II - Fondazione Julius Evola

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II. JULIUS EVOLA UND DIE DEUTSCHE KONSERVATIVE
REVOLUTION
Wer in Italien auf die Suche nach Kennern und Bewunderern der deutschen Konservativen
Revolution geht, wird sehr schnell auf den Namen Julius Evola stoßen. Sein ausgeprägtes
Interesse ist eigentlich verwunderlich in einem Land, in dem der Faschismus gerade große
Erfolge feierte und nach dem Konkordat mit dem Vatikan die Macht fest in der Hand hatte.
Evola gehörte zur verschwindenden Minderheit derer, die sich ausdrücklich nicht zum
herrschenden Faschismus und schon gar nicht zu den nationalen Kräften alter Herkunft
bekannten. Er sah sich als Konservativer vorrevolutionärer Prägung und suchte nach den
theoretischen Grundlagen für eine primär metaphysisch bestimmte politische Herrschaft. Das
führte zu Widerständen gegen ihn und zwar nicht nur in seinem Heimatland. Auch in
Deutschland fanden sich nicht nur Freunde.
So schreibt Hermann Hesse in einem Brief vom 27. April 1935 an den Verleger Peter
Suhrkamp folgende Bemerkungen über Evola:
Dieser blendende und interessante, aber recht gefährliche Autor ist ein klassisches
Beispiel für eine gewisse Art, esoterisches Wissen anscheinend in exoterisches
umzusetzen. Nur sollte dabei die Reinheit der Kategorien einigermaßen gewahrt
bleiben, welche Evola ganz wild und dilettantisch, dabei sehr herrschsüchtig
durcheinander wirft. Ich teile weitgehend seine esoterische Grundauffassung: seit bald
20 Jahren schon sehe ich die Weltgeschichte nicht mehr im Bilde irgend eines
„Fortschritts“, sondern eher wie die alten Chinesen als allmählichen Verfall einer
Ordnung, die göttlich war. Die Art aber, wie Evola bald mit „wirklicher“ Historie, bald
mit wichtigtuerischem Okkultismus seine Halbwissenschaft treibt, ist lediglich
gefährlich. Es wird in Italien beinahe niemand auf ihn hereinfallen, in Deutschland ist
das anders (siehe G. Benn etc.)1
Hesse kommt mit dem letzten Satz zum gleichen Urteil wie der in der Vorkriegszeit äußerst
bekannte Philosoph Hermann Graf Keyserling, dessen Arbeit Evola übrigens schon 1925 in
der profreimaurerischen Zeitschrift L’Idealismo Realistico2 eingehend analysiert. Auch in
seinem Buch Saggi sull’Idealismo Magico3 (Aufsätze zum Magischen Idealismus) erwähnt er
ihn mehrmals kritisch. Keyserling, der Gründer der sogenannten „Schule der Weisheit“,
schreibt nämlich zur faktisch gleichen Zeit in seinem Mitteilungsblatt folgendes:
In letzter Zeit nun las ich ein Buch, das in seinem Ursprungsland Italien kaum
überhaupt Einfluß ausüben dürfte, in Deutschland jedoch vielleicht zu erheblicher
Wirkung berufen ist: Julius Evolas Rivolta contro il mondo moderno....4 Den Erfolg in
Deutschland erwarte ich daher, daß Evolas Verherrlichung der sakralen Welt solarmännlicher Artung.....und seine Behauptung, daß nur eine Renaissance dieser Welt das
Menschengeschlecht vor dem Untergang bewahren kann, den besten, ja vielleicht einzig
1
Zitiert in Gottfried Benn 1886 - 1956, Katalog einer Ausstellung des Deutschen Literaturarchivs, Marbach am
Neckar, 1987, 210. 1936 bestärkt Hesse seine Ansicht in einer Besprechung von Leopold Zieglers Buch
Überlieferung mit folgenden Worten: „Vor kurzem hat der Italiener Giulio Evola sein Werk „Erhebung wider
die moderne Welt“ herausgegeben, das sich beinah genau mit demselben Komplex von Fragen befaßt, aber mit
weniger Freiheit und Frische, mit mehr Wichtigtuerei und nicht ohne okkultistische Unarten auftritt, wir halten
Ziegler für vertrauenswürdiger.“ Der Beitrag ist jetzt in Hermann Hesse, Schriften zur Literatur, 2, Frankfurt
1972, 473 - 475 zu finden.
2
Anno II, fasc. 1 (1 gennaio 1925), 8 – 19.
3
Todi-Roma, 1925.
4
Deutsche Ausgabe Erhebung wider die moderne Welt, Stuttgart, 1935. Neuübersetzung der Ausgabe letzter
Hand: Revolte gegen die moderne Welt, Interlaken, 1982 und Vilsbiburg, 1993.
2
möglichen
Ansatzpunkt
für Nationalsozialisten heidnischer Neigung
darstellt, um zu einer Spiritualisierung ihrer Weltanschauung zu gelangen5.
Keyserling selbst findet das Buch „persönlich unmittelbar unsympathisch“ und glaubt auch
nicht an Evolas „heidnischen Imperialismus“, der ihm „wenig praktische Zukunftsbedeutung
zu haben“ scheint.
Der Frage, ob diese negative Einschätzung stimmt oder ob Evola doch einen gewissen Einfluß
im deutschen Denkraum ausgeübt hat, soll in dieser Studie nachgegangen werden, wobei wir
uns allerdings mehr oder weniger nur auf die Weimarer Zeit und in Österreich auf die Erste
Republik beschränken wollen. Evolas Kontakte in der NS-Zeit bleiben also ausgespart.
Ebenso sollen hier nur der politische Aspekt seines damaligen Wirkens berührt und die
künstlerischen, philosophischen und esoterischen Bemühungen, die allerdings eine
notwendige Voraussetzung seines politischen Handelns darstellen, ohne die es zwangsläufig
mißverstanden werden muß, beiseite gelassen werden.
Evola selbst widmet der Frage der Konservativen Revolution in seiner Autobiographie6 nur
wenige Seiten, erwähnt allerdings dabei einige ihm verwandte Geister, so vor allem Arthur
Möller van den Bruck, Hans Blüher, Ernst Jünger und Ernst von Salomon. Mit großer
Wahrscheinlichkeit ist er aber mit keinem dieser Autoren in echter persönlicher Beziehung
gestanden - auch nicht mit Ernst Jünger.
Abgesehen davon, daß Evola ein Buch und einen längeren Essay über Jünger geschrieben hat7
und in der von Jünger (und Mircea Eliade, der seit seiner Jugend mit Evola in Kontakt stand)
herausgegebenen (aber faktisch vom Basler Schriftleiter Philipp Wolff-Windegg geleiteten)
Nachkriegszeitschrift Antaios mitgearbeitet hat8, gibt es keine konkreten Hinweise auf eine
Zusammenarbeit der beiden. Auf eine direkte Anfrage bei Ernst Jünger gab dieser kurz vor
seinem Tod über eine Mittelsperson zur Antwort, daß er über Evolas Werk Metaphysik des
Sexus auf ihn aufmerksam geworden sei. Einen persönlichen Kontakt hätte er nicht gehabt.
Es hätte zudem höchstens einen einzigen Briefwechsel zwischen ihnen gegeben. Von der
Julius-Evola-Stiftung in Rom haben wir gehört, daß auch über den seinerzeitigen Sekretär
Jüngers, Armin Mohler, ein kurzzeitiger Kontakt mit Evola gegeben war. Aber auch das hat
nicht zu gelten, was André Taguieff in den Jahresberichten von Politica Hermetica9
annimmt, daß nämlich Jünger einer Freundschaft mit Evola ablehnend gegenüberstand. Denn
Jünger selbst schreibt in Strahlungen V10 unter dem Datum 24. Februar 1995 folgendes:
„An Albrecht Kiel:.....Dank auch für Ihr Buch, in dem Sie eine Reihe meiner
verstorbenen Freunde wie Illies, Eliade und Evola zitieren -...“
Auch Hans Blüher erwähnt Evola in seinen Büchern nicht. Nicht einmal im Hans BlüherArchiv in Berlin lassen sich Briefe oder Notizen zu oder von Evola finden. Das verwundert
etwas, da neben dem gemeinsamen Interesse an Esoterik und dem gleichen streitbaren Geist
die Bekanntschaft mit Baron Heinrich von Gleichen-Rußwurm gegeben ist, zu dem beide sehr
freundschaftliche Beziehungen unterhielten. Beide waren auch Gäste im Deutschen
Herrenklub, den Baron von Gleichen begründet hatte.11
5
6
Zitiert in: Arnold Keyserling (Hrsg.), Das Erbe der Schule der Weisheit, Wien, 1981, II. Bd. 701 - 704.
Julius Evola, Il cammino del cinabro, (Der Weg des Zinnobers) Mailand, 1972, 136 - 139.
L’“operaio“ nel pensiero di Ernst Jünger (Der „Arbeiter“ im Denken Ernst Jüngers), Rom, 1974 und
L’“operaio“ e le scogliere di marmo (Der „Arbeiter“ und die Marmorklippen), Padua, 1977.
8
Siehe dazu: Hans Thomas Hakl, “Den Antaios kenne und missbillige ich. Was er pflegt, ist nicht Religio,
sondern Magie!“ Kurze Geschichte der Zeitschrift Antaios. In ARIES 9.2. (2009)195-232.
9
Politica Hermetica I, Paris, 1987, 126.
10
Stuttgart, Klett 1997, 166.
11
Vgl. Hans Blüher, Werke und Tage, München, 1953, 328ff.
7
3
Evola hat nie behauptet, auf diese oder auch andere deutsche Denker dieser Zeit eingewirkt zu
haben. Umgekehrt hingegen muß man sagen, daß das politische Denken der Konservativen
Revolution Evola auf jeden Fall stark beeinflußt hat. Deren Vertreter sahen in Evola ja nicht
nur einen Geistesverwandten, sondern auch jemanden, der helfen würde, ihre Ideen in Italien
zu verbreiten. Evola verschaffte ihnen zudem die Möglichkeit, selbst in Italien zu publizieren,
indem er seinen eigenen regelmäßigen - heute würde man sagen - Feuilletonteil Diorama
Filosofico in der Zeitschrift Regime Fascista zur Verfügung stellte. Darin konnten dann
Leute wie Gottfried Benn, Karl Anton von Rohan, Othmar Spann, Walter Heinrich, und Karl
Wolfskehl ihre Ideen vorbringen.
Vielleicht hat er auch einigen von ihnen Zugang zu Carlo Costamagnas damals angesehener
Zeitschrift Lo Stato (Der Staat), verschafft, wo z.B. schon Othmar Spann und Walter Heinrich
vertreten waren. Wie weit er Carl Schmitt dort einführte, ist nicht geklärt, jedenfalls ist dieser
durch eine ganze Reihe von Aufsätzen vertreten.
Daß die geistige Strömungsrichtung in diesem Zusammenhang eher von Deutschland nach
Italien verlief und nicht umgekehrt, ist nach Evola auch kaum verwunderlich, denn er selbst
schreibt in seiner schon erwähnten Autobiographie12: „Der Boden und die historischen
Voraussetzungen waren in Deutschland wohl sehr unterschiedlich“. In Deutschland gab es
nämlich seit Jahren zahlreiche politische und kulturelle Zirkel, wo sich neue und alte
Konservative treffen und diskutieren konnten, was anscheinend in Italien nicht der Fall war.
Natürlich publizierte auch Evola in Deutschland und gar nicht wenig.13 Aber da er Italiener
war, konnte er niemals in entsprechender Weise das Problem behandeln, das der
Konservativen Revolution am meisten am Herzen lag: die desolate Situation Deutschlands
nach Versailles.
Die veränderte deutsche Ausgabe von Evolas erstem politischem Buch Heidnischer
Imperialismus, das 1933 in Leipzig erschien, machte den Namen Evolas schließlich
einigermaßen bekannt. Es gab viele Rezensionen und einige davon waren von nicht
unbedeutenden Vertretern der Konservativen Revolution geschrieben.
Die Worte der Bewunderung, die Wilhelm Stapel, Herausgeber der Zeitschrift Deutsches
Volkstum, zu Papier brachte und die positive Besprechung von Friedrich Everling, einem
monarchistisch gesinnten Reichstagsabgeordneten, die Evola in seiner Autobiographie
irrtümlicherweise seinem erst 1935 erschienenen Buch Erhebung wider die moderne Welt
zuschrieb, galten in Wirklichkeit seinem Heidnischen Imperialismus. Auch Die Literarische
Welt und das Deutsche(s) Adelsblatt drückten ihre enthusiastische Zustimmung aus. Ebenso
positiv äußerten sich die antisemitische Zeitschrift Der Hammer und die Völkische Kultur.
Seine erste (bekannte)14 Reise nach Deutschland trat Evola Anfang 1933 an, denn am 8.
Januar 1933 erschien in der Zeitung Corriere Padano15 ein Interview Evolas mit Dr. Friedrich
Everling, das nach den Angaben im Artikel selbst in einem „ultramodernen Café am
12
Cammino, aaO, 136.
Sh. Karlheinz Weissmann, Evola: Bibliographie der in deutscher Sprache veröffentlichten Bücher und
Aufsätze Julius Evolas ,o.O. o.J, und Alain de Benoist, Bibliographie allemande de Julius Evola in H.T.Hansen
(H.T.Hakl), Julius Evola et la „Revolution Conservatrice“allemande, Les Deux Etendards, Montreuil-sous-Bois,
81-94.
14
Es gibt allerdings einen Bericht der römischen Polizei vom 3. März 1930, wonach Evola bereits damals eine
„geheime Reise“ nach Deutschland gemacht hätte, um Kontakte zu konservativen politischen Kräften
aufzubauen. Dafür gibt es jedoch keinerlei objektive Bestätigung.
15
Julius Evola, „Deutsche Treue“, Il Corriere Padano XI, 19.1.1933.
13
4
Kurfürstendamm“ in Berlin stattfand und auch mit der Ortsbezeichnung Berlin überschrieben
ist. Friedrich Everling war Reichstagsabgeordneter der Gruppierung um Dr. Alfred
Hugenberg, die wiederum mit dem „Stahlhelm“ eng verbunden war. Everlings Aussagen
fanden übrigens die volle Zustimmung des italienischen Interviewers.
Daß Evola nun mit dem „Stahlhelm“ sympathisierte oder gar in Verbindung war, steht außer
Zweifel.16 Überhaupt sympathisierte Evola politisch am ehesten mit denjenigen
Vorstellungen, die sich 1931 als sogenannte Harzburger Front gegen die Weimarer Republik
politisch niederschlugen. Sie ging vor allem auf Initiativen des schon erwähnten
„Pressezaren“17 Alfred Hugenberg zurück. Dort arbeiteten eben der „Stahlhelm“, der
Alldeutsche Verband, die DNVP, aber auch die NSDAP zusammen.18 Die konservativen
Kräfte um Hugenberg hatten sich dabei der Vorstellung hingegeben, Hitler beeinflussen und
im Hintergrund die Fäden ziehen zu können, was sich jedoch bald als Illusion herausstellte.
Schon bei der Großveranstaltung anläßlich der Gründung der Harzburger Front
demonstrierten Adolf Hitler und Joseph Goebbels ihre große Distanz zu den anderen
teilnehmenden Organisationen, indem sie am gemeinsamen Mittagessen nicht teilnahmen und
auch die Parade des „Stahlhelm“ nicht abwarteten, sondern die Ehrentribüne vorher
verließen.19
Unbekannt und nach wie vor völlig unklar ist, wie und wann Evola mit Vertretern dieser
politischen Strömung Verbindung aufgenommen hat20 und ob das nun brieflich geschehen ist
(Evola sprach deutsch) oder über eine „geheime“ Reise. Eine Hilfestellung von
„Steinerianern“, wie in dem erwähnten römischen Polizeibericht von 1930 behauptet, ist dabei
eine durchaus plausible Möglichkeit. In Evolas magischer Gruppe von UR gab es ja mehrere
überzeugte Anthroposophen. Insbesondere ist da Giovanni Colazza zu nennen, dem er sehr
freundschaftlich verbunden war. Der Arzt Giovanni Colazza war ein sehr enger Vertrauter
Rudolf Steiners und sogar einer seiner wenigen persönlichen Schüler.
1934 folgte die zweite Reise, um Vorträge in Berlin aber auch Bremen zu halten, wohin ihn
Ludwig Roselius zum zweiten „Nordischen Thing“ geladen hatte.
Wer war nun dieser Ludwig Roselius (1874 - 1943)? Sein Vater hatte
Importfirma gegründet, die in kurzer Zeit zu einem der bedeutendsten
Industriebetriebe auf diesem Sektor heranwuchs. 1906 wurde die Firma
umbenannt und unter der Leitung von Ludwig Roselius wurde als Krönung
koffeinfreie Kaffee HAG erfunden.
16
eine Kaffeeeuropäischen
in HAG AG
der berühmte
In Evolas damaligen Zeitschriften- und Zeitungsartikeln gibt es zahlreiche Hinweise darauf. Selbst in seiner
Nachkriegsanalyse des Dritten Reichs: Julius Evola, Fascismo e Terzo Reich, Roma: Edizioni Mediterranee,
2001, 185, nennt er den „Stahlhelm“ und die DNVP als die für ihn bedeutsamsten Gruppierungen.
17
Zum weitverzweigten Einflußbereich des Presse- und Filmmagnaten vgl. Heidrun Holzbach, Das „System
Hugenberg“. Die Organisation bürgerlicher Sammlungspolitik vor dem Aufstieg der NSDAP, Stuttgart:
Deutsche Verlags-Anstalt, 1981.
18
Volker R. Berghahn, Der Stahlhelm. Bund der Frontsoldaten 1918-1935, Düsseldorf, Droste 1966.
19
Siehe John A. Leopold, Alfred. Hugenberg. The Radical Nationalist Campaign against the Weimar Republic,
New Haven: Yale University Press, 1977, 102 f., und Theodor Duesterberg, Der Stahlhelm und Hitler,
Wolfenbüttel: Wolfenbüttler Verlagsanstalt, 1949, 23. Duesterberg war 2. Bundesführer des „Stahlhelm“, und so
hat seine Schrift zweifellos auch apologetischen Charakter. Aber die dort abgedruckten Briefe der
Stahlhelmführer an Adolf Hitler sind doch von Interesse. Theodor Duesterberg ist übrigens auch ein von Evola
in seinen Zeitungs- und Zeitschriftenaufsätzen häufig erwähnter Name, auch wenn er ihn „Düstenberg“ nennt.
Ein weiterer Beweis für Evolas nicht immer verläßliches Gedächtnis.
20
Hier ist anzumerken, daß die Kontaktaufnahme bereits 1928 stattgefunden haben muß, denn aus diesem Jahr
stammt der erste politische Aufsatz Evolas in der deutschen Zeitschrift Die Eiche. Sein Titel: „Der Faschismus
als Wille zur Weltherrschaft und das Christentum“. .
5
Roselius war in seinem Beruf überaus erfolgreich, und entwickelte sich gleichzeitig
zu einem großen Kunst- und Kulturmäzen. Er betätigte sich auch selbst schriftstellerisch. 21 In
besonderer Weise unterstützte er aber den von der akademischen Welt sehr angefochtenen
holländischen Urgeschichtsforscher Herman Wirth, dessen Ideen in Italien auch von Evola
verbreitet worden waren.
Das zweite „Nordische Thing“ war von Roselius hauptsächlich deswegen einberufen worden,
um Wirth eine breitere Plattform zu bieten, aber der Großteil der Teilnehmer zeigte sich voll
Reserven, ja sogar ablehnend. Das wichtigste Blatt der Nordischen Bewegung Rasse erklärte
in einem Leitartikel dazu, daß dieses zweite „Nordische Thing“ ein Fehlschlag gewesen sei
und weitere „Nordische Thinge“ nicht mehr abgehalten werden sollten.
Natürlich traf dieser Mißerfolg Evola ebenso, wenn auch nur mittelbar. Die Führungskräfte
der Nordischen Bewegung sympathisierten nämlich fast ausschließlich für einen anderen
anwesenden Italiener, nämlich den Rasseforscher Giulio Cogni. Cogni, der in Italien ziemlich
umstritten war, wurde in Deutschland mit offenen Armen empfangen. Wahrscheinlich sind
die Bevorzugung Cognis und die Ablehnung Evolas auf das öffentliche Eintreten des
Rasseforschers Hans F.K. Günther zugunsten Cognis zurückzuführen. Günther verfügte
nämlich über eine große Anhängerschar in diesen Kreisen. Dieser Konflikt könnte auch einer
der Ursachen für manchen späteren Seitenhieb Evolas gegen Günther sein.
Evola selbst bezeichnet die Rede, die er im Deutschen Herrenklub in Berlin hielt, als seine
wichtigste politische Aktion während dieses Besuchs. Diese Einschätzung wird sicherlich
richtig sein, denn im Herrenklub verkehrten Persönlichkeiten von entscheidendem Einfluß,
die dann Anfang der 30-er Jahre zum Teil sogar historische Rollen übernehmen sollten. Das allerdings fehlgeschlagene - Ziel des Klubs bestand darin, eine sowohl geistige als auch
politische konservative Alternative zum Nationalsozialismus zu bilden und die dafür
notwendige Elite heranzubilden. Ein Ziel, dem sich später auch Evola verpflichtet fühlen
sollte.
Der Herrenklub war 1924 aus einer Spaltung des Juni-Klubs entstanden, in dem auch Arthur
Möller van den Bruck mitgewirkt hatte. Beide Vereinigungen standen unter der Führung des
schon erwähnten Baron Heinrich von Gleichen-Russwurm. Niederlassungen des Herrenklubs
bestanden in verschiedenen deutschen Städten, sein Hauptsitz aber war Berlin. Die Mitglieder
rekrutierten sich aus der gesamten konservativen Oberschicht des Landes und aus der
Großindustrie: Thyssen, Flick, Stinnes, der zukünftige Finanzminister Hitlers, Hjalmar
Schacht, Hindenburg, Friedrich von Hohenzollern ebenso wie der künftige Reichskanzler
Franz von Papen.
1933 mußte eine Namensänderung in Deutscher Klub vorgenommen werden, da Mitglieder
der NSDAP die Zügel in die Hand genommen hatten, was die Vereinigung auch bald
bedeutungslos machen sollte. Als Evola dort seine Rede hielt, war der Klub sicher nicht mehr
auf dem Höhepunkt seiner Macht, aber die alten Mitglieder befanden sich noch in seinem
Umkreis.
Mit Baron von Gleichen muß Evola schon vorher korrespondiert haben. Wie aus einem
interessanten Briefwechsel zwischen Oswald Spengler und Rudolf Pechel, dem Herausgeber
der Deutschen Rundschau hervorgeht, scheint es sich bei Baron von Gleichen um eine von
ziemlich radikalen Ideen durchdrungene Persönlichkeit gehandelt zu haben.22 Das wird auch
21
Sh. z.B. sein Buch Briefe und Schriften zu Deutschlands Erneuerung, Oldenburg,1933.
Sh. das in unserem Zusammenhang äußerst wichtige Buch Volker Mauersberger, Rudolf Pechel und die
Deutsche Rundschau 1919 - 1933, Bremen, 1971, von dem viele der hier erwähnten Informationen stammen.
22
6
die Ursache für die Auflösung des Juniklubs gewesen sein, der dem Herrenklub voranging.
Demselben Briefwechsel ist zu entnehmen, daß 1923 von Gleichen sogar zu einem Putsch
bereit war, um Minister der neuen Regierung zu werden. Von Gleichen war auch Mitglied des
„Deutschen Schutzbundes“ (für Auslandsdeutsche) und des „Ringbundes“, wo Evola
ebenfalls publizierte und der politische Information und Propaganda zum Ziele hatte.
Schon während des Ersten Weltkrieges hatte von Gleichen gemeinsam mit Möller van den
Bruck enge Beziehungen zur deutschen Kriegspropaganda geknüpft die seiner Meinung
nach nur wenig erreichte, weil sie - im Gegensatz zu den Engländern unter Lord Northcliffe die Waffen der „Psychologie“ völlig unterschätzt hatte.
Ebenso stand Baron von Gleichen an der Spitze des „Bundes Deutscher Gelehrter und
Künstler“, der an die tausend Personen aus dem kulturellen und politischen Leben umfaßte
und in einer Art „psychologischer Kriegführung“ einsetzte.
In diesem Zusammenhang ist vielleicht ein sich im Hans Blüher Archiv in Berlin befindlicher
Brief von Baron Gleichen vom 11. Juli 1947 an Hans Blüher anzuführen. Darin verteidigt sich
von Gleichen gegen die Anschuldigung, Wegbereiter des Nationalsozialismus gewesen zu
sein. Er erwähnt dabei, daß 1932/33 der Herrenklub auf Berliner Litfaßsäulen als „Juden- und
Freimaurerklub“ angegriffen worden sei. Er selbst hätte im „Ring“ sogar für eine zeitweilige
Aussetzung der deutschen Reichsverfassung plädiert, nur um Hitler von der Macht
fernzuhalten. Einem Verbot sei der Herrenklub nur durch das Einschreiten einer Dame
entgangen, die bei Hitler und Goebbels persönlich ein gutes Wort einlegte. Zudem erwähnt
er, daß insgesamt zwölf Klubfreunde den Verfolgungen nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli
1944 zum Opfer gefallen seien.
Aber das Mitglied des Herrenklubs, zu dem Evola ohne Zweifel die engste und bedeutendste
Verbindung besaß, war Edgar Julius Jung, Autor des damaligen Klassikers Die Herrschaft der
Minderwertigen 23, einer Sinndeutung der Deutschen Revolution 24 sowie einer ganzen Reihe
von Zeitungs- und Zeitschriftenartikel.
Edgar Julius Jung war der Wortführer der sogenannten Jungkonservativen im Sinne von
Armin Mohler. Mauersberger beschreibt ihn als politischen Hasardspieler25, was eine
vielleicht etwas überzeichnete Darstellung ist. Der Philosoph Leopold Ziegler hatte ihn
hingegen einmal den „entschiedensten , konsequentesten, mutigsten und klügsten Gegner
Hitlers“ genannt.
1924 hatte Jung jedenfalls eine kleine geheime Truppe aufgestellt, die den Führer der
Separatisten in der Pfalz Heinz-Orbis erschoß, wobei er die volle Verantwortung auf sich
nahm, obwohl er nicht der Todesschütze gewesen war. Die Pfalz stand damals unter
französischer Besetzung. Da Jung überzeugt war, auf beträchtliche Finanzmittel der
Großindustrie zählen zu können (darunter I.G. Farben), schuf er 1927 eine eigene Bewegung
namens „Neue Front“, in der alle bündischen Gruppen zusammengefaßt werden sollten.
Gleichfalls plante er, eine Art Orden aufzubauen, der geistig und führungsmäßig die
Geschicke des Staates in die Hand nehmen sollte. Er folgte also dem sogenannten
„Ordensstaatsgedanken“, den wir sowohl bei Evola als auch bei Ernst Jünger wiederfinden.
Karl Martin Graß schreibt dazu in seiner Dissertation26, daß Jung trotz aller Pragmatik den
23
1.Aufl. Berlin, 1927; 2. erweiterte Aufl. Berlin, 1930.
Oldenburg, 1933.
25
Pechel...aaO, 229.
26
Edgar Jung, Papenkreis und Röhmkrise 1933/34, Heidelberg, 1966.
24
7
Ursprung seiner Politik in „transzendental vorgestellte,
metaphysische
Bereiche
verlegte“ und die Antriebe politischen Handelns in „Bezirke, die jenseits des Verstandes
liegen“.
Hier sieht man die unübersehbare Ähnlichkeit zu Evolas Gedankengängen, die wohl beide
von Platon bestimmt sind. Ebenso charakteristisch für Jung war seine Beschäftigung mit den
Ideen von Othmar Spann und es zeigt sich bei ihm das Streben nach einer „Ganzheit“ der
geistigen und sozialen Kräfte. Auch Bernhard Jenschke bestätigt diese Einschätzung voll und
ganz und zitiert dazu die „feste Überzeugung Jungs“, daß „wahrhafte Neugestaltung des
Gemeinschaftslebens nur auf einer religiösen Grundlage möglich (ist)“.27 Ebenso sehr betont
er Jungs „universalistischen Gemeinschaftsbegriff“.28
In dem von Mauersberg publizierten Briefwechsel zwischen Pechel und Jung, bemerkt Jung,
daß er von Krupp unterstützt würde, aber wahrscheinlich auch von Bosch Hilfe erwarten
könne. Was Jung aber nicht wollte, war eine eigene Partei begründen, er glaubte vielmehr mit
Hilfe seines „Ordens“ hinter den Kulissen wirken zu müssen Die Großindustrie ihrerseits
hoffte mit ihm eine starke Gegenströmung gegen Hitler aufbauen zu können.
Jung selbst schreibt in einem Brief vom 23. Dezember 1930 an Pechel:
Selbstverständlich herrscht im Westen eine nationalsozialistische Psychose und Adolf
Hitler hat wieder seine üblichen Begeisterungsstürme bekommen. Daneben besteht aber
die einfache Tatsache meines Einflusses, der stärker ist denn je.....Tatsache ist, daß ich
heute eines der wenigen Gegengewichte gegen den Nationalsozialismus darstelle. Aber
nur dann, wenn ich mich nicht in einen lächerlichen Kampf gegen Adolf Hitler
hineindrängen lasse. Mein Auftrag lautet genau umgekehrt.29
In einem Brief vom 5. September 1929 an den Chefredakteur der Rheinisch-Westfälische(n)
Zeitung hatte Jung schon Näheres mitgeteilt:
Was meine Stellung zum Faschismus angeht, so darf ich Ihnen vertraulich mitteilen,
daß mein ganzes politisches Lebensziel auf die Schaffung einer Diktatur hingeht. Ich
warne nur vor einer Diktatur ohne Inhalt, die für das deutsche Volk nicht erträglich
wäre. Deshalb auch meine verzweifelten Bemühungen durch geistig weltanschauliche
Vertiefung den Sinn des organischen Staates....herauszustellen.30
1932 wurde ein Mitglied des Herrenklubs, Franz von Papen, Reichskanzler. Von Papen hatte
natürlich die Unterstützung der alten preußischen Führungsklasse und der Großindustrie. Auf
Empfehlung von Pechel nahm sich nun der neue Reichskanzler Edgar Julius Jung als
Privatsekretär31. Dieser bezog damit eine höchst einflußreiche Stellung, denn zu seinen
Agenden gehörte auch, daß er Reden für den neuen Reichskanzler verfassen konnte.
Andererseits hatte sich von Papen sogar schon öffentlich32 zu Gunsten der politischen
Vorstellungen eines Moeller van den Bruck, eines Leopold Ziegler und eben auch eines Edgar
Julius Jung ausgesprochen. Ebenso war er mit den Ideen von Othmar Spann bestens vertraut.
Nun gibt es kaum Zweifel darüber, daß E. J. Jung in freundschaftlichen Beziehungen zu Evola
stand. Bestätigt wird uns das von einem Jugendfreund Jungs, Edmund Forschbach, und zwar
27
Zur Kritik der konservativ-revolutionären Ideologie in der Weimarer Republik (Weltanschauung und Politik
bei Edgar Julius Jung), München, 1971, 74.
28
Jenschke, Kritik, aaO, S.86f.
29
Mauersberger, Pechel...aaO, 236.
30
zitiert in Révue d’Allemagne, Juillet-Séptembre, Strasbourg, 1984, 395.
31
Sh. Yuji Ishida, Jungkonservative in der Weimarer Republik, Frankfurt, 1988, 218.
32
in seinem Buch: Appell an das deutsche Gewissen, Oldenburg, 1933.
8
in seinem Buch Edgar Julius Jung , wo er berichtet, daß Evola die einzige ihm bekannte
Person war, mit der Jung im Ausland regelmäßige Beziehungen unterhielt.
33
Auch Leopold Ziegler, Vertreter der Ideen Guénons in Deutschland und Autor zweier Bände
über Das Heilige Reich der Deutschen34, berichtet in einem Brief vom 9. Juni 1951 an Prof.
Walter Heinrich in Wien folgendes:
Evola! Ich kannte ihn bisher nur dem Namen nach. Aber - er hatte den Weg zu meinem
ermordeten Freunde Edgar Jung gefunden, wollte mit diesem eine ghibellinische Partei
gründen: ihn mit mir bekannt zu machen, war Jungs ernste Absicht.35
Danach folgen Hinweise auf den heiligen Gral.
Einen ganz wichtigen Aspekt, der die engen Beziehungen zwischen Evola und Jung bestätigt,
zeigt Forschbach auf, wenn er in seinem Buch36 einige Passagen aus der berühmten
„Marburger Rede“ zitiert, die vom damaligen Vizekanzler von Papen gehalten, aber zum
großen Teil von Jung geschrieben worden war und in der die totalitären Bestrebungen der
Nationalsozialisten sehr deutlich angegriffen wurden.
Die Rede fand am 17. Juni 1934 statt, als Hitler schon seit dem 30. Januar 1933 an der Spitze
der Regierung stand. Die Folgen zeigten sich sofort und waren sehr hart. Von Papen mußte
aus der Regierung ausscheiden und Jung selbst wurde von einer Gruppe Nationalsozialisten in
der sogenannten „Nacht der langen Messer“ ermordet, obwohl er keinerlei Verbindung zu
Ernst Röhm gehabt hatte. In diesem Zusammenhang sollte man vielleicht auch darauf
hinweisen, daß von nationalsozialistischer Seite nachträglich betont wurde, daß Jung wegen
seiner ausländischen Beziehungen erschossen worden sei.37
In der „Marburger Rede“, die den letzten, arg verspäteten Versuch der konservativen
Opposition darstellte, sich Hitlers absoluten Machtanspruch entgegenzustellen, sagte von
Papen wörtlich:
Wer darüber unterrichtet ist, was in Europa heute in den besten und edelsten Köpfen
und förmlich wie eine neue Ghibellinenpartei zu keimen beginnt...
Jeder, der Evola gelesen hat, wird hier seine Ideen erkennen und auch für Forschbach sind das
klare Hinweise auf evolianische Gedankengänge. Zudem fügt sich dieser Satz nahtlos in den
eben erst zitierten Abschnitt von Leopold Zieglers Brief an Prof. Heinrich. Von Papen spricht
dann in der Rede weiter vom „Dritten Reich“, dem „Reich des Heiligen Geistes“, wie es der
mittelalterliche Mönch Joachim von Floris in seinen Visionen nach dem „Reich des Vaters“
und dem „Reich des Sohnes“ erstehen sah.
In diesem Zusammenhang soll noch ein Zitat aus einem Brief Leopold Zieglers vom 10. April
1951 an den Psychiater und Freund Ludwig Binswanger folgen, das dieser Geschichte einen
weiteren interessanten, jedoch weitgehend unbekannten Aspekt hinzufügt:38
...Und wieder befällt mich die Todesangst jener Nacht, die meiner Flucht nach
Kreuzlingen vorhergegangen war. Gegen Abend war es meiner Frau endlich gelungen,
die nicht nachzuprüfenden Gerüchte über die Hinrichtung Edgar Julius Jungs in der
Mordnacht des 30. Juni bestätigt zu erhalten. Er war mir von sämtlichen deutschen
Politikern gesinnungsmäßig am nächsten gestanden; wir verfolgten für unser Volk und
33
Pfullingen, 1984, 85.
Darmstadt, 1925.
35
Leopold Ziegler, Briefe 1901 - 1958, München, 1963, 208.
36
Forschbach, Jung, aaO, 118.
37
Max Gallo, Der schwarze Freitag der SA. Die Vernichtung des revolutionären Flügels der NSDAP durch
Hitlers SS im Juni 1934, Wien, Fritz Molden 1972, 190.
38
Ziegler, Briefe.., aaO, 209.
34
9
seinen Staat bis zur Gleichheit ähnliche Ziele; wir hatten noch zu Pfingsten mit
unbedachter Offenheit über Jungs Vorhaben, Hitler zu erschießen, gesprochen;
Briefe von mir, wenn auch durchaus zurückhaltender Art, mußten sich in Jungs
Korrespondenz gefunden haben. Kurz, jede Wahrscheinlichkeit sprach dafür, daß ich
das Schicksal Jungs würde teilen müssen - um so gewisser zwar, als ich noch im
Frühling auf Jungs Betreiben den Vizekanzler Papen in Sorrent besucht hatte mit der
Aufgabe, ihm „ über Hitler die Augen zu öffnen“.(Hervorhebungen von H.T.H.)
Heute zweifelt kaum jemand daran, daß die politischen Aktionen Jungs und von Papens mit
seinem „Kabinett der Barone“ den Eintritt Hitlers in die Regierung objektiv erleichterten.
1932 hingegen, als von Papen Reichskanzler wurde, war der Kampf zwischen Konservativen
und Nationalsozialisten noch keineswegs entschieden. Den Ausschlag dürfte schlußendlich
die Großindustrie mit ihren Geldmitteln gegeben haben. Und die Industrie, die ja - heute wie
damals - vor allem an Stabilität und vielversprechenden Zukunftsaussichten interessiert ist,
scheint in Hitler die Person gesehen zu haben, die diese Stabilität am ehesten zusichern
konnte.
Wenn nun der Kampf dieser zwei widerstreitenden Gruppen in Deutschland anders
ausgegangen wäre, hätte Evola mit Sicherheit Unterstützung von seinen dann mächtigen
Freunden erhalten und eine wichtige Rolle in Italien spielen können. Zudem wäre er als
Verbindungsmann und Koordinator zu anderen europäischen Ländern, wo er ja überall
zahlreiche Freunde besaß, unverzichtbar gewesen.
Eine andere Persönlichkeit, zu der Evola ebenfalls enge Beziehungen unterhielt und die
bereits ein weitreichendes Verbindungsnetz zwischen den konservativen Kräften in Europa
aufgebaut hatte, war Prinz Karl Anton von Rohan (1896 - 1975). Von Rohan hatte 1922 in
Wien den „Kulturbund“ begründet, vor dem Evola 1936 eine Rede halten sollte.
1924 hatte von Rohan ebenso die „Féderation des Unions Intelléctuelles“ geschaffen und
schon im ersten Jahr eine internationale Versammlung in Paris organisiert, die
Persönlichkeiten aus ganz Europa zusammenbrachte.39 Vertreter der Schweiz z.B. war
Gonzague de Reynold40, mit dem Evola ebenfalls Kontakt hatte.
1925 erschien dann die erste Nummer der Europäischen Revue unter der Schriftleitung von
Rohans und innerhalb weniger Monate publizierten dort Intellektuelle vom Range eines
Croce, Montherlant, Ziegler, Tagore, Pirandello, Hoffmannsthal, Valery, Stresemann ebenso
wie der Freund und Mitarbeiter Evolas, der Antifaschist und überzeugte Demokrat Colonna di
Cesarò. Seine Mutter hatte die Anthroposophie nach Italien gebracht und sich auch tatkräftig
um ihre Verbreitung gekümmert.41
Schon in den Folgejahren sah man dort als Autoren neben Evola Thomas Mann, C. Schmitt,
Hemingway, C.G. Jung, den Grafen Dürckheim, Coudenhove-Kalergi und Hans Blüher.
39
Sh. Europäische Revue, I,7, 61f.
Zu diesem Denker eines föderalistischem Europa sh. die sehr informative Studie: Paul König, Gonzague de
Reynold, Winterthur 1960 und die im Gegensatz dazu kritische Arbeit: Aram Mattioli, Zwischen Demokratie und
totalitärer Diktatur (Gonzague de Reynold und die Tradition der autoritären Rechten in der Schweiz), Zürich,
1994.
41
Zu den Beziehungen Evola - Colonna di Cesarò sh. den hochinteressanten Artikel: Marco Rossi, Lo Stato
Democratico e l’anitifascismo antidemocratico di Julius Evola in der angesehenen Zeitschrift Storia
Contemporanea, XX, no.1, febbraio 1989.
40
10
Höchstwahrscheinlich war diese Europäische Revue das Vorbild Evolas für seine schon
erwähnte Feuilletonseite im Rahmen des Regime Fascista, denn viele Autoren erscheinen in
beiden Zeitschriften, was Evola sicherlich der Hilfe des Prinzen von Rohan zu verdanken hat.
Hier sollte man erwähnen, daß die Europa-Ideen von Rohans ganz anders gelagert waren als
diejenigen des viel bekannteren Grafen Richard von Coudenhove-Kalergi, der die noch heute
existierende Paneuropa-Bewegung begründete.
Prinz Karl Anton von Rohan dachte nämlich eher in „metapolitischen“ Kategorien, da er als
erstes ein gemeinsames geistiges Klima bereiten wollte, um erst danach konkrete Schritte zur
politischen Einigung Europas einzuleiten. Coudenhove-Kalergi hingegen wollte von Anfang
an ein politisch vereinigtes Europa schaffen, wobei er allerdings sowohl Großbritannien als
auch Rußland außerhalb belassen wollte, da beide Länder nicht eigentlich europäisch seien.
Evola stand den Vorstellungen von Rohans zwar näher, publizierte aber trotzdem ebenso in
Coudenhove-Kalergis Zeitschrift Paneuropa.
1936 mußte von Rohan dann die Leitung der Europäischen Revue abgeben, da es deswegen
zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der österreichischen und der deutschen Regierung
gekommen war. 1942 wurde dann die Zeitschrift endgültig eingestellt.
Ebenfalls erwähnenswert ist, daß Prinz Rohan in seinem Werk Schicksalsstunde Europas42
Evolas Erhebung wider die moderne Welt als ein „bedeutendes Buch“ bezeichnet.
In Wien hatte Evola insbesondere Kontakte zum Freundeskreis um den charismatischen
Ökonomen und Philosophen Othmar Spann. Dieser hatte eine dichte Gruppe von Schülern
und Anhängern um sich geschart und besaß sowohl in Deutschland als auch in Österreich
großen Einfluß. Selbst Ernst von Salomon, der bekannte Schriftsteller und Mittäter bei der
Ermordung Walther Rathenaus, ging nach Wien, um Othmar Spanns Vorlesungen verfolgen
zu können.43
Spann war als Universitätsprofessor und Theoretiker des „Wahren Staates“44, bei den
Konservativen in ganz Europa berühmt. So hatte ihn auch Franz von Papen in Wien
kennengelernt und war in Verbindung mit ihm geblieben, ebenso wie ihn Edgar Julius Jung
immer wieder zitierte und ihm seine Verehrung aussprach.
Selbst in Italien kannte man seinen Namen, hatte er doch einiges in Carlo Costamagnas
Zeitschrift Lo Stato veröffentlicht, wo auch sein wichtigster Schüler und Nachfolger Walter
Heinrich (ebenso wie Prinz Karl Anton von Rohan) mitarbeitete. Hatte man bisher vielfach
vermutet, daß diese Arbeiten auf Empfehlung Julius Evolas aufgenommen wurden 45, so muß
nun nach den Untersuchungen von Giovanni Franchi46 eher davon ausgegangen werden, daß
es Costamagna und seine Zeitschrift waren, die Evola mit Spann und seinen Umkreis bekannt
gemacht hatten. Evola schreibt nämlich in seiner Autobiographie, daß er mit Rohan und
Spann erst nach 1934 bekannt wurde. Die Mitarbeit der Wiener Schule an Lo Stato beginnt
aber bereits 1930. Franchi nimmt an, daß Walther Heinrich bei seiner Arbeit über den
42
Graz, 1937, 25.
Sh. Ernst von Salomon, Der Fragebogen, Hamburg , 1951, 202 - 220, wo der Autor in sehr lebendiger Weise
das Charisma Spanns beschreibt.
44
Sh. Othmar Spann, Der wahre Staat, Leipzig, 1921 und jetzt in Othmar Spann, Gesamtausgabe, Bd. 5, Graz,
1972.
45
Sh. dazu Gennaro Malgieri, Carlo Costamagna, Vibo Valentia, 1981, 26.
46
sh. seinen Aufsatz Il contributo della scuola universale-organicista di Vienna a „Lo Stato“ di Costamagna in
der Zeitschrift Storia Verità, Anno IV, N. 22, Juli 1995, 28 - 31.
43
11
Faschismus in Rom Ende der zwanziger und Anfang der dreißiger Jahre mit Costamagna
in Kontakt getreten war und davon Spann in Kenntnis setzte.
Evola war vor allem mit Rafael Spann befreundet, der leider 1983 bei einem Reitunfall ums
Leben kam und ein Sohn Othmar Spanns war. Nach Informationen, die wir vom
Europapolitiker Dr. Theodor Veiter erhalten haben, der sowohl Rafael Spann wie auch Evola
persönlich sehr gut kannte und ihnen auch politisch nahestand, sollen die beiden gemeinsam
mit anderen Personen in Wien einen geschlossenen Zirkel begründet haben. Dieser nannte
sich „Kronidenbund“ in deutlicher Anlehnung an Kronos, der führenden Gottheit des
„Goldenen Zeitalters“.
Im Mai 1936 wurde - von der GESTAPO - ein Dossier zusammengestellt, das den Titel: Der
Spannkreis, Gefahren und Auswirkungen und die Stampiglie Geheime Kommandosache trug.
Dieser Akt bestätigt gewisse Ängste, die der Nationalsozialismus gegenüber Spann und
seinem Einfluß hegte.
Darin steht unter anderem zu lesen:
Die Führung des gesamten Spannkreises liegt in Wien. Während sich Professor Othmar
Spann politisch nach außen stark zurückhält, liegt die eigentliche politische Führung
des Spannkreises in den Händen von Walter Heinrich und Rafael Spann, dem zweiten
Sohn Othmar Spanns.
Rafael Spann wird darin als „gefährlicher politischer Intrigant“ bezeichnet. Tatsächlich war es
das Bestreben Rafaels gewesen, Vertrauensleute der Gruppe in wichtige Positionen des
Nationalsozialismus zu bringen. Seinem Bruder Adalbert war es sogar gelungen,
vorübergehend Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler zu werden. Auch von Salomon
bestätigt in seinem schon erwähnten Buch diese Infiltrationsstrategie.47
Im selben Bericht wird ebenso ein interessanter, wahrscheinlich beschlagnahmter Brief
zitiert, den Rafael Spann am 4. März 1935 an einen „unbekannten Italiener“ (so der Bericht)
gerichtet hatte. Darin wird vor allem von den Bemühungen der Spannianer gesprochen, gegen
die biologisch-rassistische Auffassung der NSDAP und gegen Alfred Rosenberg
anzukämpfen. Der Spannkreis glaubte nämlich, daß der „Rassenmaterialismus“ der
schwächste Punkt des Nationalsozialismus sei und ein Widerstand daher dort anzusetzen
hätte.
Dieser Brief ist auf deutsch geschrieben und Evola beherrschte diese Sprache damals bereits.
Zudem kannten sich Rafael Spann und Evola zu diesem Zeitpunkt bereits. Wir nehmen daher
an, daß dieser Brief an ihn gerichtet war. Diese Vermutung wird vor allem durch einen
anderen Brief Rafael Spanns an den „unbekannten Italiener“ gestützt, der auf den 12. Februar
1935 datiert ist und ebenfalls auf deutsch vorliegt. Darin erwähnt Rafael nämlich, daß
bezüglich Costamagna „die Sache schon geregelt sein dürfte...“. Othmar Spann sollte nämlich
in Costamagnas Zeitschrift Lo Stato einen Aufsatz veröffentlichen und Evola war damals
Costamagnas Mitarbeiter48.
Die Meinung, dass der Spannkreis im Rassenmaterialismus Rosenbergs einen Schwachpunkt
der Nationalsozialisten sah, wird auch von John Haag, Professor der Geschichte an der
Universität von Georgia, in einem sehr detailreichen Aufsatz für das Leo Baeck Institut
47
Der Fragebogen, aaO, 217.
Sh. dazu Othmar Spann, Limiti e senso del concetto di razza neu aufgelegt in L.F.Clauss, W. Stapel, O. Spann,
J. Evola, Orizzonti del razzismo europeo, Padova, 1981 und Alessandro Campi, Organicismo, Idea Imperiale e
Dottrina della razza (Organische Idee in der Zeitschrift Trasgressioni, I,1, 1986.
48
12
gestützt. Dort geht es hauptsächlich um die Schrift Die Lösung der Judenfrage, die in
beschränkter Auflage dem Spannschen Freundeskreis (darunter Fritz Thyssen), aber auch an
Göring, Hess, Himmler, ja sogar an Rosenberg selbst sowie weitere NS-Größen gesandt
wurde. Der Verfasser Paul Karrenbrock, der das Spannsche Institut für Ständewesen in
Düsseldorf leitete, wollte damit in einer von heute aus gesehenen großen Naivität die gesamte
nationalsozialistische Ideologie reformieren und Hitler persönlich von seiner biologischmaterialistischen Philosophie abbringen und zu den idealistisch-platonischen Ideen Spanns
bekehren. Im Prinzip wurde die brutale Art des Nationalsozialismus, bei der Behandlung der
Juden als tief „undeutsch“ verurteilt. Die Juden sollten einfach durch die Hinwendung der
NSDAP zum philosophischen Idealismus aus dem öffentlichen Leben ausscheiden müssen
und auf die ihnen „eigenen“ untergeordneten Funktionen zurückgeführt werden, so dass sie
keine geistige oder materielle Macht mehr ausüben könnten. Statt des biologischen Rassismus
à la Rosenberg, strebte Karrenbrock - höchstwahrscheinlich mit Zustimmung von Othmar
Spann, der im Hintergrund blieb - eine „geistige“ Lösung der Judenfrage an, die ihnen mehr
oder weniger automatisch den Boden unter den Füßen weggezogen hätte, ohne dass man sie
verfolgen, vertreiben oder gar vernichten hätte müssen.
49
Positive Reaktionen der Leserschaft auf diese Schrift gab es jedoch so gut wie keine. Aber die
GESTAPO führte fast unmittelbar nach dem Versand eine Hausdurchsuchung bei
Karrenbrock und im Institut für Ständewesen durch. Karrenbrock, der Mitglied der NSDAP
war, blieb allerdings völlig ungeschoren. Das beschlagnahmte Material diente dann jedoch als
Grundlage für den erwähnten Bericht über den Spannkreis.
Auch andere politische Schriftsteller wie z.B. Wilhelm Stapel, den Evola trotz einiger
Meinungsunterschiede sehr schätzte50, neigten zu einer solchen Lösung und wollten mit den
Vulgärantisemiten nichts zu tun haben. Ernst Niekisch, der Evola in seiner Zeitschrift
Widerstand schreiben ließ, gehörte ebenso zu den Gegnern des biologischen Rassismus und
ließ sich sogar von Evola beeinflussen, wie der Niekisch – Biograph Michael Pittwald
bemerkt.51
Hier muss noch ein Zeuge genannt werden, der die Aktivitäten insbesondere von Rafael
Spann gegen die NSDAP bestätigt, und zwar Otto Molden, der als Widerstandskämpfer gegen
die NSDAP und später gegen den Kommunismus sowie als Begründer des kulturpolitischen
Europäischen Forum Alpbach bekannt wurde. In seinem Werk über den „Österreichischen
Freiheitskampf 1938-1945“ erwähnt er die antinazionalsozialistische Gruppe „Astra“, die
schon aus der Schuschnigg-Ära stammte und in Österreich unter großer Geheimhaltung tätig
war, da man ja nach Deutschland hineinwirken wollte.52 Ich zitiere Otto Molden:
Von 1936 bis 1938 stellte der „Astra“-Kreis wohl den einzigen Versuch einer
geschlossenen Gruppe dar, von Österreich aus mit der deutschen Opposition aktiv
zusammenzuarbeiten. Die Gruppe wuchs aus einem Freundeskreis, dessen
Mittelpunkt in Wien fünf damals etwa 28-jährige Österreichische Akademiker,
nämlich Dr. Karl von Winkler, Dr. Roman Hädelmair, Dr. Theodor Veiter und die
Brüder Dr. Rafael und Dr. Adalbert Spann sowie der Attaché an der deutschen
Gesandtschaft in Wien Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler darstellten.
John Haag „The Spann Circle and the Jewish Question“ in Leo Baeck Institute, Year Book XVII (1973), 93126.
50
Julius Evola „Teologia dello Stato Nazionale“ in Lo Stato, agosto-settembre 1935. In diesem langen Artikel
werden die Ideen Stapel ausführlich analysiert.
51
Michael Pittwald, Ernst Niekisch – Völkischer Sozialismus, nationale Revolution, deutsches
Endimperium,PapyRossa, Köln 2002, 167f.
52
Otto Molden, Der Ruf des Gewisens: Der österreichische Freiheitskampf 1938-1945. Freiheit 05 Österreich,
Wien, Herold 1958, 140f.
49
13
Rafael Spann wird auch noch in anderen Büchern des Autors sowie von dessen Bruder, dem
Verleger Fritz Molden, als Widerstandskämpfer genannt. Fritz Molden berichtet in seinen
politischen Erinnerungen, dass man nach dem Ende des Krieges als eine Machtübernahme
von Österreich und insbesondere Wiens durch die Sowjetunion drohte, mit Unterstützung der
USA nach Leuten suchte, „die Widerstandserfahrung noch aus dem Dritten Reich hatten“.53
Rafael Spann wurde in diesen engen Kreis aufgenommen, was mit einem ziemlich großen
Risiko verbunden war, da der sowjetische NKWD äußerst aktiv in seinen Nachforschungen
war. Für diesen Wagemut musste er auch einen hohen Preis bezahlen, denn 1948 wurde er
verhaftet und durfte erst 1955 aus der Sowjetunion zurückkehren.
Damit könnten aber auch die Bestrebungen Evolas, dessen enge Freundschaft zu Rafael
außer Streit steht, zu einer eigenen „spirituellen“ Rassentheorie zu kommen, in einem anderen
Licht gesehen werden. Ebenso die späteren Pläne für seine rassenkundliche, italienischdeutsche Zeitschrift Sangue e Spirito (Blut und Geist), die ja dann - trotz vorheriger
Genehmigung - ohne ersichtlichen Grund auf Eis gelegt wurde. Vielleicht gab es doch so
etwas wie eine revolutionär-konservative Front gegen die weltweit Aufruhr erregenden
rassistischen Auffassungen des Nationalsozialismus, wie sie Alfred Rosenberg vertrat, dessen
Mythos des 20. Jahrhunderts - nach Angaben des GESTAPO- Berichtes - im Spannkreis als
„Blödsinn“ eingestuft wurde.54 Das würde auch Evolas heftigen Angriff auf Rosenberg
erklären, den er im Juli 1935 in Lo Stato publizierte.55
Konzertierte Aktionen gegen Othmar Spann ließen nicht lange auf sich warten. Rosenberg
hatte ja schon in seinem Mythos „die neue intellektualistische Scholastik“ attackiert und den
„Universalismus“ Spanns ins Visier genommen, weil dieser der Religion einen höheren
Stellenwert zumesse als dem „Volkstum“.
Aber besonders 1938 wurde eine große Kampagne gegen ihn gestartet. Daran beteiligt waren
selbst das offizielle Organ der NSDAP, der Völkische Beobachter, wie auch Das Schwarze
Korps, das ebenfalls offizielle Sprachrohr der SS. Sogar spezialisierte Zeitschriften aus den
Sektoren Wirtschaft und Jurisprudenz stimmten in den Chor mit ein.
Das Schwarze Korps z.B. schrieb von den Spannianern:
Sie treiben Auslese vom Geistigen her und....lassen nur den Intellekt gelten....und
meiden die Tuchfühlung mit dem Volk....Bei dem Bildungshunger und der
Aufgeschlossenheit unseres Volkes für geistige und weltanschauliche Fragen sind diese
Schwätzer gefährlich.
Spann selbst wurde zum „Klassenkämpfer des Geistes“ erhoben.56
Die Wucht der Feindschaft zeigte sich als 1938 noch am Tag des Einmarsches der deutschen
Truppen in Wien Othmar Spann und Walter Heinrich festgenommen und ins
Konzentrationslager überführt wurden.
Fritz Molden „Vielgeprüftes Österreich“. Meine politischen Erinnerungen. Wien, Amalthea 2007, 65f.
Auszug aus dem Bericht, 5, wo Dr. Walter Heinrich beschrieben wird: ...Er ist wie alle Spannanhänger
überzeugter Gegner rassischen Denkens. Von seinem Assistenten, Dr. Krautzberger, stammt der Ausspruch,
„Die Leute mögen nur Rosenbergs Mythos lesen, dann ist jeder von diesem Blödsinn geheilt“.
55
Sh. den Artikel „Paradossi dei tempi: paganesimo razzista = illuminismo liberale“. Dieser Artikel ist damals
anonym erschienen, kann aber eindeutig Evola zugeordnet werden. Siehe auch Julius Evola „Osservazioni
critiche sul „razzismo“ nazionalsocialista“ in La Vita italiana, novembre 1933.
56
Zitiert in Martin Schneller, Zwischen Romantik und Faschismus (Der Beitrag Othmar Spanns zum
Konservativismus der Weimarer Republik), Stuttgart, 1970, 171.
53
54
14
Neben
den
ähnlichen
rassischen Auffassungen gab es zwischen den
Spannianern und Evola noch einen weiteren Gleichklang: den Wunsch nach einer
Restauration des österreichischen Kaiserreichs mit den umliegenden Donaustaaten.57
Österreich sah sich als das gegenüber dem hitlerischen Deutschland kultiviertere Land, das
gegen den Zentralismus Berlins antrat und die „apokalyptisch-rassistischen Mythen“ ablehnte.
Am deutlichsten brachten diesen Standpunkt die österreichischen Legitimisten zum Ausdruck,
die die Abdankung des letzten österreichischen Kaisers Karl I. nicht anerkannt hatten und zu
denen Evola nachweislich Zugang hatte. Evolas Vorliebe für die Monarchie ist ja bekannt und
in Österreich hatte sie bereits 600 Jahre bestanden.
Schon mehrmals ist der Name Professor Walter Heinrich (1902 - 1984) erwähnt worden.
Walter Heinrich war zweifelsohne der unmittelbarste Schüler Othmar Spanns. Evola lernte er
wahrscheinlich 1934/35 (wenn nicht schon vorher in Rom) kennen, als dieser an der
Universität Wien einen Vortrag hielt, wie uns eine Dame aus dem Spannkreis berichtete. Sie
hatte diesem Vortrag gemeinsam mit anderen Spannschülern persönlich beigewohnt. Evola
sprach damals ein noch mangelhaftes Deutsch, was sich allerdings in den kommenden Jahren
völlig ändern sollte. In Erinnerung geblieben ist dabei Evolas peinlich gepflegtes Äußeres und
der Gebrauch eines Monokels.
Man kann wohl annehmen, daß es zwischen Evola und Heinrich einen ausgedehnten
Briefwechsel gab, um so mehr als Heinrich immer wieder nach Italien reiste. Leider scheint er
verlorengegangen zu sein. Daß Heinrich Evolas Denken schätzte, geht aus seinem Werk
hervor58, was aber eher als Bestätigung von Heinrichs eigenen Ideen über die Welt der
Tradition zu sehen ist. Heinrich hatte ja schon ein tiefes Studium von René Guénon 59 und
Leopold Ziegler absolviert. Auch die Ganzheitslehre Othmar Spanns hat zweifellos starke
Analogien mit traditionalem Gedankengut, was u. a. auch auf die gemeinsamen Wurzeln bei
Platon und dem Deutschen Idealismus zurückzuführen ist.
Einen weiteren möglichen oder gar wahrscheinlichen Berührungspunkt zwischen Evola und
Heinrich möchte ich ebenfalls noch anführen. Er beruht auf der erst kürzlich ins öffentliche
Bewußtsein gekommenen Vermittlungstätigkeit Evolas im Rahmen der Sudetenkrise. Evola
schrieb - vermutlich gegen Ende 1938 - für die Zeitschrift Bibliografia Fascista einen äußerst
detailreichen und ausgewogenen Bericht über die politische Situation in der
Tschechoslowakei.60
Daraus geht hervor, daß Evola Mitte 1938, also noch vor Ausbruch des Aufstandes und der
Annexion, direkte Gespräche mit hohen Regierungsfunktionären der Tschechoslowakei darunter dem damaligen Außenminister Kamil Krofta - geführt hat. Evola hatte „persönlich in
Berlin und in Prag“ erkundet, ob für die Sudetendeutschen die Möglichkeit einer Autonomie
„nach Schweizer Muster“ bestünde. Der tschechoslowakische Außenminister hätte einen
solchen Gedanken keineswegs ausgeschlossen, wollte aber verständlicherweise eine Art
Garantie der Großmächte zur Integrität seines Staates. Von einer Annexion durch die
Deutschen „sic et simpliciter sei vorher ganz und gar nicht die Rede gewesen, weder bei den
Julius Evola „Austria, restaurazione, Europa centro-danubiana“ in La Vita Italiana, novembre 1936 und Julius
Evola, „Sul problema della missione dell’Austria“ in derselben Zeitschrift vom März 1935. Ebenso ist auf die
ersten drei Beiträge Evolas in Lo Stato, Januar, Februar, März 1935, hinzuweisen: Im ersten stellt er sich
entschieden gegen etwaige Anschlußideen an Deutschland. Ein Satz: „Als Erbe des Heiligen Römischen Reiches
konnte sich Österreich, wenigstens formell, nicht als deutsch bezeichnen. (Darin) war das deutsche Element eben
nur ein Teil.“ Im zweiten Artikel spricht er sich für eine Monarchie und gegen den Anschluß in Österreich aus
und im dritten wirft er dem Nationalsozialismus vor, den Weg des Kommunismus zu beschreiten.
58
Sh. vor allem Walter Heinrich, Über die traditionelle Methode, Salzburg, 1954, jetzt in Walter Heinrich, Der
Sonnenweg, Interlaken, 1985.
59
Sh. z.B. Dossier H: René Guénon, Lausanne, 1984, 165f.
60
Julius Evola, Bilancio europeo della crisi cecoslovacca, dicembre 1938.
57
15
Sudentendeutschen
noch
in
der Wilhelmstraße. Immer sei es um eine
Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei gegangen.“
Der italienische Philologe und Politikaktivist Claudio Mutti bemerkt in einem Artikel dazu61,
daß dieser Vorstoß Evolas mit dem deutschen Reichsaußenminister, aber ebenso mit
denjenigen politischen Kreisen abgestimmt gewesen sein müsse, die Evola in Deutschland
und in Österreich frequentierte. Diese Behauptung scheint zumindest in einem Punkte
übertrieben zu sein, denn warum sollte der Reichsaußenminister, dessen Unsicherheit und
Mißtrauen bekannt sind, sich einer Figur bedienen, die sowohl in Deutschland als auch in
Italien umstritten war? Es gibt auch keine Dokumente oder Zeugenaussagen, die Muttis
Meinung stützen würden.
Der oben erwähnte GESTAPO-Bericht zitiert nun auf Seite 23 folgende Stelle aus der
schweizerischen Weltwoche vom 11.10.1935:
Die eigentliche Leitung der sudetendeutschen Heimatfront liegt in den Händen des
Kameradschaftsbundes,
einer
kameradschaftlichen
Vereinigung
junger
sudetendeutscher Politiker, deren Mittelpunkt der Assistent des bekannten Professors
Othmar Spann, Privatdozent Dr. Heinrich war und dessen Aufgabe in der Propagierung
der Spannschen Ideen bestand. Wer nun weiß, daß zwischen dem katholischen
Ständestaatler Spann und dem heidnischen Totalitätsmystiker Rosenberg schwerste
persönliche und unüberbrückbare Gegensätze bestehen, der versteht, daß die jungen
Männer des Kameradschaftsbundes vielmehr dem österreichischen als dem
reichsdeutschen Vorbild nachstreben. ...Die sudentendeutschen Jünger Spanns wissen
ganz genau, daß sie bei einer Hitlerschen Gleichschaltung verloren wären und
wünschen daher ehrlich eine Verwirklichung ihrer Ständestaatsideen im Rahmen der
tschechoslowakischen Republik.(Hervorhebung von H.T.H.).
Evolas und Heinrichs Bestrebungen gingen also in dieselbe Richtung, eine Richtung, die,
objektiv gesehen, den nationalsozialistischen Expansionsvorstellungen zuwiderlaufen mußte.
Vielleicht erklärt dieser politische „Ausritt“ Evolas die ansonsten gar nicht sofort
verständliche, Evola anscheinend zu wichtig nehmende Anmahnung aus Kreisen der SS, man
solle doch „sein weiteres Vordringen zu führenden Dienststellen der Partei und des Staates
verhindern“ und „seine propagandistische Tätigkeit in den Nachbarländern beobachten
lassen“.62
Eine weitere Person von Wichtigkeit aus dem Kreis um Spann war Dr. Theodor Blahut,
damaliger Leiter des heute noch existierenden „Deutsch- Akademischen Austauschdienstes“
in Rom. Wolfgang Schieder schreibt nun in einem Beitrag63, daß es vermutlich Dr. Blahut
war, der dem zu jenem Zeitpunkt nicht mehr unumstrittenen Carl Schmitt einen Vortrag in
Rom ermöglichte.
Von der Witwe des Dr. Blahut, die übrigens in der Zeitschrift für Ganzheitsforschung eine
ganze Reihe von detaillierten Rezensionen zu Evolas Werk schrieb, wissen wir, daß Theodor
Blahut mit Evola in engem Kontakt stand.
61
62
Claudio Mutt „Evola a Praga“, in der Zeitschrift Orion, gennaio 1995, 40f.
Aktennummer AR/126 aus der Schriftgutverwaltung des persönlichen Stabs Reichsführer SS zitiert nach
Nicola Cospito u. Hans Werner Neulen, Julius Evola nei documenti segreti del Terzo Reich, wo noch eine
Vielzahl anderer Dokumente veröffentlicht sind. Eine Zusammenfassung findet sich im Vorwort zu Julius Evola,
Menschen inmitten von Ruinen, Tübingen, Zürich, Paris, 1991, 79f.
63
„Carl Schmitt und Italien“ in Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Heft 1, 1989, 16. Ebenso Ilse Staff,
Staatsdenken im Italien des 20. Jahrhunderts, Baden-Baden, 1991.
16
Da nun Schieder ebenso schreibt, daß für Carl Schmitts wichtige Bekanntschaft mit
Carlo Costamagna wiederum Dr. Blahut verantwortlich war und andererseits Evola sowohl
Costamagna als auch Blahut gut kannte, ist anzunehmen, daß Evola Carl Schmitt damals
bereits kennenlernte. Dazu kam, daß Evola die deutsche Sprache beherrschte, was Carl
Schmitt nicht ungelegen gekommen sein konnte.
Schieder, der von der Verbindung Evola - Blahut nichts weiß, behauptet daher, daß Evola
Schmitts Bekanntschaft wahrscheinlich erst 1941 in Berlin machte. Evola hielt nämlich
damals einen Vortrag vor der Deutsch-Italienischen Gesellschaft. Schieder erwähnt jedoch
auch, daß eine solche Bekanntschaft vielleicht schon seit 1934 bestand.
Ebenso erwähnt Schieder, daß Schmitt „nach eigener Aussage“ mit Julius Evola „in einem
regen Gedankenaustausch stand“. Leider gibt er für diese Information keine näheren Quellen
an.
Sicher wissen wir hingegen, daß im Staatsarchiv Düsseldorf im Nachlaß Carl Schmitts sieben
Briefe Evolas - allerdings alle aus der Nachkriegszeit - vorhanden sind, in denen er erfolglos
darum ersucht, eine Aufsatzsammlung Carl Schmitts übersetzen zu dürfen. 64 Antworten von
Carl Schmitt sind leider nicht vorhanden. Ob sich in diesem Nachlaß noch andere Spuren
Evolas befinden, wissen wir ebenfalls nicht. Allerdings sind die politischen und
weltanschaulichen Auffassungen der beiden so unterschiedlich, daß eine engere
Zusammenarbeit nicht angenommen werden kann.
Die Wertschätzung, die Gottfried Benn Evola entgegenbrachte, ist auch in weiteren Kreis
bekannt geworden.65 Sein Besprechungsaufsatz Sein und Werden66 zum evolianischen
Hauptwerk Erhebung wider die moderne Welt ist für sich allein schon ein ausreichender
Beweis für diese Wertschätzung.
Wir möchten aber noch hinzufügen, daß Benn in der Korrespondenz mit seinem Freund
F.W.Oelze den Namen Evolas mehrmals erwähnt.67 Zum ersten Mal geschieht das in einem
Brief vom 21. Dezember 1933, worin er Oelze ans Herz legt, Evolas Heidnischer
Imperialismus zu lesen. In einem anderen Brief vom 30. Januar 1935 schreibt er, daß die
Erhebung wider die moderne Welt bald „in meinem Verlag“ erscheinen wird. Nach einigen
Überlegungen zu diesem Werk fügt er hinzu: „...da Evolas Buch wirklich grandios ist. Man
kann es nur in ganz große Linien setzen.“ In einem Brief vom 20. Juli 1934 hatte Evola Benn
gebeten, bei der Übersetzung der Erhebung wider die moderne Welt stilistisch mitzuhelfen.
Ob dies tatsächlich geschah, ist unklar.
Am 24. Mai 1935 schickt Benn zwei Briefe Evolas an Oelze, damit dieser „Handschrift und
Diction ersehn“ könne. Einen dritten Brief Evolas, in dem er sich für den erwähnten Aufsatz
in der Literatur bedankte, kann er im Moment nicht finden.
Am 11. Dezember 1938 erwähnt Benn den Namen Evolas zum letzten Mal (soweit die
Korrespondenz veröffentlicht wurde). Er sagt wörtlich: „Dann kam Evola mit der modernen
u der Traditionswelt. Sie (d.h. Herr Oelze) wissen, wie ich ihn (d.h. Evola) verehre...“Darauf
folgen noch einige resignierende Worte zur Tradition.
64
Es handelt sich um Donoso Cortés in gesamteuropäischer Interpretation, Köln, 1950.
Siehe Hans Thomas Hakl „Die Adler Odins fliegen den Adlern der römischen Legion entgegen“. BennJahrbuch Nr. 1, Stuttgart, Klett-Cotta 2003, 100-131.
66
in Die Literatur, Bd. XXXVII, 1934/35, S. 283 - 287).
67
Sh. Gottfried Benn, Briefe, 1. Band (Briefe an F.W.Oelze, 1932 - 1945), Frankfurt, 1979.
65
17
Werner Helwig, ein Kenner Benns, sagt dazu68 :
Sie war halt doch zu schön gewesen, die Vision des solaren Herrenmenschen, wie sie
von Baron Evola über den Faschismus gezeichnet wurde. Ein schimmerndes Falsifikat,
dem Benn erlag und dem bis in alle Ewigkeit hin er sich als verpflichtet bekannte-,
damals, und in herrlicher Prosa.
Von den mit Evola bekannten Personen ist noch Ludwig Ferdinand Clauss zu erwähnen.
Clauss hat als Schöpfer des Begriffs der „Rasse der Seele“ Evola in seinen eigenen
diesbezüglichen Ansichten entscheidend mitgeformt. Um so interessanter die Einschätzung,
die Clauss von ihm hat. In einem Buch aus dem Jahre 195869 finden wir vier Fotos von Evola
und die folgende Erklärung:
Im Vordergrund bewegt sich unverkennbar der Stil des Darbietungsmenschen...Doch
der Mann von Welt...ist von diesem Spiel, dem mittelmeerischen „Vor-Spiel“,
keineswegs besessen: Er hält innerlich Abstand von ihm und durchschaut es. Er spielt
das Spiel und spielt zugleich mit dem Spiele.....Auch in der Erscheinung des Barons sind
darbietungsmenschliche Züge, ja sie bilden den Vordergrund, sie beherrschen die
Erscheinung. Der Baron ist Mann der Gesellschaft und als solcher ein geistreicher
Partner im Spiel mit kritischem Witz; dahinter steht ein gelehrtes Wissen und eine
durchdachte Pflichtgesinnung, die fest genug gefügt ist, um auch mit sich selber
gelegentlich spielen zu können....
Nach Aussagen der zweiten Frau von Clauss, Sigrid von Perbandt, mit der ich
zusammentreffen und korrespondieren konnte, war Clauss an Evola aber wenig interessiert.
Umso mehr war Sigrid von Perbandt von Evola gefangen, wie das auch Peter Weingart,
Soziologe der Universität Bielefeld und Autor einer wichtigen Biographie von Clauss,
bestätigt.70 Sie lernte Evola 1935 kennen, als dieser Claus besuchte. Evola hatte die deutsche
Übersetzung seines Hauptwerkes Erhebung wider die moderne Welt gesandt und wollte mit
ihm darüber diskutieren. Clauss hingegen delegierte diese Aufgabe an seine Frau.
Yvon de Begnac behauptet in seinen Notizbüchern71 zu Mussolini, daß sich Evola und
Oswald Spengler ebenfalls kennengelernt hätten. Dazu konnte ich keinen Beweis finden und
auch in den veröffentlichten Briefen Spenglers erscheint der Name Evolas nicht auf. Die inzwischen wieder neu aufgelegte - italienische Übersetzung Evolas von Spenglers
Hauptwerk Der Untergang des Abendlandes ist ebenfalls erst 1957 erschienen, also lange
nach Spenglers Tod. Auszuschließen ist die Richtigkeit dieser Behauptung aber ebenso
wenig.
Insgesamt scheint Evola eine große und beinahe unglaubliche Hoffnung beseelt zu haben: daß
es ihm schlußendlich gelingen würde, wichtige politische Amtsträger von seinen Gedanken zu
überzeugen. Gerade im Fall des Nationalsozialismus aber ist für uns eine solche Hoffnung
kaum verständlich, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, wie es seinen Freunden und
Vertrauten unter diesem Regime erging: Edgar Julius Jung ermordet, Othmar Spann und
Walter Heinrich ins Gefängnis geworfen, Gottfried Benn mit Schreibverbot belegt usw.
Im Hinblick auf seine enge Verbindung zum Spannkreis und zu Edgar Jung, die mit
Sicherheit bereit waren, mit List und mit Tat gegen das nationalsozialistische System
vorzugehen, könnte man sich aber auch vorstellen, daß auch er eine Infiltrationsstrategie im
68
in Peter Uwe Hohendahl (Hg.), Benn - Wirkung wider Willen, Frankfurt, 1971, S. 232.
Die Seele des Anderen, Baden-Baden, 1958, S. 275, 143.
70
Peter Weingart, Doppelleben. Ludwig Ferdinand Clauss: Zwischen Rassenforschung und Widerstand,
Frankfurt, Campus 1995, p. 46.
71
: Yvon de Begnac, Taccuini Mussoliniani, Bologna, 1990, 594. Der wohl renommierteste Mussolini-Forscher
Italiens Renzo de Felice hält diese Notizbücher für glaubwürdig.
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Sinn hatte. Um so mehr als er sich - wie er selbst schreibt72 - als Staatsbürger einer
verbündeten Nation in Deutschland eine viel größere politische Freiheit erlauben konnte als
sie für Deutsche erreichbar war.
Schlagende Beweise für eine solche Vermutung gibt es nicht und auch Evola selbst hat
derartiges nie explizit behauptet. Allerdings finden wir in seiner Autobiographie einen Satz,
der so interpretiert werden kann:73
Für eine geheime Front der Rechten ging es darum, sich immer mehr nach der
ursprünglichen Idee (sc. der „Konservativen Revolution, z.B. im Sinne eines Moeller
van den Bruck) auszurichten und dabei konnte mein Beitrag im doktrinären Sinne
nützlich sein.
Wahrscheinlich war er so sehr von der höheren Wahrheit seiner Ideen überzeugt, daß er an
ihren früheren oder späteren Sieg einfach glaubte. Nur so ist auch sein Mut zu verstehen,
immer wieder Artikel zu publizieren, von denen er wußte, daß sie bei den Nationalsozialisten
Mißfallen erregen mußten.
Hans Thomas Hakl
72
73
Cammino...,aaO, 138
Cammino...,aaO, 139.
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