Schulze-Rosteck - Evangelische Akademie Tutzing

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Missverstehen und
Verständigung mit
Menschen aus anderen
Kulturen
Wer hier im Saal kommt aus Franken? Bayern?
Wer hat als Muttersprache Deutsch gelernt?
. . . und da beginnen schon die Fragen – und ich wünsche mir , dass einige Fragen
bleiben . . .
Was ist Kultur??
Der Kulturbegriff reicht von der „ Verschönerung des Daseins“ (über den in
deutschen Landen sogenannten „Kulturbeutel“) über die „künstlerische Kultur“ bis zur
Ethnologie –
z. Bsp. Aus dem Lexikon des Sozial- und Gesundheitswesens, Bauer 1992:
Kultur vergegenständlicht sich in Sprache, Wissensbeständen, magischen Bildern,
Glaubensvorstellungen, Weltanschauungen; im Fühlen, im Denken, im individuellen und
gesellschaftlichen Bewusstsein; in Ritualen, Sitten, Bräuchen, Kleidungen, Liedern,
Erzählungen usw.
oder Hatch 1985:
Kultur ist die Lebensweise von Menschen einer Gesellschaft. Sie beinhaltet
konventionelle Muster des Denkens und Verhaltens, einschließlich Werten,
Anschauungen, Richtlinien, politische Organisation, wirtschaftliche Aktivitäten usw.,
die von einer Generation zur nächsten durch Lernen und nicht durch biologische
Vererbung weitergegeben werden.
Das klingt nach einer abgeschlossenen definierbaren Gruppierung – und im KH treffen
wir verstärkt auf Menschen aus anderen Kulturen. (Altgewordene Gastarbeiter,
Zuzug, Freizügigkeit – Öffnung von Grenzen – Asyl - EU Erweiterung, Greencard . . .
Vor Jahrzehnten hat sich Madeleine Leininger schon mit dieser Problematik
auseinandergesetzt (Beobachtung von Kindern und ihren Bezugspersonen) – wichtige
Thesen waren:

Kultur und Pflege gehören zusammen

Jede Kultur hat ihre eigene Pflege

Care (Pflegen in Form von Fürsorge und Betreuen) ist das Wesentliche der
professionellen Pflege (Nursing)

Ohne Vertrauen ist keine professionelle Pflege möglich
„There is no curing without caring – but there can be caring without curing“.
Leininger 1981
Ihr Sunrise-Modell - transkulturelle Pflege - stellt professionelles Pflegewissen und
–tätigkeiten auf eine kulturelle Basis. (Darstellung ihres Modells z.Bsp. in Leininger,
1998, Freiburg, S. 69)
Jede Kultur ist geprägt von eigenen Werten – sie und die Gewohnheiten der jeweiligen
Kultur zu kennen ist nötig.
Grundsätzliche „wichtige“ Werte sind/können sein:
-> anglo-amerikanisch
-> Individualität
-> Unabhängigkeit und Freiheit
-> Wettbewerb und Erfolg
-> Materialismus
-> Jugend und Schönheit
-> Gleichberechtigung der Geschlechter
-> Vertrauen auf wissenschaftliche Fakten und Zahlen
-> deutsch-amerikanisch -> Fleiß und harte Arbeit
-> Ordnung und Organisation erhalten
-> Umwelt und sich selber sauber halten
-> Wissen ist Macht
-> sich selbst und andere kontrollieren
-> polnisch-amerikanisch -> christlich-religiöse Überzeugungen
-> Familien- und Gruppensolidarität
-> Genügsamkeit als Lebensweise
-> politische Aktivität für Gerechtigkeit
-> hart arbeiten
-> niemals aufgeben
-> arabisch-amerikanisch -> Versorgung der Familie und ihre Unterstützung
-> religiöse Überzeugungen
-> Unterschiede in den Geschlechterrollen
-> Wissen um kulturelle Tabus
(vgl. Leininger, 1998, S.213 ff)
In der Pflege eines türkischen Patienten können neben des Verzichts auf
Schweinefleisch und Alkohol und des Essens (auch Infusionen!) im Ramadan auch das
fließende Wasser zum Waschen oder die „reine“ rechte Hand immens wichtig sein.
Zur Vermittlung (Aushandeln von „Sondergenehmigungen“) kann der Kontakt zu einem
Immam helfen.
In der Pflege haben wir dazu eine klare Aussage (Forderung?) - den ICN Kodex .
ICN, 1953, neueste Fassung 2000
Aus der Präambel:
. . . „Untrennbar von Pflege ist die Achtung der Menschenrechte, einschließlich dem
Recht auf Leben, auf Würde und auf respektvolle Behandlung.
Sie wird ohne Rücksicht auf Alter, Behinderung oder Krankheit, das Geschlecht, den
Glauben, die Hautfarbe, die Kultur, die Nationalität, die politische Einstellung, die
Rasse oder den sozialen Status ausgeübt.“ . . .
Leininger fordert (dazu passend) zur Vermeidung von Kulturkonflikten:






Zeigen von Respekt
Akzeptieren des anderen als Individuum
Zuhören (evtl. mittels Dolmetscher)
Vermeiden einer vorschnellen Stigmatisierung
Vermitteln des Gefühls für den anderen da zu sein
Beibehalten des Konzepts der kulturellen Pflegeerhaltung
„Zuhören“ - hier kommt mit das wichtigste Medium – zum Vertrauensaufbau wie zum
Verstehen – ins Spiel:
Direkt „Übersetzen“ alleine ist oft schwierig – z.Bsp. ist „verrutschter Nabel“ keine
Nabelhernie, sondern das „Nicht in meiner Mitte sein“, also eher ein seelisches
Problem. Eine wichtige Rahmenbedingung, um Missverständnissen vorzubeugen ist der
Einsatz, die Erreichbarkeit von professionellen Dolmetschern (nicht die
Reinigungsfrau von der Nachbarstation).
Bei uns in Nürnberg wurden KOMmunikationsMAterialien erarbeitet (in 11 Sprachen –
mit Piktogrammen und teilweise mit Lautschrift) ein wichtiger Schritt – zur besseren
Verständigung – zur Begrüßung, zum Aufbau einer Beziehung , zur Aufklärung . . .
Der Link auf die KOM-MA-Infos im Internet:
http://www.klinikumnuernberg.de/DE/ueber_uns/projekte_initiativen/kom_ma/index.html
Weitere Infos erhalten Sie über Frau Krukenberg, am besten zu erreichen über die
E-Mailadresse: [email protected]
. . die Zufriedenheit der MigrantInnen wächst und die Verweildauer gerade in der
Geburtshilfe bei Türkinnen sinkt - aber die Praxis zeigt, dass dies
Kommunikationsmaterialien sehr unterschiedlich angewendet werden – und in der
jetzigen Zeit von Arbeitslosigkeit und Zukunftsängsten boomt die Zeit der
Vorurteile.
Also gilt es zu fördern, zu lehren und zu stärken, dass
n.

ausgegangen wird vom pflegeempfangenden Individuum

nicht nur die „Kultur“ sondern die Interaktion steht
im Mittelpunkt

ich bin bereit, mich mit meinen eigenen kulturellen Werthaltungen und
Hintergründen auseinander zu setzen

ich besitze Hintergrundwissen und Erfahrung (ethnologisch)

ich bin geprägt von einer empathischen Grundeinstellung zu MigrantInnen
. . . und weil wir ja auch immer mehr gegen die Zeit arbeiten müssen ist mir
folgender Satz wohl aufgefallen:
„DAS GEGENTEIL VON STRESS IST NICHT RUHE SONDERN KONTAKT“
–
UND DAS WÜNSCHE ICH UNS HIER BEI DIESER TAGUNG
MITEINANDER – UND ZUHAUSE IN UNSERN JEWEILIGEN
ARBEITSFELDERN MIT DEN UNTERSCHIEDLICHSTEN
BEGEGNUNGEN MIT MENSCHEN UNTERSCHIEDLICHSTER PRÄGUNG
Literatur:
Alban, S., Leininger,M., Reynolds, C.L. 2000: Multikulturelle Pflege, Urban & Fischer,
München, Jena
Domenig, D. (Hg.) 2001: Professionelle Transkulturelle Pflege Verlag Hans Huber,
Bern, Göttingen, Toronto, Seattle
Hegemann, T., Lenk-Neumann, B. (Hg.) 2002: Interkulturelle Beratung, VWB Verlag
für Wissenschaft und Bildung, Berlin
Kellnhauser,E., Schwewior-Popp, S. 1999: Ausländische Patienten besser verstehen,
Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York
Leininger, M. 1998: Kulturelle Dimensionen menschlicher Pflege, Lambertus-Verlag,
Freiburg
Uzarewicz, C., Piechotta, G. (Hg.) 1997: Transkulturelle Pflege, VWB, Berlin
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