten, wenn nötig, dabei helfen, ihr soziales Netzwerk zu ihrer Unterstüzung zu nutzen oder es sogar erst wieder aufzubauen, wenn es durch die Trennung zerstört wurde. Der Idealfall wäre natürlich, wenn der Berater dazubeitragen könnte, daß sich das gemeinsame Netzwerk der Ex-Ehegatten nicht aufspaltet, sondern für die Familie erhalten bleibt. Selbsthilfegruppen, auf die der Berater verweisen kann, können für manche Betroffenen z.B. auch eine große Unterstützung bedeuten. Zusammenfassend kommt es für die einzelnen Erwachsenen nach der Trennung darauf an, dabei unterstützt zu werden, ein neues Selbstbild zu erlangen und ein befriedigendes Leben in der veränderten Lebensform entwickeln zu können. Beratungsziele für die Beziehung zwischen den Getrenntlebenden: Hier geht es darum, den Getrenntlebenden positive Modelle im Umgang miteinander aufzuzeigen, da in unserer Gesellschaft keine verbindlichen Muster existieren, wie ehemalige Ehepartner miteinander umgehen. In Punkt 3.3.2 habe ich verschiedene Beziehungsmuster zwischen Geschiedenen beschrieben. Ziel könnte sein, den Partnern zu helfen, gute Freunde oder kooperative Partner zu werden. Dabei ist es in den meisten Fällen notwendig, bestehende Konflikte zwischen den Getrenntlebenden zu lösen, um Spannungen zwischen ihnen abbauen zu können. Allerdings sollte in diesem Punkt bedacht werden, daß die Entwicklung positiver Beziehungen zwischen Getrenntlebenden in vielen Fällen Zeit braucht, die den Betroffenen gegeben werden muß. Hilfreich für den Umgang zwischen Getrenntlebenden kann sein, sie darin zu unterstützen, Regeln für ihren Umgang zu entwickeln. Erreichen die Getrenntlebenden eine distanzierte, sich gegenseitig achtende Beziehung, so lassen sich auch alle weiteren Scheidungsfolgen leichter und in vielen Fällen einvernehmlich regeln. Beratungsziele für die Eltern-Kind-Beziehung: „Scheidungsberatung will (...) verhindern, daß von der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern betroffene Kinder einen Elternteil verlieren“ (Textor, 1991b, 128). Der Berater vermittelt den Eltern, welches Elternverhalten den Kindern hilft, die Scheidung positiv zu bewältigen (vgl. Punkt 5.1.1). Hauptaufgabe der Berater ist, den Eltern bei der konkreten Umsetzung und Gestaltung der gemeinsamen elterlichen Verantwortung zu helfen. Da ab Juli diesen Jahres nach einer Scheidung die Eltern automatisch die gemeinsame elterliche Sorge beibehalten und es nur noch in Ausnahmen eine richterliche Entscheidung gibt, ist es nun besonders wichtig, die Eltern darin zu unterstützen, diese gemeinsame Sorge auch wirklich auszuüben und ihre Kompetenzen zu kooperativer Elternverantwortung zu fördern. Wie eine kooperierende ko-elterliche Interaktion aussehen kann, wurde in Punkt 3.3.3 beschrieben. Der Berater sollte die Eltern auch über auftretende Verhaltensauffälligkeiten ihrer Kinder nach einer Trennung aufklären, und ihnen verdeutlichen, daß diese in der Regel normale Reaktionen auf das Trennungsgeschehen sind und im Verlauf von Wochen oder Monaten wieder verschwinden, wenn nicht viele ungünstigen Bedingungsfaktoren, wie sie in Punkt 4.2 beschrieben wurden, eine 113 Verfestigung der Verhaltensauffälligkeiten hervorrufen. Eltern sollten jedoch darauf hingewiesen werden, das Verhalten ihrer Kinder über einen längeren Zeitraum zu beobachten und notfalls einen Berater hinzuzuziehen, falls es zu keiner Beruhigung der Auffälligkeiten kommt. Verhaltensstörungen sollten aber nicht dramatisiert werden. Generell versucht der Berater, den Eltern die Angst zu nehmen, daß ihre Kinder durch die Trennung auf Dauer geschädigt werden könnten. Der Berater empfiehlt den Eltern außerdem, die Lehrer oder Erzieher, d.h. die Personen, mit denen die Kinder konfrontiert sind, über die Trennung zu informieren, damit bei möglichen Verhaltensauffälligkeiten, diese darauf angemessen reagieren und den Kindern möglicherweise zusätzlich hilfreiche Unterstüzung geben können. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, zu erwähnen, wie bedeutend es ist, daß pädägogisch arbeitende Menschen über das Spezialwissen hinsichtlich einer Ehescheidung und die Konsequenzen für Kinder informiert sind, da sie neben dem Elternhaus wichtige Ansprechpartner für die Kinder sein können und Kindergarten und Schule wichtige Interaktionsfelder der Kinder sind. Im „Staatsinstitut für Frühpädagogik und Familienforschung, München“ äußerten Kinder im Rahmen eines Präventionsprogrammes für Scheidungskinder z.B. Hinweise auf ihre Isolation in der Schule und auf Schwierigkeiten, bei Gleichaltrigen und Lehrern Hilfe, statt Ablehnung, zu erfahren. Dies zeigt, wie notwendig scheidungsspezifische Fortbildungsangebote für Lehrer, Schulpsychologen und Erzieher hinsichtlich eines kompetenten Umgangs mit Scheidungskindern sind (vgl. Fthenakis et al., 1997, 276). Beratungsziele für Kinder: Den Kindern muß geholfen werden, die Gründe und Folgen der Trennung ihrer Eltern zu verstehen, deren Endgültigkeit zu akzeptieren, ihre mit der Trennung verbundenen Gefühle und die veränderten Familienbeziehungen zu bewältigen. Näher möchte ich an dieser Stelle auf die Beratung für Kinder nicht eingehen, da ich im nächsten Gliederungspunkt speziell Interventionsangebote für Kinder erläutern möchte. 5.2.1.3 Beratung in der Nachscheidungsphase In dieser Phase des Scheidungsprozesses sind die Beratungsziele ähnlich denen der Scheidungsphase. Nun geht es darum, die einzelnen in der Scheidungsphase angefangenen Prozesse, wie die psychische 114 Scheidung der Ex-Ehepartner, die Etablierung eines neuen Lebensstils, die Reorganisation der Familienstruktur weiterzuführen und abzuschließen. Aufgabe kann es sein, Familien die jeweilige Unterstützung zu geben, die sie für eine gelungene Anpassung an die veränderte Situation brauchen, wie z.B. Hilfe bei finanziellen Problemen, bei Problemen mit der Mehrfachbelastung durch Kindererziehung und Berufstätigkeit des Elternteils, bei dem die Kinder leben oder bei Schwierigkeiten, neue Kontakte aufzubauen. Je mehr Belastungen in der Nachscheidungsphase reduziert werden können, umso besser kann eine Scheidungsbewältigung von Erwachsenen und Kindern vollzogen werden. Überforderungen und zu große Belastungen in der Nachscheidungsphase können nämlich zur Vernachlässigung der Kinder führen und verhindern, daß sie die elterliche Unterstützung bekommen, die sie im Umgang mit der Scheidung brauchen (vgl. Punkt 4.2.1). Berater sollten, wie auch schon in der Scheidungsphase, Wege zur Entlastung der Scheidungsfamilien aufzeigen, wie z.B. Kinderbetreuungsangebote: Kindertageseinrichtungen, Hausaufgabenhilfe, Freizeitangebote für Kinder oder Hilfen, im Falle von Krankheit der Kinder oder des Elternteils, wenn dieser berufstätig ist. Hier bietet sich an, Familien viel Informationsmaterial zur Verfügung zu stellen. Im Materialanhang meiner Arbeit verweise ich auf solche Informationsbroschüren, die kostenlos zu erhalten sind. Da es in unserer Gesellschaft noch keine verbindlichen Muster für die Gestaltung von Scheidungsfamilien gibt, brauchen diese Familien Hilfen, wie ein funktionierendes binukleares Familiensystem (vgl. Punkt 4.3.2 und 4.3.3) aussehen und gelebt werden kann. Beratung ist vor allem auch dann in vielen Fällen notwendig, wenn neue Partner ins Familiensystem hinzukommen und es zu den in Punkt 4.3 beschriebenen Mehrelternfamilien kommt. Da Mehrelternfamilien hohe Anforderungen an alle Familienmitglieder stellen, wie z.B. eine große Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, und vermehrt die Gefahr für konflikthafte und ungünstige Entwicklungen (wie in den Mehrelternfamilien als Normalfamilien, vgl. Punkt 4.3.1) bestehen kann, ist eine professionelle Unterstützung hier sehr empfehlenswert. Außerdem kann es zu komplexen familialen Beziehungen kommen, mit denen vermutlich viele ohne beratende Hilfe überfordert sind. „Wenn die Integration aller Mitglieder gelingt, bietet die Stieffamilie den Kindern einen erweiterten Erfahrungsspielraum mit einem erweiterten verwandschaftlichen Netz. Die Stieffamilie kann also durchaus positive Entwicklungschancen beinhalten und es ist die Aufgabe der Scheidungsberatung, durch Beratung und Aufklärung über potentielle Konfliktfelder die familiäre Kompetenz der Stieffamilie zu stärken und, wo Hilfe notwendig ist, sie bei der Suche nach Konfliktlösungen zu unterstützen“ (Napp-Peters, 1992a, 22). 5.2.2 Interventionsangebote für Kinder Beratungsangebote, speziell für die von Scheidung betroffenen Kinder und Jugendliche, die präventiv arbeiten, d.h. die nicht zum Ziel haben, die Verhaltensauffälligkeiten von Scheidungskindern zu therapieren, sondern die den Kindern helfen, eine Scheidung ohne die Entwicklung von langfristigen 115 Beeinträchtigungen zu bewältigen, sind in Deutschland noch selten (vgl. Witte et al., 1992, 98). Wie sinnvoll solche Angebote aber sind, soll nun verdeutlicht werden. Kinder geraten im Prozeß der Trennung und Scheidung ihrer Eltern oft aus dem Blick der selbst häufig massiv belasteten Eltern, die dadurch den Kindern in vielen Fällen nicht die emotionale Unterstützung geben können, die auch sie jetzt brauchen. Kinder können in ihren Familien in manchen Fällen nicht offen über ihre Probleme reden, können nicht ihre wahren Gefühle des Schmerzes, der Wut etc. ausdrücken, da viele Eltern übersehen und nicht wahrhaben wollen, daß ihre Kinder unter der Trennung leiden. Die Kinder fühlen sich deshalb alleingelassen in ihrem Kummer und Schmerz. Viele Kinder werden von ihren Eltern auch nicht genügend über die Trennung und ihre Folgen informiert und nur selten finden offene Gespräche statt (vgl. Punkt 3.2.3). Außerdem werden Kinder in vielen Fällen im gesamten Prozeß der Ehescheidung noch zu wenig selbst berücksichtigt, d.h. sie haben nicht ausreichend die Möglichkeit, ihre Sicht der Situation, ihre Probleme und Bedürfnisse zu äußern und werden zu wenig gehört und aktiv in den Bewältigungsprozeß miteinbezogen (vgl. Tauche, 1991, in: Fthenakis et al., 1997, 271). Kinder müssen deshalb vermehrt in die Scheidungsberatung integriert werden. Präventive Angebote für Scheidungskinder können hierzu ihren Beitrag leisten. Ihr zentrales Ziel ist es, Möglichkeiten zur emotionalen Unterstützung und zur Entlastung der Kinder zu schaffen. Im Rahmen dieser Angebote haben Kinder und Jugendliche die Möglichkeit, sich mit ihren durch die Trennung entstandenen Gefühle und Fragen auseinanderzusetzen (vgl. Witte et al., 1992, 179). Präventive Beratungsangebote für Kinder werden häufig als Gruppenprogramme angeboten. Seit Anfang der 90er Jahre kann man in Deutschland ein wachsendes Interesse an Gruppenangeboten für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien verzeichnen, obwohl konkrete präventivtherapeutische Angebote auf breiter Basis noch weitestgehend fehlen oder erst im Aufbau begriffen sind (vgl. Jaede et al., 1994, 359). In den USA liegen bereits seit Mitte der 70er Jahre Praxiserfahrungen und erprobte, veröffentlichte Modelle vor, während in Deutschland kaum entwickelte und erprobte präventive Gruppenkonzepte zu erhalten sind (vgl. Schmitt, 1997, 46). Ich möchte zur Verdeutlichung dieser präventiven Gruppenarbeit mit Scheidungskindern ein deutsches Modell vorstellen, das bislang eines der detaillierter dokumentierten Konzepte dieser Gruppenarbeit ist. Es handelt sich um das „Freiburger Gruppeninterventionsprogramm für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien“ (vgl. Schmitt, 1997, 46). 116 5.2.2.1 Das Freiburger Gruppeninterventionsprogramm für Kinder aus Trennungsund Scheidungsfamilien42 Dieses Programm wurde in den psychologischen Beratungsstellen der Stadt Freiburg, speziell für Erziehungsberatungsstellen, entwickelt. Das Konzept dieses Programms lehnt sich an zwei amerikanische Modelle (Stolberg et al., 1991 u. Pedro-Carrol, 1985, in: Jaede et al., 1994, 359) an. Rahmenbedingungen und methodisch-didaktische Gesichtspunkte: Das Programm umfaßt 17 Gruppensitzungen, zwei Elternabende, sowie eine Vordiagnostik bzw. ein Vorgespräch. Bestimmt ist die Gruppe für Kinder aus Trennungs- und Scheidungsfamilien. Die Altersstruktur der Kinder ist begrenzt auf eine Spanne zwischen neun und zwölf Jahren. Die Gruppengröße sollte nicht mehr als acht Kinder betragen. Die Gruppenprogramme verstehen sich als präventive Interventionen, d.h. die Entwicklung langfristiger Störungen, die Chronifizierung negativer unmittelbarer Scheidungsreaktionen soll nach Möglichkeit verhindert oder zumindest verringert werden. Auffälligkeiten sollen frühzeitig erfaßt und behandelt werden, damit Langzeitfolgen vermieden werden können. Die Kindergruppen verstehen sich nicht als Behandlungsgruppen im engeren Sinne, sondern „sie verstehen sich als präventiv-therapeutische Maßnahme zu Krisenintervention und Bewältigungshilfe und erfordern eine entsprechend themenzentrierte und offensive Angebotsform“ (Jaede et al., 1994, 360). Aus diesem Grund ist es ein wichtiges Kriterium dieser Interventionsangebote, daß keine schweren psychischen Beeinträchtigungen vorliegen, die eine Einzelbetreuung bzw. Therapie erforderlich machen. Dieses Kindergruppenangebot versteht sich als eine Interventionsart, die allerdings eingebettet ist in den Rahmen eines Gesamtmodells der Trennungs- und Scheidungsberatung. Die Gruppen sind außerdem ein Element der Hilfe im Rahmen von Erziehungsberatung und können deshalb, in notwendigen Fällen, Kinder direkt an Anschlußmöglichkeiten der Beratungsund Therapiehilfe vermitteln. Kinder, die an diesen Gruppen teilnehmen, sollten bestimmte Grundfertigkeiten der sozialen Kompetenz besitzen. Sie sollten von ihrem Verhaltensrepertoire her über die Fähigkeit verfügen, anderen zuhören, die Grenzen anderer Kinder akzeptieren, sowie sich in die Gruppenstruktur einfügen zu können. In Bezug auf den Entwicklungsstand der einzelnen Kinder ist eine Homogenität der Gruppe anzustreben, um eine altersbedingte Hierachiebildung innerhalb der Teilnehmergruppe zu verhindern. Inhomogenität ist aber bezüglich der Phase des Scheidungsprozesses, sowie der Erfahrung der einzelnen Kinder, vorteilhaft, da Kinder, die bereits spätere Scheidungsphasen durchlaufen, denen helfen können, die sich noch in frühen Phasen befinden. 42 Folgende Darstellung bezieht sich auf Jaede et al., 1994, 359-365. 117 Weiterhin sollte eine Gleichverteilung von Mädchen und Jungen gegeben sein, damit die Kinder Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht machen können. Außerdem ist es wichtig, daß beide Elternteile von der Teilnahme der Kinder an diesen Gruppen informiert sind. Dies soll die Allparteilichkeit der Gruppenleiter, d.h. ihre Haltung, nicht für bestimmte Familienmitglieder Partei zu ergreifen, sondern alle Beteiligten gleichermaßen zu berücksichtigen, unterstützen. Von großer Bedeutung ist auch die regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen, um die notwendige Kontinuität und Stabilität zu sichern. Wesentlich ist auch, daß die Gruppenleiter gegenüber den Eltern einer Schweige-pflicht unterliegen, um die Neutralität und den Schutzraum der Gruppe nach außen hin zu garantieren. Nur so haben die Kinder die Garantie eines „therapeutischen Raumes“ und können von ihren bisherigen Solidaritäts- bzw. Loyalitätskonflikten entlastet werden (vgl. ebd., 364-365). Die Gruppen sollen von einem Mann und einer Frau geleitet werden, um Kindern und Eltern ein Modell des positiven gemeinsamen Umgangs der Geschlechter miteinander geben zu können. Die Kinder haben somit auch die Möglichkeit, die Gruppenleiter als ein Elternmodell zu erleben, das kooperatives Verhalten und einen konstrutiven Umgang mit Konflikten zeigt. Während der Gruppensitzungen sollten das Tun und das Erleben der Kinder im Vordergrund stehen. Deshalb erhalten neben Gesprächen zu Themen, die die Scheidung betreffen, der Umgang mit unterschiedlichen Materialien, wie z.B. Kinderbücher, Filme zum Thema, Schreib- und Malutensilien, Stabpuppen etc. (vgl. ebd., 362), die Bewegung und das Spiel viel Raum. Spaß und Freude haben dabei eine hohen Stellenwert. Diese unterschiedlichen Angebote ermöglichen den Kindern eine vielfältige und ganzheitliche Auseinandersetzung mit dem Scheidungsthema. Bei allen Angeboten sollte der sozial-kognitive Entwicklungsstand des einzelnen Kindes Berücksichtigung finden. Zielsetzung: „Übergeordnetes Ziel der Strukturierung der Sitzungen ist es, dem „Chaos der Scheidung“ eine stabilisierende Struktur entgegenzusetzen“ (ebd., 360). Weitere Ziele sind: Die Kinder sollen darin unterstützt werden, ihre Gefühle bezüglich der Trennung ihrer Eltern wahrzunehmen und auszudrücken. Kinder sollen erleben, daß auch andere Kinder von der Trennung der Eltern betroffen sind und sie mit ihren Erfahrungen nicht alleine stehen. Dies kann das Gefühl der Isolation und auch die Schamgefühle verringern und ihnen emotionale Unterstützung bieten (vgl. auch Witte et al., 1992, 182). Es soll den Kindern erleichtert werden, ein realistisches Bild von Trennung und Scheidung und ihren Folgen zu bekommen. Den Kindern sollen Bewältigungsstrategien vermittelt werden, d.h. ihnen soll ein kreativer und konstruktiver Umgang mit der veränderten Familiensituation ermöglicht werden. Dabei geht es um 118 die veränderten Beziehungen zu den Eltern, den Umgang mit neuen Partnern, ihre Beziehungen zu Gleichaltrigen in ihrem Alltag, wie z.b. Schule oder andere Betreuungseinrichtungen und um ihre mehr oder weniger veränderten sozio-ökonomischen Lebensverhältnisse. Weiterhin sollen den Kindern Freiräume für ihre eigene, altersadäquate Entwicklung angeboten werden, da viele durch eine Scheidung sehr früh zu große Verantwortung und oft ErwachsenenRollen übernehmen müssen. Manche verlieren ihre eigenen Bedürfnisse aus den Augen, da sie die eigenen belasteten Eltern unterstützen und trösten wollen. Das Selbstwertgefühl der Kinder soll gestärkt werden. Den Eltern soll durch die begleitende Elternarbeit eine Basis geboten werden, um mit ihren Kindern über die Trennung bzw. Scheidung zu sprechen und sie an den Erfahrungen ihrer Kinder teilhaben zu lassen. Ablauf und Inhalt von Vorgespräch, Elternarbeit und Gruppenprogramm: Das Vorgespräch: Das Vorgespräch findet mit den Eltern und dem Kind gemeinsam statt, um ein gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen, die Ziele der Gruppenarbeit zu erklären und Informationen darüber zu erhalten, ob das Kind für die Gruppe geeignet ist. Dem Kind wird seitens der Leiter explizit das Recht zugesprochen, selbst über die Teilnahme zu entscheiden, wobei ihm empfohlen wird, eine erste „Schnupperstunde“ zur Überprüfung seines Wunsches nach Teilnahme zu nutzen. Es wird verdeutlicht, daß nach der Entscheidung eine kontinuierliche Anwesenheit gefordert wird. Abschließend wird Eltern und Kindern zur gemeinsamen Bearbeitung Literatur empfohlen. Im Materialanhang habe ich auf einen Ratgeber für Eltern und auf Kinder- und Jugendliteratur zum Thema Trennung und Scheidung hingewiesen. Die Elternarbeit: Entsprechend der systemischen Sichtweise von Trennung und Scheidung wird eine begleitende Elternarbeit für unabdingbar gehalten. Es werden im Rahmen des Gruppenprogramms deshalb zwei Elternabende angeboten. Außerdem wird den Eltern die Teilnahme an einer parallel in der Beratungsstelle durchgeführten Elterngruppe empfohlen. An diesen Elternabenden werden, aufgrund der schon beschriebenen Schweigepflicht, keine Informationen über die einzelnen Kinder weitergegeben. Die Elternabende dienen dazu, die Trennung und Scheidung aus der Sicht von Kindern zu vermitteln, auf mögliche Verhaltensänderungen hinzuweisen und die inhaltlichen Themen des Kindergruppenprogramms darzustellen. Angestrebt wird ein Erfahrungsaustausch der Eltern, die sich gegenseitig unterstützen sollen. Das Kindergruppenprogramm: Das Programm beginnt mit der schon erwähnten Schnupperstunde, die vor allem zum gegenseitigen Kennenlernen dient. Danach schließen sich 16 Gruppensitzungen mit themenzentrierter Orientierung 119 an. Die Gruppensitzungen finden wöchentlich statt und dauern 90 Minuten. Wichtig ist, daß die einzelnen Sitzungen eine sehr klare Struktur aufweisen, die sich in allen Sitzungen wiederholt, was den Kindern Sicherheit, Kontinuität und Stabilität vermitteln kann. Merkmale des Gruppenprogramms sind auch die unterschiedlichen, sich abwechselnden Momente in diesen Sitzungen, wie Zeiten des Spiels, der Entspannung und der thematischen Arbeit. Auf eine genaue Schilderung des Ablaufs einer Sitzung möchte ich hier verzichten (vgl. ebd., 361-362). Ich werde lediglich den Verlauf des gesamten Gruppenprozesses erläutern. Das Programm wird in drei Phasen unterteilt und zwar in die Kennenlernphase, die themenzentrierte mittlere Phase und die Abschlußphase (vgl. ebd., 362-363). a) Die Kennenlernphase: Sie dient dem gegenseitigen Kennenlernen und der Entwicklung einer Gruppenzusammengehörigkeit, was durch verschiedene Spiele, das Aufstellen von Gruppenregeln und die Entscheidung für einen Gruppennamen erreicht werden kann. Es zeigt sich, daß der Aufbau persönlicher Kontakte unter den Kindern, persönliche gegenseitige Wertschätzung und das Gefühl des Zusammengehörens entscheidende Faktoren für die Effektivität des Interventionsprogrammes sind. b) Die themenzentrierte Phase: Diese Phase gliedert sich wiederum in zwei Blöcke. Der erste themenzentrierte Block umfaßt die allgemeine Auseinandersetzung mit dem Thema „Trennung und Scheidung“. Den Kindern wird die Pluralität unterschiedlicher familialer Lebensformen vermittelt. Ihnen wird deutlich, daß neben der traditionellen Kernfamilie auch Alleinerziehende, Scheidungs- und Mehrelternfamilien gleichwertige Lebensformen sein können. Kennzeichen der Gruppenprogramme ist die allmähliche Steigerung der Intensität problematischer Themen. In wachsendem Maße können sich die Kinder mit Hilfe verschiedener Materialien mit scheidungsspezifischen Themen, wie z.B. Kontakt zum getrenntlebenden Elternteil, neue Partner der Eltern, Geschwister- und Ehekonflikte auseinandersetzen. Der zweite Block beinhaltet die persönliche Auseinandersetzung mit scheidungsrelevanten Gefühlen und möglichen Bewältigungsstrategien. Das Wahrnehmen, Zulassen und Ausdrücken der Gefühle wird mittels unterschiedlicher Methoden, wie z.B. Entspannungs- und Körperwahrnehmungsübungen, Rollenspiele, Umgang mit Farben und Materialien etc. gefördert. Die Gruppe versucht außerdem mittels vorgegebener Themen verschiedene Lösungsmöglichkeiten für Problemsituationen bei Trennung und Scheidung zu erarbeiten. c) Die Abschlußphase: Diese Phase ermöglicht den Kindern, positive Erfahrungen des Abschiednehmens und der Trennung zu erfahren. Frühzeitig wird das Ende der Gruppe thematisiert. In der vorletzten Sitzung wird der bisherige Gruppenverlauf reflektiert, die positiven und negativen Erlebnisse der Kinder zum Thema gemacht. Außerdem werden Kindern Informationen über weitere Unterstützungssysteme gegeben. In der letzten Sitzung feiern die Kinder und die Leiter den Abschied, zu dem gegen Ende der Sitzung die Eltern hinzukommen können. Falls die Gruppenmitglieder es wünschen, können sie den Eltern ihr Erarbeitetes, wie z.B. eine Wandzeitung, zeigen. Die Kinder erhalten ihre Mappe, die sie in den Sitzungen angelegt haben, wodurch die Gruppe den Kindern in konkreter Weise in Erinnerung bleiben kann. 120 Halten die Gruppenleiter eine weitere Betreuung eines Kindes in Einzelsitzungen für notwendig, dann führen sie nochmals ein Abschlußgespräch mit den Eltern. Erfahrungen aus den bisher durchgeführten Kindergruppen:43 Kinder, die in ihrem Familienalltag eine parentifizierte Funktion eingenommen haben, können von dem Gruppeninterventionsprogramm profitieren und lernen, wieder Kind zu sein. Kinder können wieder Anschluß an ihre altersadäquaten Rollen und Aufgabenstellungen finden (vgl. Jaede et al., 1994, 363). Voraussetzung dafür, daß Kinder von diesen Gruppen profitieren können, ist jedoch, die Bereitschaft der Eltern, sich selbst mit dem Thema Scheidung auseinanderzusetzen, da ihre Einstellung gegenüber der Gruppe einen entscheidenden Einfluß auf die Effektivität derselben für das Kind hat (vgl. ebd., 363). Von großer Bedeutung ist auch, daß Kinder die in der Gruppe erlebte adäquate Kinderrolle in ihrer elterlichen Beziehung zu Hause nun ebenfalls integrieren und leben können. Hilfreich dafür erweisen sich die in der Gruppe empfohlenen Bücher, die die Kinder mit ihren Eltern zusammen bearbeiten können, und anhand derer sie ihre Gruppenerlebnisse mitteilen können (vgl., ebd., 363364). Die Elternabende bieten den Eltern die Gelegenheit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und wahrzunehmen, daß sie mit ihren Fragen und Unsicherheiten nicht alleine sind (vgl. ebd., 364). Die kontinuierliche und strukturierte Arbeit in den Gruppen bietet den Kindern, die durch die Trennung und Scheidung in der Regel viele Unregelmäßigkeiten und Brüche erlebt haben, Stabilität und Sicherheit (vgl. ebd., 364). Die durch die Trennung und Scheidung bedingten Selbstwertprobleme können, durch gegenseitige Bestätigung und bessere Distanzierung vom Scheidungsverlauf, in den Gruppen bearbeitet werden (vgl. ebd., 365). Durch das gegengeschlechtliche Leiterpaar erleben Kinder ein Elternmodell für positive und konstruktive Kommunikation (vgl. ebd.). Kinder bewerten es als besonders positiv und hilfreich, mit Gleichaltrigen über ihre Gefühle sprechen zu können und sich in den Gruppen eingebunden zu fühlen. Manche Kinder, die sich weniger am Gespräch beteiligen, weil es ihnen vielleicht unangenehm ist, können schon alleine durch das Zuhören und die teilnehmende Beobachtung profitieren und lernen (vgl. Witte et al., 1992, 182). Für viele Kinder bieten diese Gruppen die Möglichkeit, ihre Isolations- und Schamgefühle zu überwinden und eine wichtige emotionale Stützung zu erhalten (vgl. ebd.). Die Gruppenprogramme helfen den Kindern, das Scheidungsgeschehen besser zu verstehen und realistischer einzuschätzen (vgl. ebd.). 43 Ich ergänze die Erfahrungen aus dem Freiburger Interventionsangebot mit Erfahrungen aus verschiedenen amerikanischen Kinderprogrammen, die evaluiert wurden (vgl. Witte, 1992, 182 u.183), um deutlich zu machen, welchen Beitrag sie im Bereich der Scheidungsbewältigung für Kinder bieten können. 121 Außerdem sind diese Interventionen auch geeignet, Schuldgefühle abzubauen, Gefühle der Verantwortung für die Eltern zu reduzieren, Versöhnungshoffnungen zu verringern und das Gefühl der Kontrolle über das eigene Leben zu fördern (vgl. ebd.). Zusätzlich wird das Verständnis für die eigenen Gefühle erhöht, und Ängste können verringert werden (vgl. ebd., 182-183). Zusammenfassend kann festgehalten werden: „Die Durchführung von Interventionsgruppen für Kinder hat sich als ein wesentliches Angebot für die frühzeitige Bearbeitung von Trennungs- und Scheidungsproblemen erwiesen. Es hat sich gezeigt, daß die Kinder in den Gruppen nicht nur einen freieren Zugang zum Thema Trennung und Scheidung und eine Solidarität bei anderen hierfür finden, sondern daß gerade ihre verschütteten Bedürfnisse und Wünsche nach Kindsein, Bindung, Spiel und Anerkennung in den Gruppen berücksichtigt werden. Die Kinder gewinnen Abstand von den sie einengenden und belastenden Krisen und Problemen der eigenen Familie, entwickeln neue Perspektiven und gewinnen ein Gefühl für die zeitliche Verarbeitung der Krise und die Veränderung der Familienstruktur“ (Jaede et al., 1994, 365). 5.2.2.2 Prävention innerhalb der Schule Hier möchte ich kurz einige Gedanken von Jopt (1997, 16-20) aufgreifen, die er sich hinsichtlich präventiver Arbeit zur Scheidungsproblematik gemacht hat. Jopt ist der Ansicht, daß vor allem auch die Schule, als wichtiger Sozialisationsbereich neben der Familie, den betroffenen Kindern, in dem ihr möglichen Rahmen, Hilfe und Unterstützung anbieten soll. In den USA finden z.B. viele Kindergruppenprogramme in den Schulen statt. Hodges (1986, in: Witte et al., 1992, 180) sieht die Schulen, in denen alle Kinder erreichbar sind, als das natürliche Ziel primärer Prävention an. Jopt weist darauf hin, daß eigentlich zu jedem Pflichtprogramm der Lehrerausbildung Seminare hinsichtlich der Scheidungsthematik und Möglichkeiten pädagogischen Beistands gehören müßten. Er meint auch, daß „... das Aufzeigen kindlichen Leids auch seinen Eltern gegenüber zur künftigen Selbstverständlichkeit schulischer „Einmischung“ in die Privatheit von Familie gehören. Denn Lehrerinnen und Lehrer sind oft die einzigen Lobbyisten, die es für diese Kinder gibt“ (Jopt, 1997, 20). Nach der Auffassung Jopts ist die Tatsache, daß es bei Scheidungen zu ungünstigem Elternverhalten gegenüber der Kinder kommt, wie z.B., daß Kinder als Bündnispartner oder Partnerersatz instrumentalisiert werden, nicht unvermeidliches Schicksal, sondern hat mit dem Bewußtsein der Erwachsenen zu tun. Viele Erwachsene sind nicht auf die vielen Beziehungsveränderungen durch eine Scheidung vorbereitet, obwohl es in unserer Zeit hohe Scheidungszahlen gibt. Die meisten sind mit den wandlungsbedingten neuen Elternrollen und dem Umgang mit sich bildenden neuen 122 Familienformen, wie Eineltern- und Mehrelternfamilien überfordert. Es ist vielen nicht klar, was Kinder in diesen sich wandelnden Verhältnissen brauchen. Solche Sachverhalte weisen darauf hin, daß die Schule sich als bewußtseinsbildendes Institut von hohem Rang einer bisher unbekannten Aufgabe von großer gesellschaftlicher Dringlichkeit stellen muß. Wenn die Schulkinder von heute, angesichts der Scheidungsdynamik, die Scheidungseltern von morgen sind, dann ist nicht länger ambulante Hilfe angesagt. Nach Jopts Überlegungen käme es darauf an, bereits diesen zukünftigen Eltern Wege und Mittel aufzuzeigen, die sie befähigen, mit den eigenen Kindern im Ernstfall angemessen und kindgerecht umzugehen. Dies hätte dann mit Bewußtseinsbildung zu tun, da kein Elternteil seine Kinder in persönlichkeitsschädigende Loyalitätskonflikte stürzen würde, wenn ihm sein persönlicher Anteil daran klar wäre. Nach seiner Meinung käme es darauf an, von vornherein den Anfängen zu wehren und Eltern da anzusprechen und zu sensibilisieren, wo sie selbst noch Kinder und deshalb für kindgemäßes Elternverhalten so leicht erreichbar sind, wie später niemals wieder. Er plädiert deshalb „... für die Einrichtung eines Curriculums ‘Beziehungslehre’ in der Sekundarstufe I, in der all die aus dem familialen Wandel resultierende Informations- und Aufklärungsarbeit als präventive Investition geleistet werden könnte. Nur so werden wir über die psychologische ‘Flickschusterei’ von heute hinauszukommen und zukünftige Elterngenerationen befähigen, im Trennungsfall so mit ihren Kindern umzugehen, wie es Respekt und Achtung vor ihrer Würde ... gebieten (ebd., 20). Er befürchtet allerdings, daß es noch ein langer Weg sein wird, bis sich Kinder zu jenen robusten und mit der Verarbeitung von Beziehungseinbrüchen vertrauten Experten des Wandels, wie Beck-Gernsheim es schreibt (vgl. Punkt 4.1.6 ), entwickelt haben werden. 5.2.3 Mediation Wie in Kapitel 3 und 4 meiner Arbeit deutlich wurde, hat das Konfliktpotential der Eltern großen Einfluß auf die Entwicklung der Kinder. Halten Konflikte nach einer Scheidung an, so konnte festgestellt werden, daß Kinder dieser Familien schlechte Voraussetzungen für eine gute Scheidungsanpassung haben. „Hilfe für Scheidungskinder kann also in erster Linie vor allem darin bestehen, das Konfliktpotential zwischen den Eltern zu verringern“ (Moch, 1994, 407). In der Regel sind Rechtsanwälte die ersten Ansprechpartner für Menschen, die sich scheiden lassen wollen. Hier holen sie sich erste Informationen über ihre Rechte und das vorgeschriebene juristische Scheidungsverfahren. Außerdem kann ein Scheidungsantrag nur über einen Rechtsanwalt beim für Scheidungen zuständigen Familiengericht gestellt werden und die Eheleute müssen sich vor Gericht von einem Anwalt vertreten lassen. Anwälten fällt demnach eine entscheidende Rolle im Scheidungsgeschehen zu (vgl. Witte et al., 1992, 40). Viele Ehepartner wenden sich an einen Rechtsanwalt, aus Angst, die eigenen Interessen dem anderen Partner gegenüber nicht ausreichend vertreten zu können. Der Anwalt ist für sie der Garant, daß ihnen rechtliches Gehör gewährt wird (vgl. 123 Mähler u. Mähler, 1993, 148). Da, wie schon in Punkt 3.2.2 beschrieben, Rechtsanwälte von ihrer Berufsordnung und ihrem Selbstverständnis her verpflichtet sind, die Interessen ihres Mandaten optimal zu vertreten und dessen Gewinne zu maximieren, besteht die Gefahr, daß es, anstatt zu einer gütlichen Einigung der Partner, zu einer Verschärfung des in vielen Fällen nach der Trennung bestehenden Spannungs- und Konfliktverhältnisses kommt. Anstatt eines Miteinanders entwickelt sich eher ein Gegeneinander, in dem einer zum Gewinner und der andere zum Verlierer wird. Diese Gegnerschaft verhindert eine nacheheliche Kooperation der Partner, die aber, wie bereits deutlich wurde, für die positive Scheidungsbewältigung der Kinder sehr wichtig ist (vgl. Witte et al., 1992, 4041). Aus diesem Grund ist es notwendig, alternative Wege zur Verhandlung der Scheidungsfolgen für scheidungswillige Partner anzubieten. Die Mediation (übersetzt:Vermittlung) stellt einen solchen Weg dar. Im folgenden möchte ich das Konzept der Mediation vorstellen, aber ohne in Details zu gehen, was den Rahmen meiner Arbeit sprengen würde. An dieser Stelle möchte ich auf einen Ratgeber zur Mediation für betroffene Paare bzw. Eltern hinweisen: Mähler et al., 1994. 5.2.3.1 Definition von Mediation im allgemeinen „“Vermittlung“ (Mediation) ist ein strukturierter, zielorientierter Entscheidungs-prozeß zur einvernehmlichen und eigenverantwortlichen Konfliktregelung der Konfliktparteien. Mit Hilfe einer neutralen, unparteiischen dritten Person erarbeiten die Parteien eine konfliktregelnde Vereinbarung, welche den individuellen Bedürfnissen und Interessen gerecht wird. Die bestehenden gemeinsamen Interessen an einer Lösung sind dabei wichtiger als die Anwendung rechtlicher Normen. Nicht die rechtlich richtige Entscheidung ist das Ziel der „Vermittlung“, sondern die für beide Parteien annehmbare Konfliktlösung. Der Vermittlungserfolg hängt deshalb weitgehend davon ab, daß die Parteien die Überzeugung gewinnen können, der ihnen aus einer eigenverantwortlichen Einigung erwachsende Vorteil aus einer Lösung des Streits sei größer als die Durchsetzung ihrer vollen (rechtlichen) Ansprüche in einem streitigen Verfahren“ (Proksch, 1993, 176-177). Die Prinzipien der Mediation beruhen vor allem auf dem Konfliktlösungsmodell von Deutsch (1973) und dem strukturierten Vermittlungsmodell von Coogler (1978) (vgl. Proksch, 1993, 177). Nach den Grundsätzen dieser zwei Modelle werden dauerhaft befriedigende Streitregelungen umso eher erreicht, je mehr es den Streitparteien gelingt, in Kooperation und Kommunikation über die Definition gemeinsamer Bedürfnisse und Interessen einvernehmliche Regelungen selbst zu erarbeiten (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, 1993, 240). Mediation hat eine lange Tradition und ist in unterschiedlichen Kulturen und sozialen Zusammenhängen zu finden (vgl. Proksch, 1993, 173). 124 Vor allem in den USA sind Vermittlungsverfahren seit vielen Jahren ein untentbehrliches Instrumentarium zur Konfliktsteuerung auf den unterschiedlichsten Gebieten geworden, wie z.B. Umwelt-, Nachbarschafts-, Politikkonflikten und nicht zuletzt auch bei elterlichen Streitigkeiten bei Trennung und Scheidung (vgl. ebd., 174). Die Entwicklung von Mediation, als Alternative zum klassischen, gegnerschaftlichen Streitverfahren, beruhte auf der grundlegenden Einsicht, daß die entstandenen juristischen Konflikte von persönlichen Beziehungskonflikten belastet und beeinflußt werden und eine richterliche Entscheidung allein diese Konflikte nicht lösen kann. Vor diesem Hintergrund begannen Anfang der 70er Jahre Rechtsanwälte in den USA damit, vor allem für Scheidungs- und Scheidungsfolgeverfahren „nicht-gegnerschaftliche Beratung“ anzubieten (vgl. ebd., 174). Seit 1980 haben mittlerweile über die Hälfte der USamerikanischen Bundesstaaten Gesetze verabschiedet, die Mediation in Familiensachen als Pflichtbzw. als freiwillige Leistung an den Familiengerichten vorsehen (vgl. Dutenhaver, 1988, in: Proksch, 1993, 176). Mediation ist in den USA seither zu einem festen Bestandteil des Scheidungsverfahrens geworden. Mediation gewinnt auch zunehmend bei uns an Bekanntheit und beginnt sich als Interventionsform für Scheidungsfamilien zu etablieren (vgl. Niesel, 1991, 84). Ich möchte nun genauer darauf eingehen, was Mediation im Scheidungsgeschehen erreichen will, was ihre Ziele sind. 5.2.3.2 Ziele der Scheidungsmediation „Mediation ist ein vor- und außergerichtlicher Weg der Konfliktbearbeitung. Sie bezieht sich auf alle persönlichen und sachlichen Folgen der Trennung und Scheidung. Mediation will eine faire und rechtsverbindliche Lösung, die von beiden Partnern selbst entwickelt wird. Sie werden hierbei durch einen neutralen Dritten ohne eigene Entscheidungsmacht, den Mediator, unterstützt“ (Mähler et al., 1994, 8). Die Trennungs- und Scheidungsmediation befaßt sich hauptsächlich mit der Gestaltung der mit Trennung und Scheidung zusammenhängenden Folgen, insbesondere im Hinblick auf Elternschaft und andere familiäre Beziehungen, Aufteilung des Familieneinkommens, Vermögensauseinandersetzungen, Alterssicherung, Hausratsteilung und Klärung der Wohnsituation (vgl. Groner, 1996, 178). 125 Innerhalb der Scheidungsmediation soll folgendes geleistet werden (vgl. Niesel, 1991, 85): -Berücksichtigung der Bedürfnisse von Eltern und Kindern; -Trennung der partnerschaftsbezogenen von den elternschaftsbezogenen Problemen; -Erörterung und -Formulierung Prüfung der einer Alternativen, Vereinbarung, die die sich der jeweiligen Familie bieten; nach juristischer Prüfung als Scheidungs- folgenvereinbarung rechtskräftig werden soll; -Verbesserung der Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern; -Konfliktverminderung für die Zeit nach der Scheidung. Anders als bei dem juristischen Verfahren, in dem Anwälte und Richter die Konflikte für die Betroffenen klären, was von Betroffenen meist als sehr negativ, als Gefühl der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins, empfunden wird (vgl. Mähler u. Mähler, 1993, 153-154), wird die Verantwortung für die Entscheidungen in der Mediation den Eltern belassen (vgl. Groner, 1996, 178). Sie selbst bleiben „Inhaber“ ihrer Konflikte, sie selbst sollen zu Lösungen und Regelungen finden, wobei der Vermittler lediglich Hilfestellungen gibt, damit die Betroffenen zu befriedigenden, einvernehmlichen Entscheidungen kommen können. Er selbst hat keine Entscheidungsmacht (vgl. Mähler u. Mähler, 1993, 155-156). Auf die genauen Aufgaben des Mediators möchte ich nicht weiter eingehen, sondern verweise lediglich auf die eben angegebene Literatur. Mediation ist somit eine Möglichkeit der Hilfe zur Selbsthilfe (vgl. Groner, 1996, 178). Die Tatsache, daß die Lösungen von den Beteiligten selber erarbeitet werden, erhöht die Akzeptanz der Regelungen, so daß es zu einer dauerhaften Befriedigung kommen kann und die Wahrscheinlichkeit, daß sich beide an die Abmachungen halten, im Vergleich zu gerichtlichen Entscheidungen erhöht ist (vgl. Groner, 1996, 179; Niesel, 1991, 85). Weiters Ziel der Mediation ist es, die Kommunikation und Kooperation der Eltern zu fördern, damit sie selbst fähig werden, zukunftsorientierte Lösungen zu erarbeiten, mit denen sie beide zufrieden und die in ihrer beider Interesse sind. Hier soll es nicht um Verlierer und Gewinner gehen, wie im juristischen Verfahren. Wichtig bei dieser gemeinsamen Lösungsfindung ist, daß beide Elternteile jeweils ihre Interessen vertreten und sich dabei selbst behaupten. Hinzu kommt, daß sie jeweils auch die Interessen und Möglichkeiten des anderen reflektieren und so zu einer Abwägung beider Seiten kommen, vielleicht sogar auch zu einem Verständnis für die Situation des anderen. Sie lernen dadurch, die eigene Position durch die Einbeziehung der Gegenseite neu zu überdenken und möglicherweise auch realistischer einzuschätzen. In der Gesamtschau der Dinge erscheinen die eigenen Probleme oft in einem neuen Kontext, in einer neuen Gewichtung, aus der heraus auf die Zukunft orientierte Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden. Indem die Interessen des Partners mitbedacht werden, wächst die Einsicht für seine Seite, wodurch das gegenseitige Verständnis gefördert und die Versöhnungsbereitschaft unterstützt wird (vgl. Mähler u. Mähler, 1993, 154-158). 126 Mediation ist besonders geeignet, die Unterscheidung zwischen der Trennung als Paar und dem Weiterbestehen der elterlichen Verantwortung zu initiieren. Häufig sind beide Eltern daran interessiert, daß die Kinder durch die Trennung so wenig wie möglich in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch wollen in der Regel die meisten Eltern das Beste für ihre Kinder. Wenn das Beste für die Kinder ist, wie es sich der Familienforschung der letzten Jahre entnehmen läßt, zu beiden Elternteilen einen guten Kontakt trotz Trennung und Scheidung zu behalten, wird dies für die Eltern eine starke Motivation sein, entsprechende Regelungen für die künftige Gestaltung des veränderten Familienlebens zu finden (vgl. ebd., 158). Die Mediationserfahrung soll den Eltern für zukünftige Konfliktlösungen als Modell dienen (vgl. Niesel, 1991, 85). Mediation zielt nicht auf eine vergangenheitsbezogene Aufarbeitung der familiären Konflikte ab und ist auch kein therapeutischer Prozeß, obwohl die Grenzen hier fließend sein können. Es geht weder schwerpunkmäßig um die Einsicht in innerpsychische Konflikte, noch um Veränderung von Persönlichkeitsmustern (vgl. Proksch, 1993, 178). In der Mediation kommt den Anwälten eine besondere Funktion zu. Gerade, wenn der Mediator nicht rechtskundig ist und wegen des Rechtsberatungsgesetzes keine eigene juristische Beratungstätigkeit entfalten darf, ist der Mediator auf Anwälte angewiesen. Im Mediationsprozeß haben Anwälte beratende Funktion. Sie sollen im Rahmen dieses Prozeßes ihrer Partei verdeutlichen, welche Rechte ihr nach dem Gesetz zustehen, damit sie genügend informiert ist, um in der Mediation ihre Interessen vertreten zu können. Weiterhin haben Rechtsanwälte bei nichtjuristischen Mediatoren die Aufgabe, die gefundenen Lösungen rechtlich fundiert zu formulieren, so daß sie entweder in eine notarielle Vereinbarung münden oder als Vereinbarung zu Protokoll des Gerichts gegeben werden können (vgl. Mähler u. Mähler, 1993, 159-160). Die Mediation ist ein zeitlich begrenzter Prozeß, der in verschiedenen strukturierten Phasen und Schritten abläuft. Auf die Struktur und den Ablauf der Mediation werde ich nicht weiter eingehen und verweise auf: Diez u. Krabbe, 1993, 109-131. Scheidungsmediation können folgende Personen anbieten (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, 1993, 240): Absolventen sozialwissenschaftlicher Studiengänge an FHs und Unis, sowie juristischer Studiengänge mit jeweils mehrjähriger beruflicher Erfahrung und zusätzlichen Qualifikationen in der Vermittlungsarbeit. 5.2.3.3 Erfahrungen mit Mediation In einem Pilotprojekt am Jugendamt Erlangen von Dezember 1990 bis Oktober 1991 konnten erste praktische Erfahrungen mit Vermittlung im Rahmen der jugendhilferechtlichen Mitwirkung in familiengerichtlichen Verfahren (§§50, 17 KJHG) in der Bundesrepublik Deutschland gewonnen werden (vgl. Proksch, 1997, 204-209). 127 Ich möchte nur kurz die wesentlichen Ergebnisse aufführen. Überraschend war die hohe Akzeptanz von dem freiwilligen Vermittlungsangebot des Jugendamts durch die Eltern (ca. 90% der Scheidungseltern willigten spontan ein, in ihrem eigenen Sorgerechts- bzw. Umgangsrechtsverfahren Vermittlung zu praktizieren, wobei dann ca. 70% tatsächlich die Vermittlung durchführten). 72% der am Vermittlungsverfahren teilgenommenen Eltern erreichten eine Vereinbarung, während 28% die Vermittlung abbrachen. Weit über die Hälfte der befragten Eltern, sowohl solche, die zu einer Vermittlungsvereinbarung gelangt sind, wie auch jene, die die Mediation abbrachen, erlebten Vermittlung als ein hilfreiches Verfahren, das sie ihren Bekannten weiterempfehlen würden. Ca. 78% der befragten Eltern äußerten, daß sie mit der Vermittlung zufrieden seien. Durchgängig wurde das Vermittlungsangebot von den Eltern begrüßt. In Vermittlungssitzungen wurde deutlich, daß selbst Eltern mit hohem Streitpotential befähigt sein können oder durch die Vermittlungsinterventionen befähigt werden können, konstruktiv zu streiten und durch kooperative Kommunikation zu einer einvernehmlichen eigenen Regelung zu kommen. Aus der Befragung ergibt sich weiterhin, daß das gerichtliche Verfahren als nicht befriedigend bewertet wird (68% der Befragten gaben an, daß das Gerichtsverfahren ihren Ärger erhöht habe). Zur Situation der Eltern-Kind-Beziehung fällt auf, daß die Mehrheit der Eltern sich beide trotz Scheidung für die Kinder verantwortlich fühlen. Dies zeigt, daß grundsätzlich ein gutes Einigungspotential auch in streitigen oder sogar hoch streitigen Fällen vorhanden sein und durch Vermittlung unterstützt werden kann. Außerdem konnte auch eine Verringerung der Sreithäufigkeit der Eltern nach der Vermittlungsintervention festgestellt werden. Diese Ergebnisse zeigen, „... daß Vermittlung sehr wohl eine deutliche Befriedung im Verhältnis der streitenden Eltern befördern kann“ (Proksch, 1997, 209). Die Ergebnisse legen die Vermutung nahe, daß von den Scheidungseltern Vermittlung als wirksame Alternative zum gerichtlichen Verfahren verstanden und als Standardangebot zur Förderung des „Wohls des Kindes“ gewünscht wird (vgl. ebd., 206). Aufgrund der geringen Fallzahl in der nur kurzen Zeitspanne des Pilotprojektes können allerdings im einzelnen noch keine gesicherten Aussagen gemacht werden, aber es läßt sich anhand der Ergebnisse eine positive Bewertung der Mediation im Scheidungsgeschehen durchaus rechtfertigen (vgl. ebd., 209). Im folgenden möchte ich noch kurz auf die Thematik der Einbeziehung von Kindern in die Mediation eingehen. 128 5.2.3.4 Einbeziehung der Kinder in die Mediation Zu der Frage, ob Kinder in den Mediationsprozeß miteinbezogen werden sollen, bestehen keine einheitlichen Meinungen. Die Entscheidung, ob Kinder an der Mediation teilnehmen, gehört zu den Aspekten der Mediation, die der Beliebigkeit jedes Mediators unterstellt zu sein scheinen (vgl. Pearson u. Thoennes, 1988b; Paquin, 1988, in: Niesel, 1991, 88). Dies liegt vielleicht daran, daß Mediatoren aus unterschiedlichen Professionen kommen und dadurch unterschiedliche Kompetenzen hinsichtlich des Umgangs mit Kindern haben (vgl. Groner, 1996, 181). Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation sieht die Einbeziehung folgendermaßen: „Den Interessen und Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen kommt im Mediationsprozeß besondere Bedeutung zu. Der Mediator/die Mediatorin trägt dafür Sorge, daß die Kinder soweit wie möglich geschützt werden. (...). Ihnen sollte je nach Alter die Möglichkeit gegeben werden, sich am Prozeß zu beteiligen. Die bei den Eltern liegende Verantwortung für die Entscheidung bleibt jedoch bei diesen. Für die Kinder und Jugendlichen ist es wichtig, daß ihre Eltern in der Mediation kooperative Verhaltensformen einüben, überprüfen und weiterentwickeln“ (Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation, 1994, in: Groner, 1996, 181). Wissenschaftliche Untersuchungen zu der Einbeziehung der Kinder in die Mediation gibt es in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht. Forschungsprojekte laufen hier erst allmählich an (vgl. Groner, 1996, 181). Erste Erfahrungen gibt es aber von der Trennungs- und Scheidungsberatungsstelle „Familiennotruf München“. Der Familiennotruf stellte hinsichtlich der Einbeziehung von Kindern folgendes fest (vgl. Jahresbericht des Familiennotrufs München, 1993, in: Groner, 1996, 183): Kinder können ein Stück Sicherheit zurück gewinnen, wenn sie in die Entwicklung der Regelungen einbezogen werden; Kinder können einen Teil ihrer Schuldgefühle aufgeben, wenn sie in der Mediation erleben, daß die Eltern ihre Verantwortung für die Überwindung der Familienkrise selbst übernehmen; die Gefahr, daß Eltern Kinder in die Auseinandersetzungen um Geld miteinbeziehen und sie manchmal als Unterhändler mißbrauchen, kann verringert werden; der Alltag der Kinder kann konflikfreier werden, da die Elternvereinbarungen dem Alltag der Kinder möglichst genau angepaßt werden können, wie z.B. bzgl. Schulen, Freunden, Freizeitaktivitäten etc.,wenn Kinder bei den Verhandlungen anwesend sind; Kinder können ihre Loyalität zu beiden Eltern aufrechterhalten, wenn sie in der Mediation erleben, daß die Eltern nicht gegeneinander kämpfen, sondern um gemeinsames und gerechtes Aushandeln bemüht sind; Kinder können selbst modellhaft lernen, wie Streit und Konflikte gelöst werden können. Groner machte in ihrer Mediationspraxis die Erfahrung, daß Kinder durch die Sachlichkeit der Atmosphäre eher in der Lage sind, ihre Anliegen ihren Eltern gegenüber zu formulieren, ohne das Gefühl haben zu müssen, die Eltern zu verletzen. Kinder können es auch als erleichternd und befreiend 129 erleben, wenn in der Mediation einmal offen über ihre Familiensituation gesprochen wird (vgl. Groner, 1996, 189). Wichtig bei der Einbeziehung der Kinder ist, wie dies auch die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation fordert, daß Kinder nicht den Eindruck bekommen, Verantwortung für die Situation übernehmen zu müssen, was Kinder bekanntlich oft bei einer Ehescheidung ihrer Eltern tun und sich damit überfordern. Die Verantwortung muß ganz klar bei den Eltern bleiben. Die Einbeziehung der Kinder ermöglicht aber, sie aus der Objektrolle, aus der machtlosen Opferrolle zu holen und sie als Subjekt mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen zu behandeln. Die Einbeziehung kann ihr Selbst stärken. Die Frage, wie die Kinder miteinbezogen werden sollen, muß in jedem Einzelfall verantwortlich entschieden werden. Bei dieser Entscheidung muß berücksichtigt werden: die Person des Kindes, die zu bearbeitende Thematik, fachliche und persönliche Kompetenz der Mediatoren (vgl. ebd., 194-197). Außerdem zeigen auch amerikanische Berichte, daß die Kinder es selbst als positiv bewerten, wenn sie ein Gespräch mit dem Mediator führen können. Sie fühlen sich ernstgenommen, besser informiert, und das Umgehen mit ihren Gefühlen wird ihnen erleichtert (vgl. Pearson u. Thoennes, 1988b, in:Fthenakis et al., 1997, 269-270). Resümee zur Mediation: Mediation ersetzt weder Therapie noch Erziehungsberatung. Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsstörungen brauchen andere Interventionen. Mediation kann aber einen wichtigen Beitrag leisten, die Selbstheilungskräfte und Ressourcen der Eltern und Kinder zu nutzen und bietet so eine Chance, die Probleme und konfliktreichen Situationen zu mindern, so daß Scheidungen besser bewältigt werden können (vgl. Groner, 1996, 196-197). 5.2.4 Fazit zu den Scheidungsberatungsangeboten Hinsichtlich der Angebote der Trennungs- und Scheidungsberatung muß leider festgestellt werden, daß es zwar in verschiedenen Städten solche spezialisierten Interventionen gibt, wie z.B. Der „Familiennotruf“ München, der „Trialog“ Münster, die interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft e.V. Berlin „Zusammenwirken im Familien-konflikt“ (Witte et al., 1992, stellen Scheidungsberatungstellen in der Bundesrepublik Deutschland vor), aber daß solche Angebote flächendeckend noch fehlen (vgl. Fthenakis et al., 1997, 265). Es wäre deshalb angesichts der hohen Scheidungszahlen wünschenswert, wenn sich dieses Netz der präventiven Interventionsangebote noch erweitern würde, damit Scheidungen wirklich zur neuen Chance für Eltern und Kinder werden können. „Wenn ... Trennung 130 und Scheidung eine alltägliche Erscheinung geworden ist, dann müssen darauf abgestellte Hilfen auch in allgemeinen Beratungstellen für Kinder, Eltern und Familien selbstverständlich sein“ (Menne et al., 1997, 18). Nach telefonischer Auskunft des Leiters der Erziehungsberatungsstelle Fulda finden die meisten Scheidungsberatungen immer noch zu spät statt, d.h. erst, wenn Kinder schon verhaltensauffällig oder Eltern schon so verfeindet sind, daß Interventionen nicht mehr dem Schaden vorbeugen können, sondern nur noch versuchen können, ihn vielleicht zu verringen. Er bestätigte, daß es vielerorts, wie auch hier in Fulda, an präventiven Maßnahmen fehlt. Dies ist nach seiner Ansicht auch ein finanzielles und familienpolitisches Problem, dem sich die Sozial- und Familienpolitik zu stellen hat (vgl. Plass, 1998). Außerdem ist es besonders bedeutend, daß es zunehmend mehr zu einer Zusammenarbeit der an einer Scheidung beteiligten Professionen kommen muß, damit es nicht auf institutioneller Ebene erneut zu einem Scheidungskonflikt kommt, da die verschiedenen Professionen, anstatt zum Wohl der Familien zu kooperieren, sich eher voneinander abgrenzen und darüber diskutieren, wer das angemessenere Angebot bietet (vgl. Moch, 1994, 408). „Scheidungsfamilien brauchen Beratungs- und Betreuungsdienste, die ihnen Modell sind hinsichtlich Fairneß, Kooperation und Arbeitsteilung zugunsten der Entwicklung und Förderung ihrer Kinder“ (ebd.). Abschließend soll ein Betroffener zu Wort kommen, der auf die Frage, welchen Rat er anderen Scheidungsfamilien gebe würde, folgendes sagte: „ Nicht aufhören, miteinander zu reden und sich zuhören ... und das beherzigen, was in den Broschüren von den Jugendämtern drin steht, daß die Kinder beide Elternteile dringend brauchen. (...) Wenn sie erst einmal unvorbereitet oder als Gegner in die Mühlen der Jugendämter, Gerichte und Anwälte kommen, dann haben Sie da kaum noch eine Chance, das nach Ihren eigenen Vorstellungen zu regeln. Und bei dem Streit bezahlen beide, und die Kinder vor allen Dingen. Und das wäre nicht nötig. Denn es bringt alles nichts“ (Moch, 1994, 408). 131 6. Schlußbetrachtung Wie in den Ausführungen deutlich wurde, können Ehescheidungen so bewältigt werden, daß sie für alle Beteiligten, vor allem für Kinder, nicht schädigend sein müssen. Allerdings brauchen viele Familien dabei Hilfe und Unterstützung, die früh genug ansetzt und nicht erst, wenn Eltern und Kinder schon andauernde Störungen haben, und vor allem eine Gesellschaft, die diese Familien nicht per se als defizitär betrachtet, sondern sie im positiven Umgang mit ihrer Situation stärkt. Dafür wäre es notwendig, daß die breite Öffentlichkeit zu dem Bewußtsein kommt, daß Kinder das Recht auf beide Eltern haben, auch wenn die Ehe geschieden wird, und daß sich Elternschaft beider Eltern und Scheidung nicht ausschließen (vgl. Lederle, 1997, 257). Lederle formuliert weiter, daß es wünschenswert wäre, wenn Scheidungen in der Zukunft per Antrag beim Standesamt angemeldet werden könnten, wo Eltern dann alle wichtigen Informationen über einen angemessenen Umgang mit der Scheidung erhalten würden. Sie bekämen dort z.B. die Auskunft, daß sie eine Vereinbarung über die Scheidungsfolgen als Voraussetzung für den Vollzug der Scheidung benötigen und dabei Unterstützung von Beratungsstellen und Mediatoren bekommen können. In Fällen, in denen trotz allen Hilfsangeboten keine Vereinbarungen erreicht werden können, würde, so wie bisher, das Gericht entscheiden. Mit diesen Maßnahmen, so meint sie, wären die mit einer Scheidung verbundenen Verletzungen und Belastungen aller Familienmitglieder, vor allem der Kinder, einzuschränken (vgl. ebd., 258). Obwohl Ehescheidungen wegen ihrer Häufigkeit zu einer fast normalen Entwicklung geworden sind, stellen sie, wie in der Arbeit deutlich wurde, an Eltern und Kinder trotzdem hohe Anforderungen und belasten sehr (vgl. Kardas u. Langenmayr, 1997, 50). Meine Arbeit möchte deshalb nicht leichtfertig für Ehescheidungen plädieren oder ihre möglichen Belastungen verharmlosen. Mir ging es vielmehr darum, konstruktive Wege im Umgang mit der Realität der vielen Ehescheidungen aufzuzeigen. Natürlich wäre es auch sehr sinnvoll, wenn im Vorfeld der Scheidungen, ihre Auftretenswahrscheinlichkeit verringert werden könnte. Möglich wird dies dadurch, daß Paaren im Umgang mit Konflikten geholfen wird und ihnen vermehrt Kompetenzen hinsichtlich ihrer Beziehungsfähigkeit vermittelt werden. Außerdem wäre vermutlich Unterstützung in Fragen der Gestaltung von Partnerschaft und Ehe wichtig, da in diesem Bereich in unserer Zeit keine allgemeingültigen Normen mehr bestehen und jeder seine Ehe selbst gestalten muß, was viele Ehen 132 überfordert, wie in Punkt 2.1.2 beschrieben. Ferner wäre die Verbreitung eines realistischeren Bildes von Ehe und Partnerschaft angebracht, da viele zu große Erwartungen haben, die dann schmerzhaft enttäuscht werden und zu Trennungen führen können. Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Ahrons, Constance R. (1997). Die Familie erhalten, wenn die Ehe zerbricht. Die gute Scheidung. München: Knaur. Balloff, Rainer; Walter, Eginhard (1990). „Gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall? Einige theoretische und empirische Grundannahmen“. In: FamRZ. 5/90. Bielefeld: Ernst u. Werner Gieseking Verl., 445-454. 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Tips und Informationen; 2.Der Unterhaltsvorschuß. Eine Hilfe für Alleinerziehende. 3.Eltern bleiben Eltern. Informationen über Hilfen für Kinder bei Trennung und Scheidung der Eltern. Informationsschriften für Eltern, die kostenlos beim Bundesministerium der Justiz, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, 53170 Bonn, zu erhalten sind: 1.Ehe- und Familienrecht; 2.Das neue Kindschaftsrecht. Weiterhin möchte ich auf einen geeigneten Familienratgeber zum Thema Trennung und Scheidung hinweisen: Niesel, Renate. Scheidungskinder. Mit Kindern Trennungen bewältigen. Wie Eltern ihren Kindern in familiären Extremsituationen helfen können. Mit den neuen Regelungen zum gemeinsamen Sorgerecht. München: Südwest-Verl., 1998, 19,80DM. Bilderbücher zum Thema Trennung und Scheidung: Becker, A.; Scharf-Kniemeyer, M.: Und was wird aus uns? Eine Familie geht auseinander. Ravensburger Verlag. Brown, L.K.; Brown, M.: Scheidung auf dinosaurisch. Ein Ratgeber für Kinder und Eltern. Carlsen Verlag. Enders, U.; Wolters, D.: Auf Wieder-Wiedersehen! Ein Bilderbuch über Abschied, 145 Trennung und Wiedersehen. Anrich Verlag. Gydal, M.; Danielson, T.: Ole und seine Welt. Petras Eltern sind geschieden. Carlsen Verlag. Maar, N.; Ballhaus, V.: Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße. Modus Vivendi Verlag. Neuhaus, E.; Fournier, A.: Anna und Wuwu. Engel und Bengel Verlag. Weninger, B.; Marks, A.: Auf Wiedersehen, Papa! Neugebauer Verlag. Kinder- und Jugendliteratur zum Thema Trennung-und Scheidung: Bobel, J.: Eine Tür fällt zu, wenn Eltern auseinandergehen. Schneider Verlag. Boeck, J.: Mama hat sich verliebt. Herder Verlag. Blume, J.: Davon geht die Welt nicht unter. Klopp Verlag. Carna, Z.: Ein Brief aus Afrika.Ueberreuter Verlag. 146 Chidolue, D.: Lady Punk. Beltz Verlag. Cleary, B.: Ruf doch an, Papa. Ueberreuter Verlag. Donelly, E.. Tine durch zwei geht nicht. Ravensburger Verlag. Fox, P.: Der Schattentänzer. Arena Verlag. Friesel, U.: Jeden Tag Spaghetti. Rheinbeck Verlag. Fritsch,L.: Wo wird Olli bleiben. Spektrum Verlag. Härtling, P.: Anna auf dem Dach. Beltz u. Gelberg Verlag. Haslor, E.: Der Sonntagsvater. Von Andi, der an drei Orten lebt und an keinem richtig. Ravensburger Verlag. Kessl, I.: Alle Tage ist kein Sonntag. Bitter Verlag. Kirchberg, U.: Rike und Matti - wenn Eltern sich trennen. Ellermann Verlag. Ladiges, A.: Mann bist du gemein. Rowohlt Verlag. Mazer, N.: Anruf nach acht Jahren. Sauerländer Verlag. McAffee, Brown, A.: Mein Papi, nur meiner! Oder: Besucher die zum Bleiben kamen. Ali Baba Verlag. Mooser, T.: Familienkrieg; wie Christoph, Vroni und Anette die Trennung der Eltern erleben. Suhrkamp Verlag. Naumann, F.: Den Vater denk ich mir. Rowohlt Verlag. Nöstlinger, C.: 1. Der Zwerg in meinem Kopf. 2. Oh, du Hölle, Julias Tagebuch. 3. Ein Mann für Mama. 4. Einen Vater hab ich auch. Alle: Beltz Verlag. Sakowski, H.: Munzo und ich. Lebenskerben oder Scheidung ist nicht komisch. Rowohlt Verlag. Spangenberg, B.: Märchen für Scheidungskinder. Verlag Orac, Wien. Törnquist, R.: Camilla in der Weide. Dressler Verlag. Uebe, I.: Die Zeit als Papa kochen lernte. Loewe Verlag. Zöller, E.: Alex belogen. DTV Junior. 147 Die Zusammenstellung der Bilder-, Kinder- und Jugendbücher zum Thema Trennung und Scheidung erfolgte nach: Schmitt, 1997, 74-75. Wichtige Adressen von Scheidungsberatungsstellen: Arbeitskreis Partnerschaftskrise Trennung und Scheidung e.V. Schneckenhofstr. 27 60596 Frankfurt/M. 069/620604 +724379 Deutsches Familienrechtsforum Haußmannstr. 6 70188 Stuttgart 0711/2333399/602565 Familien-Notruf München IETE - Intakte Elternsschaft trotz 148 Pestalozzistr. 46 80469 München 089/269194 Scheidung Germersheimer Str. 26 81541 München 089/496411 TRIALOG e.V. Von Vinkestr. 6 48143 Münster 0251/511414 Projekt „KUGEL“ Camillo Sitte Platz 3 45136 Essen 0201/265165 Zusammenwirken im Familienkonflikt Interdisziplinäre Arbeitsgemeinschaft e.V. Wilhelmsaue 133 10715 Berlin 030/8610195 Bundes-Arbeitsgemeinschaft für FamilienMediation (BAFM) Rathausplatz 25 22926 Ahrensburg 04102/54541 Im allgemeinen können Betroffene vor, während oder nach der Scheidung fachkundigen Rat bei folgenden Ämtern, Verbänden und Istitutionen einholen: Jugendämter; Allgemeiner Sozialdienst; Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen; Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche (Erziehungsberatungsstellen); Jugend- und Familienhilfe der Wohlfahrtsverbände und deren Fachverbände (Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Sozialdienst katholischer Frauen, Diakonisches Werk, Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband, Kinderschutzbund). 149 Erklärung Hiermit erkläre ich, daß die vorliegende Arbeit selbständig, ohne unerlaubte fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer als den angegebenen Quellen und Hilfsmitteln angefertigt habe. Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken entnommen wurden, habe ich als solche kenntlich gemacht. Diese Diplomarbeit hat in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen. Fulda, den 14.09.1998 Materialanhang Fulda, September 1998 150