IP/99/619 Brüssel, den 5. August 1999 "Gelber Reis" zur Vorbeugung von Vitamin A-Mangel Im Rahmen des Projekts „Carotene plus“, das von der Europäischen Union gefördert wird, ist es Wissenschaftlern gelungen, eine Reissorte zu entwickeln, die ß-Carotin produziert. Diese wissenschaftliche Errungenschaft - durch die der Reis gelb wird - soll zur Vorbeugung des Vitamin A-Mangels in Ländern beitragen, in denen Reis Hauptnahrungsmittel ist. Der Mangel an Vitamin A ist ein Gesundheitsproblem in 118 Ländern der Welt. Die Folgen des Mangels sind nicht nur Xerophthalmia - die wichtigste Ursache für die Erblindung von Kindern in Entwicklungsländern – sondern auch für Kindersterblichkeit, da der Mangel zu höherer Anfälligkeit für Erkrankungen der Atemwege, Durchfall und Masern führt. Nach Auskunft der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit zwischen 140 und 250 Millionen Kinder im Vorschulalter unzureichend mit Vitamin A versorgt . Eine bessere Versorgung mit Vitamin A würde die Sterblichkeit um 23%, die Masernsterblichkeit um 50% und die Sterblichkeit in Folge von Durchfallerkrankungen um 33% senken. Sie würde auch ansteckende Kinderkrankheiten, insbesondere Durchfall und Masern reduzieren. Aus einem weiteren Bericht geht hervor, daß eine bessere Versorgung mit Vitamin A in den am stärksten gefährdeten Entwicklungsländern jährlich 1.25 bis 3.5 Millionen der fast 8 Millionen Todesfällen von Kleinkindern und Kindern im Vorschulalter verhindern könnte. Da Nahrungsmittelergänzungen nur schwierig und unter großem Kostenaufwand verteilt werden können, bestünde eine Alternative zur Vorbeugung erheblichen Vitamin A-Mangels darin, dieses Vitamin der Nahrung direkt – zum Beispiel über den Reis, der für über zwei Milliarden Menschen das Hauptnahrungsmittel ist zuzuführen. Ein Durchbruch bei der Genmanipulation Im Forschungsprojekt "Carotene plus" ist es gelungen, Reis durch genetische Veränderung zum Produzenten von ß-Carotin zu machen (Provitamin A), das der Mensch zu Vitamin A umwandelt. Infolge des Carotin-Gehalts nimmt der Reis eine gelbe Farbe an. Dieser Reis kann als funktionelles Nahrungsmittel bezeichnet werden - eine neue Kategorie von Lebensmittelprodukten, die einen spezifischen Gesundheitsnutzen liefern. Sie enthalten genügend ß-Carotin, um in einer typisch asiatischen Nahrung den Gesamtbedarf an Vitamin A abzudecken. Die von den Wissenschaftlern angewandte Strategie bestand darin, die Gene entsprechend der vollständigen Biosynthesebahn ins Reisgenom einzuführen, so daß ß-Carotin im Reisendosperm produziert werden konnte. Technisch ging es vor allem darum, die Gene zu isolieren, die ß-Carotin produzierende Enzyme kodieren. Vier Pflanzengene, nämlich phytoene Synthase, phytonene Desaturase, Carotindesaturase Zeta und Lykopencyclase sind dazu theoretisch erforderlich. Durch die Verwendung einer bakteriellen Desaturase Phytoen, die die zwei Anlagesaturasegene ersetzen konnte, waren schließlich nur drei Gene für Produktion des ß-Carotins notwendig. Die zwei Pflanzengene waren von Narzisse pseudonarcissus (daffodil). Wie jede andere Pflanze ist Reis in der Lage, ß-Carotin in seinen grünen Teilen zu synthetisieren. Der eßbare Teil von Reisgetreidesorten - das sogenannte Endosperm – ist jedoch carotinoid-frei. Die Verwendung von endospermspezifischen Förderern, die die Tätigkeit der Biosynthesegene des ß-Carotins regelt, gewährleistet die Produktion des ß-Carotins in diesem spezifischen Gewebe, das zur gelben Farbe der Getreidesorten führt. Reisgetreidesorten werden traditionell in geschälter Form verbraucht, wofür zuvor die äußeren Schichten entfernt werden. Dadurch gehen auch viele Verbindungen mit hohem Nährwert verloren. Das Schälen ist erforderlich, da die fettreiche äußere Schicht während der Lagerung - besonders in tropischem und subtropischem Klima - schnell ranzig werden würde. Biosicherheit Die Reissorten wurden in vollständiger Übereinstimmung mit EU- und nationaler Gesetzgebung gezüchtet, das heißt innerhalb abgeschirmter Anlagen. Bisher wurde auf die Freisetzung der Pflanzen gemäß der vorsätzlichen Freigaberichtlinie verzichtet; ebenso wurde ihre Sicherheit für den menschlichen Verbrauch gemäß der neuen Lebensmittelverordnung noch nicht abschließend bewertet. Die Nutzung der entsprechenden Technologie in Entwicklungsländern soll erst dann erfolgen, wenn die vollständige Befolgung aller europäischen Sicherheitsnormen gewährleistet ist. Eine andauernde Bemühung Der jetzt verfügbare "gelbe Reis“ muß weiterentwickelt werden. Unter Verwendung traditioneller Züchtungsmethoden soll das spezielle Merkmal auf andere Reissorten, die lokalen Bedingungen angepaßt sind, übertragen werden. Nach eingehender Untersuchung der Ernährungs- und Umwelteigenschaften soll Landwirten in Entwicklungsländern der Zugang zum Samen freigegeben werden. Das Projekt "Carotene plus" sieht auch die Einführung von Biosynthese des ßCarotins in Gewebe anderer carotin-freier Erntefrüchte, einschließlich weiterer Getreidearten vor. Ziel ist dabei, sie zu funktionellen Lebensmittel zu entwickeln, unter Hinzufügung von Verbindungen, von denen man weiß, daß sie aufgrund ihrer antitoxischen Eigenschaften und ihres Provitamin-A-Gehalts einen positiven Effekt auf die menschliche Gesundheit haben. Dieses Projekt wird gegenwärtig durch die Europäische Kommission im Rahmen des FAIR Programmes unterstützt. In der Anfangsphase wurde es durch die RockefellerStiftung gefördert. 2 Für weitere Informationen setzen Sie mit sich bitte in Verbindung mit : Stéphane Hogan, Programm Lebensqualität, GD XII Tel.: + 32-2 - 296.29.65; Fax : +32 2 299.1860 E-mail: [email protected] Stephen Gosden, Referat Kommunikation, GD XII Tel. : +32-2-296.00.79; Fax : +32-2-295.82.20 E-mail: [email protected] 3