Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik Prof. Dr. Jochen Michaelis Sommersemester 2014 Kapitel 3: Das Geldangebot Kapitel 3 – Das Geldangebot 3. Das Geldangebot Mishkin, Kap. 13 - 15 Gischer/Herz/Menkhoff, Kap. 8-10 • Wir wissen, was die Nachfrage nach Geld bestimmt • Aber was bestimmt das Geldangebot? Wie hängt M3 endogen von der Geldbasis ab? Was ist Geldschöpfung? Wie kommt Geld in den Umlauf? • Wir betrachten das Zusammenspiel von drei Akteuren: Zentralbank, Geschäftsbanken, Nichtbanken • Verständnis des Geldangebots bzw. der Geldschöpfung ist unerlässlich zum Verständnis der Geldpolitik, vor allen der Reaktionen von Fed, EZB und BoE während der Finanzkrise seit 2007 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 2 Kapitel 3 – Das Geldangebot Ausgangspunkt: Zentralbankbilanz EZB (Mrd. €, Dezember 2012) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 3 Kapitel 3 – Das Geldangebot 3.1 Die Geldbasis (Zentralbankgeld, high powered money) Zentralbankbilanz (stilisiert): • Geldbasis B = Summe aus Bargeld C und Reserven R des Bankensystems (MFI) (1) 𝐵 =𝐶+𝑅 • Bilanzsumme ist die Geldbasis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 4 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Reserven: Geschäftsbanken (GB) sind verpflichtet, bei der ZB ein Konto zu führen. Diese Guthaben sind die Reserven (Verbindlichkeiten für die ZB, Aktiva für die Banken) Mindestreserven MR: Für jeden Euro an Depositen muss ein Anteil an Reserven gehalten werden (freiwillige) Überschussreserven ÜR (excess reserves) • Wertpapiere: typischerweise Staatsanleihen (zinsbringend!); Zufuhr von Liquidität erfolgt u.a. durch Ankäufe von Staatsanleihen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 5 Kapitel 3 – Das Geldangebot 3.2 Offenmarktgeschäfte und Giralgeldschöpfung • Zentralbank kann die Geldbasis durch sog. Offenmarktgeschäfte kontrollieren sowie durch Kreditvergabe an GB • Beispiel 1: ZB kauft Wertpapier von Geschäftsbank, Bezahlung durch Gutschrift von Reserven Erhöhung der Reserven und damit der Geldbasis um 100 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 6 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Beispiel 2: Kredit an eine Bank, Gutschrift auf Reservekonto Erhöhung der Reserven und damit der Geldbasis um 100 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 7 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Beispiel 3: Kauf eines Wertpapiers von einer Nichtbank, Verkäufer deponiert Geld bei Bank Geldbasis (Reserven) und Geldmenge M1(Depositen) um 100 gestiegen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 8 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Beispiel 4: Kauf eines Wertpapiers von einer Nichtbank, Verkäufer möchte Verkaufserlös in Form von Bargeld Zentralbank Wertpapiere +100 Reserven Bargeld Geschäftsbank ±0 Reserven ±0 Depositen ±0 +100 Geldbasis +100 Nichtbank Wertpapiere -100 Bargeld +100 Bargeld um 100 gestiegen, Reserven unverändert, Depositen unverändert, Geldbasis und Geldmenge M1 um 100 gestiegen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 9 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Beispiel 5: Geldschöpfung Erster Schritt: Offenmarktkauf der ZB von Bank A Bank A Zentralbank Wertpapiere +100 Reserven +100 Wertpapiere -100 Reserven +100 Bank B • Ergebnis: Überschussreserven sind um 100 gestiegen Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 10 Kapitel 3 – Das Geldangebot Zweiter Schritt: Bank verleiht diese 100 an einen Schuldner (Kreditvergabe) und schreibt die 100 dessen Depositen gut Bank A Zentralbank Wertpapiere +100 Reserven +100 Wertpapiere -100 Reserven +100 Kredite +100 Depositen +100 Bank B Durch die Kreditvergabe ist die Geldbasis unverändert geblieben, aber die breiteren Geldmengenaggregate sind gestiegen! Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 11 Kapitel 3 – Das Geldangebot Dritter Schritt: Schuldner wird das Geld nicht lange liegen lassen, sondern damit z.B. eine Rechnung bei einer anderen Bank B bezahlen Bank A Zentralbank Wertpapiere +100 Reserven +100 Wertpapiere -100 Kredite +100 Bank B Reserven +100 Depositen +100 Durch Begleichung der Schulden „wandern“ Depositen und Reserven von Bank A zu Bank B, kein Effekt auf die Geldmenge Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 12 Kapitel 3 – Das Geldangebot Vierter Schritt: Bank B nutzt die Erhöhung der Reserven, um einen Kredit zu vergeben, Schuldner zahlt Rechnung bei Bank C Bank A Zentralbank Wertpapiere +100 Reserven +100 Wertpapiere -100 Kredite +100 Bank B ±0 Depositen +100 Reserven Kredite Bank C Reserven +100 Depositen +100 +100 Bei Bank B ein Aktivtausch von Reserven in Kredite, bei Bank C Erhöhung der Reserven und der Depositen um 100 Geldmenge M1 insgesamt um 200 gestiegen! Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 13 Kapitel 3 – Das Geldangebot Einführung einer Mindestreserve in Höhe von 10% der Depositen Bank A Zentralbank Wertpapiere +100 Reserven +100 Wertpapiere -100 Kredite +100 Bank C Bank B Reserven +10 Depositen Kredite +90 +100 Reserven Kredite +9 Depositen +90 +81 Bank B muss 10 Mindestreserve halten, nur die übrigen 90 stehen für Kreditvergabe zur Verfügung; Bank C muss 9 MR halten, nur die restlichen 81 stehen für Kreditvergabe zur Verfügung etc. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 14 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Durch Kreditvergabe der GB wird die Geldmenge M1, M2 etc. erhöht (beeinflusst) = Giralgeldschöpfung Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 15 Kapitel 3 – Das Geldangebot Erhöhung der Depositen durch Erhöhung der Reserven um 100 100 + 0,9 ∙ 100 + 0,9 2 ∙ 100 + … = 100 1 + 0,9 + 0,9 2 + … = 100 1 1−0,9 = 1000 Allgemein: 1 (2) 𝑀 = 𝑟 ∙ 𝑅 Multiplikator (2) basiert insbesondere auf zwei vereinfachenden Annahmen: Banken halten keine freiwillige Überschussreserve, nutzen die zusätzlichen Reserven der ersten Runde also voll für Kreditvergabe Private (Empfänger des Rechnungsbetrags) erhöhen im vollen Umfang die Depositen, niemand fragt Bargeld nach Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 16 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Prozess der aktiven Geldschöpfung der GB (Giralgeldschöpfung) nicht unbegrenzt, da GB für diese Tätigkeit Zentralbankgeld brauchen, und dieses wird von der ZB fixiert. • Warum brauchen GB bei der eigenen Kreditvergabe Zentralbankgeld? Erfüllung der Mindestreservepflicht Befriedigung der Bargeldnachfrage der Privaten Wenn die Kunden der GB Bargeld verlangen, müssen die GB dieses bei der ZB erwerben (leihen). • Je höher die Mindestreserve und je höher die Bargeldnachfrage der Privaten, desto enger die Grenzen der Geldschöpfung durch GB bzw. Private Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 17 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Die Verbindung zwischen Geldbasis B und dem Geldangebot in den Abgrenzungen M1, M2 etc. ist der sog. Geldmultiplikator. • Herleitung des Geldmultiplikators für M1: 𝑀1 = 𝑚1 𝐵 (3) B = Bargeld C + Mindestreserven MR + Überschussreserven ÜR (4) M1 = Bargeld C + Depositen D • Verhaltenshypothesen: 𝐶 1. Private entscheiden über die Bargeldquote 𝑐 = 𝐷 Zahlungsgewohnheiten Schwarzarbeit/Schwarzmärkte verzinsliche Depositen, Bank runs Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 18 Kapitel 3 – Das Geldangebot 2. Zentralbank entscheidet über die Mindestreserve-Quote 𝑟 = 𝑀𝑅 𝐷 3. Geschäftsbanken entscheiden über Überschussreserve-Quote ü𝑟 = Ü𝑅 𝐷 Geldmultiplikator für M1: (5) 𝑚1 = 𝑀1 𝐵 = 𝐶+𝐷 𝐶+𝑀𝑅+Ü𝑅 = 𝑐𝐷+𝐷 𝑐𝐷+𝑚𝑟∙𝐷+ü𝑟∙𝐷 = 1+𝑐 𝑐+𝑚𝑟+ü𝑟 • je höher die Bargeldquote, desto weniger D steht für Kreditvergabe zur Verfügung, der Geldmultiplikator sinkt • je höher die Mindestreserve-Quote, desto kleiner der Geldmultiplikator • je höher die Überschussreserve-Quote, desto kleiner der Geldmultiplikator Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 19 Kapitel 3 – Das Geldangebot BRD (1999): 𝑚1 = 𝑀1 𝐵 536 = 162 = 3,3 EZB (2013): 𝑚1 = 𝑀1 𝐵 5202 = 1428 = 3,65 ZB kann M1 nicht perfekt steuern wegen Unsicherheit über die Bargeldquote c Einfluss der GB auf die Überschussreserve-Quote (vgl. US-Bankenkrise Anfang der 30er und Situation nach Zusammenbruch von Lehman Brothers!) Dieser Punkt gilt noch stärker für die Multiplikatoren 𝑚2 und 𝑚3 . 𝑀2 𝐶+𝐷+𝑇 1+𝑐+𝑡 𝑀3 𝐶+𝐷+𝑇+𝑆 1+𝑐+𝑡+𝑠 Geldmultiplikator für M2: 𝑚2 = = = 𝐵 𝐶+𝑀𝑅+Ü𝑅 𝑐+𝑚𝑟+ü𝑟 Geldmultiplikator für M3: 𝑚3 = = = 𝐵 𝐶+𝑀𝑅+Ü𝑅 𝑐+𝑚𝑟+ü𝑟 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 20 Kapitel 3 – Das Geldangebot mit Termineinlagenquote 𝑡 = 𝑇 𝐷 und Spareinlagenquote 𝑠 = 𝑆 𝐷 Private Haushalte haben Einfluss auf Geldmultiplikatoren über Bargeldquote c, Termineinlagenquote t und Spareinlagenquote s. Banken beeinflussen diese Entscheidung über Zinssätze für Termin- und Spareinlagen und Wertpapiere (z.B. Bankschuldverschreibungen). Empirie: BRD (1999): 𝑚2 = BRD (1999): 𝑚3 = 𝑀2 𝐵 𝑀3 𝐵 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 = = 1278 162 136 162 = 7,9 = 8,1 EZB (2013): 𝑚2 = 𝑀2 𝐵 = 1428 = 6,36 9089 EZB (2013): 𝑚3 = 𝑀3 𝐵 = 9809 1428 = 6,87 Prof. Dr. Jochen Michaelis 21 Kapitel 3 – Das Geldangebot Zwischenfazit Zentralbank kontrolliert Geldbasis Private beeinflussen über Bargeldquote das Geldangebot Zentralbank entscheidet über Mindestreservesatz Geschäftsbanken entscheiden über Überschussreserve-Quote Wichtige Schlussfolgerung: Zentralbank hat keine perfekte Kontrolle über Geldmenge Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 22 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Ein Indikator für die Verwerfungen am Finanzmarkt ist der Rückgang des Multiplikators 𝑚1 • Zwei Gründe können einen Rückgang von 𝑚1 auslösen: 1. Die Haushalte haben kein Vertrauen in das Bankensystem und horten Geld (c steigt) 2. Banken sind unsicher, verzichten auf Kreditvergabe und akkumulieren Liquidität in Form von Reserven Zur Zeit beobachten wir (1), aber vor allem (2). Gleichzeitig wird die Geldbasis drastisch erhöht. Wegen des niedrigen 𝑚1 steigt das Geldangebot aber weniger als üblich. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 23 Kapitel 3 – Das Geldangebot Anwendung (1): US-Bankenkrise Anfang 30er • Bankenpleiten (i.V.m. Fehlen einer Einlagenversicherung) führte zu: – verstärkten Abzug/Auflösen von Sichteinlagen, Umwandlung in Bargeld) – Anstieg der Überschussreserven • Trotz relative konstanter Geldbasis ist das Geldangebot massiv gesunken als Folge des Absinkens des Geldmultiplikators Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 24 Kapitel 3 – Das Geldangebot Extreme Volatilität bei Depositen (Achtung: logarithmischer Maßstab) Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 25 Kapitel 3 – Das Geldangebot Entwicklung von Bargeldquote und Überschussreserve-Quote Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 26 Kapitel 3 – Das Geldangebot Entwicklung des Geldmultiplikators für M1 Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 27 Kapitel 3 – Das Geldangebot Anwendung (2): Geldbasis und Geldmultiplikator in USA Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 28 Kapitel 3 – Das Geldangebot 3.4 Die Geldmarktsteuerung der EZB • Vereinfachte Bilanz der EZB • In der Praxis steuern Zentralbanken (ZB) den kurzfristigen Zinssatz über sog. Wertpapierpensionsgeschäfte (repurchase agreements, repo): Die ZB übernimmt ein Wertpapier von einer Bank als Sicherheit, schreibt einen Betrag auf dem Reservekonto der Bank gut und verkauft das Papier zu einem vorher vereinbarten Preis an die Bank zurück. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 29 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Wir schauen uns das Instrumentarium der EZB genauer an. Die Banken in der Eurozone können Liquidität entweder am Interbankenmarkt (auch Geldmarkt genannt) aufnehmen oder von der EZB direkt bekommen. Hierdurch kann die EZB die Konditionen auf dem Geldmarkt beeinflussen. Die EZB strebt mit diesen Operationen typischerweise ein bestimmtes Niveau des Geldmarktzinses an. • Der relevante Geldmarktzins in der Eurozone ist EONIA (Euro Overnight Interest Average). gewichteter Durchschnitt der Zinsen, die die großen Banken auf dem Interbankenmarkt für unbesicherte Übernachtkredite vereinbart haben. Panel von 43 Banken stellt täglich bis spätestens 18:30 CET der Europäischen Zentralbank Daten über Umfang und durchschnittlichen Zinssatz der an diesem Tag vollzogenen ungesicherten Tagesgeldausleihungen zur Verfügung. Die EZB streicht die 15 höchsten und tiefsten Werte und ermittelt den Durchschnittswert, der dann veröffentlicht wird. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 30 Kapitel 3 – Das Geldangebot • In den USA ist der Geldmarkt der Federal Funds market und der Zinssatz ist die Federal Funds Rate. • Hauptrefinanzierungsgeschäfte (main refinancing operations, MRO) Vor 2008 das dominierende Instrument der Bereitstellung von Liquidität In der Regel wöchentliche Liquiditätsbereitstellung gegen Sicherheiten. Zinstender mit Mindestbietungssatz: Banken melden gewünschte Menge und Zins an EZB. EZB legt Volumen fest und teilt zu individuellen Zinssätzen vom Höchstgebot an zu, bis das Volumen verbraucht ist. Die "minimum bid rate on the main refinancing operation" ist das wichtigste (gegenwärtig muss man hinzufügen: konventionelle) Instrument der Geldpolitik. Normalerweise liegt EONIA nahe bei diesem Zins. Der EZB-Rat setzt die minimum bid rate für diese geldpolitischen Operationen. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 31 Kapitel 3 – Das Geldangebot PRESSEMITTEILUNG 7. November 2013 - Geldpolitische Beschlüsse Auf der heutigen Sitzung fasste der EZB-Rat die folgenden geldpolitischen Beschlüsse: Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems wird um 25 Basispunkte auf 0,25 % gesenkt. Dies gilt erstmals für das am 13. November 2013 abzuwickelnde Geschäft. Der Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität wird mit Wirkung vom 13. November 2013 um 25 Basispunkte auf 0,75 % gesenkt. Der Zinssatz für die Einlagefazilität wird unverändert bei 0,00 % belassen. Der Präsident der EZB wird die Überlegungen, die diesen Beschlüssen zugrunde liegen, heute um 14.30 Uhr MEZ auf einer Pressekonferenz erläutern. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 32 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (long-term refinancing operations, LTRO) Monatliche Liquiditätsbereitstellung mit Laufzeit von 3 Monaten. Von diesen Geschäften sollen keine geldpolitischen Impulse ausgehen. Kein Mindestbietungssatz. Die EZB gibt das gesamte Zuteilungsvolumen im Voraus bekannt und teilt dies in der Reihenfolge der individuell gebotenen Zinssätze zu diesen Geboten zu. Zins ist durchschnittlicher Hauptrefinanzierungssatz der letzten drei Jahre. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 33 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Neben den regulären (i.d.R. wöchentlichen) Refinanzierungsoperationen stellt die EZB auch zwei ständige Fazilitäten zur Verfügung. 1. Die Einlagenfazilität (deposit facility): Über die Einlagenfazilität können die Banken über Nacht Beträge bei den nationalen Zentralbanken parken. Abschöpfung von Liquidität Normalerweise verzinst mit 1% unter dem Zins der Hauptrefinanzierungs-geschäfte. Zins gegenwärtig bei 0%. 2. Die Spitzenrefinanzierungsfazilität (marginal lending facility): Wird von den Banken genutzt, um sich über Nacht Liquidität gegen refinanzierungsfähige Sicherheiten von der EZB zu beschaffen. Zins normalerweise 1% über dem Zins der Hauptrefinanzierungsgeschäfte. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 34 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Die Zinssätze der ständigen Fazilitäten bilden einen Korridor für den Geldmarktzins, d.h. für EONIA. Banken können (gegen Sicherheiten) Liquidität über die Spitzenrefinanzierungsfazilität aufnehmen. Der Zins bildet also die Obergrenze für den Geldmarktzins. Banken können immer Liquidität in der Einlagenfazilität hinterlegen. Sie müssen keinen Zinssatz akzeptieren, der niedriger als dieser Zins ist. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 35 Kapitel 3 – Das Geldangebot Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 36 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Veränderungen seit 2008: Angesichts der Finanzkrise hat sich das Instrumentarium der operationalen Geldpolitik geändert. seit Oktober 2008 werden die MRO als fixed-rate Auktion durchgeführt mit voller Zuteilung. Die wöchentlichen MRO sind nicht mehr die Hauptquelle der Bankenfinanzierung. Stattdessen sind LTRO wichtiger geworden (drei Monate und mehr). Die Liste der akzeptierten Sicherheiten ist erweitert worden. • LTRO Operationen im Dezember 2011: Angesichts der angespannten Lage auf den Finanzmärkten hat die EZB die Laufzeit von drei auf sechs und schließlich auf 12 Monate erhöht. Im Dezember 2011 haben Banken in einer LTRO über 1 Billionen Euro ausgeliehen (Draghi: „dicke Bertha“). Versteckte Unterstützung der Anleihemärkte: Banken nutzen die Mittel um Staatsanleihen zu kaufen. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 37 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Außerdem gibt es noch die sog. Emergency Liquidity Assistance (ELA): In Ausnahmesituationen haben Banken keine akzeptierten Sicherheiten mehr und benötigen dennoch Liquidität um ihre Verbindlichkeiten zu decken. In Notfällen können die nationalen Zentralbanken direkt Kredite geben, auch wenn keine Sicherheiten mehr vorhanden sind. Eine Besonderheit ist, dass die Haftung nicht im EZB-System geteilt wird. Der EZB-Rat kann allerdings diese Maßnahmen verbieten, wenn sie der gemeinsamen Geldpolitik widersprechen. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 38 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Mindestreservesätze Typischerweise über einen bestimmten Zeitraum definiert. Am Ende der Erfüllungsperiode gibt es dann hektische Aktivitäten, um Liquiditätsungleichgewichte auszugleichen. Dient dazu, die Liquiditätsversorgung besser kontrollieren zu können. Banken müssen öfter zur EZB um Liquidität aufzunehmen, so dass die EZB bessere Steuerungsmöglichkeiten hat. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 39 Kapitel 3 – Das Geldangebot • Beispiel: fixed rate tender Drei Banken geben Gebote ab: Bank 1 30 Mio. Bank 2 40 Mio. Bank 3 70 Mio. EZB entscheidet, 105 Mio. EUR anzubieten. Dies ergibt eine Zuteilung von 105 = 75% 30 + 40 + 70 Zuteilung an Banken Bank 1 22.5 Mio. Bank 2 30 Mio. Bank 3 52.5 Mio. Geldtheorie und Geldpolitik SS 2014 Prof. Dr. Jochen Michaelis 40