Die Geschichte der südl. Pfalz, bes. Landau (1789 bis ins 19.Jhd.)

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Facharbeit im Fach Geschichte
Schuljahr 1996 / 97
"Die Geschichte der Südlichen Pfalz und Landau
von Ludwig XIV. bis zum 19. Jahrhundert"
Uli Sinz
Starenweg 9
55122 Mainz
-2-
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1.
Die französische Pfalz unter Ludwig XIV.
1.1
Vorgeschichte
1.1.1 Westfälischer Friede 1648
1.1.2 Die Hintergründe der Reunionspolitik
1.2.
Vauban in Landau
1.2.1 Situation und Gutachten Vaubans
1.2.2 Festungsbau
1.3
Dritter Pfälzer Erbfolgekrieg 1688-1697
1.4
Spanischer Erbfolgekrieg 1701-1714
1.4.1 Kampfplatz Landau
1.4.2 Befestigungen im Krieg
2.
Pfälzer in neuer Heimat
3.
Revolutionskrieg am Beispiel Edenkoben
4.
5.
6.
3.1
1793: Landau wird entsetzt
3.2
Der Winter 1793/94 bis Sommer ´94
3.3
Stellungskrieg
3.4
Letzte Kämpfe um Edenkoben 1795/96
Die Zeit Napoleons bis zum 2. Pariser Frieden
4.1
Ideen der Aufklärung
4.2
Französische Verwaltung
4.3
Schlußbetrachtung
Die bayrische Pfalz
5.1
Verwaltung und Situation
5.2
Hambacher Fest
5.3
Das Ende Rheinbayerns
Die Ringstraßenarchitektur in Landau (1871)
Schlußbetrachtung
Anhang
-3-
Einleitung
Diese Facharbeit gibt einen Einblick in die Geschichte der Südlichen Pfalz, insbesondere Landau und Umgebung. Dabei wird die Zeit von der französischer Besatzung durch Ludwig XIV. bis zu Napoleon und die Zeit unter bayrischer Verwaltung nach dem 2. Pariser Frieden 1815 näher dargestellt.
„Willst du ein Stück Weltgeschichte kennenlernen, so sieh dich in der Geschichte
deiner Vaterstadt um.“1 Dies sagte einmal der Landauer Geschichtsschreiber Joh.
Georg Lehmann. Dieses Zitat verdeutlicht den Grund der Wahl dieses Themas für
meine Facharbeit. Zum einen verbindet mich Landau durch meine Familie. Außer
mir sind alle meine Familienmitglieder in Landau und Umgebung geboren. Schon
seit meiner Kindheit fahren wir regelmäßig nach Landau zu unseren Verwandten.
Es bestand also schon immer eine enge Verbindung zu dieser Stadt. Ein weiterer
Grund ist, daß Landau eine interessante Geschichte hat. Die Stadt war eine Art
Knotenpunkt der Geschichte. Als Grenzstadt war sie oft der Auslöser für weltpolitische Konflikte. Mich beeindruckt, daß diese „kleine“ Stadt über mehrere Jahrhunderte der Brennpunkt europäischer Machtkämpfe war.
Im ersten und größten Teil meiner Arbeit beschreibe ich die Pfalz unter französischer Verwaltung: Vom Festungsbau Landaus über einige Kriege bis hin zum Revolutionskrieg am Beispiel Edenkoben. Diese Schlacht entschied, daß die Franzosen bis zum linken Rheinufer vorstoßen konnte. Unter bayrischer Verwaltung
„erwacht“ das Volk. Die Bürger werden aktiv und beginnen sich politisch zu engagieren. Der Höhepunkt ist das Hambacher Fest. Nach 1871 wird Landau - seitdem unter deutscher Verfassung - entfestigt. Die Ringstraßenarchitektur schmückt
noch heute das Bild der Stadt und läßt ein Stück Geschichte noch in der heutigen
Zeit lebendig werden.
1
vgl. H. Heß, Landau in der Pfalz - Ein Abriß seiner Geschichte, S. 1
-41.
Die französische Pfalz unter Ludwig XIV.
1.1
Vorgeschichte
1.1.1 Westfälischer Friede 1648
Der 30-jährige Krieg hatte schwerwiegende Folgen für das deutsche Kaiserreich: große Bevölkerungsverluste, furchtbare Verwüstungen und Verarmung der Bauern und des Bürgerstandes. „Die Ursachen des Krieges
liegen in erster Linie im religiösen Gegensatz zwischen Katholiken und
Protestanten.“2 Durch den Westfälischen Frieden vom Oktober 1648
wurde der 30-jährige Krieg zwischen dem deutschen Kaiserreich mit
Frankreich und mit Schweden beendet. Die wichtigste Bestimmung des
Westfälischen Friedens für Frankreich war die Besitzbestätigung für die
Städte Toul, Metz und Verdun, sowie für zehn Reichsstädte im Elsaß, darunter Landau. Die zehn Reichsstädte wurden zum sog. Elsässischen-ZehnStädte-Bund zusammengefaßt und waren Ludwig XIV. unterstellt. Frankreich hatte die Vormachtstellung in Europa erreicht.
1.1.2 Die Hintergründe der Reunionspolitik
Es war schon immer Frankreichs Wunsch, bis zum Rhein vorzustoßen, da
er eine gute natürliche Grenze abgab. Deshalb hatte Ludwig XIV. die
Reunionskammern gegründet, um Territorialansprüche im Elsaß und in der
Pfalz geltend zu machen. Diese Gremien beanspruchten rund 600
Herrschaften. Die Ansprüche waren jedoch sehr zweifelhaft, da die Verwandtschaft der Herrschaften mit Frankreich meist sehr entfernt lagen. Die
betroffenen Inhaber mußten einen Lehnseid ablegen, anschließend zog
Frankreich mit Truppen in das Territorium ein.
1.2
Vauban in Landau
1.2.1 Situation und Gutachten Vaubans
Landau gehörte zur Zeit Ludwig XIV. dem Elsässischen-Zehn-Städte-Bund
an (s. 1.1.1) und stand somit unter französischer Verwaltung. Die
2
vgl. Der Volks-Ploetz, S. 326
-5Franzosen betrachteten Landau - wegen seiner ehemaligen Zugehörigkeit
zum Elsaß - ohnehin als immer noch zum Elsaß gehörend. Landau hatte
damals eine schlechte alte Befestigung. Vauban, der Baumeister Ludwig
XIV., erstellte ein Gutachten über diese Befestigung. Ihm schien nur der
breite, mit Wasser gefüllte Graben vor dem Wall und das Material der alten 2 km langen rechteckigen alten Mauer, die eine mittelmäßige Beschaffenheit für einen neuen Festigungsbau hatte, nützlich. Vauban schrieb in
seinem Bericht, daß Landau eine Festung werden müsse, „eine der stärksten der Christenheit“: Denn die Stadt ist „in einer der besten Gegenden
des Elsaß gelegen, wo es sehr leicht sein werde, große Mengen von Getreide und Fourage, von Munition und Kriegsvorräten aller Art anzuhäufen, wie sie zu den Unternehmungen nötig sind, die der König etwa im
Hinblick auf Philippsburg3 und auf die Pfalz ausführen lassen wollte.“4
Die Absicht der Franzosen war demnach Philippsburg wiederzugewinnen,
um dann Heidelberg bedrohen zu können. Der Plan sollte durch die
Schließung des „Einfalltors zum Elsaß“, also Landau, gelingen. Frankreich
muß, wie Vauban berichtet, „mit Landau einen festen Rückhalt gewinnen
für die Durchführung großer Vorhaben im besten Teile von Deutschland
und gerade in dem, der uns am besten zusagt. [...] Es ergibt sich daraus,
daß es von höchster Notwendigkeit ist, das Elsaß zu verschließen.“5
1.2.2 Festungsbau
1688 legte der Kriegsminister Louvois den Grundstein der Festung. Damals hatte Landau 2 000 Einwohner. Der Festungsbau war ein großes
Unterfangen. Deshalb wurden 20 000 Arbeiter herangezogen. Aus der
Umgebung von Albersweiler wurden Sandsteinquader benutzt. Den
Transport der Steine erleichterte ein Kanal, der 7 m breit war. 1 000 pfälzische Bauern mußten für Bauholz sorgen.
3
= Brückenkopf auf der rechten Rheinseite
4
vgl. K. Moersch, Geschichte der Pfalz - Von den Anfängen bis ins 19. Jhd., S. 388/389
5
s.o. Fußn. 4
-61689 wurde Landau wegen eines Stadtbrandes zu 75 % zerstört. Dies war
jedoch kein Zufall. Es war ein „warmes Abbrechen“6 alter Gebäude. Die
französischen Soldaten hinderten die Landauer Bürger sogar am Löschen.
Jetzt gab es genügend Platz zur Verwirklichung der Pläne des französischen Ingenieurobersten Tarade, der 1701 und 1702 ein Fort nordwestlich
Landaus auf dem Kaffenberg in Form einer Krone erbaute. Der Mittelpunkt der Stadt wurde nun die Kommandantur und der Paradeplatz. Die
Festung war ein längliches Achteck mit sieben Türmen, die die Ecken
schützten (Vauban´sches System). Dazu kam das achte Bauwerk, die Reduit („die letzte Instanz der Verteidiger“). Diese Festung wurde durch
Wälle und Gräben, sowie Anlagen für Geschützverteidigungen ergänzt.
Zugänge waren das französische Tor im Südwesten und das deutsche Tor
im Nordosten. Beide sind noch heute in Landau zu sehen (s. auch Anhang).
Sie sind mit einer Widmung versehen, die Ludwig XIV. als das
menschliche Antlitz der Sonne darstellt. Auf einem Schriftband steht:
„Nec pluribus impar“7. Der Fluß Queich teilte die Festung in zwei Teile
und flutete das Grabensystem.
1.3
Dritter Pfälzer Erbfolgekrieg 1688-97
Ludwig XIV. größter Wunsch war die Besetzung der Pfalz. Liselotte von
der Pfalz war mit seinem Bruder verheiratet. Ludwig XIV. stellte deshalb
Erbansprüche (s. 1.1.2). Der Dritte Pfälzer Erbfolgekrieg war kein regional
begrenzter Krieg - es war ein europäischer Machtkampf. Die Engländer
traten für den Grundsatz des „Balance of Power“, also einer ausgeglichenen Machtverteilung ein. Deshalb war der englische König Wilhelm
von Oranien Hauptgegner Ludwig XIV., da die Engländer durch die Aktionen von Ludwig das europäische Machtverhältnis nicht mehr gewährleistet sahen. Die Engländer waren der Auffassung, daß kein europäischer
Fürst sich der Universalmonarchie Frankreichs unterordnen sollte. Im
Herbst 1688 wurde die Pfalz von Frankreich überfallen. Die pfälzischen
Gebiete und Philippsburg konnten von den Franzosen schnell besetzt wer6
s.o. Fußn. 4
7
="auch mehreren gewachsen"; s.o. Fußn. 4
-7den, da die Pfalz kaum Soldaten hatte. 1688/89 wurde die Pfalz systematisch zerstört (besonders Speyer, Mannheim und Heidelberg). Die genauen
Gründe sind nicht bekannt, doch man vermutet, daß der französische
Kriegsminister Louvois seine Finger im Spiel hatte. Er praktizierte eine
Zerstörungspolitik und wollte alle besetzten Plätze zerstören. 1692 besiegt
die englisch-holländische Flotte Frankreich am Cap de la Hogue. England
stand dadurch als Seemacht vor Frankreich.
Die Große Allianz zwischen England, dem deutschen Kaiser Leopold I.,
Spanien, Schweden, den Niederlanden, den Savoyen und einigen bedeutenden Reichsfürsten zwang Frankreich 1697 zum Friede von Rijswijk.
Frankreich behielt die im Elsaß besetzten Gebiete mit Landau und Straßburg, mußte aber auf Lothringen verzichten.
1.4
Spanischer Erbfolgekrieg 1701-1714
Infolge der Kinderlosigkeit des spanischen Habsburgers Karl II. kamen
nach dessen Tod französische und österreichische Erbansprüche in Betracht. Frankreich befürchtete, von den Habsburgern geographisch
„umklammert“ und eingeschlossen zu werden; Österreich befürchtete den
Verlust des Erbes, da Frankreich im Testament Karls II. bevorzugt wurde.
Frankreich nahm sich schließlich ohne Rücksicht das Erbe. Daraufhin
wurde eine Koalition zwischen England, den Niederlanden, Österreich und
Polen gegen Frankreich gebildet, um dem Grundsatz des „Balance of Power“ Rechnung zu tragen.
1.4.1 Kampfplatz Landau
1702 belagerte der Österreicher Ludwig Wilhelm von Baden, der sog.
„Türkenlouis“, Landau und übernahm es kurze Zeit später. 1703 wurde
Landau wieder französisch, da die österreichischen Truppen geschwächt
waren. Diese Truppen wurden am Oberrhein stationiert, da es eine strategisch bessere Lage im Krieg war. 1704 nahm der Türkenlouis Landau er-
-8neut ein; erst 1713 wurde Landau wieder französisch. Im Friede von
Utrecht wurde Frankreich das Elsaß, Landau und Straßburg zugesprochen.
Am 1.9.1715 starb Ludwig XIV. Er hinterließ ein durch Kriege erschöpftes
Land mit verelendeten Bauern, einer extrem hohen Staatsschuld und
gesunkenem Ansehen. Trotz des Besitzes von Landau und Straßburg, die
laut Vauban ein Schlüssel zum Elsaß sind (s. 1.2.1), rückte Frankreich in
Europa hinter Habsburg und Österreich auf Platz 2. Doch Landau und die
Pfalz blieben weiterhin ein Brennpunkt der europäischen Rivalitäten und
Machtkämpfe.
1.4.2 Befestigungen im Krieg
Während der Kriege wurden ganze Landstriche befestigt:
1. 1606/07 entstand durch Frankreich im Bienwald an der Lauter mit Hilfe
zwangsverpflichteter Bauern eine befestigte Linie zwischen Lauter und
Weißenburg zum Schutz des Elsaß. Diese Linie bestand aus einem
Erdwall mit einem Graben, vorspringenden Schanzen in bastionärer
Form sowie Redouten, die über die Lauter vorgeschoben waren. Feste
Punkte waren Weißenburg, Lauterburg, Altenstadt, die Bienwaldmühle
und die Burg St. Remi. 1744 und 1793 fanden hier Kämpfe statt.
Österreich konnte schließlich im Koalitionskrieg (s. 3.) den Bienwald
einnehmen.
2. Der Fluß Queich wurde 1702 von Germersheim bis Landau befestigt.
3. Der Speyerbach wurde 1734/35 von Speyer bis Neustadt befestigt.
2.
Pfälzer in neuer Heimat
Durch die vielen Kriege und die damit verbundenen wüsten Zerstörungen
der Pfalz entstand eine wirtschaftliche Not der Bevölkerung. Dies hatte
-9eine Welle der Auswanderungen in Bewegung gesetzt. Viele Bauern und
Bürger siedelten sich in Pennsylvania/USA an. Meist wanderten ganze
Familien oder manchmal auch ganze Dörfer gemeinsam aus, um „eine gesicherte Existenz auf eigenem Grund und Boden“8 zu erlangen.
Die kurpfälzische Verwaltung mit Sitz in Mannheim ähnelte der des Versailler Hofes: korrupte Obrigkeit und Ungerechtigkeit. Doch durch den
Kurfürsten Karl Theodor, der ein Musik- und Kunstliebhaber war, konnte
die deutsche Kunst wieder aufleben. Als bedeutende Beispiele sind das
Mannheimer Hofleben mit dem Nationaltheater und die Mannheimer
Schule
mit
dem
Musiker
Carl
Stamitz
zu
nennen.
Man bemühte sich, „die deutsche Sprache als Literatursprache im Wettbewerb mit der französischen Diplomaten- und Literatursprache durchzusetzen.“9 Der Sturm und Drang und später die Klassik waren Kunstepochen, die Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe oder Friedrich Schiller
prägten.
3.
Revolutionskrieg am Beispiel Edenkoben
1789 begann die Französische Revolution. Dieses Ereignis hatte für
Landau und Umgebung eine bedeutende Folge: der Krieg 1792-95. „Am
20. April beschließt die Gesetzgebende Versammlung10 die Kriegserklärung an Österreich.“11 Es bricht der sog. 1. Koalitionskrieg aus (Frankreich
gegen Österreich und Preußen). „Die Girondisten sind bestrebt, die
Revolution im Land durch Kriege gegen äußere Feinde zu festigen. Sie
knüpfen dabei an die außenpolitische Tradition des Königtums an
8
vgl. K. Moersch, a.a.O. S. 432
9
vgl. K. Moersch, a.a.O. S. 429
10
(=Assemblée législative) beginnt ab 1. Oktober 1791 ihre Tätigkeit in Frankreich. Sie wird vom
revolutionsnahen Bürgertum beherrscht; führend sind die Girondisten.
11
vgl. Der Volks-Ploetz, S. 366
- 10 („natürliche Grenze“) und sprechen von Freiheitsmission Frankreichs den
anderen Völkern gegenüber.“12
3.1
1793: Landau wird entsetzt
1792 hatten die Franzosen den Rhein zu ihrer natürlichen Landesgrenze
gemacht. Wegen innenpolitischer Schwierigkeiten konnte Frankreich jedoch seine Stellung nicht halten. Seit dem 23. Juli 1793 wurde die Grenze
durch den Österreicher Herzog von Braunschweig bis Pirmasens, Landau
und Germersheim vorgeschoben. Die Franzosen standen an der Weißenburger Linie und in Saarbrücken. Nach einigen Kämpfen um Pirmasens
und Kaiserslautern sollte Landau von den Franzosen entsetzt werden.
Die Franzosen bekamen diesen Befehl vom Nationalkonvent. Saint-Just,
Mitglied des Wohlfahrtausschusses schrieb an Hoche, ein General mit
Oberbefehl über die französische Moselarmee: „General, wir treffen uns in
Landau“13. Außerdem ließ er die Parole verlauten: „Landau ou la mort.“14
Es galt zunächst, den österreichischen Oberbefehlshaber Wurmser aus dem
Elsaß zu verjagen, dessen Truppen durch Kämpfe u.a. im Bienwald stark
geschwächt waren. Am 22. Dezember stürmten 90 000 Männer von Hoche
die Redouten von Reichshof und Wörth. „Am 26. Dezember wurden
Wurmsers Truppen am Geisberg geschlagen. Die preußischen Truppen
mußten den Rückzug antreten und die Belagerung Landaus aufheben. Am
27. Dezember zog General Hoche unter Jubel in die befreite Festung
Landau ein.“15
Der Herzog von Braunschweig reichte sein Entlassungsgesuch ein, da
seine preußischen Truppen die Stellung um Landau nicht halten konnten.
Ein weiterer Grund waren die Unstimmigkeiten mit dem Partner Öster-
12
s.o. Fußn. 11
13
vgl. L. Schütte, Die Kämpfe um Edenkoben und das Schänzel während der französischen
Revolutionskriege, S. 27
14
"= Landau oder Tod" s.o. Fußn. 13
15
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 28
- 11 reich, besonders mit Wurmser, der dann auch nach Wien zurückberufen
wurde. An Wurmsers Stelle trat der alte Feldmarschall von Möllendorf.
Nachfolger Herzog von Braunschweigs wurde Gebhard Leberecht von
Blücher.
3.2
Der Winter 1793/94 bis Sommer ´94
„Den zurückweichenden Truppen der Alliierten [= Österreich und Preußen] folgten Republikaner [= Franzosen], die sich den berüchtigten Entleerungskommissionen angeschlossen hatten, die ‘unabhängig von den Befehlshabern der republikanischen Truppen diesen schauderhaften Entschluß [der Ausleerung der Pfalz] vollstrecken sollten’“16. Die Entleerungskommissionen hatten die Aufgabe, Korn, Vieh, Rohstoffe, u.ä. zu
requirieren. Auch in Edenkoben wurden drei Vertreter dieser Einrichtung
tätig. Alle drei Kirchen wurden sodann geräumt und als Magazine verwendet. Am 8. März schwärmte in Edenkoben „eine ganze Schar“ von
Kommissaren ein. Man schimpfte auf den pfälzischen Kurfürsten und
brach die Zimmerwände und Böden der Edenkobener auf, um Geld und
Wertsachen aufzuspüren. Am 19. April wurde der Freiheitsbaum von
Franzosen „unter wildem Getümmel“17 errichtet. Während dieser Zeit lag
das preußische Heer in den Ortschaften zwischen Oppenheim und Bingen
im Winterquartier.
Gebhard Leberecht von Blücher führte einige starke Vorposten und Patrouillen in Edenkobens Richtung. Nachdem Neustadt wieder eingenommen werden konnte, zogen am 25. Mai im „Dorf Rhodt Husaren des Blücher´schen Regiments“18 ein. Der nachfolgende Bericht über die Schlacht
verdeutlicht die damalige Situation.
„Das französische Oberkommando wurde alsbald von den Volksrepräsentanten energisch angetrieben, Neustadt [...] wiedereinzunehmen. So
16
s.o. Fußn. 15
17
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 29
18
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 33
- 12 rückten [...] am 28. Mai von Walsheim zwei Kolonnen vor, die eine über
Großfischlingen, die andere über Edesheim. Blücher, der hiervon rechtzeitig Kenntnis erhielt, lauerte mit vier Eskadrons seiner Husaren hinter
einer Geländewelle auf den anrückenden Gegner und griff [...] wie der
Blitz die aus Kirrweiler heraustretende rechte Kolonne an.“19 Die Attacke
war so heftig, daß der durch den Überraschungsangriff außer Fassung geratene Gegner auseinandergesprengt wurde. Als die Franzosen sich bei
Großfischlingen wieder sammeln wollten, fiel sie Blücher erneut an und
jagte sie mit sehr schweren Verlusten in die Flucht. Die linke französische
Kolonne stieß auch auf den Widerstand der preußischen Truppen und
konnte nicht über Edesheim hinaus. Kaum hatte Blücher die Kanonendonner bei Edesheim erhört, wandte er sich dorthin. „In schnellem Überblick
der Lage erkannte er, daß der Feind seine Geschütze, gedeckt durch Karabiniers, noch diesseits Edesheim stehen hatte. Er ließ zunächst, um Unordnung in die feindliche Reiterei zu bringen, die Husaren mit Karabinern
und Pistolen auf sie feuern, griff sie dann in ungestümer Attacke an und
warf sie nach Edesheim hinein“20, wobei es in den engen Gassen noch zu
Einzelkämpfen kam. „Dem weiteren Vordringen wurde durch das ununterbrochene Feuer der auf den Walsheim vorgelagerten Höhen stehenden
feindlichen Batterien“21 den Preußen ein vorzeitiges Ende gesetzt.
Dennoch war der Erfolg für Preußen groß: Es gab verhältnismäßig geringe
Eigenverluste. Beim
Gegner jedoch gab es schweren Schaden:
„20 Offiziere, 300 Mann, 120 Pferde, 6 Geschütze und 9 Munitionswagen
waren Blücher in die Hände gefallen.“22 Der Edenkobener Geschichtsschreiber Hügler berichtet zu den Kämpfen: „... so kam es unterhalb
Edenkoben gegen Maikammer hin zu einem blutigen Kampfe, bei welchem die Franzosen nicht unbedeutenden Verlust erlitten. Die Bewohner
von Edenkoben wurden hierdurch so in Schrecken versetzt, daß sie größtenteils sich flüchteten, die Mutvollsten aber mit Äxten und Gewehren sich
19
s.o. Fußn. 18
20
s.o. Fußn. 18
21
s.o. Fußn. 18
22
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 34
- 13 rüsteten und den deutschen Truppen tapfer Unterstützung leisteten ...“23.
Der Rhodter Pfarrer Runck gibt an, daß die Franzosen in Hainfeld
„furchtbar gehaust“ hätten, „Rhodt ließen sie unbesetzt“.24
3.3
Stellungskrieg
Der Stellungskrieg zwischen Frankreich und den Alliierten (Österreich und
Preußen) am Schänzel war entscheidend für die Koalitionskriege. Den
Franzosen gelang am 13. Juli 1794 der Durchbruch. Frankreich konnte
seine Grenzen bis zum Rhein verlagern. Bis 1815 blieb die Pfalz französisch.
Am 13. Juli 1794 fanden zwei Schlachten statt: Die Schlacht um die Orte
am Schänzel, wie Rhodt und Weyher, die von der preußischen Armee unter Gebhard Leberecht von Blücher gewonnen wurde und die entscheidende Schlacht am Schänzel, wo die Preußen unter General von Pfau den
Franzosen unterlegen waren.
Durch die Einnahme der Gebirgsstellung Schänzel durch die Franzosen
mußten sich die Preußen bis zum Rhein zurückziehen.
Und nun zum genauen Verlauf des Stellungskriegs:
Die österreichisch-preußische Front erstreckte sich nach der Maiattacke
„von Speyer über Böbingen, Edenkoben, das Schänzel, Johanniskreuz, den
Eschkopf und Saukopf bei Leimen, Trippstadt, Landstuhl bis in die Gegend bei Trier“25. Doch diese Linie wies erhebliche Lücken auf; besonders
in den Gebirgsgegenden war das ein „Unglück“, wie ein preußischer Offizier schildert, „die Feinde werden in der weit ausgedehnten Linie ir-
23
s.o. Fußn. 22
24
s.o. Fußn. 22
25
s.o. Fußn. 22
- 14 gendwo mit konzentrischer Kraft durchbrechen und den Rückzug der ganzen Armee veranlassen.“26 Diese Erkenntnis wurde am 13. Juli bestätigt.
„Der Erbprinz von Hohenlohe-Ingelfingen, der die preußischen Truppen in
der Rheinebene [...] bis zum Schänzel kommandierte, hatte sein Hauptquartier [...] nach Kirrweiler vorgeschoben.“27 Blücher wurde, wegen seiner Erfolge im Mai, zum Generalmajor und zum Chef des „vakanten
Husarenregiments v.d. Glotz“28 ernannt. Er war sehr bekannt und beliebt.
Dies geht u.a. aus Aufzeichnungen eines Kriegsteilnehmers hervor: „Nie
hat wohl der Franzose eine furchtbareren Feind gehabt als diesen tapferen
Mann. Der roi rouge, wie sie ihn [nach seiner dunkelroten Uniform]
nannten, war ihnen in passe partout. Sie fanden ihn überall und mußten
immer empfindliche Neckereyen, die immer zu ihrem Nachtheil endeten,
ausstehen. Ein Heldengeist herrschte unter dem Korps der Offiziere ...“29.
Blücher waren zu dieser Zeit folgende Einheiten unterstellt: „die zehn Eskardrons seines Husarenregiments, das Grenadierbataillon von Manstein,
das Füsilierbataillon von Bila, zwei Kompanien des Füsilierbataillons von
Müffling, die Jägerkompanie von Uttenhoven und eine schwere und eine
reitende Halbbatterie.“30
Bevor man die Schlacht betrachtet, muß man einen Blick auf das
Schlachtfeld werfen, das mit vier Schanzen ausgestattet war:
„Das am rechten Flügel des dem Erbprinzen von Hohenlohe-Ingelfingen
unterstellten Abschnitts liegende ‘Schänzel’, das seinen Namen schon seit
dem 30jährigen Krieg trägt, wurde im Juni/Juli 1794 vor den französischen
Angriffen von den dort oben liegenden Truppen mit Verschanzungen
26
s.o. Fußn. 22
27
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 37
28
General Graf v.d. Glotz war am 4. Juli 1793 in Belgien tödlich verwundet worden.
29
s.o. Fußn. 25
30
s.o. Fußn. 25
- 15 versehen.“31 Die Hauptschanze - sie lag gegenüber dem erst viel später
erbauten Forsthaus Heldenstein - wurde auch als Schanze I bezeichnet. Sie
bestand aus einem äußeren und inneren Graben und drei Geschützbänken.
Unterhalb der Schanze befand sich neben der Hochstraße ein langgestreckter Verhau. „Eine weitere Schanze war auf der Südweststecke der Bergkuppe aufgeführt (heute als Schanze II bezeichnet), ebenfalls mit einem
äußeren und inneren Graben und Geschützbänken. Eine kleine und dritte
Schanze wurde an der Südecke des Berges aufgeworfen (heute Schanze
III).“32 Diese war nur mit einer breiteren Geschützbank versehen. „In der
Nähe dieser Schanze befinden sich heute noch mehrere Steine mit
Inschriften der damals hier lagernden preußischen Truppen.“33 Schließlich
gab es noch eine kleinere Schanze, die an der Nordseite des Berges errichtet war (heute Schanze IV). Sie spielte nur eine untergeordnete Rolle - eine
Art Brustwehr, ohne Geschützbank. „Fast rechtwinklig zu dieser Schanze
war zur anderen Seite der Hochstraße ein Verhau mit Brustwehr angelegt,
um eine Umgehung der Schänzelstellung zu verhindern.“34
Dem Schänzel vorgelagert befanden sich zwei preußische Vorpostenstellungen, am Modenbacher Schloß und am Satzerstein.
Die Besatzung des Schänzels bestand aus „Grenadierbataillonen der Regimenter von Romberg, von Kunitzki und von Schladen, einer Jägerkompanie und drei Füsilierkompanien“35.
Nun zum ersten Durchbruchsversuch der Franzosen:
In den Juniwochen des Jahres 1794 war auf der ganzen Front eine Art
Stellungskrieg entstanden. Dies stellte sich so dar, daß die Truppen zum
Teil in Lagern, größtenteils aber in Ortsquartieren kampierten. Darüber
hinaus waren Vorposten und Kavalleriepatrouillen vorgeschoben. Die bei-
31
s.o. Fußn. 25
32
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 38
33
s.o. Fußn. 30
34
s.o. Fußn. 30
35
s.o. Fußn. 30
- 16 den Kampfweisen waren verschieden. Die Infanterie marschierte, wie
schon zu Zeiten Friedrichs des Großen, in Linie auf „und zwar nunmehr in
zwei Treffen zu je drei Gliedern“36. Diese Kampfweise stand im Gegensatz
zum neuen Tirailleurssystem der Franzosen, ein loses, für die Franzosen
vorteilhaftes System, da die Franzosen seit der Französischen Revolution
den Freiheitsgedanken nicht nur im Geiste sondern auch in ihren
Handlungen ausdrücken wollten. „Die französischen Bataillone bestanden
nunmehr aus neun Kompanien, worunter sich jeweils eine Grenadierkompanie befand.“37 Dennoch war die Infanterie dem französischen Massenaufgebot überlegen. Allerdings wurde die Fortentwicklung der preußischen
Taktik vernachlässigt, was sich später als Nachteil erwies.
Am 17. Juni erfolgte in Landau eine Besprechung zwischen Volksrepräsentant Hentz sowie den Generälen Moreaux, Ambert, St. Cyr und Desaix.
Man beschloß, den linken Flügel der Alliierten, der sich in der Gegend von
Lingenfeld-Westheim befand, zu durchbrechen. „Als Tag des Angriffs
wurde der 2. Juli bestimmt.“38 Es erfolgte aber ein Rückschlag, da die undisziplinierte und übereifrige französische Armee auf die in fester Ordnung
aufmarschierten österreichischen Truppen prallten.
Blücher stand vor und um Edenkoben abwehrbereit. Er rechnete nicht
damit angegriffen zu werden. Doch die Tirailleurschwärme kamen aus den
Weinbergen mit todesmutigen Freiheitsmännern. „Trotz mehrfacher Ablösung gelang es den Angreifern nicht, in Edenkoben einzudringen.“39
„Indessen machten die Husaren verschiedentlich den Versuch, an den
Gegner heranzukommen, jedoch ohne Erfolg [...]. Am späten Nachmittag
[...] flaute das Feuer allmählich ab.“40 Die schweren französischen Geschütze wurden abgefahren. Blücher erkannte die günstige Gelegenheit
36
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 39
37
s.o. Fußn. 34
38
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 40
39
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 41
40
s.o. Fußn. 37
- 17 und zog mit Leutnant von Ebels reitenden halben Batterie im Galopp nach
Edesheim. Dies hatte zur Folge, daß die Tirailleure in den Weingärten
schwere Verluste einbüßen mußten und sich nach Hainfeld zurückzogen.
Ein Augenzeuge berichtete: „Der Tag kostete viele Menschen und entschied nichts. Jeder Teil stand am Abend wieder in seiner Lage.“41 Auch
Geschichtsschreiber Hügler äußerte sich dazu: „Die Straßen waren durch
das Wegtragen der Verwundeten ganz mit Blut gefärbt. Und doch war das
Treffen ohne besonderen Vorteil.“42 Die Grausamkeiten des Krieges - auch
den eigenen Männern gegenüber - zeigt folgender Vorfall: „In Edenkoben
wurde an diesem Abend ein junger Mann, Peter Markbach, von einem
preußischen Husaren mit einer Kugel durch den Hals getötet, da er sich
nicht willig zeigte, Verwundete nach Maikammer zu bringen, obwohl er
dies schon zuvor getan hatte.“43
Dieser Angriff hatte im Grunde keine strategischen Folgen: Die Grenze
wurde nicht verschoben und beide Seiten standen wieder in ihren ursprünglichen Positionen wie am Vortag.
Blücher vermutete richtig, daß ein weiterer Angriff folgen werden. Er
verstärkte die Stellung seines Abschnitts und dort, wo die Tirailleure besonders lästig waren, errichtete er Brustwehren mit jeweils drei Mann.
Hügler bemerkte am 8. Juli, daß die Bewohner von Edenkoben die Umgebung mit Gräben absperrten, um der Infanterie Schutz zu gewähren. Es war
bis zu den Alliierten durchgesickert, daß der 13. Juli als Angriffstag
bestimmt worden sei. Der Schwerpunkt lag bei den Gebirgsstellungen. Die
Alliierten dachten „an die Naht zwischen Möllendorfs Hauptarmee und
dem Hohenlohe´schen Korps. Auf Drängen der Volksrepräsentanten begann der Angriff schon am 12. Juli.“44 Die Franzosen zogen im Richtung
Modenbacher Schloß, wo sich eine preußische Vorpostenstellung befand.
Die Preußen zogen sich - auftragsgemäß - zurück. Die französische Bri41
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 42
42
s.o. Fußn. 39
43
s.o. Fußn. 39
44
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 43
- 18 gade konnte ohne Widerstand bis zur Bergkuppe des Schänzel vordringen.
Diese Truppen wurden dort entschlossen von den Alliierten angegriffen
und ins Tal zurückgeworfen. Auch zwei Angriffe der Franzosen gegen
Schanze II und III wurden erfolgreich abgewiesen. Ein erneuter französischer Angriff in den Nachmittagsstunden wurde auf gleiche entschlossene
Weise abgewehrt. So zog sich die französische Brigade ins Modenbacher
Tal zurück, um auf die Verstärkung zu warten und Kräfte für neue Angriffe zu sammeln. Die Brigade Siscé hatte nachmittags vom Modenbacher
Schloß aus den Weg für die Ausgangsstellung für den Angriff am nächsten
Tag ausgekundschaftet. Dies wurde vom Jägerposten und von Blücher beobachtet. Es standen also schwere Kämpfe bevor. Als Verstärkung erhielten die Alliierten sechs Kompanien.
13. Juli, zwei Uhr morgens. „Alles harrte voller Spannung und Unruhe der
Dinge, die da kommen sollten.“45 Und nun wiederholte sich der gleiche
Vorgang wie am 2. Juli. Tirailleure gingen in die Weinberge und besetzten
Rhodt und Weyher. Von hier aus begann ein wütender Kampf, der nur
schwer von Preußen abgeschlagen werden konnte. Die sechs Füsilierkompanien standen über 12 Stunden unter schrecklichstem Gewehrfeuer. Blücher ritt von Stellung zu Stellung und ermunterte die Leute: „Kinder, nur
heute haltet aus, es gilt Preußens Ehre !“ - „Oh, ja !“, riefen sie zurück,
„Herr General ! Versorgen sie uns nur mit Patronen !“46 Blücher berichtete
später im Kampagne-Journal, wie er die Stellungen dreimal mit Patronen
versorgte und sie unbeweglich ihr Terrain behauptet hätten.
Blücher versuchte, den Feind hervorzulocken, indem er sich etwas zurückzog. Die Franzosen nahmen an, daß die Preußen den Rückzug beabsichtigten. Nun griff Blücher selbst an. Er berichtete später: „Ich gab Herrn
Oberstleutnant von Platz den Auftrag, die Flanqueurs mit vier Zügen des
Regiments anzugreifen und von der Höhe herunterschmeißen zu lassen,
damit ich unterdessen den Feind übersehen und entdecken konnte, wieviel
er schon diesseits Edesheim stehen hatte. [...] und ich sah nun die feindli45
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 45
46
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 46
- 19 che Artillerie bei der vor Edesheim liegenden kleinen Brücke und die
ganze Kavallerie schlecht plaziert und fast dicht aufeinander gepfropft auf
der Plaine zwischen den Weingärten und dem Bruch stehen. Ich konnte bei
dieser Übersicht der Begierde zum Angriff nicht länger widerstehen; [...].
Mit den ersten Eskadrons attackierte ich sogleich die Kavallerie; diese war
durch den unvermuteten Angriff so dekontenanziert, daß wir sie bald zum
Weichen brachten und über den Haufen warfen. [...], aber nichts war jetzt
mehr imstande, meine Husaren aufzuhalten ... .“47
„Das Getümmel war jetzt allgemein. Reiter und Geschütze hasteten nach
Edesheim zurück, verfolgt von Blüchers Husaren.“48 Doch dann nahmen
die Tirailleure von der Flanke die Husaren unter heftiges Feuer. Blücher
ließ daraufhin zum Sammeln blasen.
Eine Ablösung kam gerade rechtzeitig und ersetzte die Füsiliere und Jäger,
die „schwarz von Pulver und Dampf, ihre Hände etwas verbrennt, die
Montur durchlöchert, mit preußischem Stolz im Gesicht“49 hatten. Mit den
neuen Männern trieb Blücher die Franzosen bis nach Rhodt zurück.
Überall lagen Tote und Verwundete. Edesheim brannte bis auf die
Grundmauern nieder. Geschichtsschreiber Hügler berichtete: „In Edenkoben regnete es sozusagen 16 Stunden lang von Kugeln. Niemand war hier
sicher; alles lief davon und suchte in der Flucht einige Sicherheit.“50 Allmählich trat aber nun in der ganzen Umgebung Ruhe ein. Blüchers Truppen ahnten nicht, daß der Tag doch verloren war.
Die Entscheidung fiel schließlich bei den Gebirgsstellungen am Schänzel:
Schon gegen vier Uhr morgens versuchten die Franzosen vorzustoßen. Sie
besaßen gute Deckungen, die zugleich die Möglichkeit boten, „mit gut
gezielten Schüssen die Kanoniere hinter den Schanzkörben einzeln aufs
Korn zu nehmen, so daß es im Laufe des Tages bei den sich ständig er47
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 47
48
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 48
49
s.o. Fußn. 46
50
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 49
- 20 neuernden Angriffen gelang, die preußischen Geschützbedienungen nach
und nach außer Gefecht zu setzen“51. Dennoch wurde bis zum Mittag kein
Erfolg erzielt. Die Preußen bekamen Verstärkung. Am Nachmittag setzten
die Angriffe von der linken Flanke der Preußen erneut ein. Alle Angriffe
wurden standhaft abgewiesen. Gefährlicher stand es jedoch um den rechten
Flügel. Die neuen Bataillone konnten nichts gegen die Franzosen
bewirken. Inzwischen war die Umfassung der rechten preußischen Flügelschanze gelungen. Die französischen Truppen konnten den Preußen in den
Rücken fallen. Als dies General von Pfau erfuhr, ließ er alles an Reserven
zusammenraffen, um „einen Damm vorzubauen, doch vergeblich ! Die
Kräfte reichten nicht aus, diese Sturmflut zu brechen“52. Die Angriffe aus
der Front erneuerten sich mit wilder, todesmutiger Hingabe, wo schließlich
auch General von Pfau den Tod fand. Die preußischen Truppen waren
verzweifelt. Mit verbissener Wut und großem Mut wurde verzweifelt auch
von Steinen als Wurfgeschosse Gebrauch gemacht. Dennoch hielten am
Abend „die französischen Freiheitsscharen die Palme des Siegers in der
Hand.“53
Alle Kämpfer waren erschöpft, auf beiden Seiten. Es herrschte großer
Wasser- und Nahrungsmangel, so daß selbst das Fleisch der erbeuteten
Pferde gegessen wurde. Es wird vermutet, daß es einigen gefangenen
Preußen gelungen war, im Schutze der Nacht zu fliehen, um den Anschluß
an die Truppe wiederzugewinnen. Die Verluste der Preußen betrug an die
1 000 Mann. Die französischen Verluste waren wahrscheinlich geringer.
Auch bei den übrigen Gebirgsstellungen waren die Franzosen an diesem
Tag erfolgreich. Die Franzosen hatten ihr Ziel erreicht: die Verbindung
zwischen der französischen Rhein- und Moselarmee war fest geknüpft.
Am 14. Juli um fünf Uhr morgens marschierte Blücher mit seinen Truppen
ab. Vorher wollten sie ihren Gegner necken: Sie ritten im Galopp auf die
51
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 50
52
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 53
53
s.o. Fußn. 50
- 21 Franzosen zu, die ängstlich in alle Richtungen liefen. Dann riefen die
Preußen: „Adieu Général, jusqu`à demain !“54 Daraufhin zogen sie zum
Rhein zurück.
3.4
Letzte Kämpfe um Edenkoben 1795/96
Durch den Basler Frieden vom 5. April 1795 war Preußen zum Frieden zu
Frankreich gezwungen worden. Die Österreicher konnten bis ins Modenbacher Tal vordringen und die Franzosen aus Edenkoben vertreiben. Das
Schänzel wurde jedoch nicht eingenommen. Es kam eine Anordnung des
Erzherzogs „sich bei Annäherung des Feindes in keine Gefechte einzulassen [und] auf die Mannheimer Befestigungswerke zurückzugehen“55. Wegen einer langen und fürchterlichen Kälteperiode mußte das linke Rheinufer endgültig von Preußen aufgegeben werden. „Die Rheinpfalz wurde in
ihren Hauptbestandteilen als Departement des Donnersbergs der einen und
ungeteilten Republik [Frankreichs] einverleibt“56.
4.
Die Zeit Napoleons bis zum 2. Pariser Frieden
4.1
Ideen der Aufklärung
Durch die Koalitionskriege drängten über Landau, Straßburg und Weißenburg die Ideen der Aufklärung ins pfälzische Land. Aufklärung ist, nach
Kant, „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“. Die stärkste geistige Bewegung der europäischen Neuzeit ist
„durch die Verselbstständigung der Vernunft (Rationalismus) gegenüber
allem überlieferten Autoritätsglauben“57 gekennzeichnet. Es war politisch
nicht gewollt, daß die Bürger aus ihrer Unmündigkeit erwachen und mit
solch modernem Gedankengut konfrontiert wurden. Dies war ein Grund,
weshalb die deutschen Zeitungen zensiert wurden und nach dem 14. Juli
54
="Auf bald General, bis morgen!" vgl. L. Schütte a.a.O. S. 56
55
vgl. L. Schütte a.a.O. S. 71
56
s.o. Fußn. 53
- 22 1789 ein Einfuhrverbot für die französischen Schriften galt. Doch diese
Maßnahme konnte die geistige Strömung nicht von Deutschland zurückhalten.
4.2
Französische Verwaltung
Im September 1792 gelang der „Partei der natürlichen Grenze“ ein
Staatsstreich in Paris. Sie übernahm die Macht und bekam am 17.10.1797
im Friede vom Campo Formio offiziell von Österreich den Rhein als
deutsch-französische Grenze zugesprochen. Der aus dem Elsaß stammende
Franz Josef Rudler wurde „Generalkommissar“ der linksrheinischen Territorien.
Das ganze Gebiet sollte nach französischem Vorbild verwaltet werden.
„Das bedeutete auch ein neues Steuersystem, eine Gerichtsbarkeit nach
französischem Muster und die Schaffung von Verwaltungen zur Nutzung
der Wälder und der Bodenschätze.“58 Die deutsch-französisch besetzten
Behörden wurden größtenteils von Frankreich aus regiert. Die Pfalz wurde
in Departements und Kantone eingeteilt. Durch die verschiedenen Verwaltungen wurde die Pfalz aufgespalten. Der Kanton Landau wurde weiterhin
von Straßburg aus verwaltet. Generalkommissar Rudler versuchte die
pfälzische Bevölkerung auf friedlichem Wege an Frankreich anzuschließen. Er legte Adressenlisten aus, in denen jeder Bürger unterschreiben sollte, daß er sich mit Frankreich vereinigen wolle. Doch niemand
unterschrieb. Selbst das Pflanzen von Freiheitsbäumen brachte keinen Erfolg, da sie z.B. in Neustadt von Unbekannten abgesägt wurden. 1798
führten die Franzosen einen neuen Kalender ein. Es gab statt sechs Werktage neun Werktage - sehr zum Verdruß der Bevölkerung. Im Friede von
Lunéville am 9.2.1801 wurde der Besitz Frankreichs des linken Rheinufers
bestätigt. Am 23.9.1804 trat der napoleonische „Code Civil“ in Kraft. Er
garantierte persönliche Freiheit, Rechtsgleichheit u.ä. Die Kantone verlo-
57
vgl. Volks-Ploetz a.a.O. S. 349
58
vgl. K. Moersch, a.a.O., S. 458/459
- 23 ren als Verwaltungseinheit an Bedeutung. Es wurden daher Wahlbezirke
gebildet.
4.3
Schlußbetrachtung
Während der französischen Herrschaft gab es einige positive Erfahrungen.
Von großer Bedeutung war sicherlich die Einführung des „Code Civil“
durch Napoleon. „Er garantiert jedem Bürger die Rechtsgleichheit, die
öffentlichen Gerichtsverfahren und die Schwurgerichte konnten den anderen deutschen Ländern Vorbild sein.“59 Doch der „Plünderwinter“60
1793/94 während der Revolutionskriege versetzte den Pfälzern einen
schweren Schlag.
Die - in der bayrischen Zeit - beibehaltene französische Verwaltung und
Justiz „garantierte auch einen viel größeren Spielraum für freiheitliche
Bestrebungen.“61 Die revolutionäre Bewegung der Koalitionskriege gipfelten im Hambacher Fest 1832. „Diese revolutionäre Tradition läßt sich anhand der Familie Metternich verdeutlichen. Der Sohn des Mainzer Klubisten, Germain Metternich, nahm sowohl am Hambacher Fest als auch an
den Aufständen der Jahre 1848/49 teil. Ebenso wie sein Vater mußte - laut
Polizeibericht - ‘der würdige Sohn des aus den 1790er Jahren berüchtigte
Mainzer Klubist Metternich’ - für sein revolutionäres Engagement leiden.
Auch die pfälzischen und rheinhessischen Abgeordneten der Paulskirche,
die fast alle zur Linken zählten, wollten ihr Erbe bewußt machen. Sie
wählten für ihren Klub den Traditionsnamen ‘Donnersberg’“62. Das französische Rechtssystem sicherte auch vielen politischen Aufständlern Freisprüche, wie z.B. den Hauptrednern des Hambacher Festes, oder der ´48er
Revolution.
59
vgl. Pfälzische Landeskunde a.a.O., S.177
60
vgl. Pfälzische Landeskunde a.a.O., S. 176
61
s.o. Fußn. 57
62
s.o. Fußn. 57; Departement Donnersberg wurde das Gebiet der Pfalz nach dem Frieden von Campo
Formio von den Franzosen benannt
- 24 -
5.
Die bayrische Pfalz
5.1
Verwaltung und Situation
Landau wurde erst seit dem 2. Pariser Frieden am 20.11.1815 bayrisch,
damals nannte man es Rheinbayern. Auslöser war der Sieg über Frankreich
bei der Schlacht von Waterloo und der Besetzung von Paris durch Preußen.
Die preußischen Truppen fanden die Festung an der Queich als störend,
deshalb ging auch die Festung an Bayern.
Die bayrische Pfalz war eine „Pflanzschule des politischen Radikalismus“63 Die königliche-bayrische Regierung schaffte den „Code Civil“
nicht ab und änderte die französische Verwaltungseinheit kaum. Die Bayern vernachlässigten die Pfalz sehr und ließen den kulturell-geistigen Mittelpunkt ungenutzt. Die Suche nach Demokratie und Freiheitsrechten in
der Pfalz war so groß wie nie zuvor. Viele Journalisten kamen in die Pfalz
wegen der Pressefreiheit, die im übrigen Land durch die Karlsbader Beschlüsse sehr stark eingeschränkt war. Die Aufklärung und der Kampf für
Freiheitsrechte weckte ein überdurchschnittliches Interesse an Politik in
der Bevölkerung. In großen Städten wie Landau, setzte man sich mittags
ins Café um Zeitung zu lesen.
Mißernten 1816/17 und 1831 zwangen jeden 5. Pfälzer zu Forstdiebstählen. 1832 wurden im 2 000 Einwohner starken Hambach in 11 Gerichtsverhandlungen 234 Hambacher wegen Holzdiebstahls verurteilt.
Seit 1825 regierte Ludwig I. „wie ein gereizter Tyrann“64. Die liberalen
Ideen der Franzosen beunruhigten ihn. Die Folge war eine Zensurverschärfung. Deshalb gründete sich am 29.1.1832 der „Deutsche Vaterlandsverein zur Unterstützung der freien Presse“. Er hatte 116 Zweigvereine mit
5 000 Mitgliedern. Dieser Verein war eine Vorform der Parteiorganisation.
Durch den Preßverein konnten die Ideen des Vaterlandsvereins ganz
63
vgl. K. Moersch a.a.O., S. 469
64
vgl. K. Moersch a.a.O., S. 472
- 25 Deutschland und Paris in nur wenigen Tagen erreichen. Der Preßverein
wurde am 1.3.1832 verboten, um einer Verbreitung der neuen Ideen
entgegenzuwirken. Die Bevölkerung ließ sich auf diese Weise jedoch nicht
abhalten. Aus dieser Situation entwickelte sich das Hambacher Fest
(s. 5.2).
Eine kleine Anekdote aus dieser Zeit zeigt heute noch die bayrischen Einflüsse in der Pfalz: Ein Baukunstwerk haben die Bayern den Pfälzern vermutlich unfreiwilligerweise - überlassen. Eine große, pompöse Kirche
mit vielen Säulen im bayrischen Stil schmückt heute noch das kleine Dorf
Rinnthal in der Pfalz. Es wird vermutet, daß der Standort dieser Kirche
verwechselt wurde. Die Kirche war wohl ursprünglich für das Dorf Rinnenthal nordwestlich Münchens gedacht. Das erklärt auch, wieso die Kirche, die dicht gedrängt an der Durchgangsstraße steht, nicht so recht in das
Bild dieses kleinen, verschlafenen Dörfchens passen will.
5.2
Hambacher Fest
Da die nationalen und liberalen Forderungen der Bevölkerung durch die
Zensurgesetze auf diesem Weg nicht weiter verbreitet werden konnten,
trafen sich Liberale auf sog. Festessen oder Volksfesten zum politischen
Gedankenaustausch. Philipp Jacob Siebenpfeiffer rief mit einigen Freunden - u.a. Wirth - zum Hambacher Fest am 27. Mai 1832 auf. Dies war der
Jahrestag der bayrischen Verfassung. Nach einigen Auseinandersetzungen
mit München konnten die Neustädter die Regierung überzeugen, daß sie
„ein friedliches schönes Fest zu feiern beabsichtigen“65. Die Neustädter
organisierten das Fest ohne Staatshilfe. Die Zufahrt zum Schloß wurde
ausgebaut und neu gestaltet. Lebensmittel und Unterkünfte wurden von
den Bürgern bereitgestellt. Es war abzusehen, daß am Hambacher Fest
nicht nur politische Reden gehalten wurden. Für reichlich Essen und Trinken wurde gesorgt. Daraus sollte man aber nicht schließen, daß das Fest
nur wirtschaftlichen Interessen galt. Sog. „Bankette“ waren zu dieser Zeit
Sitte. Die im inneren Burgring aufgestellten 16 Tische mit je 160 Gedek65
vgl. Vor-Zeiten (Geschichte in Rheinland-Pfalz) a.a.O., S. 171
- 26 ken und einige Weinzelte tarnten den politischen Hintergrund des Festes.
Es durfte keinesfalls als politische Demonstration verstanden werden, da
Demonstrationen - im heutigen Sinne - damals verboten waren. Daher
wurde das Hambacher Fest auch offiziell als Volksfest beschrieben. Schätzungen zufolge lag die Anzahl der Teilnehmer zwischen 25 000 und
50 000.
Die Polizei schätze die Teilnehmerzahl absichtlich niedriger, um das Gewicht des Festes den Behörden gegenüber zu mindern. Siebenpfeiffer hingegen schätzte die Anzahl höher, um so die Bedeutung des Festes zu betonen. Die große Anzahl war jedenfalls etwas Ungewöhnliches: Beeindruckend für die Festbefürworter, bedenklich für die Regierung. Die von
den Neustädtern vorbereiteten Betten reichten nicht aus. Deshalb wurden
Massenlager in Schulsälen errichtet. Aus ganz Deutschland kamen Bürger
und Studenten angereist, sowie einige Franzosen und Exil-Polen. Die damals am stärksten vertretene Bevölkerungsgruppe, die Bauern, nahmen nur
aus der Hambacher Umgebung teil. Daraus kann man schließen, daß das
Fest „keine Repräsentation des ganzen deutschen Volkes war“66.
Am 27. Mai 1832 wurde der Festtag mit Kanonendonner, Freudenfeuern
und Glockengeläut am Neustadter Marktplatz eingeleitet. Gemeinsam zogen gegen acht Uhr morgens die Festteilnehmer geordnet zum Schloß.
„Das Streben nach nationaler Einheit symbolisierten die Farben SchwarzRot-Gold, die hier als Kokarden, Bänder und Fahnen massenhaft gezeigt
und mitgeführt wurden.“67 Auf der Neustadter Fahne stand „Deutschlands
Wiedergeburt“. Diese Fahne ist heute im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn ausgestellt. Die bunten Menschenmassen
sangen patriotische Lieder.
Auf dem Schloß angekommen, wurde die schwarz-rot-goldene Fahne gehißt. Und dann begannen die Reden, die leider nicht alle überliefert sind.
Siebenpfeiffer und Wirth sprachen gleich nach der Eröffnung. Doch da66
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 12
67
vgl. Vor-Zeiten a.a.O., S. 171
- 27 mals konnten nicht alle genau die Texte verstehen, da es wegen fehlender
Lautsprecher selbst stimmgewaltigen Rednern nicht gelang, alles verständlich zu machen.
„Siebenpfeiffer forderte, daß die Deutschen sich nicht mehr wie Knechte
unter das Joch ihrer Fürsten beugen sollten. Er beklagte, daß noch kein
neuer Luther in der Politik auferstanden sei, um die Deutschen aus ihrer
Knechtschaft zu befreien. Er prophezeite ein wirtschaftlich geeintes
Deutschland, in dem Männer und Frauen gleichberechtigt seien und in dem
das Volk seine nationale Einheit durchsetzen werde.“68
Wirths Rede ähnelte in den Grundzügen der Rede Siebenpfeiffers. Mit einer Ausnahme: Siebenpfeiffer wollte die Deutsche Einheit mit Hilfe
Frankreichs bewältigen. Wirth lehnte diese Einstellung ab, da er in den
Franzosen immer noch das Volk sah, daß es auf das linke Rheinufer abgesehen hat. „Für den Fall eines französischen Eingreifens sagte er sogar ein
Zusammengehen aller Deutscher, unabhängig von ihrer politischen Einstellung, gegen den westlichen Nachbarn voraus und eine Rückgewinnung
von Elsaß und Lothringen für das geeinte Deutschland.“69 Die französischen Teilnehmer des Hambacher Festes widersprachen Wirth und gaben
bekannt, daß ihre Sympathie den Deutschen gelte.
Gegen Mittag zog ein Gewitter auf. Doch die Teilnehmer ließen sich nicht
vertreiben und verharrten, um am Nachmittag weiteren Rednern zuzuhören. Hier wurde die Grundtendenz des Festes deutlich: Der Wille, die
Dinge
zu
ändern
war
vorhanden,
es
bestanden
aber
noch
„verschiedenartige Auffassungen von der Gegenwart und Zukunft.“70 Ein
geeintes Deutschland konnte auf diese Weise nicht entstehen, wie der
weitere Verlauf des Festes auch zeigt.
68
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 14
69
s.o. Fußn. 66
70
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 15
- 28 Nachfolgend sind die angestrebten Ziele und Tendenzen der Redner stichpunktartig genannt:71
1.
liberale Tendenz (Verfassungsstaat, Volkssouveränität)
2.
nationale Tendenz (Gründung eines deutschen Nationalstaates)
3.
internationale Tendenz (gleiche Rechte den Völkern wie den Deutschen)
4.
revolutionäre Tendenz (sofortige Durchsetzung der liberalen und
nationalen Bestrebungen)
5.
evolutionäre Tendenz (durch Veränderung des öffentlichen Bewußtseins einen nationalen Verfassungsstaat gründen)
6.
emanzipatorische Tendenz (Gleichberechtigung von Mann und Frau)
7.
humanitäre Tendenz (alle Menschen sind gleichberechtigte Brüder
mit eigenem Schicksal)
8.
Tendenz der religiösen Toleranz (Antisemitismus war für die Redner
undenkbar)
Aufgrund dieser vielen verschiedenen Tendenzen konnten die Redner
keine gemeinsame Linie finden. Die spätere Versammlung im Schießhaus
in der Nähe Hambachs verlief ergebnislos. „Einen Vorsitzenden gab es
nicht. Siebenpfeiffer sprach am meisten.“72 Er schlug vor, Repräsentanten
zu wählen, um die Wirkung des Festes anzuhalten. Doch einige Gewählte
waren gar nicht anwesend und Beschlüsse wurden auch nicht gefaßt. Der
Advokat Hallauer rief beim Verlassen der Versammlung weinend aus: „Im
Gefängnis sehen wir uns wieder.“73 Womit er Recht behalten sollte.
Am 2. Juli 1833 wurde unter Ludwig I. Siebenpfeiffer und Wirth verhaftet.
Man brachte sie nach Landau, um ihnen dort den Prozeß zu machen. Man
wählte Landau, da dort Militär zur Verfügung stand, um mögliche
Unruhestifter aufzuhalten. Der Prozeß begann am 29. Juli 1833 im größten
Saal der Stadt, im Restaurant zum Schwanen. Siebenpfeiffer, Wirth und
71
s.o. Fußn. 68
72
vgl. Vor-Zeiten a.a.O., S. 177
73
vgl. Vor-Zeiten a.a.O., S. 179
- 29 sechs weitere Angeklagte sollten durch ein Assissengericht74, das mit 12
Geschworenen, davon neun Beamte, schnell verurteilt werden. Trotz
sorgfältiger bayrischer Vorbereitung „lief nicht alles so, wie man es von
oben her geplant hatte“75. Es kamen ca. 5 000 Fremde in die Stadt, um den
Prozeß zu verfolgen. Der Gerichtssaal war oft überfüllt. „Siebenpfeiffer
hielt eine Verteidigungsrede von zwei Stunden, Wirth redete am 7. und
8. August gar acht Stunden vor interessierten und applaudierenden Zuhörern.“76 Somit konnten die Ideen des Hambacher Festes ungestraft veröffentlicht werden, da die Zeitungen alles zitieren durften. Franz Xaver Gabelsberger erfand die deutsche Kurzschrift und stenographierte zum ersten
Mal in einem deutschen Gericht. Das Landauer Urteil sprach die Angeklagten schließlich frei, da man ihnen nicht nachweisen konnte, daß sie die
Regierung stürzen wollten. Dies war nicht im Sinne Ludwigs I. Doch der
„Code Napoleon“ sah auch „Zuchtpolizeigerichte“ vor. Siebenpfeiffer und
Wirth wurden nach Zweibrücken und Frankenthal gebracht, vom geschworenenlosen Gericht zu zwei Jahren Haftstrafe wegen „Beleidigung
in- und ausländischer Behörden“77 verurteilt.
Siebenpfeiffer floh aus dem Gefängnis über Frankreich in den Kanton Bern
in der Schweiz. Er bekam dort einen Lehrauftrag für Politik. „Von 1842
bis zu seinem Tod (1845) lebte er in einer Irrenanstalt bei Bern.“78
Wirth war über die Flucht Siebenpfeiffers empört. Er „sah in dessen Flucht
eine Kapitulation vor den Mächtigen im Staat.“79 Nach seiner Entlassung
aus dem Gefängnis zog er in die Schweiz, um von dort als politischer
Journalist auf Deutschland einzuwirken. Seit 1847 lebte er wieder in
Karlsruhe. Bevor er im Juli 1848 starb konnte er noch „als Abgeordneter
[...] in die Paulskirche“80 einziehen.
74
damalige Bezeichnung für das Schwurgericht der Pfalz
75
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 2
76
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 3
77
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 4
78
vgl. Handreichung der Landeszentrale für politische Bildung a.a.O., S. 5
79
s.o. Fußn. 76
80
s.o. Fußn. 76
- 30 -
5.3
Das Ende Rheinbayerns
In den 30er und 40er Jahren begann eine große Auswanderungswelle in die
USA (vgl. 2.). Die daheimgebliebenen Pfälzer waren nicht mit der
bayrischen Verwaltung einverstanden. Die Pfälzer verbündeten sich mit
Baden, um gemeinsam für die Freiheit zu kämpfen. Die Freischärler wurden aber 1849 von preußischen Truppen vertrieben und mußten sich bis
zur Gründung des Deutschen Reiches 1871 in den bayrischen Staatsverband eingliedern.
6.
Die Ringstraßenarchitektur in Landau (1871)
Mit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde Landau entfestigt.
In nur wenigen Jahrzehnten wurde durch ehrgeizige Architekten, wie
Ludwig Levy, Friedrich Völker, Friedrich von Thiersch und anderen ein
Architekturkomplex geplant, der heute nach Wien „das bedeutendste Ensemble einer Ringstraßenanlage des Historismus“81 darstellt. Die Anlage
ist 3 km lang und 500 Gebäude sind noch heute erhalten. Alle Stilrichtungen sind vertreten: „vom späten Klassizismus über die Neugotik bis zu
Neubarock und Neurennaissance“82. Später hat auch der Jugendstil Einfluß
auf die Architektur genommen. Die Ausführung des Baus zeigt die große
Steinmetzkunst und einen hohen Stand des Baugewerbes der Pfälzer. Die
Bedeutung der Ringstraßenarchitektur liegt nicht in einzelnen Gebäuden,
sondern in der Gesamtheit und des guten Erhalts der Gebäude. Nach den
vielen Kriegen spiegeln die palastartigen Villen den Reichtum des städtischen Großbürgertums wider. Neu war die Gestaltung „von innen nach
außen“83, d.h. man gestaltete zuerst die Innenräume und dann die Fassade.
Bemerkenswert für die damalige Zeit ist auch der medizinische Aspekt. Im
81
vgl. Landesgeschichtlicher Exkursionsführer a.a.O., S. 204
82
s.o. Fußn. 79
83
vgl. Landesgeschichtlicher Exkursionsführer a.a.O., S. 205
- 31 Westen und Süden öffnete man die Stadt, um mit Licht und Frischluft epidemischen Krankheiten vorzubeugen.
- 32 -
Schlußbetrachtung
Landau war von der Neuzeit bis 1871 immer ein Brennpunkt der Weltgeschichte.
Durch die Nähe zum Elsaß und zum linken Rheinufer war Landau ein Streitpunkt
zwischen Frankreich und Deutschland (bzw. Preußen). Durch den Festungsbau
Vaubans war Landau viel umkämpft. Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zum
2. Pariser Frieden 1815 war es den deutschen Staaten nie geglückt, Landau von
den Franzosen zurückzugewinnen. Die Bewohner sind trotz langer französischer
Besatzungszeit, auch über Generationen hinweg, nie richtige Franzosen geworden.
Ihr Herz schlug immer für die Pfalz, auch wenn die Pfälzer französische Einflüsse,
wie die Aufklärung, der Code Civil, etc. gerne entgegennahmen. Diese Einflüsse
wirkten sich auch auf geistige Entfaltung der Pfälzer aus und führte zu wichtigen
Anlässen, wie das Hambacher Fest.
In der heutigen Zeit ist Landau nicht mehr Konfliktpunkt der Weltmächte, da
durch die Eingliederung Landaus in das Deutsche Reich 1871 die Spannungen
entschärft wurden.
Chronik
1648
Westfälischer Friede ("Der Rhein als natürliche Grenze Frankreichs")
1679
Gründung der Réunionskammern und territoriales Vordringen
Frankreichs (Straßburg wird 1681 französisch)
1688 - 97
Pfälzischer Erbfolgekrieg
1688
Grundsteinlegung der Festung Landau
1689
Stadtbrand in Landau ("warmes Abbrechen")
1688/89
Systematische Zerstörung der Pfalz
1692
Seesieg Englands über Frankreich am Cap de la Hogue
1697
Friede zu Ryswijk
1701 - 14
Spanischer Erbfolgekrieg
1702
Landau fällt an Österreich
1703
Landau fällt an Frankreich
- 33 1704
Landau fällt an Österreich
1713
Landau fällt an Frankreich
1.9.1715
Tod Ludwig XIV.
1789
Französische Revolution
20.4.1792
Kriegserklärung Frankreichs an Österreich
26.12.1793
Schlacht am Geisberg (Frankreich nimmt Landau)
28.5.1794
Attacken von Blücher
13.7.1794
Stellungskrieg (Blücher verliert)
5.4.1795
Basler Frieden, Preußen tritt linkes Rheinufer ab, Rheinpfalz wird
Departement Donnersberg
17.10.1797
Friede von Campo Formio (offiziell: Rhein ist Grenze)
1801
Friede von Lunéville (erneute Bestätigung)
23.9.1804
Napoleon erläßt den "Code Civil"
20.11.1815
Zweiter Pariser Friede, Pfalz wird zu Rheinbayern
29.1.1832
Gründung freier Pressvereine
1.3.1832
Verbot der Pressvereine
27.5.1832
Hambacher Fest
2.7.1833
Verhaftung Siebenpfeiffers und Wirths
1847
Erste pfälzische Eisenbahn
1849
Unruhen
1851
Villa Ludwigshöhe vollendet
1866 - 1918
Pfalz teilt deutsche und bayrische Geschichte und Wirtschaft
1918/19
Bayern wird Freistaat und verliert endgültig die Pfalz
Personenverzeichnis zum Revolutionskrieg (s. 3.)
Franzosen
1. Saint-Just
Mitglied des Wohlfahrtsausschusses;
gibt Befehl die Pfalz anzugreifen
2. Hoche
General mit Oberbefehl über die französische
- 34 Moselarmee; entsetzte Landau 1793
3. Siscé
französischer Führer der Brigade
Österreicher
1. Wurmser
Oberbefehlshaber bis 1793;
wurde von Frankreich geschlagen
2. Feldmarschall von Möllendorf
(1724-1816) tritt an Stelle von Wurmser
Preußen
1. Herzog von Braunschweig
konnte Stellungen um Landau 1793 nicht halten
2. Gebhard Lebrecht von Blücher
(1742-1819) Generalfeldmarschall
3. Erbprinz von Hohenlode-
führte preußische Truppen bis zum Schänzel
Ingelfingen
4. Leutnant von Ebel
Führer der reitenden halben Batterie am Schänzel
5. General von Pfau
kämpfte und starb am Schänzel
- 35 -
Gebäudebeispiele für die Landauer Ringstraßen-Architektur
 Villa Ufer, Straße An 44, Nr. 31: sehr repräsentativer Bau im Stil der
Neurennaissance mit herrschaftlichem Portal
 Ehemaliges Bezirksamt, Westring 23: typischer Bau der Neurenaissance mit
Symbolen der bayerischen Monarchie
 Villa Streccius, Südring 20: toskanisch anmutende Villa in verfeinerter
Neurenaissance
 "Schlössel", Schloßstraße 2: neugotische Villa aus rotem Sandsteim mit Turm, aus
Herxheim nach Landau transloziert
 Kath. Marienkirche: imposanter Bau mit Doppelturm-Fassade, Verbindung von
neuromanischen und neugotischen Stilelementen
 Haus Mahla, Marienring 8: neubarocke Villa mit prächtigem Portal und Eckerker
 Justizgebäude, Marienring 13: neubarocker Palast mit Elementen des Jugendstils im
Innern
 Villa Schwarz, Nordring 1: Formen der Spätgotik und der Neurenaissance mit
Treppengiebel und Erker
 Festhalle, Mahlastraße: Paradebeispiel für den deutschen Jugendstil; mit
qualtiätvollen Bildhauerarbeiten von Adolf Bernd aus Kaiserslautern
Literaturverzeichnis
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Das Große Pfalzbuch. 5., erweiterte Aufl. Pfälzische Verlagsanstalt. Neustadt a.d.
Weinstraße, 1976
2.
Geiger, Michael u.a. (Hg.): Pfälzische Landeskunde - Beiträge zu Geographie,
Biologie, Volkskunde und Geschichte, Bd. 3. Landau, 1981
3.
Heß, Hans: Landau in der Pfalz - Ein Abriß seiner Geschichte. Landau, o.J.
4.
Kremb, Klaus und Lautzas, Peter (Hg.): Landesgeschichtlicher Exkursionsführer
Rheinland-Pfalz - Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz, Bd. 1. Otterbach, 1989
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5.
Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz: 27. Mai 1832 Das
Hambacher Fest - Eine politisch-historische Reportage. 12. Aufl. Mainz, 1992
6.
Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz: Das Hambacher Fest Handreichung. Mainz, o.J.
7.
Lau, Dieter und Heyen, Franz-Josef (Hg.): Vor-Zeiten - Geschichte in RheinlandPfalz, Bd. 5. Erste Aufl. Verlag Hermann Schmidt. Mainz, 1989
8.
Moersch, Karl: Geschichte der Pfalz - Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert.
2. Aufl. Landau, 1987
9.
Schütte, Ludwig: Die Kämpfe um Edenkoben und das Schänzel während der
französischen Revolutionskriege. 3. Aufl. Eigenverlag des Heimatbundes
Edenkoben e.V. Edenkoben, 1982
10.
Volks-Ploetz - Auszug aus der Geschichte, Schul- und Volksausgabe. 5.,
aktualisierte Aufl. Verlag Ploetz. Freiburg, 1993
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