9. Sitzung: Ethnologie in Großbritannien zeitlicher Kontext: - Jahrhundertwende 1. und 2. Weltkrieg Kolonialherrschaft der Europäer über Afrika ( Kolonialismus, Idee rassischer Überlegenheit GBs) Evolutionismus (dominierender Ansatz bis 20. Jhd.) & Diffusionismus Social Anthropology in Großbritannien: - gleichzeitig mit „Cultural Anthropology“ in den USA Betrachtung auf sozialen Strukturen Kulturvergleiche emische & holistische Sichtweise Personen: Edward Burnett Tylor (1832-1917) - Anhänger Evolutionismus - Hauptwerk: „Primitive Culture“ (1871) - Minimaldefinition zu Religion: Theorie des Animismus: - Erfahrung im Traum: Dichotomie von Körper und Seele - Animismus die ursprüngliche Religion der Menschheit - Maximaldefinition von Kultur: komplexes Ganzes - beinhaltet Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitten und alle weiteren Gewohnheiten eines Menschen in einer Gesellschaft - Kritik: akkumulati; Kultur ist mehr als nur geistige Leistung James Frazer (1854-1941) - Anhänger Evolutionismus - Hauptwerk: „The Golden Bough“ (1922) - Evolutionistisches Drei-Stufen-Modell: Magie – Religion – Wissenschaft Gemeinsamkeiten in der magischen und wissenschaftlichen Denkweise (Kausalkette), Abgrenzung Religion (Wille der Götter, keine kausalen Zusammenhänge) universelle, magische Regeln: 1) Gesetz der Berührung (Objekte in direktem Kontakt) 2) Gesetz der Ähnlichkeit (Gleichartiges erzeugt Gleichartiges, Analogie) - Kritik: - Vernachlässigung der Geschichte - Umgang mit Quellen - Dichotomie zwischen Religion und Magie Bronislaw Kaspar Malinowski (1884-1942) - Begründer der teilnehmenden Beobachtung und des Funktionalismus - Schüler von James Frazer - Hauptwerk: „Argnauts of the Western Pacific“ (1922) - Feldforschung auf den Trobriand Inseln, Kiriwana (nördl. Papua Neuginea) - Themen: Magie (Religionsethnologie), matrilineare Verwandtschaft (Sozialethnologie), Kula-Ring (Wirtschaftsethnologie) Funktionalismus nach Malinowski: jede soziale Institution einer Gesellschaft dient der Befriedigung der (biologischen) Bedürfnisse ihrer Mitglieder, sowie dem Erhalt des Gesamtsystems - jede soziale Institution hat Sinn und Nutzen - Rationalität des „wilden Denkens“ - 7 menschliche Bedürfnisse: 1) Stoffwechsel Ernährung ( Funktion von Kultur) 2) Fortpflanzung Verwandtschaft 3) körperliche Bequemlichkeit Wohnung 4) Sicherheit Schutz 5) Bewegung Tätigkeit 6) Wachstum Training 7) Gesundheit Hygiene - Kultur passt sich an Grundbedürfnisse an (daraus folgen Unterschiede zwischen Kulturen) Kulturvergleich - synchron (Kultur in ihrem Jetzt-Zustand) - essentialistisch, adaptiv, holistisch - Kritik: Vernachlässigung der Geschichte (kultureller Wandel?) Teilnehmende Beobachtung nach Malinowski: - von den früheren „Lehnstuhlethnologen“ Charakteristika: - theoretische Ausbildung (zielgerichtete Forschung und Verknüpfung v. Theorie und Praxis) - analytische Beobachtungsweise (wie wird Gesagtes gelebt?) - Unvoreingenommenheit - Induktive Vorgehensweise - Einfühlungsvermögen („the natives point of view“, 2. Sozialisation) - holistische Perspektive (alle Teilbereiche der Ethnologie) - Sammeln, Aufbereiten und Sichern der Daten (Reflexion der eigenen Ergebnisse, ethnologisches Tagebuch) 3 Wege der Feldforschung: - 1) Skelett: Autonomie & Organisation (z.B. Genealogien Überblick) - 2) Fleisch und Blut: Alltagsleben & normales Verhalten - 3) Geist: Denken & Fühlen Endziel eines Ethnographen (1979): den Standpunkt des Eingeborenen und seinen Bezug zum Leben zu verstehen seine Sicht seiner Welt vor Augen zu führen Der Kula- Ring nach Malinowski: symbolisches Tauschsystem von Wertgegenständen - zwischen Inseln werden Halskette, bzw. Armreifen in entgegengesetzter Richtung getauscht (Beziehungsnetz) - Prinzip: „verzögerte Reziprozität“ Förderung der Beziehungen und Handelskontakten (schafft Allianzen und Abhängigkeiten) ökonomische Tätigkeiten werden als soziale Phänomene betrachtet Alfred R. Radcliffe-Brown (1881- 1955) - Hauptbegründer des Strukturfunktionalismus - Erzfeind von Malinowski - Feldforschung: Andamanen & West-Australien - Hauptwerke: „Structure and Function in Primitive Society“ (1952) & „Andaman Islanders“ (1922) Strukturfunktionalismus nach Radcliffe-Brown: Funktionen struktureller Elemente innerhalb eines sozialen Systems Fokus auf Gesellschaft & soziale Strukturen (Unterschied zu Funktionalismus) - anti-evolutionistisch (nicht Entstehung sondern Funktion) - synchrone Analyse - Kritik: - anti-historisch - Annahme einer inneren Harmonie - Kultur als Abstrakt keine Wissenschaft möglich Sir Edward Evan Evans-Pritchard (1902-1973) - Feldforschung (20 Monate) bei Azande (Sudan) und Nuer - Methode: o systematische Organisation der Feldforschung o kombiniert theoretische Stärke von Brown und Methoden der teilnehmenden Beobachtung von Malinowski o mit den „Natives“ auf eine Stufe stellen, keine Autorität - Hauptwerk: „Witchcraft, Oracles and Magic among the Azande“ (1937) - Konzept der Magie (Fokus Hexerei) - trotz Einfühlung, europäische Maßstäbe (Vernunft, Wissenschaft) Frage nach Verstehbarkeit einer Kultur - Bedeutung für Ethnologie : o keine explizite Theorie, aber hergeleitete Prinzipe: o Theorie der Verantwortlichkeit (nach Mary Douglas): persönliche Erfahrung der Menschen, Methode des Vergleiches (Gleiches mit Gleichem vergleichen o Konzept des menschlichen Wissens: E.P sah seine Werke als Beitrag zu soziologischer Theorie des Wissens Max Gluckman (1911-1975) - Vertreter der Social Anthropology und Begründer der Manchester School - Feldforschung bei den Zulu (Südafrika) - Hauptwerk: „Rituals of Rebellion in South-East-Africa“ (in Textsammlung von Manchester School, s.u.): politische Organisation (Konflikt und Recht) auf Hintergrund kolonialer Herrschaft prägt die „Situationsanalyse“ Manchester School nach Gluckman: Weiterentwicklung des Funktionalismus - genossenschaftliche Gruppe von Forschern - radikale Kritik an kolonialer Ideologie und Rassismus - Kritiker Malinowskis (eindimensionale Sicht, zu hohe Konzentration auf teilnehmender Beobachtung, anti-historisch, keine interdisziplinären Ansätze) - Sammelwerk: „Order and Rebellion in Tribal Africa“ (1963) Einordung der Personen: Tylor, Frazer Intellektualisten, Evolutionisten: Frage nach Entstehung Malinowski, Radcliffe-Brown, Evans-Pritchard Funktionalisten