Infusionstherapie für den Hausgebrauch

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Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
Medizinische Fakultät Mannheim der
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Scriptum Anästhesie
2014
Teil III
Infusionstherapie
Vs. 2.0 vom 20. 10. 2014
In Ihrem späteren ärztlichen Leben werden Sie
wahrscheinlich öfters Infusionen anlegen
müssen, zumindest solange Sie in der Klinik
sind. Aber auch wenn Sie sich niederlassen
sollten, ist Infusionstherapie manchmal nötig.
Das heißt, über Infusionstherapie Bescheid zu wissen, ist vielleicht wichtiger als all das, was wir
Ihnen über Allgemeinanästhesie und Regionalanästhesie erzählen. Im Prinzip gilt es, folgende
Unterscheidungen zu treffen:
Flüssigkeitstherapie bedeutet, einem Patienten intravenös Flüssigkeiten zuzuführen, wenn der
Körper des betreffenden Patienten zu wenig Wasser und/oder Elektrolyte enthält als normalerweise
vorhanden sein sollte. Medizinisch wird so ein Patient als exsikkiert oder dehydriert bezeichnet, auf
Mannheimerisch sagt man, er ist ausgedörzelt. Konkretes Beispiel ist der Fall, wenn Sie selbst
Durst haben und Flüssigkeiten wie Mineralwasser trinken(andere Flüssigkeiten helfen auch, sind
aber von der Suchtgefahr her problematisch und führen pharmakologisch zu einer verstärkten
Diurese. Deshalb möchte ich sie hier nicht erwähnen).
Als Volumentherapie dagegen bezeichnet man im Gegensatz zur Flüssigkeitstherapie etwas
Anderes: Nämlich das Auffüllen des intravaskulären Raums, wenn aus diesem Verluste eingetreten
sind - am ehesten Blutverlust - und zwar mit Flüssigkeiten, die möglichst lange auch im
intravaskulären Raum verbleiben und nicht ins Interstitium diffundieren.
Zusätzlich gibt es noch die parenterale Ernährung: Infusion von Flüssigkeiten mit hoher
Konzentration von Aminosäuren, Glucose und Fett zur Ernährung von Patienten, die über den
Magendarmtrakt nicht ernährt werden können, überwiegend in der Intensivmedizin. Da aber auch in
der Intensivmedizin zunehmend dazu übergegangen worden ist, Wege zu finden, auch
Intensivpatienten enteral zu ernähren, ist die parenterale Ernährung zunehmend in den Hintergrund
getreten und soll hier auch nicht weiter erwähnt werden.
Informationen zum derzeitigen Stand der Ausarbeitung, zur Verwendung und Editierbarkeit dieses
Scriptums, eine Erklärung zu medizinischen Vorbehalten und weitere formale und organisatorische
Informationen finden Sie im folgenden Kasten. Ebenso finden Sie einen Hinweis auf die gerade
erschienene Leitlinie „Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen“, herausgegeben von der
Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin(DGAI).
-1-
Inhaltlich lesen Sie bitte weiter auf S. 3.
-2-
Wie die Skripten zu Allgemein- und Regionalanästhesie erhalten Sie auch dieses Skriptum im PDF-Format
und in editierbarer OpenOffice und MS Word-Form. In den editierbaren Formen können Sie selbst
Ergänzungen oder Streichungen vornehmen, bzw. sie so umgestalten, wie Sie am besten damit umgehen
können. Sie können sie im Sinne des CopyLeft-Verfahrens auch weitergeben, falls sich Interessenten für
diese Machwerke finden. Ein Hinweis auf den ursprünglichen Verfasser wäre nett. Die Abbildungen können
Sie wahrscheinlich nicht bearbeiten. Es sind Windows-Metafiles, erstellt mit dem Diagramme-Programm
XactTM, oder JPGs.
Besonderer Hinweis:
Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu
diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissenstand zum Zeitpunkt der Drucklegung
dieses Scriptums entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie, der Auswahl
und Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichzeitig werden die Benutzer
aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im
Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollten im allgemeinen Interesse mir
mitgeteilt werden. Die individuelle klinische Situation mag andere Verhaltensweisen diktieren, als wie in diesem
Scriptum angegeben ist und sollte mit den jeweiligen Fachautoritäten der medizinischen Einheit in der Sie tätig
sind abgeklärt werden. Der Benutzer dieses Scriptums selbst bleibt allein verantwortlich für jede diagnostische
oder therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung. Etwas platter, aber konkret gesagt, wenn Sie
medizinisch Mist bauen, sind Sie selber schuld, nicht ich(CL).
Dieses Scriptum ist leider noch länger geworden als früher schon. Aber vieles besteht aus Abbildungen,
Tabellen, Leerabsätzen zur besseren Gliederung und Anhängen. Manche Abbildungen sind auch etwas
simpel, wie etwa das Strichmännchen mit dem Trauma, aber das dient dazu, etwaige Copyright-Probleme zu
umgehen, sodass dieses Scriptum hoffentlich ohne große Probleme weitergegeben werden kann. Ein
Ausdruck von 2 Seiten auf einem DIN A4 Blatt ist ebenfalls gut lesbar, wie ich bei der Korrektur gerade
festgestellt habe.
Die vielen Literaturverweise sind nicht nur Angeberei. Im Lauf der Jahrzehnte hat sich die fortwährende
Auseinandersetzung um die richtige Infusionstherapie emotional so aufgeladen, dass jeder Mensch, der sich
damit befassen will, ein Minenfeld sich vielfach widersprechender Studienergebnisse und klinischer
Erfahrungen betritt, die aber alle mit Inbrunst vertreten werden. Es entsteht der Eindruck, dass manchmal mit
Studien und Gegenstudien aufeinander geradezu eingeprügelt wird und es leider notwendig scheint, jedes
noch so winzige Fitzelchen der angegebenen Informationen und jede einzelne Fußnote nachzuprüfen um zu
einem vernünftigen Urteil zu kommen. Gerade weil ich eher aus einer kolloid-orientierten Infusionstradition
komme(zur Nomenklatur später), habe ich versucht, die Argumentation der kristalloid-orientierten Tradition
zu verstehen und rauszukriegen, mit welchen Tricks deren Anhänger ebenfalls gute Infusionstherapie machen
können. Ziel dieses Scriptums ist weder, es allen gleich recht zu machen, noch eine Lehrmeinung als die
allein selig machende herauszustellen; sondern Anregungen zu geben, wie die vielfältigen Erkenntnisse aus
Wissenschaft und klinischer Beobachtung durch eigenständiges Nachdenken im Einzelnen beurteilt und
benutzt werden können um Patienten auf vernünftige Weise zu versorgen, die Infusionstherapie dabei in ein
therapeutisches Gesamtkonzept zu integrieren und an den Zielen dieses Konzepts auszurichten.
Christian Lenz
Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
Mannheim, Ende Oktober 2014
Nach langen Vorarbeiten gibt es seit 31. 7. 2014 auch endlich eine offizielle S-3 Leitlinie „Intravasale
Volumentherapie beim Erwachsenen“, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie
und Intensivmedizin(DGAI) und 14 weiteren deutschen medizinischen Fachgesellschaften. Sie können sie
herunterladen von http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/001-020.html. Mit den dort gegebenen
Ratschlägen(graduiert als „soll“, „sollte“, „kann“) stehen Sie im Zweifelsfall auf der sicheren Seite.
Allerdings ist der Text sehr dürftig ausgefallen und gibt kaum Begründungen für die Empfehlungen. Die
einzelnen Inhalte um die es in dieser Leitlinie geht, finden Sie auch in den nachfolgenden Abschnitten dieses
Scriptums an passender Stelle wieder, inklusive Besprechung, Zusammenhang und Hintergründe, aber ohne
jeweils explizit Bezug auf den einzelnen Leitlinienpunkt zu nehmen.
-3-
Weitere Begriffe in der Infusionstherapie sind:
Osmolarität
Anzahl vollständig gelöster Teilchen(gelöste Jonen und nicht
dissoziierte Moleküle) in einer Volumeneinheit einer Flüssigkeit,
gemessen in mOsmol/L.
Osmotischer Druck
Die Kraft, die bei Konzentrationsdifferenz zweier Lösungen mit
unterschiedlicher Osmolarität, welche durch eine nur für Wasser
permeable Membran getrennt sind, durch Wasserfluss über die
Membran zum Ausgleich der Osmolaritäten beider Lösungen führt.
Die Richtung des Wasserflusses kommt dadurch zu Stande, dass auf der Seite der
Membran mit der geringeren Konzentration mehr Wassermoleküle zur Verfügung
stehen und damit die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass ein Wassermolekül auf eine
offene Membranpore stößt, die nicht schon von einem nicht permeablen Teilchen von
einer der beiden Seiten verstopft ist. (Wie ich, hält sich die Literatur mit der Definition
„Osmotischer Druck“ ziemlich bedeckt. Im Wesentlichen kommt es darauf an, ein
Verständnis zu entwickeln, wie sich ein Flüssigkeitsausgleich einstellen kann, wenn
Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Konzentration an gelösten Teilchen durch eine
semipermeable Membran getrennt sind, bei denen aber nicht alle gelösten Teilchen die
Membran durchdringen können, z. B. die Kapillarmembran.)
Osmolalität
Anzahl vollständig gelöster Teilchen(gelöste Jonen und nicht
dissoziierte Moleküle) in einer Gewichtseinheit einer Flüssigkeit,
gemessen in mOsmol/kg(Bei Wasser besteht zwischen Osmolarität und
Osmolalität kein Unterschied, da ein L Wasser schließlich ein kg Wasser sind –
Meistens wird bei uns dummen Medizinern generell der Begriff Osmolarität
verwendet. Auch wenn im Blut nicht nur Wasser, sondern auch etwas Fett und Protein
enthalten ist, überlassen wir die feineren Unterscheidungen den Chemikern, die auch
mit anderen Flüssigkeiten wie etwa Alkohol oder Ölen hantieren müssen).
Kristalloide,
Kristalloide Lösungen
Lösung von kleinen Teilchen in Wasser, die in der Regel in trockener
Form Kristalle bilden, z. B. Kochsalz und in gelöster Form die
Kapillarmembran passieren können.
Kolloide,
Kolloidale Lösungen
Makromoleküle, die auf Grund ihrer Größe die intakte Kapillarmembran
nicht passieren können und die Lösung dieser Makromeleküle in Wasser
oder kristalloiden Lösungen.
Kolloidosmotischer
Druck,
Onkotischer Druck
Osmotischer Druck der nicht permeablen Makromoleküle(Kolloide) in
einer Flüssigkeit, gemessen in mmHg(Plasma 25-28 mmHg).
Ringer-Lösung,
ähnlich Hartmannsche
Lösung
Kristalloide Infusionslösung, in den 1880iger Jahren entwickelt und benannt nach
Sidney Ringer(1835-1910), deren Kationenzusammensetzung ähnlich ist wie die im
Blutplasma, als einziges Anion Chlorid enthält, als Ringer-Lactat oder -Acetat aber
zusätzlich auch Acetat oder Lactat(Hartmannsche Lösung, 1930iger Jahre) und dann
weniger Chlorid. Im Prinzip eine Vollelektrolytlösung, die aber oft auch in leicht
plasmahypotonen Varianten verwendet wurde.
Die Begriffe osmotischer und onkotischer Druck sind etwas verwirrend, wenn man
sich die Richtung in der sie wirken, vergegenwärtigen soll. Normalerweise stellen wir
uns intuitiv vor, dass bei „Druck“ die wirkende Kraft weg von der Quelle, von der sie
ausgeht und nach außen gerichtet ist, wie etwa der hydrostatische Druck aus einem
Feuerwehrschlauch, wenn wir ihn halten um einen Brand zu löschen. Beim
osmotischen oder onkotischen Druck ist dagegen die wirkende Kraft auf die Quelle,
von der sie ausgeht, zu gerichtet. In unserer Analogie wäre das eine Pumpe, mit der
wir die ganze Sauerei aufsaugen, die wir mit unserer Löschaktion angerichtet haben. Ein ähnliches Beispiel wäre der Vergleich zwischen der Schubkraft beim Start einer
Weltraumrakete und der Erdanziehungskraft beim Wiedereintritt in die Atmosphäre.
Tabelle 1: Glossar Infusionstherapie.
-4-
Teil I
Flüssigkeitstherapie:
Stellen Sie sich folgenden Fall vor:
Eine Patientin, 70 Jahre alt, hat einen Darmverschluß(Ileus), sei es durch einen Tumor, sei es durch
„Verwachsungen“(auf medizinisch Briden – fibrotische Stränge, die sich durch entzündliche
Vorgänge nach einer abdominalen OP bilden können, wenn noch Blutreste im Peritonealraum
verblieben sind – die Patientin berichtet von einer Bauchoperation vor 10 Jahren) oder durch eine
Drehung des Darms(Volvulus, bei Erwachsenen sehr selten, eher bei Säuglingen).
Der Darminhalt kann nicht mehr in die richtige Richtung weitertransportiert werden. Daher geht es
in die entgegengesetzte Richtung, die Patientin erbricht. Und sie erbricht nicht nur das, was sie an
fester und flüssiger Nahrung zu sich genommen hat, sondern auch Magen- und Darmsekret, das
heißt, der Körper verliert insgesamt an Flüssigkeit, auch aus dem Interstitium, es kommt zur
Exsikkose.
Wie gestalten wir in diesem Fall unsere Infusionstherapie?
Dazu sollten wir uns die Wasserverteilungsräume im menschlichen
Körper ansehen:
-5-
Erys
~4%
Extrazellulärraum
45%
Abbildung 1: Wasserverteilung im menschlichen Körper
Nach Edelman und Leibman, 19591.
-6-
Transzellulär ~ 2,5%
Interstitieller
Raum
~ 20%
Plasma ~ 7,5%
Intrazellulärraum
55%
Festes Bindegewebe ~ 7,5%
Knochen ~ 7,5%
Wasserverteilung im Körper
Vom Flüssigkeitsmangel ist in unserem Fall im Wesentlichen der extrazelluläre Raum betroffen, vor
allem Interstitium und Gefäßsystem(Isotone Dehydratation), weniger in der Regel der intrazelluläre
Raum, da die osmotisch wirksamen Teilchen innerhalb der Zellen nicht über die Zellmembran
diffundieren können, und somit das intrazelluläre Wasser durch ihren osmotischen Druck in der
Zelle halten. Erst wenn es im Interstitium zur Erhöhung der Konzentration osmotisch wirksamer
Teilchen(im wesentlichen Elektrolyte) kommt, z. B. durch Ausatmung von Wasser in der
Atemluft(Perspiratio insensibilis) ohne dessen Ersatz, dringt in Folge des höheren osmotischen
Drucks im Interstitium Wasser aus den Zellen ins Interstitium ein und der intrazelluläre
Wassergehalt schrumpft genauso wie der im Interstitium.
Welche Flüssigkeitsverluste müssen wir ersetzen?
1. Den normalen Flüssigkeitsverlust den wir alle haben
durch Urinausscheidung und Perspiratio insensibilis (vgl. Tab. 2) Der ist aus physiologischen
Untersuchungen und Messungen gut bekannt.
Wasserbilanz
Erhaltungsbedarf etwa 2 ¾ L pro Tag
Ausscheidung
ml/Tag
Aufnahme
Urin
1500
Stuhl
150
Feste Nahrung
900
Perspiratio
insensibilis
Schweiß
900
Oxidationswasser
aus dem
Stoffwechsel
350
Summe
200
-2750
Trinken
ml/Tag
Summe
1500
2750
Tabelle 2: Wasserbilanz
Nach Weitzman und Kleeman, Watermetabolism and the neurohypophyseal hormones, 19802.
Bei normalen, elektiv operierten Patienten könnte deshalb zum Beispiel die Anweisung an die
Normalstation lauten: Bis morgen früh 3000 ml Infusionslösungen(bei latent herzinsuffizienten
Patienten evtl. etwas weniger: 2500 ml).
Für einen exakten Ausgleich des reinen Basisbedarfs enthalten aber alle herkömmlichen Infusionslösungen im
Verhältnis zum infundierten Wasser zu viel Natrium und Chlorid und zu wenig Kalium. Eine zusätzliche Spur
Glucose zur Vermeidung einer Ketoazidose wäre auch noch gut 3.
2. Verlorenes Magendarm-Sekret.
Dies ist bei weitem schwieriger. Erstens waren wir in der Phase, wo das Erbrechen begonnen hat
nicht dabei und in der Regel wird Erbrochenes schnellstmöglich weggeräumt und nicht gemessen.
-7-
Hier helfen uns einige klinische Anzeichen, die aber nur qualitativer Natur sind:
- Verminderter Hautturgor: Stehenbleiben von Hautfalten nach Ziehen an der Haut
- Trockene Zunge
- Langsames Füllen des Kapillarbetts unter den Fingernägeln nach Druck
- Verminderte Venenfüllung, z. B. der Jugularvenen im Liegen
- Sinustachykardie
- Bewusstseinsstörung, Eintrübung
3. Flüssigkeitsverluste während der Operation
Flüssigkeiten, die man absaugen kann(Blut, Ascites, Magensaft) werden während der OP in
Sammelbehältern mit Meßskala(im OP-Slang in der Regel als „Sauger“ bezeichnet) gesammelt. Das
Volumen dieser abgesaugten Flüssigkeiten kann mit diesem Verfahren gut bestimmt werden(wenn
viel Ascites oder Magensaft abgesaugt worden ist, sollte man sich allerdings auch deren Menge
merken, um sie vom Gesamtinhalt des Saugerinhalts abziehen und so die Menge an Blut bestimmen
zu können, welches im Sauger ist).
Schwieriger ist die Menge an Blut in Tupfern und auf dem Fußboden. Erfahrene können versuchen,
aus dem Aspekt die grobe Menge abzuschätzen.
Gar nicht erkennbar ist der Flüssigkeitsverlust ins Gewebe durch das beim OP-Trauma entstehende
Wundödem. Das einzige, wonach man sich richten kann, ist die Ausdehnung des Operationsgebiets,
die Zeitdauer der Operation und die Art des operierten Gewebes.
Wie können wir nun bei unserer Patientin den Flüssigkeitsverlust
ausgleichen?
Wenn wir bei ausgedehnten Wüstenexpeditionen dehydriert sind, trinken wir Brunnen- oder im
Luxusfall Bad Liebenzeller Mineralwasser, falls wir es dabei haben. Wenn wir dabei ordentlich
geschwitzt haben und damit auch NaCl verloren haben, kann es in solchen Extremsituationen
nebenbei auch nötig sein, als Ersatz Kochsalztabletten zu sich zu nehmen.
Trinken hilft der Patientin aber nichts, weil sie alles wieder ausspuckt. Deshalb müssen wir die
Flüssigkeit parenteral zuführen. Wenn wir aber Bad Liebensteiner Mineralwasser(still) sterilisieren
oder gleich destilliertes Wasser intravenös infundieren, haben wir ein Osmalaritätsproblem: Wasser
hat die Osmolarität von 0 mOsmol/L, Blutplasma dagegen eine an die 300 mOsmol/L(genau
genommen 291mOsmol/L theoretisch und da nicht alle Moleküle vollständig dissoziiert sind,
288mOsmol/L mittels Gefrierpunktserniedrigung gemessen4. Behalten Sie diese genaueren
Angaben bitte im Hinterkopf. In den folgenden Angaben und Tabellen wird zur Vereinfachung für
das Gedächtnis die Plasmaosmolarität immer als etwa 300mOsmol/L angesetzt). Ähnliche Werte
gelten für die Osmolarität im Erythrozyteninneren. Bei Infusion von reinem Wasser dringt das
Wasser als niedrig osmolare Substanz in die Erythrozyten ein. Diese schwellen und platzen. Das
heißt, eine parenteral infundierte Lösung muss zu allererst eine ähnliche Osmolarität aufweisen wie
das Blutplasma. Wie man dies erreichen kann, sehen Sie in Tabelle 3.
Am einfachsten und billigsten ist die Zugabe von 5% Glucose in in das infundierte Wasser. Damit
erreichen Sie etwa eine Osmolarität von 300 mOsmol/L. Solche Lösungen werden gern zur
langsamen intravenösen Verabreichung von Medikamenten verwendet(für eine ausreichende
parenterale Ernährung benötigen Sie aber Glucoselösungen mit einer Glucosekonzentration von
20-40% ). In der operativen Medizin werden Sie Glucoselösungen aber aus folgendem Grund selten
-8-
sehen: Die Glucose wird verstoffwechselt und dann haben wir wieder nur Wasser infundiert. Dieses
Wasser verteilt sich über den gesamten Wasserraum, das heißt auch in den großen Intrazellulärraum
hinein, sodass für die Therapie der extrazellulären Exsikkose wenig übrig bleibt. Bei großen
Infusionsmengen droht des weiteren die Gefahr der „Wasservergiftung“: Die Plasmaosmolarität
fällt, Wasser dringt über die Bluthirnschranke ein, Na+, K+, und Cl- können aber wegen der
Bluthirnschranke nicht aus dem Hirngewebe austreten, es kommt zur Hirnschwellung mit
neurologischer Eintrübung und im Extremfall zum Tod durch Einklemmung der blutführenden
Gefäße im Foramen magnum.
Deshalb ist es besser, die Isoosmolarität zum Plasma durch Zugabe von Substanzen zu erzielen, die
nicht vom Stoffwechsel abgebaut werden, nämlich durch anorganische Ionen. Am einfachsten geht
das durch Zugabe von NaCl. Eine 0,9%ige Lösung von NaCl(Kochsalz) in Wasser ist isoton zum
Plasma und wird weltweit wohl am häufigsten zu Infusionszwecken verwendet. Sie wird gern auch
als „physiologische Kochsalzlösung“ bezeichnet. Allerdings ist sie sowohl von ihrer
Zusammensetzung, als auch von ihrer Wirkung her alles andere als physiologisch. Einer
„physiologischen“ Kochsalzlösung wird sogar eine leicht bakterizide Wirkung zugeschrieben.
Kristalloide Infusionslösungen
Infusionslösung
Kationen
Na+
Anionen
K+
Ca++ Mg++ Cl-
Osmo
-larität
Bikar- Acetatbonat-
Lactat-
Wasser
0
0
0
0
0
0
0
0
0
Glucose 5%
0
0
0
0
0
0
0
0
300
150
0
0
0 150
0
0
0
300
4
2
0 156
0
0
0
300
Isotone NaClLösung(0,9%
NaCl)
Vollelektrolytlösung
Ringerlösung 147,5
Vollelektrolytlösungen mit verstoffwechselbaren Anionen
Deltajonin
140
4
2,5
1 106
0
45
0
300
Ringer-Lactat
(Pharmacia)
130
5,5
2
0
112
0
0
27
300
Blutplasma
142
4
5
3 105
28
PO4-4 4
Proteinat- 17
300
(Delta Select)
Tabelle 3: Zusammensetzung kristalloider Infusionslösungen im Vergleich zum Blutplasma.
-9-
Es ist aber relativ einfach, durch Zugabe anderer anorganischer Ionen wie Kalium, Magnesium und
Calcium den physiologischen Verhältnissen im Plasma näher zu kommen. Man erhält dann eine
sogenannte „Vollelektrolytlösung“. Der Vorteil der Verabreichung einer Vollelektrolytlösung ist
der, dass Sie nie etwas falsch machen können, auch wenn sie den Elektrolytgehalt des Plasmas gar
nicht kennen. Dies gilt vor allem für Kalium: Wenn der Patient eine Hypokaliämie aufweist mit
Neigung zu Extrasystolie, eher tachykarden Herzrhythmusstörungen und Muskelschwäche wird mit
der Infusion einer Vollelektrolytlösung der Plasma-Kaliumwert erhöht. Wenn der Patient dagegen
eine Hyperkaliämie aufweist mit eher bradykarden Herzrhythmusstörungen bis hin zur Asystolie,
erniedrigen Sie den Plasma-Kaliumwert(Wenn Sie aber den Plasmakaliumwert wissen, gehen Sie
natürlich radikaler vor: Bei Hypokaliämie durch Zugabe von Kaliumchlorid – z. B. Durch Zugabe
von 1 – 2 20 ml Ampullen Kaliumchlorid 7,45% zu 500 ml Vollelektrolytlösung – Wenn Sie 2
Ampullen dazugeben, sollten Sie die Infusion aber sehr langsam laufen lassen um eine temporäre
Hyperkaliämie mit drohender Asystolie zu vermeiden. Außerdem führt die erhöhte Osmolarität der
Infusionslösung zu Schmerzen bei Infusion über eine periphere Venenverweilkanüle. Bei
Hyperkaliämie dagegen wurde bisher statt einer Vollelektrolyt- regelmäßig eine einfache
Kochsalzlösung ohne Kalium gegeben. Das war lange Zeit die generelle Praxis bei
Dialysepatienten. Wie aber im Folgenden zu sehen sein wird, spricht einiges gegen reine
Kochsalzlösung, sodass wahrscheinlich in Zukunft auch bei Hyperkaliämie andere
Infusionslösungen ratsam sind.
Auf der Kationenseite sind nun einigermaßen physiologische Verhältnisse hergestellt, nicht aber auf
der Anionenseite. Die bisher vorgestellten Elektrolytlösungen enthalten circa 150 mMol Chlorid- /L,
das Blutplasma dagegen ein Drittel weniger. Es stellt sich die Frage: Gibt es Argumente gegen eine
so hohe Chlorid-Konzentration oder schärfer formuliert:
Sind hohe Chlorid-Konzentrationen in Infusionslösungen schädlich?
Nachdem ältere Untersuchungen schon zur Vorsicht angeraten haben, muss nach einigen neueren
Erkenntnissen diese Frage leider mit Ja beantwortet werden.
Eine Reihe guter Begründungen für diese Antwort finden Sie in der Übersichtsarbeit:
Lobo DN, Should chloride-rich crystalloids remain the mainstay of fluid resuscitation to prevent 'pre-renal' acute kidney
injury?: con, Kidney Int 20145, aus der auch einige der folgenden Angaben entnommen worden sind.
Eine hohe Chlorid-Konzentration in der Infusion führt zu:
(kursiv: Nur im Tierversuch beobachtet)
- Renaler Vasokonstriktion, und damit zum
- Abfall der Nierendurchblutung und der
- Glomerulären Filtrationsrate.
Als rechnerisches Beispiel dazu eine Übertragung aus dem Tierversuch(nach Zander, R 4):
Eine Infusion von circa 5 L NaCL-Lösung 0,9%
würde bei einem 75 kg schweren Menschen Folgendes bewirken:
Chlorid-Konzentration im Plasma:
116 mMol/L
Renale Vasokonstriktion:
Anstieg um 35%
Glomeruläre Filtrationsrate:
Abfall um 20%
- Abfall der Reninaktivität und damit potentiell zu einem Blutdruckabfall und zur Hemmung des
Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems – gemessen bei Probanden, die vor Infusion
normovoläm waren.
In der Praxis sollen Infusionslösungen aber meistens einen Flüssigkeitsmangel im Körper
ausgleichen. Dieser dürfte dann aber in der Regel bereits vorher das Renin-Angiotensin- 10 -
Aldosteron-System aktiviert haben, mit dem Ziel, Flüssigkeiten im Körper zu retinieren.
- Hyperchlorämischer Azidose → pH ↓, als Folge einer Verdünnung des Bikarbonats durch das
infundierte Chlorid(Klassische Säure-Basen-Theorie; die Strong ion-Theorie erklärt das
dadurch, dass Chlorid im Gegensatz zu Bikarbonat ein starkes Ion ist.) Eine hyperchlorämische
Azidose ist wahrscheinlich weniger schädlich als andere metabolische Azidosen, aber dennoch
kann ein Abfall des pH-Werts im Blut unter pH 7,1-7,2 die Gluconeogenese in der Leber
hemmen, die Sensibilität für Katecholamine vermindern und die Gerinnungsaktivität
abschwächen. Zum Ausgleich kann falls nötig, Bikarbonat injiziert werden aber zumindest im
Tierversuch ist eine bereits abgeschwächte Gerinnungshemmung damit nicht reversibel4.
Allerdings gibt es bis jetzt praktisch keine prospektiven und randomisierten Studien, in denen
Infusionslösungen mit niedrigem und hohem Chloridgehalt in ausreichender Patientenzahl
verglichen worden sind um Unterschiede in wichtigen klinischen Auswirkungen(Niere, Intensivund Krankenhausaufenthalt, Komplikationen, Mortalität) nachweisen zu können(Bei insgesamt 28
Studien in der Studie mit der höchsten Anzahl an untersuchten Patienten 108 Patienten)6. Ausnahme
ist einzig der Nachweis des Auftretens einer hyperchlorämischen Acidose nach chloridreicher
Infusionstherapie.
In Untersuchungen, die nicht ganz den hehren maximalen wissenschaftlichen Kriterien gehorchen,
konnten dennoch einige wichtige Beobachtungen gemacht werden:
Im Vergleich zu Infusionslösungen mit niedrigerer Chloridkonzentration führen hohe
Chlorid-Konzentrationen(z. B. NaCl 0,9%) zu:
- Vermehrtem Auftreten von Niereninsuffizienzen und der Notwendigkeit
Nierenersatzverfahren einzusetzen(Zuerst 760 Patienten Standardinfusionstherapie, dann nach
kurzer Pause die nächsten 773 Patienten chloridrestriktive Infusionstherapie)7
- Längerer Retention der infundierten Flüssigkeit
- Mehr interstitiellem und Nieren – Ödem
- Bei größerer Menge und über kurze Zeit infundiert zu abdominellen Beschwerden, Müdigkeit
und der Verminderung der Fähigkeit, Denkaufgaben zu lösen wie etwa Kopfrechnen, das Lesen
wissenschaftlicher Texte oder die Beantwortung anästhesiologischer Prüfungsfragen8.
- Mehr Bluttransfusion
- Mehr Koagulopathien
- Mehr Entzündungsmediatoren in der Sepsis
Werden umfangreiche Datenbanken von Patientendaten retrospektiv ausgewertet(„Data mining“),
die zu ganz anderen Zwecken angelegt worden sind, z. B. zur OP- und Verwaltungs-Dokumentation
oder zur Qualitätssicherung, kommen größere Patientenzahlen für die Auswertung zustande; so aus
einer Abrechnungsdatenbank für 600 US-Kliniken(Premier perspective comparative database):
926 Patienten, denen zwischen 2005 und 2009 Infusionslösungen mit niedriger Cloridkonzentration
intraoperativ verabreicht worden waren, benötigten ein geringeres Infusionsvolumen, weniger
Bluttransfusionen, weniger Nierenersatzverfahren und hatten weniger Infektionen als 2778
demographisch und klinisch vergleichbare Patienten, die perioperativ 0,9% NaCl erhalten hatten9.
In einer Untersuchung in Kliniken in Toronto(2003 – 2008) wurden 4226 Patienten mit
postoperativer Hyperchlorämie einer ebenfalls auf ähnliche Weise demographisch und klinisch
vergleichbaren Kontrollgruppe von Patienten mit postoperativer Normochlorämie gegenübergestellt. Die Patienten mit postoperativer Hyperchlorämie wiesen öfters Anzeichen von Niereninsuffizienz auf, ihr Krankenhausaufenthalt war länger und die Mortalität in dieser Gruppe höher10.
- 11 -
Die Autoren der Übersichtsarbeit Lobo DN et al, Should chloride-rich crystalloids remain the mainstay of fluid
resuscitation to prevent 'pre-renal' acute kidney injury?: con, Kidney Int 20145kommen damit auch zu dem
Schluss:
“... it is unlikely that 0.9% saline would had progressed beyond a phase I clinical trial
had it been developed in recent times.”
Aber dennoch: In vielen Fällen ist i r g e n d e i n e Infusion kristalloider Lösungen immer noch
besser als gar keine Infusion.
Wie kann der Chloridanteil in Vollelektrolytlösungen gesenkt werden?
Demzufolge ist es wünschenswert, den Chloridanteil in Vollelektrolytlösungen zur Infusion an
physiologische Verhältnisse anzupassen. Das im Plasma am zweithäufigsten vorkommende Anion
ist Bikarbonat. Dies kann man aber nicht so einfach einer Infusionslösung zugeben, es sei denn man
mischt die Lösungen unmittelbar vor der Infusion.
Da sich aus Bikarbonat spontan CO2 mit einem hohen Gasdruck bildet, müsste man die
Autoklavierung von solchen Lösungen unter sehr hohen Drucken, mehr als wie sowie so schon
üblich, sozusagen in einem erweiterten Dampfkochtopf durchführen, außerdem die abgekühlte
Lösung weiterhin in einer druckstabilen Flasche halten. Wenn dennoch beim Abkühlen, Lagern oder
Infundieren CO2 entweicht, besteht dann als Nächstes die Gefahr, dass das Bikarbonat zusammen
mit dem in der Lösung enthaltenen Calcium als Calciumkarbonat ausfällt11
← ←←←←←←←←←←
→→→→→→→→→→→→→→→
+
CO2↑ + H2O ↔ H2HCO3 ↔ H + HCO3 - H+ ↔ H+ + CO3-- → CO3-- + Ca++ → CaCO3↓.
Sauer ← pK von H2CO3: 6,1 → Basisch
Die Lösung dieses Problems besteht darin, dass nicht Bikarbonat selbst, sondern Substanzen
zugesetzt werden, durch deren Verstoffwechselung Bikarbonat freigesetzt wird. In der Praxis sind
das Salze organischer Säuren wie Acetat, Lactat, Maleat, Citrat, Fumarat.
→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→
Retention von CO2 in der Atmung → CO2 + H2O → HCO3-↑ + H+ → H+ + Acetat- → Essigsäure
→ Verstoffwechselung der Essigsäure in der Leber.
Damit erhält man eine „balanzierte Vollelektrolytlösung mit verstoffwechselbaren Anionen“, so
die Bezeichnung oder kurz „Balanzierte Vollelektrolytlösung“. Vorwiegend Lösungen dieser Art
werden heute in der operativen Medizin zur Infusionstherapie verwendet, so auch im Klinikum
Mannheim. Wir verwenden eine Lösung mit Acetat als zweitem Anion, da die Umwandlung von
Acetat in Bikarbonat besonders schnell von statten geht(allerdings wird hier auch gewarnt vor der
Möglichkeit einer überschießenden metabolischen Alkalose. In der Praxis hat dies aber wenig
Bedeutung).
Wahrscheinlich ist es auch bei niereninsuffizienten und hyperkaliämischen Patienten sinnvoller,
bilanzierte Lösungen statt wie bisher isotones NaCL einzusetzen. Einmal wegen der möglichen
Nierenschädigung durch den hohen Chloridanteil, aber auch weil die nachfolgende
hyperchlorämischen Azidose wie bei allen Erniedrigungen des extrazellulären pHs zu einem
Anstieg der extrazellulären und Plasma-Kaliumkonzentration durch vermehrten Kaliumaustritt aus
den Zellen führt3(Beispielsweise wurde eine Doppelblindstudie mit Ringerlactat(5 mMol K) versus
NaCl(0 mMol K) bei Nierentransplantationspatienten vorzeitig gestoppt wegen höheren Kaliums in
einer der Vergleichsgruppen. Alle dachten, es wäre die Gruppe mit Kalium in der Infusion gewesen.
Falsch. Es war die NaCl-Gruppe5).
- 12 -
Die bisher besprochenen Lösungen werden auch gern als „kristalloide Infusionslösungen“ oder
einfacher als „Kristalloide“ bezeichnet, da alle gelösten Bestandteile bei Verdampfung des Wassers
als Kristalle ausfallen.
Diese Lösungen können nun dazu dienen, bei exsikkierten Patienten den intravaskulären und
interstitiellen Raum wieder aufzufüllen. Der Ausgleich zwischen Gefäßsystem und Interstitium
kommt dabei relativ schnell zu Stande. Folgende Zahl wird dabei oft genannt als Faustregel: Eine in
den Intravaskulärraum infundierte kristalloide Lösung verteilt sich nach etwa 15 min gleichmäßig
über Interstitium und Intravaskulärraum. Kinetische Studien mit Messpunkten entlang der
Infusionsdauer kommen zu einer Halbwertszeit mit etwa 8 min für die intravaskuläre Verweildauer
und für das endgültige Erreichen der gleichmäßigen Verteilung zu einer Zeit mit etwa 30 min nach
Infusionsende12 zu etwas längeren Zeiten. Die Volumenzunahme, die diese Umverteilung in den
einzelnen Bereichen des Extrazellulärraums bewirkt, hängt allerdings von deren individueller
Compliance ab. Strukturen des Extrazellulärraums mit festen äußeren Begrenzungen wie z. B.
Knochen oder das Hirn im Schädelinneren werden von der Volumenzunahme nicht erfaßt.
Durch den osmotischen Druck der mitinfundierten Jonen wird das infundierte Wasser im
Extrazellulärraum gehalten und tritt nicht in die Zellen ein, es sei denn, der Intrazellulärraum ist
ebenfalls exsikkiert, Dann strömt infundiertes Wasser in die Zellen, bis zwischen Extra- und
Intrazellulärraum ein isoosmotisches Gleichgewicht herrscht.
- 13 -
Zusammenfassung Flüssigkeitstherapie
Um Medikamente als Kurzinfusion zu verabreichen oder auf kurze Zeit eine intravenöse
Verweilkanüle offen zu halten, können alle plasmaisotonen Infusionslösungen(z. B. Glucose 5%)
verwendet werden.
Wenn die Infusion dagegen dazu dienen soll, Patienten, die oral keine Flüssigkeit zu sich nehmen
können(Nüchternheit vor oder nach Operationen, Unfähigkeit auf normalem Weg Flüssigkeit
aufzunehmen(z. B. Ileus), oder Flüssigkeitsverluste aus Magen/Darmtrakt, in der Ausatemluft oder
durch Schweiß zu ersetzen, sollte die benötigte Flüssigkeit in Form isotoner Lösungen von
Kristallsalzen(das heißt ohne große Moleküle wie etwa Albumin oder andere Proteine) zugeführt
werden, die der natürlichen Ionen-Verteilung im Blutplasma möglichst nahe kommen.
Auf der Kationenseite kann dies z. B. erreicht werden durch Na+ 140 mMol, K+ 4 mMol, Ca++ 2,5
mMol, Mg++ 1 mMol. Auf den Anionenseite sollte der Chloridgehalt an den des Plasmas
angeglichen werden(ca. 106 mMol). Salze organischer Säuren(z. B. Acetat-, Lactat-) als Anionen
stellen bei der Infusion die Elektroneutralität her. In der Blutbahn binden sie H+, werden dann als
elektrochemisch neutrale Moleküle von der Leber aufgenommen und dort abgebaut. Das H+ wird
geliefert aus dem Zerfall von Kohlensäure, gebildet aus Wasser und aus CO2, das im Stoffwechsel
produziert wurde. Als Anion wird bei diesem Zerfall Bikarbonat, HCO3- freigesetzt und generiert
dadurch das normalerweise im Blutplasma vorkommende Bikarbonat(CO2 + H2O → H2CO3 →
HCO2-↑ + H+).
Mit dieser Infusionstherapie kann ersetzt werden:
- Der normale Tagesbedarf an Flüssigkeit beim Erwachsenen von etwa 3 L.
- Zusätzliche Flüssigkeitsverluste wie in Erbrochenem, bei Durchfall oder bei massiver Diurese;
soweit nicht meßbar, können klinische Zeichen helfen.
- Perioperativ gemessene und geschätzte Verluste, soweit nicht Blut oder eiweißreiche
Flüssigkeiten verloren gehen.
Die verwendeten Infusionslösungen werden als „balancierte Vollelektrolytlösungen“ bezeichnet;
Vollelektrolyt-, weil sie die wichtigsten der im Blutplasma vorkommenden Kationen in einer
Konzentration wie im Blutplasma enthalten und balanciert, weil nach der Infusion im Organismus
der entstehende Bikarbonat- gegen den Chloridgehalt ausbalanciert ist.
Da die infundierten Ionen relativ schnell die Kapillarwand überqueren können, verteilen sich diese
und damit das mit ihnen infundierte Wasser relativ schnell zwischen Gefäßraum und Interstitium,
das meiste in 15 min, ein vollständiger Ausgleich ist in etwa 30 min erreicht. Strukturen des
Extrazellulärraums, die feste äußere Begrenzungen besitzen, welche eine Volumenzunahme
verhindern, wie z. B. Knochen oder das Hirn im Schädelinneren werden vom Verteilungsvolumen
nicht erfaßt.
- 14 -
Nun zu einem anderen Patienten und zum
Teil II
Volumentherapie
Dieser Patient hat anfangs nicht zu
wenig Flüssigkeit im Körper,
sondern eher zu viel.
Denn er hat auf dem Oktoberfest
zu München 5 Maß(L) Bier
getrunken(Ich habe früher fast 8
Jahre direkt neben dem Okoberfest
gewohnt und kann die Verhältnisse
250 ml
400 - 500 ml
nachvollziehen), dann haben ihn
300
500
ml
seine Freunde zu seinem Auto
geführt, ihn ans Steuer gesetzt und
freundlicherweise auch noch den
500 ml
Zündschlüssel umgedreht. Dann
500 ml
wollte er nach Hause fahren.
Allerdings war ihm nicht mehr
bewusst, dass der Mittlere Ring,
500 ml
auf dem er gefahren ist, nicht
umsonst Mittlerer Ring heißt, also
2000 ml
eine Ringstraße ist, so wie bei uns
hier in Mannheim der Luisen- und
Friedrichsring rund um die
Quadrate. Beim Versuch stur
1000 ml
geradeaus zu fahren ist er prompt
1000 1500 ml
verunfallt und hat sich eine
gedeckte Becken- und
600
Oberschenkelfraktur zugezogen.
- 750 ml
Der hat jetzt ein anderes Problem.
In Abb. 2 sehen Sie grob, wieviel
500 ml
Blut jemand schätzungsweise bei
gedeckten Knochenbrüchen
Abbildung 2: Blutverlust bei gedeckten Frakturen innerhalb
verliert, bis der Gewebedruck der
von 24 Stunden nach Hamilton Bailey, Demonstrations of
Blutung Einhalt gebietet(was bei
weichen Geweben nicht unbedingt physical signs in clinical surgery(ed. Clain A), John Wright &
Sons LTD, Bristol 1973(!!) und Kuhner EH, Weller P, Meeder
der Fall sein muss. Da blutet es
PJ in Koslowski L, Irmer W, Bushe KA, Lehrbuch der
zügig weiter, weshalb auch zügig
Chirurgie, Schattauer Stuttgart, New York 1978(!) - Also alles
therapeutische Maßnahmen
schon etwas ältere Literatur aber dennoch wohl keine großen
eingeleitet werden müssen, z. B.
Veränderungen, da sich die Anatomie des Menschen und
Bei Beckenfrakturen eine
seine Fähigkeit, bei bestimmten Traumen abschätzbare
provisorische Stabilisierung durch
Blutverluste zu erleiden, in der Zwischenzeit wahrscheinlich
eine sogenannte „Beckenzwinge“.
nicht viel verändert hat.
Sie können sich das als eine Art
Schraubstock für das Becken vorstellen.) Die grau umrandeten Ellipsen in der Abbildung (Becken
und Oberschenkel) bezeichnen die besonders blutungsträchtigen Knochenfrakturen nach Trauma.
- 15 -
Dieser Patient hat im Vergleich zu der vorhergehenden Patientin ein
ganz anderes Problem.
Der Flüssigkeitsgehalt im Interstitium ist vorerst noch normal, dagegen ist das intravaskuläre
Volumen vermindert, was zum Abfall des peripheren Perfusionsdruck und damit zur
Minderdurchblutung der peripheren Gewebe und deren Minderversorgung mit Sauerstoff führt. Der
Patient hat einen hämorrhagischen oder auch Blutungsschock.
Begrenzte Kompensationsmechanismen des Organismus für den Blutverlust sind:
Ein Herzfrequenzanstieg zur Aufrechterhaltung des Herzzeitvolumens durch schnelleres
Umpumpen des verminderten Blutvolumens im Gefäßsystem. Aber Achtung! Blut im Abdomen
kann einen Vagusreiz auslösen, sodass dann aus der Herzfrequenz allein nicht auf das
Nichtvorliegen eines hämorrhagischen Schocks geschlossen werden kann.
Periphere Vasokonstriktion in weniger sauerstoffabhängigen Körperarealen(z. B. Haut) zur
Aufrechterhaltung des Perfusionsdrucks in den lebenswichtigen Organen und:
Ein Eindringen von Flüssigkeit aus dem Interstitium in die Blutgefäße(~ 0,5 L in 15-30 min13
direkt, später langsamer aber in größerer Menge über die Aktivierung des Renin-AngiotensinAldosteron-Systems); beides messbar an einem Abfall der Hämoglobinkonzentration.
Ein Hämoglobin-Abfall bei gleichbleibendem Gesamthämoglobingehalt des intravaskulären Raums,
sei es durch Einstrom von Flüssigkeit aus dem Interstitium oder jatrogen durch Infusionstherapie
bringt noch einen leichten zusätzlichen Vorteil: Er ist verbunden mit einer verminderten
Erythrozytendichte im fließenden Blut. Das verringert die Blutviskosität, die Fließeigenschaften des
Blutes werden besser und das Herz muss weniger Kraft aufwenden um das Blut gegen den
Widerstand im Kreislauf umzupumpen.
Bei diesem Patienten gilt es jetzt vor allem, das intravaskuläre Volumen
aufzufüllen und effizient einzusetzen.
Im wesentlichen besitzen wir dazu folgende Optionen:
Die eine haben Sie gerade schon kennen gelernt:
1. Die Infusion kristalloider Infusionslösungen in das Gefäßsystem in ausreichender
Quantität.
Da kristalloide Infusionslösungen sehr schnell über die Gefäßwand ins Interstitium diffundieren,
brauchen wir dazu aber längerfristig ein großes Infusionsvolumen. Denn wir müssen dabei nicht nur
das Gefäßsystem, sondern auch den interstitiellen Raum mit kristalloider Infusionslösung auffüllen
um ausreichend Volumen im Gefäßsystem halten zu können.
Wesentlicher Nachteil dieser Methode ist, dass sich ein Übermaß an Flüssigkeit an Orten im Körper
ansammelt, wo wir es gar nicht haben wollen. Das führt zu Ödembildung und verlängert die
Diffusionsstrecke des Sauerstoffs von der Kapillare zum Zielort.
Besser wäre eine zweite Option:
2. Infusionslösungen zu verwenden, die mit Substanzen angereichert sind, welche die
Verweildauer im Gefäßsystem verlängern.
Das wird möglich, wenn man den infundierten Lösungen Teilchen zusetzt, die – analog zu den
natürlichen Plasmaproteinen – allein durch ihre Größe nur schwer über die Kapillarmembran ins
Interstitium diffundieren können. Diese Teilchen haben dann das Potenzial, durch den osmotischen
- 16 -
Druck, den sie im Gefäßsystem aufbauen, Flüssigkeit darin zurückzuhalten.
Nachteile sind, dass nicht klar ist, wie hoch dieses Potenzial im einzelnen Fall genau ist, wie lange
es anhält und dass medikamentöse Nebenwirkungen berücksichtigt werden müssen, die die
Anwendung bei einzelnen Patientengruppen stark einschränken oder über längere Zeit unmöglich
machen können.
–––
Die individuellen Vor- und Nachteile beider Optionen haben häufig zur Folge, dass die Befürworter
der einen die andere heftig kritisieren, wenn nicht gar verteufeln. Jeder führt Studien auf, die die
Nachteile der nicht befürworteten Option belegen, oder, falls eine Studie doch positiv ausfällt, wird
sie methodisch und inhaltlich kritisiert. Die Grabenkämpfe dazu dauern schon seit Jahrzehnten an.
Wahrscheinlich ist es am sinnvollsten, alle verfügbaren Optionen wahrzunehmen, das Ausmaß, in
dem die eine oder andere zum Einsatz kommt, an die akute klinische Situation anzupassen und
schädliche Nebenwirkungen durch quantitative und zeitliche Dosisanpassung einzugrenzen.
Für unsere Infusionstherapie heißt das:
Was? - Wieviel? - Wie Lange?
Allerdings sind vernünftige Antworten darauf bei weitem komplizierter als die Fragestellung.
–––
Um die Peripherie mit Sauerstoff und anderen stoffwechselaktiven Substanzen zu versorgen, muss
das infundierte Volumen aber auch in Bewegung sein. Die beste Infusionstherapie hilft nichts bei
Asystolie. Deshalb kommt als dritte, zusätzliche Option für unsere Infusionstherapie hinzu:
3. Die Optimierung der peripheren Sauerstoffversorgung durch zielgerichtete Manipulation
der Pumpleistung des Herz-Kreislauf-Systems(„Goal Directed Therapy“).
Dabei werden kreislaufwirksame Medikamente mit der Volumengabe gekoppelt. Die Auswirkungen
beider Maßnahmen auf den Kreislauf und die periphere Sauerstoffversorgung werden kontinuierlich
gemessen. An Hand dieser Messungen kann die Therapie kontinuierlich angepasst und ein
gewünschter Zielwert für Infusionsmenge und Kreislaufverhalten angesteuert werden.
Fragen sind hier: Wann sollen wir anfangen? Was sind die Ziele? Und: Welche Medikamente?
Bevor versucht wird, diese Fragen im Detail zu beantworten, ist als Grundlage vielleicht zuerst
noch einmal ein Rückblick auf
Die physiologischen Mechanismen der Flüssigkeitsbewegungen über die
Kapillarmembran
sinnvoll.
Genaueres dazu und zu dem Folgenden finden Sie in Levick JR & Michel CC, Microvascular fluid exchange and the
revised Starling principle, Cardiovascular Research, 2010 13, aus dem auch eine Reihe der folgenden Ausführungen
übernommen ist.
Sollte Ihnen das aus Physiologie und Anatomie noch in Erinnerung sein, können Sie diesen
Abschnitt gern überspringen und bei den mehr praktisch orientierten Abschnitten ab „Hypovolämie,
Hypotonie und Schock“ weiterlesen.
Die anatomischen und physiologischen Grundlagen für die Verteilung von Flüssigkeiten und darin
gelöster Teilchen zwischen Blutgefäßen und Gewebe haben Sie schon in der Vorklinik kennen
gelernt. Daraus lassen sich therapeutische Möglichkeiten für unsere geplante Volumentherapie
ableiten. Abb. 3 gibt diese anatomischen und physiologischen Grundlagen stark vereinfacht wider –
aber zugegeben, leider dennoch in etwas komplizierterer Weise, als wie es früher gelehrt wurde –.
- 17 -
Starling Prinzip an der Kapillarmembran mit Glycocalyx
i
i
Pi
Pi
Lymphfluss
i
Pi
i
YYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY
c
c
Pc
Pc Pc
Pc
Pc
Pc
glyc << i
c c
c
c
c
c
c
s
hflus
Lymp
hfluss
Lymp
YYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY
i
Pi
i
Pi
i
i
Pi
i
Starling Gleichung:
Fluss = K(Pc - Pi) - σ(πc - πg)
Pc ven:
12-15 mmHg
πc ven:
25-28 mmHg
Pi: -2
mmHg
πi:
15,7 mmHg
π glyc: ?, << πi → Kolloidgehalt ~ 10% ISS
Abb. 3: Anatomie und Physiologie des Flüssigkeitsaustauschs zwischen Kapillare und Gewebe
Der hydrostatische Druck innerhalb der Kapillare, vor allem an derem arteriellen Ende, führt zu
einem Flüssigkeitseinstrom über die Endothellücken der Kapillarmembran ins Gewebe, da der
hydrostatische Druck im Gewebe bei weitem niedriger ist als wie in der Kapillare. Ins Gefäßsystem
zurückgeführt wird die eingedrungene Flüssigkeit vorwiegend über das Lymphsystem.
Makromolekülare Teilchen wie Proteine werden dagegen im Gefäß zurückgehalten, da sie so groß
sind, dass sie die Kapillarwand nicht oder nur in geringem Ausmaß passieren können.
In geringem Ausmaß heißt, dass auch große Makromoleküle in der Lage sein können, die Kapillarwand zu passieren, z.
B. durch Pinozytose-Mechanismen. Der Ausgleich geschieht aber im Vergleich zu kleinen Molekülen nur sehr langsam,
so dass sie im Vergleich zu diesen der Einfachheit halber im praktischen Einsatz meistens als nicht permeabel betrachtet
werden können. Dem einfacheren Verständnis halber wird dies auch in der Wortwahl der nachfolgenden Ausführungen
so gehalten.
Anatomisch gesehen ist der eigentliche Filter für diese Teilchen allerdings nicht die
Endothelmembran der Kapillare, sondern die von der Endothelmembran ins Gefäßlumen ragenden
engmaschigen Auswüchse der Glycocalyx(in der Abbildung als YYYY eingezeichnet). Die
eigentlichen Endothellücken sind dagegen so weit, dass ein Albuminmolekül sie passieren
könnte(Endothellücke 14-21nm, Albuminmolekül 7,1nm13).
Da diese Makromoleküle nicht die Kapillarwand durchqueren können, üben sie gegenüber der
anderen Seite einen osmotischen Druck aus, der dazu führen kann, dass Wasser und kleine Ionen im
Gefäß zurückgehalten werden oder sogar aus dem Interstitium ins Gefäß zurückkehren, wenn der
osmotische Druck nicht permeabler Teilchen außerhalb der Kapillare geringer ist als wie der
innerhalb. Der osmotische Druck dieser großen Teilchen wird gewöhnlich als onkotischer Druck
oder kolloidosmotischer Druck bezeichnet. Im Vergleich zum gesamtosmotischen Druck des
Blutplasmas(291 mOmol/L) ist er sehr gering – etwa 1mOsmol/L4, aber dennoch wirksam.
- 18 -
Die restlichen osmotischen Drücke innerhalb und außerhalb der Kapillarwand heben sich ja
gegenseitig auf, da sie von kleinen Teilchen(z. B. Na+, K+, Ca++, Mg++, Cl-, HCO3-, PO4--, Glucose,
Harnstoff) stammen, für die die Kapillarwand permeabel ist.
Dieses Prinzip können wir uns zunutze machen bei der Therapie von Blutverlusten aus dem
Gefäßsystem, indem wir Elektrolytlösungen infundieren, die zusätzlich Teilchen enthalten, die
nicht die Kapillarwand durchqueren können und damit einen kolloidosmotischen Druck
aufbauen, der Wasser und Elektrolyte im Gefäßsystem zurückhält(sogenannte kolloidale
Volumenersatzlösungen). Im Gegensatz zur Flüssigkeitstherapie wird dieses Verfahren gern
als „Volumenersatztherapie“ bezeichnet.
Die dabei vorliegenden 4 Kräfte können in der Starling-Gleichung zusammengefaßt werden:
Fluss = K(Pc – Pi) – σ(πc – πi)
Der Fluss über die Kapillarwand kommt dabei zustande:
Aus dem Unterschied zwischen dem hydrostatischen Druck innerhalb der Kapillare( Pc) und dem
außerhalb der Kapillare(Pi). Dem wirkt entgegen der Unterschied zwischen dem
kolloidosmotischen Druck innerhalb der Kapillare(πc) und dem außerhalb der Kapillare(πi). Auch
wenn der kolloidosmotische Druck dieselbe Dimension hat wie der hydrostatische Druck, nämlich
mmHg und mit positivem Vorzeichen geschrieben wird, wirkt er vom Inneren der Kapillare her
gesehen eigentlich als Sog. Um den tatsächlichen Fluss über die Kapillarwand zu erhalten muss
deshalb der kolloidosmotische Druckunterschied vom Druckunterschied des hydrostatischen Drucks
abgezogen werden.
(Der Diffusionskoeffizient K und der Reflektionskoeffizient σ sind Konstanten, die die tatsächliche
Permeabilitätsfähigkeit kleiner, bzw. großer Teilchen durch die Kapillarwand bezeichnen).
Um die in Abbildung 3 dargestellten Einzelheiten genauer zu verstehen, können Sie die folgenden
Schritte nachvollziehen, ausgehend von einem simplifizierten Starling-Modell zur Wirkung
kolloidosmotisch wirksamer Makromoleküle in der Zirkulation, so wie es noch vor einiger Zeit als
Grundlage für die Wirkung kolloidaler Volumenersatzlösungen gelehrt worden ist(Abb. 4.)
Hydrostatischer und kolloidosmotischer Druck
jenseits der Kapillarwand werden dabei als
Starling Prinzip an der Kapillarmembran - Simpel
vernachlässigbar, im Idealfall als 0mmHg
angenommen(vgl. dazu die Starling-Gleichung in
i
i
i
der Abbildung). Wirksam sind allein die
Pi
Pi
Pi
intrakapillaren Kräfte: Auf der arteriellen Seite

c
ist der hydrostatische Druck hoch und preßt
c
c
Flüssigkeit mit Bausteinen für den Stoffwechsel,
P
Pc
P
c
z. B. Glucose ins Insterstitium. Auf der venösen
c
c
Seite dagegen hat er stark abgenommen. Durch
c
c
c
c
den Flüssigkeitseinstrom ins Gewebe ist aber die

Konzentration der nicht permeablen
Pi
Pi
Pi
i
i
i
Makromoleküle innerhalb der Kapillare stark
angestiegen. Sie üben einen erhöhten
Starling Gleichung:
kolloidosmotischen Druck aus, der den
verminderten hydrostatischen Druck auf der
Fluss = K(Pc - Pi) - ( c - i)
venösen Seite der Kapillare überwiegt, und die
Pc ven: 12-15 mmHg Pi: 0 mmHg
vorher ins Gewebe absorbierte Flüssigkeit
πc ven: 25-28 mmHg πi: 0 mmHg
zusammen mit Abbauprodukten des
Stoffwechsels wieder reabsorbiert. Denselben
Fluss = K(12 - 0) - σ(25 - 0) → Δc-i < 0 → Reabsorption
Effekt können wir durch Infusionslösungen
Abbildung
4: Starling Prinzip an der Kapillarmembran - Simpel
erzielen, die nicht permeable Makromoleküle
enthalten.

c
Pc
P
P
c

c
σπ
- 19 -
π

Schön wär's.
Wenn man sich die Mühe macht, hydrostatischen und kolloidosmotischen Druck auf der Gewebeseite zu messen,
kommt man auf ganz andere Ergebnisse(Abbildung 5):
Der hydrostatische Druck auf der Gewebeseite ist in der
Tat niedrig, sogar leicht negativ, das heißt er erhöht den
Fluss ins Instititium noch etwas. Durch die dort
reichlich vorhandenen Makromoleküle besteht aber
auch hier ein nicht unerheblicher kolloidosmotischer
Druck. Der steigt noch an, wenn auf der venösen Seite
durch Rückresorption von Flüssigkeit ins
Kapillarlumen die Konzentration der Makromoleküle
im Interstitium ansteigt. Es kommt zur Annäherung an
ein ungefähres Gleichgewicht der kolloidosmotischen
Drücke auf beiden Seiten, ihre Auswirkungen auf den
Flüssigkeitsaustausch über die Kapillarwand wird
minimiert. Zusammen mit dem restlichen
hydrostatischen Druck auf der venösen Seite der
Kapillare ergibt sich auch dort noch ein geringfügiger
Einstrom ins Gewebe.
Starling Prinzip an der Kapillarmembran
– 4 Starlingkräfte
Pi
c
c
Pc
Pc Pc
i
Pc
Pc
Pi
i
c
Pc
c c
c
i
Pi
Pi
c
c
c
i
i
i
Pi
i
i
Pi
i
Starling Gleichung:
Fluss = K(Pc - Pi) - σ(πc - πi)
Experimentell kann in lockerem Gewebe ein Verhalten,
wie es vorhergehend und in Abb. 4 dargestellt ist, nach
dem Öffnen einer bisher verschlossenen Kapillare wohl
kurzzeitig beobachtet werden, geht aber innerhalb von
wenigen Minuten in die Situation über, wie sie in der
Abb. 5 dargestellt und gerade eben beschrieben worden
ist13.
Pc ven:
12-15 mmHg
Pi: -2
πc ven:
25-28 mmHg
πi:
mmHg
15,7 mmHg
→ Δc-i (>) 0
Keine Reabsorption
Wohin mit dem Fluss ins Interstitium?
Fluss = K(12 + 2) - σ(25 – 15,7)
→
Abb. 5: Starling Prinzip an der Kapillarmembran
Wenn aber keine Reabsorption stattfindet, wohin dann - 4 Starlingkräfte
mit all den Massen an Flüssigkeit, die über die
Kapillarwand ins Gewebe eindringen?
Wie Abb. 6 zeigt, werden diese Massen über das Lymphsystem abtransportiert und von dort wieder über Lymphknoten
oder direkt ins Gefäßsystem aufgenommen. Von dem Gesamtvolumen von 8L Lymphfluss pro Tag fallen etwa 4L an,
die in den Lymphknoten resorbiert werden und 4L, die über den Ductus thoracicus und den Ductus lymphaticus dexter
direkt in das venöse System aufgenommen werden. Das heißt, das menschliche Plasmavolumen wird etwa alle 9
Stunden über Gewebe und Lymphbahnen ausgetauscht 13.
Allerdings führt uns das zu einem anderen
Paradox. Der aus der Starlinggleichung
berechnete Lymphfluss wäre etwa 5-10mal
größer als der tatsächlich beobachtete.
Starling Prinzip an der Kapillarmembran
mit Lymphfluss
Lymphfluss
Eine Reihe spekulativer Theorien wurden zur
Lösung dieses Paradoxons entwickelt.
Am ehesten helfen hier neuere Beobachtungen
zur Feinstruktur der Kapillarmembran und zur
Größe der Membranlücken(Abb. 3 und die dazu
identische Abb. 7).
i
i
Pi
Pi
c
c
Pc
Pc Pc
i
Pc
i
c
c
Pc
Pi
s
hflus
Lymp
hfluss
Lymp
Pc
c c
c
c

Es handelt sich dabei um die Beobachtung, dass
der Bereich des Gefäßinneren, wo Blutfluss
P
P
P
i
i

i
stattfindet, vom Insterstitium nicht nur durch die
i i
Endothelzellen der Kapillarmembran getrennt ist,
Starling Gleichung:
Fluss = K(Pc - Pi) - σ(πc - πi)
sondern auch durch ein Netzwerk von
Pc ven:
12-15 mmHg
Pi: -2
mmHg
Glycosaminoglycan-Ketten, die auf der
πc ven:
25-28 mmHg
πi:
15,7 mmHg
Endothelzellmembran aufsitzen und ins
Fluss = K(12 + 2) - σ(25 – 15,7) →
Δc-i (>) 0
→
Keine Reabsorption
Kapillarinnere hineinragen(YYY in Abb. 7) .
Paradox: Berechneter Lymphfluss >> Gemessener Lymphfluss
Dieses Netzwerk wird bezeichnet als
Abb. 6: Starling Prinzip an der Kapillarmembran mit Lymphfluss
„Glycocalyx“.
Genaueres zur Glycocalyx finden Sie in: Burke-Gaffney A & Evans TW, Lest we forget the endothelial glycocalyx in
sepsis, Critical Care 201214.
c
i
- 20 -
i
i

i
i
i

YYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY

c
Pc
P
P

s
hflus
Lymp
Über die Lücken in der Endothellzellmembran
selbst findet zwar der eigentliche Fluss aus dem Starling Prinzip an der Kapillarmembran
Kapillarinneren ins Interstitium statt, diese
mit Glycocalyx
Lymphfluss
Lücken sind aber so weit, dass auch Proteine wie
hfluss
Lymp
Albumin sie passieren können(Endothellücke 14i
i
21nm, Albuminmolekül 7,1nm13). Den
i P
i
P
P
Endothellücken vorgeschaltet im Kapillarinneren

c
ist aber das Netzwerk der Glycocalyx. Dieses ist
c
bei weitem engmaschiger und bildet
c
P
Pc
Pc
glyc << i
wahrscheinlich das eigentliche ultrafiltrierende
c
c
Element zwischen Kapillare und Interstitium.
c
c c
c
c

Durch den hydrostatischen Druck innerhalb der
YYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYYY
Kapillare strömt Flüssigkeit in den Raum
P
P
P
i
i
i
i
unterhalb der Glycocalyx, größere Moleküle wie
i
Proteine werden dabei herausgefiltert.
Starling Gleichung:
Anschließend strömt diese gefilterte Flüssigkeit,
Fluss = K(Pc - Pi) - σ(πc - πg)
weiter getrieben durch den hydrostatischen
Pc ven:
12-15 mmHg
Pi: -2
mmHg
πi:
15,7 mmHg
Druck, über die Endothellücken ins Interstitium.
πc ven:
25-28 mmHg
π glyc: ?, << πi → Kolloidgehalt ~ 10% ISS
Fluss = K(12 + 2) - σ(25 – 15,7) →
Δc-i (>) 0
→
Keine Reabsorption
Da unter Normalbedingungen dieser Fluss sehr
hoch ist und die Endothelllücken eine
Berechneter Lymphfluss ~ Gemessener Lymphfluss
verhältnismäßig lange Wegstrecke aufweisen,
Abb. 7: Starling Prinzip an der Kapillarmembran mit Glycocalyx
wird dadurch in der Gegenstromrichtung die
Diffusion großer Moleküle aus dem Interstitium stark behindert. Es entsteht ein Gefälle der Konzentration von
Proteinen(berechnet etwa 10fach) zwischen Interstitium und dem Raum zwischen Glycocalyx und der eigentlichen
Endothelmembran. Der kolloidosmotische Druck kann deshalb in diesem Raum sehr niedrig sein. Die Differenz der
kolloidosmotischen Drücke zwischen zentralem Kapillarbereich – dort wo das Blut fließt - und dem Raum zwischen
Glycocalyx und Endothelmembran(πc – πg) ist deshalb sehr viel größer als wie die Differenz zwischen zentralem
Kapillarbereich und interstitiellem Raum(πc – πi). Diese höhere Differenz vermindert den Einstrom aus der Kapillare
über Glycocalyx und Kapillarwand ins Gewebe auf eine Größe, wie sie auch experimentell beobachtet werden kann.
Durch Zwischenschaltung der Glycocalyx-Barriere sind dagegen die Auswirkungen des kolloidosmotischen Drucks im
Interstitium auf den Flüssigkeitseinstrom stark abgeschwächt. unterstützt wird diese Vorstellung dadurch, dass im
Experiment nach Entfernung der Glycocalyx der transkapilläre
Fluss ins Interstitium erheblich ansteigt. - Unter diesen
Bedingungen entsteht dann eine Situation, wie sie in Abb. 6
dargestellt ist.
c
i
i

i

Dieses Modell macht es uns besser möglich, das
Verhalten infundierter Flüssigkeiten, so wie wir es
unter pathophysiologischen Bedingungen beobachten
können, zu erklären und damit unsere
Infusionstherapie zielorientiert steuern zu können.
Hypovolämie, Hypotonie und Schock
Die normale Situation an der Kapillarwand sehen Sie
vergrößert in Abb. 8
Die Durchblutung der Kapillare erzeugt
hydrostatischen Druck auf die Kapillarwand und
Flüssigkeit strömt dadurch ins Interstitium ein.
Größere Moleküle, wie die Proteine werden dabei
vom Glycocalyxsaum ausgefiltert. Da der aber nicht
ganz dicht ist, können Sie in der Abbildung ein kleines
Albuminchen zwischen Glycocalyx und
Endothelmembran entdecken.
Anders ist es bei Hypotonie oder im Kreislaufschock.
Die Durchblutung der Kapillare nimmt mehr oder
- 21 -
Abbildung 8: Normale Verhältnisse an der
Kapillarwand
weniger stark ab, damit ebenso der hydrostatische Druck innerhalb der Kapillare. Der Fluss ins
Interstitium wird damit ebenfalls mehr oder weniger stark reduziert(Abb. 9).
Kurzfristig überwiegt der kolloidosmotische Druck der Proteine im Gefäßinneren, es kommt zum
Einstrom von Flüssigkeit aus dem Glycocalyx-Raum und Interstitium ins Kapillarinnere; zusätzlich
zu einem Einstrom von kleinen Proteinen aus dem Interstitium in den Raum unterhalb der
Glycocalyx. Dadurch entsteht wieder ein Gleichgewicht der hydrostatischen und
kolloidosmotischen Kräfte an der Kapillarwand und der Flüssigkeitsseinstrom aus dem Gewebe ins
Gefäß(Autotransfusion) endet.
(Quantitative Angaben dazu in der Literatur – oft
werden bis zu 50% des verlorenen Volumens genannt sind sehr vage. Sie stammen aus Untersuchungen mit
definierten Blutverlusten – bei 900 ml Blutverlust
etwa 150-250ml Autotransfusion15,16, oder werden
hochgerechnet aus Experimenten, bei denen auf die
untere Körperhälfte ein Unterdruck ausgeübt worden
war – für den gesamten Körper eine berechnete
Autotransfusion von etwa 700ml17). Dieser
Autotransfusionsvorgang ist innerhalb weniger
Minuten beendet. Der Abfall der
Hämoglobinkonzentration, den wir bei länger
anhaltenden, vor allem bei chronischen Blutungen
sehen – zum Beispiel unteren gastrointestinalen
Blutungen – kommt dagegen durch eine länger
anhaltende Flüssigkeitsretention zu Stande, vermittelt
durch das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Das
sind dann die Patienten, die ohne Trauma mit einem
Hämoglobingehalt zwischen 4-5 g/dL zu uns in die
Abbildung 9: Kapillarwand im Schock
Aufnahme kommen, immer noch gut
kommunikationsfähig sind und nach Auftransfusion
keine gößeren Körperschäden durch die Blutung
erkennen lassen. – Zu Fuß in die Klinik kommen
Patienten in diesem Zustand allerdings nicht mehr.
Beginn der Infusionstherapie
Wenn wir dann unsere Infusionstherapie starten,
kommt wieder Volumen ins System. Aber zuerst
einmal wird damit das Gefäßinnere aufgefüllt. Der
hydrostatische Druck auf die Kapillarwand bleibt
dabei weiterhin gering(Abb. 10). Ganz gleich, welche
Flüssigkeit wir in die Gefäßbahn schütten – ob nur
kristalloid oder kristalloid und kolloid – Das
infundierte Volumen bleibt zum größten Teil erst
einmal innerhalb des Gefäßinneren, ganz gleich
welche Zusammensetzung die verwendete
Infusionslösung hat. Unter Hypovolämie nach Blutung
bleibt ohne einen ausreichenden, kapillarauswärts
gerichteten hydrostatischen Druck deshalb auch das
infundierte Volumen kristalloider Lösungen zuerst
einmal zu einem größeren Anteil innerhalb der
- 22 -
Abb. 10: Beginn der Infusionstherapie
Gefäßbahn erhalten als wie unter Normovolämie15. Erst wenn durch ausreichende Volumengabe ein
höherer hydrostatischer Druck an der Kapillarwand aufgebaut worden ist, kommt der
Flüssigkeitsausstrom ins Gewebe wieder in Gang und die Infusion kristalloider Lösungen verliert
einen großen Teil ihrer intravaskulären Volumenwirksamkeit18(nächste Abbildung 11).
Wenn wir dann kolloidale Volumenersatzlösungen
nachfahren(Abb. 11 oben) oder bereits vorher gegeben
haben, hält die Erhöhung des kolloidosmotischen
Drucks, den diese Lösungen innerhalb der Kapillare
bewirken, einen Teil des Ausstroms zurück und
stabilisiert das intravaskuläre Volumen, das für
Perfusion und Sauerstoffversorgung der peripheren
Gewebe zur Verfügung steht(Abb. 11).
Für die klinische Praxis heißt das, dass im Schock die
Art der infundierten Flüssigkeit für die Auffüllung des
Gefäßsystems anfangs keine allzu große Bedeutung
besitzt. Erst dann, wenn wieder halbwegs normale
Durchblutungsverhältnisse hergestellt sind, hängt die
Quantität der im Gefäßssystem verbleibenden
Infusionsmenge zunehmend von den Eigenschaften
der infundierten Lösung ab.
Aber nicht nur bei Blutverlust, auch in anderen Fällen
von Hypotonie oder Hypovolämie können Sie eine
bessere Volumenwirksamkeit von kristalloiden
Lösungen beobachten, als wie in klassischen
Abbildung 11: Kristalloide und Kolloide
Verteilungstudien gemessen worden ist.
Die Vasodilatation im Rahmen einer Allgemein-, Spinal- oder Periduralanästhesie führt ebenfalls
zur Verminderung des intravaskulären hydrostatischen Drucks an der Kapillarwand und damit zu
einer leicht erhöhten Retention der infundierten Flüssigkeit.
So etwas kann beobachtet werden bei Infusion von NaCl 0,9% unter Isoflurannarkose 19. Ebenso verbessert sich die
Wirkung einer laufenden Ringer-Laktat-Infusion, wenn nach Narkoseeinleitung mit Propofol oder dem Einsetzen einer
Periduralanästhesie der mittlere arterielle Druck(MAP) abfällt20. Bei der Spinalanästhesie weist eine kristalloide Lösung
einen höheren Volumeneffekt auf, wenn sie erst während des Eintritts der Sympathikolyse nach Injektion des
Lokalanästhetikums, dafür aber schnell, intravasal einläuft im Vergleich zu einer Infusion noch vor dem Anlegen der
Spinalanästhesie21,22.
Kristalloide in der Volumentherapie - besser als ihr Ruf - Vor allem wenn man es geschickt anlegt.
Bei niedrigen hydrostatischen Drucken an der Kapillarwand, bei Hypotonie oder Hypovolämie,
verzögert sich der Umverteilungsprozess aus der Kapillare ins Interstitium und das infundierte
Volumen bleibt dem zirkulierenden Blutvolumen länger als wie unter normovolämischen
Bedingungen erhalten12,23.
Wird normovolämischen Probanden 900 ml Blut abgenommen, kann der Volumenverlust bei
zügiger Infusion von Ringerlösung 900 ml nahezu ganz und mit 1800 ml überkompensiert
werden16. Das allerdings nur, wenn die Volumenmessung des zirkulierenden Blutvolumens
unmittelbar nach Infusionsende erfolgt. Der Umverteilungsprozess der infundierten Lösung ins
Gewebe ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht beendet. Ein wesentlicher Anteil der
Infusionslösung findet sich noch im Gefäßsystem Zu einer Gleichverteilung kommt es erst etwa 30
Minuten nach Infusionsende12.
- 23 -
Das heißt, wenn eine Infusion läuft, können Sie den Anteil des infundierten Volumens, das während
der Infusion vom Interstitium aufgenommen wird und damit nicht mehr zu einer Verbesserung der
Perfusion im Blutkreislauf beitragen kann, durch kontinuierliche Neuzufuhr aus der laufenden
Infusion ersetzen. Nomogramme, über wie lange Zeit und mit welcher Geschwindigkeit Sie dazu
die Infusion laufen lassen müssen, sind in der Literatur zu finden15.
Zusätzlich trägt unter Narkose eine verminderte Urinausscheidung zu einer vorläufigen
intravaskulären und damit perfusionswirksamen Flüssigkeitsretention bei, wenig später damit aber
auch zu vermehrter Gewebeaufnahme und Ödembildung12,19.
Mit solchen kleinen Tricks – kontinuierlich laufende Infusion, Nutzung von Vasodilatation und
Retention der Urinausscheidung unter Narkose – können Sie, auch wenn Sie nur mit kristalloiden
Infusionslösungen arbeiten, über einen kürzeren Zeitraum, wie etwa für die Zeitdauer einer
Operation, ein intravaskuläres Volumen aufbauen und halten, das eine großzügige Perfusion und
Sauerstoffversorgung der peripheren Organe und Gewebe ermöglicht. Auf längere Dauer erkaufen
Sie sich diesen Vorteil aber mit Flüssigkeitszunahme und Ödembildung im extravaskulären
Bindegewebe.
Kolloidale Volumenersatzlösungen
Mit der Verwendung kolloidaler Infusionslösungen können Sie dagegen das infundierte Volumen
länger im Gefäßsystem halten, brauchen kurz- bis mittelfristig weniger an Infusionsvolumen um
dieselbe Perfusionsleistung zu erzielen und erreichen diese nach kürzerer Infusionsdauer. Kolloidale
Volumenersatzlösungen sind isotone Elektrolytlösungen, in denen zusätzlich gößere Moleküle
gelöst sind, die auf Grund ihrer Größe nur in geringer Menge und sehr langsam ins Interstitium
übertreten können. Sie üben deshalb auf die intravasale Flüssigkeit einen nach innen gerichteten
kolloidosmotischen Druck aus, der die intravasale Flüssigkeit am Austreten über die Gefäßwand
hindert.
Aber auch die Wirkungsdauer kolloidaler Infusionslösungen ist begrenzt. Im Vergleich zur
minutenlangen Volumenwirksamkeit der kristalloiden Lösungen ist sie allerdings im Bereich von
mehreren Stunden angesiedelt. Nach Aufnahme ins Gewebe, Verstoffwechselung oder Abbau und
Auscheidung der Abbauprodukte über die Niere – innerhalb eines Zeitraums von einigen Stunden –
verhält sich die Trägerlösung wie eine andere normale kristalloide Lösung auch, verteilt sich
genauso wie diese zwischen Gefäßraum und Interstitium oder wird über die Niere ausgeschieden.
Wenn Sie den gewonnenen Volumeneffekt aufrecht erhalten wollen, müssen Sie mit weiteren
Infusionen kolloidaler Volumenersatzlösungen fortfahren.
Im Folgenden finden Sie einen kurzen Abriss über die derzeit üblichen kolloidalen
Volumenersatzlösungen – Die Textgröße ist nach Bedeutung und Anwendungshäufigkeit in der Infusionstherapie
bei uns gestaltet. Eine genauere Charakterisierung der einzelnen Substanzen finden Sie im Anhang.
Natürliche Kolloide
Albumin
Monodispers(alle Teilchen sind gleich groß)
- Wirkdauer 3 – 4 Stunden(Albumin wird ins Gewebe aufgenommen, aber nur sehr langsam und
je nach Gewebeart sehr verschieden. In den Lebersinusoiden ist es frei passierbar, in Haut,
Muskel und Fettgewebe ist dagegen ein aktives Transportsystem nötig, um Albumin überhaupt
ins Gewebe aufnehmen zu können24)
- Hohe Kosten.
- 24 -
- Dokumentation der verwendeten Einzelchargen nötig.
- Im Gegensatz zu anderen Ländern bei uns selten zur Volumentherapie eingesetzt; eher zur
Therapie der Hypalbuminämie bei Leberzirrhose
- Bewertung in klinischen Studien wechselnd
Z. B. Albumin 5% in 0,9% NaCl.
Plasmaproteine, z. B. Fresh Frozen Plasma
Nach Blutspende abgetrenntes und zum Erhalt der Gerinnungsfaktoren tiefgefrorenes Blutplasma
- Nur bei Gerinnungsstörungen nach erheblichen Blutverlusten, Synthesestörungen oder Verbrauchskoagulopatien
verwendet.
- Dokumentation der einzelnen Einheiten nötig.
Künstliche Kolloide
Alle Polydispers(Teilchengröße verschieden, vgl. Abb 12)
Hydroxyäthylstärke(HÄS)
- Amylopektin aus Mais oder Kartoffeln:
Stärkekleister
Substitution der Stärkemoleküle mit Hydroxyäthylgruppen zum Schutz vor dem Abbau
durch Alpha - Amylase
- Viele pharmazeutische Zubereitungsmöglichkeiten(für kürzere oder längere Wirkdauern, normooder hyperonkotisch mit erhöhter Volumenwirkung – in der Praxis aber eingeschränkt durch
vermehrte Komplikationen bei vielen Varianten)
- Wirkdauer 3 - 6 Stunden(Abbau der Stärkemoleküle durch Alpha-Amylase und Ausscheidung
über die Nieren, wenn die Größe der abgebauten Moleküle die Nierenschwelle unterschreitet,
vgl. Abb. 12)
- Potentielle Nierenschädigung
- Gerinnungsstörungen, Juckreiz, Wochenlange Speicherung im retikuloendothelialen
System(RES)
- Bewertung in klinischen Studien wechselnd
- Wenig Allergien.
Z. B. Hydroxyäthylstärke 6%, mittleres Molekulargewicht 130 000, Substitutionsgrad 0,4(das heißt
4 Hydroxyäthylgruppen pro Glucoseeinheit im Stärkemolekül) in balanzierter Vollelektrolytlösung.
Gelatine – Polymere Polypeptide aus Rinderknochen, -knorpel, -sehnen:
Knochenleim
Harnstoffvernetzung oder andere chemische Aufbereitungen zum Erhalt der Fließfähigkeit
bei Raumtemperatur
(Ansonsten haben Sie auf der Bergwachthütte Sülze in den Infusionsflaschen, so wie im Metzgerladen.)
- Keine oder wenig Nierenschädigung – Deshalb mögliche Alternative zu HÄS
- Preiswert
- Geringe Wirkdauer von 1 - 2 Stunden(Ausscheidung über die Niere und Abbau durch
Peptidspaltung)
- Volumeneffekt gering(50 - 70%. Das heißt 1L Infusion hat intravasal eine Volumenwirksamkeit
wie etwa 500 - 700ml Blutplasma)
- Häufig allergische Reaktionen
Z. B. Gelifundol 4%
- 25 -
Dextrane – Hochmolekulare Polysacharide: Zuckerguss
- Heute obsolet wegen Gerinnungsstörungen, potentieller Nierenschädigung, Allergien
- 26 -
Polydispersität kolloidaler Volumenersatzmittel
Polydispersität bei kolloidalen Volumenersatzmitteln heißt, dass die in ihnen wirksamen Makromoleküle
keine einheitliche Molekülgröße aufweisen, sondern die Größe der in Lösung befindlichen Moleküle
über ein breites Spektrum zwischen klein und sehr groß verteilt ist(Poly=vielfach, Dispersion=verteilt).
Anzahl der Moleküle
Nierenschwelle
mit dem jeweiligen (Moleküle unterhalb dieser Größe werden durch die Niere ausgeschieden
und sind damit nicht mehr onkotisch wirksam)
Molekulargewicht
in der Lösung
Zahlenmittel
(das am häufigsten vorkommende Molekulargewicht
und damit am onkotisch wirksamsten, da hier
die größte Anzahl an onkotisch wirksamen Teilchen
in der Lösung enthalten ist).
Gewichtsmittel
(das mittlere
Molekulargewicht
der gelösten Teilchen.
Je höher bei Hydroxyäthylstärke, umso mehr
Gerinnungshemmung und längere Wirkungsdauer
bis alle Moleküle abgebaut sind
und über die Niere ausgeschieden werden können).
Bei Hydroxyäthylstärke werden gößere Moleküle
durch die Alpha-Amylase langsam aber sicher
zu kleineren Molekülen abgebaut, bis ihre Größe
die Nierenschwelle unterschreitet
und sie über die Niere ausgeschieden werden.
Daher sind sie dann auch nicht mehr onkotisch wirksam.
Wenn die großen Moleküle aber in kleinere Moleküle
und damit in eine größere Anzahl
von einzelnen Teilchen abgebaut werden,
wird die onkotische Wirkung der Lösung
durch die Vermehrung der Anzahl
von onkotisch wirksamen Teilchen
für eine gewisse Zeit aufrechterhalten,
bis auch deren Abbau
die Nierenschwelle unterschritten hat.
Molekulargewicht und Molekülgröße
Abbildung 12: Polydispersität kolloidaler Volumenersatzlösungen und ihre Auswirkungen auf
Pharmakokinetik und -dynamik.
- 27 -
Kolloidale Volumenersatzlösungen in der Kurzzeitanwendung – Stunden bis 1 Tag
Ältere und aktuelle Untersuchungen in Labor und Klinik zeigen dass bei der Therapie mit
kolloidalen Volumenersatzlösungen mehr des infundierten Volumens im Gefäß verbleibt als wie bei
reinen kristalloiden Lösungen und weniger periphere Ödeme und Organschäden entstehen.
Nebenwirkungen sind dabei gering bis fehlend. Dazu einige aktuelle Beispiele:
Bei Labor-Schweinen kommt es ausgehend von einem Hämatokrit von 30% nach Austausch von 1 Teil Blut gegen
1 Teil HÄS-Lösung oder 3 Teilen Vollelektrolytlösung bis ein Hämatokrit von 20% oder 15% erreicht ist unter
Austausch mit Elektrolytlösung zu einem Abfall der mikrovaskulären Oxigenierung in der Niere um 30-65% zum
Abfall der Kreatinin-Clearance um 45% und mehr interstitiellem Ödem im Nierengewebe. (Konrad FM et al, Acute
Normovolemic Hemodilution in the Pig is Associated with Renal Tissue Edema, Impaired Renal Microvascular
Oxygenation and Functonal Loss - Anesthesiology 201325)
Die Lunge kann voher noch zusätzlich durch Kochsalzspülung und ein erhöhtes Atemzugvolumen geschädigt, und
als zusätzlicher Schaden eine Hämorrhagie von 25% des Blutvolumens zugefügt werden. Wird anschließend
Elektrolyt-(Ringeracetat), Gelatine- oder HÄS-Lösung infundiert um 90% des intrathorakalen Blutvolumens vor
Blutung wiederherzustellen und über 4 Stunden aufrechtzuerhalten wird unter HÄS und Gelatine als Volumenersatz
ein geringeres Infusionsvolumen benötigt als wie unter Elektrolytlösung. Histologischer Lungenschaden und
Lungenödem sind ebenfalls geringer. Der histologische Nierenschaden unter HÄS ist dabei genauso groß als wie der
unter Elektrolytlösung und geringer als wie unter Gelatine.
(Silva PL et al, Effects of Intravascular Volume Replacement on Lung and Kidney Function and Damage in
Nonseptic Experimental Lung Injury - Anesthesiology 201326)
Bei Menschen findet eine Metastudie über Nierenschäden durch Infusionstherapie bei operativen
Eingriffen in 17 Studien, in denen HÄS mit anderen Infusionslösungen verglichen worden, ist keine
Unterschiede bei Kreatinin, Kreatinin-Clearance, Nierenversagen und Nierenersatztherapie.
(Martin et al, Effect of Waxy Maize-derived Hydroxyethyl starch 130/0.4 on renal Function in surgical Patients –
Anesthesiology 201327). Bei penetrierenden Verletzungen konnten unter Infusionstherapie mit HÄS sogar weniger
Nierenschäden beobachtet werden28.
- 28 -
Langzeit-Therapie mit kolloidalen Volumenersatzlösungen(Tage, Wochen)
Oder: The Colloid Blues
Physiologisch, experimentell und wie in den klinischen Kurzzeitstudien auch beobachtet werden
konnte, ist das Konzept, durch die Infusion kolloidaler Lösungen verlorenes oder fehlendes
Blutvolumen im Gefäßsystem zu ersetzen und durch deren kolloidosmotischen Druck im Gegensatz
zu rein kristalloiden Lösungen das infundierte Volumen über längere Zeit im Gefäßsystem zu halten
und damit eine bessere Durchblutung der peripheren Gewebe zu erzielen, natürlich bestechend.
Wenn es aber darum geht, langfristig wichtige therpeutische Ziele, wie eine höhere Überlebensrate
unter weniger Komplikationen zu erreichen, zeigen klinische Studien leider, dass der Effekt
kolloidaler Volumenersatzlösungen unter den meisten klinischen Bedingungen auf Dauer, über
mehrere Tage und Wochen lang, sehr begrenzt, wenn nicht gar schädlich ist. Der positive
Volumeneffekt relativiert sich, das Gewicht von schädlichen Nebenwirkungen wird dagegen
kumulativ stärker.
In den letzten Jahrzehnten wurden in vielen klinischen Untersuchungen zur Infusionstherapie
kolloidale Lösungen mit kristalloiden Lösungen verglichen, aber auch Vergleiche zwischen
kolloidalen und kristalloiden Lösungen untereinander durchgeführt. Untersucht wurde dabei vor
allem Albumin und Hydroxyäthylstärke, letztere in älteren und neueren Varianten, seltener auch
Gelatine-Lösungen, und verglichen mit isotoner NaCl-, balancierter oder auch nicht balancierter
Ringerlösung oder anderen Kristalloiden. Gelegentlich wurden auch hypertone/hyperonkotische
Lösungen untersucht.
In vielen dieser Untersuchungen ist Hydroxyäthylstärke im Langzeiteinsatz über Tage und Wochen
verbunden mit:
- Erhöhter Mortalität(in den neueren Untersuchungen umstritten)
- Mehr Nierenschäden
- Mehr Nierenersatzverfahren/Dialyse
- Mehr Bluttransfusionen
- Juckreiz nach längerer Anwendung
- Nur geringem Einspareffekt von Infusionsvolumen
- Kostet mehr
im Vergleich zu kristalloiden Infusionslösungen.
In absteigender Häufigkeit gilt dies bei:
Sepsis
Intensivpatienten
Trauma
Perioperativ
→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→
Albumin ist vom Volumeneffekt her nicht besser, hat aber kaum Nebenwirkungen und senkt möglicherweise
geringfügig die Mortalität im Vergleich zu NaCl29,30.
Neuere Studien finden Sie unter31-36, eine Besprechung einzelner Studien unter37,38 und Metastudien
unter24,39-42 sowie dezidierte Meinungsäußerungen unter43-46, darunter auch geharnischte
Verdammungen von HÄS45,47.
Auf Initiative des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und
Intervention mehrerer Studienautoren hat das Pharmocovigilance Risk Assesment
Commitee(PRAC) der European Medicines Agency(EMA – „Europäisches Gesundheitsamt“) im
Juni 2013 als Konsequenz eine Rücknahme der Marktzulassung für HÄS empfohlen.
- 29 -
In einer Entscheidung vom 25. 10. 2013 Argumente pro HÄS
hat die Coordination Group for Mutual (Zum Teil auch Pro
Albumin und Gelatine)
Recognition and Decentralised
Procedures – Human (CMDh) der EMA In diesen Langzeitstudien
dieser Empfehlung in einer revidierten Patienten mit höheren
Creatininwerten als wie für HÄS
Fassung zugestimmt und zur
empfohlen
Gesetzgebung an die Europäische
HÄS-Lösungen zum Teil
hyperonkotisch -> Austrocknung des
Kommission weitergeleitet.
In dieser Fassung wird empfohlen,
HÄS nicht mehr zu verwenden bei
Sepsis, Verbrennungen und kritisch
kranken Patienten, sondern nur noch
zum Volumenersatz bei Blutverlusten.
Den genauen Text dazu finden Sie auf:
http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/docume
nt_library/Press_release/2013/10/WC50015312
5.pdf
Diese Vorgänge haben natürlich die
Wellen der Erregung emotional
hochschlagen lassen(SPIEGEL-Zitat:
„Hinter den Kulissen fliegen die
Fetzen“). Eine kleine Illustration der
Argumente, die sich Gegner und
Befürworter von HÄS gegenseitig an
den Kopf werfen, finden Sie in der
nebenstehenden Tabelle 4.
Argumente gegen HÄS
(Zum Teil auch gegen Albumin und
Gelatine)
In unseren neuen Langzeitstudien
Wir haben in beiden Gruppen
niereninsuffiziente Patienten
aufgenommen
Wir verwenden isoonkotische HÄGSLösungen
Interstitialraums -> Verschlechterung
der Nierenfunktion
Erhöhte Mortalität nur bei älteren
HÄS-Lösungen
Keine höhere Mortalität in neueren
Studien
Bei Sepsis immer noch erhöhte
Mortalität
Die Patientzahl in der Studie mit den
Die neueren Studien sind für den
meisten Patienten war extra so hoch
Mortalitätsnachweis zahlenmäßig
gewählt worden um statistisch den
underpowered
Nachweis einer erhöhten Mortalität zu
ermöglichen und fand keine erhöhte
Mortalität
Wenn, dann ist die Kartoffelstärke
schuld an der höheren Mortalität(?)
Uralte HÄS-Präparationen mit
höherem Molekulargewicht als wie
heute empfohlen
Wir machen Studien mit modernen
HÄS-Lösungen und kommen zu
ähnlichen Ergebnissen
HÄS-Lösung überdosiert
Wir führen Dosisbegrenzungen für
HÄS ein
Keine sonstigen Dosierungsrichtlinien
?
Keine klaren hämodynamischen
Endpunkte definiert
?
?
Keine oder nur geringe
Flüssigkeitseinsparung durch HÄS
?
Kristalloide sind billiger als kolloidale
Volumenersatzmittel
?
Zu kurze Beobachtungszeiten
Zu viele Patienten mit verschiedenen
Krankheiten in einem Topf
Zu viele einzelne Töpfe mit zu
wenigen Patienten pro Topf
Gezielte therapeutische Auswahl wird
durch Blinding verhindert
Kein Blinding
Schlechtes Studiendesign, hohe
Variabilität in Untergruppen
Schlechtes Studiendesign, hohe
Variabilität in Untergruppen
Schlechte Dokumentation in einer
Studie mit erstaunlich hoher
Mortalität(51%)
?
Dann kann man gleich auch isotone
Kochsalzlösung verbieten
?
Tabelle 4: Argumente pro und contra HÄS
Einige Bemerkungen meinerseits scheinen mir dazu angebracht:
Auffällig sind meines Erachtens gar nicht so sehr die Komplikationen. Die sind eigentlich schon
länger bekannt und es verwundert eigentlich nicht, wenn sie bei längerer Anwendung kumulieren.
Was mich vor allem wundert ist, dass einer der wesentlichsten Gründe, weshalb kolloidale
Volumenersatzmittel überhaupt eingesetzt werden, nämlich denselben intravasalen Volumeneffekt
mit einer geringeren Menge an Infusionsvolumen zu erzielen, sich so gar nicht widerspiegelt in den
- 30 -
Ergebnissen dieser Langzeituntersuchungen. Verständlicher wird dies, wenn bedacht wird, dass
nach Abbau, Ausscheidung oder Gewebeaufnahme der kolloidalen Bestandteile dieser Lösungen
immer noch die kristalloide Träger-Flüssigkeit übrigbleibt, die sich genauso ins Gewebe verteilt wie
eine normale Elektrolyt-Lösung unmittelbar nach Anlegen der Infusion. Da der Extravaskulärraum
zwar viel an Flüssigkeit aufnehmen kann, das Aufnahmepotential aber dennoch endlich
ist(Intensivpatienten platzen normalerweise nicht, werden von ihrem Aussehen her aber häufig mit
dem Michelin-Männchen verglichen) führt die kontinuierliche Flüssigkeitsaufnahme, gleich ob sie
schneller, wie bei Kristalloiden oder langsamer, wie bei Kolloiden, vor sich geht, zumindest
theoretisch, wenn die maximal mögliche Ausdehnung erreicht ist, zum gleichen Extravasalvolumen.
In der Praxis wird dies natürlich über die Nierenausscheidung in Grenzen gehalten.
Speziell in der schweren Sepsis kommt aber noch ein
weiteres Phänomen dazu. Schauen Sie sich dazu
bitte d a s hier an(die Katastrophe im
nebenstehenden Bild rechts, Abb. 13):
Wenn unter pathophysiologischen Bedingungen oder
allein schon durch forcierte Infusionstherapie die
Glycocalyx abrasiert wird, oder wie noch vor der
Entdeckung der Glycocalyx beobachtet, die
Kapillarmembran unter der Einwirkung
verschiedenster Mediatoren, wie sie unter Schock,
Trauma und vor allem Sepsis freigesetzt werden,
auch für größere Moleküle durchlässiger wird, spielt
die An- oder Abwesenheit von größeren Molekülen
in der verwendeten Infusionsflüssigkeit zunehmend
eine geringere Rolle: Alle diese Flüssigkeiten
verteilen sich schneller über die Kapillarmembran
und führen zu Ödemen im Gewebe. Für eine gute
Perfusion bleibt dann innerhalb des Gefäßsystems
weniger übrig.
Zur Illustration, was da alles möglich ist, ein Zitat
aus Woodcock & Woodcock, Revised Starling equation and the
glycocalyx model of transvascular fluid exchange: an improved Abbildung 13: Kapillarmembran in der Sepsis
paradigm for prescribing intravenous fluid therapy British J. of Erhöhung der Kapillarpermeabilität durch
Anaesthesiology 201248
Verlust der Glycocalyx, Öffnen weitlumiger
“It appears, on the evidence from human studies to date, that Poren und Defekte in der Endothelmembran.
the endothelial glycocalyx layer is compromised in systemic inflammatory states such as diabetes, hyperglycaemia,
surgery, trauma, and sepsis.
Inflammatory mediators which have been implicated so far include C-reactive protein, A3 adenosine receptor
stimulation, tumour necrosis factor, Bradykinin, and mast cell tryptase.” … und so weiter und so fort.
In der Kritik an kolloidalen Volumenersatzmitteln wird weiter bemängelt, dass Studien und
Experimente, die deren Einsatz in einem besseren Licht beleuchten, oft nur sehr kurze
Beobachtungszeiträume aufweisen. Aber das ist auch ein Hinweis, dass kolloidale
Volumenersatzmittel im Kurzzeit-Einsatz durchaus die Vorteile besitzen, die ihnen zugeschrieben
und im Experiment und in der Klinik beobachtet werden können. Dafür sprechen die vorher
dargestellten Beispiele aus aktuellen Untersuchungen für den kurzzeitigen Einsatz in Experiment
und Klinik. Schwerpunkt solch kurzzeitiger Einsätze dürften vorzugsweise unfall-, iatrogen bei
Operationen oder pathologisch(z. B. akut gastrointestinal) bedingte Blutungen im präklinischen,
klinischen und perioperativen Raum sein.
Subjektiv würde ich(CL) das folgendermaßen zusammenfassen:
- 31 -
Bei Langzeitanwendung
- Schwindet der Volumen einsparende Effekt von Kolloiden
- Nebenwirkungen treten kumulativ hervor
Mögliche Konsequenz:
Kolloidale Volumenersatzlösungen bringen Vorteile bei der
initialen Volumenresuszitation und kurzzeitigen Therapie
- Präklinisch und klinisch nach akuter Blutung
- Perioperativ
Die Auswirkungen beim Langzeiteinsatz, vor allem in der Sepsis, sind dagegen
kritischer zu sehen. Der Sinn eines kontinuierlichen Einsatz' kolloidaler
Volumenersatzlösungen ist hier derzeit zumindest fraglich. Es sei denn, spezielle Indikationen
legen einen punktuellen Einsatz nahe.
Zusammenfassung Volumentherapie
Bei größeren akuten Blutungen führt der Blutverlust zu einer Verminderung des intravaskulären
Volumens, zum Abfall des peripheren Perfusionsdrucks und damit zur Minderdurchblutung der
peripheren Gewebe und deren Minderversorgung mit Sauerstoff. Hier sind Infusionen notwendig,
die geeignet sind, den intravaskulären Raum wieder aufzufüllen. Sie sollten dort auch möglichst
lange verbleiben um eine ausreichende Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Körpers zu
gewährleisten. Außer beim hämorrhagischen oder Blutungsschock kommt eine solche Therapie
auch noch in Frage um die erhöhte Fassungskapazität des Gefäßsystems bei Schockformen mit
Vasodilatation als Ursache zu kompensieren, z. B. beim anaphylaktischen und septischen Schock.
Da bei diesen Schockformen aber primär nicht intravaskulärer Flüssigkeitsverlust die Ursache des
Schocks ist, steht hier vorwiegend die Therapie der Ursachen im Vordergrund.
Bei fehlendem hydrostatischen Druck im Gefäßsystem kann kurzfristig eine begrenzte Menge an
Flüssigkeit aus den Geweben in das Gefäßsystem eindringen und in geringem Grad zu dessen
Auffüllung beitragen.
Für die darauf folgende Infusionstherapie gilt:
Jede verträgliche Infusionslösung ist besser als keine Infusionslösung.
Eine Infusion von kristalloiden Infusionslösungen baut mit zunehmender Auffüllung des
Gefäßsystems den hydrostatischen Druck an der Kapillarmembran wieder auf. Dies führt zu einem
raschen Verlust eines Großteils des infundierten Volumens ins Interstitium, die Volumenwirksamkeit
kristalloider Infusionslösungen im Gefäßsystem über längere Zeit ist damit sehr begrenzt. Um sie
aufrecht zu erhalten müssen große Infusionsvolumina infundiert werden, die wiederum zu
ödematösen Schwellungen im Gewebe und damit zu längeren Transportwegen für Sauerstoff führen
können. In der Lunge kann ein vermehrter Flüssigkeitsgehalt die Sauerstoffaufnahme hemmen.
Werden den Infusionslösungen natürliche und künstlich hergestellte Moleküle(„Kolloide“)
zugesetzt, die so groß sind, dass sie nur geringfügig durch die Kapillarwand diffundieren, können
diese Moleküle im Gefäßsystem einen zusätzlichen kolloidosmotischen(oder onkotischen) Druck
aufbauen(„kolloidale Volumenersatzmittel“). Der wirkt dem Ausstrom der infundierten
Flüssigkeit entgegen. Die intravasale Verweildauer der infundierten Lösung ist länger, der angestrebte Volumeneffekt wird schneller erreicht und es wird dafür eine geringere Menge an Infusionslösung benötigt. Die Ödembildung in den Körpergeweben ist deshalb auch bei weitem geringer.
Dies wird erkauft durch pharmakologische Nebenwirkungen der einzelnen Produkte, die Ihren
- 32 -
Einsatz für einzelne Indikationen und Patientengruppen quantitativ stark einschränken oder sich
ganz verbieten. Bei längerem Einsatz vermindern sich sich die positiven Effekte und schädliche
Nebenwirkungen kumulieren. Bei den künstlich hergestellten Kolloiden haben die neuesten
Produkte die wenigsten Nebenwirkungen.
Häufiger eingesetzte Produkte sind:
Name
Genannte
Wirkdauer
Vorteil
Nachteil
(Human-)
Albumin
3-4 h
Natürliche Substanz, wenig
Nebenwirkungen
Teuer, Dokumentation nötig
Hydroxyäthyl- 3-6 h
stärke
(HÄS)
Längere intravasale
Verweildauer, höhere
Volumenwirksamkeit
Kaum Allergien
Am häufigsten eingesetztes
künstliches Kolloid
Billig
Nierenschädigungen
Gerinnungsstörungen
Lang dauernder Juckreiz nach
längerer Therapie
Dosisbegrenzung wegen
Nebenwirkungen
Gelatine-Lösungen
Kaum Nierenschädigungen
Noch billiger
Geringere intravasale
Verweildauer, geringere
Volumenwirksamkeit
Häufiger Allergien
1-2 h
Tabelle 5: Häufiger verwendete kolloidale Volumenersatzmittel.
In der operativen und Notfall-Medizin wird meistens Hydroxyäthylstärke eingesetzt, da sie das
beste Preis-Leistungsverhältnis besitzt: Bei größerem akutem Blutverlust gemeinsam mit
kristalloiden Lösungen infundiert, anfangs im Verhältnis 1:1, später mit einem steigenden Verhältnis
an Kristalloiden bis zur Grenzdosis von HÄS(30 ml/kgKG), was in der Akuttherapie selten erreicht
wird – oft ist vorher schon Blut nötig.
Bei kurzzeitiger Anwendung, so etwa bei Blutverlusten nach Unfällen, Operationen und
spontanen Blutungen(z. B. bei akuter gastrointestinaler Blutung), treten die positiven Eigenschaften
kolloidaler Volumenersatzlösungen hervor: Mehr des infundierten Volumens bleibt im Gefäß und es
bleibt länger. Es entstehen weniger periphere Ödeme und Organschäden. Bei Einhaltung von
Dosisbegrenzungen sind Nebenwirkungen dabei gering bis fehlend.
Unter längerdauernder Anwendung bei Intensiv- und Sepsis-Patienten relativiert sich der
volumeneinsparende Effekt und der Vorteil gegenüber kristalloiden Infusionslösungen aber
erheblich. Das mag auch daran liegen, dass unter den Bedingungen der Sepsis die Kapillarwand
vermehrt durchlässiger ist für größere Moleküle, welche die eigentlichen Wirkungsträger der
kolloidalen Volumenersatzmittel sind.
Dagegen kumulieren Nebenwirkungen. Die häufig verwendete Hydroxyäthylstärke ist dabei in
klinischen Studien mit einer höheren Morbidität(vor allem Nierenversagen) und in einzelnen
Untersuchungen(septische Patienten und bei Verwendung älterer Präparate) auch mit einer höheren
Mortalität verbunden.
Albuminlösungen haben kaum schädliche Effekte, sind aber für eine anhaltende Volumenersparnis
genauso begrenzt wirksam, senken aber möglicherweise geringfügig die Mortalität im Vergleich zu
NaCl.
Fachliche und amtliche Autoritäten verlangen deshalb, Hydroxyäthylstärke bei der Therapie von
- 33 -
Intensiv- und septischen Patienten nicht mehr zu verwenden.
Teil III
Zielgerichtete Kreislauftherapie
Oder: How much is enough? - Was sind die hämodynamischen Ziele unserer
Therapie?
- Goal Directed Therapy(GDT) und Early Goal Directed Therapie(EGDT) Als Nächstes stellt sich die Frage nach den hämodynamischen Endpunkten die mit der
Infusionstherapie erreicht werden sollen. Etwas salopper ausgedruckt: Ganz gleich, was wir in den
Kreislauf jagen, wann reicht's den endlich? Wann sind wir in der akuten Situation glücklich und
zufrieden mit unserer Infusionstherapie? Welche Kriterien haben wir dafür? Welche Kreislaufwerte
sollen vorliegen und bei welchen Kreislaufparametern sollen diese Werte vorliegen? Welche
Kreislaufparameter sind überhaupt genügend aussagekräftig? Und gilt das auch noch am nächsten
Tag?
Wir können dabei natürlich die Normalwerte anstreben, wie sie am gesunden Patienten gemessen
werden. Aber bereits vor etwa 25-30 Jahren ist die Frage aufgeworfen worden ob das, was wir bei
gesunden Menschen als „Normalwert“ messen, denn auch der richtige Normalwert für schwer
kranke Menschen ist. Denn deren körperlicher Zustand ist ja ganz anders als wie im normalen
Leben sonst und der Organismus schwer kranker Menschen verlangt möglicherweise nach ganz
anderen „Normalwerten“ als wie im normalen Leben um sich optimal mit der vorliegenden
Krankheit auseinanderzusetzen. Und wäre es dann nicht sinnvoll, wenn wir in der Therapie diese
neuen „Normalwerte“ als Ziel anstreben?
Aber welche Zielwerte eignen sich bei welchen Kreislaufparametern als „Neue Normalwerte“?
Der amerikanische Chirurg Shoemaker hat Ende der 80iger Jahre versucht, diese Frage auf
folgendem Weg zu beantworten:
- Welche Kreislaufparameter haben sich denn bei Überlebenden und Verstorbenen auf unserer
Intensivtherapiestation quantitativ unterschieden?
- Wie waren denn die Werte bei den Überlebenden?
- Könnten das nicht auch die Zielwerte unserer Kreislauftherapie sein?
Shoemaker WC et al,
Prospective trial of supranormal values of survivors as therapeutic goals in high-risk surgical patients, Chest 198849
Diese Überlegungen sind dann gemündet in den Ansatz der Goal Directed Therapy (GDT), später
auch Early Goal Directed Therapy(EGDT), bei der sich die Kreislauftherapie an Zielen orientiert,
die mit einer höheren Überlebensrate verbunden sind und diese Therapie so früh wie möglich
begonnen wird um dadurch nachweisbar die Chancen fürs Überleben zu erhöhen.
Werkzeug ist dabei im Wesentlichen eine Optimierung der kardiovaskulären Leistung durch:
- Anpassung der Infusionstherapie
- Anwendung inotroper Medikamente
- Steuerung der Diurese
mit dem Zielwert einer optimalen Sauerstoffversorgung der peripheren Gewebe und einer
kontinuierliche Revision dieser Therapie in kurzen Abständen auf Basis der regelmäßigen Messung
einzelner Kreislaufparameter.
- 34 -
Eine verminderte periphere Durchblutung durch eine zu restriktive Infusionstherapie soll dabei
ebenso vermieden oder korrigiert werden wie eine zu reichliche(„liberale“) mit drohender
Überwässerung der Gewebe und dabei drohender Minderversorgung mit Sauerstoff durch erweiterte
Wegstrecken und Kompression der Kapillaren im ödematösen Gewebe.
Praktisch machen wir uns dabei die
Bordmittel des kardiovaskulären
Systems zu Nutze, indem wir die FrankStarling Kurve mit unserer
Infusionstherapie manipulieren und uns
zusätzlich mit positiv inotrop wirkenden
Medikamenten behelfen, wenn's trotz
optimaler Infusionstherapie immer noch
nicht ganz reicht oder Diuretika
einsetzen, wenn wir über's Ziel
hinausgeschossen sind); vgl.
Abb. 14.
Herzleistung
Herzzeitvolumen
Schlagvolumen
Auswurffraktion
(Ejektion Fraction)
Frank-Starling Kurve
Variabilität
Schlagvolumen
Pulsdruck
RRsyst
Inotrope
Med.
Im Prinzip wird versucht, die aktuelle
linksventrikuläre Vorlast abzuschätzen
und wenn sie niedrig ist, sie durch
Volumentherapie bis zum Optimum zu
steigern. Am Scheitelpunkt der FrankStarling-Kurve angelangt, kann die
Herzleistung durch Katecholamine(z. B.
Volumenzufuhr Optimum Diruetika
Dobutamin, ein vorwiegend rein positiv
inotrop wirkendes Katecholamin) noch
etwas weiter gesteigert und ihr
Vorlast(Preload)
Scheitelpunkt nach oben verschoben
Enddiastolisches Volumen
werden. Wenn die Volumenbelastung zu
Abbildung 14: Therapeutische Manipulationsgroß ist, kann das Blutvolumen im
möglichkeiten der Frank-Starling-Kurve am Herzen
Gefäßsystem und damit die
linksventrikuläre Vorlast dagegen durch Gabe von Diuretika gesenkt werden.
Messung der Zielparameter
Zur Abschätzung von Vorlast und Herzleistung benötigen wir Messinstrumente. Eine Auswahl dazu
sehen Sie in Abb. 15. Unter anderem kann die Variabilität des einzelnen Herzschlags in
Abhängigkeit von In- und Exspiration beobachtet werden: Je geringer der linke Ventrikel gefüllt ist,
desto mehr wirken sich die wechselnden Drücke des Atemzyklus bei schlappem Ventrikel auf die
Auswurfleistung eines einzelnen Herzschlags aus(vgl. die arterielle Druckkurve im Verlauf eines
Atemzyklus von Exspiration - Inspiration - Exspiration in Abb. 15 rechts unten). Eine hohe
Variabilität kann so eine zusätzliche Volumengabe nahelegen, eine sehr niedrige dagegen abraten
und andere Maßnahmen, z. B. Katecholamintherapie empfehlen.
Alternativ können Sie mit invasiveren Methoden die Herzleistung in Form des Herzzeitvolumens
bestimmen und wenn Sie dieses mit dem arteriellen Sauerstoffgehalt multiplizieren, die dem
Gesamtorganismus vom Kreislauf angebotene Sauerstoffversorgung.
- 35 -
Abbildung 15: Messinstrumente für Goal Directed Therapy
(Zwischenbemerkung: Sie können sich allerdings vorstellen, im Rettungswagen oder in der
chirurgischen Notaufnahme dürfte es schwerfallen, solche elaborierten Überlegungen anzustellen,
die Messungen dazu durchzuführen und dann auch noch danach zu handeln.)
Eine andere Methode besteht darin, nicht abzuschätzen, was das Herz leistet oder wieviel Sauerstoff
Sie der Peripherie zuführen, sondern zu messen, wieviel von dem Sauerstoff, den Sie zugeführt
haben, zum Herzen zurückgekommen ist, das heißt eine Messung des Sauerstoffgehalts(in der
Praxis seltener) oder der Sauerstoffsättigung(in der Praxis häufiger) des Bluts in der Arteria
pulmonalis(genauer, aber aufwendiger über Pulmonaliskatheter) oder in der Vena cava
superior(einfacher aber ungenauer über zentralen Venenkatheter). Steigt z. B. unmittelbar nach Ihrer
therapeutischen Intervention die Sauerstoffsättigung im zurückgekommenen Blut an, bedeutet dies,
dass aus einer Einheit strömenden Blutes weniger Sauerstoff entnommen werden musste um bei
gleichbleibendem Sauerstoffbedarf der Körperperipherie diese ausreichend zu versorgen. Das heißt,
Ihre Therapie war erfolgreich und hat zu einer generellen Zunahme der Durchblutung geführt.
Allerdings repräsentiert diese Messung nur den Wert für das gesamte Herzzeitvolumen, nicht für die
Durchblutung kritischer Organbereiche.
Klinisch bei weitem einfacher, aber auch ungenauer, ist zu untersuchen, ob nach Ihrer
therapeutischen Intervention eine Autotransfusion im Körper, z. B. durch einfaches Anheben der
Beine oder Kopftieflage noch wesentliche Veränderungen des Kreislaufsituation erbringt(z. B.
Erhöhung des Butdrucks oder Reduktion der Herzfrequenz) – Falls die Reaktion positiv ausfällt,
wäre dann noch Spielraum für zusätzliche Volumentherapie.
- 36 -
Praktische Anwendung von 1988 bis heute
- und was wir dabei gelernt haben
Angewendet in großen Gruppen von Patienten waren die ersten Ergebnisse einer „Goal Directed
Therapy“ allerdings zuerst einmal ernüchternd: Patienten, die unter den akribischen Methoden der
Goal Directed Therapy therapiert worden waren, wiesen eine höhere Morbidität und Mortalität auf
als nach konventionellen Maßstäben behandelte Patienten50(z. B. bei Traumapatienten51),
möglicherweise durch zu späten Therapiebeginn und Komplikationen invasiver Maßnahmen wie
etwa Kathetersepsis.
Im Verlauf des letzten Vierteljahrhunderts seit der Propagierung des Konzepts konnten aber später
in einer Vielzahl von Untersuchungen bessere Ergebnisse nachgewiesen werden.
- Ein Trend zu verminderter Mortalität ist bei allen Patientengruppen vorhanden, sicher
vermindert ist sie aber nur bei bei schwerstkranken Patienten mit einem vorhergesagten
Mortalitätsrisiko > 20%52.
Allerdings hat sich unabhängig von der Therapie die durchschnittliche Mortalität in den letzten
25 Jahren generell mit jeder begonnenen Dekade halbiert: Jeweils 29,5%, 13,5%, 7% in den
nicht zielorientiert therapierten Kontrollgruppen von 32 Studien aus einem Zeitraum von 1988
bis 2011 und liegt damit durchschnittlich weit unter den genannten 20%52.
- Generell hat in diesem Zeitraum aber Goal Directed Therapy in allen Patientengruppen, auch
solchen mit geringerer vorausgesagter Mortalität(< 5% und 5 – 19%) zu einer verminderten
Komplikationsrate geführt52,53 und zu einer leicht geringeren Krankenhausverweildauer53.
Schädliche Auswirkungen wie zu Anfang berichtet, konnten später nicht beobachtet werden53.
Je kränker die Patienten sind, desto mehr profitieren sie von der gesteuerten Therapie.
- Das setzt aber voraus, dass optimale Kreislaufwerte überhaupt erreicht werden konnten und das
auch noch bevor das Kind in den Brunnen gefallen war, nämlich noch vor dem Auftreten eines
Organversagens. Wesentlich für den Therapieerfolg ist deshalb: Die Patienten müssen der
Therapie zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zugeführt werden – bei einer der
bekanntesten Untersuchungen dazu geschah dies noch auf der Notaufnahmestation innerhalb
von 6 h nach Auftreten der Sepsiszeichen oder bereits vor Beginn des operativen Eingriffs(Early
Goal Directed Therapy, EGDT, Rivers E et al, Early Goal-Directed Therapy in the Treatment of Severe
Sepsis, New Engl J Med 2001)50,52. 6-12 Stunden später erwies sich eine weitere positive
Flüssigkeitstherapie als eher kontraproduktiv54.
Drei Meta-Studien aus den Jahren 2011 und 2013 finden, dass eine „praeemptive haemodynamische
Intervention“, oder „Goal-Directed Therapy“ unter diesen Kriterien die postoperative Mortalität und
die Anzahl postoperativer Komplikationen senkt.
Im Einzelnen findet sich eine Verminderung der Mortalität bei Verwendung pulmonal
arterieller Katheter, dem Anstreben supranormaler Werte von Herzindex oder
Sauerstoffangebot als Ziele, sowie bei zusätzlichem Einsatz von inotropen Medikamenten zur
Infusionstherapie.
(Hamilton MA et al, A Systematic Review and Meta-Analysis on the Use of Preemptive Hemodynamic Intervention
to Improve Postoperative Outcomes in Moderate and High-Risk Surgical Patients, Anesthesia & Analgesia 2011. 29
Studien mit insgesamt 4805 Patienten)55.
Gurgel ST & do Nascimento P, Maintaining tissue perfusion in high-risk surgical patients: a systematic review of
randomized clinical trials, Anesthesia & Analgesia 2011. 32 Studien mit insgesamt 5056 Patienten) 56).
(Cecconi M et al, Clinical review: Goal-directed therapy-what is the evidence in surgical patients? The effect on
different risk groups, Critical Care 2013. 32 Studien mit insgesamt 2808 Patienten – meistens wurden wohl dieselben
Studien in den drei Untersuchungen ausgewertet)52.
Als Anwendungsbeispiel hier eine Untersuchung mit nicht allzu heroisch angelegten Zielen bei Eingriffen mit
- 37 -
hohem perioperativem Risiko, in der mit einer differenzierten Kreislauftherapie unmittelbar nach Ende der
Operation begonnen worden und diese über 8 Stunden lang beibehalten worden war:
Repetitiv Gelatinelösung zur Erhöhung des Schlagvolumens und Dopexamin(ein positiv inotrop wirkendes
Katecholamin) um das Sauerstoffangebot postoperativ über 8 Stunden lang > 600ml min -1m-2 zu halten im
Gegensatz zur Kreislaufsteuerung durch Gelatinegabe an Hand des zentralen Venendrucks.
Ergebnis:
Bei der differenzierten Kreislauftherapie ein höheres Volumen an Gelatine, weniger Komplikationen insgesamt und
weniger Komplikationen pro Patient(da freut sich der Verwaltungsdirektor), frühere Krankenhausentlassung(11 vs.
14 Tage – da freut sich der Verwaltungsdirektor noch mehr).
Die Studie wurde bei 162 Patienten abgebrochen wegen zu viel Erfolgs.
(Pearse R, Early goal-directed therapy after major surgery reduces complications and duration of hospital stay.
A randomised, Controlled trial. Critical Care 200557)
Mittlerweile haben sich die chirurgischen Methoden verbessert, wahrscheinlich auch die prä- und
früh intrahospitale Patientenversorgung unter dem Bewusstsein des hohen Werts frühzeitiger
Interventionen und wie gerade schon erwähnt, sind die Überlebenschancen generell besser
geworden.
Das erklärt möglicherweise auch die Ergebnisse allerneuester Untersuchungen: 2014 publiziert
gingen so bei einer Multi-Center Neuauflage58 der erwähnten Riversstudie aus dem Jahr 200150 die
Patienten bereits in erheblich besserem Zustand in die Studie ein als wie 2001(z. B. mit einer
durchschnittlichen zentralvenösen Sauerstoffsättigung von 71% in der Therapiegruppe im Vergleich
zu 49% 2001 – So wie ich hier sitze und dies schreibe und Sie das lesen, haben wir alle
wahrscheinlich eine zentralvenöse Sauerstoffsättigung von knapp über 70%. 49% gilt dagegen als
erheblicher Schock). Beide Patientengruppen hatten vergleichbare Mortalitäten, unabhängig ob
noch explizite Therapieschemata angewendet oder die Therapie den behandelnden Ärztinnen und
Ärzten freigestellt worden war. Zum selben Ergebnis kam eine ähnliche Multi-Center Studie aus
Australien, auch gerade erst publiziert59 mit ähnlichen zentralvenösen Eingangssättigungen um 73%
in der Therapiegruppe. Die beobachteten Mortalitätsraten in beiden Untersuchungen waren dabei in
allen Gruppen ähnlich - circa 19% und damit weit niedriger als wie noch 2001(31% mit und 47%
ohne explizit vorgeschriebener Kreislauftherapie). Interessant ist dagegen, dass es keine
Unterschiede in den Raten zusätzlicher Komplikationen gab. Subjektiv würde ich dies nicht als
Widerspruch zu den bisherigen Erkenntnissen sehen, sondern als das positive Ergebnis der
kollektiven klinischen und organisatorischen Lernerfahrung der letzten 15 Jahre. Jedenfalls ist
damit für weiteren Diskussionsstoff gesorgt.
Spekulativ kann daraus möglicherweise folgendes Fazit gezogen werden:
Leichter kranke – aber immerhin intensivtherapiepflichtige Patienten – schaffen’s auch ohne hoch
differenzierte Kreislauftherapie. Diese entscheidet bei ihnen wohl nicht über Leben und Tod,
schadet aber nicht und kann explizit durchgeführt werden wie früher nach vorgegebenen Kriterien
oder implizit, wenn Sie die wesentlichen Inhalte dieser Kriterien für Ihr therapeutisches Vorgehen
verinnerlicht haben und gedanklich als therapeutische Richtschnur nutzen und damit einen
zusätzlichen Gewinn durch Vermeidung von Komplikationen erzielen.
Wesentlich ist, dass die Therapiebedürftigkeit schnellstmöglich erkannt und dann sofort mit
den therapeutischen Maßnahmen begonnen wird.
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Zusammenfassung Zielgerichtete Kreislauftherapie – Goal Directed Therapy
Das Konzept der zielgerichteten Kreislauftherapie – Goal Directed Therapy besteht darin, die
Kreislaufverhältnisse durch Infusionstherapie, positiv inotrope Therapie(z. B. Dobutamin) und
gegebenenfalls diuretische Therapie kontinuierlich so zu steuern, dass eine optimale Versorgung der
Körperperipherie mit Sauerstoff gewährleistet wird.
Dazu werden repetitiv Kreislaufparameter gemessen: Werte um die Auswurfleistung des Herzens
abzuschätzen und für seine Fähigkeit, diese Auswurfleistung noch zu erhöhen(Schlagvolumen,
enddiastolischer Füllungsgrad), das Ergebnis der Auswurfleistung selbst(Herzzeitvolumen und
Sauerstofftransport), oder das Resultat nach Extraktion des Sauerstoffs in der
Peripherie(zentralvenöse oder in der Arteria pulmonalis die gemischtvenöse Sauerstoffsättigung).
Die Therapie orientiert sich dann kontinuierlich an den erhobenen Messwerten, beziehungsweise an
deren Veränderung.
Wesentlich ist dabei, dass die Notwendigkeit der Therapie so früh wie möglich erkannt und die
Therapie so früh wie möglich gestartet wird.
Untersuchungen im letzten Vierteljahrhundert haben gezeigt, dass vor allem die allerkränksten
Patienten von einer solch differenzierten, aber auch aufwendigen Therapie profitieren, leichter
kranke dagegen weniger, je „gesünder“ sie vor Beginn der Therapie sind. Im wesentlichen betrifft
diese Beobachtung den Einsatz der aufwendigen Messverfahren.
In allerneuesten Studien scheint der Stellenwert der aufwendigen Messverfahren noch mehr
zurückzutreten. Allerdings sind die Patienten, die in solche Studien eingehen, in den letzten 25
Jahren durchschnittlich zunehmend in besserem Zustand beim Studieneintritt, möglicherweise
durch vorausgegangene bessere prä- und intrahospitale Diagnostik und Therapie und profitieren
möglicherweise auch von einer besseren Basisintensivtherapie im Anschluss.
Unbenommen bleibt dabei, die Indikation zur Therapie so früh wie möglich zu erkennen und
danach die Therapie sofort zu starten.
Teil IV
Wann ist Blut nötig? - Indikationen zur Bluttransfusion
Durch Gabe von kristalloiden und kolloidalen Volumenersatzmitteln kann bei kontinuierlichem
Blutverlust während einer Operation zwar das normale Blutvolumen und die Durchblutung der
peripheren Organe aufrecht erhalten werden, aber nicht die Sauerstofftransportkapazität des Blutes.
Diese kann zwar besser ausgenutzt werden durch Steigerung des Herzzeitvolumens, aber auch das
hat seine Grenzen(Zum Weg des Sauerstoffs von der Außenwelt zu seinem Zielort im
Mitochondrion vgl. dazu auch die Angaben zur „Makroskopischen Atmungskette“ im Scriptum
Beatmung).
Der Hämoglobingehalt(Hb) fällt, wenn die Blutung nicht aufhört. Zu irgend einem Zeitpunkt ist es
dann nötig, Blutkonserven zu verabreichen.
(Das Nächste ist nur ein kurzer Abriss. Genaueres entnehmen Sie bitte entsprechenden Lehrbüchern
und Lehrveranstaltungen.)
Etwa um das Jahr 2000 herum wurden eine Reihe von Studien durchgeführt, die zeigen konnten,
dass die Grenze für die Hämoglobinkonzentration(Hb), bei der mit Bluttransfusionen begonnen
werden sollte, niedriger gelegt werden kann als wie vorher angenommen. - In manchen Studien
fanden sich bei den Patienten, die schon ab den klassischen Hb-Grenzen transfundiert worden
waren mehr Nebenwirkungen, wahrscheinlich weil sie mehr Transfusionen erhalten hatten und den
- 39 -
klassischen Nebenwirkungen von Bluttransfusionen damit vermehrt ausgesetzt worden waren.
Die derzeitig empfohlenen Grenzen für den Einsatz von kristalloiden Lösungen, kolloidalen
Lösungen und Blut sehen Sie im Folgenden:
Empfehlungen zum Ersatz von akuten Blutverlusten
(Zander, Mainz 2009)4
Kristalloide balancierte Lösungen können gegeben werden bei Blutverlusten von
bis zu 15% des Blutvolumens(750 ml bei 75 kgKG).
Kolloide, balancierte Lösungen sollten gegeben werden bei Blutverlusten die
über 15% des Blutvolumens(750 ml bei 75 kgKG) hinausgehen .
Blut sollte spätestens gegeben werden bei einer
Bluthämoglobinkonzentration < 7 g/dL , bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit bereits bei
einer Bluthämoglobinkonzentration < 9 g/dL .
In früheren Ausgaben dieses Scriptums habe ich an dieser Stelle erwähnt, dass eine Zunahme des Hämoglobingehalts
und damit auch des Hämatokrits des Blutes nicht immer eine Zunahme der Sauerstoffversorgung des peripheren
Gewebes nach sich ziehen würde, sondern dass bei zunehmendem Hämatokrit auch die Blutviskosität zunimmt und den
Blutfluss in den Gefäßen verlangsamt, so dass ab einem Hämatokritwert von 25% aufwärts die periphere
Sauerstoffversorgung wieder abnehmen würde. Hier muss ich einen Rückzieher machen. Auf der Suche nach den
entsprechenden Originalarbeiten bin ich zu demselben Ergebnis gekommen wie der Mainzer Physiologie R. Zander 60:
In einer entsprechenden Arbeit(Sunder-Plassmann61) lassen sich die vom Autor im Text angegebenen Zahlen in der
Abbildung der experimentellen Ergebnisse nicht nachvollziehen. Im Vergleich zu anderen Arbeiten steht der Autor mit
seiner Behauptung auch ziemlich allein da. Der optimale Hämatokrit für die periphere Sauerstoffversorgung ist 30%60.
(Glücklicherweise konnte ich später in München im OP wahrnehmen, dass sich Prof. Sunder-Plassmann nach seiner
etwas kreativen wissenschaftlichen Tätigkeit zu einem ausgezeichneten Thoraxchirurgen entwickelt und in der
klinischen Tätigkeit wohl seine bessere Bestimmung gefunden hatte.)
Teil V
Spezielle Formen der Infusionstherapie & mögliche Zukunft
Hypotensive Resucitation
Dahinter steckt die plausible Idee, dass eine offene Wunde weniger blutet, wenn der Blutdruck
niedriger als normal ist. Deshalb kann es im Rettungsdienst bei langen Transportwegen und bei
geplanten Operationen mit hohem Blutverlust sinnvoll sein, im Rettungsdienst den Blutdruck nicht
künstlich anzuheben oder bei geplanten Operationen ihn künstlich zu senken.
Zusätzlich gibt es aus den USA eine Reihe von Hinweisen, dass bei Traumapatienten eine extensive
Infusionstherapie mit Kristalloiden schaden kann und deshalb schnellstmöglich für Blutersatz
gesorgt werden sollte62,63.
In Ländern mit langen Anfahrtswegen kann das sicher sinnvoll sein, z. B. USA. Bei uns wird durch
eine adäquate Schmerztherapie dafür gesorgt, dass der Blutdruck nicht zu hoch ansteigt und die
Anfahrtszeiten in die Kliniken sind meistens kurz. Zudem ist bei Verdacht auf zusätzlichem
Schädelhirntrauma ein höherer Perfusionsdruck angeraten als wie bei rein stumpfem Körpertrauma
allein. Am meisten von einem niedrigem Blutdruck in der Prähospitalphase profitieren Patienten mit
rein perforierendem Trauma63(Letzteres bei uns hier in Mannheim gar nicht so selten).
Bei geplanten Operation wenden wir diese Methode(hier meistens bezeichnet als „permissive
Hypotension“) ebenfalls nicht mehr an, da oft ältere Patienten zur OP kommen, bei denen nicht klar
- 40 -
ist, ob sie nicht doch arterielle Gefäßstenosen aufweisen, vor allem im Gehirn oder am Herzen, ein
aufwendigeres Monitoring notwendig wäre, in den letzten Jahrzehnten zunehmend blutärmer
operiert worden ist und die Transfusionskriterien oft erst im Rahmen des kumulierten
postoperativen Blutverlusts erreicht werden.
Eine Gesamtauswertung der wenigen vorhandenen Untersuchungen zur hypotensive resuscitation in
der Notfallmedizin legt derzeit keine definitive Empfehlung für das eine oder andere Vorgehen
nahe64.
Small Volume Resuscitation
Initiale Resuszitation durch schnelle Infusion einer geringen Menge stark hyperosmolarer Lösung –
z. B. 250 ml NaCl 10% am Unfallort(Früher „Hyper-HÄS“ - 7,2% NaCl in
Hydroxyäthylstärkelösung).
Die erhöhte Plasmaosmolarität führt:
- Zum Volumenzufluss aus den Gefäßendothelzellen, dem Interstitium und den Erythrozyten ins
Gefäßsystem.
- Zur schnellen Erhöhung eines erniedrigten intravaskulären Volumens und damit auch schneller
Steigerung der peripheren Durchblutung.
- Als Nebeneffekt zum Abschwellen von Endothelzellen und Erythrozyten, was die
Fließeigenschaften des Blutes verbessert.
- Rein rechnerisch bei NaCl 10% zu einem Volumenzuwachs im Gefäßsystem, der der Infusion
von 2,75 Litern normaler isoosmotischer kristalloider Lösung entspricht(in der Praxis wohl aber
nur etwa die Hälfte). Wenn Sie normale Infusionslösung verwenden, müssen Sie aber dieses
Volumen erst einmal zeitlich schnell genug in den Kreislauf infundieren können.
Allerdings nimmt die Volumenwirkung durch Umverteilung ins Interstitium sehr rasch ab, es wird
ja eine rein kristalloide Lösung infundiert. Aber meistens reicht es um den Patienten am Unfallort
zu stabilisieren und in die Klinik zu transportieren, wo weitergehende Maßnahmen getroffen
werden können(z. B. ordnungsgemäße Bluttransfusion, Bluttransfusion mit blutgruppengleichem
Blut, ohne das Ergebnis der Kreuzprobe abzuwarten, oder im größten Notfall, Transfusion von
Null-negativem Blut – letzteres ist aber selten nötig – Aber gerade in solch dringlichen
Situationen sollte man den Bedside-Test des Patientenbluts frühzeitig durchführen, am besten
schon gleichzeitig bei der Blutabnahme für die Kreuzprobe).
Eine intensivmedizinische Indikation für die Verwendung hypertoner Lösungen besteht bei
erhöhtem Hirndruck, z. B. Bei Hirnschwellung nach Schädelhirntrauma. Im Gegensatz zu der bei
Glucose 5% beschriebenen Wasservergiftung führt diesmal die hohe Plasmaosmolarität zu einem
Einstrom von Wasser aus dem Hirngewebe ins Gefäßsystem(wegen der Bluthirnschranke kann das
NaCl, welches die hohe Osmolarität bewirkt, nicht ins Hirngewebe eindringen) und damit zu einem
Rückgang der Hirnschwellung. Allerdings kann man das nur einmal machen, dannach ist das
Plasmanatrium so erhöht, dass man keinen zweiten Therapieversuch mehr durchführen kann.
Ähnliches gilt meiner Erfahrung nach auch für die Therapie mit anderen hyperosmolaren Lösungen
wie Mannit, die ebenfalls zur Hirndrucksenkung verwendet werden. Nach zwei Tagen der
Anwendung ist dann aber Ende der Fahnenstange, weil die Plasmanatriumkonzentration so hoch
ist, dass man sich etwas anderes einfallen lassen muss, z. B. Senkung des zerebralen
Sauerstoffverbrauchs durch tiefste Narkose mit Thiopental oder seit einiger Zeit bei uns mit
Methohexital, das eine kürzere Eliminationshalbwertszeit hat.
- 41 -
Sauerstofftragende Volumenersatzlösungen
Seit Jahrzehnten wird versucht, Volumenersatzlösungen herzustellen, die Sauerstoff aufnehmen und
in die Körperperipherie tragen können. Das sind Lösungen von freiem, chemisch modifizierten
Hämoglobin oder Perfluorkarbon-Emulsionen(„Flüssiges Teflon“). Letztere besitzen eine sehr hohe
Löslichkeit für Sauerstoff.
Leider ist auf breiter Ebene die Entwicklung immer wieder gescheitert. Zuletzt Mitte der 90iger
Jahre, wo eine große Studie an Traumapatienten abgebrochen werden musste, da die Mortalität in
der Gruppe, die Hämoglobinlösung erhalten hatte, höher war als die in der Gruppe, die eine normale
Bluttransfusion erhalten hatte. - Es wurde danach spekuliert, dass freies Hämoglobin als Fänger von
vasodilatierendem Stickstoffmonoxid(NO) gewirkt haben mag und damit eine verminderte
periphere Durchblutung bewirkt hätte. Weltweit sind sauerstofftragende Volumenersatzlösungen
derzeit äußerst selten im Einsatz. Weitere Forschung bring hier in Zukunft möglicherweise
Fortschritte, z. B. durch Enkapsulierung des Hämoglobins in künstlichen Erythrozyten.
Microcirculatory-guided Resuscitation
Dieser neuere Vorschlag geht davon aus, dass sich im Schock die wesentlichen pathophysiolgischen
Ereignisse in der Mikrozirkulation abspielen. Grob und wahrscheinlich etwas verkürzt gesagt
kommen hier folgende Überlegungen zum Tragen: Einerseits befördert eine durch
makrozirkulatorische Maßnahmen erhöhte Perfusion den Sauerstoff ins Gewebe. Gleichzeitig führt
die erhöhte Perfusion zum Gewebeödem und erhöht die Diffusionsstrecke des Sauerstoffs zum
eigentlichen Wirkort, dem Mitochondrion, sobald er aus dem Hämoglobin freigesetzt wird. Deshalb
wird angestrebt, die Infusionstherapie durch Beobachtung der Mikrozirkulation mittels
Vitalmikroskopie zu steuern. Ziel ist dabei eine Maximierung der Dichte von mit Sauerstoffträgern
durchbluteter Kapillaren – Erhöhung der „Functional capillary density“(FCD). Der Endpunkt der
Therapie ist erreicht, wenn alle Kapillaren durchblutet sind, ohne dass ihre Abstände
voneinander(Kapillardichte) und damit die Diffusionsstrecke, allzu sehr zugenommen hat.
Ince C, The rationale for microcirculatory guided fluid therapy, Crit Care 201465.
Plasmaproteine retten Glycocalix und Leben
In einigen retrospektiven Untersuchungen konnte beobachtet werden, dass Traumapatienten, die
eine Massivtransfusion von Blut benötigten, eher überlebten, wenn sie zusätzlich reichliche Mengen
aufgetauten Frischplasmas erhalten hatten. Im Tierversuch konnte gezeigt werden, dass bei
hämorrhagischem Schock im Vergleich zu einer Volumen-Resuszitation mit Ringer-Lactat-Lösung
eine Resuszitation mit Plasma die durch den Schock verlorengegangene Glycocalix an der
Kapillaroberfläche wiederherstellen kann. Möglicherweise ergeben sich hier zukünftige
Forschungsansätze für eine verbesserte Volumentherapie im hämorrhagischen Schock(Csete, Marie,
New Molecular Players in the Great Fluid Debate, Anesth Analg 201166).
Modifiziertes und gentechnisch hergestelltes Albumin
Technisch wäre es wahrscheinlich möglich, das Albuminmolekül so zu verändern, dass es eine
längere Plasmaverweildauer aufweist und noch besser in der Lage ist, andere Substanzen, z. B.
Medikamente zu transportieren67. Diese Überlegungen sind aber bisher noch nicht einmal bis zum
Tierversuch gediehen.
Gentechnisch hergestelltes statt aus humanem Blut gewonnenes Albumin könnte den Kostenfaktor
bei der Verwendung von Albuminlösungen senken. Es ist mittlerweile möglich, Albumin in Reis
gentechnisch herzustellen68. Wahlweise ist offenbar auch eine zusätzliche Genmanipulation
- 42 -
möglich, die diese Reispflanzen empfindlicher gegen Herbizide macht, sodass sie bei Bedarf auch
schnellstmöglich wieder ausgerottet werden können69 (so lange man sie alle sicher erwischt und die
Gene der Pflanze es sich nicht anders überlegen und neu mutieren). Billiger als das herkömmliche
Humanalbumin ist das aber derzeit noch nicht. Außerdem bräuchte man wahrscheinlich riesige
Reisfelder um den Rohstoff dazu zu gewinnen.
Infusionstherapie für den Hausgebrauch
Nach all diesen hochdifferenzierten Infusionstherapien, entwickelt für extreme Situationen und
schwerstkranke Patienten, zu allerletzt noch einige weniger spektakuläre Erkenntnisse, die aber im
normalen klinischen Betrieb sicher häufiger zur Anwendung kommen können:
Frau Dr. Doherty und Prof. Buggy vom Misericordiae University Hospital Dublin, Ireland zitieren
in ihrer kurzen, aber alle wesentlichen Punkte umfassenden Übersichtsarbeit Intraoperative fluids:
how much is too much? BJA 2012 (9 Seiten Text, inklusive Bilder) einige Untersuchungen, die
ermittelt haben, dass unabhängig vom Streit über restriktive oder liberale Infusionstherapie bei
kleineren und ambulanten Eingriffen eine etwas größere Menge an Infusionsvolumen als wie bei
solchen Operationen sonst üblich, das heißt bei Erwachsenen mit niedrigem Operationsrisiko
ein Infusionsvolumen von 20 – 30 ml/kgKG, das sind für
– 50 kg 1000 – 1500ml oder für
– 100 kg 1500 – 3000ml
das postoperative Auftreten von Schwindelgefühl, Müdigkeit, Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen
reduziert70.
Literatur
Wie neuerdings in manchen Literaturübersichten üblich, habe ich einige aktuellere und lesenswerte
Artikel mit ■■ gekennzeichnet und solche, die wichtige Einzelheiten behandeln mit ■.
1.
Edelman, I.S. & Leibman, J. Anatomy of body water and electrolytes. Am. J. Med. 27, 21
(1959).
2.
Weitzman, R. & Kleeman, C.R. Water metabolism and the neurohypophyseal hormones. in
Clinical Disorders of Fluid and Electrolyte Metabolism (eds. Maxwell, M.H. & Kleeman,
C.R.) 531-564 (McGraw-Hill, New York, 1980).
3.
■■ Van Regenmortel, N., Jorens, P.G. & Malbrain, M.L. Fluid management before, during
and after elective surgery. Current opinion in critical care 20, 390-395 (2014).
4.
Zander, R. Flüssigkeitstherapie, (Medizinische Verlagsgesellschaft mbH, Melsungen, 2009).
5.
■■ Lobo, D.N. & Awad, S. Should chloride-rich crystalloids remain the mainstay of fluid
resuscitation to prevent 'pre-renal' acute kidney injury?: con. Kidney international (2014).
6.
Orbegozo Cortes, D., Rayo Bonor, A. & Vincent, J.L. Isotonic crystalloid solutions: a
structured review of the literature. British journal of anaesthesia 112, 968-981 (2014).
7.
Yunos, N.M., et al. Association between a chloride-liberal vs chloride-restrictive intravenous
fluid administration strategy and kidney injury in critically ill adults. JAMA : the journal of
the American Medical Association 308, 1566-1572 (2012).
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Anhang
Störungen des Flüssigkeitshaushalts im Körper und mögliche Ursachen
In der folgenden Abbildung sehen sie ein Schema von weiteren Störungen der Homoiostase des
Flüssigkeitshaushalts im Körper, die im Scriptum nicht aufgeführt worden sind, sowie eine Auswahl
möglicher Ursachen für diese Störungen aus der Literatur. Vollständigkeit und eine Besprechung der
jeweiligen Symptomatik der einzelnen Störungen liegen jedoch außerhalb der begrenzten
Möglichkeiten dieses Scriptums. Es empfiehlt sich deshalb zum weiteren Studium entsprechende
Lehrbücher der Pathophysiologie zu konsultieren.
Störungen des Flüssigkeitshaushalts im Körper und mögliche Ursachen
Flüssigkeitsmangel
Osmolarität der
Körperflüssigkeiten
Hypotone Dehydratation
Isotone Dehydratation
Hypertone Dehydratation
Nur Wasserzufuhr bei
Erbrechen, Durchfällen, Schwitzen,
Na-Verlust bei Nebenniereninsuffizienz, Diuretika
Erbrechen, Durchfälle, Fisteln,
Diuretika, Blut- und Plasmaverluste, Verbrennungen
Mangelnde Wasserzufuhr bei
Schwerkranken, Schwitzen, Polyurie
bei Diabetes mellitus und Diabetes
insipidus, enteraler Wasserverlust
IZV+
EZV-
Isotone Euhydratation
IZV+
EZV+
Übermäßige Zufuhr freien Wassers
(u.a. übermäßiger Bierkonsum),
erhöhte Adiuretinaktivität(SIADHInappropirate Secretion of ADH
=Schwartz-Bartter-Syndrom)
bei Tumoren, intrakraniellen und
anderen Erkrankungen, sowie nach
Medikamenten(z. B. Desmopressin)
Hypotone Hyperhydratation
Flüssigkeitsüberschuss
IZV
IZV
IZV
EZV-
IZV-
EZV-
EZV
EZV+
IZV-
EZV+
Herzinsuffizienz, nephrotisches
Syndrom, Eiweißverlust,
dekompensierte Leberzirrhose
Hypertone Kochsalzzufuhr, Trinken
von Meerwasser durch Schiffbrüchige,
falsche Zubereitung von Säuglingsnahrung, Conn-, Cushingsyndrom
Isotone Hyperhydratation
Hypertone Hyperhydratation
IZV: Intrazellulärvolumen EZV: Extrazellulärvolumen
Abbildung 16: Störungen des Flüssigkeitshaushalts im Körper und eine Auswahl möglicher
Ursachen. Weitere Informationen sind in gängigen Lehrbüchern der Pathophysiologie zu finden.
(Zur besseren Veranschaulichung sind die Volumenabweichungen in den Abbildungen zum Teil
etwas überdimensioniert gezeichnet).
- 48 -
Kolloidale Volumenersatzlösungen im Einzelnen
1. Albumin – das im Blutplasma am häufigsten vorkommende Kolloid – Eiweißleim
und Frischplasma
Albumin wird derzeit bei uns nicht mehr als Volumenersatzmittel verwendet und zwar aus
folgenden Gründen:
1. Es ist teuer
2. Die Verwendung ist mit erheblicher Bürokratie verbunden(man muss Zettel ausfüllen mit der
Chargennummer, auf diesen Zetteln Angaben zum Empfänger machen und dafür sorgen, dass diese
Zettel in die Apotheke kommen).
3. Da Albumin nicht wie eine normale Infusionslösung sterilisiert werden kann, ist zumindest
theoretisch eine Infektionsgefahr nicht ganz auszuschließen.
Wenn überhaupt, wird Albumin eventuell noch in der konservativen Medizin bei
Albuminmangel(nephrotisches und hepatorenales Syndrom) gegeben.
Ähnliches gilt für aufgetautes, vorher bei der Gewinnung von Erythrozytenkonzentraten
eingefrorenes Frischplasma(Fresh Frozen Plasma, FFP). Dies wird verwendet, wenn nach großen
Blutverlusten oder in der Intensivmedizin bei disseminierter intravaskulärer Gerinnung
Gerinnungsfaktoren fehlen.
–––
Stattdessen werden zur Volumenersatztherapie heute überwiegend künstlich hergestellte kolloidale
Volumenersatzlösungen verwendet; in der Reihenfolge ihres Einsatz's in der Klinik:
Gelatine(Knochenleim, bereits 1913), viel später die bei weiterem wirksameren
Dextrane(Zuckerguss, Fünfziger Jahre) und danach Stärke(Stärkekleister, Anfang der siebziger
Jahre), nachdem es gelungen war, die ursprünglich schlecht wasserlöslichen Stärkemoleküle in
kleinere, wasserlösliche Bestandteile aufzuspalten.
Auch wenn es bei den einzelnen Substanzen die verschiedensten Abbau- und
Ausscheidungsmechanismen gibt, so werden sie oder ihre Abbauprodukte vorwiegend über die
Niere ausgeschieden. Zusätzlich werden bei allen Produkten mögliche pharmakologische
Auswirkungen auf die Verbesserung der Mikrozirkulation diskutiert.
2. Dextrane - Zuckerguss
Dextrane sind große Glucosepolymere. Sie sind billig in der Herstellung, bei Lagerung sehr lange
haltbar und nahezu temperaturunempfindlich und im Organismus schwer abbaubar. Letzteres
ermöglicht eine lange Wirkungsdauer. Sie wurden in den fünfziger Jahren in die Klinik eingeführt,
werden heute aber kaum noch verwendet(Marktanteil 1998 1%), da es mittlerweile kolloidale
Volumenersatzmittel mit weniger Nachteilen zur Verfügung stehen. Da sie aber noch in vielen
Büchern stehen, sollen sie hier kurz besprochen werden.
Dextrane haben eine lange Wirkungsdauer von bis zu 8 Stunden, können das infundierte Volumen
über längere Zeit in der Gefäßbahn halten und die verfügbaren Lösungen sind in der Regel im
Vergleich zum Plasma hyperonkotisch, sodass auch Flüssigkeit aus dem Interstitium in die
Gefäßbahn mobilisiert wird.
Ihre wesentlichen Nachteile sind, dass sie gerinngshemmend wirken(Hemmung der
Thrombozytenfunktion durch Adsorption auf der Thrombozytenoberfläche, Verminderung der
- 49 -
Aktivität des Von-Willebrand-Faktors=großer Anteil des Gerinnungsfaktors VIII, und Interaktion
mit Fibrinogen, was eine leichtere Fibrinolyse ermöglicht, sodass die applizierbare Menge gerade
bei Blutungen begrenzt ist. Außerdem können sie allergen wirken. Die allergene Wirkung kann
durch Injektion des die allergische Reaktion auslösenden Dextranhaptens(niedermolekulares
Dextran, ohne das große Dextranmolekül, welches nach der Antikörperbindung die eigentliche
allergische Reaktion auslöst), PromitTM, 2 min vor Infusionsbeginn äußerst stark reduziert werden,
ist aber ein etwas umständliches Verfahren, zumal es weitere kolloidale Volumenersatzlösungen
gibt, die einfacher zu applizieren sind. Weiter wird befürchtet, dass es beim Ausscheiden von
Dextranen über die Niere zur Konzentration des Dextrans und damit zu einer erhöhten
Urinviskosität kommt, welche den Urinfluss in den Sammelrohren behindern, die glomeruläre
Filtrationsrate bis hin zur Anurie erniedrigen und eventuell die Niere schädigen kann.
Einen der letzten Einsätze von Dextranen habe ich kennengelernt beim Aderlass von Patienten mit
chronisch obstruktiver Lungenerkrankung(COPD) und demzufolge hohem Hämoglobingehalt des
Blutes. Das zur Ader gelassene Blut wurde anschließend durch Dextranlösungen ersetzt mit dem
Ziel, die periphere Durchblutung durch Senkung der Blutviskosität und Verminderung der
Gerinnungsfähigkeit des Blutes zu verbessern. Heute werden diese Ziele in der Regel durch
Verabreichung von Thromozytenaggregationshemmern erreicht(Acetylsalicylsäure in geringen
Dosen – 100 mg/d oder wenn es schärfer sein soll, Thyienopyridine, wie Clopidogrel oder
Ticlopidin).
Über die rein hämodynamische Funktion hinaus werden von Befürwortern der Therapie mit
Dextranen auch noch spezielle pharmakologische Eigenschaften diskutiert, so eine Hemmung der
Leukozytenadhäsion an der Gefäßwand mit Verbesserung der Mikrozirkulation nach Ischämie und
Reperfusion und die geringste Extravasation unter allen kolloidalen Volumenersatzmitteln, was eine
interstitielle Ödembildung nach Absetzen des Dextrans im Vergleich zu anderen Kolloiden
vermindert.
3. Gelatine-Lösungen - Knochenleim
Die Kolloide von Gelatine-Lösungen werden aus dem Protein von Rinderknorpeln, -knochen, sehnen und -haut gewonnen und chemisch aufbereitet(u. a. Harnstoffvernetzung, Sukzinylierung,
Oxypolygelatine), damit sie bei Raumtemperatur flüssig bleiben – ansonsten hätte man eine Sülze,
die erst erwärmt werden muss, bevor man sie infundieren kann, so wie Sie es im Metzgerladen oder
im Supermarkt(in unerwärmter Form) sehen können. (Die erste intravenöse und im Übrigen
lebensrettende Anwendung von Gelatine 1913 wurde demnach wahrscheinlich mit einer
aufgewärmten Lösung durchgeführt.)
Die Vorteile von Gelatinepräparaten bestehen darin, dass sie billig sind, wenig Hinweise für
potentielle Nierenschädigungen vorliegen und im Vergleich zu anderen künstlichen Kolloiden die
wenigsten und nur minimale Gerinnungsstörungen auslösen, sodass man sie in unbegrenzter Menge
infundieren kann. Die Nachteile bestehen darin, dass die Wirkungsdauer sehr kurz ist(2 Stunden),
die Volumenwirksamkeit gering (nur 50 – 70% Prozent der infundierten Menge bleiben längere Zeit
in der Gefäßbahn – das heißt, wenn Sie 1L infundieren bleiben über längere Zeit nur 500 – 700 ml
in der Gefäßbahn) und dass Gelatine allergen wirken kann(Die Hersteller behaupten allerdings, dass
bei den neueren Produkten die Allergenität durch veränderte chemische Aufbereitung stark reduziert
werden konnte).
Außerdem wurde – wohl eher nur theoretisch – eine mögliche Übertragung des Rinderwahnsinns
befürchtet(Ausgangsmaterial der Herstellung ist das in einem befallenen Tier sehr wenig BSEbelastete Knorpel-, Knochen- und Hautgewebe, welches zusätzlich noch einem sehr eingreifenden
Verarbeitungsprozess unterworfen wird). Bisher ist jedenfalls kein BSE-Fall bekannt geworden, der
in Zusammenhang mit der Verabreichung von Gelatinelösungen gebracht werden kann.
- 50 -
Gelatinelösungen werden vielfach verwendet, wenn auch meistens nicht als primäres
Volumenersatzmittel(Das hängt oft auch von persönlichen Präferenzen ab).
4. Hydroxyäthylstärke – Stärkekleister
Die kolloidale Substanz besteht hier aus Stärkemolekülen, gewonnen aus Mais(99%
Amylopektine)- oder seltener Kartoffeln(80% Amylopektine, 20% Amylose). In der nativen Form
besitzen diese Moleküle an ihrer Oberfläche sowohl hydrophile als auch hydrophobe Gruppen,
sodass sie schlecht wasserlöslich sind und deshalb vor der Weiterverarbeitung durch Teilhydrolyse
in kleinere Moleküle abgebaut werden müssen. Nachdem dieser Prozess beherrscht worden war,
kam es ab den siebziger Jahren zur Einführung von Hydroxyäthylstärkelösungen in die
Infusionstherapie.
Damit die Stärkemoleküle im Blut nicht im Minutentakt rasch von der Alpha-Amylase weiter
abgebaut werden, lagert man im weiteren Produktionsprozess Hydroxyäthylgruppen an die OHGruppen der Glucoseeinheiten in den Stärkemolekülen an, welche den Abbau der Stärkemoleküle
durch die Alpha-Amylase stark verzögern.
Hydroxyäthylstärke(HÄS oder HES) ist das künstlich hergestellte kolloidale Volumenersatzmittel,
das in der Bundesrepublik Deutschland bis vor Kurzem wohl ubiquitär angewendet wurde, so auch
bei uns im Klinikum.
Bei entsprechender Aufbereitung kann die Wirkungsdauer bis zu 8 Stunden betragen; die bei uns
verwendeten eher etwa 4 Stunden. Es ist auch möglich, höher konzentrierte Lösungen herzustellen,
die einen höheren kolloidosmotischen Druck aufweisen als das Blutplasma, sodass dadurch
Flüssigkeit aus dem Interstitium einfließt und der Volumeneffekt größer ist als das infundierte
Volumen(bis 30% zusätzlich zum infundierten Volumen), deshalb auch die Bezeichnung
„Plasmaexpander“. Dieser Effekt ist aber voll wirksam nur nach Blutverlusten, das heißt bei
erniedrigtem Blutvolumen. Die infundierte Menge verschwindet bei weitem schneller wieder aus
der Zirkulation, wenn sie bei normalem Blutvolumen infundiert wird, wahrscheinlich als Folge der
Erhöhung des hydrostatischen Drucks an der Kapillarwand über das normale Maß hinaus.
- 51 -
Hydroxyäthylstärkelösungen wurden in vielen verschiedenen Varianten vermarktet. Zum
Verständnis der Wirkungsweise der einzelnen Varianten vgl. die Begriffe in Tab. 6.
Charakterisierung von Hydroxyäthylstärkelösungen
Bezeichnung
Erklärung
Bei höherem Wert Wirkung auf:
Wirk- Hemmung Volumen Abbau
dauer der
-effekt
durch
Gerinnung
Amylase
Mittleres Molekulargewicht
Gewichtsmittel *)
Mittleres Gewicht aller HÄSMoleküle
Zahlenmittel *) Median der
Molekulargewichte(das am
häufigsten vorkommende
Molekulargewicht in der
Lösung)
Konzentration
Fähigkeit zur quantitativen
Wasserbindungsfähigkeit
Substitutionsgrad
Verhältnis substituierter
Glucosemoleküle zur
Gesamtzahl aller
Glukosemoleküle
Substitutionsmuster
(C2/C6Verhältnis)
Verteilung der Substitution
an den möglichen
Bindungsstellen C2, C3, C6,
meistens als Verhältnis
C2/C6 angegeben
↑
↑
↑
↑
↔
↔
↔
↔
↔
↔
↔
↑
↑
↔
↔
↓
↑
↑
↔
↓
Tabelle 6: Begriffe zur Charakterisierung von Hydroxyäthylstärkelösungen.
*) Nach Infusion ändern sich diese Werte. Einerseits werden kleinere Moleküle durch die Niere
ausgeschieden, so dass der Wert für das mittlere Molekulargewicht ansteigt, andererseits werden
durch die Alpha-Amylase-Spaltung der großen Moleküle wieder kleinere nachgeliefert, sodass auch
die Anzahl der größeren Moleküle abnimmt und das mittlere Molekulargewicht fällt und wieder
mehr Teilchen für die Ausübung der onkotischen Wirkung zur Verfügung stehen. Die kleinsten
dieser Moleküle werden aber auch wieder über die Niere ausgeschieden, sodass eine theoretische
Voraussage für die in vivo Situation äußerst schwierig ist(vgl. Abb 12).
Wie bei Dextranen werden einzelnen Präparationen von Hydroxyäthylstärke auch vielfältige
positive Wirkungen in der Mikrozirkulation, bei Ödemen und bei Sepsis zugeschrieben(„Verstopfen
von Endothellücken“).
- 52 -
Nebenwirkungen:
Wie bei Dextranen eine im Vergleich zu Dextranen allerdings schwächere
Gerinnungshemmung(Verminderung der Faktor VIII-Aktivität, ähnlich wie beim Von WillebrandSyndrom). Die Gerinnungshemmung ist umso stärker, je höher das mittlere Molekulargewicht der
verwendeten HÄS-Moleküle ist. Deshalb werden heute vorwiegend mittel- bis niedermolekulare
HÄS-Präparate verwendet, bei denen die Gerinnungshemmung kaum noch zum Tragen kommt(vgl.
Tab. 3) und zeitweise manche Autoren der Ansicht waren, dass Dosisbeschränkungen wie es sie
früher auch bei Hydroxyäthylstärke gegeben hat, deshalb ganz wegfallen können(irgendwann muss
man sowieso auf Blut umsteigen).
In den Vordergrund gerückt als wesentlichste Nebenwirkung ist in letzter Zeit eine Beeinträchtigung
der Nierenfunktion bei längerdauernder Therapie oder Verabreichung großer Mengen von
Hydroxyäthylstärke, ähnlich wie auch schon bei Dextranen beobachtet.
Ein Teil der verabreichten Hydroxyäthylstärke wird lange Zeit im reticulohistozitiären System
gespeichert. Es ist unklar, ob dadurch das Immunsystem beeinflusst wird, wahrscheinlich eher
nicht.
Bei protrahierter Verabreichung, z. B. Während eines Aufenthalts auf einer Intensivtherapiestation
tritt häufig ein über mehre Monate anhaltender Juckreiz auf.
Anaphylaktoide Reaktionen: Möglich, aber weniger als bei Dextranen und Gelatine(0,006-0,019%).
- 53 -
Kriterien für die intraoperative Abschätzung des Volumen- und Blutbedarfs
Die folgende Abbildung beinhaltet Beobachtungen, Messungen und Überlegungen, die notwendig
sind um zu entscheiden, wann intraoperativ eine Bluttransfusion erfolgen soll oder wann nicht. Eine
genauere Besprechung der einzelnen Punkte finden Sie im Anschluss.
Intraoperative Abschätzung des Volumen- und Blutbedarfs
Quantitativ faßbare Parameter des Volumen- und Blutbedarfs
Ausgangs - Hb
"Verdünnungseffekt"
Bisherige Infusionsmenge
Blutverlust gemessen
Gesamter
Blutverlust
Blutverlust geschätzt
Relation zum gesamten
Blutvolumen
( Körpergewicht)
Physiologische Parameter des Volumenstatus
Cave Beta-Blockade
Daten als
Aufgabe
Einfluß der Beatmung ( Swing)
ZVD/PCWP
perioperativer
ärztliche
Blutdruck
Herzfrequenz
Integration
Cave Lagerung und
operative Interventionen
Urinproduktion
Entscheidung:
Prospektiver Volumen- und Blutbedarf
Prospektive OP-Dauer
Bluttransfusion
Prospektiver intraoperativer Blutverlust
jetzt ?
Prospektiver postoperativer Blutverlust
Ja oder Nein
Perioperative Organisation
Postoperative Überwachung gut gesichert ( Wachstation)
Postoperative Überwachung mittelmäßig gesichert
( Normalstation)
Abbildung 17: Kriterien für die intraoperative Abschätzung des Volumen- und Blutbedarfs
Zuerst einmal ist es natürlich wichtig zu wissen, aus welcher Ausgangsposition der Patient
startet, das heißt, wie viele Sauerstoffträger(Erythrozyten) der Patient im Blut hat, wieviel
kann er davon verlieren, ohne dass noch eine ausreichende Reserve übrig bleibt. Diese Reserve
können wir messen, indem wir während der Operation regelmäßig die aktuelle
Hämoglobinkonzentration bestimmen. Allerdings verändern wir diese durch unsere eigene
Infusionstherapie: Je mehr wir infundieren, desto mehr kommt es zu einem Abfall der
gemessenen Hämoglobinkonzentration, dem sogenannten „Verdünnungseffekt“, ohne dass die
Sauerstofftransportkapazität des Kreislaufs gemindert wird, da ja noch alle Erythrozyten im
Kreislauf sind und vielleicht sogar schneller umgepumpt werden können, da die Blutviskosität
erniedrigt ist.
Die echten Blutverluste können wir natürlich messen durch die Blutmengen die im „Sauger“
vorliegen, zudem können wir abschätzen, was auf den Boden gelaufen ist und was in den
Tüchern liegt. Zudem müssen wir noch die Patienten selber mit einberechnen. Eine kachektische
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Tumorpatientin mit 45 kg KG braucht bei demselben Blutverlust wahrscheinlich schneller eine
Bluttransfusion als ein Bodybuilder der mit 120 kg KG ein bei weitem größeres Blutvolumen und
damit größere Reserven für die periphere Sauerstoffversorgung besitzt.
Soweit zu dem was wir quantitativ, bzw. semiquantitativ messen können.
Wir können aber auch aus den physiologischen Reaktionen des Körpers auf die bestehende
Volumensituation schließen.
Die klassische Lehre sagt, dass bei Volumenmangel der Blutdruck fällt und die Herzfrequenz
ansteigt(Schockindex: Herzfrequenz/Systolischer Blutdruck größer 1); aber Achtung: Blutungen
im Bauchraum können einen Vagusreiz aktivieren, sodass es zu keinem Anstieg der
Herzfrequenz kommt. Auch die ubiquitäre Therapie mit Betablockern kann einen solchen
kompensatorischen Anstieg der Herzfrequenz hemmen.
Wenn man bei größeren Eingriffen eine arterielle Blutdruckmessung gelegt hat, kann man an ihr die
Auswirkungen des positiven Beatmungsdrucks auf den Blutdruck und in Konsequenz auf das
den venösen Rückfluss und das Herzzeitvolumen sehen. Schon bei leichter Hypovolämie(auch
relativ, wenn vasodilatatorische Medikamente verabreicht worden waren, wie Narkosemittel) sieht
man oft in der arteriellen Druckkurve bei Inspiration(erhöhter intrathorakaler Druck) eine leichte
Verminderung des arteriellen Blutdrucks und bei Exspiration(verminderter intrathorakaler Druck)
eine leichte Erhöhung, den sogenannten „Swing“, was für eine leichte, relative Hypovolämie
spricht, da unter dem erhöhtem intrathorakalen Druck während der Inspiration der venöse Rückfluss
behindert ist.
Überhaupt können wir versuchen, den venösen Rückfluss zum Herzen und damit die Vorlast
des linken Ventrikels durch Messungen abzuschätzen. Surrogate für die Bestimmung der Vorlast
des linken Ventrikels können sein der zentralvenöse Druck(der intravenöse Druck in der Vena cava
superior kurz vor der Einmündung in den rechten Ventrikel) oder besser der pulmonalkapilläre
Verschlussdruck(Pulmonary capillary wedge pressure – Hier wird ein Katheter durch das rechte
Herz in die Arteria pulmonalis hindurchgeführt(Pulmonaliskatheter). An der Spitze des Katheters
sitzt ein aufblasbarer Ballon[ähnlich wie am Tubus], mit dem man in aufgeblasenem Zustand den
Katheter in der Pulmonalarterie einklemmen kann - „to wedge“ und den Blutdruck vor der Spitze
des Katheters messen kann, unabhängig vom Blutdruck in der Pulmonalarterie hinter dem Katheter.
Man geht davon aus, dass der so gemessene Blutdruck eine direkte Fortpflanzung des Blutdrucks
über pulmonales Kapillarsystem, linken Vorhof und linke Herzkammer in der Diastole ist, und so
der enddiastolische Füllungsdruck der linken Herzkammer(Preload) abgeschätzt werden kann.
Außerdem ist es möglich, das Herzzeitvolumen mit so einem Katheter zu messen.
Medizinhistorisch wurde diesen Messungen in den 80iger Jahren eine große Bedeutung
zugeschrieben. Positive Erkenntnisse bei Verwendung dieser Messmethoden wurden allerdings
vorwiegend bei Intensivpatienten gewonnen die in einem stabilen Zustand waren. Im OP kommen
dagegen ständig Bedingungen vor, die die Aussagen dieser Messungen verfälschen, z. B.
Lageveränderungen des Patienten oder chirurgische Interventionen wie Druck im Abdomen, so dass
wir mittlerweile die Bedeutung solcher Messungen sehr relativieren. Außerdem ist nach meiner
Erfahrung die Anlage und Bedienung eines Pulmonaliskatheters intraoperativ so aufwendig, dass sie
im normalen Operationsbetrieb kaum geleistet werden kann. Man braucht eigentlich eine
zusätzliche, z. B. kompetente Person aus dem PJ um den Katheter zu bedienen.
Nach den harten physiologischen Kriterien nun zu den mehr weicheren, intellektuellen
Kriterien zur Voraussage einer möglichen Bluttransfusion. Hier kommt das Urteil von
fehlbaren Menschen ins Spiel. Es stellen sich hier folgende Fragen:
Wenn es in geringen Maß kontinuierlich blutet, wie lange ist dann noch die Operationsdauer?
Wenn sie noch lang ist, wird man wahrscheinlich Blut brauchen, wenn sie kurz ist nicht.
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Wieviel wird es überhaupt noch bluten? - Es kann sein, dass die Operation noch andauert, aber
alle Blutungen gestillt sind, so dass kein weiterer Blutverlust zu erwarten ist und deshalb eine
Bluttransfusion nicht mehr vorbereitet werden muss.
Welcher postoperative Blutverlust ist zu erwarten. Die Implantation einer Knie-Endoprothese
wird z. B. in Blutleere durchgeführt, das heißt, intraoperativ blutet es überhaupt nicht. Wenn aber
zum Ende der Operation die Blutleere gelöst wird, kann im Rahmen der postoperativen
Patientenüberwachung die Notwendigkeit einer Transfusion auftreten.
Eine gute Kommunikation mit dem Operateur ist bei diesen Fragen von entscheidender
Bedeutung.
Weiter ist die Organisation der postoperativen Patientenüberwachung von Bedeutung, wenn
auch hier vielleicht ein wunder Punkt angesprochen wird.
Wenn die Zustände von postoperativen Blutverlusten und Bluthämoglobinkonzentrationen sehr
engmaschig kontrolliert werden können, z. B. auf einer Wach- oder Intensivtherapiestation, kann
die Grenze für eine Bluttransfusion niedrigerer angesetzt werden. Werden die Patienten dagegen auf
eine Station verlegt, wo keine engmaschigen Kontrollen möglich sind, ist es vielleicht besser, auf
Nummer Sicher zu gehen und prophylaktisch etwas mehr Blut zu transfundieren, als eigentlich
nötig wäre(Man vermeidet dann so peinliche Situationen, wo sich alle wundern, dass bei einer alten
Patientin mit diversen kardiovaskulären Vorerkrankungen nach OP einer Schenkelhalsfraktur am
Morgen nach der Operation ein Hb von 6 gemessen wird.).
Diese letzteren Bemerkungen zur postoperativen Patientenüberwachung sind medizinisch gesehen
sicher nicht politisch korrekt, leider entsprechen sie aber, wenn auch selten, gelegentlich den
Tatsachen.
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Durchflussmenge durch intravenöse Kanülen
In der nebenstehenden Abbildung
finden Sie Messergebnisse für die
Durchflussmenge für intravenös
gelegte Kanülen. Auffallend ist dabei,
dass die Durchflussmenge zwischen 18
und 16 G – Kanülen erheblich ansteigt,
weshalb angestrebt wird, im
Notarztdienst wenn möglich, immer
zwei 16 G – Kanülen zu legen und bei
aktiven Blutungen beide mit einer
kristalloiden und einer kolloidalen
Volumenersatzlösung zu bestücken.
Allerdings gilt auch hier der Ratschlag:
Wenn die Venenverhältnisse schlecht
sind, ist eine dünnere Kanüle, die
intravenös liegt und über die Volumen
und Medikamente appliziert werden
können bei weitem besser als
dickerlumige Kanülen, mit denen der
venöse Zugang nicht getroffen wird,
oder die beim Versuch der Punktion
verstochen werden.
Eine ähnliche Vergleichsreihe finden
Sie auch auf
Wikipedia(http://de.wikipedia.org/wiki/
Peripherer_Venenkatheter).
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Weitere Literatur:
Fresenius Kabi Deutschland GmbH
Kompendium der Infusionstherapie,
Bad Homburg, o. J., wahrscheinlich 2010, 167 S. ungerechnet Literaturverzeichnis(mit
Internetadressen zum Thema), erhältlich kostenlos bei Fresenius Kabi.
Wilhelm, Wolfram(HrsG):
Praxis der Intensivmedizin
Springer Verlag Berlin, Heidelberg 2011(859 S.).
Wenn Sie in Mannheim oder Heidelberg studieren, können Sie die einzelnen Kapitel dieses
Buches auch als PDF-Files aus der Bibliothek herunterladen(allerdings etwas mühsam, es sind
61 einzelne Kapitel zum downloaden).
Mit dieser überschaubaren Seitenzahl ist dieses kleine Büchlein ein sehr empfehlenswertes Kurzlehrbuch der
Intensivmedizin für Interessierte(Die r i c h t i g e n Intensivlehrbücher haben mindestens 2000 Seiten und es wäre
unter ihrer Würde, wenn sie in einer anderen Sprache als Englisch geschrieben worden wären). Aber um ernst zu
werden: Meines Erachtens handelt es sich hier um ein sehr gut und verständlich geschriebenes, deutschsprachiges
Lehrbuch der Intensivmedizin.
Beim ersten Reinschauen in das Buch fand ich es ganz interessant. Nachdem ich mittlerweile eine Reihe der einzelnen
Kapitel gelesen habe, hat sich der gute Eindruck über dieses Buch bestätigt und ich finde, dass man dieses Buch gut als
eine der Hintergrund- und Referenzmaterialien für unsere Lehrveranstaltungen in Anästhesiologie, Intensivmedizin und
auch teilweise in der Notfallmedizin empfehlen kann; zumal Sie ja alle die entsprechenden Texte kostenlos
herunterladen können (Sie müssen ja nicht alle 859 Seiten lesen).
Die einzelnen Themen werden sehr verständlich erklärt, ohne all zuviel an Vorkenntnissen voraus zu setzen und
beinhalten das Wichtigste, was man aktuell für die Praxis nicht nur in der Intensivmedizin, sondern auch in anderen
Fachgebieten wissen sollte, die schwer erkrankte Patienten behandeln. – Sicher kein Buch, geschrieben von
Intensivmedizinern nur für andere Intensivmediziner.
Inhaltlich ist das Buch auf dem neuesten Stand(der sich in der Intensivmedizin aber leider nahezu täglich ändert).
Sprachlich ist es flüssig und in einfacher und klar verständlicher Sprache geschrieben. Zu meiner persönlichen Freude
werden vorwiegend ganze Sätze verwendet. Die zum Verständnis notwendige Physiologie und Pathophysiologie wird
vielfach kurz wiederholt. Inhalte, die hoch gestochenere Lehrtexte als bekannt voraussetzen, werden für den Anfänger
erklärt. Insbesondere werden viele Hinweise und Tipps für das praktische Arbeiten auf einer Intensivtherapiestation
gegeben, inklusive konkreter Dosierungsanleitungen. Der wissenschaftliche Tiefgang ist auf das Nötigste begrenzt, gibt
aber den neuesten Stand der Diskussion wieder. Die einzelnen Aussagen werden nicht durch Zitate aus der Fachliteratur
belegt, aber wenn die Autoren das gemacht hätten, wären für das Buch wahrscheinlich nicht 859 Seiten sondern die
doppelte Seitenanzahl nötig gewesen. Stattdessen finden Sie am Ende jedes Kapitels einige ausgewählte Literaturstellen
und Hinweise auf Homepages, auf denen Sie weitere Informationen zu dem entsprechenden Thema erlangen können.
Wenn Sie darüber hinaus noch mehr wissen wollen, insbesondere über derzeit noch ungeklärte Fragen und
Auseinandersetzungen, müssen Sie die entsprechende Fachliteratur oder die intensivmedizinischen Koryphäen unserer
Klinik für Anästhesiologie konsultieren.
Zander R,
Flüssigkeitstherapie
Medizinische Verlagsgesellschaft mbH, Melsungen 2009(2., erweiterte Auflage, 121 S.
Ungerechnet das ausführliche Literaturverzeichnis), nicht im Buchhandel erhältlich, aber kostenlos
bei Braun Melsungen.
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