Verfassungsrechtliche Grundlagen

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Verfassungsrechtliche Grundlagen
Verfassungsrechtliche Grundlagen
1 Staatsrecht
Unter Staatsrecht versteht man einerseits die Rechtsnormen, die grundlegend den Aufbau und
die Organisation des Staates sowie dessen oberste Organe und deren Funktionen festlegen
(Staatsorganisationsrecht) und andererseits die Rechtsnormen, die grundlegend das Verhältnis
der Menschen zum Staat festlegen (Grundrechte).
Womit beschäftigt sich Staatsrecht:
-
Verhältnis der Menschen zum Staat (Grundrechte)
Struktur, Aufbau und Organisation des Staates und seiner Organe
(Staatsorganisationsrecht)
1.1 Stellung des Staatsrechts im Rechtssystem
Staatsrecht ist ein Teilgebiet des öffentlichen Rechts (Zur Unterscheidung von öffentlichem
Recht und Privatrecht gibt es verschiedene Theorien, zum Beispiel die Sonderrechtstheorie
oder die Subordinationstheorie).
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1.2 Definition Staat
Ein Staat (von lateinisch „status” - Zustand) ist eine politische Einheit von Menschen
(Staatsvolk), die in einem bestimmten Gebiet (Staatsgebiet) unter einer obersten Herrschaft
(Staatsgewalt) leben („Drei-Elementen-Lehre”). Zurzeit bestehen über 190 Staaten.
Der Begriff Staat wurde erstmals von Macchiavelli (1469 - 1527) in seinem Buch „Il
Principe” (in deutsch: „Der Fürst”) verwendet.
Staat ist eine politische Einheit von Menschen (Staatsvolk), in einem bestimmten Gebiet
(Staatsgebiet) unter einer obersten Herrschaft (Staatsgewalt). - Schaubild
1.2.1 Staatsvolk:
Alle Menschen mit derselben Staatsangehörigkeit (Staatsbürger) bilden zusammen das
Staatsvolk. Die Staatsangehörigkeit wird entweder durch Verwaltungshandeln, zum Beispiel
Einbürgerung (Naturalisation) oder durch Geburt erworben.
Beim Erwerb durch Geburt werden zwei Prinzipien unterschieden. Zum einen das
Abstammungsprinzip (ius sanguinis): Danach richtet sich die Staatsangehörigkeit eines
Kindes nach der Staatsangehörigkeit der Eltern. Zum anderen das Territorialprinzip (ius soli):
Danach erhält ein Kind die Staatsangehörigkeit des Staates, auf dessen Gebiet es geboren
wurde. In Deutschland gilt das Abstammungsprinzip, ergänzt um Elemente des
Territorialprinzips.
Die Staatsangehörigkeit unterscheidet sich vom umfassenderen Begriff der Nation. Dieser
beschreibt eine Gruppe mit gemeinsamer Abstammung, Kultur, Sprache, Geschichte und
Ähnlichem. Bei Staaten deren Staatsangehörige weitgehend der gleichen Nation angehören
liegt ein Nationalstaat vor, leben mehrere verschiedene Nationalitäten in einem Staat, liegt ein
Nationalitätenstaat vor.
An die Staatsangehörigkeit sind verschiedene Rechte (zum Beispiel die als Bürgerrechte
gestalteten Grundrechte) aber auch Pflichten (zum Beispiel Treuepflicht gegenüber dem Staat,
Steuerpflicht) gekoppelt. Besondere Staatssymbole, zum Beispiel Fahnen dienen der
Identifizierung der Staatsbürger mit ihrem Staat.
1.2.2 Staatsgebiet
Das Staatsgebiet ist ein bestimmbarer, abgrenzbarer Ausschnitt der Erdoberfläche, das
Erdinnere darunter und der Luftraum darüber. Außerdem umfasst das Staatsgebiet
gegebenenfalls eine Zwölfmeilenzone (circa 22 km, 1 Seemeile = 1,852 km) zum offenen
Meer (manche Staaten beanspruchen andere Entfernungen), Kriegsschiffe, Handelsschiffe auf
hoher See, Flugzeuge während des Fluges und Exklaven (kleinere Gebiete außerhalb des
geschlossenen Staatsgebiets).
1.2.3 Staatsgewalt
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Die Staatsgewalt ist die souveräne Machtausübung des Staates einerseits nach Innen durch
Gestaltung und Aufrechterhaltung einer öffentlichen Ordnung (Recht) und andererseits nach
Außen durch Unabhängigkeit gegenüber anderen Staaten. Die Staatsgewalt muss effektiv
sein. Ob sie legitim ist oder nicht spielt für die Staatsdefinition keine Rolle.
1.3 Staatsrecht und Staaten
1.3.1 Aufgaben des Staates
Es gibt viele verschiedene politische, religiöse, philosophische und andere Theorien und
Ansätze um zu begründen, warum es Staaten gibt und was deren Aufgaben sind.
Ein wichtiger Ansatz stellt fest, dass es sich bei Staaten um Not- und Schutzgemeinschaften
der Menschen handelt, die Ordnung und Sicherheit sowie eine soziale Sicherungsfunktion
bieten.
1.3.2 Entstehung und Untergang von Staaten
1.3.2.1 Entstehung
Die Frage wie Staaten entstehen, hängt eng mit der Rechtfertigung von Staaten zusammen. So
gibt es die Ansicht, dass sich Staaten schrittweise aus kleineren Gruppen wie Familien,
Sippen oder Stämmen entwickelt haben.
Eine andere Ansicht stellt fest, dass bei Staatsgründungen Macht (das Recht des Stärkeren)
eine hauptsächliche Rolle spielt.
Staaten können auch durch Vereinbarungen zwischen bereits existierenden Staaten neu
entstehen, zum Beispiel Vereinbarung über den Zusammenschluss mehrerer vorhandener
Staaten zu einem neuen Staat.
Es ist für die Entstehung eines Staates nicht notwendig, dass dieser von anderen Staaten oder
von der UNO anerkannt wird. Allerdings steht ein Staat nicht alleine für sich, sondern immer
auch in Verbindung mit anderen Staaten und hier sind gute Beziehungen, die sich auch durch
eine Anerkennung ausdrücken, von Vorteil.
1.3.2.2 Untergang
Staaten gehen unter, wenn mindestens eines der oben genannten Merkmale eines Staates
wegfällt.
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1.4 Staatsformen und Regierungsformen
Staaten lassen sich in ihrer Grundordnung nach den unterschiedlichsten Gesichtspunkten
einteilen. Hier die im Staatsrecht wichtigsten:
Schaubild: Einteilung von Staaten
1.4.1 Nach den Trägern der Staatsgewalt (Regierungsform)
das heißt nach dem Kriterium, wie viele Personen Inhaber der Staatsgewalt sind:
Monokratie Herrschaft eines Einzelnen
Aristokratie Herrschaft einer privilegierten, herausgehobenen Gruppe, zum Beispiel Adel
Demokratie Herrschaft des Volkes (Heute die häufigste Staatsform)
Monokratien und Aristokratien werden zusammengefasst als Diktaturen bezeichnet.
1.4.2 Nach dem Staatsoberhaupt (Staatsform)
das heißt, wer den Staat völkerrechtlich vertritt
Staatsoberhaupt kommt auf Lebenszeit in sein Amt, meist durch Erbfolge aber
auch durch Wahl, zum Beispiel Großbritannien
Es gibt mehrere verschiedene Typen von Monarchien:

Monarchie


Absolute Monarchien (Absolutismus)
die Staatsgewalt liegt alleine beim Monarchen
Konstitutionelle Monarchien
die Staatsgewalt des Monarchen wird durch eine Verfassung eingeschränkt
Parlamentarische Monarchien
die Staatsgewalt liegt beim Volk, der Monarch hat im wesentlichen nur
repräsentative Aufgaben
Staatsoberhaupt kommt durch Wahl in sein Amt und kann bei der nächsten Wahl
Republik gegebenenfalls durch eine andere Person abgelöst werden, zum Beispiel
Deutschland, Frankreich
1.4.3 Nach der staatlichen Organisation
Einheitsstaat Zentralisierung der Staatsgewalt auf einer Ebene zum Beispiel Frankreich
Bundesstaat Staatsgewalt ist zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten aufgeteilt zum Beispiel
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Deutschland
Vom Bundesstaat unterscheidet sich der Staatenbund:
Bei einem Staatenbund (auch Föderation genannt) haben nur die einzelnen Staaten
Staatscharakter, nicht das gesamte Gebilde (zum Beispiel Deutscher Bund von 1815). Beim
Bundesstaat haben sowohl die Gliedstaaten als auch der Gesamtstaat Staatscharakter.
2 Verfassungsgrundsätze
2.1 Rechtsstaat
Ein Rechtsstaat ist ein Staat in dem die Staatsorgane an Recht und Gesetz gebunden sind und
das Streben nach Gerechtigkeit eine tragende Rolle spielt.
Der Begriff Rechtsstaat wird im Art. 20 GG zwar nicht genannt, aber es werden wesentliche
Elemente eines Rechtsstaats aufgeführt, nämlich der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20
II GG) und der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit allen staatlichen Handelns (Art. 20 III GG).
Daraus und auch aus den Art. 1 III, 19 IV und 28 I GG (dort ist der Begriff Rechtsstaat
ausdrücklich genannt) ergibt sich, dass das Rechtsstaatgebot ein Verfassungsgrundsatz ist.
2.2 Staatsorgane
Ein Staat kann nicht selbst handeln, er braucht Personen (meist Mitglieder von Parteien) als
Staatsorgane, die stellvertretend für ihn handeln. Die höchsten Organe der Bundesrepublik,
die obersten Staatsorgane (Bundesorgane) sind direkt im Grundgesetz aufgeführt.





Bundestag (Legislative) Art. 38 ff GG
Bundesrat (Legislative) Art. 50 ff GG
Bundespräsident (Exekutive) Art. 54 ff GG
Bundesregierung (Exekutive) Art. 62 ff GG
Bundesverfassungsgericht (Judikative) Art. 92 ff GG


Gemeinsamer Ausschuss Art. 53a GG
Bundesversammlung Art. 54 GG
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2.3 Wesentliche Elemente eines Rechtsstaats
2.3.1 Staatsziele
Die Verfassungsgrundsätze, auch Staatsziele genannt, sind Grundwertentscheidungen, die das
Grundgesetz trifft. Sie finden Sie in den Art. 1, 20 und 20a GG. Durch Art. 79 III GG
(„Ewigkeitsklausel”) werden Art. 1 GG und Art. 20 GG vor legalen Änderungen geschützt.
Artikel 20
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer
Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und
Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden
Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende
Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle
Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Artikel 79 III
Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in
Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die
in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.
2.3.1.1 Republik
Eine Republik ist eine Staatsform, die keine Monarchie ist.
Eine Monarchie ist ein Staat, dessen Staatsoberhaupt auf Lebenszeit zum Beispiel durch
Erbfolge in sein Amt kommt. Bei einer Republik ist das Staatsoberhaupt also auf begrenzte
Zeit gewählt und kann auch wieder abgewählt werden.
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2.3.1.2 Demokratie
Demokratie bedeutet Volksherrschaft, das heißt das Volk ist Träger / Inhaber der
Staatsgewalt. Es gibt zwei Formen der Demokratie: unmittelbare / direkte Demokratie
In einer unmittelbaren Demokratie werden die politischen Entscheidungen von den Bürgern
selbst in Versammlungen getroffen. Das Volk ist Inhaber der Staatsgewalt und übt diese auch
selbst aus. Diese Form kann aber nur in kleinen Gemeinschaften realisiert werden und ist
daher praktisch nicht mehr von Bedeutung.
In einer mittelbaren Demokratie werden die politischen Entscheidungen nicht von den
Bürgern selbst in Versammlungen getroffen, sondern es werden Volksvertreter
(Parlamentarier, Abgeordnete) gewählt, die stellvertretend für das Volk die politische
Entscheidungen treffen.
Die Staatsgewalt liegt aber weiterhin beim Volk, nur die Ausübung der Staatsgewalt ist
delegiert. In vielen mittelbaren Demokratien gibt es jedoch Elemente unmittelbarer
Demokratie (zum Beispiel Art. 29 GG - Volksentscheid, Volksbefragung und Volksbegehren
bei Neugliederung des Bundesgebiets).
Auch die Mitglieder anderer Bundesorgane werden vom Volk legitimiert, allerdings nicht
durch direkte Wahl, sondern indirekt, gegebenenfalls über mehrere Zwischenstationen. Zum
Beispiel sind die Mitglieder des Bundesrates gleichzeitig Mitglieder einer Landesregierung,
die wiederum über einen Landtag indirekt vom Volk legitimiert ist (Legitimationskette).
2.3.1.3 Sozialstaat
In einem Sozialstaat findet ein sozialer Ausgleich zur Verringerung sozialer Unterschiede
zwischen den Staatsbürgern statt. Soziale Gerechtigkeit wird angestrebt, Schwache werden
geschützt. Das Gemeinwohl hat Vorrang vor Individual- und Verbandsegoismus. Auch die
Herstellung erträglicher Lebensbedingungen ist ein Ziel des Sozialstaates.
Die sozialen Sicherungssysteme wie Arbeitslosen- oder Rentenversicherung sind ein
Ausdruck des Sozialstaatsprinzips.
Im Grundgesetz selbst gibt es nur wenige verbindliche Festlegungen des Sozialstaatsprinzips,
zum Beispiel Art. 14 II, Art. 15, Art. 1 GG i.V.m. SGB XII (Sozialhilfe).
2.3.1.4 Bundesstaat
In einem Bundesstaat haben sich mehrere Staaten (Länder) zu einem neuen Gesamtstaat
(Bund) zusammengeschlossen. Im Gegensatz zum Bundesstaat entfällt bei einem
Einheitsstaat die Aufteilung des Staates in verschiedene Teilstaaten. Vom Bundesstaat
unterschieden wird auch der Staatenbund, bei dem nur die Mitgliedsländer Staatsqualität
haben, nicht jedoch der gesamte Bund.
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Der Vorteil eines Bundesstaates ist eine bürgernähere Politik, ein Mehr an Demokratie und
eine bessere Verteilung der Macht (vertikale Gewaltenteilung). Als Nachteil stehen dem
höhere Kosten, uneinheitliche Verfahren und kompliziertere Abstimmungsprozesse entgegen.
Damit der Bundesstaat funktionsfähig bleibt, müssen verschiedene Spielregeln beachtet
werden:
2.3.1.4.1 Homogenitätsprinzip
Die staatliche Ordnung der einzelnen Bundesländer muss nach Art. 28 GG der des Bundes
entsprechen. Dadurch wird eine gewisse Übereinstimmung der Bundesländer und des
Gesamtstaates sichergestellt.
Artikel 28 I
Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des
republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses
Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muss das
Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen
und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden
sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der
Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen
Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer
gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.
2.3.1.4.2 Prinzip der Bundestreue
Aufgrund des ungeschriebenen Prinzips der Bundestreue müssen sowohl die Länder als auch
der Bund sich bundesstaatsfreundlich verhalten, dürfen also ihre eigenen Interessen nichts
rücksichtslos gegen alle anderen am Bundesstaat Beteiligten verfolgen.
2.3.1.4.3 Aufgabenverteilung
Sowohl der Bund als auch die Länder haben Staatsgewalt. Diese kann jedoch nicht umfassend
sein, sondern bewegt sich im Rahmen der ihnen von der Verfassung jeweils zugewiesenen
Aufgaben.
Gesetzgebungsbefugnisse, Verwaltung und Rechtsprechung müssen jeweils sinnvoll verteilt
werden, damit keiner der Beteiligten ein übermächtiges Gewicht erhält.
2.3.1.4.4 Zusammenarbeit
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Ein Bundesstaat erfordert eine Zusammenarbeit zwischen den Einzelstaaten und dem
Gesamtstaat (kooperativer Föderalismus). Diese Zusammenarbeit erfolgt auf den
verschiedenen Ebenen zum Beispiel durch Treffen der Ministerpräsidenten der Länder,
Kooperationen von Verwaltungsbehörden über Ländergrenzen hinweg, Staatsverträge oder
auch Gemeinschaftseinrichtungen.
2.3.2 Gewaltenteilung
Gewaltenteilung ist eine Aufteilung der Staatsgewalt, deren Träger das Volk ist (Demokratie),
auf drei sich gegenseitig kontrollierende Teilgewalten, die stellvertretend für das Volk
handeln. Durch diese Aufteilung soll ein Machtmissbrauch erschwert werden.
2.3.2.1 Entwicklung
Die Gewaltenteilung hat ihren geschichtlichen Ursprung in den Staatstheorien von John
Locke und Charles-Louis de Secondat Baron de Montesqieu im 17. und 18. Jahrhundert. Sie
entwickelten das, was heute horizontale Gewaltenteilung genannt wird.
2.3.2.2 Arten der Gewaltenteilung
Durch Gewaltenteilung wird die Macht im Staat begrenzt. Neben der ursprünglichen
horizontalen Gewaltenteilung werden heute weitere Arten der Gewaltenteilung betrachtet.
- Horizontale Gewaltenteilung Klassische Aufteilung der Staatsgewalt auf drei
Teilgewalten: Legislative, Exekutive und Judikative
- Vertikale (föderative)
Aufteilung der Staatsgewalt auf den Gesamtstaat
Gewaltenteilung
Bundesrepublik Deutschland und die einzelnen
Bundesländer.
- Dezisive Gewaltenteilung
Aufteilung der Entscheidungsgewalt auf mehrere Gruppen
(zum Beispiel Regierung, Parlament, Interessengruppen).
Dadurch wird jede der beteiligten Gruppen kontrolliert und
begrenzt.
- Zeitliche Gewaltenteilung
Dadurch, dass im Rahmen von Wahlen die einzelnen
Mandatsträger ihr Amt nur für begrenzte Zeit erhalten, findet
eine zeitliche Aufteilung und damit Begrenzung von Macht
statt.
- Soziale Gewaltenteilung
Alle Bürger, nicht nur die Mitglieder einer elitären Gruppe
haben Zugang zu den Staatsämtern.
- Konstitutionelle
Die Verfassung schränkt die Möglichkeiten der
Gewaltenteilung
Funktionsträger im Staat ein. Sie gibt einen nur begrenzt
änderbaren Rahmen vor.
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2.3.2.3 Die drei Teilgewalten und ihre Aufgaben:
Legislative (gesetzgebende Gewalt)
Aufgabe: Erlass von Gesetzen
Ausgeübt durch: Parlament
Exekutive (vollziehende Gewalt)
Aufgabe: Ausführung von Gesetzen, Erhaltung von Ordnung und Sicherheit
Ausgeübt durch: Regierung, Verwaltung, Polizei und Militär
Judikative (richterliche Gewalt)
Aufgabe: Entscheidung über Streitfälle, Bestrafung von Verstößen gegen die
Rechtsordnung
Ausgeübt durch: unabhängige Richter
Diese drei Teilgewalten sind nicht strikt voneinander getrennt, sondern beeinflussen sich
gegenseitig (zum Beispiel Wahl des Bundeskanzlers (Exekutive) durch den Bundestag
(Legislative)). Dies wird Gewaltendurchbrechung oder Gewaltendurchdringung genannt.
Schaubild: Gewaltenteilung
2.3.2.3.1 Legislative
- Der Bundestag spielt die zentrale Rolle bei der Gesetzgebung des Bundes (zum Beispiel Art.
77 I GG), ferner kontrolliert er die Regierung (zum Beispiel Zitierungsrecht, Art. 43 I GG
oder das Interpellationsrecht).
Er wirkt außerdem bei der Bestellung anderer Bundesorgane mit (zum Beispiel Art. 94 I S 2
GG), kontrolliert über das Haushaltsgesetz in hohem Maße die Finanzen des Bundes und hat
in den Angelegenheiten der Europäischen Union (EU) nach Art. 23 GG ein Mitwirkungsrecht.
- Durch den Bundesrat sind die Bundesländer an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt (zum
Beispiel Art. 76 I GG). Der Bundesrat ist ferner an der Verwaltung des Bundes beteiligt (zum
Beispiel Art. 84 II, 85 II GG). Er kontrolliert die Regierung (zum Beispiel Art. 53 GG) und
wirkt bei der Bestellung anderer Bundesorgane mit (zum Beispiel Art. 94 I S 2 GG).
2.3.2.3.2 Exekutive
Die Bundesregierung, auch Bundeskabinett genannt, ist wie der Bundespräsident ein Teil der
Exekutive. Sie besteht aus dem Bundeskanzler (aktuell der Bundeskanzlerin) und den
Bundesministern (Art. 62 GG).
Die Bundesregierung lenkt und leitet die staatlichen Tätigkeiten und handelt als Impulsgeber
(Regierungstätigkeit). Sie gestaltet die politischen Verhältnisse durch konkrete Maßnahmen
(Verwaltungstätigkeit).
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Konkret hat die Bundesregierung unter anderem das Recht Gesetzesvorlagen in den
Bundestag einzubringen (Art. 76 GG), Rechtsverordnungen zu erlassen (Art. 80 GG), bei der
Rechtsetzung der Europäischen Union mitzuwirken (Art. 23 GG), den Vermittlungsausschuss
bei Zustimmungsgesetzen anzurufen (Art. 77 II GG) sowie das Recht
Verwaltungsvorschriften zu Bundesgesetzen zu erlassen (Art. 84 ff GG).
Die öffentliche Verwaltung ist ein Teil der Exekutive. Sie ist auf den verschiedensten
gesellschaftlichen Gebieten und staatlichen Ebenen – Bund, Länder, Gemeinden
(Kommunalverwaltung) – tätig.
Unterteilen lässt sich die Verwaltung in Ordnungs- und Dienstleistungsverwaltung,
wirtschaftlich tätige Verwaltung und politische, organisierende Verwaltung.
Insbesondere im Bereich der organisierenden, politischen Verwaltung bestehen enge
Berührungspunkte zur Regierung. Die Bedeutung der Regierung beruht unter anderem auf
deren Möglichkeit auf den Sachverstand der Verwaltung zurückgreifen zu können.
In ihrem Handeln bewegt sich die Verwaltung im Rahmen der Gesetze und der politischen
Vorgaben der Regierung.
Die Gesetze des Bundes und der Länder werden von der Verwaltung ausgeführt. Dabei
werden verschiedene Varianten unterschieden.
Gesetze werden auf folgende Arten vollzogen:




Vollzug von Bundesgesetzen durch die Verwaltungen der Länder als eigene
Angelegenheit (Art. 83 GG Standardfall)
Der Bund hat hier Einflussmöglichkeiten durch Verwaltungsvorschriften und die
Möglichkeit der Rechtsaufsicht.
Vollzug von Bundesgesetzen durch eine eigene Bundesverwaltung (Art. 86 GG)
Eine eigene Bundesverwaltung gibt es nur in wenigen Bereichen zum Beispiel bei der
Finanzverwaltung
Vollzug von Bundesgesetzen durch die Verwaltungen der Länder im Auftrag des
Bundes (Art. 85 GG)
Bei der Bundesauftragsverwaltung hat der Bund mit Rechts- und Fachaufsicht sowie
der Möglichkeit das Verwaltungsverfahren festzulegen weitreichende
Einflussmöglichkeiten auf die Länder.
Vollzug von Landesgesetzen durch die Verwaltungen der Länder (Art. 30 GG)
Hier hat der Bund keinen Einfluss auf die Länder.
Artikel 83 GG
Die Länder führen die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit dieses
Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt.
Artikel 85 I GG
Führen die Länder die Bundesgesetze im Auftrage des Bundes aus, so bleibt die
Einrichtung der Behörden Angelegenheit der Länder, soweit nicht Bundesgesetze
mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.
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Artikel 86 GG
Führt der Bund die Gesetze durch bundeseigene Verwaltung oder durch
bundesunmittelbare Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechtes aus,
so erlässt die Bundesregierung, soweit nicht das Gesetz Besonderes vorschreibt,
die allgemeinen Verwaltungsvorschriften. Sie regelt, soweit das Gesetz nichts
anderes bestimmt, die Einrichtung der Behörden.
2.3.2.3.3 Judikative
Die rechtsprechende Gewalt (Judikative) der dritte Teil der Staatsgewalt. Sie ist nach Art. 92
GG „den Richtern anvertraut“. Die Rechtsprechung wird durch das
Bundesverfassungsgericht, die im Grundgesetz vorgesehenen Bundesgerichte und durch die
Gerichte der Länder, zu denen auch die Landesverfassungsgerichte gehören, ausgeübt (Art. 92
GG). Den einzelnen Rechtsbereichen sind jeweils selbständige Gerichtszweige zugeordnet.
Schaubild: Gerichte
2.3.3 Grundsatz der Gesetzmäßigkeit allen staatlichen Handelns
Dieser Grundsatz umfasst zwei Elemente:


das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes, das heißt staatliches Handeln darf geltendem
Recht nicht widersprechen
das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes, das heißt der Staat darf grundsätzlich nicht
ohne Rechtsgrundlage handeln (dies gilt insbesondere bei belastenden Eingriffen des
Staates)
2.3.4 Gewährleistung von Grundrechten und Bindung des Staates daran
Grundrechtekatalog und grundrechtsgleiche Rechte (Art. 93 I Nr. 4 a GG), Bindung des
Staates an die Grundrechte nach Art. 1 III GG
2.3.5 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Eingriffe des Staates in die Rechte des Einzelnen müssen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
entsprechen. Das heißt, eine Maßnahme des Staates muss geeignet (tauglich), erforderlich
(mildestes Mittel) und angemessen (nicht völlig überzogen) sein.
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Verfassungsrechtliche Grundlagen
2.3.6 Gebot der Rechtssicherheit
Das Gebot der Rechtssicherheit besagt, dass die Rechtslage für die Bürger durch klare
Rechtsnormen einschätzbar sein muss. Die Bürger müssen sich auf Rechtsnormen verlassen
können (Vertrauensschutz). Das heißt, dass diese nicht ohne weiteres nachträglich
rückwirkend geändert werden dürfen. Bei Strafgesetzen ist eine Rückwirkung durch Art. 103
II GG komplett ausgeschlossen, bei anderen Gesetzen wird zwischen echter und unechter
Rückwirkung unterschieden:
Bei der echten Rückwirkung werden in der Vergangenheit begonnene und bereits in der
Vergangenheit abgeschlossene Tatbestände geändert. Hier darf grundsätzlich nicht
verschlechternd geändert werden.
Bei der unechten Rückwirkung werden dagegen Rechte, die in der Vergangenheit begründet
wurden und für die Zukunft noch fortdauern für die Zukunft geändert. Hier ist eine
Verschlechterung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des
Vertrauensschutzes möglich.
2.3.7 Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte
Art. 19 IV, Art. 97 GG und die „Justizgrundrechte” (Art. 101 ff GG).
2.4 Umweltschutz
Die Aufnahme des Umweltschutzes als Staatsziel verpflichtet den Staat, die Umwelt als
Lebensgrundlage des Menschen zu schützen.
Artikel 20a
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die
natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen
Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch
die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
3 Gesetzgebungsverfahren
Schaubild: Überblick
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3.1 Gesetzgebungskompetenz
Schaubild
Da sowohl der Gesamtstaat Bundesrepublik Deutschland als auch die verschiedenen
Bundesländer Staatscharakter und damit Organe der Legislative haben (Bundesstatt), muss
festgelegt werden, wer in welchem Umfang welche Gesetze machen darf
(Gesetzgebungskompetenz).
Folgende Fälle können dabei unterschieden werden:
Ausschließliche Gesetzgebung Die Gesetzgebungskompetenz liegt ausschließlich bei den
der Länder (Art. 70 GG)
Ländern. Dies ist immer dann der Fall, wenn das
Grundgesetz keine andere Regelung trifft.
Ausschließliche Gesetzgebung Die Gesetzgebungskompetenz für die im Art. 73 GG
des Bundes (Art. 71, 73 GG)
aufgeführten Rechtsgebiete liegt ausschließlich beim Bund,
die Länder dürfen nur dann tätig werden, wenn sie durch ein
Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt werden
Konkurrierende Gesetzgebung Die Gesetzgebungskompetenz für die im Art. 74 GG
(Art. 72, 74 GG)
aufgeführten Rechtsgebiete liegt zwar grundsätzlich bei den
Ländern, aber wenn eine bundesgesetzliche Regelung aus
den in Art. 72 II GG genannten Gründen nötig wird, dann hat
vorrangig der Bund die Gesetzgebungskompetenz.
Rahmengesetzgebung (Art. 75 Wenn die in Art. 72 II GG genannten Gründe vorliegen, kann
GG)
der Bund in den im Art. 75 GG aufgeführten Rechtsgebieten
Rahmengesetze erlassen. Diese regeln die Materie nicht in
allen Details und müssen von den Ländern konkretisiert
werden (können).
3.2 Gang der Gesetzgebung
An der Gesetzgebung des Bundes sind der Bundestag, der Bundesrat (gegebenenfalls der
Vermittlungsausschuss), die Bundesregierung und der Bundespräsident beteiligt.
Das Gesetzgebungsverfahren läuft in drei aufeinander folgenden Schritten ab:
1. Einbringen der Gesetzesvorlage, des Gesetzesentwurfs (Gesetzesinitiative)
2. Verfahren im Bundestag, Bundesrat und eventuell im Vermittlungsausschuss
(Hauptverfahren)
3. Ausfertigung und Verkündung
3.2.1 Gesetzesinitiative (Art. 76 I GG)
Gesetzesvorlagen können von drei Gruppen in den Bundestag eingebracht werden:
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Verfassungsrechtliche Grundlagen
3.2.1.1 .... von der Bundesregierung
Gesetzesvorlagen der Bundesregierung (als Kollegium, nicht der einzelne Minister oder der
Bundeskanzler alleine) werden zunächst an den Bundesrat zur Stellungnahme gegeben, bevor
sie an den Bundestag gehen.
3.2.1.2 ... vom Bundesrat
Gesetzesvorlagen des Bundesrates werden zunächst an die Bundesregierung zur
Stellungnahme gegeben, bevor sie an den Bundestag gehen.
3.2.1.3 .... von einer Gruppe von Mitgliedern des Bundestags in
Fraktionsstärke
Diese Gesetzesvorlagen werden direkt im Bundestag eingebracht. Die Fraktionsstärke umfasst
mindestens 5 % der Mitglieder des Bundestags, diese müssen nicht der gleichen Fraktion
angehören.
Schon bei der Gesetzesinitiative sollen möglichst viele Betroffene am Entwurf beteiligt
werden, um möglichst sinnvolle Regelungen zu treffen. Daher werden Gesetzesvorlagen der
Bundesregierung und des Bundesrats zunächst dem jeweils anderen Part zugeleitet, und daher
werden schon in diesem frühen Stadium Interessengruppen zum Gesetzesentwurf gehört.
Wichtig hierbei ist, dass alle Seiten zu einem Gesetz gehört werden.
Artikel 76 I GG
Gesetzesvorlagen werden beim Bundestage durch die Bundesregierung, aus der
Mitte des Bundestages oder durch den Bundesrat eingebracht.
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