Marcus Müller – Heidelberger Str. 6-8 69126 Heidelberg Tel. (06221) 332467 E-Mail: [email protected] Exposé der Dissertation Die Kunst, die Zeit und wir Wie deutsche Kunstgeschichte im Diskurs entsteht 1. Einleitung Man hat zwei Bilder von der Figur des Historikers entworfen. Auf der einen Seite wurde gesagt, der Historiker sei jemand, durch den ‚die Geschichte selbst spricht’; einer, der gleichsam nur die Bühne für den selbstbestimmten Auftritt der historischen Ereignisse zimmert. Andere haben den Geschichtsschreiber in eine Linie mit seinem anthropologischem Vorbild, dem Erzähler, gestellt und das Erzählte, die Geschichte, als ein narrativ strukturiertes Sinnganzes verstanden, welches nicht einfach den Lauf der Dinge abbildet, sondern seinen Sinn erst im Moment der Erzählung erhält. Geschichte in diesem letzteren Sinne war also nicht, sondern entsteht immer wieder aufs Neue. Im Diskurs der thematisch aufeinander gerichteten Vergangenheitsentwürfe prägt sich so ein stabiler Kern aus, der von variablen Rändern flankiert wird. Beide, Kern und Ränder, werden in Abhängigkeit von interpretierten und ausgewählten Daten und den sprachlichen und sozialen Bedingungen der Kommunikation immer wieder zwischen Autor und Leser ausgehandelt. Die Verhandlungsergebnisse eines Kommunikationsaktes zwischen zwei Diskursteilnehmern (das Verstandene, der Sinn) werden jeweils in der Folgeäußerung im Diskurs manifest und stehen erneut zur Disposition. Geschichte wäre also ein komplexes Konzept, das seinen Erscheinungsort in der Intersubjektivität der Kommunikationssituation hat und beständig reformuliert wird. Dementsprechend ist es erstens den Bedingungen der Kommunikation und zweitens der Handlungsabsicht des jeweiligen Historikers unterworfen. Das bedeutet, dass sich im Konzept der Geschichte, das im historiographischen Diskurs entsteht, einerseits Kontinuitäten durch Musterbildungen und andererseits Variablen durch Handlungsvarianten ausprägen. Um diesen Vorgang sinnvoll beschreiben zu können, braucht es einen überschaubaren Bereich der Geschichtsschreibung, der deutlich aufeinander gerichtete Diskursbeiträge enthält und dem eine klare konzeptuelle Gliederung zu Grunde liegt. Außerdem sollte die Musterbildung innerhalb der den Diskurs tragenden Textserie so klar sein, das typisierte Strategien des Geschichtsentwurfes erkennbar werden. Ein solcher Bereich ist die Historiographie der deutschen Kunst. Die Geschichte der deutschen Kunst als ein in der Kommunikation entstehendes Sinnganzes setzt sich zusammen aus drei Konzepten: KUNST, GESCHICHTE und NATION. Diese Konzepte sind in den einzelnen textwertigen Diskursbeiträgen alle weltanschaulich geprägt, wobei ein Zusammenspiel zwischen Weltanschauung und Formulierungstradition („Ausdrucksprägung“ im Sinne von Feilke 1996) zu beobachten ist: einerseits werden Formulierungen durch diskursextrinsische Weltschauungen geprägt („die deutsche Rasse“, „Feudalformation“), anderseits werden diskursintrinsische Weltanschauungen durch in der Kommunikation geprägte Ausdrücke weitertradiert („Aufstieg“, „Blüte“, „Verfall“). Deshalb lassen sich zwar individuelle Äußerungen identifizieren, die zum Aufbau, der Festigung oder Transformation eines diskursimmanenten Konzeptes beitragen, der Rückschluss auf ein kohärentes (?) Weltbild des empirischen Autors ist deshalb aber nur sehr bedingt möglich. Ein solcher Rückschluss wird auch deshalb erschwert, weil es etwa bei nationalsozialistisch geprägten Ausdrücken und Aussagen schwierig bis unmöglich erscheint, zwischen den motivierenden Momenten Ideologie, Opportunismus, Pragmatismus, verlegerischen Redaktionsmaßnahmen und Einflussnahme von Dritten zu unterscheiden. Außerdem ist mindestens in der Geschichte der deutschen Kunst des Seemann-Verlages, die in der DDR durch ein „Autorenkollektiv“ entstanden ist, keine die weltanschauliche Textprägung verantwortende Autorfigur eindeutig zu identifizieren. Die Konzepte KUNST, GESCHICHTE und NATION werden in den einzelnen Texten erstens in Nominalen etikettiert, zweitens durch in Syntagmen gefassten Propositionen ineinander integriert und drittens in strategisch angelegten Textpassagen als Thema entfaltet. Die Modi dieser thematischen Entfaltung lassen sich erst einmal grob mit den drei Typen DESKRIPTION, NARRATION und ARGUMENTATION fassen (Brinker 2001). Alle drei Typen bilden die Grundlage thematischer Entfaltungsstrategien, die als Subtypen des Brinkerschen Schemas gedacht werden können. Dabei zeigt sich eine hohe Affinität des Entfaltungstyps DESKRIPTION zum Konzept KUNST und des Typs NARRATION zum Konzept GESCHICHTE. Bei dem ARGUMENTATIVEN dem eigene Typ handelt es sich um ein metapropositionales Strategiemuster, in DESKRIPTIV und NARRATIV entfaltete Assertionen gestützt bzw. in Vortexten assertierte Propositionen bestritten werden. Das Konzept NATION ist bei diesem dritten Entfaltungstyp in besonderer Weise affiziert, da das Konzept 2 KOMMUNIKATIONSGEMEINSCHAFT, das im zur Rede stehenden Diskurs eine Spezifizierung von NATION ist, beim ARGUMENTIEREN präsupponiert oder denotiert wird. Durch die strategische Kombination dieser Verfahren in den einzelnen textwertigen Äußerungen entsteht eine Gesamtstrategie, aufgrund derer man die einzelnen Texte als eher ERZÄHLEND, eher BESCHREIBEND oder eher ARGUMENTIEREND einstufen kann. Durch Untersuchung dieser Verfahren auf Ebene des Einzeltextes und auf Ebene des Diskurses kann schließlich empirisch belastbares Datenmaterial zur Verfügung gestellt werden, das die Interpretationsgrundlage für eine ganze Reihe von Fragestellungen ergibt, die über die reine Textlinguistik hinausgehen. Eine davon lautet: Welche Rolle spielte die Kunstgeschichte im nationalpädagogischen Diskurs von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute? Diese Frage wird mit möglichst sparsamem Gebrauch der linguistische Fachterminologie in einem Schlusskapitel behandelt. 2. Die nationale Kunsthistoriographie in Deutschland – Das Korpus 2.1 Beschreibung des Korpus – Begründung der Korpuszusammenstellung Das Korpus umfasst die gesamte mir zur Kenntnis gelangte Textserie. Kriterium war die intendierte Konzeptualisierung der deutschen Kunstgeschichte als eines Sinnganzen. Texte, die ausdrücklich nur Teile der deutschen Kunstgeschichte behandeln (Epochen, Gattungen, Stile, Motive etc.) wurden nicht berücksichtigt. Eine gewisse Ausnahme bildet die in der DDR produzierte Geschichte der deutschen Kunst des Seemann-Verlags, die erstens die Entwicklung nach 1945 nur für die DDR beschreibt und zweitens nach der Wende nicht fertiggestellt werden konnte und daher Lücken in der Chronologie aufweist. Da diese aber die einzige Geschichte der deutschen Kunst aus den 80er Jahren und die einzige DDR-Produktion ist, wurde sie aufgenommen. Es ergibt sich so eine Textserie, die aus 20 Gesamttexten unterschiedlichen Umfanges besteht. Das Korpus kommt auf eine Gesamtzahl von etwa 17.500 Seiten, wovon allerdings die Abbildungen (schätzungsweise 15 Prozent) abgehen. 2.2 Zeitliche Grobgliederung des Korpus Die Textserie Geschichte der deutschen Kunst lässt sich in drei Phasen gliedern. Dass der Schwerpunkt auf der Zeit des Nationalsozialismus liegt, verwundert kaum. Die Texte, die kurz nach 1945 und in den 50er Jahren erschienen, gehen in ihrer Anlage und teilweise auch Niederschrift auf die frühen 40er Jahre zurück. Danach verstummt der Diskurs und wird (sieht man von einer Bücherbund-Publikation ab) erst wieder in der DDR 1981ff. und im 3 wiedervereinigten Deutschland um die Jahrtausendwende wiederbelebt. Seitdem ist der Diskurs mit zwei wissenschaftlichen fundierten Großpublikationen und einer Produktion des Dumont-Verlages wieder merklich angeschwollen. Es ergibt sich folgende Gliederung: a) Begründung der Textserie im nationalhistorischen Paradigma der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Förster [1851–60 ], Bode Verlag [1885–91], Knackfuß I [1888], Lübke [1890], Schweitzer [1905] b) Nationalpädagogische Zuspitzung nach dem ersten Weltkrieg Dehio [1919–1934], Luckenbach [1926], Schreyer [1931], Müseler [1934], Jantzen [1935], Schwander [1936], Pinder [193551], Weigert [1942], Barthel [1949], Bruckmann Verlag [1951ff.] c) Wiederaufnahme der Textserie Lindemann [1974], Seemann Verlag [1981–89], Klotz/Warnke [1998-2001], Suckale [1998], Gebhart [2002] 3. Zur Konstitution von Konzepten im Diskurs Ein Konzept hat drei Erscheinungsformen: Erstens ist es als Teilspezifizierung eines Rahmens der Weltdeutung (Frame) eine mentale Größe, die man sich als multikodale Organisationsform von Zeichen denken kann. Diese Organisationsform wird in der Kommunikation konstituiert und durch kontinuierliche Respezifizierungen beständig erneuert (Peirce 1960; Eco 1990; Konerding 1993, 2003). Die mentalen Konzepte sind in ihrer Grundanlage analog organisiert (vgl. Strohner 2001) und bestehen aus symbolischen, ikonischen und indexikalischen Zeichen. Zweitens regulieren Konzepte semantische Relationen (Hyperonymie, Hyponymie, Synonymie, Antonymie etc.) und die gegenseitige Selektion von Argumenten und Prädikaten im Text (Lutzeier 1981; Cruse 2000; Konerding 2003). Umgekehrt werden sie ihrerseits von Textstrukturen reguliert. (Sprachlich verfasste Teil-)Konzepte sind somit als semantische Organisationsformen eine Gegebenheit des Textes. Drittens lassen sich Konzepte in onomasiologischen Feldern rekonstruieren – das aber nicht auf Ebene der langue, sondern ausschließlich im Hinblick auf einen definierten Kommunikationsbereich, der in mindestens einem inhaltsrelevanten Punkt homogen zu sein hat (Reichmann 1989, dazu Konerding 2003). Dieser Kommunikationsbereich kann entweder primär zeitlich (wie im Falle der onomasiologischen Felder im FWB) oder primär thematisch bestimmt sein. Ist ein Kommunikationsbereich als eine Menge thematisch aufeinander bezogener Äußerungen zu beschreiben, nenne ich ihn mit z. Bsp. Brünner/Gräfen (1994) und Volli (2002) einen Diskurs. Durch die Erstellung onomasiologischer Felder auf Grundlage einer einen Diskurs konstituierenden Textserie können verschiedene Konzepte als 4 Spezifizierungen unterbestimmter Frames (Konerding 1993) plausibilisiert werden. Durch die Angabe von Belegstellen zu den feldkonstituierenden Einheiten lässt sich der Aufbau und die diachrone Reliefbildung der Konzepte in einem gegebenen Diskurs aufzeigen. Die einzelnen Konzepte werden metadiskursiv durch Makropropositionen (van Dijk 1980, Konerding 2003) gekennzeichnet, die als Abstraktionen derjenigen Prädikationen gedacht sind, die in einem Lexem gleichsam als „erzählerisches Programm“ (Greimas 1973, vgl. Eco 1990) enthalten sein können. Z. Bsp. ist in dem Nomen Absinken die Prädikation x sinkt ab und in dem Nomen Abschwächung die Prädikation x wird abgeschwächt potenziell enthalten. Eine abstrahierende Makroproposition könnte dann lauten: x wird schlechter. Bei der nominalen Spezifizierung von Konzepten gibt es demnach zwei Typen von Etiketten: 1. Semantisch ‚reiche’ Nominale: attribuierte Nomina, Nomina actionis, (Abschwächung) 2. Semantisch ‚leere’ Eigen- und Gattungsnamen (Kunst, Deutschland) Erstere erbringen eine lexikalische Eigenleistung zur Spezifizierung von Konzepten. Zweitere erhalten erst im Gebrauch einen semantischen Wert, der die Spezifizierung eines Konzeptes ermöglicht. Dieser Gebrauchswert bei Eigennamen ist als semantische Rolle in einer Gebrauchswertangabe anzugeben. (Z. Bsp. Deutschland[Agens]) Die Gebrauchswertangabe umfasst ebenfalls Angaben zum generischen oder individuellen Gebrauch von Nominalen (Chinese, der[generisch] Müseler [1934: 6]), Angaben zur diskursdeiktischen Abtönungen („Wiedererwachsung“[Dürer] Warnke [1999: 11]) und gegebenenfalls kategoriale Angaben zur Sprechereinstellung (explizite Affirmation: „unsere Nation“[Lützow +] Schweitzer [1905: 214]; explizite Ablehnung: ‚Ausdruckbedürfnis einer deutschen Seele’[u –] Warnke [1999: 12]). Durch Quellen- und Gebrauchswertangaben wird die Dynamik, die Sprecherabhängigkeit sowie die zeitliche und soziale Gebundenheit der in den Wortfeldern rekonstruierten Konzepte herausgearbeitet. Artikel werden dann angegeben, wenn es zum raschen Verständnis der Gebrauchsbedeutung erforderlich erscheint. Die Komponenten der Wortfelder sind Lexeme, also monosemierte Einheiten. Die monosemierende Interpretation polysemer Ausdrücke wird in Zweifelsfällen bei weniger zentralen Ausdrücken als Bedeutungsangabe in Klammer gesetzt. Wörter wie Kultur, Geschichte oder Kunst, die in mehreren Bedeutungen zentral sind, also mehreren onomasiologischen Felder zugeordnet werden, werden in Wörterbuchartikeln mit Gliederung des semasiologischen Feldes und Belegteil behandelt. In den Wortfeldern kann dann jeweils mit tiefgestellter Ziffer auf die jeweilig relevante Bedeutungsposition verwiesen werden. 5 Z. Bsp. Feld HYPERONYME VON KUNST: Kultur[3] Bode [1885: 3], Janitschek [1885: 169, 314], Pinder I [1935: 163], Weigert [1942: 6], Ullmann [1981: 20, 25], Suckale [1998: 613]. 4. Zur Rolle von Prädikationsmustern in Nominalen und Syntagmen bei der Integration von Konzepten Nachdem die Konzepte KUNST, GESCHICHTE und NATION durch nominale Etikette in die textwertigen Diskursbeiträge eingeführt worden sind, müssen sie ineinander integriert werden. Das geschieht erstens mit einer kleinen Menge relationaler Lexeme, in deren Bedeutung zwei Konzepte gleichzeitig spezifiziert werden. Es sind dies vor allem die Epochenstilbezeichnungen Romanik, Gotik, Renaissance, Barock als Spezifizierungen von KUNST und GESCHICHTE. Diese Klassifizierung ist deshalb zulässig, weil mit den genannten Ausdrücken regelhaft gleichzeitig sowohl ein Stil (Spezifizierung von Kunst) als auch eine Epoche (Spezifizierung von Geschichte) bezeichnet wird. Zweitens wird die Integration der Konzepte in Propositionen vollzogen, die in Nominalgruppen zusammengezogen sind, wie z. Bsp. in der Nominalgruppe aktuelle Kunstfragen (vgl. dazu Helbig/Buscha 12 1989: 585). In der darin enthaltenen Proposition >Kunstfragen sind aktuell< werden die unterspezifizierten Konzepte KUNST (Kunstfragen) und GESCHICHTE (aktuell) ineinander integriert. Drittens geschieht die Integration in Propositionen, die in Syntagmen entfaltetet werden. Z. Bsp. enthält die Proposition alle künstlerischen Kräfte in harmonischem Gleichmaß entfaltet sein Dehio I [1919: 4] als Argument die Nominalgruppe alle künstlerischen Kräfte, die eine Spezifizierung des Konzeptes KUNST IST EINE TÄTIGKEIT ist. Diese wird prädiziert mit der Verbalgruppe in harmonischem Gleichmaß entfaltet sein, welche eine Spezifizierung des Konzeptes ALLES WIRD BESSER ist. So entsteht mikrostrukturell ein zweidimensionales Makrokonzept KÜNSTLERISCHE TÄTIGKEIT Textontologie aus vielen kleinen WIRD BESSER. Verknüpfungen Auf diese Weise setzt sich die verschiedener konzeptueller Spezifizierungen zusammen. Bei der Darstellung der integrativen Prädikationsmuster nehme ich Teilformalisierungen vor: Künstlernamen werden durch (Künstler) ersetzt, Gattungen wie Malerei, Plastik, Architektur etc. durch (Gattung), die Epochenstile Romanik, Gotik, Renaissance, Barock durch (Epochenstil)1. Weitere Teilformalisierungen: Detail (Giebel, Portal, Westwerk etc.), Stil (Expressionismus, Manierismus, Biedermeier), Kunstwerk (Melancholia I, Ritter, Tod und Teufel, Straßburger Münster etc.), Ort (Berlin, Nürnberg, Bayern, 1 Falls die Prädikation nicht durch einen speziellen Epochenstil reguliert wird. 6 Norddeutschland), Typ (Basilika, Vesperbild, Bauplastik, Profanbau, Miniatur etc.), Stilzug (Wölbung, Pinselführung, Rundbogen, Doppelchörigkeit etc), Gruppe (Zisterzienser, Expressionisten, Nachfolger Rembrandts) Motiv (Motiv der zweitürmigen Fassade), Figur (hl. Antonius, Uta von Naumburg, Martin Luther etc.). 5. Methode Zum Auffinden und Zuordnen der relevanten Nominale, Syntagmen und Textpassagen wurde folgendermaßen vorgegangen: Das Modell, das meiner Arbeit zugrunde liegt, wurde in groben Zügen anhand einiger Stichproben entwickelt und erprobt. Dann wurden die Korpustexte systematisch bearbeitet, d.h. sie wurden gelesen, wobei alle irgendwie relevanten Passagen in elektronische Tabellen exzerpiert wurden. Zentrale Beobachtungsräume waren dabei synthetische Passagen, also Einleitungs- Schluss- und Überleitungsteile sowie die Kapitel über Albrecht Dürer als zentrale Gestalt der deutschen Kunsthistoriographie. Darüber hinaus wurden alle Äußerungen exzerpiert, die als Formulierungs- und/oder Konzeptualisierungsvarianten eingestuft wurden. Auf diese Weise entstand ein elektronisches Sekundärkorpus, das nun systematisch und gegebenenfalls mit elektronischem Suchbefehl so bearbeitet werden konnte, dass schließlich Belegmaterial in der logischen Organisationsform der Arbeit vorlag. 6. Ergebnisse 6.1 Interne Modellierung der Basiskonzepte Ich gebe im Folgenden die konzeptuelle Gliederung der spezifizierten Basisframes auf Diskursebene durch die Angabe der metadiskursiven Makropropositionen sowie zur Illustration ausschnitthaft die erstellten onomasiologischen Felder. Im späteren Fließtext der Dissertation wird an dieser Stelle die konzeptuelle Gliederung, eine metadiskursive Interpretation sowie jeweils die Angabe der wichtigsten nominalen Spezifizierungen stehen. Die vollständigen Wortfelder werden im Anhang gegeben. 7 6.1.1 GESCHICHTE a) ALLES VERÄNDERT SICH. ... Entwicklungsgang Dohme [1885: 108], Knackfuß I [1888: 108. 176], Lützow [1891: V], Ullmann [1985: 142], Entwicklungsgeschichte Förster III [1855: 1], Dohme [1885: I], Janitschek [1890: VII], Dehio I [1919: 57], Entwicklungsgesetze Janitschek [1890: 632], Entwicklungsprozess Lützow [1891: 96], Ereigniskette Warnke [1999: 250], Evolution [>Entwicklung<] Dehio I [1919: 218], Fluss des Werdens, der Dehio II [21930: 142], flutende Werden, das Dehio III [1926: 177], folgerichtige Entwicklung Warnke [1999: 250], fortschreitendes Ausreifen einem bestimmten Ziele zu Dohme [1885: 290], Fortgang Janitschek [1890: 168], Fortgang der Zeiten Dehio I [1919: 14], Fortgang in der Entwicklungsgeschichte Förster II [1853: 275], Fortentwicklung Janitschek [1890: 68], fortschreitende Entwicklung Dohme [1885: 178], ... b) ALLES WIRD BESSER. Annäherung des Ideals an das Leben Förster II [1853: 14], ans Licht ringende Gedankenwelt Janitschek [1890: 89], Aufblühen Bode [1885: 90], Müseler [1934: 23], Suckale [1998: 634], Aufsteigen, das Pinder I [1935: 163], aufsteigende Bewegung Dehio III [1926: 275], Aufstieg Dehio I [1919: 308], Müseler [1934: 7], Pinder I [1935: 20, 214], Pinder III [1940: 339], Feulner [1953: 21], Ullmann [1981: 138], Suckale [1998: 212], ... c) ALLES WIRD SCHLECHTER. Abkühlung Pinder III [1940: 396], Abschwächung Förster II [1853: 3], Abgesang auf etw. Klotz [1998: 31], Abgleiten, das Schwander [1936: 95], Abklingen, das Pinder III [1940: 165], Absinken, das Pinder III [1940: 339], Absterben, das Schweitzer [1905: 480], Abstieg Müseler [1934: 7], Alterung Dehio II [21930: 142], Auflösung Lübke [1890: 710], Dehio II [21930: 142], Dehio III [1926: 275], Weigert [1942: 244], Feulner [1953: 185], Ausartung Falke [1888: 27], Aussterben Falke [1888: 24], ... d) ALLES WIRD ERST BESSER UND DANN WIEDER SCHLECHTER. auf- und absteigende Entwicklung Janitschek [1890: 61], Aus- und Einatmen Dehio I [1919: 31], Ebbe und Flut des geschichtlichen Gesamtlebens Dehio III [1926: 169], Einatmung und Ausatmung Pinder I [1935: 55], Ein- und Ausatmen Weigert [1942: 261], Entwicklungskurve Dehio I [1919: 307], ewiges Werden und Vergehen Müseler [1934: 7], ... Jeweils Angabe und Differenzierungen von Meronymen und affizierten Etiketten. 6.1.2 KUNST a) KUNST IST EIN INDIVIDUUM. Kunst, die[Agens] Janitschek [1890: 217, 532], Lützow [1891: 248], Schweitzer [1905: 81], Dehio I [1919: 3], Pinder I [1935: 22], Fischer [1951: 515], Feulner [1953: 200], Lindemann [1974: 19], Klotz III [2000: 438], Kunst, die[Benefaktiv] Janitschek [1890: 532], Dehio I [1919: 185], Luckenbach [1926: 359], Pinder III [1940: 185], Gebhart [2002: 184], Kunst, die[Coagens] Feist [1986: 14], Kunst, die[Deskriptiv] 8 Dehio I [1919: 5, 308], II [21930: 172], Pauli [Dehio IV/1934: 9], Müseler [1934: 5], Pinder I [1935: 9], III [1940: 363], Ullmann [1981: 24], Warnke [1999: 10], Suckale [1998: 12, 222],... b) KUNST IST EIN SYSTEM. Bilderwelt Dehio I [1919: 14], Fischer [1951: 63], Bildwelt Klotz III (2000: 329], Bildsprache Lindemann [1974: 34], Suckale [1998: 503], Formengrammatik Dohme [1885: 206], Formengut Barthel [1949: 103], Gebhart [2002: 77], Formenschatz Janitschek [1890: 87], Formensprache Janitschek [1890: V, 82, 343], Dehio I [1919: 311], Pauli [Dehio IV/1934: 392], Weigert [1942: 274], Fischer [1951: 54], Feulner [1953: 106], Ullmann [1981: 138], Suckale [1998: 255] , Gebhart [2002: 20, 84], Formenwelt Dohme [1885: 286f.], Janitschek [1890: 530, 632], Lützow [1891: 30], Pinder III [1940: 227], Fischer [1951: 361], Lindemann [1974: 19], Suckale [1998: 119], ... b) KUNST IST EINE TÄTIGKEIT. ästhetisch-künstlerische Produktion Möbius [1989: 10], Bilden und Bauen Warnke [1999: 250], bildnerische Tätigkeit Bode [1885: 4, 6, 90], Darstellungsmittel, die[generisch] Janitschek [1890: 95], eigenschöpferische Gestaltung Janitschek [1890: 109], Formgebung Dohme [1885: 111f.?????], Lübke [1890: 29], Formengebung Janitschek [1890: 329], Gesamtproduktion Dehio I [1919: 308], ... c) KUNST IST ETWAS ZU BETRACHTENDES. Anschauungsformen Dehio I [1919: 135], Augenkunst [im Ggs. zur Musik] Weigert [1942: 41], Denkmäler (>Kunstwerke<) Bode [1885: VII], Lübke [1890: 310], Geschmacksrichtung Knackfuß I [1888: 22], Kulturgüter Pauli [Dehio IV/1934: 9], Kunstanschauungen Schweitzer [1905: 364], Kunstempfinden, das Dehio III [1926: 177], ... d) KUNST IST KOMMUNIKATION. Ausdrucksform Lützow [1891: 112], Pauli [Dehio IV/1934: 156], Pinder I [1935: 134], Barthel [1949: 42], Fischer [1951: 519], Gebhart [2002: 195], Ausdrucksmittel Janitschek [1890: V], Schwander [1936: 5], Ausdruckssprache Fischer [1951: 54], Bildersprache Pinder III [1940: 285], bildliche Veranschaulichung Lützow [1891: 3], Darstellung Lützow [1891: 60], Darstellungsform Dehio II [21930: 79], Kunstäußerungen Müseler [1934: 5], ... e) KUNST IST EINE LEBENSWELT. ... Kunstbetrieb Lübke [1890: 13], Lützow [1891: 68], Feulner [1953: 200], Suckale [1998: 634], Kunstbewegung Schweitzer [1905: 509], Suckale [1998: 375], Kunstgeschehen, das Lindemann [1974: 67, 228], Klotz [1998: 13], Kunstleben Bode [1885: 3], Schweitzer [1905: 587], Dehio III [1926: 336], Luckenbach [1926: 107], Feist [1986: 10], künstlerisches Leben Janitschek [1890: 314], Feulner [1953: 225], ... Jeweils Angabe und Differenzierungen von Hyperonymen, Cohyponymen, Meronymen und affizierten Etiketten. 9 6.1.3 NATION a) Deutschland ist ein Individuum. deutsche Volk, das[Agens] Janitschek [1890: 3], Dehio I [1919: 4], Müseler [1934: 9], deutsche Volk, das[aff. Objekt] Janitschek [1890: 226], Luckenbach [1926: 23], deutsche Volk, das[Benefaktiv] Lützow [1891: 306], deutsche Volk, das[Coagens] Luckenbach [1926: 21], [...]Deutschland[Agens] Bode [1885: 39, 73], Dohme [1885: 408], Falke [1888: 70, 172], Schweitzer [1905: 461], Dehio I [1919: 262], II [21930: 20], III [1926: 9], Pinder II [1937: 289], Weigert [1942: 172, 437], Barthel [1949: 50], Feulner [1953: 7], Lindemann [1974: 67, 129], Klotz [1998: 13], Suckale [1998: 34], Deutschland[Benefaktiv] Lützow [1891: 251], Suckale [1998: 317], Deutschland[Coagens] Schweitzer [1905: 533], ... b) Deutschland ist ein Einheitsprinzip. Deutsche, der[generisch – Experiens] Dohme [1885: 287], Dehio II [21930: 80], III [1926: 177], deutsche Mensch, der[generisch Coagens] Dehio I [1919: 7], [...] Deutschen, die[generisch – Agens] Pinder I [1935: 33], III [1940: 107], Barthel [1949: 42], Klotz [1998: 13, 302], Klotz III (2000: 78, 136], Deutschen, die[generisch – Benefaktiv] Schweitzer [1905: 497], ... c) Deutschland ist ein Ort. deutsche Land, das[Direktiv] Schwander [1936: 12], Deutschland[Lokativ] Bode [1885: 39, 108, 228] , Janitschek [1890: 345, 531, 533], Falke [1888: 5], Lützow [1891: 8], Schweitzer [1905: 111], Dehio I [1919: 207], II [21930: 72, 133], III [1926: 42, 176, 192], Pauli [Dehio IV/1934: 168, 372], Luckenbach [1926: 89, 283, 327, 427], Müseler [1934: 7], Pinder I [1935: 50, 312], II [1937: 287], III [1940: 10], Weigert [1942: 157, 304], Barthel [1949: 58], Fischer [1951: 11, 116], Feulner [1953: 49, 218], Lindemann [1974: 67], Ullmann [1981: 21, 285], [1985: 180], Klotz [1998: 138, 204, 292], Warnke [1999: 11, 250], Klotz III (2000: 11, 136], Suckale [1998: 15, 119, 254], Gebhart [2002: 67], deutschsprachiges Gebiet Gebhart [2002: 7], dieses Land Suckale [1998: 18], ... d) Deutschland ist ein politisches Gebilde. Bundesrepublik[Experiens] Klotz III (2000: 372], deutsche Nation, die Suckale [1998: 8], deutsche Reich, das Janitschek [1890: 3], Gesellschaft Dehio I [1919: 3], III [1926: 276], Lindemann [1974: 141], Ullmann [1981: 8], Möbius [1989: 10], Suckale [1998: 176], gesellschaftliches Gefüge Pauli [Dehio IV/1934: 9], Klassengesellschaft Feist [1986: 12], ... e) Deutschland ist ein biologisches bestimmtes Gebilde. deutsche Rasse, die Dehio III [1926: 13], Rasse, die Weigert [1942: 7, 292], ... Affizierte Etikette: Anlagen des Blutes Weigert (1942: V), Arianismus [Theoderichs] Förster I [1851: 11], Art und Rasse eines Volkes Müseler [1934: 5], #artfremder Charakter Müseler [1934: 7], Blut von unserem Blut Dehio I [1919: 64], ... f) Deutschland sind wir. unser Vaterland Lützow [1891: 240], Dehio I [1919: 115], unser Volk Schweitzer [1905: VII], Dehio I [1919: VI], III [1926: 5], Pinder I [1935: 300], Weigert [1942: 505], „unsere Nation“[+] Schweitzer [1905: 214], wir [als token und präsupponiert im 10 Possessivpronomen unser] Dohme [1885: 113], Lützow [1891: 240, 251], Schweitzer [1905: 706], Dehio I [1919: V, 11, 64], III [1926: 5], Luckenbach [1926: 165], Pinder I [1935: 20, 41], Schwander [1936: 5], Barthel [1949: 7, 100], Klotz [1998: 8], wir Deutsche Dehio I [1919: 12], Pauli [Dehio IV/1934: 97], Pinder I [1935: 92], ... Jeweils Angabe von Antonymen, Heteronymen, Hyperonymen, Hyponymen, Meronymen und affizierten Etiketten. 6.2 Integration der Basiskonzepte 6.2.1 KUNST + GESCHICHTE 6.2.1.1 Nominale und Nominalphrasen abgeklärter Stil Lützow [1891: 38], Abschwächung der Gedanken Förster II [1853: 3], Absterben der (Gattung) Schweitzer [1905: 480], absterbende künstlerische Kultur Warnke [1999: 11], aktuelle Kunstfragen Feist [1986: 8], altchristliche Kunst Knackfuß I [1888: 69], ältere Kunst Ullmann [1981: 7], allgemeine Kunstgeschichte[1 Agens] Dehio I [1919: V], allgemeine Kunstgeschichte[1, 2 Direktiv] Warnke [1999: 11], allgemeine Kunstgeschichte[3 Lokativ] Förster I [1851: 111], allgemeine Logik aller Geniezeiten Pinder III [1940: 300], allgemeine Stilgeschichte[2, 4 Deontiv] Pinder I [1935: 366], allgemeiner Aufschwung geistigen Lebens Janitschek [1890: 106], ... 6.2.1.2 In Syntagmen entfaltete Propositionen2 alle künstlerischen Kräfte sind in harmonischem Gleichmaß entfaltet Dehio I [1919: 4], allgemeine Entwicklung setzt den Bildgenießer an die Stelle der echten Gemeinde Pinder I [1935: 102], allgemeine Ermüdung tritt in der (Gattung) ein Ullmann [1981: 203], alter, abgestorbener Stil wird im Geiste der Wahrheit und Schönheit nochmals zum Leben erweckt Janitschek [1890: 158], Anfänge (Künstlers) liegen im Dunkeln Lützow [1891: 179], (Gattungs)geschichte hat die höchste Blüte des (Epochenstils) zu vermelden Janitschek [1890: 87], Antike bringt der Renaissance Form Schwander [1936: 66], ... 6.2.2 KUNST + NATION 6.2.2.1 Nominale und Nominalphrasen abendländische Bauhütten Lindemann [1974: 36], (jedes) abendländische Bild Fischer [1951: 64], abendländische Formensprache Janitschek [1890: 87], abendländische (Gattung) Barthel [1949: 114], Fischer [1951: 75], Lindemann [1974: 162], abendländische Kulturgemeinschaft Barthel [1949: 42], abendländische Kulturmenschheit Dehio II [21930: 171], abendländische Kunst Dehio I [1919: 31], Pauli [Dehio IV/1934: 392], Pinder IV [1951: 10], Fischer [1951: 63], Lindemann [1974: 87], alemannisch-bayrische Phantasie Dohme [1885: 111f.????], alle Gebiete der deutschen Kunst Schweitzer [1905: 2 Die relationalen Syntagmen werden einheitlich in die Form eines einfachen Aussagesatzes im Präsens gebracht. 11 706], anderer Kulturkreis Klotz [1998: 44], Klotz III [2000: 120], Anklänge an italienische Kunst Lübke [1890: 597], ausländische Architekten Lübke [1890: 717], ausländische Künstler Warnke [1999: 390], Suckale [1998: 362], auslandsdeutsche Kunst Pinder III [1940: 21], Bauempfinden der Deutschen Schwander [1936: 12], bauliche Eigenart Dohme [1885: 118], ... 6.2.2.2 In Syntagmen entfaltete Propositionen Aufgabe wird in völlig italienischer Weise behandelt Lübke [1890: 734], Aufgabe erfährt Lösung in echt deutschem Sinne Lübke [1890: 734], aus dem Chaos sich bildende Welt ist die Vision der deutschen Kunst Fischer [1951: 514], Barockes ist das eigentlich Deutsche in der deutschen Kunst Dehio I [1919: 328], Bekanntschaft mit Werken der italienischen Kunst wirkt auf (Künstler) ein Lübke [1890: 600], bildende Kunst ist Äußerung nationaler Kultur Pauli [Dehio IV/1934: 29], bildende Künste bedeuten Teilgebiet für die nationale Begabung Dehio III [1926: 5], Bilder leben schaffende Kraft s. in deutscher (Gattung) aus Fischer [1951: 360], Bildung beschreibt um ihr nationales Zentrum weltbürgerlichen Kreis Dehio I [1919: V], Bildung entsteht nur auf dem Boden der Nation Dehio I [1919: V], Charakter der Malerei (Künstlers) ist germanisch Pauli [Dehio IV/1934: 372], Darstellung des Unendlichkeitsgedankens durch die Florentiner beruht auf Einschlag nordischen Blutes Weigert [1942: 270], (Detail) ist sehr deutsche Form Pinder I [1935: 80], Deutsche unterwerfen das Fremde ihrer Eigenart Schwander [1936: 22], deutsche (Gattung) vermag etw. zu leisten Janitschek [1890: 318], deutsche (Gattung) ist Lieblingskind der Volksphantasie Lützow [1891: 117], deutsche (Gattung) steht ganz unter der Herrschaft des französischen Geschmacks Schweitzer [1905: 532], deutsche (Gattungen) stehen im Schatten der französischen Kunst Lindemann [1974: 199], deutsche Kunst ist der flandrischen durch einen Reichtum von Phantasie überlegen Lübke [1890: 537], deutsche Kunst ist für unsere westlichen Nachbarn nur Randgeschehen Klotz [1998: 8], deutsche Kunst ist geistige Kraftäußerung Dehio I [1919: 7], deutsche Kunst ist im deutschen Kulturkreis geschaffene Kunst Müseler [1934: 8], deutsche Kunst ist in ihrer tiefsten Gesinnung romantisch Dehio I [1919: 213], deutsche Kunst ist kernhaftes Wesen deutschen Geistes Pauli [Dehio IV/1934: 5], deutschen Kunst kann originale Erfindungskraft haben Klotz [1998: 9], deutsche Kunst kann s. (eines Künstlers) rühmen Förster V [1860: 132] ‚deutsche Kunst ist Spiegelbild des deutschen Volkscharakters’[+ Dehio] Pauli [Dehio IV/1934: 5], deutsche Kunst beweist tiefe innere Folgerichtigkeit Pinder III [1940: 191], ‚deutsche Kunst kann undeutsch sein’[u -] Pinder I [1935: 30], deutsche Kunst ist Verwalterin des nordischen Empfindens Pinder II [1937: 36], ... 6.2.3 NATION + GESCHICHTE 6.2.3.1 Nominale und Nominalphrasen abendländische Entwicklung Fischer [1951: 510], [...] adliges Zeitalter Pinder I [1935: 240], Akkumulation des Kapitals Ullmann [1985: 9], „Allee“[u] des französischen Werdens Pinder I [1935: 303], allgemeine Volksentwicklung Schweitzer [1905: 706], allgemeinen Wendung der deutschen Geschichte Pinder III [1940: 339], 12 altdeutsche Auffassung Pinder III [1940: 125], ‚altdeutdeutsche Tugenden’ Warnke [1999: 13], alte Feudalordnung Ullmann [1985: 19], alte Traditionen der Heimat Lübke [1890: 357], ... 6.2.3.2 In Syntagmen entfaltete Propositionen alle deutsche Zivilisation im regen Verkehr mit Italien stärkt s. beständig an der antiken Tradition Dohme [1885: 118], alle Völker sind in den Wurzeln scheinbar ähnlich Dehio I [1919: 12], Antike ist Teil des Indogermanentums und in ihrem Blut nordischen Ursprungs Weigert [1942: 18], Balten und Slawen nehmen am wenigsten indogermanisches Blut auf Weigert [1942: 16], Bekehrung des Volkes vollzieht s. als langsamer Durchdringungs- und Durchmischungsprozess Klotz [1998: 49], Bewegung in Deutschland ergreift alle Gemüter Lübke [1890: 710], bürgerliche Zeiten sind immer zugleich Spätzeiten Pinder I [1935: 240], Bürgertum legt den Grund zu der hohen und freien Weltstellung Deutschlands in unserer Zeit Lützow [1891: 251], Bürgertum evolutioniert kapitalistisch Ullmann [1981: 11], Christentum kommt ins deutsche Land Schwander [1936: 12], das Land erhebt s. aus der Zerstörung Lübke [1890: 773], der Deutschen Vorfahren werden Staatschristen Pinder I [1935: 11], Deutsche verneinen s. auf geschichtlichem Wege unbewusst selbst Pinder I [1935: 6], deutsche Eigenart ringt s. durch Schweitzer [1905: 258], Deutsche durchbrechen mit ihrer geistigen Existenz das nationale Gehege Dehio III [1926: 12], Deutsche werden s. ihrer völkischen Einheit bewusst Schwander [1936: 22], deutsche Stämme bilden geschichtliche Einheit Feulner [1953: 8], deutsche Volkskraft drängt über die alten Grenzen hinaus Dehio I [1919: 205], ... 6.2.4 KUNST + GESCHICHTE + NATION 6.2.4.1 Nominale und Nominalphrasen abermalige geistige Blüte des nordischen Abendlandes Weigert [1942: 514], abgelebte fremde Kunst Dehio I [1919: 166], Absterben fast aller selbständigen Triebe der (Gattung) Bode [1885: 228], aktuelles Formengut Italiens Gebhart [2002: 77], allerälteste Bilderwelt Europas Dehio I [1919: 14], allgemeines Wollen der karolingischen (Gattung) Dehio I [1919: 48], „altdeutsche“[u] Kunst Pinder II [1937: 71], altdeutsche Kunst Barthel [1949: 67], alte Sehnsucht der Deutschen nach der Doppelchörigkeit Barthel [1949: 42], alter Kulturboden Janitschek [1890: 7], Aneignung der Vorbilder Fischer [1951: 63], Anfang der deutschen Kunstgeschichte Dehio III [1926: 8], Anfänge der deutschen (Gattung) Janitschek [1890: 3], Anfänge der deutschen Kunst Knackfuß I [1888: 1], Lindemann [1974: 7], Klotz [1998: 25], Anfänge der deutschen Kunst und Kultur Klotz [1998: 24], Anfänge der deutschen Kunstgeschichte Klotz [1998: 18], Anfängen der Künste in Deutschland Suckale [1998: 15], Anfangskunst der Germanen Dehio I [1919: 14], angeborene Formlosigkeit der Deutschen Dehio I [1919: 166], Anregungen des flandrischen Realismus Lübke [1890: 600], ... 6.2.4.2 In Syntagmen entfaltete Propositionen abendländische Kunst gelangt durch lange Mühen zu einer eigenen Form des Bildens Fischer [1951: 63], abendländische Welt wird gotisch Dehio II [21930: 18], abstrakte Malerei besitzt in Deutschland eigene 13 Wurzeln Klotz III [2000: 318], altdeutsche Kunst wird ins Herz getroffen Pinder III [1940: 181], Altdeutsches macht Selbstverwandlung in (Künstler) durch Pinder IV [1951: 101], alte deutsche (Gattung) besteht schlicht und gerecht fort Lützow [1891: 68], alte Niederländer schildern ihr gesundes Volksleben künstlerisch Lübke [1890: 943], alter Gegensatz zwischen germanischem und romanischem Geistestypus tritt neu in Form Dehio III [1926: 277], altgermanische Phantastik erwacht Lübke [1890: 237f.], Anfänge eines nationalen Stiles wurzeln in der höfischen Kultur des Hohenstaufenzeitalters Janitschek [1890: 165], antike Kunst erlebt späte Nachblüte auf deutschem Boden Knackfuß I [1888: 26], Antike ist zweite Mutter der deutschen Kultur Dehio I [1919: 59], Ansätze der Kultur entfaltet s. bei den Barbarenvölkern im Anschluss an die römische Entwicklung Dohme [1885: 29], Apenninen sind kunstgeschichtlich die wahre Grenze zwischen Deutschland und Italien Dehio I [1919: 131], Aufschwung nationaler Dichtung wirkt auf (Gattung) zurück Janitschek [1890: 105], ‚Ausbreitung der Renaissance vollzieht s. unter der Form einer von Süden nach Norden fortschreitenden Welle’[un –] Dehio III [1926: 209], ... 6.3. Textsemantische Verfahren – Strategien der Themaentfaltung 6.3.1 Deskription Mit deskriptiven Strategien der thematischen Entfaltung werden die Ausgangsobjekte der Kunstgeschichte, die Kunstwerke, ins Textuniversum integriert. 6.3.1.1 Stufen der Narrativierung Die Beschreibung hat dabei immer eine gewisse Tendenz zur Erzählung, also zur Vertextung eines Gegenstandes bzw. Zustandes als Handlung oder Vorgang. Das liegt an dem von Lessing im Laookon-Essay prägnant beschriebenen Phänomen, dass Sprache als in der Zeit ablaufendes Medium das natürliche Mittel zum Ausdruck von Ereignissen ist, während sie räumliche Gegebenheiten immer nur mittelbar, als Ausdrucksfunktion von Ereignissen darstellen kann. Titzmann nennt das „Temporalisierung“ bzw. „Narrativisierung“ (1990: 380). Durch die Vertextung eines Gegenstandes als Ereignis ist der erste Schritt von der Kunst zur Geschichte schon getan. Es lassen sich zwei Stufen unterscheiden, in denen das Kunstwerk als individuelles Denotat entfaltet wird: a) Vertextung der Bildbedeutung als Zustand Förster II [1853: 66f.]: [Arnolfini–Hochzeit:] In einem holzgetäfelten Zimmer steht ein Mann von 30 bis 36 Jahren in dunkelrotbraunen Pelzüberwurf, einen breitkrämpigen schwarzen Hut über dem blassen Gesicht. Er | hält in seiner Linken die ‚Hand einer jungen blühenden Frau, so daß er im Begriff ist, mit der Rechten den Handschlag zu geben. Die Frau (oder Braut) trägt einen 14 grünen Pelzmantel mit langer Schleppe, ein blaues Kleid, davon die Aermel sichtbar, einen weißen Frauenschleier über dem Kopf und Ringe an den Vordergliedern der Finger. Am Boden steht ein Bologneserhündchen und ein Pantoffel! b) Handlungsevokation Janitschek [1885: 355]: Durch schaurige Örtlichkeit, in dunkler Bergschlucht zieht der Ritter hin; der Tod reitet nebenher und hält die Sanduhr vor, der Teufel läuft hinterdrein – der Ritter aber verlacht Tod und Teufel. Ruhig reitet er fürbaß; sein tapferes Herz, sein franker, freier Mut, die Begleiter guten Gewissens, lassen ich die Schrecken verachten, mit welchen zage Geister geknechtet werden. 6.3.1.2 Betrachtereinbezug Eine häufige Strategie der Beschreibung ist der Einbezug des Betrachters/Lesers in den Beschreibungstext im Deiktikum wir, mit welches auf die Kommunikationsgemeinschaft Autor/Leser – Betrachter/Mitbetrachter referiert wird. (Vgl. Gross 2000) Lübke [1890: 622]: Dahin gehört der Ritter mit Tod und Teufel vom Jahr 1513. Wir sehen einen gewaffneten in der vollen Rüstung der Zeit durch einen dichten Wald reiten, dessen Schrecknisse durch die unheimlichen Gestalten des Todes und des Teufels noch vermehrt werden. Aber unerschrocken und furchtlos reitet der Tapfere, in dem man wohl den Gesinnungsgenossen eines Sickingen und Hutten erkennen mag, seines Weges fürbaß. 6.3.1.3 Produktionsnachvollzug Die Kluft zwischen zeitlicher Verfasstheit der Sprache und räumlicher Konstitution des Kunstwerks kann aber auch überbrückt werden, indem der beschreibende Autor dem Künstler gleichsam über die Schulter blickt und das Kunstwerk als das Ereignis seiner Produktion vertextet. Förster II [1853: 308]: Oft hat Dürer bei der Randverzierung nichts gethan, als die betreffende Heiligengestalt zwischen arabeskenartig verschlungene Blätter und Blumenranken zu stellen und ein Vögelchen oder sonst etwas Lebendiges hinzuzufügen. Häufiger aber führt er den Gedanken weiter oder springt ganz von ihm ab. Gedenkt das Gebet der Hinfälligkeit menschlicher Natur, so zeichnet Dürer einen Arzt an den Rand, der das Wasser besieht, über ihm hängt eine todte Ente, unter ihm nascht ein Häschen – das ist der Kranke – Trauben – nehmlich Saft, ist es gegen die Mächtigen der Erde gerichtet, so läßt es einen König auf seinem Triumphwagen von einem Bocke ziehen, den ein Liebesgott auf dem Steckenpferd am Barte leitet, während über ihnen in stiller Größe Christus steht und Michael den Satan bezwingt. 15 6.3.1.4 Zusammenbindung von Konkreta und Abstrakta in der Beschreibung Die Integration verschiedener Grade der Spezifizierung von Konzepten ins Textuniversum ist ein zentrales Gestaltungsmittel der Kunstgeschichten (vgl. 6.3.2). In der folgenden Passage wird das individuelle Referenzobjekt als Schauplatz der Handlung exponiert, die durch agentivierte Abstrakta getragen wird: Dohme [1885: 350f.]: Freilich der niederländische Geist vermählt sich in Heidelberg [im Schloss] mit jener Dekorationslust und –willkürlichkeit, welche die deutsche Frührenaissance charakterisieren. Das Drängen und Häufen der Formen, diese gärende Unsicherheit, welche phantastisch Willkürliches und klassizistisch angehauchte Motive untereinander mischt, findet aber nur an der Front statt. In den Gliederungen des Inneren, soweit sie | erhalten, herrscht Anmut und Klarheit. Anhand einiger syntagmatischer Formulierungsmuster lässt sich das Prinzip der Zusammenbindung von Konkreta (K) und Abstrakta (A) als mikrostrukturelle Organisationsform komplexer Konzepte beobachten: K Ausdruck von A sein Varianten: A in K seinen Ausdruck finden A an K zum Ausdruck gelangen A in K (seinen) Ausdruck gewinnen K A zum Ausdruck bringen Lützow [1891: 85]: Der Nürnberger Bürgersohn Dürer dagegen hängt mit unwandelbarer Innigkeit und Treue an der Heimat, so rauh sie ihm auch erscheint in dem sonnigen Süden, ein so rastloser Drang nach allem Neuen und Weiten auch seine Seele füllt; er ist der schlichteste, tiefste Ausdruck der deutschen Eigenart und Denkungsweise. Vgl. Falke [1888: 55], Lübke [1890: 21, 159, 260, 712], Luckenbach [1926: 109f], Feulner [1953: 145]. K A atmen Dehio III [1926: 68): Schon der erste selbständige Entschluß für seine Bildung war eine Reise nach Italien: aber noch sein letztes Werk atmet im tiefsten ein durchaus unrenaissancemäßiges, nordisches Weltgefühl. Vgl. Lübke [1890: 45], Lübke [1890: 370f.], Feulner [1953: 595f.). 16 A s. an / in K äußern Lübke [1890: 312]: Der Trieb dieser großen Epoche, alles künstlerisch zu gestalten und das ganze Kirchengebäude harmonisch durchzubilden, äußert sich endlich auch an der Bekleidung der Fußböden. Klotz [1998: 86): In den Künsten äußerte sich die ottonische Renovatio Romae bereits in der von Otto I. neu gegründeten Magdeburger Bischofskirche. Feulner [1953: 291). A in K seinen Höhepunkt finden Gebhart [2002: 32]: Nach Laon und Notre-Dame in Paris fand die Entwicklung mit den Kathedralen von Chartres (ab 1194], Reims (ab 1211) und Amiens (ab 1220) ihren klassischen Höhepunkt. Vgl. Luckenbach [1926: 109f.], Ullmann [1985: 178). All diese in Syntagmen entfalteten Prädikationen bestehen aus einem aktivischen Prädikator, das jeweils ein Konkretum und ein Abstraktum zusammenbindet. In diesen Prädikationen können nun zwei Konzepte zusammengebunden werden, indem das eine als Spezifizierung des anderen konzeptualisiert wird: Werk Dürers [Konkr. – KUNST] – nordisches Weltgefühl [Abstr. – NATION] Bekleidung der Fußböden [Konkr. – KUNST] – Trieb der Epoche [Abstr. – GESCHICHTE] Kathedralen [Konkr. – KUNST] – Entwicklung [Abstr. – GESCHICHTE] Dieses Bauprinzip ist bezeichnend für den Aufbau der Sinnwelt GESCHICHTE DER DEUTSCHEN KUNST in der Mikrostruktur: Individuelle/generische Konkreta aus dem Rahmen KUNST werden als Spezifizierungen von NATION und GESCHICHTE konzeptualisiert. Damit werden gleichzeitig vorgeprägte Prädikationen des einen Konzeptes auf das andere übertragen. Auf diese Weise zustande gekommene Prädikationen erscheinen an anderer Stelle dann wieder explizit. Diese nenne ich Kreuzprädikationen: Z. Bsp. außerdiskursiv vorgeprägte Prädikation3: Deutsche sind treu. Übertragung auf das Konzept KUNST: Bode [1885: 110]: so scheuen sich die deutschen Künstler selten vor der treuen Nachbildung der Natur. Lübke [1890: 602]: [Dürer, Portrait der Mutter:] Es ist ein treues, frommes Gesicht. 3 Zu den im Germanen-Diskurs vorgeprägten Prädikationsmustern des Konzeptes Nation im Deutschland des 19. und 20. Jahrhunderts vgl. vor allem von See 1994, Kipper 2002. 17 außerdiskursiv vorgeprägte Prädikation: Deutsche sind tiefsinnig und innerlich. Übertragung auf das Konzept KUNST: Bode [1885: 111]: Diese Tiefe der Empfindung in den Bildwerken [...] ist ein treuer Ausdruck der Blüte des deutschen Bürgertums. Lübke [1890: 634f.]: Wenn manches auch in seinem [Dürers] Werken eine gewisse herbe männliche Sprödigkeit verräth, so ist andererseits die Tiefe und der Reichthum seines Geistes, [...] von einer Macht, wie wir sie in keinem andern Künstler finden. Schweitzer [1905: 467]: Er [Adam Elsheimer] verbindet mit großem Schönheitssinn echt deutsche Innerlichkeit und gemütvolle Auffassung. Lützow [1891: 12]: Beim Durchmustern der Hunderte von Blättern der deutschen Meister des hier geschilderten Zeitalters wird uns nur selten der Strahl ungebrochener Schönheit und Grazie treffen, obwohl in der beseelten Stichelführung selbst oft ein eigener Zug von Anmut liegt. Tiefe des Gemüts, Kraft und Lebendigkeit müssen uns für den Mangel an formaler Schönheit entschädigen. ... In einem weiteren Schritt werden diese Kreuzprädikationen präsupponiert. Es ist dann eine Eigenschaft von Kunstwerken, deutsch zu sein. Diese evaluative Prädikation deutsch funktioniert nur deshalb, weil deutsch offensichtlich die vorgeprägten Prädikatoren Tiefsinn, Treue, Männlichkeit, Kraft etc. hier impliziert und diese wiederum als topikalisierte Kontexte (vgl. Konerding 2003) eine bestimmte Klasse von Kunstwerken indizieren. So sind in den Syntagmen a)–d) deshalb im Textgefüge zu verstehen, weil die Prädikation deutsch sein eine Klasse von Kunstwerken indiziert, zu denen etwa die Werke Albrecht Dürers, aber auch die Werke Goethes4 gehören und deren Prädikation als tiefsinnig, männlich, treu etc. schon vorausgesetzt wird, an die aber wiederum bestimmte stilistische Merkmale gebunden sind: a) Wandgemälde des Doms zu Brixen tragen deutschen Charakter Lübke [1890: 409], b) Medaillen sind in eigentümlicher spezifisch deutscher Weise ausgebildet Lübke [1890: 533], c) Altar zu St. Wolfgang [hat] grunddeutschen Charakter, [obwohl] manche Köpfe [...] mit südlichem Blut erfüllt [sind] Lübke [1890: 597], d) Dom zu Regensburg zeigt deutschen Charakter Lübke [1890: 353], 6.3.1.5 Zustands-, Epochen- und Konstellationsbeschreibungen Nicht nur individuelle Kunstwerke werden beschreibend in das Textuniversum integriert, sondern auch Zustände, Epochen, Konstellationen, Völker und allgemeine Kunstprinzipien. Dazu werden diese abstrakten Gegebenheiten entweder als zu beschreibende Gegenstände [Semantische Rolle: Deskriptiv] oder als erfahrende Individuen [Semantische Rolle: Die Kollokationen Dürer – Goethe sind in den Texten Janitschek [1885:], Dehio III [1926], Pinder II [1937], Weigert [1942], Fischer [1951: 224) nachgewiesen und korrelieren mit dem nationalpädagogischen Paradigma innerhalb des Diskurses. 4 18 Experiens] konzeptualisiert. In solchen abstrakten Beschreibungen werden ohne epistemische Abtönung interpretative Propositionen geäußert, die aber als objektive historische Gegebenheiten vertextet sind. Daher gehören solche Entfaltungsmuster zu den eigentlich geschichtskonstruktiven Passagen (vgl. 6.3.3.1.3). Dohme [1885: 408]: Während Italien im allgemeinen in dieser Periode die turmlose Fassade liebt, bevorzugt Deutschland, unverkennbar unter der Nachwirkung des mittelalterliches Kathedralbaues, die zweitürmige Front. Dehio I [1919: 308]: Hinter der Vielfalt der Künste liegt, durch sie verhüllt und von uns gesucht, die Kunst, die Einheit des künstlerischen Bewußtseins, die der Gesamtproduktion eines Zeitalters das Gepräge gibt. 6.3.2 Narration Kennzeichen narrativer Entfaltungsstrategien ist die „temporale Sequenzierung“ (Lötscher 1991: 83) des Denotats. Der vertextete Gegenstand wird als Vorgang oder Handlung konzeptualisiert. Dementsprechend ist das Argument der Makroproposition einer narrativen Passage entweder als Agens einer Handlung oder als Patiens eines Vorgangs vertextet. 6.3.2.1 Das Zusammenspiel von Individuum, Klasse und Abstraktum im erzählten Text Es finden sich drei Klassen von Topics: generische (die romanische Basilika), abstrakte (die Kunst, das Deutschtum) und individuelle (Albrecht Dürer). Diese können erstens jeweils als Agens oder Patiens vertextet sein und zweitens zum Vorantreiben der Handlung miteinander verknüpft sein. Auf Ebene der Textontologie erscheinen so Personen, Klassen von Gegenständen, Völker und Epochenstile als gleichberechtigt Handelnde, die miteinander kooperieren, einander beeinflussen und so gemeinsam die Handlung vorantreiben, so wie in der Passage bei G. Dehio, die mit dem individuellen Denotat Holbein beginnt, über das generische Hyperonym Menschen deutschen Blutes und das agentivierte Abstraktum Strom der Geschichte schließlich in die Nominalgruppe Erstarken des Barock mündet: Dehio III [1926: 175): Holbeins weiträumig angelegter Geist bezeichnet die äußerste Grenze, bis zu welcher einem Menschen deutschen Blutes ein Eingehen auf südliche Formenwerte möglich war. In der Generation nach ihm breitete sich das Wissen von der Außenseite der Renaissance noch aus, aber es war nur die Schale, die erfaßt wurde, nicht der Kern; wir sehen nichts von einer Zunahme an Renaissancegesinnung. [...] Die vom Strom der Geschichte angeschwemmte Oberschicht der Renaissanceformen wurde alsbald durchbrochen von den aus der Grundschicht aufsteigenden Quellen. Dieselben ruhten nicht, bis sie das Fremdgut entweder zurückwarfen oder aus seiner aufgelösten Substanz einen neuen Körper bildeten. Jedenfalls: 19 ein Sieg der Renaissance war das Endergebnis nicht. Es war das Erstarken einer entgegengesetzten Richtung, des Barock . Durch die Agentivierung von Konkretisierungen unterschiedlichen Grades des Konzeptes KUNST wird in der Textontologie die figurale Grundkonstellation der kunsthistorischen Handlung geschaffen. Regelhaft erscheinen Individuen (Albrecht Dürer), Gattungen (Malerei), Epochen (Renaissance) und abstrakte Etikette (Kunst) in Agensposition: Suckale [1998: 234]: 1491 kam der Nürnberger Malergeselle auf seiner Wanderschaft nach Colmar., um sein Vorbild Martin Schongauer kennenzulernen, der jedoch kurz zuvor gestorben war, so daß er nur dessen Brüder antraf. Dürer hielt sich dennoch einige Zeit am Oberrhein auf (Abb. 81) und ergänzte seine Lehrzeit noch, indem er als einer der ersten deutschen Künstler eine Studienfahrt nach Venedig unternahm. Ullmann [1981: 219): Die böhmische Tafelmalerei erweiterte und differenzierte im 14. Jahrhundert ihre Funktion, ihre Bildtypen, ihre Themen und ihre stilistischen Mittel. Förster III [1853: 5] Die Kunst, durch die Strömung der Zeit aus der engen Verbindung mit der Kirche gerissen, sah, ihres bisherigen Rückhalts beraubt und nicht mehr erwärmt von den Ideen der Vorzeit, die in die Ferne und unter dem Einfluß des Welt-Lichtes allmählich erbleichten, ihre bisherigen Kräfte schwinden, ohne an deren Stelle für die neuen Aufgaben sogleich neue in Bereitschaft zu haben. 6.3.2.2 Agentivierungen als Instrument der Nationalpädagogik Ein besonderer nationalpädagogischer Impetus5 wird durch die Agentivierung des Konzeptes Deutschland sind wir, also durch die konzeptdeiktische Fassung des Konzeptes NATION, erreicht. In der Passage bei Pinder wird die Isotopiekette wir – wir – Deutschland als Handlungsträger implementiert und Italien/Europa als Benefaktiv/Nutznießer der Handlung etabliert: Pinder I [1935: 20]: Im 13. Jahrhundert, als wir eine von Italien noch gar nicht geahnte Großkunst schufen (gemeinsam mit Nordost-Frankreich, also aus den menschlichen Kräften des mittleren karolingischen Raumes), waren wir sowohl zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Um 1400, gelegentlich schon vorher, wird ein mächtiger Aufstieg deutschen Einflusses unverkennbar. Zweihundert Jahre vor Michelangelo hatte Deutschland Europa die plastische Pietà geschenkt. In einer Zahl, von der wir erst neuerdings langsam einen Begriff gewinnen, sind diese deutschen Vesperbilder von den Italienern eingeführt worden. Deutschland/wir, Italien, Nordost-Frankreich und auch Michelangelo in der Präsupposition Michelangelo hat eine plastische Pietà produziert erscheinen dabei als gleichrangige Figuren. Auf diese Weise finden sich alle, die sich als Referenzgröße von wir sehen, also die deutsch 5 Zum Terminus nationalpädagogische Texte als Klasse von Sprachgeschichten vlg. Leyhausen (2003). 20 sich empfindenden geneigten Leser, allein Kraft ihres Deutschseins Auge in Auge mit der genialen Ausnahmeerscheinung Michelangelo wieder. Bemerkenswert ist weiterhin, dass zwar einerseits in der Verbsemantik und der temporalen Sequenzierung eine Entwicklung indiziert wird, andererseits aber in der zum Verständnis nötigen Gleichsetzung von wir Deutschen mit wir Heutigen die zeitliche Dimension auf inferenzieller Ebene wieder desavouiert wird und damit als Makroproposition zwar ein Ereignis, aber kein geschichtlicher Vorgang im Sinne eines Entwicklungsprozesses bleibt: >Wir haben den Italienern und Europa die plastische Pietá geschenkt.< Wichtig dabei ist nicht die Änderung eines historischen Zustandes sondern die im Ereignis exemplifizierte Prädikation des Konzeptes DEUTSCHLAND SIND WIR. Die Geschichte ist hier gleichsam nur dazu da, uns nach und nach die uns zustehenden Prädikate zukommen zu lassen. Das in der Agentivierung abstrakter Spezifizierungen des Konzeptes NATION liegende nationalpädagogische Potenzial wird schließlich in der Kunstgeschichte von Hans Weigert auf die Spitze getrieben, indem die Denotationsbewegung vom generisch gebrauchten Nominal die Germanen zum Abstraktum der Norden führt, dieser andererseits aber in immer individualisierendere Prädikationsgefüge eingebaut wird, so dass schließlich der Norden mehr mit einem betrunkenen Dorfdichter als mit der Himmelsrichtung gemein hat: Weigert [1942: 32): Die Germanen haben der ihren das sich bewegende, kämpfende Tier als Inhalt gegeben, und neben den vielen Tierornamenten, die es zumal in Asien gab, haben sie das ihre mit dem heißesten Leben erfüllt. Es gibt in der Kunst der ganzen Welt keine Formen mehr, die eine solche Kraft und Aktivität hätten wie das jagende Ornament jenes Beschlages oder das sausend rotierende des Wirbels der Abbildung oben. Mit unheimlicher Klarheit offenbart diese Zierform, wie in die Prägnanz einer Formel gepreßt, was Spengler die „faustische Seele“ des Nordens genannt hat. Wie dieser Rhythmus ist der Norden stets über sich hinaus getrieben, räumlich von Land zu Land, von Ferne zu Ferne, geistig von Aufgabe zu Aufgabe. Er erreicht Ziele nur, um sich neue zu setzen. Er bekennt sich geschlagen, wenn er „zum Augenblicke sagt: Verweile doch“. 6.3.3 Erlebte Rede Eine Strategie, die den Leser mit der Geschichte identifiziert, ist der ‚versetzte’ Gebrauch von Zeitdeiktika jetzt und nun. Damit werden die Standpunkte von Äußerer und Leser in das Textuniversum hinein an den gerade erzählten Zeitpunkt versetzt, indem aus der Zeitperspektive der Erzählung heraus erzählt wird. Es bietet sich dafür der literaturwissenschaftliche Terminus ‚erlebte Rede’ an. Einen ähnlichen Effekt hat der uneigentliche Gebrauch des Temporaladverbs plötzlich: Schweitzer [1905: 548]: Auch in der deutschen bildenden Kunst fängt es sich jetzt an zu regen und wir sehen zwei Strömungen miteinander ringen, eine realistische Richtung, die ihre Vorbilder 21 in der Natur sucht und findet, und eine klassizistische, die das Ziel der Kunst nur in der Anlehnung an die klassische Kunst der Griechen zu erreichen glaubt. Lindemann [1974: 36): Die Kirchenwand, in romanischen Zeiten ein Schutzwall gegen das Böse, wurde plötzlich aufgerissen durch riesige Fensteröffnungen. 6.3.4 Metadiskursives Erzählen Besonders in jüngeren Diskursbeiträgen findet sich die Strategie des metadiskursiven Erzählens, bei dem Geschichte nicht mehr als direkte Textbedeutung konzeptualisiert wird, sondern nur noch intertextuell abgetönt als mittelbares Denotat im Reden über Geschichte erscheint. Die Diskursreferenz6 kann dabei ungerichtet (a) oder gerichtet (b) sein: a) Warnke [1999: 70): Es ist üblich, an den Anfang einer Geschichte der deutschen Malerei des 15. Jahrhunderts eine Gruppe von drei Künstlerheroen zu setzen: Lukas Moser, Hans Multscher und Konrad Witz. Ihnen wird eine stilgeschichtliche Wende zugeschrieben, die, Anstöße aus den Niederlanden aufgreifend, die deutsche Kunst der Neuzeit entgegengeführt hat. b) Gebhart [2002: 76]: Der Begriff der Renaissance wurde um 1550 von dem italienischen Maler, Architekten und Theoretiker Giorgio Vasari für Italien entwickelt. „Rinascimento“ bedeutete für ihn die Wiedergeburt der Künste nach dem dunklen Mittelalter aus dem Geist der Antike. Die Mittel hierfür waren Komposition, Perspektive, Proportion und vor allem die genaue Zeichnung. Bis zu Jacob Burckhardts Buch „die Kultur der Renaissance in Italien“ [1860) bezog sich der Begriff immer auf italienische Kulturformen. Seitdem gab es Versuche (Erwin Panofsky, Die Renaissancen der europäischen Kunst, dt. 1979), den Begriff erheblich zu erweitern: [...]. 6.3.5 Metaphorische Deutungsrahmen Ein den Diskurs prägendes Mittel der narrativen Entfaltung ist das systematische aufeinander Beziehen von konzeptuellem Rahmen und metaphorisch bestimmtem Deutungsrahmen (vgl. Demandt 1978, Donati 2001). Konzeptuelle Metaphern, wie sie von Lakoff/Johnson (1980) beschrieben worden sind, bilden den Rahmen, in dem die verschiedenen Basiskonzepte integriert werden. Die wichtigsten dieser metaphorischen Deutungsrahmen sind: Kunst ist eine Pflanze [Implikation: Geschichte ist Wachstum] Janitschek [1885: V]: Ergab es sich doch, daß die Geschichte der Federzeichnung die Geschichte des nationalen Stils im Mittelalter bedeute, daß seine Keime schon im karolingischen Zeitalter nachweisbar sind, daß sein ungestörtes Wachstum ihn dann von der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts an fähig machte, das einzig zureichende Ausdrucksmittel der mächtig 6 Vgl. dazu Heinemann (1997), Steyer (1997). 22 hereinbrechenden neuen Stoffwelt zu werden, für welche die in der Deckmalerei fortvegetierende, aber ganz entartete antike Formensprache keine Darstellungsmittel mehr bot. Dehio I [1919: 194]: Wir sehen am Stamm der deutschen Kunst nur die autofokulierten Blüten, nicht die ihnen die Nahrung zuführenden Wurzeln. ... Nation ist eine Pflanze [Implikation: Geschichte ist Wachstum] Dehio I [1919: 12]: Dennoch muß der Keim auch dazu, in den untersten Schichten des Bewußtseins verborgen, schon ursprünglich vorhanden gewesen sein. Die Eigenart eines Volkes zeigt sich nicht in den Wurzeln, wo alle Völker scheinbar einander ähnlich sind, sondern in der Krone und den Blüten. Kunst ist Wasser [Implikationen: Geschichte ist ein Fluss, Kunstgeschichte fließt von Ort zu Ort; daran anschließend die Ausdrucksprägung fremde/ französische/äußere Einflüsse] Janitschek [1885: 87]: Die ottonische Malerei hatte den Stil und die Formensprache der karolingischen Kunst übernommen; doch wenn sie auch vielfach, namentlich in ornamentaler Beziehung, aus dem karolingischen Formenschatz unmittelbar schöpfte, so fand sie doch auch immer wieder den Weg zu der ursprünglichen monumentalen Quelle: zur altchristlichen Kunst. [...] Selbst da, wo man byzantinische Vorbilder auf sich wirken ließ, entlehnte man nicht sklavisch, sondern übertrug sie in die abendländische Formensprache. Jetzt nun aber hörte man auf, aus diesen unmittelbaren Quellen zu schöpfen. Dehio I [1919: 222]: Unter diesen teils durch die logische Problementwicklung, teils durch historische Zufälle bedingten Wandlungen liegt als unveränderliche Unterströmung jenes Etwas, das wir das deutsche Kunstwollen nennen. Dehio I [1919: 310]: Die byzantinische und die französische Einströmung kamen nicht nur aus verschiedenen Himmelsrichtungen, sehr verschieden war auch die Art ihrer Ausbreitung. Die französische erscheint in scharf begrenzten Kanälen Dehio II [21930: 59]: [Baiern] Von der gotischen Woge gelangten nur versprengte Spritzer hierher. Fischer [1951: 519): Diese Quellen sprudeln auch weiterhin und haben im 20. Jahrhundert ganz neue Ströme der visuellen Vorstellung, wie sie sich mit dem Begriff des Expressionismus und anderen Ausdrucksformen verbinden, gespeist. Barthel [1949: 111): Der breite Strom der schöpferischen Begabungen ist um 1550 versiegt. Geschichte ist ein Weg [Implikation: Kunst schreitet voran] Dehio III [1926: 418): Den Weg, den die deutsche Kunst seither gegangen ist, zu verfolgen, zu kritisieren oder gar die Zukunft erraten zu wollen, ist unsere Sache nicht. Geschichte ist ein Weg von oben nach unten [Implikation: Kunst steigt immer höher; affizierter metaphorischer Deutungsrahmen: Wahre Kunst ist oben] Bode [1885: 235]: Während in Frankreich gleichzeitig das Zeitalter Ludwigs XIV. namentlich für die Entwicklung der bildnerischen Thätigkeit eine neue und, wenn auch nicht die bedeutendste, so doch die glänzendste Epoche der französischen Plastik heraufführte, [...]Falke [1888: 142]: Selbst der Nürnberger Peter Vischer, der mit seinem Sebaldusgrab in der 23 gleichnamigen Kirche seiner Vaterstadt sich in den Rang wirklicher Künstler emporgeschwungen hatte, war aus diesem Gewerbe [Bronzeschmiedekunst] hervorgegangen, und seine Söhne blieben darin. Geschichte ist eine Berg- und Talfahrt [Implikation: Mit der Kunst geht es auf und ab] Lützow [1891: 248]: Gewöhnlich wenn die Kunst ihren Höhepunkt erstiegen hat, sucht sie den Weg zu einem neuen Gipfel durch die Erweiterung ihrer Technik. Kunst ist ein Gefäß [Implikationen: Kunst hat eine Innen- und Außenseite, Manche Kunst ist künstlerischer als andere] Dehio III [1926: 173): War war das Los der Kunst in solcher Zeit? Es sieht nicht so aus, als ob sie glückliche Antriebe aus ihr empfangen haben könnte. Dennoch kann man nicht sagen, daß die bildende Kunst in Verfall geraten wäre. Ihr äußeres Aussehen war noch sehr blühend. [...] Das verhängnisvolle Aber war: hinter der stattlichen, ja üppigen Außenseite stand eine große innere Leere. Lindemann [1974: 86): Die gesamte deutsche Kunst des Mittelalters ist angefüllt mit Zeichen heidnischer Dämonenfurcht; die in Stein gehauenen Tierbilder an den Außenwänden romanischer Bauten sollten die Dämonen bannen, indem sie regelrecht an den Stein gefesselt wurden. Kunst ist ein politisches Gebilde [Implikationen: Stile und Gattungen sind politische Akteure, Geschichte ist ein Kampf um Macht] Dehio I [1919: 218]: Es ist gebräuchlich, den Baustil dieser Epoche Übergangsstil zu nennen. Man tut es im Hinblick auf das Schlußergebnis, welches die vollendete Herrschaft des gotischen Stils war. 6.3.3 Argumentation Das Argumentieren als metapropositionale Strategie ist am Aufbau der Textontologie nur mittelbar beteiligt. Argumentativ werden eigene Äußerungen bekräftigt, indem zwei oder mehrere Propositionen in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden. Als Strategie die auf der Bewusstmachung der Kommunikationsgemeinschaft zwischen Autor und Leser, auf der Referenz auf Vortexte basiert und präsumtiv auf mögliche Nachtexte eingeht, ist die Argumentation das Mittel zur intertextuelle Kohäsionsbildung im Diskurs. 6.3.3.1 Präventives Argumentieren 6.3.3.1.1 Einfache Durchführung nach dem Toulminschen Schema. Die Schlussregel bleibt meist unrealisiert. (Schlussfolgerungen sind jeweils unterstrichen.) a) Beschreibung (Schlussfolgerung, These) wird mit Erzählung (Argument) begründet Knackfuß I [1888: 195]: Vielfach wurde er [der Spitzbogen] auch in ganz äußerlicher Weise, bloß 24 um seiner wirksamen Erscheinung willen angebracht, und es ist sehr wohl denkbar, daß er in einzelnen Fällen ganz unabhängig von der französischen Kunst in Deutschland Eingang fand; mancher kunstverständige Mann, der in den Kreuzheeren ritt, mag von den morgenländischen Spitzbogenbauten die Anregung empfangen haben, in der Heimat diese Bogenform zur Anwendung zu bringen, die dem neuerungslustigen Sinne der Zeit ebenso zusagte, wie der Kleeblattbogen und andre aus dem fernen Osten mitgebrachte fremdartige Formen. Daher ist die Bezeichnung Über gangsstil , welche man der spitzbogig romanischen Architektur zu geben pflegt, nur in beschränktem Sinne zutreffend. Denn ihrem eigentlichen Wesen nach blieb diese Architektur bis zuletzt, bis zu dem Zeitpunkte, wo sie der zu völlig klarer Eigenart ausgebildeten Gotik das Feld räumen mußte, durchaus romanisch, und nur in vereinzelten Fällen finden wir in Deutschland Bauten, welche die Stellung von Zwischengliedern zwischen dem einen und dem andern Stil einnehmen und daher einen wirklichen Übergang bezeichnen. b) Beschreibung (Schlussfolgerung, These) wird mit Beschreibung (Argument) begründet Lübke [1890: 625]: Daß er [Dürer]auch einfache Scenen der Wirklichkeit mit liebevollem Interesse zu schildern wußte, beweist der Dudelsackpfeifer und das tanzende Bauernpaar (Fig. 497], beide von 1514, der Marktbauer mit seiner Frau von 1512 und manches andere Blatt. 6.3.3.1.2 Präsumtives Einbeziehen möglicher Folgeäußerungen in Nachtexten. Referenz auf die Kommunikationsgemeinschaft von Autor und Leser mit dem Deiktikum wir. Feulner [1953: 143): Mit der Annahme der symbolischen Reihe, der Betonung des Inhaltes, der Lehrhaftigkeit, war von selbst verbunden die Entwertung der Einzelfigur. Der eigentliche Inhalt der formalen Entwicklung ist in der ritterlichen Spätzeit die Entwertung des organischen Körpers. Das klassische Gleichgewicht wurde jetzt aufgelöst, die Kontraste wurden verschleiert vom Parallelismus, die klassische Differenzierung und Gliederung wurde vereinfacht, der Ausdruck wurde neu variiert, in der Architektur ebenso wie in der Plastik. [A] Welches sind die Ursachen? Inhalt der Entwicklung war nicht nur ein Verzicht. So einseitig darf man die Entwicklung nicht sehen, Thema der klassischen Gestaltung wurde wieder die Gewandfigur, weil die irrationale Sprache der Linien und Formen, der Absicht der Verfeinerung, Vergeistigung, Entrückung und Steigerung der Gestalt entgegenkam. Es ist kein Zufall, daß das wichtigste plastische Thema jetzt die Ma|donna wird, [...]. An der Marienfigur werden wir die Wandlungen der Auffassung am besten sehen. Lindemann [1974: 161f.): Wir stehen heute diesem Realismus, wie ich Leibl verstand, etwas befremdet gegenüber. Durch eine perfektionierte Photographie erscheint uns eine wirklichkeitsgetreue Malerei überflüssig. Nach der Begegnung mit penetranter „Blut-und-Boden-Kunst“ empfinden wir jetzt die schlichten, bäuerlichen Gestalten Leibls als leicht suspekt. Dabei müssen wir uns vor Augen halten, daß Leibl einen der ersten mutigen Versuche unternahm, die Malerei aus 25 der Abhängigkeit von der Philosophie, der Literatur und Historie zu lösen. Gegenstände und Figuren sind auf seinen Bildern reine Anschauungsobjekte, ihre Ausstrahlungskraft liegt allein im Künstlerischen | begründet. Indem er die Bildgeschichte zugunsten der reinen Bildform aufgab, hat er sich von einer bildnerischen Tradition gelöst, der sich die gesamte abendländische Malerei seit ihre ersten Anfängen verpflichtet hatte. Warnke [1999: 453): Der Leser mag sich gefragt haben, ob die Beschäftigung mit der Kunst der Zeit ohne weiteres die Aufklärung ausklammern muß oder darf; ob man sich also, wenn von Rocaille und Rokoko, von Fêtes galantes und Idyllen die Rede ist, ausschließlich in den Genußregionen des Ancien régime bewegt, fern aller aufgeklärten Regung. Wenn die Ästhetik Baumgartens der Aufklärung angehört und ihr Anteil an derselben darin besteht, daß die sensitive Erkenntnis und Wahrnehmung eine neue Anerkennung erfährt, dann darf man die Künste der Zeit als einen Nährboden einer solchen Erweiterung des Denkens um die Empfindung ansehen. 6.3.3.1.3 Vertextung des geschichtskonstruktiven Denkvorgangs mit unterschiedlich Modi und Graden der epistemischen Abtönung. Explizierung kommunikativer Handlungsabsichten. Lübke [1890: 597]: Dies Alles und die starken Anklänge an italienische Kunst, die übrigens den grunddeutschen Charakter nicht alteriren [sic!], deutet darauf, daß die Schnitzwerke des Altares von ganz anderer Hand sind als die Gemälde. Dohme [1885: 10]: Was bewog Karl zu Wahl des Zentralbaues, während doch die Hauptkirchen der Christenheit in Rom sämtlich Langhausbauten sind? Sollte die Anlage von San Vitale Karls besonderes Interesse geweckt haben? oder sollte ein beabsichtigter Anschluß an die Hagia Sophia, die große Hofkirche des oströmischen Kaisertums, vorliegen? sollten etwa die zahlreich erhaltenen römischen Grabbauten, namentlich die des Augustus und Hadrian, aus neuerer Zeit der des Theoderich ihn veranlaßt haben, für die eigene Grabeskirche ebenfalls die Rundform zu wählen? – Vielleicht wirkte alles zusammen! [Kleinschreibungen: sic!] Feist [1986: 7f.): Die Autoren sehen in der Geschichte der deutschen Kunst einen unverzichtbaren Bestandteil der Nationalgeschichte. Sie wollen am Ausbau des Geschichtsbildes und Geschichtsbewußtseins teilnehmen, das sie die Menschen in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft auch als eine Orientierung in die Zukunft hinein schaffen, und zu einem lebendigen Umgang mit künstlerischem Erbe beitragen. 26 6.3.3.1.4 Beschreibende/Erzählende Vertextung von Kausalität Es wird nicht im strengen Sinne argumentiert, wenn historische Kausalität beschreibend bzw. erzählend vertextet wird (vgl. Eggs 2000). In solchen Fällen wird die kausale Relation zwischen zwei Propositionen nämlich nicht explizit in den Diskurs eingebracht, sondern vielmehr als objektive historische Gegebenheit konzeptualisiert. Passagen, denen solche Strategien zugrunde liegen, lassen sich als geschichtskonstruktive Passagen (vgl. 6.3.1.5) oder „historische Erklärungen“ im Sinne Dantos (1980: 371ff.) beschreiben. Dohme [1885: 121]: Der Deutsche ist nicht neuerungssüchtig; nur langsam findet fremdes Wesen Eingang bei ihm. Dann freilich haftet es um so zäher, wird ihm ein Teil seiner Eigenart. So bewegt sich die deutsche Architektenwelt des zwölften Jahrhunderts auch noch lange unbekümmert um das, was jenseits der Ardennen sich vollzog, im alten Geleise weiter. Dohme [1885: 130]: Der romanischen Baukunst war die Harmonie zwischen Konstruktion und Dekoration, das Fundament jeder gefundenen Tektonik, abhanden gekommen. Denn die jetzt herrschende Dekoration ist auf anderen konstruktiven Voraussetzungen erwachsen, als sie der deutsch-romanische Stil bietet. Weil ihr aber so der Zusammenhang mit den konstruktiven Zielen fehlt, schweift sie ins Barocke ab d.h. sie ist auf dem Wege des Verfalls. Geschichtskonstruktive Passagen zeichnen sich durch den Gebrauch einer Reihe von syntagmatisch entfalteten Prädikationsmustern aus. Mit ihnen werden Kausal- und Folgerelationen in das Textuniversum implementiert, indem Chronologie zu Kausalität erweitert wird. Damit sind sie die kleinsten konzeptuellen Webmaschen der Sinnstiftung im historischen Text: x zu y führen x y bewirken x auf y beruhen x Resultat von y sein Ursachen zu x in y liegen x in y wurzeln ... 6.3.3.2 Reaktives Argumentieren In reaktiven Argumentationsstrategien werden Äußerungen in inner- oder außerdiskursiven Vortexten zurückgewiesen, bekräftigt oder gegeneinander abgewogen. Referenzbereich ist also der (erweiterte) Diskurs. Dabei ist wieder zwischen gerichteter (a) und ungerichteter (b) Diskursreferenz zu unterscheiden. Reaktiv argumentiert wird umso häufiger, je älter und geschlossener der Diskurs ist. 27 a) Bode [1885: 77]: Aber jedenfalls ist der belehrende und erbauende Zweck der Bildwerke kaum an einem anderen deutschen Bauwerke des Mittelalters so deutlich und umfangreich ausgesprochen als hier; und deshalb kann man Kugler (kl. Schriften) nicht beistimmen, wenn er, im Gegensatz zu Schnaase, die Anordnung vorwiegend auf künstlerische Motive oder zufällige Laune zurückführen will. b) Suckale [1998: 10]: Kunstgeschichte wird gern als Gänsemarsch der Epochenstile geschrieben. Das ist eine irreführende Vereinfachung. Begriffe wie Romanik oder Renaissance suggerieren Allgemeingültigkeit, als ließe sich das Wesentliche einer Epoche auf einen einzigen Begriff bringen oder gar als Merkmalkatalog erlernbar machen. Die angeführten Stilmerkmale sind jedoch meist nur äußerlich, die Begriffe deshalb meist nur Etiketten. Ebenso verfälscht der der Biologie entlehnte Gedanke einer ‚Entwicklung’ vom Früh- zum Hoch- und Spätstil das Geschichtsbild mit seinen Vorstellungen von Naturwüchsigkeit, Zwangsläufigkeit und Zielgerichtetheit sowie den daraus resultierenden, oft nur unterschwelligen Wertungen. 7. Arbeitsstand und Ausblick Die Ausarbeitung der Dissertation befindet sich auf folgendem Stand: Vorbereitende Theoriekapitel zum Sinnbegriff in der Metahistoriographie, zur Selbstreflexion der deutschen Kunstgeschichtsschreibung und zu dem Begriffsfeld Text, Diskurs, Konzept sowie technische und methodische Erläuterungen sind geschrieben, müssen aber überarbeitet werden. Das Korpus ist bearbeitet, die Wortfelder sind erstellt und Quellenmaterial für die anderen empirischen Kapitel liegt elektronisch in einer der Arbeit entsprechenden Ordnung vor. Es fehlt noch die metadiskursive Interpretation der Wortfelder und die genaue Zuordnung der relationalen Syntagmen zu den in den Wortfeldern spezifizierten Konzepten. Das Kapitel zu den Strategien der thematischen Entfaltung steht in der Anlage, es muss noch teilweise ausformuliert und im Hinblick auf eine Differenzierung nach Autor, Zeit und Weltanschauung erweitert werden. Am Schluss des Kapitels wird die Zuordnung der einzelnen textwertigen Äußerungen zum ERZÄHLENDEN, BESCHREIBENDEN und ARGUMENTIERENDEN Paradigma versucht. In zwei weiteren Kapiteln, die noch geschrieben werden müssen, sind noch Aufbau und Variation der Konzepte im Diskurs sowie der Anteil der einzelnen Teilstrategien daran darzulegen und eine möglichst leserfreundliche Interpretation der Ergebnisse im Hinblick auf die Funktionalisierung der Kunst im nationalpädagogischen Diskurs zu leisten. Die vollständigen Wort- und Syntagmenfelder werden als Anhang gegeben. 28