Lebenserwartung in Gesundheit

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Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Gesundheitsökonomie 1
Wahr oder falsch?
(1) Die Leistungsfähigkeit eines Gesundheitssystems kann man an der mittleren
Lebenserwartung seiner Einwohner ablesen
(2) Eine höhere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen geht stets
mit einer besseren Gesundheit einher
(3) Der Anstieg der Gesundheitsausgaben in Deutschland in den letzten Jahren
belegt zweifelsfrei, dass die Bevölkerung mehr Gesundheitsleistungen in
Anspruch genommen hat
(4) Mehr als die Hälfte der deutschen Gesundheitsausgaben werden durch die
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanziert
(5) Interventionen, die zusätzliche Menschenleben retten, sollten stets
durchgeführt werden
(6) Es ist immer wirtschaftlich, Krankheiten zu vermeiden
© Prof. Dr. Walter Ried
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Gesundheitsökonomie 1
Das Gesundheitswesen in Deutschland (schematisch)
© Prof. Dr. Walter Ried
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Gesundheitsökonomie 1
Das Gesundheitswesen in Deutschland (schematisch)
 Aufbau:
 Tauschbeziehungen zwischen Patienten und Leistungserbringern:
• Organisation der Leistungserbringung
• Varianten der direkten Finanzierung:
– Vollständig
– Zuzahlung (im deutschen Gesundheitswesen vorherrschend)
 Wichtige Rolle der Krankenversicherung:
• Private Krankenversicherung
– Finanzierungsprinzip: Prämie entspricht Gegenleistung
– Probleme:
» Absicherung chronisch kranker Individuen
» Finanzierbarkeit
– Im deutschen Gesundheitswesen von geringerer Bedeutung
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Gesundheitsökonomie 1
Das Gesundheitswesen in Deutschland (schematisch)
• Gesetzliche Krankenversicherung
– Finanzierungsprinzip: Beitrag gemäß Leistungsfähigkeit
– Probleme:
» Erfordert staatliche Regulierung (Leistungsangebot, Vergütung, …)
» Funktionsfähiger Wettbewerb schwierig zu organisieren
– Im deutschen Gesundheitswesen vorherrschend
 Wichtige Rolle des Staates:
• Finanzierung und Bereitstellung von Leistungen
• Regulierung von Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens
• Ausführung vornehmlich durch die gemeinsame Selbstverwaltung
 In anderen entwickelten Industriestaaten ebenfalls großer Einfluss des Staates:
 Direkt (Finanzierung, Bereitstellung) vs indirekt (Regulierung)
 In Deutschland indirekter Einfluss vorherrschend
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Gesundheitsökonomie 1
Weshalb Gesundheitsökonomie?
 Bedeutung der Gesundheit:
 Gesundheit als „höchstes Gut“
 „Für die Rettung eines Menschenlebens ist Alles zu tun“
 Ziele der Versorgung mit Gesundheitsleistungen (Auswahl):
 Nach dem aktuellen Stand des medizinischen Wissens
 (weitgehend) Unabhängig von den eigenen finanziellen Möglichkeiten
 Medizin und Ökonomie – ein Gegensatz?
 Medizin:
• Gesundheit des Patienten (Wiederherstellung, Erhaltung) im Vordergrund
• Verpflichtung (insbesondere) der Leistungserbringer
 Ökonomisierung des Gesundheitswesens als Gefahr?
• Bezug: Notwendigkeit (z.B. für Leistungserbringer), wirtschaftlich zu handeln
• These: Ökonomische Restriktionen gefährden die Versorgung der Patienten
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Gesundheitsökonomie 1
Weshalb Gesundheitsökonomie?
 Ökonomie
• „Effizienz“ als Leitlinie (Allokationsaspekte):
– Zuteilung knapper Ressourcen auf konkurrierende Verwendungszwecke
– Eine Zuteilung ist effizient, wenn mit den vorhandenen Ressourcen …
• „Gerechtigkeit“ als weitere Leitlinie (Verteilungsaspekte)
– Unterschiedliche Bezüge möglich
– Beispiel im Gesundheitswesen: Gleicher Zugang zur Versorgung
 Ökonomische Analyse des Gesundheitswesens
• Ergebnisoffen, mit den Varianten: Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen
– ist zugunsten anderer Verwendungszwecke zu verringern
– ist aufgrund hoher Nutzeneffekte zu erhöhen
• Effizienz- und Verteilungsaspekte können relevant sein
• Mögliche zeitliche Bezuge: Status quo versus Entwicklung im Zeitverlauf
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Weshalb Gesundheitsökonomie?
 Anwendung ökonomischer Prinzipien im Gesundheitswesen: Möglich/sinnvoll?
 Effizienz im Gesundheitswesen: Geeignete Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten für
• Leistungserbringer?
• Krankenversicherer?
• Versicherte bzw. Patienten?
 Ausgestaltung des Gesundheitswesens
• Wie können die Ziele der Gesundheitsversorgung bestmöglich erreicht werden?
• Relevante Aspekte (Auswahl):
– Vergütung der Leistungserbringer
– Bedingungen der Krankenversicherung
– Verhalten der Individuen
– Staatliche Regulierung
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Weshalb Gesundheitsökonomie?
 Ressourcen kosten etwas!
 Knappheit der Ressourcen in einer Volkswirtschaft:
• Nicht alle Bedürfnisse können befriedigt werden
• Gilt auch für Teilbereiche wie z.B. das Gesundheitswesen
 Ressourcen, die im Gesundheitswesen eingesetzt werden,
• umfassen
– Arbeit bzw. Personal (Ärzte, Krankenpfleger, Apotheker, …)
– Sachgüter (z.B. Arzneimittel), Geräte (z.B. CT), …
• stehen anderweitig nicht mehr zur Verfügung (z.B. im Bildungswesen)
• implizieren somit einen Verzicht auf Erträge an anderer Stelle
 Relevanz anderer Bedürfnisse:
 Manche Beeinträchtigungen der Gesundheit werden bewusst in Kauf genommen
 Es ist nicht sinnvoll, alle Ressourcen im Gesundheitswesen einzusetzen!
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Weshalb Gesundheitsökonomie?
 Merkmale des Untersuchungsgegenstands der Gesundheitsökonomie (oder –ökonomik):
 Gesundheit als besonderes Gut: Erhebliche Bedeutung
• für das individuelle Wohlbefinden
• für die Teilhabe am Leben
 Erheblicher Ressourceneinsatz:
• Hohe Ausgaben im Gesundheitswesen
• Weiterer Aufwand der Individuen
 Hohe Bedeutung der gesetzlichen Krankenversicherung, die im Vergleich zur PKV
• andere Merkmale aufweist und mit anderen Wirkungen verbunden ist
• deutlich mehr staatliche Regulierung erfordert
 Großer Einfluss des Staates (direkt, indirekt)
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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor: Ressourcen
 Empirische Bedeutung des Gesundheitswesens:
 Ressourcen aus zahlreichen Bereichen
 Beschäftigung in zahlreichen Berufen
 Ausgaben nach Trägern, Einrichtungen und Leistungsarten
 Ressourcen in der Klassifikation des Statistischen Bundesamtes:
 Gesundheitsschutz und Gesundheitsförderung (z.B. öffentlicher Gesundheitsdienst)
 Ambulante Gesundheitsversorgung (z.B. Arztpraxen)
 Stationäre und teilstationäre Gesundheitsversorgung (z.B. Krankenhäuser)
 Industrie, Forschung und Verwaltung (z.B. pharmazeutische Industrie)
 Personelle Ressourcen: Erwerbstätige (z.B. Ärzte)
 Sächliche Ressourcen: z.B. Arzneimittel
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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor: Beschäftigte
 Beschäftigung im Gesundheitswesen
 Abgrenzung des Gesundheitswesens wichtig
 Aktuell:
• Mehr als 10 % der Beschäftigten in der deutschen Volkswirtschaft
• Zunehmende Bedeutung von Teilzeitbeschäftigung
 Beschäftigte in der Klassifikation des Statistischen Bundesamtes:
 In Gesundheitsdienstberufen: Ärzte, Zahnärzte, Apotheker sowie übrige (z.B. Arzthelfer)
 In sozialen Berufen (z.B. Altenpfleger)
 Im Gesundheitshandwerk (z.B. Augenoptiker)
 In sonstigen Gesundheitsfachberufen (z.B. Gesundheitsingenieure)
 In anderen Berufen (z.B. Verwaltungen der Krankenkassen)
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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor
 Einige Kennzahlen (Abb. 1):
 Betrachtung eines Zeitraums, um auch Entwicklungen sehen zu können
 Im Zeitablauf
• zunehmende Beschäftigung im Gesundheitswesen
• zunehmende Anzahl der Ärzte pro Einwohner
• rückläufige Anzahl der Krankenhausbetten
• zunehmende Anzahl der Krankenhausfälle
• wechselhafte Entwicklung der Verordnungen von Arzneimitteln
• deutliche Zunahme des Werts je Verordnung
 Insgesamt: Deutliche Indizien für
• steigende Kapazitäten (ambulant und stationär)
• eine steigende Inanspruchnahme von Leistungen
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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor: Verflechtungen
 Leistungserstellung:
 Das Gesundheitswesen bezieht Vorleistungen von anderen Wirtschaftsbereichen, z.B.
• Praxisausstattung
• Verpflegung im Krankenhaus
 Die Leistungen des Gesundheitswesens stellen ihrerseits Vorleistungen dar, z.B.
• öffentlicher Gesundheitsdienst
• betriebsärztliche Versorgung
 Leistungserstellung im Gesundheitswesen führt dazu, dass
• Einkommen entstehen
• Güter und Dienstleistungen anderer Wirtschaftsbereiche nachgefragt werden
 Gesundheit ist
 per se wohlfahrtsrelevant (Lebensqualität und Lebenslänge)
 Voraussetzung für andere Tätigkeiten: Arbeit, Konsum, Freizeit
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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor: Aktuelle Probleme
 Geringe (finanzielle) Anreize für Prävention bei den Versicherten
 Geringe Kommunikation und Koordination der Leistungserbringer
 aufgrund der weitgehend sektorbezogenen Organisation des Gesundheitswesens
 führen zu Schnittstellenproblemen:
• Gefahr einer suboptimalen Versorgung der Patienten
• Gefahr einer unnötig teuren Versorgung
 Solidarische Finanzierung der GKV:
 Beiträge teilweise als Lohnzusatzkosten
 Gefahr ungünstiger Beschäftigungseffekte
 Wettbewerb in der Krankenversicherung:
 Teilweise problematisch
 Gilt für private und gesetzliche Krankenversicherung
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Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor: Künftige Herausforderungen
 Demographischer Wandel: Die Bevölkerung unterliegt einer „doppelten Alterung“, wenn
 die Geburtenraten im Zeitablauf zurückgehen und
 die Sterblichkeit sinkt
 Medizinisch-technischer Fortschritt:
 Erweiterung der Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten („Produktinnovationen“)
 Kostengünstigere Behandlungen („Prozessinnovationen“)
 Globalisierung:
 Stärkerer Wettbewerb mit den Gesundheitswesen anderer (anliegender) Länder
 Chancen und Risiken für Leistungserbringer und Patienten
 Welche Effekte sind zu erwarten
 bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen?
 auf die Finanzierung der Krankenversicherung?
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Gesundheitswesen als Wachstumsmotor…
 Medizinisch-technischer Fortschritt und eine steigende Nachfrage nach
Gesundheitsleistungen können dazu führen, dass im Zeitablauf
 aufgrund einer hohen Innovationsrate die Bedeutung des Gesundheitswesens relativ
zu anderen Wirtschaftsbereichen steigt
 im Gesundheitswesen die Produktivität steigt und damit
• zusätzliche Einkommen geschaffen werden
• mehr Beschäftigung entsteht
 auch andere Wirtschaftsbereiche, z.B. aufgrund gesunkener Fehlzeiten, profitieren:
• Höhere Produktivität der Beschäftigten
• Geringere Stückkosten
• Verbesserte Wettbewerbsfähigkeit
 Gesamtwirtschaftlich „günstiges“ Szenario
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…oder als Kostenfaktor
 Mangelnde Wirtschaftlichkeit und die im Wesentlichen auf das Arbeitsentgelt bezogene
Finanzierung der GKV können dazu führen, dass im Zeitablauf
 die Belastung des Faktors Arbeit mit Abgaben zunimmt
 ungünstige Effekte resultieren
• auf die Produktivität
• auf die Einkommen
• auf die Beschäftigung
 z.B. die Bedeutung der „Armuts-Falle“ zunimmt:
• Beschäftigung weniger attraktiv wegen höherer Beiträge zur GKV
• Schwächerer Anreiz, eine Beschäftigung zu suchen bzw. aufzunehmen
 Gesamtwirtschaftlich „ungünstiges“ Szenario
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Künftige Bedeutung des Gesundheitswesens
 Welches Szenario wird künftig im Vordergrund stehen?
 Dies hängt maßgeblich davon ab, ob und in welchem Umfang es gelingt,
 im Gesundheitswesen wirtschaftlich zu handeln: Wirtschaftlichkeit ist relevant für
• die Erbringung von Gesundheitsleistungen
• die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen
• die Finanzierung des Gesundheitswesens
 nur gesamtwirtschaftlich sinnvolle medizinische Innovationen einzuführen
 das Gesundheitswesen an sich verändernde Bedingungen anzupassen
 Von zentraler Bedeutung:
 Organisation und Vergütung der Erbringung von Gesundheitsleistungen
 Organisation und Finanzierung der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen
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Vertiefende Literatur
Fleßa, S., Greiner, W., Grundlagen der Gesundheitsökonomik. Eine Einführung in das
wirtschaftliche Denken im Gesundheitswesen, 3.Aufl., Springer Gabler Verlag, Berlin und
Heidelberg 2013, Kap. 1-2
Hajen, L., Paetow, H., Schumacher, H., Gesundheitsökonomie: Strukturen – Methoden –
Praxisbeispiele, 7. Aufl., Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2013, Kap. 1
Lauterbach, K.W., Stock, S., Brunner, H. (Hrsg.), Gesundheitsökonomie. Lehrbuch für
Mediziner und andere Gesundheitsberufe, 3. Aufl., Verlag Hans Huber, Bern 2013, Teil 1
Rosenbrock, R., Gerlinger, T., Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung, 3. Aufl.,
Verlag Hans Huber, Bern 2014, Kap. 1-2
Von der Schulenburg, J.-M. Graf, Greiner, W., Gesundheitsökonomik, 3. Aufl., Mohr Siebeck
Verlag, Tübingen 2013, Kap. I
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Gesundheit als Gut
 Konsum- und Kapitalgüter
 Konsumgut:
• Untergang nach einmaligem „Verzehr“
• Beispiele: Brötchen, Kinobesuch
 Kapitalgut:
• Mehrmalige Nutzung möglich
• Beispiel: Maschine
 Individuelle Gesundheit
 Nutzung in der Regel über mehrere (Lebens-)Perioden
 Verbesserungen und Verschlechterungen im Zeitablauf möglich
 Folgerung:
 Die Gesundheit eines Menschen stellt ein Kapitalgut dar!
 Gesundheit als Bestandteil des Humankapitals
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Gesundheit als Gut
 Gesundheitszustand als
 Leistung, die das Kapitalgut Gesundheit in einer Periode „abgibt“
 Indikator des Kapitalstocks
 Beschreibung der Gesundheit (Abb. 2) durch
 zwei Merkmale:
• Abfolge der Qualität der Gesundheitszustände
• Betrachtung der künftigen (verbleibenden) Lebenszeit
 den Zeitpfad des Gesundheitszustands
 Dimensionen der Gesundheit
 quantitativ: (verbleibende) Lebenslänge
 qualitativ: Gesundheitszustand bzw. gesundheitsbezogene Lebensqualität
 In aller Regel besteht bezüglich beider Dimensionen jeweils ein Risiko:
 Beispiele?
 Grund?
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Gesundheit als Gut
 Gesundheitskapital als Bestandsgröße,
 die sich auf einen Zeitpunkt bezieht
 die einen Zeitpfad des (künftigen!) Gesundheitszustands erzeugt
 Veränderungen im Zeitablauf:
 Verringerungen durch Abnutzung, z.B. aufgrund
• von Alter
• eines gesundheitsschädlichen Lebensstils
 Erhöhungen durch gesundheitsfördernde Faktoren, z.B.
• durch medizinische Behandlung
• durch einen geeigneten Lebensstil
 Terminologie (Abb. 3a):
 Abschreibungen auf das Gesundheitskapital: Abnutzung insgesamt
 Investitionen in die Gesundheit: Gesamteffekt der gesundheitsfördernden Faktoren
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Gesundheit als Gut
 Investitionen:
 Ersatzinvestitionen
• gleichen die Abnutzung (ganz oder teilweise) aus
• erhöhen den Kapitalstock, der ansonsten entstanden wäre
 Nettoinvestitionen
• bewirken eine Erhöhung des Kapitalstocks
• im Vergleich zum anfänglichen Bestand
 Summe: Bruttoinvestitionen
 Die Veränderung der Gesundheit im Zeitablauf
 entsteht als Gesamteffekt aller auf die Gesundheit einwirkenden Faktoren
 wird durch den Saldo aus Bruttoinvestitionen und Abschreibungen festgelegt
 entspricht der Nettoinvestition (die auch negativ sein kann)
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Gesundheit als Gut
 Vergleich der Gesundheit mit einer Immobilie (Abb. 3b):
 Kein wesentlicher Unterschied bezüglich
• Leistungsabgabe
• Bruttoinvestitionen
• Abschreibungen
• der Möglichkeit oder der Wirkung zufallsbedingter Schocks
 Ein wichtiger Unterschied besteht dennoch:
• Die Gesundheit eines Menschen ist nicht handel- bzw. übertragbar
• Organhandel bzw. –Transplantationen stehen nicht im Widerspruch dazu
 Folge: Ein Individuum
• ist an seinen Gesundheitszustand „gebunden“
• muss die gesundheitlichen Folgen von Erkrankungen selbst tragen
 Analogie zum Humankapital eines Menschen
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Bestimmungsfaktoren des Gesundheitszustands
 Der momentane Gesundheitszustand wird durch zahlreiche Faktoren beeinflusst (Abb. 4):
 Demographische Faktoren (z.B. Alter)
 Individuelle Faktoren (z.B. Lebensstil)
 Sozioökonomische Faktoren (z.B. Beruf)
 Strukturelle Faktoren (z.B. Arbeitsbedingungen)
 Medizinische Faktoren (z.B. Angebot an Gesundheitsleistungen)
 Alle Faktoren beeinflussen
 den Gesundheitszustand (aktuell und künftig)
 zugleich auch das Gesundheitskapital
 Individuen können ihr Gesundheitskapital erhöhen, indem sie
 Vorsorge betreiben und dadurch die Wahrscheinlichkeit von Erkrankungen verringern
 sich gesundheitsfördernd verhalten („Verhaltensprävention“)
 ein günstiges Wohn- und Arbeitsumfeld wählen („Verhältnisprävention“)
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Bestimmungsfaktoren des Gesundheitszustands
 Bestimmungsfaktoren und Gesundheit als Kapitalgut:
 Die Veränderung der Gesundheit ist abhängig von
• der Abnutzung des Kapitalstocks
• den Investitionen in die Gesundheit
• dem Kapitalstock in der Ausgangslage
 Eine günstigere Ausprägung bei einem Faktor
• kann durch die Veränderung anderer Faktoren konterkariert werden
• bedeutet somit nicht zwangsläufig eine bessere Gesundheit
 Aufgrund der Abnutzung ist der Zusammenhang zwischen Investitionen in die
Gesundheit und der Gesundheit selbst nicht eindeutig:
• Ein junges Individuum kann trotz geringerer Investitionen einen besseren
Gesundheitszustand aufweisen als ein älteres Individuum
• Unter sonst gleichen Umständen erfreuen sich Individuen mit guter Konstitution
einer besseren Gesundheit als Individuen mit schlechter Konstitution
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Bestimmungsfaktoren des Gesundheitszustands
 Die Vielzahl der Bestimmungsfaktoren und Aussagekraft von Vergleichen der Gesundheit
 Mögliche Ansatzpunkte:
• Querschnitt (regionaler Bezug)
• Längsschnitt (Vergleiche im Zeitablauf)
 Aussagen:
• Unterschiede bei einem Faktor
– haben einen Einfluss auf die Veränderung des mittleren Gesundheitszustands
– legen diese aber nicht fest, wenn noch weitere Unterschiede bestehen
• Unterschiede im mittleren Gesundheitszustand lassen ohne nähere Informationen
keinen Rückschluss auf den verursachenden Faktor zu
 Anwendungen:
• Vergleich der Sterblichkeit in Deutschland heute und vor 40 Jahren
• Vergleich der Sterblichkeit in Griechenland und Deutschland
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Messung der Gesundheit
 Die Messung der Gesundheit
 hat beide Dimensionen zu berücksichtigen:
• Mortalität (quantitative Dimension)
• Lebensqualität bzw. Morbidität (qualitative Dimension)
 kann individuumbezogen oder bevölkerungsbezogen erfolgen
 Die individuumbezogene Analyse erfasst
 die erwartete (Rest-)Lebenslänge
 die gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Bevölkerungsbezogene Analyse:
 Berücksichtigt werden
• Mortalitätsindikatoren
• Morbiditätsindikatoren
 Jeweils allgemeine oder spezifische Indikatoren
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Individuumbezogene Analyse
 Lebenserwartung bei Geburt (mittlere Lebenserwartung)
 (Rest-)Lebenserwartung in einem Alter (fernere Lebenserwartung)
 Bausteine:
 Kohorte eines festen Umfangs (z.B. 100.000) zu Beginn der Betrachtung, d.h.
• bei Geburt (für die mittlere Lebenserwartung)
• bei Vollendung eines Alters x0 (für die fernere Lebenserwartung im Alter x0)
 Altersstufen (Lebensalter):
• Betrachtet werden die Altersstufen 0, 1, …, ω
• ω bezeichnet das höchste betrachtete Lebensalter (z.B. 90 Jahre)
 Überlebende
• einer Altersstufe x bzw. im Alter x: Lx
• einer Altersstufe x+1 bzw. im Alter x+1: Lx+1
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Altersspezifische Sterbe- und Überlebensraten:
• Die Sterberate in einer Altersstufe x ist gegeben durch (Lx – Lx+1)/Lx
• Die zugehörige Überlebensrate beträgt 1 – (Lx – Lx+1)/Lx = Lx+1/Lx
 Ermittlung der Personenjahre, die
 in einem Alter x mit 1 ≤ x < ω gelebt werden:
• Px = Lx+1 + (Lx – Lx+1)/2 = (Lx + Lx+1)/2
• Annahme der Gleichverteilung der Todesfälle in dem betrachteten Alter
 im ersten Lebensjahr oder im Alter ω und danach gelebt werden:
• Im Alter 0 fallen Todesfälle vornehmlich zu Beginn an, d.h. es gilt P0 < (L0 + L1)/2
• Im Alter ω und danach sind mehrere Lebensjahre zu berücksichtigen
 Lebenserwartung (LE)
 bei Geburt (mittlere LE): LE0 = (P0 + P1 + … + Pω)/L0
 im Alter k (fernere LE im Alter k): LEk = (Pk + Pk+1 + … + Pω)/Lk
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Empirische Ermittlung anhand von Sterbetafeln:
 Rohdaten:
• Sterbefälle in den Altersstufen
• „Mittlere“ Bevölkerung in den Altersstufen
• Bezug auf ein Jahr t
 Aus diesen Daten können berechnet werden:
• Altersspezifische Sterberaten (wie oben definiert)
• Personenjahre in den Altersstufen, bezogen auf eine fiktive Kohorte
• Mittlere und fernere Lebenserwartung
 Zur Interpretation der empirisch ermittelten Lebenserwartungen:
 Beispiel LEk,t:
• LEk,t als Lebenserwartung im Alter k, bezogen auf die Sterberaten im Jahr t
• Grundlage: Altersspezifische Sterberaten (Altersstufen ≥ k) im Jahr t
 Die Ermittlung beruht auf der Annahme unveränderter Sterblichkeitsverhältnisse
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Wenn die altersspezifischen Sterberaten im Zeitverlauf
• sinken, unterschätzt LEk,t jeweils die tatsächliche Lebenserwartung
• steigen, überschätzt LEk,t jeweils die tatsächliche Lebenserwartung
 Sterberaten bzw. Sterbeziffern in Deutschland (Abb. 5a):
 Ausgeprägte Altersabhängigkeit
 Für Männer in aller Regel höher als für Frauen
 Im Zeitverlauf
• sind die Raten gesunken
• haben sich die Raten in den neuen Bundesländern (von deutlich höheren Werten
aus) den Sterberaten für das frühere Bundesgebiet angeglichen
 Überlebenskurven:
 Bezug auf (fiktive) Kohorten
 Kurve gibt für jedes Alter x den Anteil der Individuen an, der dieses Alter erreicht
 Die Funktionswerte sind durch Lx/L0 gegeben
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 In Deutschland (Abb. 5b) liegen die Überlebenskurven
• für spätere Zeitpunkte höher
• für Frauen höher als diejenigen für Männer
 Daten zur Lebenserwartung
 Mittlere Lebenserwartung (Abb. 6a):
• Für Frauen deutlich höher als für Männer
• Jeweils ausgeprägte Unterschiede zwischen den Bundesländern
• Im Zeitablauf jeweils
– deutliche Erhöhung
– Verringerung der Differenz zwischen Frauen und Männern
 Fernere Lebenserwartung (Abb. 6b):
• Lebensalter plus fernere Lebenserwartung > mittlere Lebenserwartung
• Die Aussagen für die mittlere Lebenserwartung gelten abgeschwächt
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Gesundheitsökonomie 1
Messung der Gesundheit: Mortalität
 Weshalb ist die Lebenserwartung für Frauen deutlich höher als für Männer?
• Genetische Unterschiede
– Bezug: LE25 von Nonnen und Mönchen im Alter von 25 Jahren
– Unterschied beträgt lediglich 1-2 Jahre
• Weitere Unterschiede: Lebensstil, Umweltfaktoren, …
 Mittlere Lebenserwartung in den deutschen Bundesländern:
• Bezug: Sterbetafeln 2013/2015
• Männer:
– Spanne von 76,17 (Sachsen-Anhalt) bis 79,52 (BW)
– Deutschland: 78,18
• Frauen:
– Spanne von 82,13 (Saarland) bis 83,90 (BW)
– Deutschland: 83,06
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Mittlere Lebenserwartung in Deutschland (kohortenbezogen):
 Bezug:
• Generationensterbetafeln
• Modellrechnungen des Statistischen Bundesamts
– Fortschreibung der altersspezifischen Sterberaten jeweils nach Trend
– Unterschiedliche Zeitfenster zur Trendberechnung: Zwei Varianten
 Ergebnisse für den Geburtsjahrgang 2009:
• Männer: 83,07 Jahre (Variante 1) bzw. 86,38 Jahre (Variante 2)
• Frauen: 88,28 Jahre (Variante 1) bzw. 90,68 Jahren (Variante 2)
 Bevölkerungsbezogene Analyse (in der Regel: je 100.000 Personen der Grundgesamtheit):
 Rohe Mortalitätsrate: tatsächliche Sterberate
 Altersstandardisierte Mortalitätsrate: Sterberate einer Standard-Bevölkerung
 Allgemeine und spezifische Mortalitätsraten
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Empirische Relevanz für Deutschland (Abb. 7a):
 Rohe Mortalitätsrate bei Frauen höher als bei Männern
 Höhere mittlere Lebenserwartung der Frauen
 Wie passt das zusammen?
 Bausteine (Abb. 7b):
 Altersspezifische Sterberaten
 Welche Altersstruktur wird herangezogen?
• Rohe Mortalitätsraten: aktuelle Bevölkerung
• Altersstandardisierte Mortalitätsraten: Standardbevölkerung
 Folgerungen für den Vergleich von Mortalitätsraten im Querschnitt (bzw. im Längsschnitt):
 Unterschiede (bzw. Veränderungen) der rohen Mortalitätsraten können entstehen durch
• Unterschiede (bzw. Veränderungen) der Altersstruktur
• Unterschiede (bzw. Veränderungen) der Sterberaten
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Messung der Gesundheit: Mortalität
 Nur Veränderungen der altersspezifischen Sterberaten können
• Unterschiede der altersstandardisierten Mortalitätsraten bewirken
• Veränderungen der altersstandardisierten Mortalitätsraten bewirken
 Einfluss der Altersstruktur: Vergleich
• des Unterschied (bzw. der Veränderung) der rohen Mortalitätsraten mit
• dem Unterschied (bzw. der Veränderung) der altersstandardisierten Raten
 Beispiele (Abb. 7b): Einfluss auf die rohen Mortalitätsraten von
• Unterschieden in der Altersstruktur (Fall 1)
• Unterschieden in der Altersstruktur und bei altersspezifischen Sterberaten (Fall 2)
 Pro & Contra altersstandardisierte Mortalitätsraten:
 Bessere Eignung für Vergleiche der bevölkerungsbezogenen Mortalität
 Weniger geeignet zur Erfassung der tatsächlichen Mortalität
 Problematik der Auswahl einer Standard-Bevölkerung
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Messung der Gesundheit: Mortalität/Ergänzende Aspekte
 Eine Altersstandardisierung für den Vergleich von Mortalitätsraten (Abb. 8)
 ist sinnvoll bei
• starker Altersabhängigkeit der altersspezifischen Sterberaten
• deutlichen Unterschieden in den Altersstrukturen der Bevölkerungen
 ist ansonsten unnötig
 Standardisierung von Mortalitätsraten bezüglich anderer Merkmale:
 Kann ebenfalls sinnvoll sein
 Voraussetzung: (Deutlicher) Einfluss auf die altersspezifischen Sterberaten
 Deutschland:
 Deutlich niedrigere altersspezifische Sterberaten gelten für
• Individuen mit hoher Bildung (Abitur)
• Individuen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen
 Ausgangspunkt für Analysen gesundheitlicher Ungleichheit
 Pro & contra Standardisierung: vgl. Argumente zur Altersstandardisierung
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Messung der Gesundheit: Mortalität/Ergänzende Aspekte
 Spezifische Mortalitätsraten:
 Bezug auf bestimmte Todesursache(n)
 Höhe auch abhängig von der Qualität der Erfassung
 Beispiel: Herz-Kreislauf-Mortalität nach Bundesländern (Abb. 9)
 Daten für 1991 und 2007:
• Sterbefälle je 100.000 Einwohner
• Altersstandardisierung
 In jedem Bundesland deutliche Verbesserung im betrachteten Zeitraum
 Regionale Unterschiede:
• Sterblichkeit in den neuen jeweils deutlich höher als in den alten Bundesländern
• In den alten Bundesländern teilweise ebenfalls ausgeprägte Unterschiede (2007):
– Hessen und Baden-Württemberg
– Saarland
– Übrige Länder
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Messung der Gesundheit: Mortalität/Ergänzende Aspekte
 Konzept der vorzeitigen Sterblichkeit
 Bezug:
• Vorzeitige Todesfälle, d.h. Todesfälle vor einem Schwellenalter (z.B. 65 Jahre)
• Alle Todesursachen
• Je 100.000 Einwohner; Altersstandardisierung
 Umsetzung:
• Variante 1: Vorzeitige Sterbefälle
• Variante 2: Verlorene Lebensjahre (potential years of life lost, PYLL)
– Vorzeitige Sterbefälle werden berücksichtigt mit der
– Differenz zwischen 65 Jahren und dem tatsächlichen Sterbealter
• Ergebnisse jeweils pro 100.000 Einwohner (altersstandardisiert)
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Messung der Gesundheit: Mortalität/Ergänzende Aspekte
 Vorzeitige Sterbefälle: In Deutschland (je 100.000, altersstandardisiert)
• deutlicher Rückgang im Zeitablauf
• deutliche Unterschiede (Abb. 10)
– zwischen den Bundesländern
– zwischen Männern und Frauen
 Verlorene Lebensjahre: In Mecklenburg-Vorpommern (je 100.000, altersstandardisiert)
• deutlicher Rückgang im Zeitraum 2002 – 2013:
– Männer: Von 44.383 auf 29.045
– Frauen: Von 15.710 auf 12.733
• sind diese 2013 vornehmlich auf folgende Ursachen zurückzuführen:
– Neubildungen (M: 26,2 %, F: 40,2 %)
– Krankheiten des Kreislaufsystems (M: 22,0 %, F: 16,2 %)
– Äußere Ursachen, z.B. KFz-Unfälle oder Suizid (M: 16,4 %, F: 13,7 %)
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Messung der Gesundheit: Morbidität
 Morbidität:
 Ebene von (Teil-)Bevölkerungen: Anzahl bzw. Anteil der Erkrankten
 Individuelle Ebene (alternativ):
• Gesundheitliche Beeinträchtigungen
• Funktionsfähigkeit
• Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Konzepte:
 Bevölkerungsbezogen vs. individuell
 Allgemein vs. spezifisch
 Erfassung: Abhängig von Umfang und Qualität der Diagnostik
 Allgemein : Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung ist innerhalb eines kurzen Zeitraums
 erkrankt oder
 aufgrund eines Unfalls verletzt
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Messung der Gesundheit: Morbidität
 Bsp. Mikrozensus:
 Bundesweite Befragung, repräsentative Stichprobe (1% der Bev.)
 Jährliche Erhebung, Teilnahme verpflichtend
 Zusatzerhebung „Fragen zur Gesundheit“:
• Alle vier Jahre
• Teilnahme freiwillig:
– Geringe Verweigerungsquote
– Ergebnisse daher repräsentativ
 Fragen zur Gesundheit (Abb. 11):
 Zeitlicher Bezug: Erhebungstag und vier Wochen davor
 Thema Gesundheitszustand: Als krank gilt eine Person, wenn sie im Berichtszeitraum
• von einem Arzt oder Heilpraktiker behandelt wurde oder
• wegen gesundheitlicher Probleme ihre normale Beschäftigung nicht ausüben kann
 Weitere Themen: Rauchverhalten, Körpermaße (auch: body mass index [BMI])
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Messung der Gesundheit: Spezifische Morbidität
 Wichtige epidemiologische Maßzahlen:
 Prävalenz (Bestandsgröße)
 Inzidenz (Stromgröße)
 Prävalenz: Anteil der Individuen mit der Krankheit („Fälle“) an einer (Teil-)Bevölkerung
 Punktprävalenz: Bezug auf einen Zeitpunkt (Beispiel: Prävalenz Brustkrebs am 01.01.)
 Periodenprävalenz:
• Bezug auf einen Zeitraum
• Beispiele:
– Ein-Jahres-Prävalenz
– Lebenszeit-Prävalenz
 Inzidenz: Anteil der innerhalb eines Zeitraums neu aufgetretenen Fälle
 Kumulative Inzidenz:
• Bezug auf eine Risiko-Bevölkerung (ohne die Krankheit) zu Beginn des Zeitraums
• Umso höher, je länger der betrachtete Zeitraum
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Messung der Gesundheit: Spezifische Morbidität
 Inzidenzrate:
• Bezug auf die Personenzeit unter Risiko
• Unabhängig von der Länge des betrachteten Zeitraums
 Inzidenz abhängig von
 Risikofaktoren
 sonstigen Faktoren (z.B. Alter)
 Prävalenz abhängig von
 Inzidenz
 (mittlerer) Krankheitsdauer
 Todesrisiko (Letalität) der Krankheit
 Qualität der Diagnostik (→ erfasste Prävalenz)
 Prävalenz und Inzidenz:
 Welche Zusammenhänge sind möglich?
 Weshalb kann die Prävalenz bei hoher (bzw. geringer) Inzidenz gering (bzw. hoch) sein?
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Messung der Gesundheit: Spezifische Morbidität
 Stationärer Zustand („langfristige Analyse“):
 Voraussetzungen:
• konstante Bevölkerung B
• konstante Punktprävalenz P und konstante kumulative Inzidenz I
• konstante mittlere Krankheitsdauer T (in Perioden)
 Zusammenhang zwischen Prävalenz und Inzidenz:
• Anzahl der Fälle: D = B ∙ P
• Veränderung im Zeitablauf: B ∙ (1 – P) ∙ I – B ∙ P ∙ (1/T) = 0
• Allgemein: I ∙ T = P/(1 – P)
• Bei niedriger Prävalenz: I ∙ T ≈ P
 Außerhalb stationärer Zustände können zusätzlich auftreten:
 Veränderungen von T und I
 Mögliche Ursachen: Medizinisch-technischer Fortschritt, veränderte Prävention
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Messung der Gesundheit: Morbidität/Ergänzende Aspekte
 Die Morbidität ist
 abhängig von Bildung und Einkommen sowie weiteren Risikofaktoren
 Grund (u.a.): Risikoverhalten hängt vom sozioökonomischen Status ab
 Daten zur Morbidität:
 In D verfügbar für meldepflichtige Krankheiten
• gemäß §6 Infektionsschutz-Gesetz anzuzeigende übertragbare Krankheiten
• z.B. für Tuberkulose
 Qualität auch abhängig von der „Meldedisziplin“
 Bis 2000 Aufbereitung durch Statistische Landesämter und Statistisches Bundesamt
 Seitdem ist das Robert Koch-Institut (RKI) verantwortlich
 Gesundheitsberichterstattung (z.B. Robert Koch-Institut 2012, Kap. 2):
• Daten zur Lebenszeitprävalenz von Erkrankungen/Beeinträchtigungen
• Getrennt nach Geschlecht und Bildungsniveau
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Zentrale Idee:
 Ein guter Gesundheitszustand bezeichnet mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit
 Die Gesundheit einer Bevölkerung umfasst den Gesundheitszustand
• derjenigen Individuen, die erkrankt sind
• auch derjenigen Individuen, die nicht erkrankt sind
 Gründe: Es können Unterschiede beim Gesundheitszustand bestehen
• zwischen Personen, die krank sind
• zwischen Personen, die nicht erkrankt sind
 Gesundheits-Definition der WHO (World Health Organisation) 1946: Gesundheit als
„…Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens…“
 Bemerkungen: Die WHO-Definition
 ist sehr anspruchsvoll!
 weist darauf hin, dass der Gesundheitszustand mehrere Komponenten umfasst
 bildet daher einen wichtigen Ausgangspunkt der Messung von Gesundheit
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Moderner Ansatz: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Dieses Konstrukt umfasst
• den Gesundheitszustand selbst
• Auch andere Aspekte der Lebensqualität mit einem Bezug zur Gesundheit
 Engeres Konzept als die Lebensqualität
 Erfassung (Abb. 12):
 (Selbst- oder Fremd-)Einschätzung der Funktionsfähigkeit bzw. Beeinträchtigung
• in körperlicher Hinsicht
• in geistiger Hinsicht
• in sozialer Hinsicht
 Ergänzung:
• Subjektives Wohlbefinden (subjektive Wahrnehmung der Gesundheit)
• Selbsteinschätzung
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Empirische Daten zur Selbsteinschätzung der Gesundheit:
 Bezug: Einschätzung des eigenen Gesundheitszustands als „sehr gut“ oder „gut“
 Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA):
• Frauen: 68,0 % (2009) bzw. 68,8 % (2010) bzw. 68,6 (2012)
• Männer: 72,9 % (2009) bzw. 74,6 % (2010) bzw. 72,2 (2012)
• Zur Erhebung:
– Jeweils repräsentative Befragungen der erwachsenen Bevölkerung
– Die Ergebnisse sind altersstandardisiert
 1. Welle, Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1, 2008-2011):
• Anteil der Frauen: 72,9 %
• Anteil der Männer: 76,6 %
 Gesundheitsindikatoren der Europäischen Union („European Core Health Indicators“):
• Anteil der Frauen (2011): 66,3 %
• Anteil der Männer (2011): 66,4 %
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Gesundheitsbezogene Lebensqualität (GLQ) als komplexes Konstrukt:
 Die zugrunde liegende Größe
• ist nicht direkt beobachtbar
• stellt deshalb eine latente Variable dar
• ist über geeignete Hilfsgrößen („Indikatoren“) zu erfassen
 Ziel: Möglichst gute Erfassung (eines Teils) der GLQ
 Anforderungen an Indikatoren:
• Validität: Diese ist hoch, wenn folgende Bedingungen in der Regel erfüllt sind:
– Veränderung des Indikators → Veränderung der Komponente der GLQ
– Veränderung der Komponente der GLQ → Veränderung des Indikators
• (Im Zusammenhang damit) Empfindlichkeit: Diese ist hoch, wenn der Indikator auch
bei geringen Veränderungen der Gesundheitskomponente reagiert
• Reliabilität (Zuverlässigkeit/Präzision): Diese ist hoch bei geringem Messfehler
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Messung der Komponenten:
 Anhand von Indikatoren („Items“)
 Diese sollen günstige Eigenschaften aufweisen
 Schritte:
 Auswahl der Indikatoren
 Skalierung bzw. Bewertung der Ausprägungen
 Eventuell noch Zusammenfassung (Aggregation) der einzelnen Werte
 Alternative Strategien für die Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität:
 Krankheitsübergreifend (generisch) oder krankheitsspezifisch
 Darstellung des Ergebnisses:
• „Index“: Aggregation zu einem Wert
• „Profil“:
– Ausweis der Werte für die einzelnen Komponenten
– Verzicht auf (vollständige) Aggregation
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Beispiel für ein generisches Indexinstrument (Abb. 13a und 13b): EQ-5D-3L
 Aufbau:
• Teil 1: Selbsteinschätzung der Gesundheit (5 Fragen, je 3 Antwortalternativen)
• Teil 2: Selbsteinschätzung über visuelle Analog-Skala (VAS)
• Teil 3: Ergänzend, zur empirischen Ermittlung von Abschlagsfaktoren
 Indexwerte:
• Multiplikative Verknüpfung der Werte für die einzelnen Komponenten
• Wert gleich Eins für „keine Probleme“, ansonsten Abschlagsfaktor
 Aktuell: Weiterentwicklung zum EQ-5D-5L:
• Zusätzliche Optionen:
– „Ich habe leichte Probleme“
– „Ich habe große Probleme“
• Mehr Aufwand vs. bessere Abbildung des Gesundheitszustands
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Beispiel für ein generisches Profilinstrument: Nottingham Health Profile
 Aufbau:
 38 Aussagen (items), die mit ja/nein beantwortet werden können
 6 Dimensionen: Energieverlust (3 items), Schmerz (8 items), emotionale Reaktion (9
items), Schlaf (5 items), soziale Isolation (5 items), körperliche Mobilität (8 items)
 Beispiele:
 „ich kann überhaupt nicht gehen“
 „ich habe nachts Schmerzen“
 „die Tage ziehen sich hin“
 Profilwerte:
 Gewichtung der items jeder Dimension so, dass Beantwortung
• nur mit „ja“ zu einem Score von 100 führt
• nur mit „nein“ einen Score von 0 ergibt
 Verzicht auf Aggregation der Scores der einzelnen Dimensionen
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Messung der Gesundheit: Gesundheitsbezogene Lebensqualität
 Profil- im Vergleich zu Indexinstrumenten:
 Höherer Informationsgehalt:
• Aggregationsregel bewirkt, dass verschiedene Profile denselben Indexwert erhalten
• Profilinstrumente weisen derartige Unterschiede im Gesundheitszustand aus
 Eingeschränkte Vergleichbarkeit von Profilen: Ein Vergleich ist
• möglich, wenn ein Profil in allen Dimensionen höhere Scores aufweist
• nicht möglich, wenn ein Profil
– bei einer Dimension einen höheren Score aufweist und
– bei einer anderen Dimension einen geringeren Score beinhaltet
 Krankheitsspezifische im Vergleich zu generischen Instrumenten: In der Regel
 höherer Informationsgehalt, da
• höhere Validität und größere Sensitivität
• Veränderungen besser interpretiert werden können
 weniger brauchbar für Entscheidungen aufgrund eingeschränkter Vergleichbarkeit
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Messung der Gesundheit: Lebenserwartung in Gesundheit
 Konzept:
 Ziel:
• Integration von Lebenslänge und Lebensqualität
• Darstellung der Gesundheit einer Bevölkerung anhand einer Messgröße
• Bessere Vergleichbarkeit der Gesundheit im Querschnitt und im Längsschnitt
 Umsetzung:
• Verknüpfung von Daten zur Mortalität und zum Gesundheitszustand, dabei wird
– die Mortalität durch die mittlere Lebenserwartung abgebildet
– der Gesundheitszustand durch alters(klassen-)bezogene Prävalenzen erfasst
• Varianten:
– Lebenserwartung in Gesundheit (healthy life expectancy, HLE)
– Lebenserwartung ohne dauerhafte Einschränkungen
– Behinderungsfreie Lebenserwartung (disability-free life expectancy, DFLE)
– Grundlage (jeweils): Prävalenzen des entsprechenden Zustands
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Messung der Gesundheit: Lebenserwartung in Gesundheit
 Berechnung:
• Grundlage:
– Kohorte eines festen Umfangs (z.B. 100.000 Personen) bei Geburt
– Daten (x bezeichnet entweder Altersstufen (bzw. -jahre) oder Altersklassen):
» Personenjahre Px (aus der Berechnung der Lebenserwartung)
» Prävalenzen des betrachteten Gesundheitszustands Z (aus Befragungen)
• Weitere Schritte:
– Schritt 1:
» Multiplikation von Px mit der zugehörigen Prävalenz
» Altersbezogene Personenjahre in Zustand Z
– Schritt 2:
» Summation der Ergebnisse aus Schritt 1 über alle Altersbereiche
» Division durch den Umfang der Kohorte bei Geburt (z.B. 100.000)
• Ergebnis: (mittlere) Lebenserwartung in Zustand Z
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Messung der Gesundheit: Lebenserwartung in Gesundheit
 Empirisches Beispiel: Gesundheitsindikatoren der Europäischen Union
 Bezug:
• Lebenserwartung ohne dauerhafte Beeinträchtigungen
• Daten zum Gesundheitszustand: Prävalenzen in
– der Altersklasse 16-64
– der Altersklasse 65+
• Vergleich für die Jahre 2008 – 2011
– von Bulgarien, Deutschland, Frankreich und dem Länder-Durchschnitt (EU-27)
– nach Geschlecht
 Daten
• zur mittleren Lebenserwartung (Abb. 14):
– Deutschland liegt (teilweise nur knapp) über dem Durchschnitt
– Lebenserwartung der Frauen jeweils höher
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Messung der Gesundheit: Lebenserwartung in Gesundheit
• zum Anteil der Bevölkerung mit dauerhaften Beeinträchtigungen (Abb. 15):
– Deutschland liegt jeweils deutlich über dem Durchschnitt
– Anteil der Frauen jeweils höher
– Teilweise starke Schwankungen (Bulgarien!)
 Ergebnisse (Abb. 16):
• Deutschland:
– Die HLE liegt jeweils deutlich unter dem Durchschnitt
– Die relativ schlechtere Lebensqualität dominiert die relativ längere Lebenszeit
• Geschlechtsspezifisch:
– Die HLE für Frauen liegt jeweils über der HLE für Männer (teilweise nur knapp)
– Die relativ längere Lebenszeit dominiert die relativ schlechtere Lebensqualität
– Unterschiede in der HLE deutlich geringer als in der mittleren Lebenserwartung
• Teilweise starke Schwankungen (Bulgarien!)
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Messung der Gesundheit: Lebenserwartung in Gesundheit
 Aspekte zur Beurteilung der Lebenserwartung in Gesundheit (oder in anderem Zustand):
 Daten
• zur Lebenserwartung: Vergleichbarkeit gegeben
• zu den Prävalenzen des Zustands mit dauerhaften Beeinträchtigungen:
– Altersstruktur nur in geringem Umfang berücksichtigt
– Angaben abhängig u.a.
» von der Erhebung (z.B. Formulierung der Frage)
» von kulturellen Unterschieden
 Ländervergleich:
• Aussagekraft problematisch, da die o.a. Faktoren hinweg stark variieren können
• Daten zur Lebensqualität bedürfen der Überprüfung
 Vergleich im Zeitablauf:
• Für ein Land unproblematisch (nach Geschlecht)
• Grund: Geringe Variation der o.a. Faktoren
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Vertiefende Literatur
Ministerium für Arbeit, Gleichstellung und Soziales des Landes Mecklenburg-Vorpommern,
Gesundheitsberichterstattung – Gesundheitsindikatoren MV, Themenfeld 3: Gesundheitszustand der
Bevölkerung, http://web.regierung-mv.de/Landesregierung/sm/gesundheit/Zahlen,-Daten,Fakten/Download-der-Gesundheitsindikatoren-MV?para=e-BiboInterTh03
Greiner, W. und Claes, C., Der EQ-5D der EuroQol-Gruppe, in: Schöffski, O. und von der Schulenburg, J.M. (Hg.), Gesundheitsökonomische Evaluationen, 4. Aufl., Springer Verlag, Berlin u.a.O. 2012, S. 411-422
Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.), Daten des Gesundheitswesens 2015, Berlin, Stand: Oktober
2015, Kap. 2 und 4
Robert Koch-Institut (Hrsg.), Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell
2012“, Berlin 2014
Schwartz, F.W., Schlaud, M., Siegrist, J. und von Troschke, J., Wer ist gesund? Wer ist krank? Wie gesund
bzw. krank sind Bevölkerungen?, in: Schwartz, F.W. et al. (Hrsg.), Public Health: Gesundheit und
Gesundheitswesen, 3. Aufl., Verlage Elsevier, Urban & Fischer, München 2012, S. 37-60
Statistisches Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.), Datenreport 2016.
Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2016, Kap. 10.1 – 10.2
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Einfluss von Risikofaktoren
 Risikofaktor:
 Einflussgröße auf die Gesundheit, die einhergehen kann
• mit einer Erhöhung des Risikos bestimmter Erkrankungen oder
• mit einer Erhöhung des Behandlungsaufwands im Falle einer Erkrankung
• (bei letalen Erkrankungen) mit einer Erhöhung der Sterblichkeit
 Beispiele:
• Rauchen (z.B. Erhöhung des Risikos von Lungenkrebs)
• Übergewicht und Adipositas (z.B. Erhöhung des Risikos von Herzerkrankungen)
 Allgemein:
• Risikofaktor als Faktor, der sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann
• Begriff umfasst beispielsweise
– gesundheitsschädliches Verhalten
– umweltbezogene Gesundheitsrisiken
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Einfluss von Risikofaktoren
 Gesundheit bzw. Gesundheitszustand und Risikofaktoren:
 Welchen Einfluss hat ein Risikofaktor auf
• die Inzidenz einer (oder verschiedener) Erkrankung(en)?
• die Sterblichkeit?
• die Anzahl der betroffenen Personen in der Bevölkerung?
 Mögliche Bezüge (Auswahl):
• Exposition versus Nicht-Exposition:
– Exposition ist gegeben, wenn der Risikofaktor vorhanden ist
– Gegebenfalls in Abhängigkeit von weiteren Faktoren, z.B. Alter
• Ausmaß der Exposition (wenn davon die Risiken abhängen),
– Beispiel Rauchen: Gelegenheits-, Ketten- und Passivraucher
– Beispiel Fettleibigkeit: Verschiedene Grade der Adipositas
 Prävalenz wichtiger Risikofaktoren informiert über die Gesundheit einer Bevölkerung
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Einfluss von Risikofaktoren
 Empirische Daten zur Prävalenz von Risikofaktoren in Deutschland:
 Bezug:
• Gesundheit Erwachsener in Deutschland GEDA (Befragung)
• DEGS1 (Befragung plus Untersuchung bzw. Messung)
 Rauchen:
• Indikator: „Tägliches oder gelegentliches Rauchen“
• GEDA 2012:
Bei Männern 31 %, bei Frauen 24 %
 Adipositas (BMI ≥ 30):
• GEDA 2012:
Bei Männern 16,7 %, bei Frauen 16,2 %
• DEGS1:
Bei Männern 23,3 %, bei Frauen 23,9 %
 Alkoholkonsum:
• Indikator „Risikokonsum“ erfasst Häufigkeit und Menge des Alkoholkonsums
• GEDA 2012:
Bei Männern 33 %, bei Frauen 20 %
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Einfluss von Risikofaktoren
 Wichtige Messgrößen (Abb. 17):
 Beispiel Morbidität: Betrachtung von Individuen über einen Zeitraum,
• die dem Risikofaktor
– ausgesetzt gewesen sind (Exposition, E) oder
– nicht ausgesetzt gewesen sind (Nicht-Exposition, NE)
• bei denen die Erkrankung
– entweder neu aufgetreten ist (K) oder
– nicht aufgetreten ist (NK)
 Aus den Daten ermittelt man
• die Inzidenz der Erkrankung bei Exposition: IE = A/NE = 5/9 ≈ 0,56
• die Inzidenz der Erkrankung bei Nicht-Exposition: INE = C/NNE = 4/21 ≈ 0,19
• jedoch nicht die Inzidenz bei der Grundgesamtheit
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Einfluss von Risikofaktoren
 Außerdem sind folgende bevölkerungsbezogene Größen wichtig:
• Prävalenz des Risikofaktors (P)
• Inzidenz der Erkrankung IB = P ∙ IE + (1 – P) ∙ INE
• Es gilt IB ≈ 0,37 für P = 0,5 und IB ≈ 0,23 für P = 0,1
 Risikodifferenz (RD):
• RD = IE – INE
• Interpretation: Erhöhung der Inzidenz durch den Risikofaktor
• Im Beispiel: RD ≈ 0,37
 Relatives Risiko (RR):
• RR = IE/INE
• Interpretation: Vervielfachung der Inzidenz durch den Risikofaktor
• Im Beispiel: RR = (5/9)/(4/21) ≈ 2,92
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Einfluss von Risikofaktoren
 RR und RD: Für RR = 2
• folgt aus INE = 0,1 für die Inzidenz bei Exposition: IE = 0,2
• fällt RD umso höher aus, je größer INE
 Attributables Risiko der Population (AR):
• AR = IB – INE = P ∙ (IE – INE) = P ∙ RD
• Interpretation: Erhöhung der Inzidenz durch die Exposition, die bewirkt wird
– durch die Erhöhung der Inzidenz (RD) oder
– die Erhöhung der Prävalenz des Risikofaktors (P)
• AR umso höher (unter sonst gleichen Umständen), je größer P
• Im Beispiel:
– AR ≈ 0,185 für P = 0,5
– AR ≈ 0,037 für P = 0,1
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Einfluss von Risikofaktoren
 Attributable Fraktion der Exponierten (EAF):
• EAF = (IE – INE)/IE = 1 – 1/RR
• Interpretation: Anteil der Inzidenz bei Exposition, den der Risikofaktor bewirkt
• Im Beispiel: EAF ≈ 0,66
• P hat keinen Einfluss auf EAF
 Attributable Fraktion der Population (PAF):
• PAF = (IB – INE)/IB = AR/IB
• Interpretation: Anteil der Inzidenz der Bevölkerung, den die Exposition bewirkt
• PAF umso höher (unter sonst gleichen Umständen), je größer P
• Im Beispiel:
– PAF ≈ 0,49 für P = 0,5
– PAF ≈ 0,17 für P = 0,1
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Einfluss von Risikofaktoren
 Expositions-attributable Anzahl (AN):
• AN = (IE – INE)∙NE = RD∙NE
• Interpretation: Anzahl von Personen, die aufgrund der Exposition erkrankt sind
• Statistische Größe:
– Beim einzelnen Fall bleibt unklar, ob E die Ursache der Erkrankung ist
– Bezogen auf NE gehen AN Fälle auf E zurück
• Im Beispiel: AN ≈ 0,37 ∙ 9.000 ≈ 3.330
 Kennziffer NNH (“number needed to harm“):
• NNH = 1/RD
• Interpretation: Zahl der Exponierten, die zu einer zusätzlichen Erkrankung führen
• Im Beispiel: NNH ≈ 1/0,37 ≈ 2,7
• Es gilt: NE/NNH = NE∙RD = AN
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Einfluss von Risikofaktoren
 Anwendung auf die Sterblichkeit S (Abb. 18):
• Die Größe RRS
– gibt an, auf welches Vielfache der Risikofaktor die Sterblichkeit erhöht
– wird wie folgt berechnet: RRS = SE/SNE
• Die Größe SB
– stellt die bevölkerungsbezogene Mortalität dar
– wird berechnet durch SB = P ∙ SE + (1 – P) ∙ SNE
• Die Größe PAFS
– gibt den Anteil der Mortalität in der Bevölkerung an, den der Risikofaktor bewirkt
– wird wie folgt berechnet: PAFS = (SB – SNE)/SB
– wird in der Abbildung als „Raucheranteil an der Mortalität“ bezeichnet
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Einfluss von Risikofaktoren
 Chancen und Grenzen dieser Analyse einzelner Risikofaktoren:
 Wichtige Informationen über den Einfluss des Risikofaktors
• auf das Morbiditäts- oder Mortalitätsrisiko
• auf die Morbidität oder Mortalität in der Bevölkerung
 Einfluss auf die Gesundheit eventuell ungenau oder irreführend erfasst:
• Das Ausmaß der Exposition kann (sehr) wichtig sein
• Probleme bei Nichtberücksichtigung weiterer relevanter Risikofaktoren
• Beispiel: Übergewicht/Adipositas (gemessen anhand des BMI) und Sterblichkeit
– Einige empirische Studien haben keinen Zusammenhang gefunden
– Aber: Rauchen und chronische Erkrankungen beeinflussen den BMI
– Neue Studie:
» Bezug: Gesunde Nicht-Raucher, die noch mehr als 5 Jahre gelebt haben
» Ergebnis: Übergewicht und Adipositas erhöhen die Sterblichkeit deutlich
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72
Vertiefende Literatur
Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.), Daten des Gesundheitswesens 2015, Berlin,
Stand: Oktober 2015, Kap. 3
Global BMI Mortality Collaboration, Body-mass index and all-cause mortality: individualparticipant-data meta-analysis of 239 prospective studies in four continents, Lancet, Vol.
388 (2016), S. 776-786
Prenzler, A., Graf von der Schulenburg, J.-M., Zeidler, J., Übungen zu Public Health und
Gesundheitsökonomie, Springer Verlag, Berlin und Heidelberg 2010, Kap. 1
Robert Koch-Institut (Hrsg.), Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie „Gesundheit in
Deutschland aktuell 2012“, Berlin 2014, Kap. 3.17, 3.23, 3.25 und 3.26
Robert-Koch-Institut (Hrsg.), Gesundheit in Deutschland. Gesundheitsberichterstattung des
Bundes, Berlin 2015, Kap. 3
Statistisches Bundesamt, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Hrsg.),
Datenreport 2016. Ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2016, Kap.
10.3
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