Zusammenfassung_Hassel (2) - IZZ-ON

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15. IZZ-presseforum Heidelberg 2009
(Es gilt das gesprochene Wort)
Beitrag:
Mundgesundheit und Lebensqualität - Einführung ins Thema
und
Altern mit Biss! Lebensqualität bei Senioren.
Von:
PD Dr. A. Hassel
Mundgesundheit und Lebensqualität - Einführung ins Thema
Die World Health Organisation (WHO) definierte Gesundheit als weit mehr
als die reine Abwesenheit von Krankheit und Schmerz, vielmehr wird
Gesundheit im Kontext der Lebensumstände eines Individuums als Zustand
des völligen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens gesehen
(WHO, 1948). Dies trägt einer Entwicklung weg vom Materialismus, geprägt
durch Konsum und Wirtschaftswachstum hin zu postmaterisalistischen
Werten wie Selbstbestimmtheit, Selbstverwirklichung und Streben nach
individuellem Wohlempfinden und Zufriedenheit Rechnung. Der Grad dieses
Wohlbefindens, die empfundene Lebensqualität, war in der Vergangenheit
bereits
Teil
der
medizinischen
oder
zahnmedizinischen
Arzt/Patientengespräche, wurde aber in der Medizin/Zahnmedizin nicht als
eigenständige Diagnostik neben klinischen Morbiditätszeichen erhoben.
Dabei können sich der Grad des Wohlbefindens und klinische
Morbiditätszeichen decken, müssen dies aber nicht.
Das Konzept der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (GB-LQ) begreift
die Lebensqualität als weitere Dimension von Gesundheit und beschreibt
das subjektive Erleben von Krankheit und Gesundheit. Ziel medizinischer
Therapien sollte somit eine Steigerung der individuellen Lebensqualität sein.
Zahlreiche Instrumente wurden zur Erfassung der GB-LQ entwickelt, um die
Lebensqualität für Querschnittsstudien, aber auch für longitudinale
Untersuchungen messbar zu machen. Wie die Mundgesundheit als
Bestandteil der allgemeinen Gesundheit verstanden wird, wird auch die
Lebensqualität,
die
mit
der
Mundgesundheit
verbunden
ist
(mundgesundheitsbezogene Lebensqualität, MLQ), als Bestandteil der GBLQ begriffen. Für den zahnmedizinischen Bereich konnte gezeigt werden,
dass die MLQ nicht in einem ausreichenden Maße durch GB-LQInstrumente repräsentiert wird. Basierend auf dem Konzept der
gesundheitsbezogenen Lebensqualität, entstand so die Theorie der
mundgesundheitsbezogenen Lebensqualität. Dabei steht am Anfang die
Erkrankung, die Schädigung eines Organsystems. In der Folge kommt es
zur Funktionseinschränkung und zu Beschwerden in Form von Unwohlsein
oder Schmerzen. Dies wiederum führt zur physischen, psychischen und
sozialen Fähigkeitsstörung. Als Folge dieser Behinderungen vermeidet der
Patient soziale Kontakte, es kommt zur Beeinträchtigung.
Instrument zur Messung der Lebensqualität haben daher für verschiedene
Aspekte Bedeutung: in der klinischen Praxis zur Qualitätssicherung und
Erfolgskontrolle, zur Analyse von Aufwand-Nutzen- bzw. Aufwand-KostenBeziehungen, für das theoretische Verständnis oraler Erkrankung, für den
Bereich Public Health und Gesundheitspolitik (Planung von zukünftigen
Versorgungsleistungen, und zur Rechtfertigung von Kosten unter
gesundheitsökonomischen Aspekten).
D:\75803193.doc
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Altern mit Biss! Lebensqualität bei Senioren
Mit der Gerostomatologie hat sich in der Zahnmedizin eine eigene
Teildisziplin etabliert, die sich mit der präventiven und therapeutischen
zahnmedizinischen Versorgung von Menschen, die physischen und
psychischen Veränderungen im Alterungsprozess unterliegen, beschäftigt.
Wiederholt konnte in internationalen und nationalen Untersuchungen bei
älteren
Menschen
ein
eingeschränkter
Mundgesundheitszustand
beschrieben werden. Dies trifft besonders auf benachteiligte Gruppen wie
den institutionalisierten und pflegebedürftigen, den sozial isolierten oder von
zahnärztlicher Versorgung ausgeschlossenen älteren Menschen zu.
Aktuellste Untersuchungen für Deutschland zeigen, dass in der Gruppe der
65-74-jährigen im Mittel 14,1 Zähne fehlen, 22,1% dieser Gruppe zahnlos
sind und nur 0,1% keine Karieserfahrung haben. Lediglich 1,4% der
Untersuchten zeigten parodontal gesunde Gebisse mit im Vergleich zu
früheren Untersuchungen augenfällig ansteigender Parodontitisprävalenz.
Im Gegensatz zu den schlechten objektiven Befunden wurde jedoch
besonders bei institutionalisierten Kollektiven beschrieben, dass die
subjektive Zufriedenheit mit der Mundgesundheit hoch ist. Dies wurde aber
meist mit nicht validen Instrumenten durchgeführt und kann daher als zu
kurz gegriffen aufgefasst werden. Es konnte gezeigt werden, dass auch ein
Großteil älterer Menschen die Mundgesundheit als wichtig für die allgemeine
Lebensqualität einschätzt. So werden psychologische und soziale Faktoren
wie Aussehen und Selbstbewußtsein beim älteren Patienten häufig
unterschätzt. Es konnte gezeigt werden, dass bei Altenheimbewohnern mit
einem durchschnittlichen Alter von 87 Jahren ein Viertel unter ihrem
dentalen Erscheinungsbild litten. Durch die MLQ werden soziale und
psychologische Auswirkungen oraler Erkrankungen erfasst und sie greift
somit deutlich weiter als eine Erfragung der Patientenzufriedenheit mit der
Mundgesundheit, die keine ausreichende Charakterisierung der subjektiven
Empfindungen zulässt. Die MLQ selbst wird im Alter häufig als
eingeschränkt angegeben, was teilweise auf das Vorhandensein
umfangreicherer prothetischer Rehabilitationen und ihrer assoziierten
Probleme zurückgeführt wird. Auf Seiten zahnärztlicher Größen korrelieren
beispielsweise eine reduzierte Anzahl okkludierender Zahnpaare,
ungenügender Prothesenhalt oder das Vorhandensein von gelockerten
Zähnen mit einer verschlechterten Lebensqualität. Sozio-ökonomische und
psychometrische Faktoren/Größen wie Bildungsgrad, Einkommen und
Neigung zur Depression/Somatisierung haben Einfluss. Um also die
Mundgesundheit gerade älterer Menschen sicher und umfassend zu
charakterisieren, kann empfohlen werden auf verschiedenen Ebenen
Erhebungen durchzuführen: objektive Erfassung der Mundgesundheit mit
klinischen Instrumenten, die auf ihre Einsetzbarkeit beim älteren Menschen
hin überprüft sind und aber auch subjektive Erfassung der Mundgesundheit
mit subjektiven Gesundheitsindikatoren, MLQ-Instrumenten, die für den
Einsatz beim älteren Menschen validiert sind. Ziel der Zahnmedizin für die
kommenden Jahre ist eine longitudinale Beobachtung der Mundgesundheit
älterer Menschen, um Risikofaktoren für eine Verschlechterung zu isolieren
und geeignete Prophylaxestrategien zu erarbeiten. Weiterhin müssen
zahnärztliche Therapien auf ihren Nutzen hinsichtlich der subjektiven und
objektiven Mundgesundheit hin geprüft und gegebenenfalls angepasst
werden.
D:\75803193.doc
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