ICL final

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Computerunterstütztes Studieren: Vom multimedialen
Pilotversuch zu Lerntheorie und Medienproduktion
Stephan Lo1, Anni Koubek1, Tobias Hofmann2, Thore Schmidt-Tjarksen2
1
FH Joanneum, 2 Bauhaus-Universität Weimar
Keywords: Tele-learning, Authoring, Lerntheorie, Fernstudium, WBT, XML,
SMIL, Animationen, Visualisierung, 3D Modelling, Content Managment
Abstract:
Die Entwicklung von Educational Multimedia für die Hochschule resp. für Telelernen
im allgemeinen ist schwierig, da außer der Produktion und Präsentation von
Multimedia zusätzlich ein didaktischer und architektonischer Rahmen für das Lernen
definiert werden muß, dem Design des Lernens. Dabei ist derzeit die Trennung
zwischen Struktur und Inhalt sowohl im lerntheoretischen als auch im
medientechnischen Bereich starr und beeinflußt die Entwicklung wiederverwendbarer,
verteilbarer Lernelemente negativ. Der Beitrag stellt die Telelernsysteme aus Graz
und Weimar vor und ordnet sie in einem Klassifizierungsschema für Lernsysteme ein,
aus welchem sich Anforderungen an zukünftige, webbasierende Lernsysteme ableiten
lassen, deren Trennung von Struktur und Inhalt flexibler gestaltbar sein sollte.
1 Einleitung
"Von der Vorstellung, allein durch Multimedia-Einsatz verbesserte Lernumgebungen schaffen
zu können, muß ein für allemal Abschied genommen werden [1]". Diesen Abschied haben wir
vollzogen und versuchen nun, durch einen dosierten und integrierten Einsatz von Multimedia
die Effizienz von Educational Multimedia zu fördern. Diese Notwendigkeit einer
Skalierbarkeit erfordert die Untersuchung des lerntheoretischen und medientechnischen
Hintergrunds von multimedialen Lernsystemen. In diesem Papier wollen wir diesen
Hintergrund beleuchten, in dem wir den Migrationspfad der Entwicklungen zum Einsatz
computerunterstützter Studien an der FH Joanneum in Graz und der Bauhaus-Universität in
Weimar beschreiben.
Beide Hochschulen, FH Joanneum und Bauhaus-Universität Weimar, entwickeln Konzepte
und Umsetzungen für computerunterstützten, multimedial gestalteten Unterricht. Die
gemeinsame und triviale Motivation ist dabei, sowohl durch moderne didaktische Konzepte
als auch durch neue technische Möglichkeiten das Lernen der Studenten zu fördern, entspricht
also dem Konsens über einen Einsatz multimedialer Methoden im allgemeinen.
Zum anderen ist die FH Joanneum bestrebt, den Präsenzunterricht mit innovativen
Lehrmethoden abzuhalten, um dem Anspruch der Fachhochschulen nach einem praxisnahen
Unterricht gerecht zu werden. Hierbei geht es primär um den Einsatz und die Akzeptanz resp.
die Effizienz der neuen Medien. In Weimar hingegen muß grundsätzlich eine klassische
Administrations- und Lernmittel-Distributionsstruktur neu gestaltet werden. Es geht primär
um den Einsatz von administrativen und kommunikativen Technologien.
Es zeigt sich, daß die Synergie der beiden Entwicklungen bei einem modularen
Lehrmittelaufbau, den Methoden zur Erstellung multimedialer Medien und dem Einsatz von
Lernplattformen, die auf Internettechnologien basieren, liegt.
Die Basis beider Entwicklungen in Graz und in Weimar ist ein Konzept über modularisierte,
multimediale (Lern-) Objekte, auf welchen je nach didaktischer Konzeption und Zielgruppe
ein Lernsystem als jeweils speziell zugeschnittenes Frontend aufgesetzt werden kann.
Dieser Beitrag zum Workshop entwickelt zuerst die didaktische Analyse und die
Anforderungen - sowohl seitens der Studenten als auch der Hochschullehrer - für den Einsatz
des Computers und von Lernsoftware an unseren Hochschulen. Wir gehen dabei von dem
Grazer Pilotversuch und seinen Ergebnissen aus und stellen die Folgerungen für
weiterentwickelte Unterrichts- und Lehrkonzepte in Graz und in Weimar dar.
Wir untersuchen daraufhin, mit welchem Einsatz von Medien und technischen Architekturen
diesen Lehrkonzepten entsprochen werden kann. Dabei ordnen wir sowohl unsere eigenen als
auch weiters vorhandene Lernsysteme in einem Schema ein, um daraus eine
Beschreibungsvorschrift für die Entwicklung eines Lernsystems abzuleiten.
Schließlich werden wir die technische Realisierung der Unterrichtsmethoden an der FH
Joanneum und der Bauhaus-Universität Weimar darstellen, wie sie sich als - praktische Synthese aus der didaktischen Untersuchung und den gängigen Umsetzungen ergibt. Nachdem
wir uns auf Internetgestützte Systeme spezialisiert haben, geben wir noch einen Ausblick auf
die zu erwartenden Umwälzungen im Erstellen und Administrieren digitaler Lernmedien
durch die jüngsten Aktivitäten des W3C.
2 Didaktischer Ansatz
2.1 Lehrkonzept FH Graz
Die Studenten der Fachhochschule sollen in einem kompakten Studium Basiswissen und
Schlüsselkompetenzen wie Problemlösungsvermögen lernen. Dafür bietet sich bereits der
unterstützende Einsatz von multimedialem, selbstorganisiertem Lernen an. Zusätzlich kann
der Umgang mit IKT und webbasierenden Informationstechniken durch computerunterstützte
Lernmethoden vertieft werden. Daher wird an der FH Joanneum sukzessive versucht,
multimediale Lehrmethoden in den Unterricht zu integrieren und es wurde 1997 ein
Pilotversuch durchgeführt [1][2], der eine Gesamtarchitektur eines Lernsystems rund um
Studenten, Lehrende und Multimedia-Autoren aufbaute und untersuchte.
Für den normalen Studiumsablauf gilt, daß die Studenten ca. 25-30 Wochenstunden
Präsenzzeit in Gruppen von ca. 50 Personen haben (zweidrittel Vorlesungen mit 50 Studenten,
eindrittel Seminare mit 17-20 Studenten). Diese Rahmenbedingungen gelten in dem
Versuchsergebnis als die stärksten hemmenden Faktoren für eine intensive individuelle
Auseinandersetzung mit didaktisch offen konzipierten Lernprogrammen. So ist es ein
Ergebnis aus dem zitierten Pilotversuch, daß "der Computer als Lernmittel einige positive
Eigenschaften zeigt, [...] jedoch als alleinige Maßnahme keine verbesserte Lernumgebung
schaffen [kann]".
Daraus leiten wir für den Einsatz von Educational Multimedia im FH-Unterricht ab, daß es
schrittweise und als eine integrative Komponente in einen klassisch gewachsenen,
bestehenden Unterricht eingebaut werden muß, um Effizienz und Aktzeptanz zu erlangen.
D.h., daß die fruchtbare Verwendung von Multimedia in der Praxis des FH-Unterrichts ein
evolutionärer Prozeß ist, bei dem Studenten und Lehrende mit den Einsatzmöglichkeiten der
neuen Medien sukzessive vertraut werden und ihren sinnvollen Einsatz lernen. Das hat
Konsequenzen für die Entwicklung von computerunterstützten Lernsystemen: Das System
insgesamt muß flexibel auf Anforderungsveränderungen reagieren können.
2.2 Lehrkonzept Uni Weimar
Der bisherige Lehrbetrieb in Weimar entspricht dem, was landläufig unter einem
konventionellen, papierbasierten Fernstudium bekannt ist. Alle 14 Tage erhalten die
Studierenden ein Kapitel eines Kurses, das sie selbständig durcharbeiten. Dazu gibt es am
Ende jeden Kapitels Übungsaufgaben, die bearbeitet, eingesandt und korrigiert werden.
Die Kommunikation der Studierenden mit den Kursbetreuern findet über Telefon und Fax
statt. Eine Kommunikation zwischen den Studierenden findet, wenn überhaupt, „informell“
und per Telefon statt.
Im mulitmediell unterstützte Fernstudium wird aber der Einsatz elektronischer
Kommunikation (e-mail, Diskussionsforen) stärker gefördert, was eine asynchrone und damit
effizientere Kommunikation ermöglicht. Dadurch sollen auch gruppendynamische Effekte
durch Kooperation ermöglicht werden.
Andere Ansätze der Datenvermittlung, wie selbstgesteuertes Erforschen neuer Lehrinhalte,
Suche von Begriffen über alle Texte, oder die Einbindung von (interaktiven) Animationen zur
anschaulichen Verdeutlichung komplexer Sachverhalte, werden so erst mit dem Computer
möglich. Dessen Einsatz erleichtert auch Querverweise zu verwandten Themen (Hyperlinks),
die neue Zusammenhänge herstellen können.
Ein Studieren, wie es bisher stattfindet, soll insofern auch weiterhin möglich sein, als daß die
Texte ausgedruckt werden können. Damit bleiben die Studierenden prinzipiell unabhängig
vom Computer.
2.3 Conceptional Design – Instructional Design
Um dem Problem zu begegnen, wie ein Lernsystem für eine bestimmte Lerngruppe und unter
bestimmten Randbedingungen zu konzeptionieren ist, haben wir zwei wichtige Kategorien zur
Beschreibung eines Lernsystems bestimmt: das konzeptionelle und das instruktionelle Design
(Conceptional - Instructional Design).
„Design“ von Computeranwendungen läßt sich prinzipiell in Instructional, Präsentational und
Conceptional Design klassifizieren [4]. Das Instructional Design definiert dabei die
Lernumgebung, das Lernmodell und den Inhalt. Conceptional Design beschreibt den Aufbau
des Lernsystems, also die Organisation des multimedialen Inhalts, wie die ComputerArbeitsumgebung aussieht, welche Tools verwendet werden, wie die Lernplattform aufgebaut
ist und der Lerninhalt zum Lerner gelangt. Das Präsentation Design läßt sich mit dem
Graphical User Interface (GUI) gleichsetzen.
Wir möchten nun das Instructional Design (das Lernmodell) von Lernsystemen auf einer
qualitativen Skala von „offen“ bis „geschlossen“ messen. Dabei soll „offen“ bedeuten, daß
der Computer sowohl Arbeits- als auch Lernumgebung ist, das Lernsystem mit anderen
Applikationen kommuniziert und der Lehrer und die Mitstudenten in den Lernprozeß
integriert sind. „Geschlossen“ soll dagegen bedeuten, daß der Lernende und das
Lernprogramm miteinander einen Dialog aufbauen und sich bis zum Ende einer Lerneinheit
nicht voneinander trennen. Typisch für ein didaktisch geschlossenes System sind z.B.
Prüfungsfragen, die zum Lehrenden elektronisch übermittelt werden.
Bild 2.1: Qualitative Einordnung von Lernsystemen nach ihrem Design. Zur Definition von
„Offen“ und „Geschlossen“ siehe im Text.
Die gleiche Skalierung, „offen“ bis „geschlossen“, soll beim Conceptional Design die
folgende Bedeutung haben: Ein „geschlossenes“ System verwaltet die Lernenden per Login,
führt Statistik über Navigationsbewegungen, Antworten, Zeitverhalten des Lernenden und
bietet interne Kommunikationsservices wie Mail, Chat, Bulletin Board, verwaltet zusätzlich
Lehrer und Kurse und ordnet durch eine Datenbank alles untereinander zu. Das offene System
hingegen ist eine reine Distributionsplattform, im Extremfall also schlicht das Betriebssystem
eines Computers durch einen Dateizugriff des Lernenden.
WBT (Web Based Training) gilt als „Minimalist Approach“, zumindest was die reine
Umsetzung von Lehrinhalten mit dem Computer und Multimedia betrifft: Die Inhalte werden
einfach über Webbrowser verschickt, die Lerninhalte sind unidirektionale
Arbeitsanweisungen, die parallel oder später mit einem Lehrer besprochen und korrigiert
werden.
Das Weimarer System ist durch eine Benutzerverwaltung konzeptionell geschlossener als das
Grazer. Durch eine enge Benutzerführung (Arbeitsanleitungen, Hilfe) ist es auch didaktisch
geschlossener. Das Grazer System tendiert hingegen zum WBT-Pol, weil im Grazer Konzept
viel Wert auf eine einfache und klare Schnittstelle für die Lehrenden gelegt wird.
3 Einsatz von Computer, Medien und Internet
3.1
Modulares Konzept: Schnittstellen zwischen Autoren, Lehrern und
Studenten
Für das Lernsystem in Graz wurde eine modulare Architektur entworfen, um erstens deutlich
die Schnittstellen zwischen den beteiligten Personengruppen beschreiben und zweitens
flexibel Änderungen und Erweiterungen am System durchführen zu können. Der Kern des
Konzepts besteht aus den multimedialen Basisobjekten, die jederzeit in Lernobjekte oder
Lektionen eingebaut werden können. Basisobjekte haben innerhalb des Lernsystems die
feinste Granularität. Lernobjekte sind multimediale Container, didaktisch abgeschlossen,
zusammengesetzt aus Basisobjekten und mit einer Story gebunden, von einem Autor mit
einem Autorentool programmiert und als Unterkapitel in eine Lektion einsetzbar. Die Lektion
ist das Interface zwischen Studenten und Lehrern. Sie soll einfachst zu erstellen sein, um
keine technischen Barrieren für den Trainer vor das System zu setzen. Zusätzlich soll sie über
Internet verteilbar sein und ist daher in HTML editiert.
Dieses in Graz entwickelte Modell ist in Weimar so benannt und verwendet worden:
 Quellobjekt = Metaprogramme mit denen Basisobjekte vorbereitet oder erstellt werden
(3D max, Premiere, ...) ("Source")
 Basisobjekt = Grundbausteine für die Kurse (Animationen, Texte, Sound, ...)
 externes Objekt = Eigenständige Programme (Simulink, Word. Calculator, ...)
 Lernobjekt = Aus Basisobjekten durch Scripte zusammengesetzte Sinneinheiten
 Lektionen = Eigentlich nur komplexere Sinneinheiten als Lernobjekte
 Kurs = das Ganze
 Content Management Objekt = Darstellung der und Umgang mit der Struktur, in der
Basisobjekte dargereicht werden.
Das modulare Konzept durch die Basisobjekte ermöglicht teilweise schon heute, daß sowohl
von Seiten der Autoren, der Betreuer, als auch von Seiten der Studenten eine größtmögliche
Freiheit im Umgang mit einem Lernsystem gegeben ist.
Ein Autor kann sein Inhalte mit jedem ihm beliebigen Tool erstellen, solange dieses in der
Lage ist ein File so zu exportieren, daß es den Anforderungen der Basisobjekte gerecht wird.
Wichtig ist, daß sich der Autor bei der Erstellung der Objekte Gedanken darüber macht, in
welcher Beziehung diese zu den schon vorhandenen oder auch den noch zu erstellenden
Objekten stehen. Dabei sollte man im Auge behalten, daß diese Objekte später nicht nur in
ihrer Ursprungsrelation dargeboten werden. Es bedarf daher eines gewissen
Fingerspitzengefühls, um besonders aussagekräftige, aber formal abgeschlossene Basisobjekte
zu erzeugen. Deren Beschreibung, Archivierung und Verwaltung in einem zentralen Fundus
ermöglicht ihre Wiederverwendbarkeit, auch in verschiedenen Kursen mit verschiedenen
Autoren und Lehrern.
Daraus ergibt sich eine enge Verzahnung der Rollen „Autor“ und „Lehrer“, zwischen denen
ein „Verwalter“ stehen muß - je nach konkreter Aufteilung der Aufgabengebiete dieser Rollen
muß wesentlich enger als bisher abgestimmt werden, welche Objekte vorhanden sind, benutzt
werden, noch benötigt oder neu erschaffen werden müssen.
Auf keinen Fall soll damit erreicht werden, daß jeder den gleichen Kurs verwendet - vielmehr
kann man so leichter individuell zugeschnittene Kurse erstellen, die den jeweiligen
Ansprüchen besser gerecht werden.
Entsprechend kann es auch ermöglicht werden, den Lernenden entweder direkten Zugang auf
Basisobjekt-Ebene zu geben (z.B. im Bereich einer Volltextsuche), oder ihnen dynamisch
einen neuen Kurs als Ergebnis einer Suchabfrage zu erstellen.
Beispielsweise ergibt eine Suche nach einem Stichwort eine Liste von Basisobjekten
(entweder über eine Volltextsuche bei Textobjekten oder eine Suche über die
Verschlagwortung von multimedialen Basisobjekten). Evtl. unter Miteinbeziehung der
Informationen über die bisherige Verwendung dieser Basisobjekte in anderen, schon
bestehenden Kursen, kann eine sinnvolle Aufbereitung der Darstellung dieser Liste erfolgen.
3.2 Multimediale Objekte
Eine Aufzählung multimedialer Objekte geht über einfache Fileformate hinaus:
 Text
 Bilder
 Filme
 Formeln
 Walkthroughs (VRML)
 Interaktive Animation/Simulation
stellen nur die zur Anwendung kommenden Basisobjekte im Sinne einer Darbietung von
primärer Information (Lehrinhalt) dar.
Die effiziente Darbietung dieser Informationen in einem Lehrumfeld erfordert (außer einer
sinnvollen Vernetzung dieser Objekte zu mindestens Lektionen) zusätzlich die folgenden
Elemente:
 Suche
 Notizen
 Glossar
 Literatur
 Inhaltsverzeichnisse
 Sitemap
Diese Objekte wollen wir versuchshalber als Content Management Objekte bezeichnen.
3.3 Erfahrungen aus der Medienproduktion
Aus den ersten Wochen der tatsächlichen Implementierung schon vorhandener Lehrinhalte in
Weimar haben wir folgende Erfahrungen machen können: Textinhalte aus vorhandenen
Skripten lassen sich fast nie ohne umfangreiche Überarbeitung in ein bildschirmbasiertes
Umfeld übernehmen. Gründe dafür sind zum einen die unterschiedlichen Lesegewohnheiten
zwischen Papier und Bildschirm, weiterhin der Umstand, daß für die Darbietung am
Bildschirm oft eine Um- oder Neutstrukturierung der Kurse zwingend notwendig ist.
Die Erstellung von multimediellen Objekten ist im allgemeinen eine Aufgabe für Experten
oder Fachleute, vor allem im Bereich der 3D-Visualisierung und Animation (Eine recht
anschauliche und aus dem Leben gegriffene Beschreibung findet sich unter [7]).
Zusammenfassend läßt sich anmerken, daß in diesem Bereich noch weitere Erfahrungen
gesammelt werden müssen, bevor der Produktionsstandard z.B. einer herkömmlichen
Skripterstellung erreicht werden kann. Ursachen dafür sind die schnellen Entwicklungszyklen
der zum Einsatz kommenden Arbeitsmittel, vor allem aber die notwendige interdisziplinäre
Arbeitsweise, bedingt durch die sehr verschiedenen Fachgebiete
 Film (Drehbuch/Storyboard, Analog, Digital, Schnitt, Kompression)
 Ton (Texterstellung, Drehbuch/Storyboard, Analog, Digital, Synchronisation)
 Animation (Pläne, Modelle, Storyboard, Schnitt, Kompression)
 Architektur/Bauingenieurwesen (Entwicklung von Storyboards, Beratung bei der
Implementierung, Fachinhalte)
 GUI/Design (Anforderungen der Kunden, Usability, Programmierung, graphisches
Erscheinungsbild)
 EDV (alles unter einen Hut bringen)
3.4 Aufspaltung zwischen Lernplattform/struktur und Lerninhalt
In Bild 2.1 lassen sich zwei interessante Antipoden ausmachen: Der CBT-Kurs ist zwar
konzeptionell offen, der Inhalt ist aber didaktisch komplett geschlossen und daher praktisch
nicht wiederverwertbar. Didaktisch offen (weil nicht definierbar) - geeignet für
wiederverwertbares Contentmanagement - und als Lernplattform konzipiert bieten sich viele
kommerzielle Websysteme an, u.a. TopClass [5] oder WebCT [6], die konzeptionell als
abgeschlossen gelten. Die konzeptionelle Geschlossenheit stößt in der Praxis jedoch immer
wieder auf Schwierigkeiten mit der Verwaltung von Inhalten und entspricht in der einfachen
Grafik nicht erfassten Abhängigkeiten zwischen dem konzeptionellen und dem
instruktionellen Design. So war es z.B. mit dem von TopClass definierten Kurs- und
Arbeitsblattsystem nicht möglich, die Unterteilung in Lernobjekte und Lektionen sinnvoll
abzubilden, weshalb wir nur noch komplette HTML-Seiten von TopClass als Kurs verwalten
ließen. Nachdem auch Studenten, Tutoren und Kurse sich in der Anzahl in den Grenzen halten
und aufgrund der Präsenz die Kommunikations- und Administrationsfeatures der Plattform
unwichtig sind, ist für den derzeitigen Normalbetrieb der Fachhochschule ein
Administrationstool überflüssig. Daraus folgt, daß man sich bei der Entwicklung von
Lernmedien zunächst einmal auf den „Minimalist Approach“ festlegen sollte, von dem aus
man zukünftig jederzeit mit aufwärtskompatiblen Inhalten (Objekten) an ein Frontend in alle
Richtungen andocken kann.
Bild 3.1: Derzeitige Entwicklungsweise in Graz. Auf einen Pool von aufwärtskompatiblen
Lernmaterialien und Storyboards kann durch das Aufsetzen von speziellen Benutzerinterfaces
eine beliebige Verteilplattform eingesetzt werden.
Derzeit müssen für ein webbasierendes Interface noch Container gebildet werden, die dann
mit Techniken wie Plugins abgespielt werden können. Dieses Einschränkung wird mit der
Entwicklung von XML aufgehoben (siehe Kapitel 4).
Das gleiche Konzept kommt in Weimar zum Einsatz. In Bild 3.2 ist die Strukturierung der
verschiedenen Ebenen dargestellt, in denen sich die unter 3.1 eingeführten Objekte darstellen
lassen.
Bild 3.2: Strukturierung der verschiedenen Ebenen
Diese verschiedenen Ebenen, mitsamt der eigentlichen Objekte, werden in einem Content
Management System verwaltet, dessen Einbettung in eine Nutzerumgebung so aussehen kann:
Bild 3.3: Content Management System in einer Nutzerumgebung.
Hierbei wird deutlich, daß sich mit einer solchen Nutzerumgebung annähernd alle Lehrinhalte
verwalten und darbieten lassen.
Bild 3.4 zeigt den ersten Versuch aus Weimar, die geforderte Funktionalität einer
Lernumgebung unter einer Programmoberfläche zu vereinen. Es ist hier bereits möglich, alle
verschiedenen Objektarten darzustellen und durch Kurse sequentiell zu navigieren. Damit
dient uns dieser Prototyp zur Evaluierung eines Alpha-Stadiums (Proof of Concept), das sich
noch bis Ende September 98 erstrecken wird.
Bild 3.4: Snapshot des Weimarer Prototyps eines GUI (Graphical User Interface) einer
Lehrumgebung.
4 Neue Ufer: Zukünftige Medienproduktion im
computerunterstützten Unterricht
4.1 XML: Struktur-Content Unterstützung
XML [9] ist dieser Tage, wenigstens für Interessierte im Bereich der IT (Information
Technology), ein Begriff, an dem man nicht vorbeikommt. Da er im Konzept beider
Autorengruppen eine wichtige Rolle spielt, soll er hier in seiner Anwendung erläutert werden.
XML bedeutet "Extensible Markup Language" und ist eine Weiterentwicklung einer MarkupSprache namens SGML (Standard Generalized Markup Language). Das bekannteste Beispiel
für eine Markup-Sprache ist HTML (Hypertext Markup Language), die Sprache des WWW in ihr geschriebene Dateien werde über das Internet von dafür programmierten "Browsern"
gelesen und ihr Inhalt einem Nutzer dargestellt.
Die Darstellung einzelner Elemente ist in sogenannten "Tags" definiert, die bei HTML
prinzipiell festgelegt sind. Dabei ist anzumerken, daß die beiden Großen in der HTMLBranche, Microsoft und Netscape, in der Vergangenheit bestrebt waren, jeweils ihre eigenen
"Tags" mit neuer Funktionalität auf dem Markt durchzusetzen. Das sorgt in der WebDesignerwelt für Unmut, da alle Webseiten für die zwei verschiedenen Browser doppelt
gepflegt werden müssen.
Dies ist einer der Gründe für die Entwicklung von XML gewesen - die Erkenntnis, daß die
Nutzer des Internet eigene Tags definieren wollen. Ein anderer war der Wunsch, die
Navigation durch die Masse an Informationen, die im WWW vorliegen, zu vereinfachen,
indem man die (bessere) Beschreibungen der jeweiligen Daten ermöglicht. Dateien mit Daten
können nunmehr, in ihrem Header, Informationen über diese Daten übermitteln. Was diese
einzelnen Tags bedeuten kann in einer "Document Type Definition", kurz DTD, geregelt
werden. Einigen sich nun verschiedene Nutzer auf eine DTD, haben sie damit Zugriff auf die
Metadata im Header und können dadurch die Daten in der Datei besser nutzen. Zusammen mit
der Möglichkeit, Tags für die Darstellung einzelner Elemente in einer DTD zu regeln, ergibt
sich daraus eine Dreiteilung von Dokumenten in Inhalt, Struktur und Form.
Für den Einsatz in einer Lehrumgebung folgen daraus mehrere Vorteile. Sind Inhalte (auch
multimediale) in ihrer Struktur definiert bzw. in einer Struktur eingebettet, können sie
verschiedenen Nutzern einfacher zu einer Wiederverwendung in anderen Zusammenhängen
zugänglich gemacht werden. Durch die Trennung des Formates vom Inhalt kann eine
automatische Formatierung in Abhängigkeit des Ausgabemediums durchgeführt werden. Die
volle Transparenz aller Formate, Werkzeuge und Informationsflüsse gewährleistet dabei
Plattform- und Herstellerunabhängigkeit, Kompatibilität und eine lange Lebensdauer der
Daten.
Derzeit werden in Weimar verschiedene Methoden der Auszeichnung von Daten mit XML
erprobt, Ergebnisse der aktuell laufenden Evaluierung sind unter [8] nachzulesen.
4.2 SMIL: Präzesierung und Verschiebung der Schnittstelle Autor - Lehrer
Die Entwicklung von SMIL [3] zur Integration von synchronisierten multimedialen Abläufen
in Webpages durch eine deklarative Beschreibungssprache wie HTML wird die Herstellung
von Educational Multimedia tiefgreifend beeinflussen.
Als rein technische Aspekte ergeben sich durch die Einführung von SMIL, daß
 durch Streaming-Protokolle die Probleme einer zerhackten Präsentation reduziert bis
aufgehoben werden,
 der multimediale Inhalt metaindizierbar ist (z.B. für Suchmaschinen),
 durch Hyperlink auf URL’s beliebige Medienquellen in der Präsentation plaziert
werden können,
 durch deklarative Beschreibung der Szene die Schwierigkeiten mit Skripts (z.B.
Programmierung, Wartung, Konsistenz zwischen Model und View) umgangen
werden,
 und durch direkte Adressierbarkeit jedes einzelne Element der Szene vom Autor in
seiner Aktionsweise beeinflußt werden kann.
Daraus folgen jedoch direkt Konsequenzen für die Medienproduktion, die nun zunehmend
skalierbarer wird: Da SMIL für Webpräsentationen keine multimedialen Container (wie z.B.
bei Shockwave, Applets) erfordert, müssen diese Container auch nicht erzeugt werden und
jeder Autor kann mit einfachen Präsentationen beginnen, eigene und fremde multimediale
Basisobjekte wiederverwenden und in der einfachsten Form mit einem Texteditor die gesamte
Präsentation programmieren. Dadurch wird es möglich, Medienproduktion für Lernsysteme
nicht auf dem High-End Level des Multimedia-Autors oder Programmierers anzusetzen, der
zwar professionelle Arbeit leistet, aber nicht schnell, flexibel, billig und vor allem
unkompliziert Kursinhalte eines Studiumskriptums umsetzen kann. Sondern die Lehrenden
selbst können in Zukunft wesentlich mehr und leichter die Gestaltung ihres Kurses
durchführen, wodurch es
1. zu einer erhöhten Durchdringung von computeruterstützten Lernsystemen
2. und zu einer Kostenreduktion der Kurserstellung
kommen wird.
Zusammenfassung
Die beiden Hochschulen in Graz und in Weimar entwickeln Educational Multimedia, wobei
beide Gruppen auf einem Konzept von modularisierten Komponenten aufbauen. In Graz liegt
der Schwerpunkt auf einer einfachen Bedienung seitens der Lehrer und Autoren, so daß das
System attraktiv und alltagstauglich für den Fachhochschulunterricht wird. Die Positionierung
des Grazer Systems ist daher sowohl im konzeptionellen als auch im instruktionellen Design
offen orientiert. High-End Lösungen mit Benutzerverwaltung, Datenbankanbindung und
perfekten Demonstrationen sind derzeit unwesentlich. Wichtig ist ein didaktisches Konzept
für die Intgration in den bestehenden Unterricht. In Weimar sind eher geschlossene Lösungen
wichtig, da für das Fernstudium einerseits eine Administration und andererseits ein definierter
Prüfungsmodus per Software vorhanden sein muß. Beide Lernsysteme setzen aber auf einer
gleichen Architektur auf, nur die Frontends ändern sich durch konzeptionelle und
instruktionelle Anforderungen. Für die weitere Entwicklung ist wird es interessant, wie
einerseits in Graz die Komplexität erhöht und andererseits in Weimar erniedrigt werden kann,
jeweils bei gleicher Funktionalität. Die Veränderungen im Webpublishing machen hier
Entwicklungen möglich.
References:
[1] Koubek A., Lo S., Meisterhofer E., Posch R.: „Lernen mit Multimedia“, Tagungsband LearnTEC98,
1998; Arbeitspapier 98-001 FH Joanneum; 1998.
[2] Rehatschek H., Mayer H.: „Ein offenes, multimediales Lernsystem für Fachhochschulen“, in
diesem Band.
[3] W3C SMIL Recomendation, http://www.w3.org/TR/REC-smil/
[4] Koubek A., „Learning and Design: Issues and Experiences“, Vision5+, 1998
[5] TopClass, WBT Systems, San Francisco, http://www.wbtsystems.com
[6] WebCT, WebCT Educational Technologies, Vancouver, http://www.webct.com/webct
[7] http://www.uni-weimar.de/Bauing/wbbau/mm_stand/stand_26_08_98_3D/stand260898_3d.htm
[8] http://www.uni-weimar.de/Bauing/wbbau/mm_stand/
[9] http://www.w3.org/XML/
Authors:
Stephan Lo, Mag.
Technikum Joanneum, Zentrum für Multimediales Lernen
Alte Poststr.149, A-8020 Graz
[email protected]
Anni Koubek, Dr.
Technikum Joanneum, Zentrum für Multimediales Lernen
Alte Poststr.149, A-8020 Graz
[email protected]
Tobias Hofmann, Dipl.-Ing.
Bauhaus-Universität Weimar, Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft
Coudraystr. 7, 99423 Weimar
[email protected]
Thore Schmidt-Tjarksen, Dipl.-Des.
Bauhaus-Universität Weimar, Lehrstuhl für Siedlungswasserwirtschaft
Coudraystr. 7, 99423 Weimar
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