ANED – Akademisches Netzwerk für europäische Behindertenpolitik (JUST/2011/PROG/PR/01/D3-30-CE-0450002/00-88) Tätigkeitsbericht 2013 Human European Consultancy Centre for Disability Studies – Universität Leeds Berichtszeitraum: 21. Dezember 2012 – 21. Dezember 2013 Inhaltsverzeichnis Einleitung ........................................................................................................................................ 3 Aufgabe 1: Netzwerkmanagement ............................................................................................. 4 Aufgabe 2: Instrument zur Bestandsaufnahme hinsichtlich der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen .......................................................................... 8 Aufgabe 3: Rechtsrahmen und Rechtsinstrumente ............................................................... 11 Aufgabe 4: Barrierefreiheit ......................................................................................................... 22 Aufgabe 5: Nationale Strategien und sozialpolitische Maßnahmen .................................... 26 Aufgabe 6: Vergleichsdaten und Vergleichsindikatoren ........................................................ 29 Aufgabe 7: Jahrestreffen und Konferenz ................................................................................. 47 1 Die vorliegende Veröffentlichung wurde aus dem Europäischen EU-Programm für Beschäftigung und soziale Solidarität – PROGRESS (2007–2013) – finanziert. Das Programm wurde eingerichtet, um die Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union in den Bereichen Beschäftigung und Soziales – wie in der Sozialpolitischen Agenda ausgeführt – finanziell zu unterstützen und somit zum Erreichen der Vorgaben der Lissabon-Strategie in diesen Bereichen beizutragen. Das auf sieben Jahre ausgelegte Programm richtet sich an alle maßgeblichen Akteure in den 27 EU-Mitgliedstaaten, den EFTA/EWR-Ländern sowie in den Kandidaten- und potenziellen Kandidatenländern, die einen Beitrag zur Gestaltung geeigneter und effektiver Rechtsvorschriften und Strategien im Bereich Beschäftigung und Soziales leisten können. Mit PROGRESS soll der EU-Beitrag in Unterstützung des Engagements der Mitgliedstaaten in folgenden Bereichen ausgebaut werden: Analysen und Empfehlungen in den Politikbereichen des Programms PROGRESS Überwachung der Umsetzung von Rechtsvorschriften und Strategien der EU in den Politikbereichen des Programms PROGRESS sowie einschlägige Berichterstattung Strategietransfer, wechselseitiges Lernen und gegenseitige Unterstützung zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Ziele und Prioritäten der Union Einbeziehung der Auffassungen der beteiligten Akteure und der Gesellschaft insgesamt Weitere Informationen sind auf der folgenden Webseite zu finden: http://ec.europa.eu/progress. Dieser Vertrag wird von der Generaldirektion Justiz, Direktion D: Gleichstellung Referat D.3: Rechte von Menschen mit Behinderungen verwaltet. Der Inhalt der vorliegenden Veröffentlichung spiegelt nicht unbedingt die Meinung oder die Haltung der Europäischen Kommission wider. 2 Einleitung Das Akademische Netzwerk für europäische Behindertenpolitik (ANED) wurde 2008 von der Europäischen Kommission zur wissenschaftlichen Unterstützung und Beratung in Fragen der Behindertenpolitik ins Leben gerufen. Es fördert die Entwicklung der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010–2020 und die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Europa. Philosophie und Ziele des ANED konzentrieren sich auf Forschungsvorhaben und politische Maßnahmen zur Förderung der umfassenden Beteiligung von Menschen mit Behinderungen und zur Schaffung von mehr Chancengleichheit. Das Netzwerk wird von Human European Consultancy (Niederlande) und vom Centre for Disability Studies an der Universität Leeds (Vereinigtes Königreich) koordiniert und arbeitet mit nationalen Sachverständigen in 34 Ländern sowie mit einem Sachverständigenpool zusammen. Die im Rahmen der vorherigen Verträge1 erzielten Ergebnisse sind folgenden Berichten zu entnehmen: Tätigkeitsbericht 2008 (in Englisch, Französisch und Deutsch) Tätigkeitsbericht 2009 (in Englisch, Französisch und Deutsch) Tätigkeitsbericht 2010 (in Englisch, Französisch und Deutsch) Tätigkeitsbericht 2011 (in Englisch, Französisch und Deutsch ) Tätigkeitsbericht 2012 (in Englisch, Französisch und Deutsch) Das Arbeitsprogramm 2013 umfasste folgende Aufgaben: Aufgabe 1: Netzwerkmanagement Aufgabe 2: Sammlung und Analyse von Daten (Instrument zur Bestandsaufnahme) Aufgabe 3: Rechtsrahmen und Rechtsinstrumente Aufgabe 4: Barrierefreiheit Aufgabe 5: Nationale Strategien und sozialpolitische Maßnahmen Aufgabe 6: Vergleichsdaten und Vergleichsindikatoren Aufgabe 7: Jahrestreffen Nachfolgend wird beschrieben, wie die einzelnen Aufgaben umgesetzt wurden. 1 Vertragsreferenznummern VC/2007/0043, VC/2008/0916, VC/2009/1348 und VC/2010/1634. 3 Aufgabe 1: Netzwerkmanagement Für die Netzwerkaufgaben war ein Managementteam verantwortlich, dem ein Projektleiter (Piet Leunis), ein wissenschaftlicher Leiter (Prof. Mark Priestley) und eine Supportmanagerin (Andrea Trotter) angehörten. Dem wissenschaftlichen Leiter stand eine Assistentin für inhaltliche Fragen (Dr. Sarah Woodin) zur Seite. Ein Forschungsteam (Prof. Mark Priestley, Prof. Lisa Waddington, Anna Lawson und Stefanos Grammenos) war für die Umsetzung der Aufgaben und die Erarbeitung der Kriterien für die verschiedenen Aufgaben verantwortlich. Außerdem wurden im Laufe des Projekts Vertreter von zwei europäischen NRO (AGE Platform Europe und Europäisches Behindertenforum) zu den Kriterien für die Aufgaben sowie zu verschiedenen Entwürfen der Aufgabenberichte konsultiert. ANED-Mitglieder und nationale Expertinnen und Experten waren auf Länderebene an der Durchführung der Aufgaben beteiligt: Tabelle 1: ANED-Mitglieder in EU-Mitgliedstaaten Land Einrichtung Expertin/Experte Bulgarien Zentrum für Selbstbestimmtes Leben (CIL), Sofia Dänemark Dänisches Institut für Sozialforschung (DNISR) Finnland Finnischer Verband für Menschen mit geistigen Behinderungen und Entwicklungsstörungen (FAIDD) Frankreich Institut Fédératif de Recherche sur le Handicap, IFRH (Forschungsinstitut für Behinderungen) Deutschland Internationale Forschungsstelle Disability Studies (iDiS), Universität zu Köln Irland National University of Ireland, Galway Kapka Panayotova Italien Giampiero Griffo Centre for Governmentality and Disability Studies „Robert Castel“ (Zentrum für Gouvernementalität und Behindertenforschung) 4 Steen Bengtsson Antti Teittinen Catherine Barral Anne Waldschmidt Gerard Quinn Land Einrichtung Expertin/Experte Malta Kummissjoni Nazzjonali Persuni b’Dizabilità (Nationale Kommission für Menschen mit Behinderungen) Instituto Superior de Sociais e Políticas (Institut für Sozial- und Politikwissenschaften), Technische Universität Lissabon DISABNET, Rumänisches Forum für Anbieter von Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen Institut für Arbeits- und Familienforschung Jo Camilleri Instituto Universitario de Integración en la Comunidad, INICO (Institut für soziale Integration), Universität Salamanca Schwedisches Institut für behindertenspezifische Forschungen (SIDR), Universität Örebro Centre for Disability Studies Universität Leeds Miguel Ángel Verdugo Portugal Rumänien Slowakei Spanien Schweden Vereinigtes Königreich Paula Pinto Diana Chiracescu Kvetoslava Repkova Berth Danermark Mark Priestley Tabelle 2: ANED-Mitglieder in EFTA-Ländern Land Einrichtung Island Center for Disability Studies, Universität Island Rannveig Traustadottir Forschungsbereich Behindertenrecht und Jan Tøssebro ‑ politik, Fakultät für Sozialarbeit und Gesundheitswesen der TechnischNaturwissenschaftlichen Universität Norwegen (NTNU) Norwegen Expertin/Experte Tabelle 3: Nationale Expertinnen und Experten Land Name Österreich Volker Schönwiese Jef Breda Belgien Universität Innsbruck, Institut für Erziehungswissenschaften Universität Antwerpen 5 Land Name Zypern Katerina Mavrou Tschechische Jan Siska Republik Estland Luule Sakkeus European University of Cyprus, Fakultät für Erziehungswissenschaften Univerzita Karlova v Praze, Pedagogická Fakulta (Karls-Universität Prag, Pädagogische Fakultät) Nationales Institut für Gesundheitsentwicklung Griechenland Eleni Strati Ungarn Lettland Tamás Gyulavári Loránd-Eötvös-Universität (ELTE), Institut für Arbeitsrecht Daina Calite APEIRONS Liechtenstein Wilfried Marxer Liechtenstein-Institut Litauen Jonas Ruskus Fakultät für Sozialarbeit, Vytautas Magnus Universität, Kaunas Luxemburg Niederlande Arthur LimbachReich Jose Smits Polen Ewa Wapiennik Slowenien Darja Zaviršek Türkei Volkan Yilmaz Universität Luxemburg Verschiedene NRO, die Menschen mit Behinderungen und ihre Integration unterstützen Maria Grzegorzewska Universität für Sonderpädagogik, Abteilung für die Bildung von Menschen mit geistigen Behinderungen Fakultät für Sozialarbeit, Universität Ljubljana Seit 2013 wurden Italien und die Türkei durch neue ANED-Mitglieder vertreten. Eine aktuelle Liste der ANED-MItglieder und Experten ist auf der ANED-Website zu finden: http://disability-europe.net/contact/aned-country-members. Der wissenschaftliche Leiter stand sowohl bei der Erarbeitung der Kriterien als auch während der Erfüllung der Aufgaben in engem Kontakt mit den Berichterstatterinnen und Berichterstattern für die verschiedenen Aufgaben. Die Supportmanagerin kümmerte sich um die Verwaltung und das Versenden der verschiedenen Dokumente. Darüber hinaus organisierte sie ein Überprüfungsverfahren für die einzelnen Länderbeiträge aus der kombinierten Aufgabe 3 und 4 über die Unionsbürgerschaft und die politische Teilhabe und Aufgabe 5 zu nationalen Strategien 6 und sozialpolitischen Maßnahmen, was zu einer deutlichen Verbesserung des gesamten Überprüfungsverfahrens und der einzelnen Länderbeiträge führte. Im Hinblick auf die Aufgabendefinition und Berichterstattung stand der wissenschaftliche Leiter in regelmäßigem Austausch mit der Europäischen Kommission. 7 Aufgabe 2: Instrument zur Bestandsaufnahme hinsichtlich der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen Arbeitsablauf Im Jahr 2013 bestanden die wichtigsten Ziele des Netzwerks in Bezug auf das Instrument zur Bestandsaufnahme darin, die DOTCOM-Einträge zu aktualisieren, um politische Entwicklungen seit 2012 aufzuzeigen. Von den Experten in den Ländern des Netzwerks wurden Daten gesammelt und aktualisiert. Insgesamt wurden im Laufe des Jahres 366 politische Themen aktualisiert oder um neue Nachweise ergänzt (etwa ein Viertel des Datensatzes von 2012). Manche Punkte wurden ergänzt, um Informationen klarer zu gestalten, während andere politische Kursänderungen in unterschiedlichen Bereichen reflektierten; dazu gehörten neue Informationen über die Ratifizierungs- und Überwachungsmechanismen des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Entwicklungen in der Bildungs- und Beschäftigungspolitik sowie Veränderungen bei der Geschäftsfähigkeit oder Ansprüche auf Invaliditätsrente. Dazu gehörten beispielsweise: die Übernahme von Standardrichtlinien zur Zugänglichkeit von Gebäuden durch Landesregierungen und ein neues Rahmenwerk für die Lehrerausbildung in Österreich, die Gründung des Ausschusses für Menschen mit Behinderungen der Regierung der Republik Kroatien und die Förderung des Wahlrechts für Menschen, die nicht geschäftsfähig sind, der Erste Bericht von Zypern an den UNAusschuss über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und der Erste Nationale Aktionsplan zugunsten behinderter Menschen, die Annahmen der EU-Verordnung über die Fahrgastrechte im Kraftomnibusverkehr, ein neuer Aktionsplan für die Behindertenpolitik in Dänemark, die Koordinierung des unabhängigen Instruments zur Behindertenrechtskonvention in Estland und die Entwicklung einer neuen Pflegestrategie, die Entwicklung neuer Vorschläge zum Behindertenrecht und die Veröffentlichung des ersten Fortschrittberichts über das Programm zur Behindertenpolitik in Finnland, ein neues Programm zur Umsetzung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen für 2013-2019 und Änderungen in der Gesetzeskonformität in Lettland, einschließlich erweiterter Rechte auf persönliche Betreuung, die Anerkennung der lettischen Zeichensprache durch das Bildungsministerium und ein neuer Implementierungsplan für das Nationale Programm, Entwürfe zur Gesetzesvorlage für die Ratifizierung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und eine Sensibilisierungskampagne in den Niederlanden, eine neue Hotline zur Unterstützung und Information behinderter Bürger/innen vom Bürgerbeauftragten in Portugal, der Entwurf eines neuen Regelwerks zu Wahlverfahren und Wahlen und eine neue Zuwendung für behinderte Arbeitnehmer in der Slowakei, die Veröffentlichung einer überarbeiteten nationalen Strategie für behinderte Menschen im Vereinigten Königreich. 8 Für die Türkei wurde ein neuer Datensatz hinzugefügt und für alle 34 Länder wurde zudem ein neuer Punkt zu nationalen Strategien zu Behindertenfragen angefügt. Die Web-basierte Architektur für Content Management und Präsentation erlaubte die direkte Dateneingabe und einen Überprüfungsprozess durch Autoren und KernteamKorrektoren der ANED-Länder. Etliche mehrjährige Programme für nationale Strategien oder Aktionspläne gingen 2013 zu Ende. Für 2014 rechnet man mit ihrer Verlängerung oder entsprechenden Nachfolgeprogrammen. Ergebnisse und Empfehlungen Im zweiten Jahr seiner Einrichtung wurde das DOTCOM-Instrument von immer mehr Wissenschaftlern, Beamten und Entscheidungsträgern in Anspruch genommen – sowohl in Europa als auch als Wissensquelle für die internationale Öffentlichkeit. Die Methodik der gleichzeitigen Überwachung multinationaler Rechte besitzt einige bedeutende Vorteile gegenüber der herkömmlichen, auf Berichten basierenden Überwachung und das DOTCOM-Projekt hat dabei geholfen, die Entwicklung ähnlicher paralleler Berichtsinstrumente anzuerkennen und voranzutreiben (z.B. durch die Europäische Blindenunion). Bei der Menschenrechtsbeobachtung besteht Bedarf nach neuen Systemen und Instrumenten. Die statistischen Indikatoren von DOTCOM und IDEE haben wertvolle Beiträge zur Überwachung der Behindertenrechte in Europa geleistet. Vor allem DOTCOM zeigt, wie die gleichzeitige multinationale Überwachung durch interaktive Internettechnologien verbessert werden kann, die Urheberschaft und Verbreitung über die statischen Dokumentmodelle hinaustragen. Allerdings befinden sich diese Instrumente noch in der Entwicklung und es bestünde mehr Spielraum, wenn man ein integrierteres System für Übersicht und Überwachung schaffen könnte, bei dem sich qualitative und quantitative Nachweise kombinieren ließen. Dies würde direktere Verbindungen zwischen dem Nachweis von Struktur-, Prozess- und Ergebnisindikatoren bieten und sich eher einem Konzept integrierter Indikatoren annähern, wie es vom UN OHCHR befürwortet wird. Daneben sollte geprüft werden, wie bewertende Belege aus der Zivilgesellschaft zu repräsentieren sind. Der Prozess der Konzeption und Entwicklung von DOTCOM hat die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Disziplinen und Ländern demonstriert. Die Beteiligung unabhängiger Experten (aus der Wissenschaft oder von NRO) bleibt kurzfristig wahrscheinlich der Schlüssel zur Schaffung und Aufrechterhaltung solcher Datensysteme, doch besitzt die Architektur enorme Kapazitäten, um die gemeinsame Koordination der Berichterstattung unter den Mitgliedstaaten zu ergänzen oder zu erleichtern, die derzeit über Berichte der hochrangigen Gruppe stattfindet. Arbeitsergebnisse: 9 Das DOTCOM-Instrument wurde auf der ANED-Website aktualisiert. http://www.disability-europe.net/de/dotcom Das Instrument wurde von der Kommissionswebsite zu Behinderung verlinkt. http://ec.europa.eu/justice/discrimination/disabilities/index_de.htm 10 Aufgabe 3: Rechtsrahmen und Rechtsinstrumente Unteraufgabe 3.1: Aktualisierung der bestehenden Übersicht über EURechtsvorschriften und -Strategien Aufgabenleiterin: Prof. Lisa Waddington Berichterstatterin: Janina Arsenjeva Die in den Jahren 2008 und 2009 erstellte und seitdem jährlich aktualisierte Übersicht der EU-Rechtsvorschriften und -Strategien wurde auch im Jahr 2013 aktualisiert. Arbeitsablauf Zu den zentralen Aufgaben des ANED gehören die Überwachung und Evaluierung von Rechtsvorschriften und Strategien, die für 80 Millionen Menschen mit Behinderungen in der Europäischen Union relevant sind. Im Rahmen des vorherigen Vertrags erstellte ANED jährlich eine systematische Übersicht der EU-Rechtsvorschriften und der nicht bindenden Rechtsinstrumente mit Bezug auf das Thema Behinderung. Diese Übersicht wurde 2013 aktualisiert und erweitert und stellt in der aktuellsten Version eine öffentlich zugängliche Informationsquelle dar, die eine entsprechend den EUR-Lex-Kategorien geordnete, kommentierte Übersicht über 271 Rechtsinstrumente sowie Anmerkungen von Sachverständigen bietet. Die Übersicht von 2013 beinhaltet kürzlich angenommene Instrumente und widmet den Maßnahmen besondere Aufmerksamkeit, die nach dem Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die EU ergriffen wurden. Außerdem lenkt die Übersicht die Aufmerksamkeit explizit auf Instrumente, die im Rahmen der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020 aufgeführt sind. Ergebnisse und Empfehlungen Die größte Anzahl von Instrumenten (Rechtsakte und politische Maßnahmen), die einen Verweis auf Behinderung enthalten, finden sich in folgenden Bereichen: Freizügigkeit der Arbeitnehmer und Sozialpolitik (75 Instrumente), Industriepolitik und der Binnenmarkt (48 Instrumente) und Verkehrspolitik (28 Instrumente). Nach Inkrafttreten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union befassen sich zwei Artikel des Vertrags (10 und 19 AEUV) besonders mit Behinderung. Während Artikel 10 erst noch ausdrücklich mit den rechtlichen und politischen Initiativen der EU verknüpft werden muss, dient Artikel 19 (früher Artikel 13 des EG-Vertrags) als Rechtsgrundlage für drei Instrumente in der Übersicht. Alle anderen enthaltenen Instrumente basieren auf Artikeln des Vertrages, die in keinerlei Hinsicht auf 11 Behinderung verweisen (wie z.B. Artikel, die sich auf Transport oder den Binnenmarkt beziehen). Dies zeigt, wie sehr Behinderung doch ein übergreifendes Thema ist. Seit der Aufnahme der Arbeit an der vorliegenden Übersicht im Jahr 2008 wurden eine Reihe von Trends festgestellt. Seit Verabschiedung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) durch die EC/EU und die darauf folgende Einführung einer sehr umfassenden europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen 2010-2020 hat sich die Zahl der Instrumente, die Behinderung erwähnen, deutlich erhöht und ist einheitlicher geworden. Dieser Trend war nicht so sehr in den Bereichen zu verzeichnen, die eher offensichtlich sind (wie Sozialpolitik), sondern in den Hauptbereichen der EU-Politik, nämlich in Industriepolitik und Binnenmarkt und den Außenbeziehungen. Man sollte die Aufmerksamkeit also darauf richten, um zu gewährleisten, dass die Umsetzung und Überwachung dieser neuen Instrumente den Paradigmenwechsel der Konvention respektiert. Es wäre zudem hilfreich, wenn die Europäische Kommission alle relevanten Initiativen an einem Ort auf bessere Weise veröffentlichen würde. Dies würde ein besseres Verständnis über den Umfang der Verpflichtungen der Union im Rahmen des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und deren Umsetzungsmaßnahmen fördern. Die Strategie „Europa 2020“, die für die europäische Sozialpolitik (und besonders einige ihrer Vorzeigeinitiativen) maßgeblich ist, beinhaltet auch Gesichtspunkte zu Behinderung. Die Beschäftigungs- und Sozialinvestitionspakete, die jeweils 2012 und 2013 verabschiedet wurden, können sich als nützlich erweisen, um nationale und europäische Maßnahmen zu steuern, die für Menschen mit Behinderungen relevant sind. Die Entwicklung der Behinderungsdimension in Beziehung zu Binnenmarkt und Industriepolitik verdient dabei besondere Aufmerksamkeit. Nach der jahrelangen Arbeit an sanften Maßnahmen zur Barrierefreiheit, wie der Standardisierung, um die Zugänglichkeitslücke für Menschen mit Behinderungen zu schließen, und dem Gesetzgebungsvorschlag, um die Barrierefreiheit aus dem Blickwinkel der Antidiskriminierung anzugehen (der im Rat umstritten bleibt), hat die Kommission die Möglichkeiten auf der gesetzlichen Basis des Binnenmarkts zu erkunden und sich mit der Funktionsweise des Binnenmarkts für zugängliche Waren und Dienstleistungen als Ergebnis der verschiedenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu befassen. Der Abschluss des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat gemeinsam mit den internen EU-Initiativen wie der Binnenmarktakte dieses Denken gefördert und diente als Basis zur Entwicklung besserer Politiken im Bereich der Zugänglichkeit von Waren und Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen. Im Hinblick auf die Transportpolitik ist das Paket von Rechtsvorschriften nun vollständig, vier Rechtsvorschriften befassen sich mit den Fahrgastrechten im Luft-, Eisenbahn-, Schiffs- und Straßenverkehr. Als Reaktion auf Schwierigkeiten bei der Umsetzung wurde eine Reihe von Anleitungsdokumenten geschaffen und außerdem 12 eine Werbekampagne gestartet. Es gibt auch einige Instrumente, welche die physische Zugänglichkeit zum (Schiffs-, Straßen- und Eisenbahn-)verkehr regeln. In einigen Bereichen, vor allem Wissenschaft, Information, Bildung und Kultur, gibt es nur eine Handvoll von Rechtsakten, die ausdrücklich einen Behinderungsaspekt mit einschließen (obgleich im Bereich von Forschung & Entwicklung Behinderungsfragen in steigendem Maße beachtet wurden). Zweifelsohne werden diese Bereiche letztendlich von den verschärften Vorschriften zur Barrierefreiheit profitieren, die sich derzeit in der Entwicklung befinden (siehe oben). Eine ähnliche Situation ist in den Bereichen Umwelt und Verbraucherschutz zu beobachten und in geringerem Maße auch im Gesundheitsschutz. Dies ist einigermaßen überraschend, wenn man bedenkt, welchen Stellenwert offensichtlich der Schutz von Verbrauchern mit Behinderungen oder die Gesundheitsdienste für Menschen mit Behinderungen haben. In vielen horizontalen Instrumenten fallen Menschen mit Behinderungen unter die Begriffe „schutzbedürftige“ Nutzer, Verbraucher oder Gruppen. Obwohl damit bestimmte Gruppen in bestimmten Situationen geschützt werden sollen, kann sich die übermäßige Verwendung des Begriffs „schutzbedürftig“ (besonders wenn er nicht definiert wird) zum Teil auch negativ auf das Konzept der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen auswirken. Bei der Nutzung dieses Begriffs und seiner Anwendung auf alle Menschen mit Behinderungen sollte man daher größte Vorsicht walten lassen. Nach Inkrafttreten des VN-Übereinkommens, das die Vertragsstaaten dazu verpflichtet, das Thema Behinderung bei jeder internationalen Zusammenarbeit zu berücksichtigen, waren im Bereich der Außenbeziehungen zahlreiche wichtige Entwicklungen zu verzeichnen. Weitere wichtige Entwicklungen werden für 2014 erwartet, wenn die EU dem Ausschuss zum VN-Übereinkommen ihren Erstbericht vorlegt und die internationalen Akteure weiter an einem Rahmenwerk zur Armutsbekämpfung über 2015 hinaus (jenseits der Milleniumsziele) arbeiten, das die Behindertenthematik deutlich mit einbeziehen soll. Schließlich – und das ist entscheidend – muss beachtet werden, dass die zukünftige Einbeziehung der Behindertenthematik stark von dem endgültigen Ergebnis der EUVerhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen 2014-2020 beeinflusst wird, über den zum Zeitpunkt, zu dem dieser Bericht verfasst wurde, Anfang November 2013, noch nicht abgestimmt worden war. Alle Stränge des EU-Haushalts, von der Forschung & Entwicklung bis hin zur Beschäftigung, werden davon betroffen sein und die Prioritäten der EU-Finanzierung für die nächsten sieben Jahre festlegen. Die Zuweisung der EUStrukturfonds ist von besonderer Bedeutung. Arbeitsergebnisse: 13 „Annotated review of European disability law and policy with reference to disability“ (Kommentierte Übersicht über behindertenspezifische Rechtsvorschriften und Strategien der EU), erstellt von Janina Arsenjeva unter der Leitung von Lisa Waddington. In diesem 60 Seiten starken Bericht werden 271 Rechtsinstrumente entsprechend den 19 Sachgebieten der EUR-Lex-Gliederung analysiert. Einzelne Rechtsinstrumente werden am Ende des jeweiligen Sachgebiets aufgeführt und in einem gegliederten Anhang kommentiert (134 Seiten). Für den Bericht von 2013 wurden Instrumente in Übersicht und Bestandsaufnahme aufgenommen, die in den letzten zwölf Monaten beschlossen worden waren; die den einzelnen Sachgebieten zugehörigen thematischen Zusammenfassungen wurden entsprechend überarbeitet und die im Bericht enthaltenen Schlussfolgerungen und Empfehlungen unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen und der Bedeutung des VN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen für die EU-Rechtsvorschriften und Strategien zum Thema Behinderung neu verfasst. Link zur „EU-Recht und EU-Politik“-Seite auf der ANED-Website: http://www.disability-europe.net/de/theme/eu-law-and-policy. 14 Unteraufgabe 3.2: Bericht über den Zugang zu Staatsbürgerschaft und politischer Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Europa Aufgabenleiterin und Berichterstatterin: Prof. Lisa Waddington Im Rahmen von Aufgabe 3 führt ANED Studien zu Rechtsrahmen und Rechtsinstrumenten durch. Neben der Übersicht über Rechts- und Politikinstrumente der EU mit Bezug auf das Thema Behinderung untersucht das ANED jedes Jahr ein bestimmtes Thema oder einen Aspekt der EU-Rechtsvorschriften oder -Strategien im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen. 2013 lag das Augenmerk auf dem Zugang zu Staatsbürgerschaft und politischer Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in Europa. Diese Aufgabe führte zu einem Synthesebericht, der sich mit der Staatsbürgerschaft von Menschen mit Behinderungen und der Teilnahme behinderter Menschen am politischen und öffentlichen Leben im Rahmen von Unionsrecht und -politik und Recht und Politik einer Reihe von Mitgliedstaaten und assoziierten Ländern befasste. Die Arbeit soll das Engagement der Kommission unterstützen, um „die Frage des barrierefreien Zugangs zu Wahlen aufzugreifen, damit die Ausübung des Wahlrechts der EU-Bürger/innen erleichtert wird“(Strategie der Europäischen Union in Behindertenfragen 2010-2010). Die Arbeit wurde im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen dem ANED und der EUGrundrechteagentur durchgeführt. Arbeitsablauf Der erste Teil des Berichts stellt den allgemeinen rechtlichen Rahmen der Untersuchung dar. Es werden die entsprechenden Bestimmungen des VN-Übereinkommens untersucht, die der EU und den Mitgliedsstaaten Pflichten auferlegen. Besonderes Augenmerk liegt auf Artikel 18 und 29 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Staatsbürgerschaft und Teilnahme am öffentlichen und politischen Leben. Zweitens werden der Zugang zur EU-Staatsbürgerschaft und die dazugehörigen Rechte untersucht, dazu gehören vor allem die Rechte, die mit politischer Beteiligung verknüpft sind. Schließlich werden der Zugang zu Nationalität/Staatsbürgerschaft in einem Mitgliedsstaat und die damit verbundenen Rechte überprüft, auch hier wieder mit dem Fokus auf Rechten zu politischer Beteiligung. Der zweite Teil des Berichts fasst die Antworten der ANED-Länderberichterstatter zu einem Fragebogen zusammen und kommentiert sie. Die dazugehörigen Länder sind: Österreich, Kroatien, Zypern, die Tschechische Republik, Dänemark, Finnland, 15 Deutschland, Griechenland, Ungarn, Island, Irland, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Mazedonien, die Niederlande, Norwegen, Polen, die Slowakei, Slowenien und Spanien. Es werden sieben Hauptthemen oder -fragen behandelt, dabei befassen sich die nationalen Berichterstatter mit einer oder mehreren Fragen und berichten zu jeder Fragestellung. Diese Themen werden vorgestellt und mit Referenzen zum relevanten internationalen und EU-Recht versehen, ehe eine Zusammenfassung und ein Kommentar zu länderspezifischen Informationen gegeben werden. Der Bericht endet mit einigen abschließenden Schlussfolgerungen und Empfehlungen sowohl für die EU-, als auch die Länderebene. Ergebnisse und Empfehlungen Die meisten in der EU lebenden Menschen erwerben ihre Staatsbürgerschaft auf zwei Ebenen. Auf der einen Seite sind sie Bürger/innen eines oder mehrerer EUMitgliedsstaaten, der ihr Wohnsitzstaat sein kann oder nicht. Auf der anderen Seite sind seit Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union 1993 (Vertrag von Maastricht) alle Bürger/innen von EU-Mitgliedsstaaten auch Bürger/innen der EU. Diese zwei Staatsbürgerschaftsstatus beinhalten unterschiedliche Rechte. Zu den wichtigsten, der Staatsbürgerschaft zugehörigen Rechten gehören auf Länderund EU-Ebene Rechte, die mit politischer Beteiligung verknüpft sind; dazu gehören das Wahlrecht bei Wahlen und das Recht, für ein Amt zu kandidieren. Die Bedeutung von Staatsbürgerschaft und politischer Teilhabe wird vom Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen anerkannt. Angesichts dieses rechtlichen Hintergrunds und basierend auf Informationen, die über die ANED-Länderberichte gewonnen wurden, wurden aus vergleichender Perspektive sieben Hauptthemen analysiert, die mit dem Zugang zu Staatsbürgerschaft und politischer Partizipation der Menschen mit Behinderungen verbunden sind. Der Bericht umfasst somit: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Erwerb der Staatsbürgerschaft / Einbürgerung Nationale Strategien im Behindertenbereich und Aktionspläne Staatsbürgerkunde Wahlrecht aller Menschen mit Behinderungen Stimmrecht von Menschen, die in Einrichtungen leben Recht, für ein öffentliches oder politisches Mandat oder Amt zu kandidieren Pflicht der politischen Parteien, nicht zu diskriminieren Jeder Abschnitt, der sich mit einem dieser Themen befasst, beginnt mit Hintergrundinformationen über die betreffende Gesetzgebung, Politik und Rechtsprechung der Europäischen Union und des Europarats. Jeder Abschnitt ist noch weiter unterteilt und fasst Länder mit ähnlichen Eigenschaften oder Funktionen 16 zusammen und diskutiert ihre Gesetzgebung und Politik. Jeder Abschnitt schließt mit einer Bewertung, welche die wichtigsten Trends und Unterschiede zwischen den untersuchten Ländern ermittelt. Europäische Union Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass es grundsätzlich in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt, die Regeln über den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Staates zu bestimmen und diese Regeln auf Einzelfälle anzuwenden. Es ergibt sich jedoch auch eine EU-Dimension, da Personen, die die Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats erwerben, damit auch die EU-Staatsbürgerschaft erhalten. Nach Abschluss der Behindertenrechtskonvention durch die EU müssen Bestimmungen über den Erwerb oder Verlust der Unionsbürgerschaft in Übereinstimmung mit Artikel 18 des VNÜbereinkommens stehen. Der Bericht legt Beweise vor, dass die Gesetze und Vorschriften eines Mitgliedsstaats im Zusammenhang mit der Einbürgerung Menschen mit Behinderungen anhand einer Vielzahl von Gründen (Wissenstests, Einkommensanforderungen, fehlende Rechtsfähigkeit, Mindestaufenthaltszeiten) (indirekt) diskriminieren können (weitere Informationen finden sich direkt unten unter „Europäische Länder“). Dies scheint ein Gebiet zu sein, das eine weitere Untersuchung und Betrachtung verdient, um das Ausmaß zu ergründen, in dem dies in den Bereich von EU-Recht und relevanten Anforderungen fällt. Die Gesetzgebung der EU 2 regelt das aktive und passive Wahlrecht für eine begrenzte Gruppe von EU-Bürger/innen, nämlich jene EU-Bürger/innen, die in einem Mitgliedsstaat leben, der nicht der Staat ist, dessen Staatsbürgerschaft sie besitzen. Die einschlägigen Rechtsvorschriften erlauben es Mitgliedsstaaten, das aktive und passive Wahlrecht für jene EU-Bürger/innen einzuschränken, so lange dies auf der gleichen Basis wie für Staatsangehörige geschieht. Bis heute bestehen in einigen Mitgliedsstaaten wie der Tschechischen Republik solche Einschränkungen. Gegen Slowenien, Dänemark und Deutschland wurde wegen fehlender Rechtsfähigkeit bisher noch keine Beschwerde vor dem Gerichtshof vorgebracht, oder aufgrund der Tatsache, dass sie EU-Gesetze brechen. Doch in Anbetracht der Verabschiedung der Behindertenrechtskonvention durch die EU und vor allem des darin enthaltenen Artikels 29 scheint es notwendig, die einschlägigen EU-Richtlinien zu überarbeiten, um alle Beschränkungen des aktiven oder passiven Wahlrechts basierend auf fehlender Rechtsfähigkeit oder jede anderen auf Behinderung bezogenen Kriterien zu verbieten, soweit diese in die Zuständigkeit der EU fallen. Aus diesem Grund wird darauf hingewiesen, dass die fraglichen Richtlinien nur das Wahlrecht von EU-Bürgern/innen 2 Richtlinie 93/109/EG des Rates legt die Bestimmungen für die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger/innen mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat fest, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, [1993] ABl. L 329/34, und Richtlinie 94/80/EG des Rates legt solche Bestimmungen in Bezug auf aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen fest, [1994] ABl. L 368/38. 17 betreffen, die in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem eigenen leben, bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und bei Kommunalwahlen. Der Bericht fand außerdem heraus, dass eine Reihe von Mitgliedsstaaten, z.B. Österreich und die Niederlande, keinerlei Einschränkungen beim Wahlrecht verhängen, die sich auf Behinderung beziehen. Dabei gilt es zu erwähnen, dass Artikel 3 von Protokoll 1 zur EMRK auch relevant für das Wahlrecht von EU-Bürgern/innen sein mag, besonders angesichts des erwarteten Beitritts der EU zur EMRK. In der Rechtssache Alajos Kiss gegen Ungarn3 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass Artikel 3 von Protokoll 1 zur EMRK keine absolute und automatische Beschränkung des Stimmrechts für Personen darstellt, die unter partieller Vormundschaft stehen, unabhängig von den tatsächlichen Fähigkeiten einer Person. Im früheren Fall von Rechtssache C-300/04 Eman und Sevinger gegen College van burgemeester en wethouders van Den Haag 4 befand der Europäische Gerichtshof, dass Artikel 3 von Protokoll 1 nicht die Aufenthaltskriterien ausschloss, die von den niederländischen Behörden für die Bestimmung angewandt wurden, wer das aktive und passive Wahlrecht für die Wahl zum Europäischen Parlament besaß 5. Die Folge des Eman-Urteils könnte sein, dass eine Entrechtung, die durch Artikel 3 des Protokolls Nr. 1 der EMRK ausgeschlossen wurde, auch nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Im Hinblick auf die Nichtdiskriminierung von politischen Parteien auf europäischer Ebene ist Verordnung 2004/2003/EG,6 in der Fassung von 2007,7 möglicherweise relevant. Die Verordnung sieht die Finanzierung von politischen Parteien und politischen Stiftungen aus dem allgemeinen Haushalt der EU vor, die auf europäischer Ebene aktiv sind. Um solch eine Finanzierung zu erhalten, müssen Parteien in ihrem politischen Programm und ihren Aktivitäten unter anderem die Gründungsprinzipien der Union beachten, einschließlich der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Die Verordnung bezieht sich nicht auf das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und erlegt politischen Parteien auch keine ausdrücklichen Verpflichtungen auf, die sich auf das VN-Übereinkommen beziehen lassen. Es wird empfohlen, bei der nächsten Änderung dieser Verordnung eine Bestimmung mit aufzunehmen, welche die Begünstigten ausdrücklich dazu verpflichtet, die in der Behindertenrechtskonvention verankerten Prinzipien zu respektieren und (positive) Maßnahmen zu ergreifen, um die Diskriminierung von behinderten Menschen zu beseitigen. 3 Alajos Kiss gegen Ungarn Nr. 38832/06, Urteil vom 20. Mai 2010. Urteile vom 12. September 2006, Eman und Sevinger gegen College van burgemeester en wethouders van Den Haag (C-300/04, Slg. 2006, I-8055). 5 Siehe Absatz 54 des Urteils. 6 [2003] ABl. L297/1. 7 [2007] ABl. L343/5. 4 18 Europäische Länder In den Ländern Europas ließ sich in Bezug auf die sieben angesprochenen Themen eine große Bandbreite an Praktiken und Ansätzen ermitteln. Trotz der Vielfalt wurden einige wichtige Trends und Problembereiche identifiziert. Im Bericht wurde eine kleine Anzahl von Fällen ermittelt, bei denen nationales Recht und Politik im Hinblick auf die Einhaltung des VN-Übereinkommens überarbeitet wurden. Dazu gehören die Überarbeitung des dänischen Einbürgerungsrechts, das für bestimmte Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit erweitert hat, Ausnahmen bei wissensbasierten Voraussetzungen für eine Einbürgerung zu erhalten, und die Änderungen an der kroatischen Wahlgesetzgebung, um allen Menschen mit Behinderungen das gleiche Stimmrecht einzuräumen. Sie stellen eine Verbesserung gegenüber der vorherigen Situation dar, machen die neuen Bestimmungen jedoch nicht unbedingt konform zum Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Doch angesichts der Vielzahl von potenziellen Verstößen gegen die Behindertenrechtskonvention in vielen Bereichen, die in diesem Bericht betrachtet wurden (Einbürgerungsabläufe, aktives und passives Wahlrecht), ist es besorgniserregend, dass es nicht mehr Hinweise auf Reformen oder laufende Reformen im Hinblick auf das VN-Übereinkommen gibt. Während zum Beispiel in Bezug auf Einbürgerungsverfahren eine Vielzahl von Staaten für bestimmte Menschen mit Behinderungen in Bezug auf die Sprache und andere wissensbasierte Voraussetzungen für eine Einbürgerung Ausnahmen oder Freistellungen zu gewähren scheinen, boten nur wenige eine angepasste oder zugängliche Ausbildung und Prüfung für behinderte Menschen an, die imstande sind, die erforderlichen Kenntnisse oder eine entsprechend angepasste Form davon zu erreichen und nachzuweisen, falls man diese in geeigneter Weise lehren oder prüfen würde. Es ist auch zu betonen, dass ANED-Länderberichterstatter nicht verdeutlichten, wie die Freistellungen in der Praxis angewandt wurden und ob alle behinderten Menschen, die solche Ausnahmen oder Freistellungen benötigten, auch Menschen mit unsichtbaren Behinderungen, in der Lage waren, davon zu profitieren. Darüber hinaus wurden mehrere andere Standard-Anforderungen für die Einbürgerung ermittelt, die möglicherweise Menschen mit Behinderungen indirekt diskriminieren. Dazu zählen einkommensabhängige Anforderungen, die behinderte Bewerber für eine Einbürgerung aus zwei Gründen potenziell benachteiligen könnten. Zum einen könnten manche Menschen mit Behinderungen aus Gründen, die sowohl mit einem fehlenden Zugang zu bezahlter Beschäftigung als auch einem geringen Maß an behinderungsbezogenen Leistungen zu tun haben, nicht imstande sein, ein ausreichend hohes Einkommen nachzuweisen, um die gesetzten Bedingungen zu erfüllen. Zum anderen scheint bei den meisten Status die Forderung zu bestehen, dass das Einkommen sicher und zuverlässig ist. Es ist fraglich, ob die soziale Sicherheit oder 19 Sozialhilfe diese Kriterien immer erfüllen würde. Auffällig ist, dass sowohl Österreich, als auch Deutschland bei der Einbürgerung von Menschen mit Behinderungen Ausnahmen für einkommensabhängige Anforderungen gewähren. Außerdem könnte die Anforderung, auf jede frühere Staatsangehörigkeit zu verzichten, um eingebürgert zu werden, einige Menschen mit Behinderung benachteiligen. Dies gilt für Menschen, denen die Rechtsfähigkeit verweigert wurde oder die eine geistige Behinderung haben und die als außerstande angesehen werden, die Anforderung zu erfüllen, d.h. es gibt keine rechtliche Möglichkeit für sie, auf eine aktuell bestehende Staatsangehörigkeit zu verzichten. Weder die Autorin des Berichts noch die ANED-Länderberichterstatter konnten ein Forschungsvorhaben über die Auswirkungen dieser Anforderungen auf Menschen mit Behinderungen ermitteln und es wird angesichts der Verpflichtungen unter Artikel 18 des VN-Übereinkommens dringend empfohlen, solch eine Studie als Priorität durchzuführen. In Bezug auf die politische Beteiligung (aktives und passives Wahlrecht) ist es bemerkenswert, dass in vielen Staaten trotz der weit verbreiteten Ratifizierung der Behindertenrechtskonvention und der Verpflichtungen aus Artikel 29 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen die Geschäftsunfähigkeit oder vergleichbare Gründe eine bedeutende Barriere bei der Partizipation darstellten. Allerdings gab es auch klare Beweise, dass nicht alle Staaten solche Vorgehensweisen verfolgten, und eine Reihe von ihnen machte aus Gründen der Rechtsunfähigkeit oder anderen behinderungsbezogenen Kriterien keinerlei Einschränkungen bei der politischen Partizipation in Bezug auf das aktive oder passive Wahlrecht. Die ANED-Länderberichterstatter ermittelten relativ wenige Beispiele, bei denen es behinderungsbezogene Unterstützung für behinderte Kandidaten oder gewählte Amtsinhaber gab. Außerdem könnten solche Personen außerhalb des Rahmens des nationalen und EU-Rechts zur Nichtdiskriminierung von Behinderten liegen. Dies spiegelt eine Lücke im Antidiskriminierungsrecht auf Länder- und EU-Ebene, mit der man sich unter Berücksichtigung des VN-Übereinkommens beschäftigen muss. Zudem ist nicht immer klar, inwieweit alle Aktivitäten der politischen Parteien von einem allgemeinen Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung in Bezug auf Dienstleistungen abgedeckt werden. Dies gilt besonders dann, wenn das Gesetz nicht auf politische Parteien verweist. Arbeitsergebnisse: Bericht: Zugang zu Staatsbürgerschaft und politischer Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in Europa, verfasst von Lisa Waddington 20 34 Länderberichte basierend auf einem Fragebogen über den Zugang zu Staatsbürgerschaft und politischer Beteiligung von Menschen mit Behinderungen, verfasst von ANED-Länderberichterstattern. Link zur „EU-Recht und EU-Politik“-Seite auf der ANED-Website: http://www.disability-europe.net/de/theme/eu-law-and-policy. 21 Aufgabe 4: Barrierefreiheit Aufgabenleiterin und Berichterstatterin: Anna Lawson Diese Aufgabe konzentrierte sich auf den barrierefreien Zugang zu Wahlen und war darauf ausgelegt, die Kommission bei ihrem Engagement (im Aktionsplan, der die europäische Strategie zugunsten von behinderten Menschen 2010-2020 begleitete) zu unterstützen, „die Frage des barrierefreien Zugangs zu Wahlen aufzugreifen, damit die Ausübung des Wahlrechts der EU-Bürger/innen erleichtert wird“. Wie Aufgabe 3 wurde sie im Kontext einer Kooperation zwischen dem ANED und der EU-Grundrechteagentur (FRA) durchgeführt, die sich darauf konzentrierte, Menschenrechtsindikatoren zu entwickeln und zu populieren, die sich auf behinderte Menschen und politische Teilhabe in Europa beziehen. Arbeitsablauf Diese Aufgabe basierte auf der Zusammenstellung von Berichten aller ANEDLandesexperten zu unterschiedlichen Fragen, die mit dem barrierefreien Zugang zu Wahlen zu tun haben. Die Aufgabenleiterin erarbeitete nach Rücksprache mit Kommissionsbediensteten und dem ANED-Kernteam eine Vorlage zur Strukturierung dieser Berichte. Die ANED-Länderexperten erhielten diese Vorlage sowie eine Anleitung mit einer Erläuterung des Aufgabenschwerpunkts. Themenbezogene Quellen, deren Nutzung nationalen Wissenschaftlern nahegelegt wurde, umfassten wissenschaftliche Literatur, Regierungsdokumente, Berichte von Gleichstellungsstellen und Bürgerbeauftragten und Materialien, die von Behindertenund Seniorenorganisationen erstellt wurden. Die ANED-Experten wurden nicht gebeten, Primärdaten zu erheben. Ergebnisse und Empfehlungen Daten aus den nationalen Berichten wurden eingesetzt, um neun Indikatoren für den barrierefreien Zugang zu Wahlen zu populieren. Das waren: 1. Es bestehen gesetzliche Anforderungen für den barrierefreien Zugang zu Wahllokalen. 2. Detaillierte Leitlinien und Standards für den barrierefreien Zugang zu Wahllokalen werden zur Verfügung gestellt. 3. Wahlbehörden und Wahlhelfer wurden in Bezug auf Barrierefreiheit geschult. 4. Wahllokale, Wahlkabinen und Stimmzettel stehen zur Verfügung. 5. Behinderte Menschen können beim Wählen im Wahllokal Hilfe in Anspruch nehmen. 22 6. Alternativen zur Stimmabgabe in Wahllokalen stehen behinderten Menschen zur Verfügung. 7. Die Aktivitäten und Kommunikationen politischer Parteien sind zugänglich. 8. Es ist bewiesen, dass Übertragungen von Wahlkommunikation und Debatten zugänglich gemacht werden. 9. Die Ausübung des politischen Amts ist für gewählte Vertreter zugänglich. Für jeden dieser Indikatoren wurden Daten aus den Länderberichten in drei Abschnitten aufgegliedert. Dabei wurde die gleiche Struktur angewandt wie bei der FRA, um Daten zu analysieren, die sich auf andere Aspekte der Beteiligung behinderter Menschen am öffentlichen und politischen Leben bezogen. Sie bestanden aus einer Einführung, die den normativen Zusammenhang des entsprechenden Indikators lieferte und seine Bedeutung unter Berücksichtigung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und des EU-Rechts erläuterte, wobei Referenzen auf alle wichtigen Initiativen oder Instrumente des Europarats mit aufgenommen wurden, einer kurzen Analyse über die Leistung der verschiedenen Länder gemessen am fraglichen Indikator und schließlich einem abschließenden Abschnitt mit allen nennenswerten Beispielen guter Praxis, die sich aus den Länderberichten ergaben. Eine auffallende Feststellung, die mehrere Indikatoren betrifft, war das Fehlen jeglicher Art von statistischen Daten, die entweder Vergleiche mit der Situation in anderen Ländern oder innerhalb eines Landes im Laufe der Zeit finden konnte. So gab es selbst für die Indikatoren 4 und 9 oben (die eigentlich offensichtliche Kandidaten für statistische Daten wären) anhand der empirischen Erfassung von erreichten Standards zur Barrierefreiheit nur unzureichende Daten zu Gruppenländern. Stattdessen wurden Zuordnungen auf der Grundlage vorgenommen, ob Daten im Hinblick auf die betreffende Art des barrierefreien Zugangs existierten. Es ist hilfreich, diese Erkenntnis im Lichte der bisherigen Arbeit des ANED zu berücksichtigen, das die Bedeutung der Entwicklung von Indikatoren betonte, welche die Zugänglichkeit messen. Die aktuelle Forschung zeigt, dass dringender Bedarf dafür besteht, Überwachungssysteme zu entwickeln, die statistische Daten liefern, um solche Indikatoren zu populieren und dass es notwendig ist, sich – basierend auf dem Ausmaß, in dem solch eine Überwachung stattfindet – auf Indikatoren zu stützen, bis diese Systeme etabliert wurden und entsprechende Informationen liefern. Trotz des allgemeinen Mangels an relevanten statistischen Daten wurden in einigen Staaten eindrucksvolle Anstrengungen unternommen. In Polen gibt es z.B. nicht nur eine umfassende statistische Studie der Wahlkommission zum barrierefreien Zugang zu Wahllokalen, sondern es bestehen auch Berichte und Studien anderer öffentlicher Stellen, welche die Robustheit dieser Statistiken untersuchen. Eine der Herausforderungen bei der Erhebung statistischer Daten in Bezug auf die Zugänglichkeit in diesem Bereich ist der Mangel an klaren Leitlinien oder Standards, die 23 die Bedeutung der Barrierefreiheit für diese Zwecke darstellt. Derartige Leitlinien sind in verschiedenen Ländern langsam im Entstehen, werden aber in der Regel nur auf länderspezifischer Basis entwickelt. Wenn diese also eingesetzt werden, um Ebenen der Barrierefreiheit zu messen, mögen sie hilfreich sein, um Fortschritte in bestimmten Ländern zu beurteilen, bleiben jedoch wahrscheinlich als Grundlage für einen länderübergreifenden Vergleich begrenzt. Das Ausmaß, in dem Wahlbehörden und Rundfunkanstalten verbindliche rechtliche Verpflichtungen auferlegt wurden, barrierefreien Zugang zu gewährleisten, variierte erheblich. Auch wenn es solche Verpflichtungen gab, bestanden Unterschiede in ihrer Spezifität und Reichweite. In einigen Ländern war die Verpflichtung selbst offensichtlich sehr allgemein gehalten, wurde allerdings durch begleitende Interpretationen oder Details untermauert, die sie mit hilfreichem Inhalt versahen. In anderen hingegen schien es solche begleitenden Details nicht zu geben. Was die Reichweite betrifft, schien sich das Augenmerk besonders auf Menschen mit physischen und visuellen Beeinträchtigungen zu richten. Verpflichtungen zur Barrierefreiheit, die sich auch an Menschen mit Hörbehinderungen, geistigen Behinderungen und psychosozialen Behinderungen richteten, waren seltener. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass das Fehlen von barrierefreiem Zugang zu den Hauptwahlmöglichkeiten in vielen Ländern zu einem gewissen Grad durch Regelungen umgangen wird, die es behinderten Menschen erlauben, mithilfe von außergewöhnlichen oder nicht üblichen Methoden zu wählen. Während solche außergewöhnlichen Ansätze vielleicht dazu dienen können, behinderten und anderen Wählern zusätzliche Entscheidungsmöglichkeit und Flexibilität zu bieten, erfüllen sie nicht die Anforderungen von Artikel 9 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, Mainstream-Wahlsysteme zu schaffen, die behinderten Menschen durch die Erkennung und Beseitigung jeglicher Zugangsbarrieren vollauf zugänglich sind – sei es in Architektur, Infrastruktur, Information, Kommunikation oder IKT. Erfreulicherweise scheint man in einer Reihe von Ländern erhebliche Anstrengungen zu unternehmen (z.B. in Estland und dem Vereinigten Königreich), um Alternativen zur Stimmabgabe in Wahllokalen zu entwickeln, die behinderte Menschen berücksichtigen und ihnen zugänglich sind. Schließlich war es offensichtlich, dass Zugangsbarrieren, die die Teilnahme von Menschen mit Behinderungen an Kommunal- oder landesweiten Wahlen erschweren, auch ihre Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament erschweren. Für die Wahlen auf EU-Ebene wurden keine signifikanten Unterschiede in Ansatz oder Zugänglichkeitsmechanismen berichtet. Arbeitsergebnisse: Synthesebericht – „Barrierefreier Zugang zu Wahlen in Europa“ von Anna Lawson 24 Länderberichte zur Beteiligung behinderter Menschen am öffentlichen und politischen Leben (deckt auch Aufgabe 3 ab) ANED-Website: http://www.disability-europe.net/de/theme/accessibility 25 Aufgabe 5: Nationale Strategien und sozialpolitische Maßnahmen Aufgabenleiter: Prof. Mark Priestley Nach dem Muster der vergangenen Jahre lag der Schwerpunkt der ANED-Tätigkeit im Jahr 2013 erneut darauf, einen evidenzbasierten politischen Beitrag zum EU-2020Strategieprozess8 des Europäischen Semesters zu leisten. Diese Arbeit richtet sich insbesondere auf gemeinsame Anliegen zu Beschäftigung, Bildung und Armut und die Einbeziehung der Behindertenthematik als Vorbereitung für Beiträge der Kommission zu Arbeitsdokumenten und länderspezifischen Empfehlungen auf Grundlage der nationalen Reformprogramme. Arbeitsablauf Anders als in den Vorjahren umfasste das Arbeitsprogramm die Vorbereitung von Beiträgen zu zwei Zyklen des Jahreswachstumsberichts, für 2013 zu Beginn des Jahres und für 2014 am Ende des Jahres. Diese Planung spiegelt eine Bewertung vorheriger Beiträge und die Notwendigkeit, zu einem früheren Zeitpunkt im Semesterprozess Einfluss zu nehmen, um dessen Wirkung zu maximieren. Zu diesem Zweck wurden jedem Mitgliedstaat im Januar 2013 erste Informationen und Argumente zur Verfügung gestellt, mit besonderem Bezug auf eine Umfrage zu Behinderungsfragen im vorhergehenden Zyklus der Kommissions-Arbeitsdokumente und den länderspezifischen Empfehlungen. Spezielle Themen wurden hervorgehoben, überprüft und in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der Kommission überarbeitet. Dieser Ablauf wurde dann im Dezember 2013 wiederholt, um die Vorbereitungen für die 2014Umfrage in einem früheren Stadium vorwegzunehmen und ersetzte damit die zuvor geplante ergänzende Berichterstattung über ausgewählte Themen der sozialen Integration. Es wird erwartet, dass der Zeitplan für den Beitrag zum Zyklus von 2015 wieder gegen Ende des Jahres 2014 stattfindet. Ergebnisse und Empfehlungen Die Themen und Schlussfolgerungen in 2013 deckten sich weitgehend mit denen des Vorjahres, mit bleibender Besorgnis über die bestehenden Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf öffentliche Ausgaben, Behindertendienste und die Unterstützung der Gemeinschaft in vielen Ländern. Der Jahreswachstumsbericht von 2013 konzentrierte sich auf Maßnahmen, um Wachstum und Arbeitsmarktbeteiligung zu verbessern. Bei diesen Prioritäten war eine der wichtigsten „Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die sozialen Folgen der Krise“, dazu gehören: 8 http://ec.europa.eu/europe2020/index_en.htm 26 Unternehmensgründung und Selbständigkeit fördern, Mobilität der Arbeitskräfte verbessern, Initiativen stärken, die Arbeitserfahrung und Ausbildung kombinieren, Arbeitsbesteuerung und Abschreckung von Arbeitsplatzschaffung vermindern, Abdeckung und Effizienz der aktiven Arbeitsmarktpolitik stärken, Sozialschutzsysteme zum Schutz der am stärksten gefährdeten Menschen verbessern. Die Bedenken über Beschäftigung, Bildung/Ausbildung und die Verringerung der Armut sind eng mit Schlüsselzielen der EU-2020-Strategie verknüpft. Der Jahreswachstumsbericht hat gezeigt, dass die Fortschritte der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Ziele enttäuschend waren und dass die nationalen Pläne ambitionierter sein müssen. Die Berichte verdeutlichten, dass Behinderung ein wichtiger Faktor innerhalb dieser Engstellen bleibt, zum Beispiel was die Jugendarbeitslosigkeit und ausbildung oder Leistungen und Rentenreformen betrifft, aber auch den barrierefreien Zugang bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie Wohnen und Verkehr. Für behinderte Menschen bleiben in jedem Mitgliedstaat bei wirtschaftlicher Partizipation, Bildungsniveau und dem Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung weiter Lücken in der Gleichbehandlung. Doch wo wirksame Sozialschutzmaßnahmen vorhanden sind, war der Grad an zusätzlichen wirtschaftlichen Auswirkungen auf behinderte Menschen nicht immer so hart wie bei der allgemeinen Bevölkerung. In anderen Ländern, vor allem in liberaleren Marktwirtschaften, gab es eine sehr reale Besorgnis über die dramatischen Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf Einkommenssicherung und Sicherheit von Menschen mit Behinderungen. Behindertenorganisationen hatten z.B. Bedenken über die Auswirkungen der Sozialreformen im Vereinigten Königreich, den Niederlanden oder Portugal oder über Einschnitte bei Leistungen und Vergütungen in Griechenland, Zypern und Irland zum Ausdruck gebracht. Bei der Entwicklung von Themen, die 2012 ermittelt wurden, war das Augenmerk weiterhin auf die Entwicklung eines langfristigen Arbeitskräfteangebots durch nationale Reformen gerichtet, die auf Invaliditätsrenten und subventionierte Systeme abzielen und Kosteneffizienz erzeugen. In der Praxis konzentrieren sich solche Reformen weiterhin auf engere Zulassungskriterien für Arbeitslosenleistungen sowie strengere Arbeitsfähigkeitsbewertungen und Programme für „Krankheits“management. Davon sind eine große Zahl behinderter Menschen betroffen, vor allem an den Rändern der Arbeitsmarktintegration. Obgleich der Angebotsseite Aufmerksamkeit geschenkt wurde und dadurch die Zahl von arbeitsfähigen behinderten Menschen stieg, von denen erwartet wird, dass sie arbeiten, bestehen Befürchtungen, dass dies nicht mit sozialen Investitionen verknüpft wurde, um denjenigen Arbeitsmöglichkeiten und -fertigkeiten zu bieten, die derzeit keine Möglichkeit haben, Invaliditätsrente in Anspruch zu nehmen. Die geringe Arbeitsmarktbeteiligung von Menschen mit Behinderungen wird weiterhin 27 durch wesentliche Gleichbehandlungslücken bei der Bildungsentwicklung in der Hochschulbildung verschärft und in den kommenden europäischen Diskussionen über „Jugendgarantien“ müssen junge Menschen mit Behinderungen eine besondere Berücksichtigung erfahren. Als Folge der Umfrage 2013 wurden in Zusammenhang mit Behinderung in Estland, Slowenien und den Niederlanden länderspezifische Empfehlungen ausgesprochen. Arbeitsergebnisse: ANED-Länderkurzberichte, die Beiträge von Vertretern der Europäischen Kommission zu den Jahreswachstumsberichten 2013 und 2014 für den internen Einsatz im politischen Prozess unterstützen. 28 Aufgabe 6: Vergleichsdaten und Vergleichsindikatoren Aufgabenleiter und Berichterstatter: Stefanos Grammenos Das Hauptziel war die Erarbeitung quantitativer Indikatoren zur Überwachung der Situation von Menschen mit Behinderungen. Damit soll die Durchführung der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen unterstützt werden, insbesondere im Bereich „Statistiken und Datensammlung sowie Überwachung“. Die Europäische Strategie knüpft vor allem an das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Artikel 31 zu Statistik und Datensammlung) an. Die erste Reihe an Indikatoren hilft, die Ziele von EU 2020 zu überwachen. Die Ausarbeitung der Indikatoren in den Bereichen Beschäftigung, Bildung und Armut bietet eine Reihe von Werkzeugen zur Beurteilung der gegenwärtigen Politik. Die zweite Reihe von Indikatoren zielt darauf ab, zum Europäischen Jahr der Bürgerinnen und Bürger beizutragen. Der Themenschwerpunkt des ANED in 2013 befasste sich mit der Staatsbürgerschaft für behinderte Menschen und ihre Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben. Artikel 29 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet die Vertragsstaaten, die Rechte von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen und die europäische Strategie für behinderte Menschen 2010-2020 enthält auch eine Zusage, „die Frage des barrierefreien Zugangs zu Wahlen aufgegriffen, damit die Ausübung des Wahlrechts der EU-Bürger/innen erleichtert wird“. Arbeitsablauf In Bezug auf „Europa 2020 und Menschen mit Behinderungen“ wurde anhand der Untersuchungs-Mikrodaten der EU-SILC 2011 eine Datenanalyse durchgeführt. Die Stichprobe dieser in den 28 EU-Mitgliedstaaten durchgeführten Erhebung umfasste alle in Privathaushalten lebenden Personen ab 16 Jahren. In Bezug auf „Menschen mit Behinderungen und Staatsbürgerschaft“ wertete die Analyse die Mikrodaten von fünf europäischen Untersuchungen aus: 1. Europäische Erhebung zur Lebensqualität (EQLS), 2. Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) – Ad-hoc-Modul 2006, 3. Europäische Sozialstudie (ESS), 4. Erhebung zu Gesundheit, Altern und Ruhestand in Europa (SHARE), und 5. Eurobarometer „Barrierefreiheit“. Die Arbeit beinhaltete die Erarbeitung quantitativer Indikatoren, eine Besprechung mit Grafiken und Tabellen und eine ökonometrische Analyse. 29 Ergebnisse und Empfehlungen I. EUROPÄISCHE VERGLEICHSDATEN ÜBER EUROPA 2020 & MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN „Europa 2020“ ist eine neue Strategie für die EU, die unter anderem darauf abzielt, ein hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Ein wesentlicher Bestandteil der Strategie „Europa 2020“ ist die Überwachung der Fortschritte mit Hilfe von Statistiken. Die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen bezieht sich in ihrem Artikel 31 auch auf Statistik und Datensammlung. Im Folgenden stellen wir die relevanten Indikatoren auf Basis der Erhebung EU-SILC 2011 vor (Version 2 vom August 2013). Die Daten decken 28 EU-Länder ab, außer Irland. TEIL I: BEVÖLKERUNG DER MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN Im Jahr 2011 gaben 26% der Personen ab 16 Jahren eine Beeinträchtigung der Aktivität an. Im Vergleich zu 2010 gab es eine Erhöhung von etwa einem Prozentpunkt. Doch die EU-SILC-Definition berücksichtigt keine „Wechselwirkungen mit Barrieren“. Die Prävalenzrate reicht von 12% (Malta) bis 36% (Slowenien). Etwa 28% der Frauen ab 16 Jahren erklären eine Einschränkung der Aktivität, im Vergleich zu 23% der Männer der gleichen Altersgruppe. Etwa 8% der Personen ab 16 Jahren erklären eine schwere Behinderung (stark begrenzt) und etwa 18% erklären eine mäßige Behinderung. TEIL II: EUROPA 2020 UND DAMIT VERBUNDENE INDIKATOREN II.1 BESCHÄFTIGUNGSQUOTE Das Ziel von „Europa 2020“ erfordert, dass 75% der Bevölkerung zwischen 20 und 64 Jahren beschäftigt sein sollten. Auf der EU-Ebene sind etwa 47% der Menschen mit Behinderungen beschäftigt, verglichen mit 72% der Menschen ohne Behinderungen. Der EU-Durchschnitt beträgt 67%. Die Beschäftigungslücke liegt bei etwa 25 Prozentpunkten (26 Prozentpunkte in 2010). Wir können festhalten, dass in Ländern mit ähnlich hohen Beschäftigungsquoten bei Menschen ohne Behinderungen erhebliche Unterschiede bei den Beschäftigungsquoten von Menschen mit Behinderungen bestehen. Das bedeutet, dass die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderungen durchaus erhöht werden könnte. Bei Menschen mit Behinderungen beträgt die Beschäftigungsquote der Frauen 44% und die der Männer 51%. Wir beobachten einen geschlechterspezifischen Unterschied von 7 30 Prozentpunkten. Die Beschäftigungsquote von Frauen ohne Behinderung beträgt 65%. Bei den Frauen liegt der behinderungsspezifische Unterschied bei 21 Prozentpunkten. Der Grad der Behinderung verringert die Beschäftigungsquote. Auf EU-Ebene liegt die Beschäftigungsquote schwerbehinderter Menschen bei 28%. Die Beschäftigungsquote von Menschen mit einer mäßigen Behinderung korreliert mit der Beschäftigungsquote von Personen ohne Behinderung. Im Gegenteil dazu hängt die Beschäftigungsquote von Menschen mit einer schweren Behinderung nur lose mit der Beschäftigungsquote von Menschen ohne Behinderung zusammen. Maßnahmen, die sich auf die allgemeine Bevölkerung auswirken sollen, haben vielleicht keine wesentlichen Auswirkungen auf Menschen mit einer schweren Behinderung. Auf EU-Ebene arbeiten 13% der Menschen mit Behinderungen in Teilzeit und 34% arbeiten Vollzeit. Außerdem nimmt die Bedeutung der Teilzeitarbeit mit der Schwere der Behinderung zu. Teilzeit scheint den Bedarf einer bestimmten Anzahl von Menschen mit Behinderungen zu erfüllen. Eine Politik, die flexible Arbeitszeiten mit garantierten Sozialleistungen kombiniert, könnte Teilzeitjobs für schwer behinderte Menschen zugänglich und attraktiv machen. Die jüngste Finanzkrise hat auf EU-Ebene die Beschäftigungssituation von Menschen mit Behinderungen nicht verschlechtert. Doch es gab eine bedeutende Verschlechterung in bestimmten Ländern, allen voran Griechenland und Spanien. II.2 ARBEITSLOSENQUOTE Die EU-Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung im Alter von 20-64 Jahren beträgt 17%, verglichen mit 10% der Menschen ohne Behinderungen. Der EUDurchschnitt beträgt 11%. Sie reicht von 7% (Niederlande) bis 49% (Kroatien). Auf EU-Ebene liegt die Arbeitslosenquote von Frauen mit Behinderungen bei 17%, verglichen mit 18% der Männer mit Behinderungen. Doch eine entmutigende Wirkung könnte Frauen veranlassen, den Arbeitsmarkt zu verlassen. Hier ist festzuhalten, dass der Unterschied zwischen der Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung und der allgemeinen Arbeitslosenquote mit dem Alter steigt. Der Grad der Behinderung erhöht den Arbeitslosenanteil. Menschen mit einer schweren Behinderung erleben eine Arbeitslosenquote von 28%, Menschen mit mäßiger Behinderung 15% und Menschen ohne Behinderungen 10%. Die Veränderung zwischen 2010 und 2011 ist geringfügig. II.3 ERWERBSQUOTE 31 Auf EU-Ebene sind 57% der Menschen mit Behinderungen im Alter von 20-64 Jahren auf dem Arbeitsmarkt (beschäftigt oder arbeitslos), verglichen mit 80% der Menschen ohne Behinderungen. Der EU-Durchschnitt beträgt 76%. In allen Mitgliedsstaaten besteht ein deutlicher Unterschied zwischen der Erwerbsquote von Menschen mit und ohne Behinderungen. Die Erwerbsquote von Frauen mit Behinderung beträgt 52%. Der Invaliditätsgrad vermindert die Erwerbsquote bedeutend. Die sechs Länder mit der geringsten Kluft in der Beschäftigung (Deutschland, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Italien und Frankreich) besitzen gut entwickelte Quotenregelungen für Menschen mit Behinderung. Die Erwerbsquoten von Menschen mit mäßiger Behinderung und Menschen ohne Behinderungen stehen in Beziehung zueinander. Im Gegensatz dazu besteht keine Wechselbeziehung zwischen den Erwerbsquoten von Menschen mit einer schweren Behinderung und Menschen ohne Behinderungen. Hier lässt sich die Wirksamkeit einer generellen Berücksichtigung von Menschen mit schwerer Behinderung in Frage stellen. Wenn sie nicht einige allgemeine Merkmale mit Menschen ohne Behinderungen teilen, so sollten wir spezielle Maßnahmen für diese Gruppe ausarbeiten. Auf EU-Ebene verzeichnen wir zwischen 2010 und 2011 eine sehr geringe Erhöhung bei der Erwerbsquote der Menschen mit Behinderungen. II.4 FRÜHZEITIGE SCHUL- UND AUSBILDUNGSABGÄNGER Laut den Zielen für „Europa 2020“ sollte der Anteil an frühzeitigen Schulabgängern unter 10% liegen. Dieser Indikator umfasst die Bevölkerung zwischen 18 und 24 Jahren mit höchstens Sekundarstufe I und keiner weiteren Schul- oder Ausbildung. Auf EU-Ebene sind 19% der jungen Behinderten frühzeitige Schulabgänger, verglichen mit 11% der jungen Menschen ohne Behinderungen. Der EU-Durchschnitt beträgt 12%. Die hohen Quoten frühzeitiger Schulabgänger unter jungen Behinderten könnten auf Probleme mit Barrierefreiheit und dem Fehlen angepasster Programme zurückzuführen sein. Allgemein zeigen junge Frauen bessere Leistungen (niedrigerer Anteil an frühzeitigen Schulabgängern) verglichen mit Jungen. Auf EU-Ebene sind 16% der Mädchen mit Behinderungen frühzeitige Schulabgänger, verglichen mit 22% der behinderten Jungen. Die Rate frühzeitiger Schulabgänger unter Jugendlichen mit schwerer Einschränkung liegt bei 39%. Bei Menschen mit mäßiger Behinderung beträgt die gleiche Quote 14%. Der Anteil frühzeitiger Schulabgänger unter Menschen mit Behinderungen zwischen 18 und 24 Jahren nimmt stetig ab. Auf EU-Ebene lag der Prozentsatz der jungen Behinderten von 18-24 Jahren, die frühzeitige Schulabgänger waren, 2011 bei 19%, 32 verglichen mit 22% in 2010. Bei jungen Menschen mit mäßiger Behinderung war eine Abnahme des Anteils frühzeitiger Schulabgänger zu beobachten. Die Veränderungen bei den zwei Gruppen (mit und ohne Behinderungen) zwischen 2010 und 2011 sind nicht korreliert. Die allgemeine Bildungspolitik, die alle jungen Schüler abdeckt, hat wohl wenig Einfluss auf junge Menschen mit Behinderungen, die mit architektonischen Hürden konfrontiert sind. Eine allgemeine Politik muss die notwendigen Anpassungen einschließen, welche die Anforderungen junger Schüler mit besonderen Bildungsbedürfnissen erfüllen. II.5 MENSCHEN MIT HOCHSCHUL- ODER VERGLEICHBARER AUSBILDUNG „Europa 2020“ sieht vor, dass der Anteil der 30-34-Jährigen, die eine Hochschul- oder vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben, bis 2020 bei mindestens 40% liegen sollte. Auf EU-Ebene haben 27% der Menschen mit Behinderungen eine Hochschul- oder vergleichbare Ausbildung abgeschlossen, verglichen mit 37% der Menschen ohne Behinderungen. Der EU-Durchschnitt beträgt 36%. Der Prozentsatz von Frauen mit Behinderungen im Alter von 30-34 Jahren, die eine Hochschul- oder vergleichbare Ausbildung abgeschlossen haben, liegt bei 31%. Die entsprechende Rate für behinderte Männer ist 23%. Nur 15% der Menschen mit einer schweren Behinderung im Alter von 30-34 Jahren haben eine Hochschul- oder vergleichbare Ausbildung abgeschlossen, verglichen mit 32% der Menschen mit mäßiger Behinderung. Es ist zu beobachten, dass sich die Situation der Menschen mit Behinderungen stetig verbessert. Die behinderungsbedingte Diskrepanz von 14 Prozentpunkten in 2010 wurde 2011 auf 10 Prozentpunkte reduziert. Am meisten profitieren von dieser Verbesserung Menschen mit mäßiger Behinderung. Dies ist als Indiz zu werten, dass zukünftige Anstrengungen sich stärker auf Menschen mit einer schweren Behinderung richten sollten. II.6 MENSCHEN, DIE IN HAUSHALTEN MIT SEHR GERINGER ERWERBSINTENSITÄT LEBEN Erwerbsintensität misst die Erwerbsquote des Haushalts, berücksichtigt dabei jedoch nicht die Verteilung der Erwerbstätigkeit in einem Haushalt (also bei mehreren Erwachsenen). Auf EU-Ebene leben 24% der Menschen mit Behinderungen in Haushalten mit niedriger Erwerbsintensität (<20), im Vergleich zu 8% der Menschen ohne Behinderungen. Das 33 entspricht einer Differenz von 17 Prozentpunkten (abgerundete Zahlen). Der EUDurchschnitt beträgt 10%. Etwa 24% der Frauen mit Behinderungen leben in Haushalten mit geringer Erwerbsintensität, im Vergleich zu 9% der Frauen ohne Behinderungen. Die entsprechenden Zahlen für Männer liegen bei 25% und 7%. Die Unterschiede zwischen Behinderten und Nicht-Behinderten sind in allen Mitgliedsstaaten erheblich. Der Grad der Behinderung ist ein wichtiger Faktor. Auf EU-Ebene beträgt der Anteil schwer behinderter Menschen, die in Haushalten mit niedriger Erwerbsintensität (EI < 20) leben, 40%, verglichen mit 18% der Menschen mit mäßiger Behinderung. Von 2010 bis 2011 war die Verschlechterung hier äußerst gering. Doch wir beobachten wichtige nationale Unterschiede. Die Finanzkrise wirkte sich vor allem auf Menschen mit schwerer Behinderung aus, besonders in Lettland, Spanien und Griechenland. II.7 MENSCHEN MIT HOHEM ARMUTSRISIKO NACH TRANSFERLEISTUNGEN Das Armutsrisiko bedeutet, dass ein Mensch in einem Haushalt lebt, dessen verfügbares Äquivalenzeinkommen unter 60% des durchschnittlichen nationalen verfügbaren Äquivalenzeinkommens (nach Transferleistungen) liegt. Die Daten zeigen, dass Menschen mit einer Behinderung einem höheren Risiko finanzieller Armut ausgesetzt sind als Menschen ohne Behinderungen. 2011 lag auf EUEbene das Risiko für Menschen mit Behinderungen bei 19% und für Menschen ohne Behinderungen bei 15%. Der EU-Durchschnitt beträgt 16%. Die Daten deuten an, dass der Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen im Vergleich zu arbeitsbezogenen Maßnahmen deutlich niedriger ist. Daraus lässt sich schließen, dass der Wohlfahrtsstaat die Ungleichheiten des Arbeitsmarktes ausgleicht. Doch gilt es festzuhalten, dass diese Ergebnisse die Armutsraten bei Menschen mit Behinderungen unterschätzen. Tatsächlich werden Sonderzulagen, die behinderungsbedingte Kosten abdecken, als Einkommen behandelt. Auf EU-Ebene leben etwa 20% der Frauen mit Behinderungen in Haushalten mit einem Risiko finanzieller Armut, im Vergleich zu 16% der Frauen ohne Behinderungen. Die entsprechenden Zahlen für Männer liegen bei 19% und 14%. Doch zwischen den Ländern gibt es erhebliche Unterschiede. Allerdings könnte die Methode der Armutsbeurteilung die Geschlechterunterschiede unterschätzen. In der Tat wird das Einkommensniveau auf Haushaltsniveau berechnet. Es gilt zu beachten, dass Alleinerziehenden-Haushalte mit abhängigen Kindern bei Menschen mit und ohne Behinderungen das höchste Armutsrisiko aufweisen. 34 Auf EU-Ebene unterliegen in der Altersgruppe von 16-64 Jahren etwa 21% der Menschen mit Behinderungen einem Risiko finanzieller Armut, im Vergleich zu 15% der Menschen ohne Behinderungen. Die entsprechenden Zahlen für ältere Menschen ab 65 Jahren liegen bei 17% und 14%. Altersversorgungssysteme in der EU verringern das Armutsrisiko. Der Anteil der von Armut bedrohten älteren Menschen ist kleiner als der von 16- bis 64-Jährigen. Dies gilt insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Eine behinderungsbedingte Lücke von 6 Prozentpunkten bei Menschen zwischen 16 und 64 Jahren verringert sich bei älteren Menschen auf 3 Prozentpunkte. Insgesamt verringern Altersrenten die Armutsungleichheiten in absoluten Zahlen ebenso wie relativ gesehen. Vergleicht man die Situation zwischen 2010 und 2011, lässt sich auf EU-Ebene eine kleine Verschlechterung von 0,6 Prozentpunkten (Erhöhung der Armut) bei der Situation von Menschen mit Behinderung beobachten. Wir beobachten eine ähnliche Steigerung finanzieller Armut von 0,5 Prozentpunkten für Menschen ohne Behinderungen. II.8 MENSCHEN MIT ERHEBLICHEN MATERIELLEN ENTBEHRUNGEN „Menschen mit erheblichen materiellen Entbehrungen“ ist ein Indikator sozialer Ausgrenzung, der die Unfähigkeit eines Menschen beschreibt, sich bestimmte Güter oder Dienstleistungen leisten zu können, die als im allgemeinen Gebrauch angesehen werden. Die Sammlung „materielle Unterversorgung“ enthält Indikatoren, die sich auf wirtschaftliche Belastung, Gebrauchsgüter, Wohnraum und die Umgebung der Wohnung beziehen. 2011 lebten etwa 12% der Menschen mit Behinderungen in Haushalten, die erheblichen materiellen Entbehrungen ausgesetzt sind, im Vergleich zu 7% der Menschen ohne Behinderungen. Der EU-Durchschnitt beträgt 9%. Die Schwankungsbreite zwischen den Ländern ist im Vergleich zu anderen Armutsindikatoren viel größer. Bei Menschen mit Behinderungen liegt diese Rate zwischen geringen 2% in Luxemburg bis zu hohen 59% in Bulgarien. In der EU leben 13% der Frauen mit Behinderungen in Haushalten, die erheblichen materiellen Entbehrungen ausgesetzt sind, verglichen mit 7% der Frauen ohne Behinderungen. Bei Männern liegen die entsprechenden Quoten bei 11% bzw. 7%. Auf EU-Ebene und für die Altersgruppe von 16-64 Jahren unterliegen etwa 14% der Menschen mit Behinderungen erheblichen materiellen Entbehrungen, im Vergleich zu 8% der Menschen ohne Behinderung. Die entsprechenden Zahlen für Menschen ab 65 Jahren liegen bei 9% und 5%. Alter verringert diesen Anteil. Altersversorgungssysteme verringern in den meisten Ländern den mit dem Behinderungsgrad einhergehenden Nachteil, besonders in den Niederlanden, Luxemburg und Schweden. 35 Der Behinderungsgrad erhöht den Anteil der Menschen, die in Haushalten mit schwerer materieller Unterversorgung leben, erheblich. Etwa 15% der Menschen mit einer schweren Behinderung erleben eine schwere materielle Unterversorgung. Dieser Prozentsatz beträgt bei Menschen mit mäßiger Behinderung 11% und bei Menschen ohne Behinderungen 7%. Auf EU-Ebene lebten 2011 12% der Menschen mit Behinderungen in Haushalten mit erheblichen materiellen Entbehrungen, verglichen mit 11% in 2010. II.9 MENSCHEN MIT ARMUTSRISIKO ODER SOZIALER AUSGRENZUNG (VERBINDUNG DER DREI OBEN GENANNTEN FAKTOREN) Dieser Indikator entspricht der Summe von Personen, die entweder einem Armutsrisiko oder erheblichen materiellen Entbehrungen ausgesetzt sind oder in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität leben. Personen, die in mehreren Subindikatoren vertreten sind, werden nur einmal gezählt. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Erwachsenen (16-64 Jahre) und älteren Menschen (ab 65 Jahre). Tatsächlich sind die Kriterien für jede Altersgruppe anders. Die niedrige Erwerbsintensität betrifft nur Menschen, die jünger als 65 Jahre sind. 2011 lebten auf EU-Ebene 31% der Menschen mit Behinderung ab 16 Jahren in Haushalten, die einem Armutsrisiko oder sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind, verglichen mit 21% der Menschen ohne Behinderung der gleichen Altersgruppe. Der Prozentsatz für alle Menschen ab 16 Jahren liegt bei 24%. Was die Armut bei Menschen zwischen 16 und 64 Jahren angeht, lebten 2011 auf EUEbene 37% der 16-64-Jährigen mit Behinderung in Haushalten, die einem Armutsrisiko oder sozialer Ausgrenzung ausgesetzt sind, im Vergleich zu 22% der Menschen ohne Behinderung der gleichen Altersgruppe. Der EU-Durchschnitt bei allen Menschen von 16-64 Jahren liegt bei 24%. Auf EU-Ebene und für die Altersgruppe von 16-64 Jahren unterliegen etwa 37% der Frauen mit Behinderungen einem Armutsrisiko, verglichen mit 23% der Frauen ohne Behinderungen. Bei Männern liegen die entsprechenden Quoten bei 37% bzw. 21%. Geschlechterunterschiede innerhalb jeder Gruppe (Gruppe der Behinderten und NichtBehinderten) sind gering oder nicht vorhanden. Doch dies ist nicht weiter verwunderlich, denn der Indikator wird auf Haushaltsniveau angelegt, und nicht auf individuellem Niveau. In allen Mitgliedstaaten nimmt mit dem Grad der Behinderung auch das Armutsrisiko wesentlich zu. Auf EU-Ebene unterliegen 49% der Menschen mit einer schweren Behinderung von 16-64 Jahren einem Armutsrisiko oder sozialer Ausgrenzung. Die 36 gleiche Quote beträgt bei Menschen mit mäßiger Behinderung 32% und bei Menschen ohne Behinderungen 22%. Die Daten zeigen, wie dringlich der Handlungsbedarf für Menschen mit einer schweren Behinderung ist. Wir beobachten über einen längeren Zeitraum eine dauerhafte Lücke zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen. Außerdem hat sich diese Kluft noch etwas vergrößert. Zwischen 2010 und 2011 lag die Erhöhung der Armutsquote für Menschen mit Behinderungen bei etwa 1,4 Prozentpunkten und für Menschen ohne Behinderungen bei 0,7 Prozentpunkten. Die Daten weisen zwischen 2010 und 2011 auf eine beständige Lücke zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen hin. Außerdem hat sich diese Kluft noch leicht vergrößert. Die Erhöhung lag für Menschen mit Behinderungen bei etwa 1,4 Prozentpunkten, im Vergleich zu 0,7 Prozentpunkten für Menschen ohne Behinderungen (im Alter von 16-64 Jahren). Diese Verschlechterung der Situation von Menschen mit Behinderungen erfolgte in der Mehrzahl der Mitgliedsstaaten. II. EUROPÄISCHE VERGLEICHSDATEN ZU MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN & STAATSBÜRGERSCHAFT Im Rahmen des Europäischen Jahres der Bürgerinnen und Bürger lag der thematische Fokus des ANED 2013 auf Fragen der Staatsbürgerschaft für behinderte Menschen und ihre Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben. Artikel 29 des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet Vertragsstaaten, die Rechte behinderter Menschen zu gewährleisten, am öffentlichen und politischen Leben teilzunehmen und die europäische Strategie zugunsten behinderter Menschen 20102020 enthält auch die Zusage, „die Frage des barrierefreien Zugangs zu Wahlen aufzugreifen, damit die Ausübung des Wahlrechts der EU-Bürger/innen erleichtert wird“. Um eine große Anzahl von Indikatoren zu erhalten, haben wir unterschiedliche Untersuchungen herangezogen, besonders: 1. Europäische Erhebung zur Lebensqualität (EQLS), 2. Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) – Ad-hoc-Modul 2006, 3. Europäische Sozialstudie (ESS), 4. Erhebung zu Gesundheit, Altern und Ruhestand in Europa (SHARE) und 5. Eurobarometer „Barrierefreiheit“. Die verschiedenen Erhebungen folgen nicht dem Ansatz der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Tatsächlich unterliegen die verschiedenen Untersuchungen einem medizinischen Ansatz: 1. EQLS: „Haben Sie chronische (6 Monate und mehr) körperliche oder psychische Probleme, eine Krankheit oder Behinderung?“ Falls der Befragte mit „Ja“ 37 antwortet, „Sind Sie in Ihren täglichen Aktivitäten durch diese körperlichen oder psychischen Probleme, die Krankheit oder Behinderung eingeschränkt?“ 2. EU-SILC: „Menschen erleben eine Einschränkung bei Aktivitäten in der Regel wegen gesundheitlicher Probleme, die mindestens 6 Monate andauern.“ (Ob sie in ihrer täglichen Aktivität durch ein anhaltendes Problem mit ihrer körperlichen oder geistigen Gesundheit, einer Krankheit oder Behinderung eingeschränkt sind.) 3. ESS: „Sind Sie in ihrer täglichen Aktivität durch längere Krankheit, Behinderung, Gebrechen oder ein psychisches Problem eingeschränkt?“ 4. SHARE: „In welchem Maße waren Sie in den letzten sechs Monaten mindestens wegen eines gesundheitlichen Problems bei Aktivitäten eingeschränkt, die man gewöhnlich durchführt?“ 5. Eurobarometer: „In welchem Maße waren Sie oder jemand in Ihrem Haushalt in den letzten sechs Monaten mindestens wegen eines gesundheitlichen Problems bei Aktivitäten eingeschränkt, die man gewöhnlich durchführt?“ Die EQLS-Untersuchung enthält eine Filterfrage und deckt verglichen mit anderen Erhebungen damit vielleicht einen etwas anderen Bevölkerungsanteil der Menschen mit Behinderungen ab. Alle Erhebungen, mit Ausnahme der Eurobarometer-Untersuchung, berichten „Selbsteinschätzungen“. Doch in der Eurobarometer-Untersuchung beurteilt der Befragte die eigenen Fähigkeiten sowie jene der anderen Angehörigen des Haushalts. Die Basis liegt näher am Haushalt als an der einzelnen Person. Doch trotz dieser Unterschiede können wir davon ausgehen, dass die verschiedenen Erhebungen bei einer bestimmten Zahl von Indikatoren ähnliche Ergebnisse zeigen, wenn man bestimmte wichtige Maßgaben (Alter, Definition des Indikators usw.) eingrenzt. 1. VERTRAUEN IN POLITISCHE INSTITUTIONEN: Parlament, Regierung & Kommunalbehörden Die Europäische Erhebung zur Lebensqualität (EQLS) 2011-2012 berichtet über eine Reihe von Indikatoren, die das Vertrauen von Menschen ab 18 Jahren in Parlament, Regierung und Kommunalbehörden betreffen. Der Befragte kann eine Bewertung von„1“ bis „10“ vornehmen. Auf Ebene der 28 EU-Länder lagen die Durchschnittswerte bei 4,1 für das Parlament, 4,0 für die Regierung und 5,2 für Kommunalbehörden. Menschen mit Behinderungen vergaben jeweils folgende Punkte: 3,9 (Parlament), 3,9 (Regierung) und 5,3 (Kommunalbehörden). Was das Vertrauen in Parlament und Regierung betrifft, vergeben in der großen Mehrheit von Ländern Menschen mit Behinderungen weniger Punkte im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen. Selbst in Ländern mit einem relativ hohen Vertrauen 38 wie in Deutschland, den Niederlanden und Schweden finden wir einen bedeutenden Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen. Menschen mit Behinderungen sowie Menschen ohne Behinderungen geben den Kommunalbehörden höhere Punkte. Vielleicht ziehen die Menschen in Betracht, dass diese Institutionen ihren Bedürfnissen näher sind und/oder ihre Entscheidungen besser verstehen. Es könnte auch an der Nähe liegen. Im Allgemeinen vergeben Frauen mit Behinderungen eine höhere Wertung als behinderte Männer. Die gilt besonders für das Vertrauen in Kommunalbehörden. In fast allen Mitgliedsstaaten vergeben ältere Menschen mit Behinderungen eine höhere Wertung im Vergleich zu erwachsenen Menschen mit Behinderungen. Wir beobachten einen deutlichen Einfluss des Behinderungsgrads auf die Vertrauensbewertung von Parlament und Regierung. Auf Ebene der 28 EU-Länder liegt das durchschnittliche Vertrauen in das Parlament bei Menschen mit einer schweren Behinderung bei 3,7, verglichen mit 4,0 bei Menschen mit mäßiger Behinderung und 4,1 bei Menschen ohne Behinderungen. Die Ergebnisse für das Vertrauen in die Regierung sind ähnlich, nämlich jeweils 3,7, 3,9 und 4,0. Im Gegensatz dazu sind die Unterschiede beim Vertrauen in die Kommunalbehörden geringfügig. Doch die Kommunalbehörden stellen auch in erster Linie Menschen mit schwerer Behinderung Leistungen (Barrierefreiheit, Bildung etc.) zur Verfügung. Basierend auf einer zweiwertigen Variablen führten wir eine ökonometrische Analyse durch: negative Bewertung (1 bis 5) und positive Bewertung (6 bis 10). Die Prozentsätze der positiven Bewertungen in der Stichprobe sind 29% für das Parlament, 28% für die Regierung und 49% für Kommunalbehörden. Durch eine Eingrenzung von Alter, Bildung, wirtschaftlichem Status, Armutsrisiko, Herkunft und Haushaltsstruktur verringert die strenge Eingrenzung die Wahrscheinlichkeit, eine positive Bewertung abzugeben, um 6-9 Prozentpunkte (je nach Institution) im Vergleich zu nicht behinderten Menschen. Eine leichte Behinderung verringert diese Wahrscheinlichkeit um 4-7 Prozentpunkte, verglichen mit einem Nicht-Behinderten. Dies bedeutet, dass Behinderung selbst stellvertretend für bestimmte Merkmale stehen könnte, die Menschen mit Behinderungen gemeinsam haben. Dazu könnten Probleme mit Barrierefreiheit und Hindernisse gehören, die mit der Wechselwirkung zwischen Behinderung und physischer Umgebung zu tun haben. 2. ZUFRIEDENHEIT DAMIT, WIE DEMOKRATIE FUNKTIONIERT Die Europäische Sozialstudie (ESS) 2012 fragt Menschen ab 15 Jahren, „wie zufrieden sind Sie insgesamt damit, wie die Demokratie in diesem Land funktioniert?“ Der Befragte kann eine Wertung von „0“ bis „10“ abgeben. Wir berichten über Daten aus den 18 EU-Mitgliedsstaaten. Menschen mit Behinderungen vergeben niedrigere Punkte 39 (5,3), im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen (5,4). Die Unterschiede sind klein, aber generell bedeutsam (bei 5%). Länder, die gewöhnlich als egalitärer angesehen werden und ein gut entwickeltes Sozialschutzsystem haben, werden mit einem höheren Grad an Zufriedenheit assoziiert, bei Menschen mit und ohne Behinderungen (Finnland, Schweden und Dänemark). Frauen mit Behinderungen geben eine geringere Zufriedenheit an als Männer mit Behinderungen. Im Allgemeinen erhöht das Alter die Zufriedenheit damit, wie die Demokratie funktioniert. In der Tat kehrt sich die Wirkung im Alter um. Doch in bestimmten neuen Mitgliedsstaaten (Estland, Polen und der Tschechischen Republik) brachten ältere behinderte Menschen eine geringere Zufriedenheit damit zum Ausdruck, wie die Demokratie funktioniert. Auf EU-Ebene lässt sich der Schluss nahelegen, dass der Grad an Behinderung die Zufriedenheit damit vermindert, wie die Demokratie funktioniert. Für die ökonometrische Analyse haben wir die Wertungen in „unzufriedene“ Personen (Wertung von „0“ bis „4“) und „zufriedene“ Personen (Wertung von „6“ bis „10“) unterteilt. In der Stichprobe sind 61% zufrieden. Schwere Behinderung verringert die Wahrscheinlichkeit, mit „zufrieden“ (Wertung 6-10) zu stimmen, um 11,5 Prozentpunkte, verglichen mit Menschen ohne Behinderungen. Besteht eine leichte Behinderung, senkt dies dieselbe Wahrscheinlichkeit um 4,7 Prozentpunkte, im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen. 3. INTERESSE AN POLITIK Die ESS 2012 deckt 18 EU-Mitgliedsstaaten ab. Bei dieser Ländergruppe sind Menschen mit Behinderungen mehr an Politik interessiert als Menschen ohne Behinderungen. Etwa 51% der Menschen mit Behinderungen melden ein Interesse (sehr oder recht interessiert) im Vergleich zu 47% der Menschen ohne Behinderungen. Doch Alter mag den Vergleich noch etwas „ausschmücken“. Es besteht ein bemerkenswertes Geschlechtergefälle. In den 18 EU-Ländern erklären etwa 45% der Frauen mit Behinderungen Interesse an Politik, verglichen mit 59% der Männer mit Behinderungen. Dies stellt bei Menschen mit Behinderungen ein Geschlechtergefälle von 14 Prozentpunkten dar. Das Geschlechtergefälle liegt bei Menschen ohne Behinderungen bei 13 Prozentpunkten. Das geringe Interesse von Frauen an Politik mag durch Diskriminierung hervorgerufen werden. Wenn Frauen in Betracht ziehen, dass sie diskriminiert werden, wird ihre Motivation gering sein, sich für solche Aktivitäten zu engagieren. Alter erhöht das Interesse an Politik. Wenn wir deutlich begrenzte Altersgruppen darstellen, besteht kein bedeutender und systematischer Unterschied zwischen Menschen des gleichen Geschlechts mit und ohne Behinderungen. Es gibt nur eine 40 Geschlechterdifferenz. Die stufenweise Analyse deutet darauf hin, dass Männer mit einer leichten Behinderung besonders an Politik interessiert sind. 4. WAHLBETEILIGUNG Die EQLS-Erhebung 2007-2008 enthält auch eine Frage über die Teilnahme an der letzten nationalen Wahl. Eine erste Analyse der Daten weist drauf hin, dass es auf EU-Ebene keinen bedeutenden Unterschied zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen, doch krasse Gegensätze zwischen Mitgliedsstaaten gibt. Doch haben frühere Studien gezeigt, dass die Beteiligungsrate der Menschen mit Behinderungen im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen niedriger ist. Allerdings zeigen sie auch, dass Alter eine wichtige Wirkung hat. Die Beteiligung erhöht sich mit dem Alter. Da der Anteil der Behinderten mit dem Alter steigt, könnte der Alterseffekt jede negative Wirkung mit Bezug auf Behinderung dominieren. In diesem Fall liefert die Statistik eine höhere Beteiligungsrate von Menschen mit Behinderungen. Die Rohdaten sind für unsere Analyse nicht relevant. Die oben angesprochenen Probleme in Bezug auf Alter und Behinderung werden durch Geschlechterfragen weiter kompliziert. Die Zahl der älteren Frauen mit Behinderungen ist relativ wichtig. Auch hier haben wir die beiden Wirkungen (Alter und Behinderung), welche die Beteiligung in entgegengesetzte Richtungen drängen. Auch der Grad der Behinderung ist ein wichtiger Faktor, da er mehr Probleme mit Barrierefreiheit und Mobilität andeuten kann, besonders während der Stimmabgabe. Auf Ebene der 27 EULänder gaben etwa 79% der Menschen mit einer schweren Behinderung bei der letzten nationalen Wahl ihre Stimme ab, verglichen mit 84% der Menschen mit einer leichten Behinderung und 83% der Menschen ohne Behinderungen. Eine ökonometrische Analyse zeigt, dass nach Eingrenzung von persönlichen Merkmalen und sozioökonomischem Status eine schwere Behinderung die Wahrscheinlichkeit der Stimmabgabe um 8 Prozentpunkte vermindert, im Vergleich zu Menschen ohne Behinderungen. Diese negative Auswirkung könnte auf Barrieren im Verlauf der Stimmabgabe zurückzuführen sein. Der negative Einfluss geringer Behinderungen ist schwach und nicht statistisch robust. 5. WAHLRECHT Die EQLS-Erhebung 2007-2008 enthält auch eine Frage über die Teilnahme an der letzten nationalen Wahl. Eine mögliche Antwort lautet „nicht stimmberechtigt“. Doch keine Stimmberechtigung kann andere Ursachen haben und es gibt dazu keinerlei Informationen. Es konnten keine relevanten Daten ermittelt werden. 41 6. FREIWILLIGE ARBEIT IN GEMEINSCHAFTS-, BILDUNGS-, SOZIALEN, POLITISCHEN & ANDEREN ORGANISATIONEN Die Beteiligung an freiwilliger Arbeit verhilft zu sozialen Kontakten und verringert das Isolationsrisiko. Außerdem erhöht sie die Wahrscheinlichkeit, mehr Informationen, Rat, Hilfe usw. zu erhalten. Zusammenfassend erhöht sie das soziale Kapital des Teilnehmenden. Die EQLS-Erhebung 2011-2012 hilft uns, die Beteiligung in folgenden Einrichtungen zu analysieren: a. Gemeinschafts- und Wohlfahrtseinrichtungen, b. Bildungs- Kultur-, Sportvereine oder Berufsverbände, c. Soziale Bewegungen, d. Politische Parteien, Gewerkschaften und e. Andere gemeinnützige Organisationen. Im Folgenden gilt die Beteiligung an freiwilliger Arbeit als Beteiligung in wenigstens einem der vorher genannten Bereiche. Auf Ebene der 28 EU-Länder beteiligen sich etwa 27% der Menschen mit Behinderungen an freiwilligen Aktivitäten, im Vergleich zu 34% der Menschen ohne Behinderungen. Wir beobachten in allen Mitgliedsstaaten eine Differenz, außer in der Tschechischen Republik. Die Beteiligung kann durch Barrieren und begrenzte Zugänglichkeit erschwert werden. Doch wir können nicht ausschließen, dass die geringere Beteiligung aufgrund von Gesundheitsproblemen stattfindet. Es besteht eine kleine Geschlechterdifferenz bei beiden Gruppen (Menschen mit und ohne Behinderungen). Doch dies gilt nicht für alle Mitgliedsstaaten. Die Beteiligung an Tätigkeiten von Gemeinschafts- und Wohlfahrtseinrichtungen ist bei Frauen mit und ohne Behinderungen hoch. Im Gegensatz dazu ist unbezahlte Arbeit für politische Parteien und Gewerkschaften unter Frauen geringer, unabhängig vom Behinderungsstatus. Freiwillige Aktivitäten sind bei behinderten älteren Menschen niedriger. Auf EU-Ebene erledigten 31% der Menschen mit Behinderungen von 18-64 Jahren unbezahlte freiwillige Arbeit, verglichen mit 21% der Menschen mit Behinderungen über 65 Jahren. Die entsprechenden Quoten für Menschen ohne Behinderungen sind 34% und 29%. Der Grad der Behinderung verringert die Zahl der Freiwilligen bei Männern und Frauen. Die Erhebung zu Gesundheit, Altern und Ruhestand in Europa (SHARE) 2011 zeigt auf, dass eine große Zahl von Menschen mit Behinderungen (über 50) unzufrieden damit sind, dass sie nicht an sozialen, politischen und anderen Aktivitäten teilnehmen. Im Gegensatz dazu sind Menschen ohne Behinderungen zufriedener als behinderte Menschen, dass sie nicht an den aufgeführten Aktivitäten teilnehmen. Das bedeutet, dass für Menschen ohne Behinderungen eine Nichtbeteiligung aus freier Entscheidung stattfindet. Im Gegensatz dazu ist es für Menschen mit Behinderungen eine unerwünschte Situation, die etwas mit Barrieren zu tun haben kann. 42 7. UNBEZAHLTE ARBEIT DURCH POLITISCHE PARTEIEN UND GEWERKSCHAFTEN Die EQLS 2011-2012 zeigt auf, dass etwa 4,1% der Menschen mit Behinderungen in den letzten 12 Monaten irgendeine freiwillige Arbeit in politischen Parteien und Gewerkschaften ausführten, verglichen mit 5,8% der Menschen ohne Behinderungen. Auf EU-Ebene lag die Zahl der Frauen mit Behinderungen, die über politische Parteien und Gewerkschaften unbezahlte Arbeit ausführten, bei etwa 2,8%, verglichen mit 5,8% der behinderten Männer. Der Anteil der Menschen mit Behinderungen von 18-64 Jahren, die über politische Parteien und Gewerkschaften unbezahlte Arbeit ausführten, lag bei etwa 5,0%, verglichen mit 2,8% der Menschen mit Behinderungen ab 65 Jahren. Der Grad der Behinderung senkt politische Beteiligung. Auf Ebene der 28 EU-Länder liegt der Anteil der Menschen mit einer schweren Behinderung, die über politische Parteien und Gewerkschaften unbezahlte Arbeit ausführten, bei etwa 3,4%, im Vergleich zu 4,4% der Menschen mit einer leichten Behinderung und 5,8% der Menschen ohne Behinderungen. Die geringere Häufigkeit der Beteiligung von Menschen mit schwerer Behinderung schwächt die bereits niedrige Beteiligungsrate noch weiter. Die Analyse nach Grad und Geschlecht weist einen bedeutenden Nachteil für Frauen mit Behinderungen auf. Die niedrige Beteiligungsrate von Frauen mit schweren Behinderungen könnte zu einem Vorurteil im Entscheidungsprozess politischer Institutionen führen. In der Tat könnten ihre Bedürfnisse unterbewertet und von den Interessen anderer konkurrierender Gruppen dominiert werden. 8. BETEILIGUNG AN AKTIVITÄTEN VON PARTEIEN ODER GEWERKSCHAFTEN Das Ad-hoc-Modul 2006 der EU-SILC zu sozialer Beteiligung enthält eine Frage zur „Teilnahme an Aktivitäten politischer Parteien oder Gewerkschaften“. Auf EU-Ebene beteiligten sich 4,0% der Menschen mit Behinderungen in den letzten 12 Monaten an Aktivitäten, die mit politischen Gruppen, politischen Verbänden, politischen Parteien oder Gewerkschaften zu tun haben, verglichen mit 4,3% der Menschen ohne Behinderungen. Frauen haben im Großteil der Mitgliedsstaaten eine geringere Beteiligungsrate. Dies gilt auch für Frauen mit Behinderungen. Auf EU-Ebene liegt die Zahl der Frauen mit Behinderungen, die an Aktivitäten politischer Parteien oder Gewerkschaften beteiligt waren, bei etwa 2,8%, verglichen mit 5,7% der behinderten Männer. Die 43 entsprechenden Quoten für Frauen und Männer ohne Behinderungen sind 3,0% und 5,7%. In fast allen Mitgliedsstaaten vermindert das Alter die politische Partizipation. Auf EUEbene liegt der Anteil der Menschen mit Behinderungen von 16-64 Jahren, die an Aktivitäten politischer Parteien oder Gewerkschaften beteiligt waren, bei etwa 4,8%, im Vergleich zu 2,9% der Menschen mit Behinderungen ab 65 Jahren. Wenn wir das Alter eingrenzen, besteht kein signifikanter Unterschied zwischen Frauen mit und ohne Behinderungen. Der Grad der Behinderung verringert die politische Beteiligung. Auf EU-Ebene liegt der Anteil der Menschen mit einer schweren Behinderung, die an Aktivitäten politischer Parteien oder Gewerkschaften teilnahmen, bei 2,8%, verglichen mit 4,6% der Menschen mit leichter Behinderung und 4,3% der Menschen ohne Behinderungen. 9. TEILNAHME AM TREFFEN EINER GEWERKSCHAFT, POLITISCHEN PARTEI ODER POLITISCHEN AKTIONSGRUPPE Die EQLS 2011-2012 stellt fest, dass auf EU-Ebene etwa 6,6% der Menschen mit Behinderungen am Treffen einer Gewerkschaft, einer politischen Partei oder politischen Aktionsgruppe teilnahmen, im Vergleich zu 8,4% der Menschen ohne Behinderungen. Wir können beim politischen Aktivismus ein Geschlechtergefälle zwischen Frauen und Männern beobachten. Etwa 5,1% der Frauen mit Behinderungen nahmen am Treffen einer Gewerkschaft, politischen Partei oder politischen Aktionsgruppe teil, verglichen mit 8,6% der Männer mit Behinderungen. Jüngere Behinderte sind politisch aktiver als ältere behinderte Menschen. Der Grad der Behinderung verringert den Anteil der Menschen, die am Treffen einer Gewerkschaft, politischen Partei oder politischen Aktionsgruppe teilnahmen. Diese Abnahme gilt bei Männern und Frauen. 10. MITGLIED EINER GEWERKSCHAFT ODER ÄHNLICHEN ORGANISATION Die ESS 2012 berichtet, dass auf EU-Ebene (18 MS) 13,1% der Menschen mit Behinderungen Mitglied einer Gewerkschaft sind, verglichen mit 14,4% der Menschen ohne Behinderungen. Es gibt bedeutende nationale Unterschiede, doch die Mitgliedschaft mag durch nationale Gesetze beeinflusst sein, welche die Arbeitsorganisation regeln. Auf EU-Ebene liegt die Rate der Frauen mit Behinderungen, die Mitglied einer Gewerkschaft oder ähnlichen Organisation sind, bei 10,8%, im Vergleich zu 15,7% der Männer mit Behinderungen. Die entsprechenden Quoten für Menschen ohne Behinderungen sind 12,7% und 16,2%. Alter vermindert die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. Frauen mit und ohne Behinderungen teilen eine ähnliche Entwicklung: 44 sie ist verglichen mit Männern allgemein geringer. Doch Frauen haben häufig Jobs, wo die gewerkschaftliche Organisation gering ist und arbeiten in Teilzeit. Global spielen Alters- und Geschlechterunterschiede eine entscheidende Rolle. Obgleich mit Behinderung verknüpfte Unterschiede vorhanden sind, spielen sie eine untergeordnete Rolle (außer bei jungen Arbeitnehmern). Aggregierte Daten geben für Menschen mit Behinderungen eher eine höhere Rate gewerkschaftlicher Organisation an, da ihr Durchschnittsalter bei 57 Jahren liegt, im Vergleich zu 45 Jahren für Menschen ohne Behinderungen. Der Grad der Behinderung verringert in allen Mitgliedsstaaten (außer in Estland) die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft. 11. SCHWIERIGKEITEN MIT STIMMABGABE BEI EINER WAHL Eine Flash-Eurobarometer-Umfrage zu „Barrierefreiheit“ fand 2012 statt. Dank ihrer können wir uns auf Menschen mit Behinderungen ab 15 Jahren konzentrieren. In diesem Bericht verwenden wir den Begriff Behinderung, um über Menschen zu sprechen, die in ihren täglichen Aktivitäten eingeschränkt sind. Etwa 21,1% der Befragten, die angeben, dass sie oder ein Mitglied ihres Haushalts eingeschränkt waren, haben Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe erlebt. Etwa 9,6% der Befragten haben zumeist Probleme während der Stimmabgabe erlebt, während 11,5% angaben, dass es nur hin und wieder vorkam. Die von Männern und Frauen berichteten Quoten sind ähnlich. Der Grad der Behinderung erhöht die Quote der Menschen, die von Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe berichten. Die Quote der Befragten, die angeben, dass sie oder ein Mitglied ihres Haushalts stark eingeschränkt waren und von Schwierigkeiten bei der Stimmabgabe berichten, liegt bei 28,4%, im Vergleich zu 14,2% der Befragten, die sagen, dass sie oder ein Mitglied ihres Haushalts leicht eingeschränkt waren. 12. SCHWIERIGKEITEN BEI NUTZUNG DER WEBSEITEN VON BEHÖRDEN Das spezielle Eurobarometer 2012 zur Barrierefreiheit zeigt auf, dass auf EU-Ebene etwa 26% der Befragten, die angeben, dass sie oder ein Mitglied ihres Haushalts eingeschränkt waren, Schwierigkeiten dabei hatten, die Webseiten von Behörden zu benutzen. Etwa 10% der Befragten erlebten zumeist Schwierigkeiten, die Webseiten öffentlicher Ämter und Behörden zu benutzen, während 16% angaben, dass es nur hin und wieder vorkam. Zwischen den einzelnen EU-Ländern bestehen bedeutende Unterschiede. Global ähneln sich die von Männern und Frauen berichteten Schwierigkeiten. Menschen im Alter von 15-64 Jahren, die eine Einschränkung haben (oder jemand in ihrem Haushalt) berichten häufiger über Schwierigkeiten „von Zeit zu Zeit“ verglichen mit 45 Menschen ab 65 Jahren. Doch dies könnte an einer ausgedehnteren Nutzung der Webseite öffentlicher Ämter für Arbeit oder Freizeit liegen, vor allem von Menschen im Alter von 30-50 Jahren. Tatsächlich berichten Angestellte häufiger von Schwierigkeiten als Menschen aus anderen wirtschaftlichen Kategorien. Der Grad der Behinderung erhöht die Rate der Menschen, die von Schwierigkeiten bei der Benutzung der Webseiten von Behörden berichten. Die Quote der Befragten, die angeben, dass sie oder ein Mitglied ihres Haushalts stark eingeschränkt sind und Schwierigkeiten bei der Benutzung der Webseiten öffentlicher Ämter erleben, liegt bei 30%, verglichen mit 22% der Befragten, die sagen, dass sie oder ein Mitglied ihres Haushalts leicht eingeschränkt waren. Arbeitsergebnisse: EUROPÄISCHE VERGLEICHSDATEN ZU EUROPA 2020 & MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN EUROPÄISCHE VERGLEICHSDATEN ZU MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN & STAATSBÜRGERSCHAFT Link zur Seite „Statistische Indikatoren“ auf der ANED-Website: http://www.disability-europe.net/de/theme/statistical-indicators 46 Aufgabe 7: Jahrestreffen und Konferenz Am 12. November 2013 fand in Brüssel eine Konferenz des ANED statt, an der die akademischen Mitglieder aus 30 EU- bzw. EWR-Mitgliedstaaten, Vertreter der Europäischen Kommission und weitere hochrangige Gäste teilnahmen. Das Treffen bot den Mitgliedern eine wichtige Gelegenheit, Fachwissen auszutauschen, über die bisher abgeschlossene Arbeit zu reflektieren und über Möglichkeiten für die Zukunft des Netzwerks zu sprechen. Johan Ten Geuzendam (Europäische Kommission, Leiter des Referats „Rechte von Menschen mit Behinderungen“) eröffnete das Treffen und sprach über das sehr kooperative und produktive Verhältnis zwischen dem ANED und der Kommission. Es wurde außerdem erwähnt, dass das ANED zu großem beiderseitigen Nutzen eine sehr gute Kooperation mit der EU-Grundrechteagentur eingegangen ist. Professor Mark Priestley (Wissenschaftlicher Leiter) fasste die zentralen Aufgaben des Arbeitsprogramms 2013 zusammen (die oben im Bericht erwähnt sind). Zusätzlich beschrieb Mark Priestley die bedeutendsten Strategieziele hinsichtlich der Forschung zu Beschäftigung, Bildung und Armutsrisiko und stellte Trends und geäußerte thematische Bedenken vor, die auf Beiträgen der Wissenschaftler aus den Ländern basieren. Gemeinsam mit Els Mortier gab Mark Priestley einen Überblick über die Tätigkeit und Beiträge des ANED, die für die Strategie EU 2020 relevant sind. Els Mortier (Europäische Kommission) gab einen Überblick über die Struktur und den Ablauf des Europäischen Semesters und konzentrierte sich dabei auf die Chancen und Erwartungen an den Beitrag des ANED. Zusammen mit Mark Priestley gab Els Mortier einen Überblick über die Tätigkeit und Beiträge des ANED, die für die Strategie EU 2020 relevant sind. Professor Stefanos Grammenos (Zentrum für europäische Sozial - und Wirtschaftspolitik) präsentierte eine Reihe von Vergleichsdaten zu den wichtigsten quantitativen Indikatoren, die für die Strategie EU 2020 relevant sind. Diese beziehen sich auf Kernziele für die gesamte EU (wobei jeder Mitgliedstaat sein eigenes Ziel wählt), mit Fokus auf Beschäftigung, Bildung und Armut und soziale Ausgrenzung. Die ANED-Indikatoren zogen auch Barrierefreiheit in Betracht. Professor Lisa Waddington (Universität Maastricht) erörterte die EUStaatsbürgerschaft und politische Teilhabe unter Berücksichtigung des Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die ANED-Länderexperten Petra Flieger (Österreich), Eleni Strati (Griechenland) und Tamás Gyulavárí (Ungarn) gaben Beispiele für Hürden zu Staatsbürgerschaft und Beteiligung am politischen Leben und Beispiele für den Fortschritt auf Länderebene. 47 Martha Stickings (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte [FRA]) und Professor Mark Priestley (ANED) gaben eine gemeinsame Präsentation über die Arbeit, die FRA und ANED durchführen, um Indikatoren zum Recht auf politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen zu entwickeln und zu populieren. Inmaculada Placencia-Porrero (Europäische Kommission, stellvertretende Leiterin des Referats „Rechte von Menschen mit Behinderungen“) schlug vor, dass die EU die Barrierefreiheit fördern sollte, was Vorteile für behinderte Menschen und aus Marktsicht bringen würde. Ein europäisches Gesetz zur Barrierefreiheit steht für 2014 im Gesetzgebungsprogramm, was darauf hindeutet, dass es in den ersten Monaten von 2014 einen Vorschlag dazu geben wird. Gunta Anca (Vorstandsmitglied des Europäischen Behindertenforums [EDF]) sprach von der dringenden Notwendigkeit einer EU-Gesetzgebung zur Barrierefreiheit und über die Freizügigkeitskampagne des EDF. Eine Zusammenfassung der Berichte sowie die Links zu den Vorträgen finden sich auf der ANED-Website: http://www.disability-europe.net/de/seminar 48