Wie kommt die Tigerente auf die Zahnbürste? Die Vernetzung von Kinderwelten und Medienverbund auf dem Kinderbuchmarkt Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades einer Magistra Artium im Fachbereich Erziehungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften der Fernuniversität Gesamthochschule Hagen Eingereicht von Doris Grimm Starnberg, den 17.04.98 als zip-Datei Gliederung: 1. Identität aus zweiter Hand ? - das Aufwachsen in einer mediatisierten und kommerzialisierten Sozialisationsumwelt 1.1. Die Kommerzialisierung der Lebenswelt und das Kind als Kunde 1.1.1. Die Vielfalt des Angebotes 1.1.2. Die Ästhetik der Ware 1.1.3. Die Schauplätze der Konsumsphäre und die Verinselung von Kinderräumen 1.2. Die Mediatisierung des Alltags 1.2.1. Mit Medien unter einem Dach - die Ausstattung von Familien mit Medien 1.2.2. Mediennutzung von Kindern - bleibt noch Zeit zum Lesen ? 1.2.3. Mediatisierung der Erfahrung 1.2.4. Verschwindet die Kindheit ? 1.3. Kinderwerbung im Medienverbund - der Schulterschluß mit der Industrie 1.4. Zusammenfassung 2. „Komm, wir finden einen Schatz !" - das Kinderbuch im Medienverbund und der Lizenzwarenmarkt für Kinder 2.1. „Das gute Buch" - Kinderbücher zwischen Mythos und Realität 2.1.1. Von der Gefährlichkeit des Lesens - ein kurzer Ausflug in die Geschichte der Kinderund Jugendliteratur vom Mittelalter bis 1945 2.1.1.1. Die ersten zwei Jahrhunderte, von Gutenberg bis Comenius 2.1.1.2. Von den Philantropen bis zum 20. Jahrhundert 2.1.1.3. Von der Jahrhundertwende bis 1945 2.1.2. Das Kinderbuch der Gegenwart - kulturelle und gesellschaftliche Aspekte der Kinder- und Jugendliteratur in der Bundesrepublik 2.1.2.1. Der neue Realismus in der Kinderliteratur 2.1.2.2. Phantastische Kinderliteratur 2.1.2.3. „Trivialliteratur" für Kinder 2.2. Wie kommt die Tigerente auf die Zahnbürste? - Medienverbund und Merchandising auf dem Kinderbuchmarkt 2.2.1. Der Kinderbuchmarkt 2.2.2. Das Kinderbuch im Medienverbund 2.2.3. Das Kinderbuch und die Lizenzwaren 2.2.4. Merchandising - die Tierfiguren von JANOSCH als Ikonen der Kinderkultur 2.2.4.1. JANOSCH - vom Graphiker zum Markennamen 2.2.4.2. „ Oh, wie schön ist Panama!" - die Prototypen in den Kinderbüchern von JANOSCH und Wunschvorstellungen der Gesellschaft 2.2.4.3. Tigerente und Co. - Freunde fürs Leben? 3. Die Konstruktion der Wirklichkeit - Kinder gestalten ihre eigene Kultur 3.1. Mediennutzungsgewohnheiten und das Vorbild der Eltern 3.2. Familienklima und familiale Kommunikation 3.3. „Der kleine Tiger ist ganz stark" - Medienhandeln und Identität 3.4. Medienerfahrung und Werbekompetenz - der Umgang mit den Kinderwelten 3.4.1. Medienrezeption als aktive Bedeutungskonstruktion 3.4.2. Werbekompetenz - die Orientierung im Schlaraffenland 3.4.2.1. Verstehen und Erkennen von Spotwerbung 3.4.2.2. Der Einfluß der Bezugspersonen auf das Konsumhandeln der Kinder 4. Resümee und Ausblick Literaturverzeichnis 1. Identität aus zweiter Hand?- das Aufwachsen in einer mediatisierten und kommerzialisierten Sozialisationsumwelt Mit der historischen Entwicklung und den Strukturveränderungen von Gesellschaften ändern sich zugleich die Sozialisationsbedingungen der nachwachsenden Generationen. Dieser Zusammenhang erfordert es, will man sich mit der Sozialisation und Identitätsentwicklung von Kindern heute beschäftigen, über die Nahsysteme der Primär- und Sekundärsozialisation, Elternhaus, Schule und „peers", hinaus zu blicken auf die Makrostrukturen einer hoch komplexen, technisierten und kommerzialisierten Industriegesellschaft. Die Industrialisierung durchdringt inzwischen nahezu alle Lebensbereiche. Sogar die aus Rationalisierung und Technologieentwicklung in der Arbeitswelt erwachsende Freizeit wird von einer „Freizeitindustrie" bedient, die mit immer neuen Abenteuern und künstlichen Erlebniswelten lockt. Damit wird ein Bereich vergesellschaftet, der traditionell der Familie vorbehalten war. Der Organisation und Vermarktung der Freizeit, unter Orientierung an Marktprinzipien wie Gewinnmaximierung, Geschwindigkeit und Konkurrenz, kommt eine zunehmend sich verändernde individuelle Bedürfnisstruktur entgegen. Die Grundbedürfnisse sind längst befriedigt, ein gewisser Wohlstand ist erreicht, nun rücken Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, nach persönlichem Profil, in den Vordergrund des Interesses. Dies um so mehr, als der Prozeß der Individualisierung den Einzelnen aus den traditionellen bürgerlichen Klassen- und Familienstrukturen herauslöst und ihm den Zwang zur eigenen Biographie auferlegt. Diese Aufgabe, dem eigenen Leben eine Richtung und einen Sinn zu verleihen, macht angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten an Lebensstilmodellen orientierungslos, und damit anfällig für die Moden und Lifestyle - Angebote der Konsum- und Freizeitindustrie. „Erlebnisorientierung" (SCHULZE 1996), so ein neuer Terminus zur Charakterisierung der momentanen Bedürfnislage unserer Gesellschaft, richtet sich auf „...die Gestaltungsidee eines schönen, interessanten, subjektiv als lohnend empfundenen Lebens" (ebd. S.37). „Erlebnisorientierung richtet sich auf das Schöne" (ebd. S.39), auf das subjektiv als schön Empfundene. Mit diesem Bedürfnis nach Schönem geht eine „Ästhetisierung des Alltags" einher, das schöne und gesunde Aussehen wird beim Menschen wie bei den Waren wichtiger als der Inhalt, nicht das Sein, sondern das Design bestimmt das Bewußtsein. Das Erleben wird zum Lebensinhalt, ein möglichst nicht abreißender Strom an Erlebnissituationen wird aufgesucht, die Befriedigung hält immer kürzere Zeit, dann muß das nächste Erlebnis her. Diese Dynamik der erlebnisorientierten Lebensweise führt zur Erlebnishäufung im Zeitraffertempo, der Gewöhnungseffekt fordert immer intensivere Erlebnisqualitäten. So werden die Achterbahnen immer rasanter und gefährlicher, die Sportarten immer extremer, die Kinofilme noch reicher an Action und schnellen Schnitten, die Moden und Lifestyle - Entwürfe noch bunter und kurzlebiger. Es schließt sich der Kreis. Das Interesse der Industrie an der Erschließung neuer Märkte, durch Wecken und (Schein)-befriedigung von Bedürfnissen korrespondiert mit einer an Konsum und Erlebnis orientierten Gesellschaft. Es entsteht ein Erlebnismarkt, auf dem „...Erlebnisangebote gegen Geld und/oder Aufmerksamkeit getauscht (werden)" (ebd. S.422). Dabei ist dieser unter alltagsästhetischen Gesichtspunkten organisierte Erlebnismarkt in seiner Dynamik „...nur aus dem Spannungsverhältnis von ästhetischem Produktionsapparat und Publikum zu verstehen, in dem jede Seite die andere beeinflußt" (ebd. S.423). Der letzte Satz verdeutlicht die aktive, wenn auch oft unbewußte Rolle des Verbrauchers an der Gestaltung des Erlebnismarktes. Der Erlebnismarkt produziert künstliche Erlebniswelten, das Hallenbad wird, aufgepeppt durch Wasserrutschen, Palmen und Animationsprogramm, zum Erlebnisbad. Ein Einkaufszentrum bietet Vorstellungen des örtlichen Karnevalvereines oder eine Bademodenschau und lockt mit Hüpfburg und Kinderclown. Die Ferien lassen sich in Freizeitparks verbringen, die vom tropischen Badeparadies über diverse Sport- und Unterhaltungsprogramme für die ganze Familie - Erlebnis rund um die Uhr - anbieten. Vergleicht man die Angebote des Erlebnismarktes, so fällt auf, daß die Mehrzahl der Erlebnisangebote an Familien mit Kindern oder an Kinder und Jugendliche direkt gerichtet sind. Hierbei stellt sich die Frage nach der unter alltagsästhetischen Gesichtspunkten organisierten Kommerzialisierung der kindlichen Lebenswelt. Nur analytisch trennbar, mit der Diskussion dieser Frage verbunden, ist die Mediatisierung des Alltags, die über den Austausch von Informationen und in erster Linie über Werbung, die Gestaltung von Angebot und Nachfrage auf dem Erlebnismarkt erst ermöglicht und die Entstehung von Kinderwelten als Teil einer eigenen Kinderkultur begünstigt. 1.1. Die Kommerzialisierung der Lebenswelt und das Kind als Kunde Kindheit heute ist immer auch Konsumkindheit. Das Kind wächst in einer Umgebung auf, die zumindest in der öffentlichen Sphäre nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert ist. Es wird bereits als Kleinkind mit einer kaum zu bewältigenden Produktfülle von Waren überschüttet. Beim alltäglichen Supermarktbesuch mit den Eltern sieht es die schöne, bunte Warenwelt mit großen Kinderaugen an und versucht auch bald sie zu erfassen. Dementsprechend sind Kinderprodukte wie Süßigkeiten und Kleinspielwaren in Augen - und Greifhöhe der Kleinen postiert. Besonders viel Zeit zum Erkunden bleibt den Kindern dann während der erzwungenen Wartezeit an der Kasse, beidseitig flankiert von Regalen mit Süßigkeiten. Im alltäglichen Kampf um Kaugummis und Schokoladenriegel geben die genervten Eltern zumeist nach. Kinder und Jugendliche sind für die Industrie zu einer marktwirtschaftlichen Größe geworden, seit bekannt wurde, daß sie große Summen an Taschengeld und sonstigen Geldmitteln zur freien Verfügung besitzen, 1993 etwa 5,6 Milliarden Mark mit steigender Tendenz. Darüber hinaus bestimmen sie noch über die Einkäufe der Familie in der doppelten Höhe der persönlichen Geldmittel mit. Besonders auf dem Spielwarenmarkt und bei der Unterhaltungselektronik aber auch bei Lebensmitteln und alltäglichen Gebrauchsgütern weiß die Industrie um den Einfluß der Kinder auf die Kaufentscheidungen der Familie. Welche Komponenten kennzeichnen nun die Konsumwelt des Kindes? 1.1.1.Die Vielfalt des Angebotes Einen beispielhaften Einblick für die unüberschaubare Produktfülle der auf Kinder einstürmenden Warenwelten gibt die Spielwarenabteilung eines Kaufhauses. Hier findet sich in der Puppenecke die konventionelle Babypuppe neben der Künstlerpuppe, die singende oder sprechende Gliederpuppe neben der „lebensecht -" trinkenden Babydoll, die in die Windeln machen kann. Zu all diesen Puppen gibt es Kleidersets, Puppenwägen und -buggys, Betten, Geschirr und sonst noch alles, was Puppenmütter brauchen, bis hin zu komplett eingerichteten zwei Quadratmeter großen Küchen. Es gibt Friseur- und Schminksalons mit Puppenköpfen zum Frisieren, Fönen und Schminken. Und „last, but not least" die Welt der Barbie-Puppen, die bereits seit über 30 Jahren die Mädchenherzen - gegen jede Kritik von Müttern und Pädagogen immun - höher schlagen läßt. Dieser eher für Mädchen gedachten Auswahl verschiedenster Puppen nebst umfangreichem Zubehör stehen auf der Seite der Jungen Abenteuer Spielfiguren, H - Man und sein Gegner Skeletor oder die Indianer- und Cowboyfiguren, Safari oder Feuerwehr und Polizei der Playmobil Spielsortimente. Daneben gibt es Baukastensysteme von Lego, Primo von 3-24 Monate, Duplo für Kleinkinder und Legosteine ab dem Kindergartenalter. Anstelle der bis vor wenigen Jahren üblichen Grund- und Aufbaukästen, sind Spezialsortimente zu bestimmten Erlebnisthemen, wie Stadt, Schiffe, Western, Ufo getreten, deren Steine so spezialisiert sind, daß sie nur noch dazu geeignet sind, das jeweilige Raumfahrzeug, U- Boot, Ritterburg etc. aufzubauen. Das phantasievolle Gestalten eigener Kreationen ist nur noch im begrenzten Umfang möglich, da Grundbausteine in ausreichender Menge fehlen und die Spezialbausteine sich nur eingeschränkt miteinander kombinieren lassen. Zum Aufbau benötigt man zudem eine sehr komplizierte Bauanleitung, die archiviert werden muß, da ein erneutes Aufbauen ohne sie völlig unmöglich ist. Das fertige Bauwerk /Fahrzeug sollte möglichst aufgebaut bleiben oder separat in einer Schachtel gelagert werden, damit keiner der kleinen Steine verloren geht oder sich alle Steine in einer großen Kiste vermischen, aus der dann die einzelnen Bauteile mühevoll herausgesucht werden müssen. Der Trend auf dem Konsumwarenmarkt für Kinder führt hin zu kompletten „Kinderwelten", die sich an den Erlebniswünschen der Kinder orientieren. Dabei bleiben die Grundfiguren erhalten, lediglich das Zubehör ändert sich. Die so entworfenen Spielzeugwelten müssen dabei „...an jene Gegenstände, Objekte, Assoziationen, Träume, Symbole anknüpfen, die in der Nähe kindlicher Alltagserfahrungen liegen"(JENSEN/ROGGE 1980, S.23), sonst werden sie, trotz umfassender Werbekampagnen kaum beachtet und gekauft. Die Lego - Welt, die Playmobil - Welt und die Barbie - Welt, um nur die wichtigsten zu nennen, tragen die Bezeichnung „Welt", da hier versucht wird, möglichst geschlossene, ganzheitliche Spielsysteme zu entwerfen, die die Welt im Kleinen idealtypisch abbilden. Dies bedeutet keineswegs eine realistische Abbildung der „Außenwelt", sondern eine stereotype und stark vereinfachte „kleine heile Welt". Spielzeugwelten sind Bilderbuchwelten, romantische, saubere, bürgerliche Klischeewelten. Die klassischen und realitätsnahen Themenbereiche, wie Feuerwehr, Polizei, Verkehr, Bauernhof, Zirkus werden ergänzt durch Phantasiethemen, wie Zauberwald, Drachenturm, Pirateninsel, Indianer und Cowboys. Bei Lego kommen noch die Raumfahrt- und die Unterwasserwelt dazu. Die Grundfiguren entsprechen geschlechtstypischen Rollenklischees. So sind die Raumfahrer, Feuerwehrleute, Mechaniker, Zugführer und Piraten bei den Playmobil - Figuren alle männlich, Verkäufer, Betreuer im Kindergarten dagegen weiblich, lediglich bei der Polizei finden sich inzwischen auch Polizistinnen. Daneben gibt es sowohl von Playmobil wie auch von Lego seit einigen Jahren eine eigene „Mädchenwelt" mit Puppenhaus, Einkaufsmarkt und Cafe, Kindergarten und Spielplatz. Ganz gezielt wird hier versucht, in das rosa Reich der Barbie - Puppe vorzustoßen, jenem „Longseller" unter den Anziehpuppen, die unangefochten immer noch in jedem Mädchenzimmer in mehrfacher Ausfertigung zu finden ist. Exkurs: Die Welt der Barbie An der Barbie - Welt läßt sich exemplarisch gut zeigen, wie die Spielzeugindustrie und die Medienindustrie Hand in Hand arbeiten um ein Produkt zu vermarkten. Vor 39 Jahren, im Februar 1959, brachte der Spielwarenhersteller Mattel in den U.S.A. eine „Teenager - Modepuppe" (FENNICK 1996, S.6) auf den Markt, die es in sich hatte. Sie war äußerlich dem Vorbild der schweizerischen „Bild - Lilly" nachempfunden und stellte das auf 25 cm verkleinerte Abbild der amerikanischen Traumfrau dar, mit weiblichen Rundungen, wenn auch ziemlich realitätsfernen, ausgestattet und langem blonden Haar. Barbie hatte von Anfang an jede Menge Zubehör, vor allem Kleider, Schuhe und Taschen. Später kamen mehrere Häuser, Fahrzeuge, und Tiere dazu. Bald bekam sie Ken, das Klischee des durchtrainierten, gutaussehenden Amerikaners als Freund und Beschützer an die Seite gestellt. Einige Freundinnen kamen mit der Zeit hinzu und sie bekam auch eine kleine Schwester, Skipper mit Namen. So wie Barbie wollten alle kleinen Mädchen später sein und vor allem aussehen. Und das sollten sie auch, denn Barbie entsprach genau dem Frauenbild der 50er Jahre, lächelnd, wunderschön und nur Augen für den Traumprinz. Noch bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre hinein blieb die Barbie - Welt relativ klein. Barbie war zwar inzwischen in typische Frauenberufe, wie Sekretärin oder Friseuse vorgedrungen. Die Emanzipation der Frauen ab Mitte der 60er Jahre, die sich vor allem durch eine bessere Ausbildung, aber auch in einem neuen Selbstbewußtsein der Frauen zeigte, und besonders die Berufsrollen in der amerikanischen, wie in der unseren, Gesellschaft veränderte, vollzog die Barbie - Puppe allerdings erst ca.15 Jahre später nach. Für immer mehr Frauen wurde die Berufstätigkeit selbstverständlich, sie drängten auch vermehrt an die Universitäten und mußten zunehmend Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Gleichzeitig entwickelten sie immer individuellere Lebenskonzepte und brachen althergebrachte Familienstrukturen auf. In der Welt der Barbie aber blieb die bürgerliche, geschlechtstereotype Rollenverteilung bis in die 80er Jahre hinein erhalten. Die Barbie - Puppe eignet sich gut dafür, alle Trends mitzumachen. Der Puppe ist es möglich in jedes Gewand zu schlüpfen, die Rollen sind austauschbar, das Zubehör ändert sich. Damit wird die Puppe zum Trendsetter, der Themen aus der Umgebung der Kinder aufgreift und darstellt. Die Barbie - Welt entspricht bis ins Detail der glitzernden Konsum- und Medienwelt, die Kinder heute umgibt. Marktorientierung heißt das Zauberwort nach dem Mattel, zugeschnitten auf die kulturellen Gepflogenheiten des jeweiligen Landes, für die verschiedenen Barbie - Produkte Lizenzen vergibt. Asiatische Puppen unterscheiden sich von europäischen und südamerikanischen im Aussehen und im Zubehör. Figuren aus Kinderfilmen und Fernsehserien, etwa die bei Kindern beliebte Serie „Bay Watch", werden vom Hersteller aufgegriffen und sofort gibt es die Rettungsschwimmer - Barbie. Auf den Walt - Disney Film „Arielle, die kleine Meerjungfrau" folgte eine Flut von Meerjungfrau - Puppen, unter anderem eine „Zauber - Meerjungfrau - Barbie", die Seifenblasen machen kann. Der Verbund verschiedener Medien ermöglicht ein Umwerben und Umgeben der Kinder mit Barbie - Produkten von allen Seiten. Das Fernsehen zeigt Barbie Werbespots, die Printmedien schalten Anzeigen in Kinderzeitschriften und legen Werbeprospekte auf, die ähnlich wie Kinderzeitschriften aufgemacht sind. Es existiert eine eigene Barbie - Zeitschrift, die monatlich erscheint und an jedem Kiosk zu erwerben ist. Daneben gibt es auf Kassetten gezogene Abenteuer der Barbie - Familie und Barbie - Bücher. Dazu stoßen noch Unmengen von Lizenzprodukten, Taschen, Schulutensilien, Bettwäsche, Malbücher, Kleidung, Kosmetik , um nur einige zu nennen. Neben den angesprochenen Spielzeugwelten finden sich in den Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser und Fachgeschäften auch alle modernen Variationen und elektronische Veredelungen klassischer Kinderspielwaren. Es wimmelt nur so von „...Krümelmonster - Plüschtieren, fernlenkbaren Flugzeugen,...Elektro - Go - Karts, Matchboxautos, Ernie - und - Bert Bodenpuzzles,...Schlachschiffmodellen aus dem 2. Weltkrieg..., Wandteppichen mit bedruckten Mickey - Mouse- Figuren zum Selberknüpfen, lerndidaktisch angepriesenen Tischspielen, die Verkehrserziehung oder Konzentrationsförderung intendieren, Chemiebaukästen..., batteriebetriebene Nähmaschinen, Telespielen, Laubsägegarnituren, Registrierkassen mit elektronischer Digitalanzeige, Plasticolts mit elektronischer Zündstreifenmechanik, Schach- und Übersetzungscomputern..."(KÖHLER zit. n. BAACKE 1984, S.70). Kinder scheinen sich in dieser für die meisten Erwachsenen oft verwirrenden Produktfülle orientieren zu können, was ihnen einen Vorteil im Umgang mit der Vielfalt verschafft. Wie Kinder sich in der glitzernden Vielfalt der Kinderwelten zurechtfinden, nach welchen Kriterien sie Kaufentscheidungen treffen oder verwerfen, wie sie mit der sie umgebenden Konsumwelt kommunizieren, ist unter Punkt 3 eingehend zu beleuchten. 1.1.2. Die Ästhetik der Ware Die Warenästhetik spielt eine zunehmende Rolle bei der Gestaltung neuer Produkte. Abgehoben vom realen Gebrauchswert einer Ware, der sich bei vielen Alltagsprodukten schon kaum mehr verändern läßt, so sind z.B. die Inhaltsstoffe in allen Waschmitteln weitestgehend gleich, wird von den Warenproduzenten versucht, dem Produkt ein Profil zu verleihen, damit es sich besser verkauft. Diese Profilierung geschieht durch ein Anpassen der äußeren Produktmerkmale, wie Farbe, Konsistenz, Geruch oder Verpackung an die sinnlichen Bedürfnisse des Käufers. Die äußere Veränderung der Ware bewirkt „...die Auslösung des subjektiven Gebrauchswertversprechens durch das objektive, die Erregung der Sinnlichkeit des Käufers durch die Ästhetik der Ware" (HAUG 1981, S.77). Die Warenästhetik entfaltet ihre eigene Dynamik, indem sie ausgehend von der Sinnlichkeit des Käufers, dessen Bedürfnisse in Form gießt und damit leicht verändert auf diese zurückwirkt. Es handelt sich hierbei nicht um individuelle, sondern um generalisierte Bedürfnisse eines Käuferpools, der je nach Produktzielgruppe unterschiedlich groß und verschieden strukturiert ist. Und dennoch ist es wichtig für den Produzenten, möglichst genau die Bedürfnisstruktur der potentiellen Käufergruppe zu analysieren, da „...diejenige Erscheinung ...eher ankommen (wird), die intimer auf die Bedürfnisse des Adressaten eingeht" (ebd. S.78). Dies nennt HAUG das Wirkungsgesetz der Warenästhetik. Das so gestaltete Produkt kommt in den Handel und Verkaufsanalysen geben Rückmeldung über den Erfolg. Änderungen im Käuferverhalten werden registriert und in meist nur äußere Änderungen des Produktes umgesetzt. Diese Eigendynamik der Warenästhetik hat sich in den letzten Jahren zunehmend selbst überholt. Den Änderungen des Käuferverhaltens wird durch eine ständige Neugestaltung eines Produktes und die stetige Ausweitung bei gleichzeitiger Differenzierung der Produktpalette vorgebeugt. Es wird gar nicht mehr abgewartet, bis sich ein Bedürfnis zeigt, Bedürfnisse werden suggeriert und das auf die Befriedigung exakt zugeschnittene Produkt wird gleich mitgeliefert. Hält ein Produkt dann nicht das, was die „Mogelpackung" und die Werbung versprechen, ist die Enttäuschung beim Käufer, besonders aber bei Kindern groß. 1.1.3. Die Schauplätze der Konsumsphäre und die Verinselung von Kinderräumen Verstärkt wird der lebensweltliche Aspekt der Kommerzialisierung durch die Konzentration und Verinselung von Kinderräumen. Bis vor etwa 25 Jahren erweiterte sich der Aktionsradius eines Kindes mit zunehmendem Alter und wachsender Selbständigkeit ungefähr in konzentrischen Kreisen um die Wohnung der Familie. Die Welt des Kindes wurde größer blieb aber überschaubar und zusammenhängend. Mit der Stadtplanung der 70er Jahre einher ging die zunehmende Verlagerung von Gewerbe und Betrieben in gesonderte Gewerbegebiete, die entfernt von den Wohngebieten meist am Stadtrand angelegt wurden. Der Bauboom des subventionierten Wohnungsbaus schuf gleichzeitig Hochhaus - Trabantenstädte auf der vormals grünen Wiese vor den Toren der Stadt. Die Wege zur Arbeit und zum Einkaufen verlängerten sich, ein eigenes Auto wurde obligatorisch, da besonders in den Anfangsjahren die Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs nicht ausreichten. In diesen Hochhausghettos, aber auch in den großen Reihenhaus - Siedlungen dieser Zeit wurden die Einkaufsmöglichkeiten zentral angelegt. Einkaufszentren mit einer Vielzahl von Kaufhäusern, Boutiquen, Supermärkten und Einzelhandelsgeschäften, ergänzt um Cafes und Restaurants unter einem Dach, entstanden. Sie entwickelten sich schnell zu Kommunikationsschwerpunkten, besonders für Mütter mit kleinen Kindern und ältere Menschen, da sie oft neben einigen sehr phantasielos angelegten Spielplätzen die einzigen Orte waren, an denen man andere Menschen treffen konnte. Auch für ältere Kinder und Jugendliche wurden die Einkaufszentren zum Treffpunkt und Spielplatz. Auf Kinder übt die bunte Glitzerwelt der Einkaufszentren einen unwiderstehlichen Reiz aus. Bereits in den 30er Jahren berichtete MARTHA MUCHOW in ihrer Untersuchung „Der Lebensraum des Großstadtkindes" über Warenhäuser, die den Kindern als Spielplatz dienten. Je nach Alter beziehen sie jeweils andere Aspekte derselben räumlichen Gegebenheiten in ihr Handeln mit ein. So dienen die Rolltreppen und Atrien den Kindern eher zum Herumtoben und Fangen spielen während Sitzgruppen von Jugendlichen in Besitz genommen werden und mehr dem Treffen mit Gleichaltrigen und der vorsichtigen Annäherung an das andere Geschlecht dienen. Einkaufszentren sind für Kinder und Jugendliche wichtige Orte des „so tun als ob", des Probehandelns geworden. Sie spielen Einkaufen, suchen aus, probieren an, überlegen, was sie sich kaufen könnten und möchten und verpflegen sich selbständig an Fast - Food Ständen und Eisdielen. Gleichzeitig haben die zur selben Zeit entstanden wenigen Abenteuerspielplätze und pädagogisch betreuten Freizeiteinrichtungen Auslastungsprobleme. Sie werden bei weitem nicht so gut angenommen wie von den Planern angedacht. Ein wichtiger Grund liegt in der ständigen Aufsicht und Betreuung, der Kinder nicht immer ausgesetzt sein wollen. Zudem sind Abenteuerspielplätze selten zentral gelegen und damit zumindest für kleinere Kinder alleine nicht erreichbar. Die kognitive Landkarte in den Köpfen der Kinder besteht heute aus über den ganzen Stadtbereich verteilte Inseln, Spezialorte mit Zweckgebundenheit. In ländlichen Gebieten ist zwar der unmittelbare Nahbereich noch nicht zerteilt, spätestens aber mit Kindergarten und Schule beginnt die Verinselung auch hier. Die Zerteilung des kindlichen Lebensraumes in zweckorientierte, voneinander weit entfernte Orte, verändert die Mobilität besonders der kleineren Kinder bis ins Grundschulalter. Sie sind auf die Eltern mit Auto angewiesen, um von einem Ort zum anderen zu gelangen, und können sich alleine nicht mehr so leicht orientieren. Die Verkehrsdichte erschwert den Kindern zudem ein gefahrloses Erkunden des Lebensraumes. Für viele Kinder bleibt die oft auch noch zu kleine Wohnung der einzige Ort, an dem sie ungestört spielen können. Treffen mit Freunden sind spontan nicht möglich, jede Aktion bedarf der Abstimmung mit den Eltern und muß in deren Zeitplan passen. Der vielfältige Mediengebrauch und die mit Spielzeug aller Art vollgestopften Kinderzimmer sollen die fehlenden Spiel - und Aktionsmöglichkeiten kompensieren und die Kinder beschäftigen. In vielfältig bunten Plastikwelten sollen sie die Abenteuer „erleben", die ihnen in der Realität oftmals versagt bleiben. 1.2. Die Mediatisierung des Alltags Kindheit heute bedeutet immer auch zugleich Medienkindheit, selbstverständliches Aufwachsen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Medien. Wie unterscheiden sich verschiedene Familien in der Ausstattung mit Medien und wie erlernen Kinder den Umgang mit der sie umgebenden Medienwelt? Entwickeln sie bestimmte Routinen und Präferenzen im alltäglichen Mediengebrauch? 1.2.1. Mit Medien unter einem Dach - die Ausstattung von Familien mit Medien. Die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Medien betrugen bei einer 4Personen Familie in den alten Bundesländern im Jahr1996, bei mittlerem Familieneinkommen und Schicht 150,99 DM, bei höherem Einkommen und Schicht 230,08 DM. In den neuen Bundesländern waren sie mit 136,62 DM und 166,09 DM (BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS 1997, S.11) etwas geringer. Sie betrugen etwa 20 % der monatlichen Ausgaben für Freizeitgüter und liegen somit nach dem Urlaub (25%) an zweiter Stelle (ebd.S.12). Die mittlerweile sehr umfassende Ausstattung der Haushalte mit Medien bildet das Umfeld für Medienkonsum, fördert ihn und zeigt Präferenzen der familialen Mediennutzung (vgl. HURRELMANN u.a. 1993, S.86 ff). Nahezu alle Familien (98%) verfügen heute über mindestens ein Fernsehgerät, mindestens ein Radiogerät (85,4%), dazu eine Hifi- Anlage (77,5%) und einen Videorecorder (61,5%). Diese selbstverständliche „Grundausstattung" wird ergänzt durch diverse Zweitgeräte, Fernseher finden sich ähnlich wie Radios inzwischen auch in Küchen und Kinderzimmern. Immer mehr Kinder verfügen schon im Vorschulalter über einen eigenen CD- Player und Walkman (66,3%), sowie über einen Kassettenrecorder (56,8%). Dazu kommen in den letzten Jahren verstärkt eigene Fernseher und Computer (je 31,2%), sowie Telespielgeräte nebst dazugehörender Software (46,7%). An Printmedien besitzen Kinder zu 45% Kinderzeitschriften und verfügen über jede Menge eigene (im Durchschnitt 40) und geliehene Bücher. Comics und Werbezeitschriften runden die Medienlandschaft der Kinder ab. Trotz der inzwischen ähnlichen Grundausstattung der Haushalte mit Medien lassen sich Unterschiede in der Medienausstattung von Kindern feststellen. So wirken sich Schicht und Bildungsniveau der Familie dahingegend aus, daß besonders bei den elektronischen Medien die Kinder unterer sozialer Schichten überproportional gut ausgestattet sind: mit einem eigenen Computer zu 48,7%, einem eigenem Fernseher zu 46,9 Prozent, und der Tendenz nach auch mit den Speichermedien, Musik- und Videokassetten, sowie Telespielen. Dafür besitzen diese Kinder weniger Bücher und in den Familien werden neben der Fernsehzeitung hauptsächlich Boulevardblätter gelesen. Im Gegensatz dazu legen Familien höherer Schichten und Bildung mehr Wert auf Bücher, sie geben auch fast doppelt soviel für Bücher aus (durchschnittlich 58,43 DM monatlich gegenüber 29,57 DM), sowie auf regionale und überregionale Tageszeitungen und Fachzeitschriften. 1.2.2. Mediennutzung von Kindern - bleibt noch Zeit zum Lesen ? Die verschiedenen Medien sind so sehr mit dem Tagesablauf verwoben, daß oft mehrere Medien gleichzeitig genutzt werden. Daher dürfen Mediennutzungszeiten nicht einfach addiert werden, sondern müssen im Gesamtzusammenhang der Nutzungssituation gesehen (vgl. HURRELMANN 1993; FRITZ 1991; SAXER 1989). Rein additive Werte sind daher oft zu hoch und nur sehr begrenzt aussagefähig, da die synchrone Nutzung verschiedener Medien nicht erfaßt wird. Darüber hinaus scheint die dem Begriff „Nutzungsverhalten" immanente Aufmerksamkeitslenkung auf ein bestimmtes Medium inzwischen durchaus diskussionwürdig. Sie scheint in den letzten Jahren mit zunehmender „Alltäglichkeit" der Medienvielfalt nicht mehr unbedingt gegeben. Die Zeiten, als sich die ganze Familie vor dem Fernseher versammelte, Kinder sich dabei weder bewegen noch etwas sagen oder fragen durften, sind längst vorbei. Das Fernsehen ergänzt mittlerweile das Radios als klassisches Hintergrundmedium. Der Fernseher wird morgens zum Frühstück (Frühstücksfernsehen) eingeschaltet und läuft dann den ganzen Tag nebenbei mit. Dem inhaltlichen Geschehen wird nur noch sporadisch Aufmerksamkeit gewidmet. Kinder klinken sich dann, wenn sie gerade Zeit und Lust haben, in das Programm ein, zappen herum, bis sie eine Sendung finden , die ihnen gefällt, schauen eine kurze Zeit und gehen nebenbei anderen Aktivitäten nach. Neben dem Spielen oder Hausaufgaben erledigen laufen Musik- oder Kinderkassetten. Einzig die plötzlich eintretende Stille läßt das Kind zum Gerät eilen, um das Band zu wechseln. Wer wann, welchem Medium, wie lange seine Aufmerksamkeit widmet, wird bei synchroner Mediennutzung immer schwierig nachzuvollziehen sein. So bedürfen die „harten Zahlen der Empirie" der Ergänzug durch qualitative Verfahren, etwa der genauen Beobachtung und Analyse der situativen und individuellen Aspekte der Rezeptionssituation sowie eine erklärende Befragungen der beteiligten Personen nach familialen Mediennutzungsgewohnheiten. Wieviel Zeit bleibt den Kindern bei der breiten Angebotspalette der Medien im Haushalt und in den Kinderzimmern denn noch zum Lesen? Dies ist so HURRELMANN im Zusammenhang mit dem Medienverhalten im Medienverbund zu sehen (HURRELMANN u.a.1993). Die Besorgnis, die Beschäftigung mit den „neuen" Medien würde auf Kosten der für Bücher aufgewendeten Zeit gehen, läßt sich so nicht mehr halten, vielmehr ergänzen sich verschiedene Medienaktivitäten gegenseitig. So zeigte sich „..., daß der Anteil, den das Bücherlesen an der gesamten Mediennutzungsdauer, die bei 9-11jährigen Kindern zwischen 165,7- und 227,1 Minuten täglich liegt, hat, von 6,7 Prozent...auf über 40 Prozent bei den „Viel Lesern" steigt, und damit gegenüber dem Fernsehen überwiegt" (ebd., S.94). So haben die ausgesprochenen „Leseratten", die täglich mehr als 49 Minuten schmökern, mit 227,1 Minuten auch die höchste Mediennutzungsdauer insgesamt. Bei zunehmender Buchnutzungsdauer geht der Tendenz nach die Dauer des Fernsehens zurück, aber „...dies (geschieht) nicht in gleichem Maße..."(ebd., S.94). Festzustellen ist andererseits auch, daß Kinder, die sehr wenig lesen (tägliche Buchlesedauer unter 16 Minuten), mit 114,3 Minuten täglich überdurchschnittlich viel Fernsehen schauen.Dieses Ergebnis würde durchaus für die „Verdrängungshypothese" sprechen. Bei der Betrachtung der Gruppe von Kindern, die zwar nicht gerade als Leseratten zu bezeichnen sind, aber dennoch täglich 31-49 Minuten lesen, wird deutlich, daß auch diese Kinder mit 96,1 Minuten sehr viel fernsehen, was eher für eine ergänzende intensive Nutzung der verschiedenen Medien spricht. Die bisherigen Ergebnisse lassen aber weder an der „Verdrängungshypothese" noch an der „Ergänzungshypothese" als ganz schlüssigem Nachweis für die Präferenz eines Mediums auf Kosten der anderen Medien festhalten, vielmehr resümiert HURRELMANN „...legen die Ergebnisse die Vermutung nahe, daß verschiedene Kinder aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen in der Mediensozialisation auch typische Nutzungsmuster entwickeln, die einmal mehr den Eindruck einer Substitution von Medien und einmal mehr den der Ergänzung vermitteln." (ebd., S.94). Die Entwicklung verschiedener Mediennutzungsmuster in Abhängigkeit von familialem Umfeld und persönlichen Entwicklungsthemen wird unter Punkt 3. ausführlich dargestellt. 1.2.3. Mediatisierung der Erfahrung Ein Kind eignet sich seine Welt Schritt für Schritt an, in dem es seine Erfahrungen mit ihr macht. Dies geschieht zunächst über den Mund, der es befähigt, Hunger und Durst, Unwohlsein und Zufriedenheit auszudrücken, Nahrung aufzunehmen. Der Mund und seine Stimme sichern die ersten Außenkontakte. Nach und nach entwickelt sich das Begreifen der Umgebung als nächster Schritt in die Welt. Noch lange wird aber jedes zu begreifende Ding in den Mund gesteckt, um das mit den Händen Erfühlte abzusichern. Noch Erwachsene kauen am Bleistift, wenn sie über einer schwierigen Aufgabe brüten. Mit zunehmender Fähigkeit, die Muskeln koordinierend einzusetzen, um etwas, was es gesehen hat, anzufassen, festzuhalten, loszulassen, und auch die Beine zur Fortbewegung zu benutzen, erweitert das Kind seine Erfahrungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ermöglicht ihm, neben der Ausdifferenzierung der kognitiven Strukturen, die zunehmende Beherrschung der Mundmuskulatur, den Dingen einen Namen zu geben. Das Kind lernt ab dem zweiten Lebensjahr, seiner dinglichen Umwelt, die es im sich differenzierenden Gedächtnis als Abbild wiederfindet, Lautkombinationen zuzuordnen. Dies ist ein revolutionärer Schritt in die Welt, da es nun möglich ist, immer umfassender mit dieser Welt zu kommunizieren und darüber hinaus Erfahrungen mit der Welt in Worte zu fassen, zu verbalisieren. Dieses Verbalisieren geschieht zunächst laut, kleine Kinder benennen den ganzen Tag die Dinge und kommentieren ihr Tun, fragen nach und vergewissern sich immer wieder, daß die Dinge noch den gleichen Namen haben wie gestern. Sie strukturieren sich die Wirklichkeit zunehmend neben den Bildern auch durch Begriffe, die Zusammenhänge verstehbar machen. Daneben bleiben die Bilder als Repräsentationen von Begriffen noch bis in das Schulalter hinein wichtig und auch die konkrete Operation (vgl. OERTER 1982, S.453 ff), das Begreifen und Handeln zur Erfassung neuer Sachverhalte, ist auch für Lernen im Grundschulalter noch sehr eminent. Mit zunehmender Differenzierung der sprachlichen und kognitiven Möglichkeiten werden die Bilder im Kopf abgelöst durch innere Verbalisierungen, die es nun auch erlauben, aufgrund der bisher gemachten konkreten Erfahrungen Regeln zu abstrahieren und neue Zusammenhänge zu schaffen, logisch abstrakt zu synthetisieren. Dieser kurz geschilderte normale Entwicklungsverlauf macht einige Probleme deutlich, die sich durch die den Alltag von Kindern durchdringenden Medien ergeben. Primäre, dingliche Erfahrungen sind wichtig für eine Ausdifferenzierung der Denkstruktur. Die Verfügbarkeit über verschiedene Medien ermöglicht es auch schon kleinen Kindern, sich ein Bild von der großen Welt zu sich in die Wohnung zu holen, sich beliebte Geschichten wieder und wieder anzuhören oder anzusehen. Dabei wird die Aufmerksamkeit des Kindes von anderen Tätigkeiten für basale Erfahrungen abgezogen. Der leichte Zugang zu den Medien ermöglicht es dem Kind, sich selbst zu bedienen, es wird beschäftigt und muß sich nicht selbst etwas ausdenken. Langeweile, die in Erfindungsgeist und Selbstbeschäftigung mündet, entsteht erst gar nicht. Es lernt zwar besonders über das Fernsehen, aber durchaus auch über Bücher ausschnittweise die ganze Welt kennen, muß aber den bunten Bildern glauben, da es eigene Erfahrungen aufgrund der Entfernung und eingeschränkter Mobilität nicht so leicht machen kann. Dies bedeutet, daß die Bilder über ihre natürliche Authentizität hinaus realitätsbildende Wirkung haben, die sie sich der Überprüfung durch unmittelbare Erfahrung entzieht. Andererseits liegt die durchschnittliche Fernsehdauer bei kleinen Kindern im Durchschnitt nicht so hoch, daß der Spielraum der wichtigen Primärerfahrungen ernsthaft eingegrenzt wird. Selbst in ausgesprochenen Vielseherfamilien müssen andere Deprivationsfaktoren, wie eine zu kleine Wohnung in einer kinderfeindlichen Hochhaussiedlung und wenig Außenkontakte dazukommen, damit ein Kind in der Entwicklung differenzierter Denkstrukturen gestört wird. Ein anderer Aspekt der medialen Erfahrungen scheint wichtiger, da sie die Konstruktion von Wirklichkeit verändern. Besonders das Fernsehen aber auch Bilderbücher, Werbebroschüren oder Comics arbeiten mit Bildern. Bilder wirken anders als Worte primär. Sie existierten ontogenetisch vor den Worten im Denken und werden daher eher für wahr befunden. Bilder erregen eher Aufmerksamkeit und werden besser erinnert. Es wird dabei leicht übersehen, daß Medienbilder gemacht werden, daß dahinter Absichten stecken. Medienbilder stellen nur einen bearbeiteten Ausschnitt von Wirklichkeit dar, eine „Botschaft" über die Wirklichkeit, die wir sehen sollen und dürfen. Mediatisierte Erfahrungen vermitteln ein Scheinbild von Wirklichkeit nicht nur in Kinderköpfen, denn auch Erwachsene können den Wahrheitsgehalt der meisten Bilder, die sie durch die Bildmedien präsentiert bekommen, nicht überprüfen, da ihnen die Kontextinformationen fehlen und da auch sie nur über eine sehr eingeschränkte Mobilität verfügen. Das verzerrte Bild von Wirklichkeit in den Köpfen der Menschen, besonders in den Köpfen der Kinder, kann überall dort geradegerückt werden, wo es mit der Realität verglichen werden kann oder wo Zusatzinformationen gegeben werden können, etwa über Gespräche mit den Eltern. Meistens muß aber die unmittelbare Erfahrung die Botschaft des Bildes entkräften, zum Beispiel bei Werbeversprechen. Aus gutgläubigen kleinen Kunden werden dann, wenn das Spielzeug nicht hält, was die Werbung verspricht, sehr schnell enttäuschte Kinder, die beschließen, den „Mistkram" auf dem nächsten Flohmarkt zu verkaufen und nie wieder der Werbung zu glauben. Die Abgleiche mit der Realität sind aber nur in Ansätzen möglich und so glaubt das Kind in allen Bereichen, die seiner unmittelbaren Erfahrung entzogen sind, zunächst den Bildern. Erst mit zunehmender Erfahrung mit den Bildmedien entwickeln sich „Televiewing Skills", Routinen im Verstehen von Bildern und Fernsehgeschichten abhängig von Medienerfahrung und Alter, die den Wahrheitsgehalt von Bildern hinterfragbar machen. Besonders Kinder bis zum Ende des Grundschulalters brauchen die Unterstützung von Erwachsenen für die reflexive Analyse von Bildern. Auch die Zusammenhänge zwischen einzelnen Bildern, die „Geschichte der Bilder" werden von Kindern erst etwa ab dem Grundschulalter verstanden. Kleinere Kinder benötigen erklärende Verbalisierungen als Verständnishilfe (vgl. STURM 1987, S.106). Festzuhalten ist zunächst: Medienbilder stellen bearbeitete „Botschaften" über Wirklichkeit dar, und dies kann besonders von Vorschulkindern aufgrund der „Ikonographie des Bildes" und ihrer kognitiven Entwicklung nur selten erkannt werden. Medienbilder haben somit einen Einfluß auf die Realitätskonstruktion von Kindern und damit auch auf ihr Erleben und Handeln. 1.2.4. Verschwindet die Kindheit? Der Pädagoge und Kulturkritiker NEIL POSTMAN wirbelte in der medienpädagogischen Diskussion um veränderte Sozialisationsbedingungen unter dem Einfluß von Massenmedien mit seiner These vom „ Verschwinden der Kindheit" (POSTMAN 1979) viel Staub auf. Es soll seine durchaus kulturpessimisstisch einseitige Betrachtungsweise des kulturellen Wandels, besonders seine These vom Niedergang der Schriftkultur in der Gegenwartskultur unter einigen Gesichtspunkten beleuchtet werden. Dies hat seine Gründe. So umstritten und kontrovers seine Thesen in Wissenschaftlerkreisen aufgenommen wurden, so verführerisch nachvollziehbar haben sie sich in Eltern- und Erzieherköpfen breitgemacht und bestimmen bewußt oder unbewußt den Medienumgang im Erziehungsalltag mit. Dies bedeutet zu oft eine bewahrpädagogische Haltung, die an der Alltagsrealität von Kindern vorbei, unkritisch das jeweils neueste Medium einseitig für die damit verbundenen Mißbrauchsmöglichkeiten verurteilt, ohne die vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten für die kindliche Entwicklung und damit auch für Erziehung und Unterricht zu sehen. Nach POSTMAN leiteten elektronische Massenmedien, besonders das Fernsehen ab 1950 eine „optische Revolution" ein. Das Bild als Information steht für sich selbst und ist „...anders als der gesprochene oder geschriebene Satz unwiderlegbar...und ... es muß keinerlei Plausibilitätsregeln und keiner Logik genügen" (POSTMAN 1987, S.87). Daher bezeichnet er Bilder als „...in kognitiver Hinsicht regressiv...,zumindest wenn man sie mit dem gedruckten Wort vergleicht" (ebd. S.87). Bilder werden ganzheitlich erfasst, sind daher ontogenetisch früher als Worte verständlich, das kindliche Denken entwickelt sich vom konkret Bildhaften zum verbal Abstrakten (s.o.). Fernsehen mit seiner „undifferenzierten Zugänglichkeit"(ebd. S.94) ist für POSTMAN das Medium, das die Unterschiede zwischen Kindern und Erwachsenen verschwinden läßt. Es steht nicht wie das gedruckte Wort „...als wirksame Barriere zwischen dem Kind und dem Erwachsenen..." (POSTMAN 1987, S.92). Das Wissen der Welt sei früher für das Kind erst zugänglich gewesen, nachdem es Lesen gelernt hatte. Dieser Umweg über das Lesenlernen bliebe Kindern heute dank des Fernsehens erspart, was leider auch bedeute, daß Kinder kaum noch Schutz vor den Schattenseiten der Kultur hätten und mit einstmals tabuisierten Themen der Gesellschaft wie Sexualität und Gewalt vorzeitig konfrontiert würden. Die Erwachsenen verlören ihren Wissensvorsprung vor den Kindern und damit an Autorität und Kontrolle, die durchaus auch zum Wohle des Kindes eingesetzt werden könne. POSTMAN setzt sich für eine pädagogische „Scheinheiligkeit" (ebd. S.109) zum Schutz des Kindes ein. Er kritisiert besonders die Anhäufung von „Sex and Crime" in den Nachrichten - Shows und stellt die Frage: „In welchem Maße unterhöhlt die Darstellung der Welt, so wie sie ist, den Glauben des Kindes an die Rationalität der Erwachsenen, an die Möglichkeiten einer vernünftigen Weltordnung, an eine hoffnungsvolle Zukunft?" (ebd. S.111). Aufgrund der elektronischen Bilderflut in ihrer ikonenhaften Authentizität, die den Kindern eine Welt ohne Geheimnisse zeige, gleiche sich die Kinderwelt der Erwachsenenwelt an. Gleichzeitig würden die Erwachsenen, durch das Medium Fernsehen besonders durch die Werbung, zu Kindern gemacht, die zur rechten Konsumhaltung erzogen werden müßten. Das Fernsehen egalisiere das Publikum und versorge Jung wie Alt mit der gleichen Unterhaltungskost, die von Jahr zu Jahr intellektuell anspruchsloser würde. Die Schreib- und Lesefähigkeit von Erwachsenen nähme kontinuierlich ab, konstatiert POSTMAN, ohne dies allerdings zu belegen. Läßt sich, der Argumentation POSTMANS folgend, aufgrund der allgemeinen Verfügbarkeit der elektronischen Medien und aufgrund der Egalisierung der Zuschauer sowie der Trivialisierung des Fernsehens gleich vom Verschwinden der Schriftkultur und damit vom Verschwinden der Kindheit als Moratorium und Phase des Lernens sprechen? Liegt der Argumentation POSTMAN’s nicht ein stark romantisch, idealistisches Wunschbild von literaler Kindheit zugrunde? Die tatsächliche Literalität in den bürgerlichen Familien und den Schulen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts war meistens nichts anderes als Sittenlehre und gnadenloser Drill zur „grammatikalisch richtigen" Sprachbeherrschung. Breiten Bevölkerungsschichten blieb darüber hinaus, zumindest in Deutschland bis in die 20er Jahre hinein, ohne gemeinsame Grundschule und die Möglichkeit, daran eine höhere Schule anzuschließen, und ohne schulbegleitete Ausbildung jede Chance verwehrt, über einfache Lese- und Rechtschreibkenntnisse hinaus zu elaborierter Literalität zu gelangen. Die Lese- und Schreibfähigkeiten des „katholischen Arbeitermädchens vom Lande" besserten sich in der Bundesrepublik erst mit den groß angelegten Förderprogrammen in Vor- und Grundschule im Zuge der Bildungsreformen der 60er Jahre. Der Literaturunterricht an Schulen läßt heute noch vielfach zu wünschen übrig, von der Einfallslosigkeit und der Realitätsferne der Leselernfibeln ganz zu schweigen (vgl. BETTELHEIM 1982). Darüber hinaus bestimmen ganz andere Faktoren, wie etwa familiale Mediennutzungsmuster und individuelle Entwicklungsaufgaben, den Mediengebrauch und die Präferenzen kindlicher Mediennutzung. Analphabetismus als vielschichtiges Problem sozialer Ungleichheit wird nicht durch Fernsehkonsum verursacht und ist auch kein Gradmesser für den Niedergang der Schriftkultur. Dem Fernsehzuschauer unterstellt POSTMAN Passivität und Ausgeliefertsein, insgesamt eine konsumistische Grundhaltung. Er orientiert sich darin noch ganz an MC. LUHANS Imperativ und an der frühen Medienwirkungsforschung. Neuere Ansätze einer sozialökologischen Medienforschung (vgl. VOLLBRECHT 1988, S.383 ff; SAXER / BONFADELLI 1995; CHARLTON / NEUMANN-BRAUN 1986, 1995) gehen dagegen davon aus, daß Kinder „TV - literacy" (GREENFIELD 1987, S.10), Routinen im Erkennen und Einorden des Gesehenen mit zunehmendem Alter und wachsender Fernseherfahrung erarbeiten und sich Schemata des Fernsehverständnisses ausbilden. Sie sind keineswegs so passiv und manipulierbar, wie von POSTMAN geschildert. Kinder nutzen Medienbilder und Informationen zur aktiven Konstruktion ihrer Wirklichkeit. Die Bereiche primärer Erfahrungsmöglichkeiten werden durch die objektiven sozialökologischen Beschränkungen kindlicher Bewegungsräume immer weiter eingeschränkt (s.o.) und so „...werden die Medieninhalte zu „Surrogaten" der Primärerfahrungen" (BAUER /HENGST zit. n. LINK 1990, S. 73). Sie wirken verbindend und Sinn stiftend in einer bruchstückhaften „ersten" Realität und ergänzen diese, sie „...liefern Bezugspunkte, an denen man sich gut orientieren kann" (LINK, ebd., S.73). So können Medien Defizite an unmittelbaren Erfahrungsmöglichkeiten teilweise kompensieren. Es ist sogar nötig, sich an Medieninformationen auszurichten, da alle Informationen, die nicht unmittelbar zugänglich sind, in irgendeiner Weise schon vorsortiert und bearbeitet sind. Theoretisch läßt sich über ein riesiges Weltwissen verfügen, doch all diese Informationen sind mediatisiert. Lediglich die Synthese der Informationen zu einer für den Einzelnen brauchbaren Aussage bleibt ihm überlassen. Diese Fähigkeit, Informationen aus Medien herauszufiltern und in ihren Lebenszusammenhang zu integrieren, müssen Kinder lernen. POSTMAN ist durchaus zuzustimmen, daß das Fernsehen mit seiner „Totalität der Bilder" oberflächlich nicht geeignet ist, die Ausbildung analytischer Fähigkeiten als Voraussetzung für synthetische Denkprozesse zu fördern. Gleichzeitig bietet aber gerade das Fernsehen durch seine vielen verschiedenen Genres und Macharten die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu sehen, die Künstlichkeit des Gesehenen zu begreifen, Vergleiche zu ziehen, einzelne Charaktere herauszulösen, dahinter liegende Absichten und Täuschungen zu durchschauen. Dies gelingt entweder durch Vergleiche mit der „ersten" Realität oder über Gespräche mit Eltern oder Freunden. Die auch schon von Vorschulkindern verstandenen „Werbespots" werden sehr schnell als Täuschung entlarvt, da die Produkte meistens nicht halten, was die Werbung verspricht. Um nicht mißverstanden zu werden, Kinder reagieren höchst unterschiedlich auf Fernsehen. Ihre zunächst ganzheitliche Wahrnehmung, die ihnen das Erfassen von Bildern erleichtert, bedeutet auch, daß ihre Sinne manchmal überfordert sind. Besonders rasante Schnittechniken und die Unterlegung mit lauter, schnell pulsierender Musik, können besonders bei kleineren Kindern durchaus zu Angstreaktionen führen (vgl. HERTHA STURM 1987, S.91 ff.). Der leichte und uneingeschränkte Zugang zum Fernseher stellt tatsächlich ein Problem im Erziehungsalltag dar, beinhaltet aber auch die Möglichkeit mit diesem „Familienmitglied" gemeinsam aufzuwachsen und seinen Gebrauch zu lernen. Es scheint auch Anzeichen dafür zu geben, daß das Fernsehen so selbstverständlich geworden ist, daß es das Radio als Hintergrundmedium ergänzt. Damit verbunden wäre auch ein gewisser Bedeutungsverlust, da diesem Medium nicht mehr so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, man hört und sieht nicht mehr so konzentriert hin. Dies ist für das Verstehen von Fernsehen fatal, da das Medium auf Bild und Ton aufgebaut ist. Wenn man nur noch im Vorbeigehen hinhört und gelegentlich einen Blick auf das Geschehen wirft, kann nicht allzuviel an Information hängenbleiben. Das Fernsehen, hat gerade durch seine Alltäglichkeit und Trivialisierung einen Bedeutungsverlust erlitten. Es unterstützt durch seine seichte Machart und dem uneingeschränkten Zugang konsumorientierte Haltungen. Es wird konsumiert und instrumentalisiert, dient immer mehr Menschen als bloßes Unterhaltungsmedium. Für Informationen (hier: Nachrichten und Wissen im engeren Sinne) sind zunehmend Zeitungen und Fachzeitschriften zuständig. Je oberflächlicher und banaler die Fernsehinhalte werden und je „billiger" die Machart, desto mehr schwindet die Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit. Problematisch wird dieser Rückgang an Information nur für jene Menschen, die mangels Außenkontakten oder Fähigkeiten auf das Fernsehen als Informationslieferant angewiesen sind, z.B. für alte oder chronisch kranke Menschen, sowie für Menschen, die ihr gesamtes Wissen bisher nur aus dem Fernsehen bezogen haben. In den Vordergrund der Informationsbeschaffung treten heute andere elektronische Medien, die globale Vernetzung von Computern ermöglicht es dem Einzelnen, jede nur gewünschte Information zu erhalten und abzugeben. Der Computer symbolisiert eher eine Symbiose der Bildkultur mit der Schriftkultur als deren Verdrängung, ermöglicht er doch unendlich viele schriftliche und graphische Gestaltungsmöglichkeiten. Die Bedienung wird durch laufende Innovationen immer einfacher, dennoch benötigt jeder, der seinen Computer nicht nur zum Spielen nutzen möchte, Lese- und Schreibkenntnisse als „Basiskompetenzen" (vgl. HURRELMANN 1993, S.15ff). Man könnte auch sagen, daß durch die Entwicklung der elektronischen Medien ein Übermaß an „Wortgläubigkeit", Anhäufungen von abstraktem Buchwissen ergänzt, und korrigiert wurde um Bilder, die den Worten zur Seite und gegenübergestellt wurden. Die Konkurrenz der Bilder und Worte um die Aufmerksamkeit und die Realitätsbildung des Menschen scheint eher fruchtbar als zerstörerisch (vgl. BONFADELLI 1995, S.229ff). Bilder sagen zwar „mehr als tausend Worte", regen aber dazu an, sie zu interpretieren und zu vergleichen, wenn sie massenweise auftreten. Und dies geschieht über Worte. Bilder werden zwar eher für wahr befunden, ihnen billigt man, ungeachtet ihrer „Künstlichkeit" eher Authentizität zu. Sie lassen aber durchaus Interpretationsspielraum und Platz für Phantasie. Sie liefern oft den Anfang einer Geschichte, den Aufhänger für einen Gedanken. Ein Bild wird von unterschiedlichen Menschen unterschiedlich gesehen. Es gibt neben den individuellen Bildbewertungskriterien, etwa momentane Entwicklungslage, persönliche Erfahrungen und Präferenzen, Tagesform, auch gesellschaftlich und kulturell verbindende Kriterien. All diese Kriterien werden erlernt. Eine sinnvoll pädagogische Unterstützung des kindlichen Medienhandelns kann nicht geschehen, indem man die elektronischen Bildmedien als Wurzel allen Übels verteufelt, sondern nur, indem man sie als Bestandteil der alltäglichen objektiven Lernumwelt von Kindern begreift, ihnen den Umgang mit ihnen zeigt und sie eigene Erfahrungen damit machen läßt. In dem man zuläßt, daß Kinder sich Medien aneignen, und sie ihre spezifisch kindlichen Aneignungsformen entwickeln und anwenden läßt. Der von POSTMAN beobachtete Trend zur „Homogenisierung der Altersstufen" (LINK 1990, S.73) ließe sich auch durch die strukturellen Veränderungen in unserer Gesellschaft erklären, die durch den „Individualisierungsschub" der Postmoderne die Menschen dazu zwingt, sich eine eigene Biographie zu schaffen und sich gesellschaftlich zu verorten. Altersnormen und klar definierte lebenslange Berufsrollen, wichtige Bestandteile von personaler Identität, verlieren an Bedeutung in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit. Lebenslange Flexibilität wird gefordert, die Zeit des Lernens und der Ausbildung beschränkt sich nicht mehr auf Kindheit und Jugend. Gleichzeitig erhöht sich die Bedeutung der sinnvollen Organisation von Freizeit. Die Grenzen zwischen den Altersgruppen verschwimmen und die eigenen Eltern liefern nicht mehr so ein klar umrissenes Bild davon, was „erwachsen sein" bedeutet. Kinder sind daher gezwungen, sich und ihre „Kindheit" zunehmend selbst zu definieren, indem sie die Grenzen zu den Jugendlichen und Erwachsenen ziehen. Dazu nutzen sie die Angebote der sie umgebenden Konsum- und Medienwelt (s.u.). Und dies bringt zwangsläufig eine Konfrontation der Kinder mit gesellschaftliche Tabuthemen (wie Pornographie, Verbrechen, Krieg und Politik) mit sich, die Kinder ängstigen und überfordern kann. Hier besteht pädagogischer Handlungsbedarf, wird die Hilfe von Eltern und Erziehern benötigt, die auf dem schmalen Grat zwischen Unterstützung und Bevormundung balancierend, erklärend und diskutierend und durchaus auch einmal reglementierend eingreifen. Es gibt einen schönen Satz von MARIA MONTESSORI: „Hilf mir, es selbst zu tun", der bedeutet, genau so viel Unterstützung wie nötig zu geben und vor allem, ein Vorbild zu sein. Dies gilt für den Umgang mit Medien und Konsumwaren ebenso, wie für Erziehung überhaupt. So läßt sich resümieren, daß derzeit noch nicht von einem Untergang der Schriftkultur gesprochen werden kann, auch das abendländisch bürgerliche Konstrukt „Kindheit" (vgl. ARIES 1984) ist noch nicht verschwunden. Er hat nur eine individuelle Ausprägung erfahren, anders als früher könnte man heute eher von Kindheiten sprechen, die auf einem breiten bürgerlichen Boden individualistische Blüten treiben. Aber auch der Begriff der Bürgerlichkeit hat sich verändert. Kindheit heute bedeutet mehr Emanzipation und Partizipation am gesellschaftlichen Leben, die Möglichkeit und den Zwang zur frühen individuellen Lebensgestaltung und manchmal Überforderung und die Qual der Wahl. 1.3. Kinderwerbung im Medienverbund - Der Schulterschluß mit der Industrie Die ungefähr zwölf Millionen in Deutschland lebenden Kinder zwischen fünf und siebzehn Jahren werden von der Industrie massiv umworben. Sie sind die „Skippies" - „School kids with income and purchasing power". Sie verfügen nach einer Berechnung von NEUMANN-BRAUN und ERICHSEN über persönliche Geldmittel, „... insgesamt über 5,6 Mrd. DM jährlich, die sich aus dem Taschengeld von 400 Mio. DM, Geldgeschenken ...in Höhe von 1,6 Mio. DM, und einem Sparguthaben von 3,2 Mrd. DM zusammensetzt" (1995, S.27). Darüber hinaus bestimmen sie das Einkaufsverhalten der Familien entscheidend mit, wobei andere Untersuchungen diese Aussage deutlich relativieren. So dürfen Kinder und Jugendliche von 6-17 Jahren zu rund zwei Drittel zwar ihre Kleidung selbst bestimmen und über den Einkauf von kindertypischen Lebensmitteln, wie Limonade (57%), Schokolade (53%) oder Cornflakes (46%) mitentscheiden, „...bei teuren Geräten aber, für den Haushalt, wie Video Recordern, Fernsehgeräten, Radios oder Stereo - Anlagen sinkt der Einfluß auf Prozentwerte zwischen 6 bis 7 Prozent ab" (NICKEL 1997, S.130). Trotzdem sind Kinder die Kunden von morgen. Für die Industrie fungieren schon kleine Kinder, die noch über wenig Taschengeld verfügen, als „Markendurchsetzer". Markenbewußtsein, der Glaube an die Überlegenheit einer Produktmarke und deren Bevorzugung durch den Kunden soll früh eingeübt werden, denn „...Markenbindung wird in höchstem Maße und mit enormer Haltbarkeit bis zum 16. Lebensjahr gebildet" (EICKE, U. 1991, S.64). Neben der unmittelbaren Produktpräsentation, der Plazierung eines Produktes in Sicht- und Greifhöhe von Kindern, und der Produktgestaltung nach warenästhetischen Gesichtspunkten sind Kinder zu Werbeadressaten der unterschiedlichsten Werbeformen geworden. Neben der konventionellen Spotwerbung in Radio und Fernsehen ist dies zunehmend „below the line" Werbung, insbesondere Product-Placement, Sponsoring und Merchandising. Die Nettoumsätze des Werbefernsehens betrugen 1993 knapp 6,2 Mrd. DM, der Anteil der Privatsender am Umsatzkuchen betrug 80%, während sich die öffentlich-rechtlichen Sender mit dem mageren Rest begnügen mußten. Die Privatsender sind, da sie sich ausschließlich über Werbeeinnahmen finanzieren, sehr erfinderisch in der Plazierung der Werbung. Da werden Kindersendungen als Familiensendungen deklariert und Zeichentrickfilme zu 20 - Minuten Einheiten zusammengefaßt, um mit dazwischen geschalteten Werbeblöcken das Verbot der Unterbrecherwerbung zu umgehen. Die gesendeten Spots orientieren sich am Programmumfeld, vor, während und nach Kindersendungen wird vermehrt für Kinderprodukte geworben (vgl. AUFENANGER u.a.1995, S.80ff). Neben der Spotwerbung, die durch ein Signet optisch und akustisch vom Programm abgehoben sein muß und dadurch auch für Kinder leicht als Werbung erkennbar ist, gewinnen vor allem versteckte Werbeformen zunehmend an Bedeutung. Das Product Placement, das Plazieren von Warenzeichen oder Markenprodukten in Spielfilmen und Unterhaltungssendungen, spielt trotz Schleichwerbungsverbot eine zunehmende Rolle. Dies gilt auch für Kinderprodukte, da Kinder sich ja bekanntlich nicht nur Kindersendungen ansehen, sondern sich besonders für Action-Serien sowie für die Familiensendungen und Soap Operas des Werberahmenprogramms am frühen Abend interessieren. Industrie und Handel übernehmen die Ausstattung der Fernsehfilme und Serien und versorgen die zahlreichen Quizsendungen mit Preisen. Ein Beispiel für die Vernetzung von Handelsinteressen und Medienproduktion ist der Anfang 1996 erfolgte Einstieg der REWE - Gruppe mit einer 40-Prozent-Beteiligung bei dem Münchner Fernsehsender Pro Sieben. HANS REISCHL, der Chef von REWE antwortete in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus auf die Frage „wenn Pro Sieben - Serien künftig im Hotel Ihres Reiseveranstalters ITS spielen, benutzen die Darsteller dann auch REWE - Marken wie Erlenhof - Gemüse und Today - Shampoo?" mit dem Satz „so etwas ist sicher machbar, soweit es rechtlich zulässig ist. Umgekehrt könnten wir zusätzlich solche Produkte werblich betonen, die in einer Serie vorkommen" (MÜLLER 1997, S.102). Das Eindringen der Werbung über die zunehmende Vernetzung von Industrie, Handel und Medien in die kindlichen Erfahrungs- und Erlebniswelten, geschieht heute hauptsächlich über Sponsoring, Eventmarketing und Merchandising. Die Sponsoring - Aktivitäten, die finanzielle Förderung von Personen, Ereignissen oder Organisationen, mit der Gegenleistung der Marken- oder Imagewerbung für den Sponsor, erstrecken sich vom Sponsoring großer Sportveranstaltungen und Sportler bis hin zur Förderung von Kulturveranstaltungen und kulturellen Einrichtungen. „Sponsorengelder konzentrieren sich vor allem auf Spektakuläres, Bewährtes, Populäres und Fernsehträchtiges, auf die finanziell zwar abgesicherten , aber zum Sparen gezwungenen großen Theater, Orchester und Museen" (EICKE, U. 1991, S.201). Bei Sportveranstaltungen fließt das meiste Geld in telegene, hohe Einschaltquoten erzielende Sportarten, wie Tennis, Fußball und Leichtathletik, deren Fernsehübertragungsrechte daher auch heiß umkämpft sind. Eventmarketing heißt das neue Zauberwort der Kinder- und Jugendwerbung. Hier werden eigene, auf bestimmte Marken abgestimmte Ereignisse in Zusammenarbeit von Medien, Familien- und Jugendverbänden und Handel organisiert, z.B. die Streetball - Aktionen von Adidas und Street Soccer von Puma, des weiteren Straßen- und Musikfeste (neudeutsch „Street- Parades" und „Raves") und Kinderfeste mit Hüpfburg und Gewinnspielen. Hier wie dort wird versucht, über „Fun"- Erlebnisse frühzeitig Markenbindung herzustellen und Trends und Moden aus der „Szene" der Kinder und Jugendlichen möglichst schnell aufzugreifen und umzusetzen. Eventmarketing ist so erfolgreich, weil die Medien im Verbund an den Veranstaltungen partizipieren, so waren während der Streetball - Aktion 1992 „...52 Journalisten vor Ort. Über 130 Radio- Trailer, 35 Hörfunkberichte, rund 20 TV-Berichte und zahlreiche Berichte in Tageszeitungen, Publikums- und Fachtiteln sorgten für Öffentlichkeit" (SCHÖMBS zit. n. VOLLBRECHT 1997, S.67). Der Klassiker, der eigentliche Vater von Eventmarketing und Merchandising ist der Walt Disney- Konzern. Er war der erste, der die beliebten Comicfiguren auf andere Produkte druckte; bereits 1929 verkaufte er für 300 Dollar eine Lizenz an einen Hersteller von Kinderschreibtafeln. Heute liegen die Einnahmen durch die Vergabe von Nebenrechten bei 3,2 Milliarden Mark jährlich. 1994 wurde der Disney Film „König der Löwen" mit der Auszeichnung „Best Marketed Motion Picture 1994" bedacht, allein die Vermarktung der Nebenrechte brachten 1,5 Milliarden Mark (vgl. MÜLLER 1997,.S.109). Walt Disney kann mit „Disneyland" bei Los Angeles und „Disneyworld" in Florida auch als Erfinder der künstlichen Erlebniswelten und Themenparks bezeichnet werden, die mit „Euro-Disney" bei Paris und „Tokyo Disney" in Japan nun auch in Europa und Asien Fuß gefaßt haben und derzeit eine Boombranche darstellen. Der Normalfall des Merchandising auf dem Kindermedien- und Spielwarenmarkt ist die Vergabe von Urhebernebenrechten an Lizenznehmer zur Produktion von Sekundärprodukten unter dem Logo einer bekannten Figur aus Film oder Fernsehen. Besonders das Fernsehen, in neuerer Zeit auch das Kino, hat hierbei die Funktion eines Promoters übernommen. So wurden Kinderbuchklassiker, wie die Biene Maja, Heidi, oder der Pumuckl erst durch den Erfolg der Fernsehserien im großen Stil vermarktungsfähig. Die ersten Lizenzen zur Sekundärverwertung beliebter Kinderserien wurden an Tonträgerfirmen vergeben, die auditive Fassungen der Serien auf Kassetten zogen. Diese waren meist „Billigversionen" und entsprachen nicht den Qualitätsanforderungen aufwendiger Hörspielproduktionen, sondern verbanden die Tonspur der Fernsehserie mit einleitenden und verbindenden Erzählerkommentaren. Die sehr hohen Lizenzgebühren ließen nur große und finanzkräftige Tonträgerfirmen wie Ariola oder Europa partizipieren und mußten über eine kostengünstige Produktion wieder hereingeholt werden. Auf den Erfolg der Serie hin, wurde auch das Buch neu aufgelegt und das Layout mit den bekannten Trickfilmfiguren gestaltet. Es folgten die Comics und Kaufvideos zur Serie sowie Sekundärprodukte wie Bettwäsche, Zahnputz - Sets, Teller und Gläser, Turnbeutel, Nachttischlampen, kurz nahezu alle Dinge des täglichen Bedarfs versehen mit der entsprechenden Fernsehfigur. Sogar auf Spülmittelflaschen waren Pumuckl - Abziehbildchen zu finden. Hinzu kamen noch zahlreiche Produkte der Spielzeugindustrie, Pumuckl - Spiele, Biene Maja - Malbücher mit Stiften und Heidi - Puppen (vgl. JENSEN/ROGGE 1980, S.26/27). Kernbereiche der Lizenzvergabe sind andere Medien: Verlage von Kinderzeitschriften oder Comics, aber auch Buchverlage oder Tonträgerfirmen, sowie Spielwarenhersteller (vor allem Plüschtiere oder PVC - Figuren nebst Zubehör und Spiele werden in Lizenz gefertigt) und Nahrungsmittelproduzenten. So hat sich etwa der Nestle - Konzern die Verwertungsrechte an den Disneyfiguren bis zum Jahr 2002 gesichert, Mickey Mouse und Goofy finden sich auf Ceralien, Joghurts, Schokoladenriegeln und Tütensuppen. Ein wichtiger Marktbereich ist auch der Textilmarkt, besonders Wäsche und Kindermode sowie Sportswear wird in Lizenz produziert. C&A bringt jeweils zum Start eines Disney Filmes eine Kinderkollektion mit den entsprechenden Disneyfiguren heraus und betreibt selbst Imagewerbung für seine „Youth collection" durch die Produktion von Videoclips, deren Titelsongs nicht selten zu Hits werden. Daneben wirbt der Spielwarenhandel mit eigenen Kinderzeitschriften und Broschüren des Spielwarenhandels für Kinderprodukte, die sich in der Aufmachung an Zeitschriften anlehnen und sich auch so nennen, beispielsweise orientiert sich das Layout des „Barbie Journal" (MATTEL Frühjahr/Sommer 1997) an klassischen Frauenzeitschriften mit den Themen Mode, Kosmetik, Kinder und Wohnen. Auch Werbung für andere Produkte der Spielzeugindustrie und andere Medien findet sich in dem als Zeitschrift getarnten Werbeblättchen, eine Werbung für die Fernsehsender ProSieben (S.3) und den Kinderprogrammkanal Nickelodeon (S.38), sowie für die Monatszeitschrift Barbie (S.27). In den Sog der Dynamik auf dem Erlebnismarkt der Gegenwart, mit der Vielzahl ständig neuer, konkurrierender Moden und Stile, werden auch die Vermarktungstrategien des Merchandising hineingezogen. Die zunehmende Vernetzung und Konzentration der Anbieter auf dem Medienmarkt macht globale Werbekampagnen möglich. Heute sind bereits bevor ein Film überhaupt gedreht wird, manchmal sogar ehe das fertige Drehbuch geschrieben ist, alle Lizenzrechte vergeben. Kommt der Film dann ins Kino oder Fernsehen, wird er bereits Wochen vorher in allen Medien gleichzeitig beworben. Einer der ersten Filme, die mit multimedialem Einsatz angekündigt wurde und der alle Sekundärprodukte schon bei Kinostart mitbrachte, war „Jurassic Park" von Steven Spielberg. Bereits Monate vor dem Kinostart in Zeitschriften, Radio und Fernsehen und Kino als der „Megafilm" angekündigt, standen pünktlich zum Start in allen Spielwarenabteilungen Dinosaurier nebst Zubehör in allen Größen im Regal, in den Kinos lagen T-Shirts und Baseballkappen aus und bei McDonalds gab es ein Dinoquiz für den Computer. Auch „Trittbrettfahrer" nutzten das Dinofieber aus. Dinosaurierausstellungen reisten durch die Lande, Bücher über die Erdgeschichte wurden neu aufgelegt. Die Rechnung ging auf, „Jurassic Park" wurde zum erfolgreichsten Film aller Zeiten und vor allem die Medien - und Spielwarenindustrie verdiente kräftig mit. Heute geben sich die großen Werbekampagnen im Zusammenhang mit Kinofilmen schon die Klinke in die Hand, sie sind kürzer geworden und es existieren mehrere nebeneinander. Der große Erfolg ist damit aber nicht immer automatisch garantiert, so kalkulierte der Disney - Konzern 1995 mit dem prognostizierten 20 prozentigen Umsatzplus für das Indianermärchen „Pocahontas", was durch den gleichzeitigen Kinostart von „Batman forever" vereitelt wurde. Denn während die Mädchen sich durchaus für den fliegenden Helden begeistern konnten, dachten die Jungen nicht im Traum daran, in so einen „Mädchenkitschfilm" zu gehen. Die „Pocahontas" Produkte blieben teilweise in den Regalen liegen und nur das Videorelease konnte das Geschäft noch einmal kurz ankurbeln. Für das hohe Risiko bei Filmlizenzen macht NIEMANN die frühzeitige Vergabe der Lizenzen, noch vor oder während der Dreharbeiten, und die sehr kurze Zeit für den Verkauf der Produkte, mit dem Kinostart beginnend und dem Kaufvideo ein paar Monate später endend, verantwortlich (NIEMANN 1997, S.90 f.). Unter dem immensen Konkurrenzdruck auf dem Medienmarkt entwickeln sich Globalisierungs- und Monopolisierungstendenzen. Der Markt wird zunehmend beherrscht von weltweit operierenden „Medien - Tycoons", Großkonzernen, die den Kuchen unter sich aufteilen und kleine Anbieter aufkaufen oder vom Markt drängen. Exkurs: Die Medienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Der Medienmarkt in der Bundesrepublik Deutschland erscheint dem oberflächlichen Betrachter vielfältig und bunt. Meinungsvielfalt scheint durch Anbieter der verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Richtungen gegeben. Dieses Bild trügt. Die Verflechtungen über eine Vielzahl von Tochterfirmen verschleiern die Realität der zunehmenden Konzentration und Monopolisierung der Medienanbieter in Deutschland, die mit der Einführung des privaten Rundfunks in den achtziger Jahren in ein neues Stadium getreten ist. Das Geflecht aller am deutschen Medienmarkt beteiligten Unternehmen zu entwirren, würde an dieser Stelle zu weit führen, die zwei Medienmultis, Bertelsman AG und die Leo Kirch - Gruppe sollen aber kurz mit ihren wichtigsten Tochterfirmen und Einflußbereichen auf dem Medienmarkt dargestellt werden. Der Riese unter den Medienanbietern ist die Bertelsmann AG mit rund 12,483 Milliarden Mark Umsatzvolumen. Der allgemein bekannte Bertelsmann Buchclub mit den vierteljährlichen „Hauptvorschlagsbänden" hat die Buchlandschaft in der Bundesrepublik nach dem Krieg entscheidend geprägt. Neben diesen Buchclubs, die Bertelsmann inzwischen auch nahezu weltweit, mit Ausnahme der asiatischen Länder betreibt, gehören der Bertelsmann AG eine Reihe von nationalen und internationalen Buch- und Zeitschriftenverlagen, darunter so renommierte Unternehmen wie der Bertelsmann - Lexikon - Verlag, Goldman, Siedler, Westdeutscher Verlag und die Bantam - Doubleday Bell Publishing Group, eine der bedeutendsten Verlagsgruppen der englischsprechenden Welt. Daneben hält Bertelsman 74,9 Prozent der Gruner & Jahr AG & Co.KG, neben dem Bauer - Konzern der größte der deutschen Zeitschriftenverlage, der mit „Stern, Brigitte und Eltern" bereits drei der umsatzstärksten deutschen Zeitschriften herausgibt. Die Zukunft gehört neben allgemeinen Publikumszeitschriften vor allem den „special - interest Zeitschriften", Zeitschriften mit klar umrissenen Zielgruppenprofil, etwa die Flut der Bau-, Handwerker- und EinrichtungsZeitschriften, oder die Unzahl an Computer - Magazinen, da sich damit gezielt Werbekunden an Land ziehen lassen. Über Gruner & Jahr ist Bertelsman auch an Zeitungsunternehmen wie an der Hamburger „Morgenpost", der „Sächsischen Zeitung" und der „Dresdner Morgenpost" beteiligt. Der Unternehmenszweig mit der größten Steigerungsrate ist derzeit der private Rundfunk und das Satellitenfernsehen. Einer der größten privaten Fernsehsender RTLplus gehört über die luxemburgische Gesellschaft Fratel (46,1 Prozent der Anteile) zur Bertelsman Gruppe. Weitere 38,9 Prozent der Anteile hält die UFA-Film- und Fernseh-GmbH, die wiederum zu 50 Prozent direkt Bertelsman gehört und zu 50 Prozent Gruner & Jahr. Mit den Fernsehund Filmproduktionsfirmen Universum - Film, UFA - Filmproduktion und Stern tv nimmt der Bertelsman Konzern über Eigenproduktionen und den Einkauf von Übertragungsrechten, beispielsweise von großen Sportveranstaltungen, Einfluß auf die Fernsehlandschaft in Deutschland. Daneben hält die Bertelsman-Gruppe Anteile an weiteren Hörfunk- und Fernsehanbietern, beispielsweise 24% an Radio Hamburg, 18% an Antenne Bayern und 15% an Radio NRW GmbH. Der größte Konkurrent für die Bertelsman Gruppe, besonders auf dem expandierenden Privatrundfunkmarkt ist die des Filmgroßhändlers Leo Kirch. Die Kirch-Gruppe ist direkt an SAT 1 beteiligt und hat indirekt über seinem Sohn Einfluß auf Pro Sieben. Daneben gehören ihm 50 % des Pay-TV Senders Premiere, die anderen 50% hält Bertelsman. Marktbestimmend ist Leo Kirch vor allem durch seine Rechte, Senderechte und Merchandising - Lizenzen an Serien und Spielfilmpaketen, so hat er die deutschen Rechte an „Batman forever", die er in einer Zeichentrickserie auf Pro Sieben sowie zahlreichen Videospielen und Spielwaren nutzen kann. Kirch ist vor allem an internationalen Filmen beteiligt, er besitzt Rechte für über 150000 Spielfilme und ist über seine Firmen Taurus-Film GmbH & Co.KG und Beta-Film GmbH & Co.KG laufend an Neuproduktionen beteiligt. Auf den Buchmarkt ist er 1989 mit dem Kauf des Deutschen Bücherbundes vom Holtzenbrinck - Konzern eingestiegen. Bertelsman und Kirch teilen sich den deutschen Medienmarkt mit der Axel Springer AG, dem größten bundesdeutschen Zeitungsverlag mit 27 Prozent Marktanteil, dem Herausgeber von so unterschiedlichen Zeitungen wie „Die Welt" und „Bild". Springer hat Anteile an SAT 1 und an einer Vielzahl von lokalen Hörfunkanbietern. Ein weiterer Medienmulti auf dem Markt der Printmedien ist der Bauer - Konzern mit einem Marktanteil von 33 Prozent auf dem Zeitschriftenmarkt. Er bedient hauptsächlich den Bereich des „Druck- fast - food" (HUHN 1990, S.89) mit Zeitschriften wie „Quick" und diversen Fernseh - Zeitschriften, Comics und Romanheftchen. Auch der Burda Verlag ist vor allem auf dem Zeitschriftenmarkt vertreten mit Boulevardzeitschriften wie „Bunte" und „Freizeit-Revue" und dem Nachrichtenmagazin „Focus". Daneben ist das Unternehmen hauptsächlich in Süddeutschland an lokalen Radiosendern beteiligt und hält einen kleinen Anteil (2%) an RTLplus. Die Runde der großen deutschen Medienkonzerne schließt sich mit Holtzenbrinck, einem Tageszeitungsmulti, dessen Schwerpunkt auch auf den Buchverlagen liegt. Holtzenbrinck verfügt über einen Anteil von 15 Prozent an SAT 1, ist über einige Firmen an Fernsehproduktionen beteiligt und hält Anteile an diversen lokalen Radiosendern. Diese sechs Medienmultis gestalten die Medienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland, sie sind die „Meinungsmacher", ihre wirtschaftlichen Interessen bestimmen unseren Kulturbetrieb entscheidend mit. Und sie hebeln auch im Schulterschluß mit großen Konzernen, wie Nestle, und Großbanken die grundrechtlich geschützte Presse-und Rundfunkfreiheit, die eine demokratisch pluralistische Informationsgarantie für alle Bürger sein soll, durch privatwirtschaftliches Gewinnmaximierungsinteresse teilweise aus. Inzwischen interessieren sich auch das Europäische Kartellamt und das Bundeskartellamt für die Unternehmensstrategien der beiden Monopolisten Kirch AG und Bertelsmann, die versuchen, ihre Pay-TV Sender DF1 und Premiere zusammenzulegen. Kleine Verlage oder Privatsender können in dem Kampf um die Urheber- oder Übertragungsrechte aus Kapitalmangel nicht mithalten und müssen sich große Partner suchen, um nicht unterzugehen. Und auch die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten richten das Profil ihres Programmes vermehrt an den kommerziellen Sendern aus, was bedeutet, mehr Unterhaltung, mehr „Infotainment", unterhaltsam dargebotene Information und vor allen Dingen mehr Werbung. Anspruchsvolle Spielfilme oder Eigenproduktionen kosten sehr viel Geld und dieses soll durch vermehrte Werbeeinnahmen in die Kassen fließen. Besonders das Product Placement und das Sponsoring sind auch für ARD und ZDF nicht mehr ehrenrührig. Der „Banalisierung" des Programmprofils wird durch das Engagement an Spartenkanälen wie „arte", dem Kunstkanal, oder dem Kinderkanal entgegengewirkt. Der Ausflug in die Welt der Medienkonzerne als Medienanbieter läßt verstehen, daß hinter Medienbotschaften und Angeboten handfeste wirtschaftliche Interessen stehen, die Kinder wie Erwachsene als Kunden gewinnen und halten möchten. Der Einfluß auf das Mediennutzungsverhalten und Konsumverhalten kann im Medienverbund leichter erreicht werden, vor allem die Einflußmöglichkeiten der Werbung potenzieren sich, da verschiedene Medien scheinbar unabhängig voneinander für ein Produkt votieren. Dies gilt im besonderen für Medien selbst. Anhand der im Medienverbund „gemachten" Bestseller auf dem Kinderbuchmarkt läßt sich an anderer Stelle gut die gegenseitige Werbung verschiedener Medien füreinander aufzeigen. Nachdem über direkte Werbeformen wie Wurfsendungen, Anzeigen oder Spotwerbung immer weniger Kunden erreicht werden, sie haben sich im Umgang mit der Werbung eine gewisse Resistenz erarbeitet, müssen die Werbebotschaften immer raffinierter verpackt werden. Dies geschieht durch die Lifestyle Attitüden der Industrie, durch die Verbindung von Produkt und Erlebnis. Damit reagieren sie auf menschliche Grundbedürfnisse und Kinderträume, nach Abenteuer, nach dem Eintauchen in eine andere Welt, dem Wunsch nach „Action" und „Fun". Die Medien sind Mittler zwischen den Verkaufsinteressen der Industrie, die virtuelle Welten für Kinder entstehen lassen und sie als wirkliche verkaufen wollen und den Träumen der Kinder auf der Suche nach Identifikation und Gemeinsamkeit. Das Urteil des Anderen, besonders der Gleichaltrigen ist sehr wichtig geworden, in einer Zeit, in der althergebrachte Familienstrukturen sich verändern, in denen die väterliche Autorität am Schwinden ist und die Unsicherheit der Mütter in Erziehungsfragen groß ist. Medienwelten liefern Identifikationsobjekte, Rollenvorbilder und Projektionsfiguren, die Kinder für ihre Entwicklung brauchen. Ohne den Medienverbund wären diese Welten nicht umfassend und alltäglich. Die Medienproduzenten erwecken die Kinderwelten erst zum Leben, sie setzen Moden und Trends, indem sie Ideen der Werbekunden aus den verschiedenen Industriezweigen und gleichzeitig Impulse aus der realen Kinderwelt aufgreifen und zu Spielzeugwelten und Lifestyle - Konzepten modellieren. Die Zielgruppenprofilstudien und „Trend - Scouts" der Marktforschungsinstitute garantieren eine zielgruppengerechte Umsetzung der Werbeideen der Industrie in redaktioneller Gestaltung und entsprechendem Layout. Medien, die am Zielgruppengeschmack vorbei gehen, werden nicht gekauft und verschwinden in kürzester Zeit vom Markt. 1.4 Zusammenfassung Das Erfassen der Welt beginnt für das Kind damit, daß es „...eine (Alltagswelt d. Verf.) übernimmt, in der Andere schon leben" (BERGER / LUCKMANN 1980, S.140), die Andere gestaltet haben. Es erfährt somit Gesellschaft zunächst als objektive Wirklichkeit, die es im Laufe seiner Sozialisation durch Internalisierung zu seiner subjektiven Wirklichkeit macht. „Die signifikanten Anderen, die ihm diese Welt vermitteln, modifizieren sie im Verlauf der Übermittlung", heißt es in der Theorie der Wissenssoziologie bei BERGER und LUCKMANN, und weiter, „Sie wählen je nach ihrem eigenen gesellschaftlichen Ort und ihren eigenen biographisch begründeten Empfindlichkeiten Aspekte aus"(ebd. S.141). Dies bedeutet, daß Kinder zunächst mit den Realitäten unserer auf Konsum und Erlebnis ausgerichteten Industriegesellschaft und den damit verbundenen überquellenden Regalen in den Supermärkten und Kaufhäusern konfrontiert werden und daß sie in die alltäglichen Medienvielfalt hineingeboren werden. Die teilweise sogar gleichzeitige Nutzung verschiedener Medien ist zur alltäglichen Routine geworden. Das Vordringen von Konsumwelt und Medienvielfalt in die Alltagswelt von Kindern bedeutet aber auch, daß sie den selbst bestimmten und verantwortungsbewußten Umgang mit der Vielfalt lernen können und müssen, da sie sonst unzureichend sozialisiert sind. Bewahrpädagogische Haltungen und eine unkritisch einseitige Ablehnung oder Ausblendung der Sozialisationsagenten Konsum und Medien in der Erziehung schaden der kindlichen Entwicklung. Entwicklung heißt, sich in seiner gegebenen Umwelt mit allen ihren Einflußfaktoren zurechtzufinden und erfolgreiche Handlungsschemata und Strategien für den alltäglichen Umgang mit ihr herauszubilden und somit auf diese Umwelt zurückzuwirken. Der Einfluß, den Kinder auf das Produzentenverhalten, auf neue Moden und Stile, haben darf nicht unterschätzt werden (s.u.). Oft entscheiden sie, über eigene Medien miteinander verbunden, ob ein Spiel, eine Fernsehserie, eine Musikrichtung ein „Hit" wird oder ein „Flop". Trotzdem brauchen gerade Kinder bis zum Schulalter aktive Unterstützung von ihren Bezugspersonen und deren Vorbild im Umgang mit der bunten Warenwelt wie auch mit der Medienvielfalt. 2. "Komm, wir finden einen Schatz!" - das Kinderbuch im Medienverbund und der Lizenzwarenmarkt für Kinder Das Kinderbuch als Klassiker unter den Kindermedien geht in der neueren medienpädagogischen Diskussion um die elektronischen Medien zwischen Fernsehen, Videospielen und Cyberspace fast unter. Tauchen Kinderbücher dennoch als Gegenstand der pädagogischen Debatte auf, so entweder um den Gegensatz zwischen dem Einfluß des „guten Kinderbuches" und dem „schlechten Fernsehen" herauszustellen (BETTELHEIM 1982, POSTMAN 1987), oder um Veränderungen in Lesesozialisation und Leseverhalten im „Multi-Media" Zeitalter zu untersuchen. Wer heute die zahlreichen Diskussionen um die Gefahren der elektronischen Medien für Kinder verfolgt, die teilweise in kulturpessimistischen Prognosen vom Untergang der Schriftkultur gipfeln und als Lösung das „gute Buch" empfehlen, übersieht leicht die Bandbreite der Kinderund Jugendliteratur und deren unterschiedliche Qualität. Eine ähnlich kulturpessimistische Diskussion wurde auch zu Beginn der Ära der Buchkultur geführt und begleitete die Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur. 2.1. „Das gute Buch" - Kinderbücher zwischen Mythos und Realität 2.1.1. Von der Gefährlichkeit des Lesens - ein kurzer Ausflug in die Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur vom Mittelalter bis 1945 2.1.1.1.Die ersten zwei Jahrhunderte, von Gutenberg bis Comenius Das Hervorbringen einer eigens für Kinder und Heranwachsende geschriebenen Literatur hängt eng mit den jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen von Kindheit zusammen, die eine Epoche bestimmen. Die Erfindung der Druckerpresse durch den Mainzer Johann Gutenberg 1445 fiel in ein Jahrhundert des Wandels. Die Ausweitung des Handels, die Organisation der Handwerker in Zünften und als Folge das Erstarken der Städte, die sich aufgrund ihres Reichtums die Unabhängigkeit von „den Herren der Burgen„,vom Adel erkauften, schuf ein Klima des Aufbruchs und der Forschung. In den Städten entstanden freie Universitäten. Durch den Buchdruck wurde die Herstellung und Verbreitung von Büchern über die Klosterschulen und kirchlichen Bibliotheken hinaus möglich, wenngleich Bücher noch lange sehr teuer und damit für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich blieben, so wurden sie doch zum Symbol des aufkommenden Bürgertums, schufen eine neue Form von Öffentlichkeit und machten die Alphabetisierung des Volkes erst möglich. Die ersten gedruckten „Donate", lateinische Schulgrammatiken, entstanden um 1460, ebenso das „Catholikon", ein lateinisches Lexikon des gesamten damaligen Wissens. Kinder und Jugendliteratur im heutigen Sinne gab es bis zur Aufklärung kaum. Allenfalls Benimm - Büchlein für den jugendlichen Adeligen, mit Hinweisen auf jugendgeeignete Literatur, etwa „Was die Jugend hören und lesen soll" von THOMASIN VON ZERCLAERE (1215). Eigens an Kinder und Jugendliche gerichtete Literatur diente ausschließlich der religiösen Erziehung sowie der Unterweisung in sittlichem Verhalten. So zum Beispiel „der große Seelentrost" mit Geschichten zu den zehn Geboten und die Tierfabeln „Reynke de Vos" zum richtigen Sozialverhalten, und der „Kleine Katechismus" von LUTHER. Sinn dieser Art von Literatur war die möglichst frühe und widerspruchslose Einordnung in die Erwachsenenwelt und das religiöse Leben. Kinder waren „kleine Erwachsene", sie wuchsen wie selbstverständlich mit der großen Familie, zu der auch das Gesinde gehörte, auf und wurden nicht bevorzugt behandelt. Im Gegenteil, darauf verweist STONE, aufgrund der hohen Kindersterblichkeit wäre allzuviel Kinderliebe und Fürsorge „...Anlaß zu schierem Wahnsinn gewesen..." (STONE zit. n. V.HENTIG 1984, S.15). Kindern oder Jugendlichen aufgrund ihrer noch andauernden Entwicklung eigene Freiräume und besondere Bedürfnisse zuzugestehen, davon war man zu dieser Zeit weit entfernt. Erst am Ende der Barockzeit um die Mitte des 17.Jahrhunderts lassen sich die Anfänge von an der kindlichen Auffassungsgabe orientierten Kinder(lehr)büchern finden, etwa der „Orbis pictus" von COMENIUS, eine Art Kinderlexikon mit Bildern, welches das didaktische Prinzip der Anschaulichkeit zeitlich vor das der Abstraktion stellt, „Sodann würde diese Schule ein wahrhafftiger Schauplatz der sichtbaren Welt /und der Verstand-Schulen Vorbild seyn" (COMENIUS zit. n. BAUMGÄRTNER /PLETICHA 1985 Bd.1. S.98). 2.1.1.2. Von den Philantropen bis zum 20. Jahrhundert Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert entstand eine neue Vorstellung von Kindheit, als Phase des Lernens für ein späteres Leben in Selbstverantwortung und bürgerlicher Freiheit. Das zunächst unmündige Kind bedurfte danach des Schutzes und der Erziehung zum „menschlichen Verhalten", zum vernünftig denkenden und nach den Maximen des Kant’schen Imperativs handelnden Erwachsenen. Neben die moralisierenden Sittenbücher, Fabeln und kirchlichen Lieder- und Geschichtenbücher traten, den Realien in den Schulen entsprechend, vor allem Sachbücher; etwa das „Elementarwerk" von BASEDOW mit 100 Kupferstichen neben dem „Bilderbuch für Kinder", von BERTUCH 1792 herausgegeben, der umfangreichste und bedeutendste Bilder - Almanach für Kinder. Auch die „Kinderbibliothek" CAMPEs, ein zwölfbändiges Kinderlexikon, dessen Bände aufeinander aufbauen und dem Alter entsprechend gestaltet sind entstand in dieser Zeit. CAMPE betätigte sich auch sehr erfolgreich auf dem Gebiet der gerade erst entstehenden „Unterhaltungsliteratur" für Kinder. Sein „Robinson der Jüngere", eine philantropisch bearbeitete Nacherzählung von DEFOEs „Robinson Crusoe" machte diesen in Deutschland erst bekannt. Ein weiterer „Import" der Romanliteratur war der „Telemach" des französischen Bischofs FENELON, ein abenteuerlich verpackter Erziehungsroman. Die Kinderliteratur der Aufklärung sollte trotzdem in erster Linie dem Lernen und der moralischen Erziehung dienen, nicht dem Vergnügen und der Unterhaltung. So stellen die damals beliebte Literaturformen der Beispielgeschichte und die der Fabeln für Kinder, nach DODERER eine „säkularisierte Form des Gleichnisses" dar (DODERER 1992, S.89 f.), die auch heute noch, nicht nur in der Kinderliteratur, der Aufklärung und Erziehung dient. Die ersten Kinderzeitschriften, ADELUNG’s „Leibziger Wochenblatt für Kinder"(1772-74) und dessen Nachfolger, der „Kinderfreund" von WEISS, erschienen. Eher eine poetische Note hatten die Dorfgeschichten des „Kinderfreund" von V.ROCHOW, da sie das Leben auf dem Land romantisierten und nicht zuletzt auch deshalb, weil sie die Landkinder, als eigentliche Adressaten, kaum erreichten. Auf die standesspezifische Einseitigkeit der Kinder- und Jugendliteratur, auch nach der Aufklärung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mit den großen Bismarck’schen Sozialreformen und der „Volksbildungsbewegung", verweist der zeitgenössischer Kritiker WOLFGANG MENZEL: „Man ließ den Bauernbuben in seinem Schmutze und in seiner Dummheit, wenn nur die lieben Stadtsöhnchen und gar die kleinen Jünckerlein und Gräflein von jener Rousseauschen Humantät kosteten" (MENZEL zit. n. Baumgärtner/Pleticha 1985, Bd1, S.355). Die mit aufwendigen Kupferstichen versehenen und handkolorierten- und gedruckten Sachbücher für Kinder waren nur für Eltern mit hohem Einkommen oder Vermögen erschwinglich. Die Analphabetenquote lag zu Beginn des 19.Jahrhunderts noch bei geschätzten 50 Prozent, und doch begann um die Jahrhundertwende eine „Demokratisierung des Lesens". Erste Leihbibliotheken entstanden, „Lesegesellschaften" und „Aufklärungsgesellschaften" für Arbeiter und Bauern im Rahmen der Sozialreformbewegung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Auch auf einen anderen Aspekt verweist MENZEL, auf die zunehmende Kommerzialisierung und Verlegung von Unterhaltungsliteratur des sich entwickelnden Buchhandels. „Um die Weihnachtszeit wimmelt es in den Läden der Buchhändler von Eltern und Kinderfreunden, die alle die brillianten Sächelchen aufkaufen, welche die neue Messe (die Herbstmesse in Leibzig, dem damaligen deutschen Buchhandelszentrum; d.Verf.) geliefert."(MENZEL ebd. S. 357). Die Ausweitung des Sortimentbuchhandels und damit die Kommerzialisierung des Buchhandels wurde erst mit der Entwicklung von Lithographie (seit 1797), Schnellpresse (um 1819) und Stereotypie (um 1820) möglich, die Massendrucke und Nachdrucke in beliebiger Auflagenhöhe erlaubten. Die Langsiebmaschine (ab 1799) ersetzte das Schöpfen von Hand in der Papierherstellung. Das Zeitalter der industriellen Herstellung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften zu erschwinglichen Preisen war angebrochen. Die Kinder- und Jugendliteratur im 19. Jahrhundert verfügte bereits über ein breites Angebotsspektrum. Neben Schul- und Sachbüchern erweiterte sich vor allem der Bereich der Unterhaltungsliteratur, Romane, Gedicht- und Liederbücher, Märchen und Volkserzählungen, freilich noch immer mit moralisch mahnendem und erzieherischem Unterton. Die bekannten „Kinder- und Hausmärchen"(1812) der BRÜDER GRIMM und die Märchen von HAUFF und ANDERSON, sowie die Märchensammlung von BECHSTEIN fanden Eingang in die bürgerlichen Wohn- und Kinderstuben. Die Aufklärungsliteratur bekam einen romantischen Beigeschmack. Die Sachlichkeit der beschreibenden Geschichtsund Naturbücher wich den romantischen Erzählungen, etwa in den Abenteuerromanen von KARL MAY und den Heldensagen von BECHSTEIN. Der romantische Jugendroman entstand, etwa „Rosa von Tannenburg" von V.SCHMID, „... eine eigenartige Mischung aus philantropinem Gedankengut und romantischen Motiven..."(Baumgärtner/Pleticha 1982, Bd.1, S.271). Die Romantik als Gegenausschlag des Pendels der „reinen Vernunft" der Aufklärung brachte eine Mythologisierung der Kindheit mit sich, „...die Erhebung des Kindes in den Königsstand, während in der anderen Position (d.h.. die der Aufklärung d. Verf.) die Degradierung der Kinder in den Stand der Abhängigen vorlag" (DODERER 1992, S.91). Die gesellschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts unterstützten die neue „Innerlichkeit" und den Rückzug in das Aufgehobensein der bürgerlichen Familie mit der sorgenden und nährenden Mutter und dem strengen, aber gerechten „pater familias". Die Abgrenzung des Bürgertums nach unten, gegenüber dem „vierten Stand", dem anschwellenden Proletariat, der immer nachdrücklicher und gewalttätiger seine Rechte einforderte, zeigte sich exemplarisch in dem in Kunst und Kultur beschworenen Idyll der gegen alle Unbill von außen gefeiten bürgerlichen Welt des Biedermeier. Es war die Zeit der Märchen und Volkssagen. Von ANDERSON über MÖRIKE bis hin zu STORM, versuchten sich Schriftsteller an Kinder- und Jugendliteratur und gaben ihr eine eigene poetische Note, die sich von den Erziehungsromanen und Sittenbüchlein der Pädagogen und Theologen des Philantropismus abheben. Beide Sichtweisen von Kindheit, die aufklärerische und die romantische als Antipoden haben die Kinder-und Jugendliteratur entscheidend beeinflußt und tun dies noch heute. Erst der kritische Rationalismus der 70er Jahre unseres Jahrhunderts (s.u.) verlegte sich stärker auf die Darstellung der real existierende Lebenswelt der Kinder mit ihren Problemen und schuf trotzdem neue Utopien des Kindes als Weltverbesserer und Überwinder der Verhältnisse. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gipfelte die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in einer umfassenden Kulturkritik (vgl. SCHEIBE 1994, 10.Aufl., S.5-50). Der Ausweg aus der Kopflastigkeit und Einseitigkeit der Bildung sollte eine Abkehr von den wissenschaftlich aufklärerischen Bildungsidealen sein, eine Hinwendung an den Ursprung, die Natur und das Volk, an das Kind und die Jugend und damit an eine neue Zukunft. 2.1.1.3. Von der Jahrhundertwende bis 1945 Die heraufdämmernde Jugendbewegung, die viele der späteren Reformpädagogen (etwa GEHEEB, LIETZ, OTTO) hervorbrachte, läutete das „Jahrhundert des Kindes" ein und war sich in der Ablehnung des belehrenden Kinderbuches und der einseitig kopfbetonten Bildung des Bildungsbürgertums einig. Die Hinwendung zum Kind brachte auch eine umfassende Buch- und Literaturkritikmit sich, die Pädagogen und Autoren zum Nachdenken zwang, und neben der national - völkischen und der neoromantischen „Blümchenlektüre"(d. Verf.) auch eine realistischere Darstellung von Kindheit in der Literatur ermöglichte. So entstand in dieser Zeit beispielsweise die „...Umweltgeschichte..., die Verhältnisse und Ereignisse aus der unmittelbaren Lebenswirklichkeit des Kindes behandelt, um ihm zu einer besseren Bewältigung der eigenen Probleme zu helfen" (BAUMGÄRTNER/PLETICHA 1985, Bd.2, S.236 f.) Das Kindergedicht erfuhr durch Autoren, wie MORGENSTERN und RINGELNATZ eine Erneuerung. Die Gedichte und Erzählungen entstammten zunehmend der Feder von Schriftstellern für Erwachsene, was eine deutliche Ästhetisierung und literarische Qualitätssteigerung mit sich brachte. Autoren wie KÄSTNER, STEUBEN, BONSELS und RICHARD DEHMEL, um nur einige zu nennen, schufen anspruchsvolle und doch kindgerechte Jugendliteratur. Mit dem unverarbeiteten Trauma des verlorenen Krieges und dem Erleben des Massenelends der Weimarer Republik machte sich die Polarisierung zwischen links und rechts in der Bevölkerung auch in der Jugendliteratur bemerkbar. Die Auseinandersetzung mit der harten, oft grausamen Alltagsrealität von Kindern in der Literatur fand mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ein abruptes Ende. Kommunistische Autoren, wie das Ehepaar TETZNER /KLÄBER verarbeiteten ihre Erlebnisse mit Weimarer Republik und Nationalsozialismus erst zu Beginn der vierziger Jahre im Exil, während die völkisch - nationale Gesinnungsliteratur, wie etwa der „Hitlerjunge Quex" von SCHENZINGER oder die kriegsverherrlichenden Abenteuerbücher von WALTER HEICHEN neu aufgelegt und zur Pflichtlektüre erklärt wurden. LISA TETZNER hat in den neun Bänden ihrer „Kinder - Odyssee" Kinderschicksale durch Nationalsozialismus und Krieg bis in die Nachkriegszeit beispielhaft nachgezeichnet und daraus auch den Auftrag für die Jugendliteratur der Nachkriegszeit formuliert, aus der Vergangenheit zu lernen und die Hoffnung auf die Kinder und Jugendlichen um „...auf den Ruinen einer zerstörten Welt durch Taten eine neue und glücklichere aufzubauen."(TETZNER zit. n. BAUMGÄRTNER/PLETICHA 1985, Bd.2, S.239). 2.1.2. Das Kinderbuch der Gegenwart - kulturelle und gesellschaftliche Aspekte der Kinder- und Jugendliteratur in der Bundesrepublik Das Kinderbuch heute ist nur ein Medium unter vielen und diese Konkurrenz verschiedener Medien untereinander bleibt immer im Blick bei einer genaueren Betrachtung des Buchangebots, des Leseverhaltens, der Lesesozialisation. Das Kinderbuch, ungeachtet seiner literarischen Qualität, erfährt im Vergleich mit den neueren, elektronischen Medien leicht eine unreflektierte Höherbewertung . Diese verkennt sowohl die realen Angebote an Kinderliteratur und die ökonomische Struktur des Buchmarktes als Teil des Medienverbundmarktes, als auch die Interessen und Präferenzen der im Umgang mit der multimedialen Alltagswelt versierten Käufer und Leser. So hauchen Bild- und Tonmedien den Buchgestalten und -helden Leben ein. Kinderbuchklassiker wie die „Biene Maja" oder „Ronja Räubertochter", „das doppelte Lottchen" oder die „Schweizer Familie Robinson" erfuhren erst durch ihre Verfilmung eine Neuentdeckung und umfassende Popularität. Die verschiedenen Medien befruchten sich gegenseitig, geben sich Stoff zur Bearbeitung und Neuinszenierung. Kindermedien als Teil der Kinderkultur ermöglichen zunächst einmal alle „ästhetische Erfahrung" und eine einseitig nur auf Literaturrezeption verengte Sichtweise im pädagogischen Alltag wie in der Forschung gleicht einem „Hörausfall" oder „Sehausfall", einem Sinnesverlust. So fordert DODERER „...müssen die Bereiche Kindertheater, Kinderfilm, Kinderfernsehen, (ergänzend die Kindertonmedien und Comics; d. Verf.), ...in die Reflexionen über unsere literarische Jugendkultur einbezogen werden. ..."(DODERER 1992, S.39). Kinderliteratur entsteht wie Erwachsenenliteratur auch aus gesellschaftlich relevanten Themen und spiegelt in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit die Gesamtheit gesellschaftlichen Kulturgutes wider: das Interesse an trivialer und literarisch hochwertiger Unterhaltung ebenso wie die Wißbegierde und Suche nach Information, die Träume von einer besseren Welt ebenso wie die Auseinandersetzung mit realen Problemen der umgebenden Kultur und des Heranwachsens in ihr. Kinderliteratur wird von Erwachsenen für Kinder geschrieben und kann daher immer nur Kindheit schildern, wie sie sich in den Köpfen der Autoren, aufgrund ihrer eigenen Kindheitserfahrungen und dem alltäglichen Erleben von Kindern, spiegelt, in Reflexion mit Realität und gesellschaftlichen Vorstellungen von Kindheit. Auf das Unterrepräsentiertsein von Arbeitern und unteren Berufsgruppen unter den Kinderbuchautoren verweist DAHRENDORF (1980). Danach treten besonders Personen mit Hochschulstudium, in erster Linie Pädagogen (z.B. GUGGENMOS, BICHSEL, KRÜSS, PREUSSLER, WÖLFEL, BOIE), Journalisten und Autoren aus dem Buchhandel wie HÄRTLING oder LÜTGEN neben „Theaterleuten" als Autoren in Erscheinung. „Hinzu kommen", so DAHRENDORF, „... die vielen Laien - und Sonntagsschriftsteller, die sich das Schreiben eines Kinder- oder Jugendbuches noch am ehesten zutrauen" (DAHRENDORF 1980, S. 153). Als Käufer von Kinderbüchern treten dann hauptsächlich Erwachsene auf, die das „gute Buch" fürs Kind suchen, d.h. sie orientieren sich weniger an den Wünschen des Kindes, etwa an spannenden Abenteuergeschichten, „5 Freunde" oder „TKKG", als an ihren eigenen Vorstellung vom „kindgemäßen Buch" mit pädagogischem, seltener literarischem Anspruch. Sie erliegen dabei nicht selten der Versuchung, die verlorengegangene Kindheit in einem Mythos von Kindheit zu suchen ,"...vergangenes Leben wird mit Patina überzogen" (DODERER 1992, S.78). Die tatsächlich erlebte oder im Alltag gesehene Kindheit wird romantisiert und weicht so einer kitschigen Utopie von Kindheit. Die Suche nach den ewigen Werten, nach, Liebe und Geborgenheit, läßt eine harmlos, fröhliche Kinderbuchwelt entstehen, die mit der erlebten Realität von Kindern wenig zu tun hat. 2.1.2.1. Der neue Realismus in der Kinderliteratur Erst seit den 70er Jahren, in der Folge von Bildungsreform und „Kritischer Theorie", formte sich organisierter Widerstand von jungen Eltern und Autoren gegen „...Literatur für Kinder, die in ihrer Verlogenheit kränkend ist. Die Welt wird verschönt, verkleinert, bekommt Wohnstubengröße. In ihr geschieht nichts Unzuträgliches und wenn, dann springt immer ein Held aus der Ecke, das Kind zu schützen. Man kann Kinder nicht schützen. So nicht...Die Literatur der Kinder ist auch die Wirklichkeit der Kinder" (HÄRTLING zit. n. DODERER 1992, S. 122). Junge Autoren wie NÖSTLINGER, HÄRTLING, WÖLFEL forderten genaue Milieubeschreibungen und die Suche nach der Wahrheit in der Wirklichkeit gegen den schönen Schein zu setzen. Geschichten aus dem Alltag der Kinder erzählen, wie sie geschehen und keine vorschnellen Lösungen für Probleme anbieten. Erzählungen und Kurzgeschichten zu schreiben als Denkanstöße für Diskussionen. Der realistische Erzählstil fordert eine gewisse Nüchternheit und orientiert sich an der schnörkellosen kindlichen Alltagssprache. Gesellschaftliche Probleme und Realitäten werden thematisiert und erreichen auch die Auswahllisten des Deutschen Jugendliteraturpreises. Massenarbeitslosigkeit und Überforderung im Berufsleben, Auflösung traditioneller Familienstrukturen („Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße" von NELE MAAR 1988) und Zunahme und Überforderung von Alleinerziehenden („Nella Propella" von KIRSTEN BOIE 1994) werden ebenso thematisiert wie Integrationsprobleme von Ausländerkindern und Fremdenfeindlichkeit („Selim und Susanne" von URSULA KIRCHBERG 1978) und der Umgang mit behinderten Mitmenschen („Vorstadtkrokodile" von MAX V.D. GRÜN 1976).Auch die tabuisierten Themen Krankheit und Tod („Servus Opa, sagte ich leise" von ELFIE DONELLY 1977) finden Eingang in die Kinderbücher. Der kritische Realismus in der Kinderliteratur ab den 70er Jahren steht in der Tradition der sozialkritischen und kommunistischen Literatur (s.o.), beispielsweise von „Die rote Zora und ihre Bande"(1941) oder „Guiseppe und Maria"(1955), des Kommunisten KURT HELD, der das Elend von Proletarierkindern und ihr Überleben auf der Straße so realistisch darstellte, daß er im Nachkriegsdeutschland auf herbe Kritik stieß. Auch in „Peter Stoll"(1925) von CARL DANTZ, einem Alltagsbericht aus dem Leben eines Arbeiterkindes und in ERICH KÄSTNERS „Kinderkaserne" (wenngleich diese wegen ihres harten Realismus lange unter den Kurzerzählungen für Erwachsene veröffentlicht wurde), finden sich Vorläufer eines kritischen Realismus. Eine große Erzählerin des letzten Jahrhunderts, JOHANNA SPYRI, hat mit „Heidi", ein sehr realistisches Kinderbuch geschrieben, das mit viel Empathie für Kinder deren Ängste und Nöte in unvollständigen Familien und die psychischen Krankheiten, die aus dem „Verlassenwerden" entstehen können, thematisiert. Der kritische Realismus nahm und nimmt die Kinder als Partner ernst, holt sie vom Sockel, auf den die Romantik sie gestellt hat und entmythisiert sie. Er behandelt sie aber auch nicht wie unmündige Wesen -„zu Erziehende"- wie die Aufklärungspädagogik der Philantropen. Er versucht Alltagskindheit in der historischen Eingebundenheit der jeweiligen Gesellschaft mit all ihren Facetten zu erfassen. Natürlich schwingt auch in der realistischen Literatur für Kinder die Hoffnung auf eine Lösung, auf den gangbaren Weg, auf die Überwindung der Verhältnisse mit. In erster Linie aber legt sie die Verhältnisse offen und zeigt den Kindern: „da ist einer, dem geht es genauso wie dir". Die Ehrlichkeit der realistischen Literatur wird von Kindern hoch geschätzt. Sie ermöglicht ihnen Identifikation und Reflexion und beinhaltet damit auch ein Stück weit Überwindung von Problemsituationen, wobei die tatsächlichen Einflußmöglichkeiten von Kindern auf die Änderung der sie in ihrer Entwicklung einengenden und störenden Verhältnisse immer noch sehr gering sind. So kann der kritische Realismus in der Kinderliteratur als eine nötige und wünschenswerte Ergänzung der bisherigen Kinderliteratur, die, von einigen Ausnahmen abgesehen, eine gesellschaftliche Wunsch- vorstellung von Kindheit transportiert, gesehen werden. Allerdings findet, bei allem Realismus, aktuelle Gesellschaftskritik nur dann Gehör, d.h. sie wird nur dann verlegt, wenn sie im gesellschaftlich akzeptierten Rahmen bleibt. So hat es etwa kommunistische Kinderliteratur bis heute schwer bei uns. Dies liegt in der kapitalistischen Struktur des Kinderbuchmarktes und dem dahinter stehenden Meinungsbildungsinteresse. An den Grundfesten der bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft darf auch im Kinderbuch nicht gerüttelt werden. Auf die Verstümmelung bei der Überarbeitung von Kinderbüchern der ehemaligen DDR vor ihrer Neuauflage im wiedervereinigten Deutschland verweist ROUVEL (1995). So wurden nicht nur politisch - ideologisch besetzte Begriffe, wie Pionier oder Produktionsgenossenschaft aus den Büchern entfernt, sondern alles, was zu „...sehr nach kollektiver Erziehung riecht" (ROUVEL 1995, S.182). So fallen viele Begriffe des alltäglichen Sprachgebrauchs in der ehemaligen DDR als „verdächtig" dem Rotstift zum Opfer. „ HO, KONSUM, Eis und DDR"( aus „Moritz in der Litfaßsäule" von CHRISTA KOZIK) wird zu „Kino, Eis und Pizza" in der neudeutschen Fassung und „Gebäudereiniger" werden zu „Kehrautos". Vielfach verlieren die überarbeiteten Texte ihre gesellschaftskritische Ironie und werden damit entpolitisiert, wie etwa in der Neufassung von SIBYLLE DURIANS „Der Tag, an dem die Schule verschwand". Hier wurde aus der bei uns unbekannten, aber in der ehemaligen DDR sehr populären Kinderlektüre „Timur und sein Trupp", die als Unterrichtslektüre besprochen werden sollte, „Pippi Langstrumpf". Ein Kind bezeichnet den Helden des Buches als „ängstlich" und erklärt dies auch so, daß es von der Lehrerin und den anderen Kindern akzeptiert wird. Der Kindervolksheld „Timur" und dessen Karikatur im Original verwandelt sich in die gutmütig, freche "Pippi". Die Parabel auf die „Heldenmythen" der DDR wird zur entpolitisierten, geglätteten Erzählung und verliert damit an Sinn. ROUVEL registriert die Überarbeitung der Kinderliteratur der ehemaligen DDR als Akt des Ausradierens von Geschichte und wundert sich über „die Angst vor den Wörtern" im vermeintlich freiheitlich demokratischen Deutschland mit seiner Garantie der Meinungs- und Pressefreiheit. 2.1.2.2. Phantastische Kinderliteratur Aber auch in der von Vertretern des kritischen Realismus als illusionistisch angegriffenen phantastischen Kinderliteratur, in Romanen wie „Pipi Langstrumpf" von ASTRID LINDGREN, in Märchen und Fabeln etwa „Ich sag Du bist der Bär" von JANOSCH oder MAURICE SENDAKS „Wo die wilden Kerle wohnen", wird Kinderrealität thematisiert. Der poetische Stil und die Bildhaftigkeit der Sprache lassen ein „Miterleben" auf der Gefühlsebene eher zu als der manchmal sehr nüchterne Stil des „realistischen Kinderbuches", befriedigen kindliche Bedürfnisse nach Macht, Stärke und Größe und helfen bei Kinderängsten. Sie schaffen dadurch Raum für Phantasien, die das Ertragen von Ohnmacht im Kinderalltag erleichtert. Das von Pädagogen und Eltern so geschätzte „hochwertige" Kinderbuch mit „erzieherischem Wert" und, auch heute noch viel zu oft, moralischem Unterton, stellt nur einen kleinen Teil der belletristischen Literatur für Kinder dar, der an den realen Lesebedürfnissen der Kinder, besonders dem nach Abenteuer und leichter Unterhaltung, oft vorbeigeht. Diesem Bedürfnis wird durch eine breite Palette von Trivialliteratur für Kinder entsprochen. 2.1.2.3. Trivialliteratur für Kinder Dazu gehören die hauptsächlich in Kaufhäusern zu erwerbenden „Bücher zur Fernsehserie" ebenso wie Mädchenbuchklassiker vom Schlage „Trotzkopf" und „Nesthäkchen",„die 5 Freunde" und andere Detektivgeschichten sowie die „Hanni und Nanni" oder die „TKKG" - Geschichten und Abenteuerromane, die bei Kindern außerordentlich beliebt sind. Alleine daraus beziehen diese Bücher ihre Legitimation, ebenso wie die von Pädagogen vielfach als „Schmutz und Schund" bezeichneten Comics und Heftchen für Kinder. Sie dienen der reinen Unterhaltung und Zerstreuung. Die Klischees, die veralteten Geschlechtsrollen und familialen Rollen, die hier transportiert werden, sowie der eindimensionale Erzählstil sind durchaus der Kritik würdig. Nur entwickeln Kinder im alltäglichen Umgang mit Literatur Lesefähigkeiten, vor allem hinsichtlich des Realitätsgehaltes von Texten aber auch hinsichtlich der Ästhetik und Poesie des Erzählstiles, die es ihnen ermöglichen, Qualitätsunterschiede zu erkennen und zu reflektieren. Die „Wiederholung des gleichen Strickmusters" in den Endlosreihen der Abenteuerbücher von BLYTON und Co. ermöglichen entspanntes Lesen und garantieren doch zugleich ein Mindestmaß an Spannung und Unterhaltung, bei gleichzeitigem Wissen um das Happy End. Die verschiedenen Genres auf dem Kinderbuchmarkt sind notwendige Vielfalt. Sie spiegeln ebenso die Vielschichtigkeit gesellschaftlicher Sichtweisen und Realitäten, wie auch die individuell und situationsabhängig verschiedenen Bedürfnisse von Kindern im Verlauf ihrer Entwicklung. Verstehen sich die Autoren, Literaturwissenschaftler, Kritiker, Pädagogen und Eltern wirklich als Partner des Kindes, so müssen sie die verschiedenen in der Kinderliteratur vorkommenden Genres zunächst einmal als Bestandteil von Kinderkultur akzeptieren und den Kindern zutrauen, sich den „geeigneten" Lesestoff aus dem riesigen Buchangebot nach ihren Vorstellungen, Neigungen und Bedürfnissen zu suchen. Dabei kann pädagogische Orientierungshilfe von Erwachsenen nicht schaden, wenn sie nicht in Bevormundung umschlägt. Am wirkungsvollsten für die Ausbildung elaborierter Lesefähigkeit und Fähigkeit zur kritischen Textbetrachtung wie auch für die Freude am Lesen ist jedoch der erlebte Umgang der Bezugspersonen mit dem Medium Buch und das Medienverhalten der Familie überhaupt, wie Kinder ihre Eltern und Geschwister als „Lesevorbilder" erleben. Die ersten Leseerfahrungen in der Schule spielen ebenfalls eine Rolle für den späteren Umgang mit Büchern. 2.2. Wie kommt die Tigerente auf die Zahnbürste ? Medienverbund und Merchandising auf dem Kinderbuchmarkt 2.2.1. Der Kinderbuchmarkt Das Interesse der Verlage an der Kinderliteratur ist nicht mehr nur das eines „Nebenkriegsschauplatzes", während auf dem Buchmarkt für Erwachsene angesichts der Monopolisierungstendenzen auf dem Medienmarkt und dem Konkurrenzkampf mit den „neuen Medien" die Verteilungsschlachten um Druckrechte stattfinden, sondern es kennzeichnet das Interesse an der Rolle des Buches in einer multi-medialen Zukunft. Das Kinderbuch soll nicht mehr so sehr den Erwachsenen als pädagogischen Ratgeber und Käufer ansprechen, als vielmehr die junge, durchaus medienerprobte Kundschaft. So investieren große Verlage wie etwa Bertelsmann Millionenbeträge in Marktforschung und über Stiftungen in universitäre Studien zu Lesesozialisation und Leseverhalten (vgl. SAXER u.a.1989, die Bertelsmann Studie zu Kommunikationsverhalten und Medien: Lesen in der modernen Gesellschaft, oder HURRELMANN u.a. 1993, Lesesozialisation). Mit Kinder- und Jugendbüchern macht der deutsche Buchhandel inzwischen rund 8% des Gesamtumsatzes von 17,2 Milliarden DM, dies sind rund 1,4 Milliarden DM. Schulbücher mit 9%, audiovisuelle Medien mit 2% und „Übrige Waren" mit 9% (dahinter verstecken sich die meisten Merchandising - Produkte) sind hierbei nicht mitgerechnet. Der Umsatz mit den Nebenrechten, dies sind Übersetzungsrechte aber auch Lizenzrechte für Tonträger und Bücher zu Filmen, stiegen in den Jahren 1993 -96 um durchschnittlich 8,3% gegenüber dem Vorjahr. Diese Steigerungsrate liegt weit über dem Umsatzplus für Bücher, welches im Schnitt bei 5,3 % des Gesamtumsatzes liegt. Es wurden im letzten Jahr 4.602 Kinder- und Jugendbücher verlegt, davon 2.967 als Erstauflage und 1.635 als Neuauflage. Damit sank der Anteil der „zweitgrößten Sachgruppe" (BÖRSENVEREIN des DEUTSCHEN BUCHHANDELS 1997, S.61) im Vergleich zum Vorjahr um 0,6%, was vor allem mit einem Rückgang an Neuauflagen erklärt wird. Bücher werden inzwischen nicht mehr nur in Einzelhandelsgeschäften und über Buchgemeinschaften verkauft. Die Tendenz geht zu großen Buchkaufhäusern und Buchhandelsketten wie Hugendubel mit sehr umfangreichen Bestand und eigenen Buchlagern. Dennoch setzen die kleinen Buchhändler mit 2-5 Beschäftigten in der Sparte Kinder- und Jugendbuch im Verhältnis doppelt soviel um ( Anteil am Gesamtumsatz 10%) als die großen Buchkaufhäuser. Dies mag unter anderem daran liegen, daß ein Großteil der Kinderbücher von Erwachsenen verschenkt wird und sie dem Überangebot in den großen Buchhandlungen oft ratlos gegenüber stehen, während der kleine Buchhändler an der Ecke Zeit für Beratung hat und eher für Qualität steht. Kinder- und Jugendbücher sind mit einem Durchschnittspreis von 15,62 DM für einen Hardcovertitel und einem Taschenbuchpreis zwischen 8 und10 DM durchaus auch für junge Kunden erschwinglich. „In letzter Zeit ist auf dem Kinderbuchmarkt eindeutig die Tendenz „Weg vom Problem - hin zur Unterhaltung" zu beobachten. Märchenhaft - phantastische Bücher, witzige Unterhaltung, Krimis und Abenteuerbücher scheinen verstärkt gefragt zu sein" (S. HENTSCHKE vom Erika Klopp Verlag München). HENTSCHKE führt diese Tendenz auf die Illusionslosigkeit der erlebten Alltagsrealität von Kindern in den Zeiten der Rezession zurück. Dies bedeutet nicht, daß nicht auch „anspruchsvolle Kinderliteratur" aufgelegt und verkauft wird, die Rezensionen in der Fachpresse und die Preisverleihungen des deutschen Jugendbuchpreises dürfen aber nicht darüber hinweg täuschen, daß diese Literatur - wie bei Erwachsenen auch - gegenüber den eher trivial angelegten „Schmökern" das Umsatzvolumen nicht entscheidend beeinflußt. So werden denn auch als „Longseller" unter den Kinderbüchern zunächst übereinstimmend die Abenteuer-Serien von ENID BLYTON genannt, die 1977 angesichts des 100. Geburtstags der Autorin von verschiedenen Verlagen neu aufgelegt wurden und im Medienverbund mit Fernsehserien, Videos und Kassetten Sondertische und Regale füllen. Eine eigene Sonderausgabe des „YOU - Magazin für Kids", eine als Information getarnte Werbebroschüre von Hugendubel, widmete sich der Vermarktung des runden Geburtstages der Kinderbuchautorin. Ebenfalls großer Beliebtheit erfreuen sich Reihen, wie die „Leselöwen", Themenbücher mit Geschichten für Leseanfänger in großer Fibelschrift, die von bekannten Kinderbuchautoren und Illustratoren geschrieben und gestaltet sind. Die Verlage und Buchhandlungen bemühen sich in Ihren Selbstdarstellungen die Breite des Angebotes zu rühmen und die Qualität der Kinderliteratur herauszustellen. Es scheint auch heute noch ehrenrührig zu sein, Unterhaltungsliteratur für Kinder herauszugeben und zu verkaufen. Obwohl bei den meisten Verlagen gerade der Umsatz mit trivialer Literatur in großen Auflagen das finanzielle Gerüst ist, welches das Verlegen von anspruchsvoller Literatur in kleinen Auflagen ermöglicht, so wird dies nur ungern zugegeben. In dieser Hinsicht eine große Ausnahme unter den Kinder- und Jugendbuchverlagen ist der Franz Schneider Verlag, der wie kein anderer deutscher Kinder- und Jugendbuchverlag die Buchherstellung rationalisierte und kommerzialisierte, der gnadenlos jedes Buch, welches unter 6000 verkauften Exemplaren pro Jahr liegt, sofort aus dem Sortiment nimmt. Er hat sich bewußt auf das Massenpublikum „von Sechs- bis Vierzehnjährigen mit Volksschulbildung" (FLEMMER 1974, S.411) verlegt. „Jede bewußte Intellektualisierung oder zu starke Pädagogisierung würde den Absatz gefährden" (ebd.). Schneider hat sowohl den Trend der Zeit nach „Mainstream Unterhaltung für ein Massenpuplikum", als auch das heute aus der Medienlandschaft nicht mehr wegzudenkende „Infotainment" bereits sehr früh (in den 60er Jahren) erkannt. Er stellt Information und Wissen aus Naturwissenschaft und Humanwissenschaften unterhaltsam in seinen Sachbuchreihen „Wissen universell" und dem „Kinder Kolleg" dar. Gerade Kinderbuchverlage werden noch immer auf die pädagogische Waage der „wertvollen Kinderliteratur" gestellt und haben Angst davor, für zu leicht befunden zu werden, obwohl sie aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen um ein breites Fundament aus leichter Unterhaltungsliteratur gar nicht herumkommen. Auf die Paradoxie der Trennung zwischen einer literarisch anspruchsvollen Buchelite, die sich im Stil der Erwachsenenliteratur annähert und der eher trivialen Unterhaltungslektüre oder didaktisch motivierten Anfängerlektüre verweist HURRELMANN. Danach sei die starke Polarisierung von trivialer und „literarischer" Kinderliteratur sehr kontraproduktiv für eine ausgewogene und unvoreingenommene Betrachtung der kindlichen Lesebedürfnisse (vgl. HURRELMANN 1995, S.10). Kleine Verlage mit anspruchsvollen literarischen Qualitätsansprüchen scheitern oft sowohl an den Auflagenhöhen des Marktes als auch an dem Geschmack der Kunden. Sie können sich auf dem Markt kaum behaupten und werden im Zuge der Konzentration auf dem Medienmarkt von Medienmultis wie Bertelsmann, Holtzbrink oder Ueberreuter-Verlag, denen kleine Verlage mit anspruchsvoller Literatur als Aushängeschild gerade recht sind, aufgekauft. Die von den Verlagen für die Auswahllisten und für die Bewerbung zum „deutschen Jugendliteraturpreis" jedes Jahr eingereichten Vorschläge stammen dann auch gerne von für ihre hochwertige Kinderliteratur bekannten Verlage, etwa vom Anette Betz Verlag, der bereits seit 1967 Uebereuter gehört. 2.2.2. Das Kinderbuch im Medienverbund Das Kinderbuch ist heute ohne den kommerziellen Medienverbund gar nicht mehr denkbar. Bereits in den zwanziger Jahren wurde in den USA eine kleine pfiffige Maus mit ihren Freunden auf Zelluloid gebannt, aus der beliebten Comicfigur wurde der größte Trickfilmheld aller Zeiten, und aus seinem Zeichner WALT DISNEY der weltweit größte Trickfilmproduzent und Erfinder des Merchandising. Es folgten Verfilmungen von Kinderbuchklassikern, wie „Das doppelte Lottchen" oder „Das fliegende Klassenzimmer" von ERICH KÄSTNER. Mit dem Siegeszug des Fernsehens in den fünfziger Jahren begann auch die Suche nach neuen Stoffen für Kindersendungen. Die Märchen der GEBRÜDER GRIMM wurden in dieser Zeit verfilmt. Den Hauptteil der Kinderfilme im Kino wie im Fernsehen bildeten die zahlreichen Importe. Literaturverfilmungen wie „Pippi Langstrumpf", „Die Kinder aus Bullerbü" und „Ferien auf Saltkrokan" von ASTRID LINDGREN und die Serienimporte aus den USA, „Flipper", „Fury", „Lassie" oder „Daktari" gestalteten das bundesdeutsche Kinderprogramm bis in die 70er Jahre hinein. Auch die ersten Kinderhörspiele, auf Kassetten gezogene Klassiker der Kinderliteratur, hauptsächlich Märchen und Sagen, waren Versuche, neue Medien für die Interpretation des Kinderbuches zu nutzen und mit neuen Medienformen zu experimentieren. Was diesen Vorläufern des heutigen Medienverbundes noch fehlt, ist die Kommerzialität, die umfassende Vermarktung eines Stoffes bzw. der Hauptfigur in allen Medien gleichzeitig und im Schulterschluß mit den Herstellern von Kinderwaren. Auch die Ablösung der vermarkteten Figur von der Geschichte mit ihrem Handlungszusammenhang, ihre Abstraktion von konkreten kindlichen Bedürfnissen, läßt sich bei den obigen älteren Beispielen noch nicht feststellen. Das Kinderbuch auf dem Medienverbundmarkt tauchte erst im Zusammenhang mit den japanischen Billigtrickfilmen der 70er Jahre wie „Biene Maja", Heidi", „Pinocchio" im großen Stil auf (vgl. HENGST 1981, JENSEN/ ROGGE 1980). Sie enthielten nur noch Grundelemente der ursprünglichen literarischen Vorlagen und orientierten sich in ihrer Machart vordergründig an möglichst globalen Vermarktungsmöglichkeiten auf dem Medien- und Kulturwarenmarkt für Kinder. Die Vermarktungsaktivitäten für Kinderfilmfiguren gehen heute weit über den Rahmen der traditionellen Kindermedien (Fernseher, Tonträger, Rundfunk, Bücher und Zeitschriften) im Medienverbund hinaus. Neue Kindermedien, Videound Telespiele, sowie Computer - Games werden in den Medienverbund einbezogen. 2.2.3. Das Kinderbuch und die Lizenzwaren Daneben konstituieren die Merchandising - Agenturen eigene Kosumwelten für Kinder, in denen Kinder Jugendliche und Erwachsene in ihrem Konsum- und Freizeitverhalten nachahmen und sich gleichzeitig von Ihnen abgrenzen. Die Dynamik des Konsum- und Freizeitmarktes fordert den ständigen Wechsel der Moden und Stile. Auch für Kinder gilt, sobald sich ein Trend etabliert hat, ist er eigentlich schon wieder „out". Dies erfordert eine Austauschbarkeit der Figuren. Die Identifikationswerte der Ursprungsgeschichte, bei „Heidi" die Kindheitsängste vor Trennung von den Eltern oder bei „Pumuckl" die Auseinandersetzung mit den Eltern um Autonomie und Gehorsam, werden im Prozeß der massenweisen Vermarktung in Gebrauchswertversprechen umgesetzt. Da die Einlösung dieser Versprechen sich mit dem Kauf eines „Heidi"- oder „Pumuckl"Produktes nicht erfüllen kann und immer Illusion bleibt, beginnt das Kind die Produkte zu sammeln um möglichst viele davon zu besitzen. „Die „Lust am Haben", das Kaufen (und Sammeln, d. Verf.) wird zur Ersatzbefriedigung" (JENSEN/ROGGE 1980, S.25). Das Sammeln der jeweiligen „In-Produkte", garantiert das „Aufgehobensein und Mitreden- können" in der Gruppe der Gleichaltrigen. Wie oben schon angesprochen schafft erst die Verfilmung oder die Fernsehfassung einer literarischen Vorlage die Voraussetzung für eine Vermarktung auf breiter Ebene. Das Fernsehen oder der Film als Promoter verleibt sich literarische Vorlagen ein und gibt ihnen eine neue Gestalt, die auf die Bücher zurückwirkt. Zum einen steigt der Bekanntheitsgrad des Buches - wer kannte schon „Die Biene Maja" vor der Verfilmung? - zum anderen ändert sich die Buchgestaltung. Das Layout wird mit den Bildern aus der Serie garniert. Dies nimmt dem Buch ein Stück von seiner Originalität und verengt die Phantasie. Die Bilder formen sich nicht mehr im Kopf, sondern sie sind bereits aufgrund der Fernsehserie oder des Filmes vorhanden, das Buch läßt sie nur wieder aufleben. Andererseits kommen auf diesem Wege Kinder mit Literatur in Berührung, die aufgrund der häuslichen Umgebung und der familialen Mediennutzungsmuster kaum an Bücher herangeführt werden. Für eine Vermarktung über den Medienverbund hinaus ist jedoch das Fernsehen oder der Film nötig, da das Bild der vermarkteten Figur die Basis für Merchandising - Aktivitäten ist. Für die Verfilmung im Verbund mit einer umfassenden Werbekampagne für Lizenzprodukte kommen nur literarische Vorlagen in Frage, die Seriencharakter haben und deren Figuren über die Identifikationsmöglichkeiten des literarischen Rahmens hinaus eine Generalisierung auf Alltagssituationen oder eine Abstraktion vom konkreten Geschehen in der Geschichte zulassen, also an kindliche Träume und Phantasien anknüpfen. Nur wenige Kinderbücher eignen sich dazu. Die Geschichte des kleinen Kobolds „Pumuckl" von ELLIS KAUT ist ein Beispiel dafür. Erst die Verfilmung seiner Abenteuer, eine aufwendige Kollage mit dem gezeichneten „Pumuckl" in einer realen Filmumgebung, machte den „Klabautermann" über die Grenzen Bayern hinaus bekannt und setzte eine bis dahin unbekannte Lawine von Lizenzprodukten (400 in Deutschland), vom Federmäppchen über die Nachttischlampe bis zum Kindergeschirr, in Gang. "Pumuckl" erlebt Alltagsabenteuer. Er will in kindlichem Streben nach Autonomie die Welt selbst entdecken, setzt sich dabei auf recht freche Weise über die Erziehungsregeln seines Ziehvaters „Meister Eder" hinweg und gerät dabei immer wieder in Gefahr. Er ertrinkt fast in der Badewanne, sperrt sich aus und erfriert beinahe, läuft weg und findet den Weg nicht mehr und vieles mehr. Am Ende wird er jedoch immer gerettet oder er hilft sich selbst. Die Darstellung der Abenteuer des Kobolds im Film und auf den sehr gut gemachten, folgenden Hörspiel - Kassetten war besonders für Vorschulkinder hilfreich, da hier in phantastischer Form ihre eigenen Ängste thematisiert wurden und eine Bewältigung erfuhren. Auch die bei Kindern sehr beliebte „Pippi Langstrumpf" eignet sich als Stoff, aus dem die Vermarktungsträume sind. Sie wurde lediglich ein paar Jahre zu früh verfilmt, um schon in den Sog der umfassenden Merchandising Aktivitäten zu geraten. So blieb es bei „Pippi" -Kassetten, -Videos, -Aufklebern und einigen Lizenzprodukten rund um die Schule. Auch steht hier das Interesse der Autorin ASTRID LINDGREN gegen eine weitreichendere Vermarktung. In den neunziger Jahren bilden hauptsächlich Kinofilme, entweder Trickfilme von WALT DISNEY („Arielle,die Meerjungfrau", „Der König der Löwen", „Pocahontas", „Sindbad", „Der Glöckner von Notre - Dame", „Die Schöne und das Biest", „101 Dalmatiner", „Herkules"), oder Familienfilme wie „Jurrasic Parc", „Toy Story" und „Jumanji" die Grundlage für weltweite Werbekampagnen und die umfassende Vermarktung, von der Anstecknadel bis zur Zahnbürste. Die literarischen Vorlagen entstammen neben der Kinderliteratur zunehmend aus überliefertem, damit jedermann bekanntem Kulturgut wie Märchen und Sagen, sowie aus der Erwachsenenliteratur. Das Publikum erfährt eine zunehmende Egalisierung, die Vermarktungsstrategien des Merchandising und die beworbenen Produkte richten sich jedoch vorrangig an Kinder und Jugendliche. Neuerdings ist die literarische Vorlage entbehrlich, es wird eine „Idee" vermarktet. Diese Idee wird zunächst zum Drehbuch und zum Film und erst im Zuge der Vergabe von Lizenzrechten wird das „Buch zum Film" geschrieben. Wie werden nun Buchfiguren zu „Ikonen der Kinderkultur"? Diesem Phänomen soll am Beispiel der Figuren des Autors und Illustrators JANOSCH ausführlicher nachgegangen werden. 2.2.4. Merchandising - die Tierfiguren von Janosch als Ikonen der Kinderkultur 2.2.4.1. JANOSCH - vom Graphiker zum Markennamen Ein wohl bisher einmaliges Eigenleben außerhalb der Bilderbücher haben die Tierfiguren des Autors und Illustrators JANOSCH angetreten. Besonders die „Tigerente", aber auch der „kleine Tiger" und der „kleine Bär" sind heute weit herumgekommen. Sie finden sich auf Federmäppchen, Radiergummis, Stiften, Schulblöcken und Taschen, auf Zahnbürsten und -bechern, Zopfspangen und Kämmen, auf Kindergeschirr und Kinderkleidung, auf Handtüchern und neuerdings sogar auf Fliesen. Nicht zu vergessen die Glückwunschkarten, Geschenkpapier und Schlüsselanhänger. Sogar JANOSCH - Wein gibt es zu kaufen. Die Beispiele zeigen, daß die Fabeltiere von JANOSCH sich längst verselbständigt haben und nicht nur den Bilderbüchern entstiegen und zu Kultfiguren geworden sind, sondern auch über den Kulturwarenmarkt für Kinder hinaus gezogen sind, um die Herzen der Erwachsenen, und deren Geldbeutel, zu erobern. Sie entstammen den Entwürfen eines Aussteigers, eines gescheiterten Zeichners, der Ende der fünfziger Jahre, um sich über Wasser zu halten, in einer Stoff - und Tapetenfabrik arbeitete. 1960 erschien JANOSCH’ erstes Kinderbuch „Die Geschichte von Valek dem Pferd" im Georg Lentz Verlag München. Dieser nahm ihn unter Vertrag, zahlte ihm „...für die nächsten fünf Bücher insgesamt siebzig Mark..." und so „...entstanden diese unzähligen schlechten Kinderbücher..." (JANOSCH 1997, S.91 f.). Die Rechte an den JANOSCH Büchern gingen nach dem Zusammenbruch des Georg Lentz Verlages an den Parabel Verlag über. 1978 kam der Durchbruch mit „Oh, wie schön ist Panama", erschienen bei Beltz & Gelberg, wofür JANOSCH 1979 den Jugendliteraturpreis in der Sparte Bilderbuch erhielt. Heute wird JANOSCH bei mehreren großen Verlagen, wie dem Züricher Domino Verlag, Goldman und Mosaik Verlag (beide zur Bertelsmann - Gruppe gehörend), verlegt. Sie verfügen über die Rechte an über 200 verschiedenen JANOSCH - Büchern, die meisten davon Kinderbücher und Bilderbücher, die mittlerweile in 36 Sprachen übersetzt wurden. Nach dem großen Erfolg der „Panama - Reihe" erfolgten zu Beginn der 80er Jahre die ersten Sekundärverwertungen der JANOSCH - Figuren. Diese erstreckten sich zunächst lediglich auf Tonträger und Schreibartikel, Grußkarten, Radiergummis, Stifte u.s.w.. Die frech - fröhlichen Kindergeschichten von JANOSCH wurden zunehmend von Eltern und Erziehern entdeckt und so fanden der „kleine Bär", der „kleine Tiger" und die „Tigerente" in immer mehr Kinderzimmern und in Kindergärten und Kindergruppen eine neue Heimat. Zu Kultfiguren avancierten die Tierfiguren jedoch erst seit Beginn der 90er Jahre im Zusammenhang mit der Kinderserie „JANOSCHS TRAUMSTUNDE" (26 x 30 Minuten). Auch hier findet sich wieder der enge Zusammenhang zwischen der Verfilmung eines Buches oder Skriptes und der damit erst möglich gewordenen Vermarktungswelle. Die „laufenden Bilder" dringen bis in jedes Wohnzimmer vor und sie schaffen Gemeinsamkeit. Bücher werden Kindern im Bilderbuch - Alter zumeist geschenkt, der Fernseher ist für sie eher zugänglich; auch hier findet Kontrolle durch die Eltern statt, aber besonders Kindersendungen werden von den meisten Eltern kaum reflektiert. Die „JANOSCHS TRAUMSTUNDE" Staffel wurde mittlerweile mehrfach wiederholt und läuft derzeit im Kinderkanal. Seit Januar 1996 gilt der „Tigerenten Club", eine 90 minütige Kindershow rund um die JANOSCH - Figuren, als sehr erfolgreiche deutsche Antwort auf den bis dahin auf diesem Sendeplatz (Samstag Nachmittag, Wdh. Sonntag Morgen in der ARD) gesendeten „Disney Club". Durch die ständige Medienpräsenz lassen sich die Lizenzwaren immer besser verkaufen. Insgesamt werden derzeit (Stand Nov.’97) rund 150 Produkte, von denen einige Sammelbegriffe für ganze Produktpaletten sind, in Lizenz hergestellt. Die genaue Anzahl der Einzelprodukte dürfte ungefähr bei 300 verschiedenen Artikeln liegen. Der Diogenes Verlag, der größte Verleger von JANOSCH Büchern (alleine 29 Neuauflagen und Neuerscheinungen 1997) hat die Lizenzen für die JANOSCH - Figuren und deren Verwertung an die Merchandising Agentur BavariaSonor in München vergeben. BavariaSonor vermarktet nicht nur die Nebenrechte der Muttergesellschaft Bavaria Film, sondern ist auch für die Lizenzauswertung von Comicfiguren und Buchfiguren („Pumuckl", JANOSCH mit „Tigerente", „Kleiner Bär", „Kleiner Tiger" und „Emil Grünbär"), TV-Produktionen und Filmen („Die Sendung mit der Maus", „Unser Charly", „Siebenstein", „Tigerenten Club", „Süderhof" und „Rennschwein Rudi Rüssel"), Markennamen („Playmobil"), sowie für die Sponsoring - Aktivitäten von ARD und ZDF, Bertelsmann /UFA, BR, Diogenes, SAT.1, WDR u.a. zuständig. Seit 1993 besitzt BavariaSonor die Exklusivrechte an allen JANOSCH - Figuren. Die Bücher und Sekundärprodukte von JANOSCH sind „Longseller", bei sich ständig erweiternder Produktpalette. Anders als die kurzlebigen, oft nur einige Monate dauernden Merchandising - Kampagnen, die mit der Kino- oder Fernsehausstrahlung eines Filmes einher gehen und den Markt mit „XYZ Produkten" überschwemmen, halten sich „Tigerente" und Co. seit ungefähr 15 Jahren (außerhalb der Kinder- und Bilderbücher, die in den vergangenen 35 Jahren entstanden) mit starker Tendenz zur Vermehrung. Während in den 80er Jahren zu Beginn der Merchandising - Aktivitäten noch hauptsächlich Kindermedien und -produkte wie Schokoladefiguren (inzwischen nicht mehr im Programm), Kassetten, Spielwaren und Schreibartikel hergestellt wurden, umfaßt die Liste inzwischen ein breites Sortiment alltäglicher Gebrauchsgüter für Kinder und Erwachsene. Neben den traditionellen Spiel- und Schreibwaren finden sich Kleidung und Frotteewaren für Erwachsene und Kinder, Kinder Toilettenartikel (vom Badestöpsel bis zur Zahnspangendose) Geschenkartikel, Freizeit- und Sportartikel, vom Fahrrad über Drachen und Handarbeitsartikel bis hin zu verschiedenen Taschen. Neu ist auch die Erweiterung der Produktpalette auf Babyartikel, Fläschchen, Wärmflasche und Haushaltswaren wie Bügeltische, Fliesen, Teppiche und Tapeten. Porzellan und Glas, d.h. Geschirr und Gläser für Kinder und Erwachsene gehören ebenfalls zur neue Produktlinie. Accessoires, wie Armbanduhren, Brillen, Schlüssel- und Geldtaschen, Gürtel und Schuhbänder runden das Bild ab. Vertrieben werden die Merchandising - Produkte in Buchhandlungen und Spielwarengeschäften, Geschenkboutiquen und Kaufhäusern, aber auch im Fachhandel, etwa in Haushaltswarengeschäften und im Fliesenhandel. JANOSCH ist längst zum Markennamen avanciert. Derzeit erobern eigene Verkaufsstände mit JANOSCH - Produkten die Supermärkte und Großdrogerien. Angesichts dieses Erfolges, „ein Leben ohne Tigerente himmelschietpotztausend - das wäre so fad wie eine Zahnpasta ohne Streifen!", scheint es geboten, das Besondere an den Geschichten und Figuren von JANOSCH zu suchen, die ein alltäglicher Bestandteil nicht nur von Kinderkultur geworden sind. Die Zielgruppe für die Merchandising - Aktivitäten reicht dann auch, was anhand der Produktpalette ja schon zu erkennen war, vom Baby bis zum Erwachsenen. Unter den Zusehern des „Tigerenten Clubs" finden sich neben durchschnittlich 45% Kindern von 3-13 Jahren auch 15-20% Erwachsene. 2.2.4.2. „Oh, wie schön ist Panama! " - die Prototypen in den Kinderbüchern von JANOSCH und Wunschvorstellungen der Gesellschaft JANOSCH bedient sich in seinen Tiergeschichten meist der literarischen Form der Fabel. Diese „säkularisierte Form des Gleichnisses", die bereits im Mittelalter benutzt wurde, um Kindern und Heranwachsenden allgemeine Regeln des sozialen Verhaltens und Fehlverhaltens vor Augen zu führen, war trotz der „Tierhelden" und der im Phantastischen angesiedelten Erzählung immer ein Zeichnen und Erzählen der tatsächlichen Verhältnisse. Die Fabel vereint verschiedene Funktionen in sich. Sie stellt die in einer Gesellschaft gültigen moralischen und gesellschaftlichen Normen unterhaltsam dar und fordert gleichzeitig zur Reflexion über diese Normen auf. „Insofern richtet sie thematisch ihr Augenmerk auf die Unvollkommenheit in den herrschenden Verhältnissen, sie richtet sich gegen Unterdrückung und träges Hinnehmen derselben" (DODERER 1992, S.168). Die Fabeln von JANOSCH müssen im Zusammenhang mit der emanzipatorischen Kinderliteratur der späten 60er und 70er Jahre gesehen werden. Sie stellen Autoritäten, von Seite des Staates wie der Eltern, in Frage und geben den Kindern mehr Autonomie im Handeln. Die Helden sind eindeutig die (Tier)kinder. Die durchaus romantische Vorstellung von Kindern als den Überwindern der Verhältnisse findet sich bei JANOSCH als Motiv immer wieder, beispielsweise in „Ich sag, Du bist der Bär"(JANOSCH 1977), wo ein Junge mit seinen Ratschlägen an den an seinem Arbeitsplatz drangsalierten Vater nicht nur seine eigenen Ängste überwindet, sondern auch dem Vater hilft. Dieser Typ des kindlichen Überhelden, der sich in den Bilder- und Kinderbüchern der Nachkriegszeit bis hin zur Gegenwart erhalten hat, sind zwar unrealistisch, tragen aber dazu bei, daß Kinder sich mit ihren Ängste konfrontieren und diese kontrolliert überwinden und mehr Mut zu sich selbst entwickeln können (vgl. DODERER 1992, S.114-121). In den „Panama-Geschichten" kommen Eltern gar nicht mehr vor. Der „kleine Tiger" und der „kleine Bär" erziehen sich gegenseitig. Sie sorgen füreinander, überwinden Ängste gemeinsam und geben sich Geborgenheit und Liebe. Warum waren und sind gerade diese JANOSCH Figuren, bei Kindern und Erwachsenen so beliebt und so erfolgreich zu vermarkten? JANOSCH erzählt kleine Geschichten über große Menschheitsträume, die Sehnsucht nach „dem fernen Land der tausend Möglichkeiten", der Wunsch nach Reichtum, der ein unbeschwertes Leben garantiert, die Suche nach Freunden und nach Liebe. Seine Tierfiguren „kleiner Tiger" und „kleiner Bär" sind frech, aber dabei gutmütig und hilfsbereit. Menschen kommen in den Erzählungen selten vor, wenn doch, sind sie sehr klischeehaft und einfach gezeichnet. Die „Panama - Geschichten" enden im Gegensatz zu anderen Tiergeschichten von JANOSCH gut. In den Abenteuern von „Tiger und Bär" werden romantische Themen angesprochen, der Traum vom Paradies, von Freundschaft, vom Aussteigen. „Tiger und Bär" sind gemeinsam stark, sie halten zusammen in einer feindlichen Welt. Sie sind - sehr wirklichkeitsfremd - ausschließlich mit positiven Eigenschaften ausgestattet, ganz anders als die Figuren in den anderen Tiergeschichten von JANOSCH, etwa der „Mäusesherrif" oder „Schnuddel", die wie ganz normale Kinder nicht nur lieb und hilfsbereit sind, sondern auch nach Herzenslust flunkern , Streiche aushecken, und in ihrer Wut schon mal etwas kaputt machen. Der „kleine Tiger" und der „kleine Bär" sind im Wortsinn „Bilderbuchkinder", unschuldige, gutmütige, ruhig etwas freche Kinder im Kindergartenalter, die ihren Aktionsradius langsam erweitern und selbständig werden. Sie sind die Freude eines jeden Erwachsenen. Die beiden stehen ebenso für die verlorene Kindheit, für ein nicht wiederkehrendes und auch nie dagewesenes Idyll von Kindheit und gefallen daher gerade den Erwachsenen gut, die Kinderbücher weniger nach den Wünschen der Kinder, als nach ihren eigenen Vorstellungen auswählen und kaufen. Kinderbücher entsprechen dann auch oft eher diesen Vorstellungen, sind weniger kindgemäß als kindertümlich, „es wird nämlich nicht die Verständlichkeit für Kinder gefordert, sondern das Bild, das der Erwachsene von Kindertümlichkeit einer Illustration (oder eines Textes d. Verf.) hat" (P.MAAR zit. n. BAUMGÄRTNER /SCHMIDT 1991, S.82). Daran orientieren sich auch die an guten Umsätzen interessierten Verleger. So werden Bilder- und Kinderbücher eher verlegt, wenn die Illustrationen einfach und klischeehaft kindlich sind, und der Text in „Kindesmundart" (einfache Sätze, Wiederholungen, orientiert an der kindlichen Rede) geschrieben ist. Kinder hingegen fühlen sich von Büchern, die im Text oder in der Bildgestaltung unangemessen kindlich sind, und damit zu wenig ihrer Wißbegierde und Auffassungsfähigkeit entsprechen, eher unterfordert und gelangweilt. JANOSCH gelingt es, in seinen „Panama - Büchern" kindliche Entwicklungsthemen und Kinderträume nach Autonomie und Freundschaft, nach Freiheit und Geborgenheit darzustellen, und diese in Erwachsenen wiederaufleben zu lassen. In „Oh, wie schön ist Panama" steckt das bürgerliche „my home is my castle", aber auch die Suche nach Freiheit und Abenteuer, der nicht nur in der Kindheit wichtige Gegensatz zwischen dem Wunsch nach persönlicher Autonomie und dem nach emotionaler Bindung und Geborgenheit. Darüber hinaus gewinnt JANOSCH über die in Text und Illustration versteckte Ironie und Gesellschaftskritik und jede Menge Humor auch kritische Erwachsene für sich. Die Illustrationen erinnern stilistisch an die Bilderbücher des letzten Jahrhunderts, etwa „Die Wurzelkinder" oder die Illustrationen von LUDWIG RICHTER zu „ Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel" aus BECHSTEINS Märchenbuch. Die „...skurrile, leicht versponnene kleinbürgerliche Idylle strahlt die gleiche Behäbigkeit und Zufriedenheit aus wie Richters „Igel vor dem Haus". Freilich, JANOSCH betreibt die Typisierung in einer augenzwinkernd - ironischen Weise, alles ist noch ein wenig karikaturhaft - humorvoller dargestellt, aber die bildnerischen Merkmale der frühen Kinderbuchillustration sind erhalten geblieben: der betont einfache kulissenhafte Aufbau des Bildes durch Rahmung, die additive Anordnung der Bildelemente, die Verliebtheit ins Detail und die Neigung zum Pittoresken" (THIELE 1990, S.77). Mit den im Biedermeier ausgestatteten Wohnzimmern in den Büchern von JANOSCH verbindet sich zwar eine Ironisierung der bürgerlichen Familie mit ihrem Nippes und Spitzendeckchen und den dahinter verborgenen, manchmal fragwürdigen doppelbödigen Moralvorstellungen und Rollenmustern, vermittelt sich aber auch Geborgenheit und Aufgehobensein in bekannter Umgebung und mit vertrauten Menschen. Fraglich ist es, ob diese Ironie sich dem oberflächlichen Betrachter mitteilt, oder ob nicht vielmehr die pittoresk, romantisch altertümliche Atmosphäre der Bilder überwiegt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich kleine ungewöhnliche Bildelemente entdecken, die die kleinbürgerliche Idylle karikieren, etwa der obligatorische Regenschirm an der Wand oder von der Decke herabbaumelnde Pilze, Knoblauch, oder Wäsche, sowie an die Wand genagelte Zettel mit allerlei Sprüchen. So oberflächlich unterhaltsam die Bilder von JANOSCH dem Betrachter zunächst erscheinen, so hintergründig werden sie bei näherer Betrachtung. In seinen Texten orientiert sich JANOSCH meist an der kindlichen Rede. Er verwendet vielfach Wort- oder Satzwiederholungen zur Bekräftigung und spielt mit Worten, verdreht sie, schöpft neue Wörter, und verwendet jede Menge Schimpfwörter. Die komischen Wortschöpfungen und sein frecher unverblümter Stil bringen den Leser immer wieder zum Lachen. JANOSCH nimmt nichts und niemanden ernst, am allerwenigsten sich selbst. Diese ironische Distanz zu seinen Büchern ermöglicht es ihm auch, obwohl er an der Oberfläche in einer konventionellen Bilderbuchidylle verharrt, dieser den ironischen Spiegel vor die Nase zu halten. Dann wieder setzt er einen elaborierten Sprachschatz bei seinen jungen Lesern voraus, etwa in „Der Mäuse - Sheriff" oder in „Das Geheimnis des Herrn Josef" (beide ab 8 Jahre). Die freche, unverblümte und ironische Sprache und die liebevolle Illustration haben JANOSCH berühmt gemacht. Doch die Ironie liegt oft so versteckt, daß die Kinder im „JANOSCHALTER" sie ohne Hilfe nicht finden und ohne Erklärung nicht begreifen können. Sie bemerken zwar die zahlreichen Übertreibungen und lachen darüber, der tiefere gesellschaftskritische Sinn bleibt ihnen aber verborgen. Dieser wiederum interessiert die sich selbst als aufgeklärt und sozialkritisch bezeichnende Elterngeneration. Die von JANOSCH bewußt verstreuten „Ketzereien...gegen Religionen, Eltern und Obrigkeiten" (JANOSCH,1997,S.173) sind meist augenzwinkernd - humorvoll in den Text oder ins Bild gesetzt und sollen den Kindern helfen, nicht alles zu glauben, was ihnen von Erwachsenen gesagt wird und die erlittenen Ungerechtigkeiten, denen Kinder im Alltag ausgesetzt sind, leichter zu ertragen. Ernsthafte Gesellschaftskritik findet sich hier allerdings kaum, dazu sind die Charaktere zu oberflächlich und klischeehaft gezeichnet. Auch bleibt die romantisierende Bildsprache mit Blumenranken und Biedermeiersofa in zarten Farben zu märchenhaft in der Historie stehen, um einen konkreten Bezug zur Realität heutiger Kinder entstehen zu lassen. So stellen die „Panama - Geschichten" ein bürgerlich romantisches Bild von Kindheit dar, an dessen Farbe allenfalls ironisch leicht gekratzt wird, dessen Aufbau aber in sich stimmig und fest gefügt ist. Seiner Kritik an den Eltern und ihren Handlungsweisen im Umgang mit Kindern, Geboten und Verboten und Sanktionen, gibt JANOSCH an anderer Stelle in manchmal fast zu realistisch - zynischer Weise Ausdruck. Er erzählt in heiterer Versform Begebenheiten des Erziehungsalltags und läßt diese dann tragisch oder grausam enden. Er erinnert darin an HOFFMANNS „Struwwelpeter" oder „Max und Moritz" von WILHELM BUSCH. In zwei Gedichten aus „Das Leben der Thiere", die hintereinander abgedruckt sind, erfährt das Kind, daß es nicht sicher und geborgen ist, egal ob es auf die Eltern (hier die Mutter) hört oder nicht. Beide Male endet das Gedicht mit dem Tod des Tierkindes. Die Geschichten und Gedichte von JANOSCH sind in ihrer pädagogischen Widersprüchlichkeit und Klischeehaftigkeit durchaus diskussionswürdig. Vor allen Dingen sollten Eltern und Erzieher beachten, daß ein Buch von JANOSCH mit vielen bunten Bildern nicht automatisch dafür geeignet ist, kleine Kinder damit alleine zulassen und daß JANOSCH nicht immer für frech - fröhliche, unkonventionelle Kindergeschichten mit „romantischem Touch" steht, sondern auch für ernste Geschichten und Gedichte zu immer noch tabuisierten Themen, wie Grausamkeiten unter Geschwistern (vgl. die Geschichten der Tigerschweinchen in „Das Leben der Thiere", JANOSCH 1988) oder zwischen Eltern und Kindern („Erster Flug", ebd., S.22f). Auch seine kritisch - poetische Erwachsenenliteratur, die kleine Geschichten von Menschen aus seiner polnischen Heimat erzählt und eine reflexive Beschäftigung mit der deutsch - polnischen Vergangenheit und seiner eigenen Kindheit darstellt, ist den meisten Erwachsenen unbekannt. Die besonders klischeehaft - einfach gezeichneten Figuren „kleiner Tiger" und „kleiner Bär" in ihrer „heilen Bilderbuchwelt" hatten und haben den größten Erfolg, da sie Menschheitsträume leben (s.o.) und menschlichen Grundbedürfnissen Gestalt geben. Der „kleine Bär" symbolisiert Geborgenheit und der „kleine Tiger" Stärke. Beide zusammen geben dem Bedürfnis nach Liebe und Freundschaft ein Leben lang Raum. In den Geschichten werden historisch - anthropologische, die menschliche Gemeinschaft erhaltende Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Rollenvorstellungen vermittelt, die identitätsstiftende Wirkung haben, so Selbstdisziplin, Opferbereitschaft, Fleiß, Anpassung, Genügsamkeit. Die „Tigerente" ist eigentlich nichts weiter als eine gelb-schwarz gestreifte kleine Holzente mit Rädern, ein Spielzeug des „kleinen Tigers" und hat gar keinen eigenen Charakter. Allerdings ist sie unentbehrlich für den „kleinen Tiger" und wird auf alle Abenteuer von „Bär und Tiger" mitgenommen. Sie symbolisiert die regressiven Tendenzen im Kind, erinnert an das Lieblingsspielzeug, daß man die ganze Kinderzeit hindurch mit sich herumtrug, ohne das an Einschlafen nicht zu denken war. Sie ist beständig und gibt Halt und Geborgenheit. Sie ist es dann auch, die den meisten Erfolg in den Medien und auf den JANOSCH - Produkten hat. Alle drei bieten in ihrer Einfachheit Projektionsflächen für Identifikationsbedürfnisse auf breiter Ebene. Dies ermöglicht erst eine massenweise Vermarktung im Medienverbund und auf dem Lizenzwarenmarkt. Tigerente und Co. unterscheiden sich in ihrer illusionistisch - einfach kindlichen und plakativ - harmonischen Machart nicht von den Zeichentrickfiguren der Walt Disney Filme und der japanischen Billigproduktionen „Biene Maja", "Heidi", „Wickie" u.a. Sie alle leben vom Image der Buch - und Trickfilmfiguren. 2.2.4.3.Tigerente und Co.- Freunde fürs Leben? Kinder sind heute, mehr noch als von anderen Kinderfiguren, von „Tigerente" und Co. umgeben, da diese auf breiter Basis von Erwachsenen, Eltern und Großeltern, Kindergärtner/innen und Lehrer/innen, akzeptiert und befürwortet werden. Die Geschichten von JANOSCH sind aus keiner Leseecke in Kindergarten oder Grundschule mehr wegzudenken, die Kassetten von Emil Grünbär zur Umwelterziehung und die Filme mit „Bär und Tiger" zur Verkehrserziehung ebenso. Tigerente und Co. mit ihrem liebenswert - frechen Charme sind feste Bestandteile der heutigen Alltagskultur geworden. Anders als vergleichbar erfolgreiche Kinderfigurprodukte im Medien- und Kulturwarenverbund sind die Produkte qualitativ hochwertig, also weniger auf rasche Konsumption und Kurzlebigkeit ausgerichtet. Dies hängt mit dem Image der Figuren zusammen. Sie stehen für Beständigkeit, die gute alte Zeit, Gemütlichkeit und sollen den „Longseller - Erfolg" der Bücher unterstreichen. Das Marketingkonzept heißt dann auch: Markenhersteller zur Zusammenarbeit gewinnen, Umweltbewußtsein und Qualität zeigen in Materialauswahl und verarbeitung. So werden gängige Lizenzthemen und Produkte wie Süßigkeiten, Plastikfiguren und -spielzeug bewußt vermieden. Die Tigerentenwelt besteht aus Holzspielzeug, Naturbleistiften, Papiertüten und echtem Porzellan. JANOSCH ist zur Kultmarke avanciert, und hat damit „...für einen bestimmten Zeitraum einen Identifikations-, einen Innovations- und einen Erlebniswert..., den ein Produkt mit einem anderen Namen, erfüllt es auch den gleichen Zweck, nie und nimmer haben kann" (MÜLLER 1997, S.154). JANOSCH - Produkte sollen „Freunde fürs Leben" werden. Ob sie es schaffen, den Kultstatus über die Jahre zu erhalten, bleibt fraglich. Die aggressiven Werbestrategien dieses Jahres mit Verkaufsständen in nahezu allen größeren Geschäften und die enorme Ausweitung der Produktpalette verheißen im Moment noch Erfolg, die Exklusivität, die Kinder in ihren eigenen Moden und Stilen suchen, ist damit aber nicht mehr gegeben. Die Ausweitung der Produktpalette auf Erwachsenenprodukte schafft zwar einen größeren Käuferpool, könnte aber durchaus dazu führen, daß Tigerente und Co. bei Kindern sehr schnell „mega out" sind. Sie dienen den Kindern auch zur Abgrenzung ihrer Welt gegenüber Jugendlichen und Erwachsenen. Sind die Produkte nicht mehr ausschließlich für sie, verlegen sie sich schnell auf ein anderes Emblem oder Logo. Durch die aggressive Expansion der JANOSCH - Produktpalette wurde außerdem der „Mode" - Charakter unterstützt, der „Longseller - Effekt" leidet unter der Dynamik, der Moden und Stile ausgesetzt sind. Zuviel Produktpräsenz läßt ein Produkt, einen Namen oder Emblem schnell veralten, und da bei JANOSCH die Produktpalette nahezu ausgereizt ist und sich auch hinsichtlich der Produkt Neugestaltung nicht viel ändern läßt, ist es fraglich, wann der Abwärtstrend einsetzt. Außerdem haben die JANOSCH - Figuren, dieses Jahr prominente (Schein)konkurrenzin Form der guten alten „Maus" aus den „Lach- und Sachgeschichten" bekommen. Anläßlich des 26jährigen Fernsehjubiläums startete eine ungeheure Werbekampagne und so stehen „Maus, Elefant und Ente" mit einer ähnlichen Produktpalette, im eigenen Verkaufsstand momentan neben „kleinem Tiger", „kleinem Bär" und „Tigerente" in den Geschäften und Kaufhäusern. Auf dem Markt für Erwachsenenprodukte haben sich Maus und Co. bisher nur bis zu den Socken und Herren - Boxershorts vorgewagt. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten konkurrieren die „ Sendung mit der Maus Figuren" nur scheinbar mit den Figuren von JANOSCH, da der Gewinn in nahezu die gleichen Kanäle fließt. Bezüglich der Sympathie und Aufmerksamkeit der Kunden aber stehen sie aufgrund ihres ähnlichen Images durchaus im Konkurrenzverhältnis. Die Geschichten um die Figuren entstammen der gleichen Zeit, die heutige Elterngeneration wuchs schon mit der „Sendung mit der Maus" auf. Auch sie steht für Beständigkeit, erinnert an die eigene Kindheit, Freundschaft und kindliches Autonomiestreben. Resümierend läßt sich befürchten, daß die Marke JANOSCH, die wie alle anderen Marken und Ikonen der Medien- und Konsumwelt der Dynamik des Marktes ausgesetzt ist, vom Sog des ewig Neuen mitgerissen wird. Die nächsten Trends und Kinderkulte stehen schon in den Startlöchern. 3. Die Konstruktion der Wirklichkeit - Kinder gestalten ihre eigene Kultur Die Medien- und Konsumwelt, in der Kinder heute aufwachsen, die Fülle und Allgegenwart von medialen Angeboten und Waren für Kinder in ihrer virtuellen Ästhetik, sprechen für Verführung, die ausgefeilten Werbestrategien für Manipulation und für das planvolle Ausnutzen des noch unerfahrenen und gutgläubigen Kindes mit seinen unerfüllten Bedürfnissen. So ging denn auch die medienpädagogische Forschung zunächst lange von einem kommunikativen Imperativ der Medienwirkung in der Tradition von Marshall Mc Luhan aus. Der Wirkungsbegriff als solches ist deterministisch zu einseitig verwendet worden, dem Rezipienten wurde lange Passivität unterstellt. Erst mit dem Nutzenansatz vollzog sich die längst notwendige Hinwendung zum aktiven Mediennutzer, der Medieninhalte nach persönlichen Vorlieben auswählt und konsumiert. Auch dieser Ansatz war zu mechanistisch angelegt, bleiben doch sowohl die interaktiven Komponenten des Mediums als auch die sozialökologische Einbindung des Rezipienten außer acht. Die Polarität von gesellschaftlichen Massenfolien und Erlebnis Inszenierungswelten von Medien und Konsum, wie auch die gegenläufigen Tendenzen der Individualisierungsprozesse in sozialen Kleingruppen müssen von Kindern heute zu einer persönlichen Identität vereint werden (vgl. TIETZE /ROSSBACH 1993, S.66). Dabei differieren und wechseln die Anforderungen und sinnstiftenden Angebote der medialen und gesellschaftlichen Umwelt so immens, daß die Identitätsfindung, die individuelle Verortung in der Gesellschaft nur noch mit Mühe zu bewältigen ist . Medien und Kulturwaren für Kinder dienen der Orientierung, der Verortung in der Gesellschaft der Gleichaltrigen und Freunde und der gleichzeitigen Abgrenzung von den Erwachsenen und kleineren und größeren Kindern. Sie helfen sowohl bei der Bewältigung individueller Problemlagen in der Familie, als auch bei der im Entwicklungsprozeß notwendigen Bewältigung von Rollenanforderungen und Entwicklungsaufgaben. So muß Mediensozialisationsforschung heute sozialökologische Gesichtspunkte und situative Elemente, individuelle momentane Entwicklungslagen und generelle Entwicklungsaufgaben berücksichtigen. Dies bedeutet mehr denn je Interdisziplinarität und Methodenvielfalt, erfordert den Einbezug interpretativer, heuristischer Verfahren und eine Aufgabe der strengen Kausal - Empirie. Im Folgenden sollen unter besonderer Berücksichtigung der Methode der strukturanalytischen Rezeptionsanalyse von CHARLTON /NEUMANN-BRAUN u.a. zur Medien- und Werbekompetenzentwicklung (1995), sowie zu Medienkonsum und Identitätsentwicklung (1986; 1990) und der Arbeiten von HURRELMANN u.a. zur Lesesozialisation (1993) einige Faktoren herausgestellt werden, die den individuellen Umgang mit der Medienvielfalt und dem Kulturwarenmarkt für Kinder im Laufe der Identitätsentwicklung besonders beeinflussen. 3.1. Mediennutzungsgewohnheiten und das Vorbild der Eltern Die Familie, als Ort der primären Sozialisation mit den ersten Erfahrungen auf Beziehungs- und Dingebene und den primären Bezugspersonen als Vorbilder für eigenes Handeln, beinhaltet auch Medienhandeln als Teil des Alltagshandelns. Neben der Ausstattung mit und der Verfügbarkeit von Medien bestimmen familiale Nutzungsgewohnheiten die Einbettung des Mediengebrauchs in das Familiengeschehen, das „Erlernen von Alltagsroutinen (im Medienumgang, d. Verf.) und Muster kommunikativen Handelns" (HURRELMANN u.a.1993, S.85). Besonderheiten und Inkonsistenzen in der alltäglichen familialen Mediennutzung, wie etwa willkürliche, pädagogisch „verordnete" Restriktionen des kindlichen Mediengebrauchs, erzeugen Spannungen und Unsicherheitsgefühle bei Kindern. HURRELMANN (ebd, S.95ff.) konnte fünf Cluster unterschiedlicher familialer Mediennutzungsmuster finden. „Intensivnutzer vieler Medien" (23,5%) sind mit Medien sehr gut ausgestattet und zeigen sowohl häufiges und langes Lesen wie auch die intensive Nutzung der elektronischen Medien, besonders des Fernsehens. „Intensivnutzer von Büchern" (27%) zeigen ein selektives Medienverhalten. Sie bevorzugen Bücher und anspruchsvolle Zeitschriften und sehen kaum fern. Neben dem Lesen scheint in dieser Gruppe besonders das Musikhören eine wichtige Funktion zu haben. In dieser Gruppe sind die Eltern mit dem höchsten Bildungsniveau deutlich überrepräsentiert. „Intensivnutzer von Computermedien" (14%) nutzen andere Medien kaum und den Computer hauptsächlich zum Spielen. Die Ausstattung mit Printmedien ist stark unterdurchschnittlich, auch die elektronischen Medien, mit Ausnahme des Fernsehers, sind unterdurchschnittlich vorhanden und werden nicht sehr intensiv genutzt. Die Fernsehnutzung entspricht in etwa dem Gesamtdurchschnitt. „Durchschnittliche Mediennutzer" (23,5%) spiegeln in ihren Mediengewohnheiten in allen Bereichen etwa den Durchschnitt der Gesamtstichprobe, lediglich die tagesaktuellen Medien sind leicht überdurchschnittlich vertreten. Die Medienausstattung entspricht ebenfalls der Gesamtpopulation, desgleichen die Schichtzugehörigkeit. „Intensivnutzer weniger Medien" (12%) zeigen geringes Interresse am Buchlesen und bevorzugen das Fernsehen stark. Gelesen werden Tageszeitungen, Illustrierte und am häufigsten Heftchen - Romane. Die Medienausstattung ist eher begrenzt. Das untere Bildungsniveau ist deutlich überrepräsentiert und Eltern mit höherem Bildungsniveau fehlen in dieser Gruppe ganz. Den verschiedenen familialen Mediennutzungsmustern lassen sich die Kinder der untersuchten Familien der Tendenz nach zuordnen (Zuordnung nach Befragung der Mütter). Daraus läßt sich nun zunächst nur eine Orientierung der Kinder am elterlichen Medienverhalten festhalten, die noch der näheren Konkretisierung bedarf. Wie oben schon zu sehen, scheinen Schichtzugehörigkeit und Bildungsniveau mit bestimmten Nutzungsmustern und Präferenzen für bestimmte Medien konform zu gehen. Das Familieneinkommen korreliert deutlich mit der Anzahl der vorhandenen elektronischen Mediengeräte, während sich aber bei höherem Bildungsniveau und Schichtzugehörigkeit leicht negative Zusammenhänge erkennen lassen. Besonders auf Videorecorder (nur 39% besitzen einen, gegenüber rund 71% in der unteren Bildungsebene) und Kabelfernsehen (rund 32% gegenüber 55%) legen Familien mit höherem Bildungsniveau weniger Wert. Im Besitz von Büchern zeigen sich noch immer am deutlichsten soziale Statusunterschiede. Bildung und Schicht korrelieren hochsignifikant (p<.001) sowohl mit dem Buchbesitz der Familie insgesamt als auch mit dem Buchbesitz der Kinder. „Vor allem über die Bücherumwelt in den Familien drücken sich also unterschiedliche kulturelle und soziale Lebensbedingungen im Medienbereich für die Kinder tagtäglich wahrnehmbar aus" (HURRELMANN u.a. 1993, S.91). Das Medienverhalten der Kinder orientiert sich an den Medienpräferenzen der Eltern. Kinder von „Intensivnutzer(n) vieler Medien" nutzen ebenso intensiv und selbstverständlich eine breite Palette von Medien, wie ihre Eltern, Kinder von „Intensivnutzer(n) von Büchern" nutzen Bildschirmmedien vergleichsweise wenig und lesen dafür häufiger und mehr. Sie ahmen darin ihre Eltern nach, ebenso wie die Kinder der „Intensivnutzer von Computermedien", die eine Vorliebe für Computer und Telespiele entwickelt haben und relativ selten lesen. Innerhalb der familienimmanenten Nutzungsmuster spielt die soziale Einbindung des Mediengebrauchs eine Rolle für die Orientierung und das Medienverhalten der Kinder. Dies ist etwa die Gemeinsame Nutzung eines Mediums, der Zweck des Mediengebrauchs, etwa zur Information, Entspannung, Unterhaltung, oder aber als Kompensation, Ablenkung, Alltagsflucht. Das Gespräch über Medien, inhaltlich erzählend oder kritisierend, oder formal über die Medienmacher und über Intentionen von Medien sind wichtige Komponenten der Mediensozialisation. Die soziale Einbettung des Medienhandelns als Bestandteil von Alltagshandeln gestaltet sich nach allgemeinen Regeln des Zusammenlebens, der familialen Interaktion und Kommunikation und nach besonderen Familienthemen, die im Medienhandeln bewältigt werden. 3.2. Familienklima und familiale Kommunikation HURRELMANN konnte in ihrer Untersuchung zur Lesesozialisation unter Verwendung der Familienklima -Skalen des „Familiendiagnostischen Testsystems" (SCHNEEWIND u.a. 1985), vier Cluster unterschiedlicher Interaktions- und Kommunikationsmuster differenzieren. In Familien mit „integrationsschwacher Interaktions- und Kommunikationsstruktur"(31%) herrscht ein eher unverbindliches Beziehungsgefüge, ein lässiger, fast nachlässiger Umgang mit Regeln. Die familialen Rollen entbehren einer klaren Kontur, Rechte und Pflichten sind nicht genau festgelegt. Auf Kontrolle wird weitestgehend verzichtet, Leistungs- und Erfolgsorientierung sind nur schwach ausgeprägt und im Freizeitbereich erfolgt auch keine Integration der verschiedenen Interessen. Familien mit „freizeitaktive(r) Interaktions- und Kommunikationsstruktur mit hoher familialer Kohäsion" (27,6%) sind durch ein hohes Maß an gemeinschaftlichen Freizeitaktivitäten gekennzeichnet, bei gleichzeitig geringer Orientierung an Leistung und Erfolg. Familienregeln werden verbindlich aber solidarisch festgelegt und auf ihre Einhaltung wird geachtet. Insgesamt zeichnen sich Familien dieses Typs durch transparente, offene Interaktions- und Beziehungsstrukturen aus. Familien des Clusters „deutlich reglementierte Interaktions- und Kommunikationsstruktur mit Dominanz der Leistungsorientiertheit" (25,7%) sind überdurchschnittlich stark leistungs- und wettbewerbsorientiert. Familienregeln werden einseitig autoritativ festgelegt und nicht argumentativ ausgehandelt. Es finden sich klare Rollenvorgaben, von denen nicht abgewichen wird. Wenig Gemeinsamkeiten in der aktiven Freizeitgestaltung sind kennzeichnend. Der vierte Familientyp „rigide und interaktionsarme Familienstruktur mit schwacher familialer Kohäsion" (16,4%) ist vor allem durch ein sehr autoritäres Familienklima mit Sanktionstendenz bei unerwünschten Gefühlen, wie Ärger oder Kritik gekennzeichnet. Es wird fast gar nicht miteinander kommuniziert. Die Freizeit verbringen die Familienmitglieder getrennt. Der Einfluß der familialen Interaktions- und Kommunikationsmuster auf das Medienverhalten der Kinder ist sowohl intentionaler als auch funktionaler Natur. Die intentionale Einflußnahme geschieht etwa über familieninterne Vorstellungen und Regeln zum Medienverhalten, deren Einhaltung, je nach Offenheit unterschiedlich überprüft und sanktioniert werden. Hinsichtlich der Förderung des Leseverhaltens bei Kindern gestaltet sich „bewußte Leseerziehung" sehr schnell kontraproduktiv, wenn das Familienklima durch einen starken Leistungsund Anpassungsdruck geprägt ist. Auch autoritäre Strukturen behindern eher das Ausbilden vielfältiger Leseinteressen. Für die Entwicklung von Interesse und Freude am Lesen, scheint ein psychosozial „anregendes" und „positiv emotionales" Familienklima mit aktiver familialer Freizeitgestaltung förderlich zu sein. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Fernsehen. Kinder aus „freizeitaktiven" Familien sehen weniger fern als Kinder aus anderen Familien. Besonders rigide und autoritäre Familienstrukturen begünstigen dagegen das „Vielsehen" der Kinder. Dies liegt nicht nur in der Anregungsarmut dieses Familienklimas und im Vorbildhandeln der Eltern begründet, sondern vielmehr in der Funktion, die das Medium Fernsehen in diesen Familien hat. In Familien mit geringer Kohäsion und rigiden Kommunikationsstrukturen können familiale Probleme, Machtkämpfe einzelner Familienmitglieder, Autonomiebestrebungen oder Partnerprobleme, wie auch gesellschaftlich verursachte Probleme, soziale Randlage und Arbeitslosigkeit nicht artikuliert, besprochen, gelöst und verarbeitet werden. Fernsehen dient in solchen belasteten Familien der Lebensbewältigung, es hält die familiale Lage stabil. Nach CHARLTON (1986) ist Fernsehen in „Vielseher" - Familien oft das einzige gemeinsame Freizeitverhalten der Familie. Es dient sowohl der Ablenkung von der als ungerecht und bedrohlich erlebten gesellschaftlichen Realität, als auch dem Erleben von „Gemeinsamkeit" und Geborgenheit in einer sonst sehr disparaten Familiensituation. Welche Familienthemen genau im Medienkonsum bearbeitet werden, muß für jede Familie bestimmt werden. Dies läßt sich nur anhand einer genauen Situationsbeschreibung und Analyse der familialen Medienrezeption unter Erstellung einer Familienanamnese interpretativ leisten. Der Beitrag, den Medienhandeln als soziales Handeln zur Interaktion und Kommunikation im Alltag, der Familie, am Arbeitsplatz, in Kindergarten und Schule oder bei Freunden leistet, kann jeweils nur im konkreten Fall durch Evaluation der Familienthemen und der Analyse der individuellen Entwicklungsthemen im sozialen Kontext familialen Handelns aufgezeigt werden. Die von CHARLTON und NEUMANN-BRAUN (1886, 1995) entwickelte strukturanalytische Rezeptionsanalyse stellt ein Verfahren dar, welches es ermöglicht, das Medienhandeln in Zusammenhang mit kindlichen Entwicklungsthemen, die sich aus seinem körperlichen und geistigen Entwicklungsstand ergeben, und mit Familienthemen, Rollenerwartungen, Zusammenhalt oder Disparitäten und Konflikte zu bringen. 3.3. „Der kleine Tiger ist ganz stark" - Medienhandeln und Identität Kinder (Erwachsene natürlich auch) nutzen Medien „thematisch voreingenommen", d.h., sie picken sich Inhalte oder Identifikationsfiguren aus den sie umgebenden Medien heraus, die ihnen in ihrer momentanen Entwicklungssituation weiterhelfen. Die Auseinandersetzung mit den Figuren läßt sich steuern, das Kind kann die Rezeptionssituation aufsuchen, den Fernseher oder Kassettenrecorder beispielsweise ein und wenn nötig auch wieder abschalten. Wiedergabemedien ermöglichen eine Wiederholung der Geschichte, des Liedes oder des Filmes. Gerade Kinderängste vor Trennung und Verlassenwerden oder die Furcht vor der Außenwelt, Tieren und Dunkelheit werden in Geschichten und Filmen für Kinder thematisiert und bieten so dem Kind einen Spiegel der eigenen Situation. Sich im Medienhandeln auf die Angstauslöser einzulassen ist nicht so schwer und das wiederholte Bearbeiten der Angst - wichtig ist hierbei das „Happy End" der Geschichte - hilft dem Kind bei der Bewältigung der eigenen Ängste. Man denke etwa an die Geschichte von „Heidi", die in dramatischer Weise Kindheitsängste aufgreift und der Lösung zuführt. Der Symbolgehalt dieser Figur war es dann auch zu verdanken, daß die erste große deutsche Merchandising Kampagne ein voller Erfolg wurde (JENSEN/ROGGE 1980, S.13). Seither werden moderne Märchenhelden über Fernsehserien oder Filme mit Symbolgehalt für kindliche Entwicklungsaufgaben aufgeladen, die Kindheitswünsche, -konflikte und -ängste widerspiegeln. Die Symbolik der Medienhelden überträgt sich auf die Lizenzwaren. So steht der „Pumuckl" für frech sein, Angst haben und überwinden, und das Streben nach Autonomie. Die JANOSCH - Figuren „kleiner Bär" und „kleiner Tiger" für Autonomiebestreben, Freundschaft und Geborgenheit, der „kleine Tiger" darüber hinaus noch für Stärke. Die „Tigerente" symbolisiert die regressiven Tendenzen, das „immer Kind bleiben wollen und geborgen sein". Mediengeschichten und Figuren sowie die Kinderwelten der Spielzeugindustrie, erlauben das Ausleben von Wunschphantasien und geben Träumen vom „groß und stark sein" Raum, dienen der Kompensation anhand der eigenen, täglich erlebten Ohnmacht. Sie dienen der Darstellung alltäglicher oder latenter Konfliktsituationen mit den Eltern und erlauben während der ödipalen Krise ein gefahrloses Ausagieren von Haßgefühlen auf den gleichgeschlechtlichen Elternteil sowie das spielerische Einlassen auf die eigene Geschlechtsrolle. Das Hineinwachsen in die Welt erfordert ein schrittweises Hinaustreten aus der Geborgenheit der Familie, bringt den Konflikt zwischen erwünschter Autonomie und emotionaler Abhängigkeit. Seinen Platz in der Gemeinschaft der Gleichaltrigen und Freunde finden, den Erwartungen der anderen genügen, deren Anerkennung finden und seinen eigenen Standpunkt doch zu vertreten, ist eine schwere Aufgabe. Für das spielerische Ausprobieren und Erlernen von Interaktionskompetenz im Rollenhandeln, welches für die Geschlechtsrollen- und Altersrollenidentifikation wichtig ist, liefern Medien und Spielwaren Identifikationsfolien. In der klischeehaften Einfachheit der Prototypen der Kindermedien und Spielwaren zeigen sich gesellschaftliche Raster und Normvorstellungen, in klarer Dichotomie zwischen „gut und böse" und zwischen „männlich und weiblich", stellen „Heidi", „Biene Maja" oder „Knight Rider",„Barbie", „Masters of the Universe" und „Playmobil", ähnlich den früheren Märchen - und Kasperlfiguren, Richtschnüre für gesellschaftlich erwünschtes und unerwünschtes Verhalten dar und lassen doch Raum für Phantasie. Letzteres wird von Eltern und Pädagogen immer wieder angezweifelt, da die „Masters - Figuren", die „Barbie - Puppen" und andere Plastikfiguren so eindimensional angelegt sind, daß Kinder damit nur die in den Medien vorgegebenen Geschichten spielen können und schnell das Interesse daran verlieren. Durch eigene Beobachtung zumindest ließ sich diese Behauptung nicht bestätigen, im Gegenteil: für Kinder sind die Puppen nur Statisten, das Stück schreiben sie selber und wenn die eigene Choreographie keine anderen Möglichkeiten läßt, z.B. wenn nicht genügend Figuren vorhanden sind, so wird schon mal „Skeletor"(der Böse) zum Helfer von „H-Man" (dem Guten), der von einer Armee von Playmobilrittern gefangen genommen wurde. Auch der „Barbie - Puppe" wird bei Bedarf eine Punkfrisur verpasst, wenn das Spiel dies erfordert. Diese und ähnliche Szenen einer Instrumentalisierung und Zweckentfremdung der Spielfiguren ließ sich in der täglichen Arbeit mit Vor - und Grundschulkindern immer wieder beobachten. Von der Medien und Spielzeugindustrie werden permanent neue Helden oder Zubehör - Sets und Sekundärartikel für schon existierende Kinderwelten angepriesen und auf den Markt gebracht. Kinder sprechen auf die Verlockungen der bunten, schillernden und abenteuerlichen Werbung durchaus an und wollen möglichst viele von diesen Dingen besitzen. Dies entspricht der kindlichen Sammelleidenschaft und der Freude am Haben, aber auch am Mitreden und Herzeigen können, beneidet werden und tauschen. Medienprodukte und Spielzeugwelten, zunehmend auch Markenkleidung, dies haben die Kleinen den Erwachsenen längst abgeschaut, sind für Kinder ebenso Statussymbole, wie Markenkleidung und ein Auto der Marke „XYZ" für die Eltern. Sie dienen der Verortung in einer anonymen Massengesellschaft, in der das Subjekt in der Konstruktion persönlicher Identität zunehmend auf sich alleine gestellt ist. 3.4. Medienerfahrung und Werbekompetenz - der Umgang mit den Kinderwelten Wie gestaltet sich nun der kindliche Umgang mit den Produkten der sie umgebenden Medien und Spielzeugwelten, nach welchen Kriterien orientieren sich Kinder im Dschungel der Angebote, lassen sich verführen und manipulieren oder drehen den Spieß um und nutzen die Vielfalt zur Selbstdarstellung und zur Abgrenzung ihrer „Kinderkultur" von Jugendlichen und Erwachsenen? Ein wichtiger Aspekt wurde schon angesprochen. Kinder nutzen Medien und Kinderwaren themengeleitet, zur Bearbeitung von persönlichen oder sozialen Entwicklungsaufgaben und „Krisen der Identitätsentwicklung" (vgl. Erikson 1974, S.55-122) und zur sozialen Verortung in der Gesellschaft. Die dazu benötigten Fähigkeiten werden im Zuge der Entwicklung im alltäglichen Gebrauch analog anderer Fähigkeiten erlernt und erweitert. Ebenfalls schon angesprochen wurde das Vorbild der Eltern, das beim Erlernen des Medienhandelns, wie auch im Umgang mit der materiellen Kultur eine wichtige Rolle spielt. 3.4.1. Medienrezeption als aktive Bedeutungskonstruktion Kinder erwerben im Laufe ihrer Entwicklung eine elaborierte Medienkompetenz, die es ihnen ermöglicht, verschiedene Genres des Gelesenen , Gehörten oder Gesehenen zu erkennen und inhaltlich zu interpretieren. Dabei läuft die Informationsverarbeitung in zwei Stufen ab und läßt sich als aktive Bedeutungskonstruktion bezeichnen. Das „bottom-up processing", die sensorische Informationsverarbeitung von auditiven und visuellen Reizen, läuft aufsteigend vom sensorischen Informationsspeicher über das Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis, während gleichzeitig das schematische Textverstehen („top-down processing") absteigend die Informationsaufnahme und -integration im Langzeitgedächtnis steuert. Zunehmende Übung im Umgang mit den Medien erleichtert die Zuordnung zu verschiedenen Konzepten und Formaten. Nach BORDWELL benötigt man vier grundlegende Schemata zum Verstehen von Filmhandlungen: „ein Kategorienschema zur Bestimmung von Formaten und Genres..., ein personenorientiertes Schema zum Verstehen von (Film-)Handlungsursachen" (BARTH 1993, S.20), ein Formatschema, das der Einordnung von verschiedenen Sendeformen anhand von bekannten Hinweisreizen dient und ein Narrationsschema, welches die Verbindung der einzelnen Szenen zu einer Geschichte ermöglicht und den Ausgang der Geschichte auch schon prospektiv erahnen läßt. Diese vier Verarbeitungsschemata bilden sich nicht gleichzeitig. Kinder im Vorschulalter verfügen bereits über Szenen- und Personenschema, d.h. sie können Intentionen und Motive der handelnden Personen erkennen und einfache Handlungsabläufe verstehen. Kurze Geschichten können von ihnen bereits als zusammenhängend erkannt werden, die Abgrenzung zu anderen Sendungen bleibt aber aufgrund des noch unzureichend entwickelten Narrationsschemas unzureichend, die Unterscheidung verschiedener Genres fragmentarisch und zufällig. Eine besondere Rolle für das Formatwissen spielt die Wiederholung bestimmter Genres. So können etwa Werbespots schon relativ früh und ohne elaboriertes Formatschema erkannt werden. Gleichzeitig sind gerade diese „Kurzgeschichten" für Vorschulkinder interessant, da sie von ihnen bereits als Ganzes verstanden werden können, während andere Sendungen fragmentarisch bleiben und ein Verstehen des Handlungszusammenhanges noch unmöglich scheint. Die konventionelle Spotwerbung ist für Kinder mit wachsender Fernseherfahrung nur interessant, wenn sie abwechslungsreich und lustig gemacht ist. Lediglich Kinder im Vorschulalter blicken noch nicht hinter die Kulissen der Werbemacher und halten Werbung für realistisch. Ältere Kinder lehnen die Intentionen von Werbung, das dahinter verborgene Verkaufsinteresse, strikt ab, lassen sich aber gerne von Werbung unterhalten, wenn sie ansprechend und actionreich gemacht ist. Im Grundschulalter differenzieren sich die Schemata weiter aus, besonders Narrations- und Formatschema, die für das Verstehen komplexerer Handlungsabläufe, für die Dramaturgie der Handlung sowie für die Einschätzung des Realitätsgehaltes einer Geschichte nötig sind, strukturieren sich. Aber auch das Personenschema erfährt durch die zunehmende Fähigkeit der wechselseitigen Perspektivenübernahme eine bedeutende Erweiterung, die es dem Kind ermöglicht, hinter die Kulissen zu blicken, die Intentionen der „Filmemacher" und die Trennung von Schauspieler und Rolle zu erkennen. Mit der Fähigkeit zur reziproken Perspektivenkoordination ist erst ab dem 11. Lebensjahr zu rechnen. Die Fähigkeit zur Reziprozität, zur gegenseitigen Perspektivenübernahme, und damit das Erkennen „der Rollenhaftigkeit und Normativität sozialen Handelns" (CHARLTON /NEUMANN 1986, S.41) befähigt zur Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs. Diese sich im alltäglichen Medienumgang entwickelnden Schemata des Fernsehverständnisses gestalten sich je nach den allgemeinen Kontextbedingungen, der gesellschaftlichen und kulturellen Verortung der Familie und damit nach allgemeinen familialen Interaktionsregeln und Normen, Einstellungen, Stereotypen und Überzeugungen. Daneben spielen persönliche, situationsspezifische Erfahrungen eine Rolle. 3.4.2. Werbekompetenz- die Orientierung im Schlaraffenland Eng mit der hauptsächlich altersabhängigen Entwicklung von Fernsehfähigkeiten hängt die Entwicklung von Werbekompetenz und damit die Orientierung in der umgebenden Konsumsphäre zusammen. Von Werbekompetenz läßt sich nach CHARLTON /NEUMANN-BRAUN u.a. (1995) erst sprechen, wenn Spot- und Non- Spotwerbung vom Programm unterschieden werden kann, wenn die Hintergründe von Werbung kognitiv realisiert werden können und sobald ein Kind versteht, wie Werbung entsteht, welche Interessen Industrie, Werbemacher und Medien an Werbung haben und was sie bezwecken wollen. 3.4.2.1.Verstehen und Erkennen von Spotwerbung. Bereits das Erkennen von Spotwerbung ist zumindest bei Vorschulkindern (4-6 Jahre) nur für drei Viertel der Kinder möglich. Auch ältere Kinder haben Mühe, Werbung unabhängig vom Format zu identifizieren. „Knapp die Hälfte der Grundschüler und immer noch ein Drittel der Sekundarstufen - Schüler war nicht in der Lage, Werbung unabhängig vom Format zu erkennen" (CHARLTON /NEUMANN-BRAUN u.a.1993, Bd.2, S. 265). Besonders der Übergang von Werbung zu nachfolgenden Trailern und Eigenwerbung der Sender enthält oft keine Formathinweise wie Inserts oder Logos. Auch durch die Verwendung inhaltlicher Elemente von Kindersendungen in Werbespots, wie Zeichentrickfiguren, Nestle wirbt beispielsweise mit den Disney - Figuren, wird den Kindern die Unterscheidung von Programm und Werbung erschwert. Non Spot - Werbung, wie Bartering oder Sponsoring, oder die verschiedenen Formen des Product - Placement können von Kindern mangels Kennzeichnung kaum erkannt werden. Nur eine ganz kleine Minderheit der Kinder unter 14 Jahren erkennt den Einfluß der Werbung auf das eigene Kaufverhalten. So erkennen Kinder zwar die Intentionen von Werbung schon sehr früh, sie fühlen sich aber erst ab etwa dem 11.Lebensjahr von Werbung persönlich angesprochen. Und sie halten sich gleichzeitig für immun gegen die Einflüsse von Werbung auf ihr eigenes Kaufverhalten. Die Akzeptanz von Werbung sinkt mit dem Alter. So beurteilen sechsjährige Werbung noch überwiegend positiv - für sie steht Werbung für Unterhaltung - während 11-13jährige eine ablehnende Haltung gegenüber Werbung einnehmen. Die bewußt kritische Haltung gegenüber Werbung betrifft aber im wesentlichen die konventionelle Spotwerbung im Fernsehen, gut gemachte Lifestyle - Werbung - wie etwa von C & A für ihre „young collection" oder witzige Werbespots bleiben von der kritischen Haltung ebenso verschont wie die bereits erwähnte „below the line" Werbung. Bei der Begeisterung für bestimmte Produkte spielt der oben schon angesprochene Markenaspekt eine große Rolle. Kinder akzeptieren Werbung für die von ihnen favorisierten „InMarken" eher, weil sie sich in den darin gezeigten Lifestyle - Modellen und den zumeist kindlichen oder jugendlichen Protagonisten widerspiegeln können und darin eigene Träume bestätigt finden. Kinder benutzen Werbung, um sich zu informieren, was gerade „hipp" und „angesagt" ist, welche Hose „obercool" und welches Spiel „megageil" ist. Die Werbemacher wiederum versuchen, die sich bei den Kindern und Jugendlichen abzeichnenden Trends möglichst frühzeitig zu erfassen und daraus Produkt- oder Markenkampagnen zu entwickeln. Sie gehen dazu in die Kindergärten und Schulen, betreiben Markt- und Trendforschung über Sponsoring von Sportveranstaltungen und Verkehrserziehung, Sommerfeste und Theaterveranstaltungen. Und sie suchen sich unter den Gruppen der „Peers" die „Opinion Leader" heraus, statten sie mit den zu bewerbenden Produkten kostenlos aus und bezahlen sie für das Werben unter Freunden. Dies versuchte zum Beispiel der Sportartikelhersteller „Razor" aus München, der einen 13jährigen Jungen aus der „Rollerblader - Szene" unter Vertrag nahm, was ihm inzwischen per Gerichtsbeschluß untersagt wurde. Sogenannte „Trendscouts" aus der Kinder- und Jugendszene werden angeworben und mit Geschenken geködert. Sie geben regelmäßig Bericht über neue Trends und Informationen aus der Szene weiter an die Marktforschungsinstitute. Über Befragungen in Kinder- und Jugendzeitschriften BRAVO ist hier sicher die bekannteste - wird versucht, neue Trends aufzuspüren. Ebenfalls als Trendsetter für Kinder fungieren die Idole aus Film und Fernsehen und aus der Musikbranche. Sie werden von der Industrie gesponsort und bringen vom „Bayern München Schlafanzug" bis hin zu den „Gummibärchen von Haribo" alles an das Kind. Sie schaffen gesponsorte Modeund Stilrichtungen, wobei die Impulse dazu nicht unbedingt von der Industrie ausgehen. Hat zum Beispiel eine Pop - Gruppe einmal Erfolg, springt die Industrie erst auf den Zug auf, wenn er schon fährt und greift die stilistischen Ideen und das Image auf, um es zu vermarkten. So etwa geschehen, nach dem plötzlichen Erfolg der „Kelly Family" mit ihren bunten „Flohmarktklamotten Samtrock und Rüschenhemd", den langen Haaren und dem „Wir sind eine heile und glückliche Familie" - Image. Vorher hatte diese Gruppe mit eher mäßigem Erfolg über Jahre hinweg Musik gemacht, ohne zum Trendsetter zu werden. Trends sind als Spuren, als mögliche kollektive Projektionsflächen für elementare Wünsche und Träume immer schon latent vorhanden, bevor sie bewußt gesetzt und vermarktet werden. Wie aus so einer Spur letztendlich ein Trend wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Trendspur muß gefunden werden. Sie wird dies oft von Kindern und Jugendlichen, da diese sich in unserer hochkomplexen Welt mit unzähligen Angeboten orientieren und verorten müssen, d.h. sie müssen sich von anderen Altersgruppen und anderen Gleichaltrigen Gruppen abgrenzen und persönliche Identität über kollektive Identität herstellen. Diese Abgrenzung nach allen Seiten bei gleichzeitiger Orientierung an anderen gerät zu einer Suche nach einem „Wir - Gefühl", das für die Entwicklung einer persönlichen Identität heute, angesichts gesellschaftlicher und familiärer Strukturlosigkeit, unabdingbar ist. Das Setzen und Folgen von Trends dient der individuellen und sozialen Verortung in einer anonymen Massen - und Konsumgesellschaft. Es sichert ein Stück Individualität und Exklusivität bei gleichzeitiger Geborgenheit in der Gruppe. Das Trägermedium scheint zunächst nur eine untergeordnete Rolle für die Bekanntheit von Werbung zu spielen (vgl. BÖHM-KASPER /KOMMER 1997, S.180 ff.). Fernsehwerbung scheint aber eine Promoterfunktion für Werbung in anderen Medien zu übernehmen, d.h. Kinder erkennen die Produkte in Zeitschriften, auf Plakatflächen oder im Radio wieder. Werbung ist heute hauptsächlich Kampagnenwerbung. Somit wird das Produkt meist mit gleichen Personen und Szenerie gleichzeitig in verschiedenen Medien beworben. Die Werbung, die bei Kindern und Jugendlichen ankommen soll, verläßt sich aber heute immer weniger auf direkte Spotwerbung und verlegt sich neben der multimedialen Werbung auf Sponsoring, Bartering, Merchandising und Eventmarketing (s.o. oder VOLLBRECHT 1997, MÜLLER 1997). Diese Werbeformen sprechen Kinder und Jugendlichen besser an. Sie werden nicht so leicht als Werbung erkannt und versprechen Spaß, Unterhaltung und Action. 3.4.2.2. Der Einfluß der Bezugspersonen auf das Konsumhandeln der Kinder Die Vorbildfunktion der Eltern und deren Einstellung zu Werbung und Konsum hat einen bei weitem nicht so großen Einfluß auf das Konsumhandeln der Kinder wie vielleicht erwartet. Dies hängt vermutlich mit der eher undifferenzierten, dichotomen Haltung der Erwachsenen zusammen. Sie sind entweder für oder gegen Werbung, eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema Werbung in ihren verschiedenen Formen unterbleibt weitestgehend. Im Alltag wird zwar über Werbung gesprochen, dies läßt sich angesichts der Allgegenwart von Werbung und der Bedeutung von Konsum- und Markenprodukten in unserem Leben gar nicht mehr vermeiden, „eine kritische Diskussion und Betrachtung der Werbung tritt in Familien eher selten auf" (CHARLTON /NEUMANN-BRAUN u.a.1995, S.267). Je positiver die Einstellung der Eltern gegenüber Werbung ist, desto unbefangener wird in der Familie darüber gesprochen, was zwar die Memorierleistung der Kinder steigert, aber nicht unbedingt eine bessere Werbekompetenz zur Folge hat. Das Erkennen von „Below the line" - Werbung ist auch für Erwachsene nicht immer leicht, Werbung wird von ihnen noch vielfach mit Spotwerbung und Anzeigenwerbung gleichgesetzt, so daß von elaborierter Werbekompetenz auch bei ihnen nicht ausgegangen werden kann. Aber auch der kritische Umgang mit Werbung in den Familien, die zumeist weniger reflexive, sondern eher pauschal ablehnende Haltung gegenüber Werbung und Konsum, führt nicht unbedingt zu differenziertem Konsumverhalten. Kinder aus solchen Familien neigen - ebenso wie ihre Eltern dazu, das eigene Konsumhandeln als werbeunabhängig einzuschätzen, obwohl es das nicht ist. Sie geraten in einen Konflikt zwischen Leitbildern der Familie und dem Einfluß der Gleichaltrigengruppe, die die Werbung zur Untermauerung des eigenen Lebensgefühls nutzt. Der Einfluß der Eltern dagegen zeigt sich eher auf der Einstellungs- als auf der Handlungsebene. Mit zunehmendem Alter und steigender Konsumautonomie nimmt der Einfluß der Eltern auf die Kaufentscheidungen ihrer Kinder ohnehin ab, während der Einfluß der Gleichaltrigengruppe zunehmend handlungsrelevant wird. 4. Resümee und Ausblick Kinder sind heute, wie Erwachsene auch, gefordert, einen eigenen Lebensstil zu entwickeln und sich in einer Gesellschaft zu verorten, die ihnen eine Unzahl von Lebensstilangeboten in Form von Konsumartikeln macht. Sie wachsen nicht mehr in einem Schonraum mit klar definierten Rollen und Autoritäten, mit Tabuthemen, die nicht für Kinderohren und -augen bestimmt sind, auf. Sie können sich die ganze Welt via Fernseher und Computer ins Wohnzimmer holen und werden auch von den Erwachsenen mit persönlichen und globalen Zukunftsproblemen konfrontiert, d.h. sie nehmen zunehmend eine Partnerrolle in den Familien ein. Gleichzeitig nimmt auch das Geheimwissen und der Informationsvorsprung der Erwachsenen ab, kehrt sich in manchen Bereichen sogar um. So entwickeln Kinder heute durch das Heranwachsen in einer multimedialen Umgebung und Konsumwelt ganz andere Fähigkeiten. Es ist anzunehmen, daß Kinder sich in der Entwicklung und Ausdifferenzierung von Wahrnehmungs- und Denkstrukturen und im Erlernen von Handlungen an der veränderten Sozialisationsumgebung orientieren, d.h. sich über die Lernprozesse der Assimilation und Akkomodation (OERTER 1982, S.494f) an die neue Umgebung anpassen und sie in ihrem Sinne auch handelnd verändern. Dies bedeutet, daß Kinder sich ihre Kultur selbst mitgestalten. Sie nutzen die Angebote der Medien - und Konsumwelt zielgerichtet und themengeleitet auf ihrem Weg zu persönlicher und sozialer Identität. Kinder suchen sich Produkte aus der Vielfalt der Angebote aus, weil sie einen für ihr Alter und ihre Entwicklung und für ihre Stellung in der Gruppe der Gleichaltrigen wichtigen symbolischen Wert besitzen. Dieser Symbolwert verführt sie teilweise zu unkritischen Käufen von Billigwaren des Merchandising - Marktes oder auch teuren Markenprodukten. Das „Dazugehören", die Anerkennung der anderen, ist für Kinder heute, da ihnen die von Eltern und Gesellschaft angebotenen inneren Orientierungswerte nicht mehr so viel Halt und Orientierung geben, lebensnotwendig zur Herstellung von Ich-Identität. Die gleichaltrigen „Anderen" ersetzen das feste autoritäre Gefüge der bürgerlichen Familie in einer geschlossenen Klassengesellschaft mit seinen klar erkennbaren Regeln, Normen und Rollenvorgaben. Um in der Masse der Gleichaltrigen nicht unterzugehen und um sich nach allen Seiten abzugrenzen, bilden Kinder und Jugendliche Gruppen, Gangs und Subkulturen. Medien- und Konsumprodukte stellen Gemeinsamkeiten her und liefern Gesprächsstoff. Eigene Trends dienen der Profilierung und Selbstdarstellung. So setzen sie selbst Trends, greifen Moden und Lifestyle - Angebote der Medienund Konsumwelt auf und entwickeln sie weiter. Das Risiko der Industrie, mit einem Produkt nicht bei Kindern und Jugendlichen anzukommen, ist sehr hoch. Auch massive Werbekampagnen können einen totalen Flop nicht verhindern, wenn Kinder sich nicht darauf einlassen, weil ihnen das Produkt nicht gefällt oder gleichzeitig ein anderes eher ihren Bedürfnissen entspricht. So hatte - wie bereits angesprochen - der von WALT DISNEY mit riesigem Werbeaufwand in die Kinos gebrachte Film „Pocahontas" und damit auch die zahlreichen Lizenzprodukte keine Chance gegen den am gleichen Tag angelaufenen Film „Batman forever", was sich sogar auf die Kurse der Disney - Aktien auswirkte. Deshalb auch die umfangreiche und „Insider" - orientierte Markt- und Trendforschung der Industrie. Die Dynamik der Trends auf dem Medien- und Kulturwarenmarkt zwingt die Industrie und die Werbetreibenden auf der einen, aber auch die „Kids" auf der anderen Seite dazu, am Ball zu bleiben, um neue Trends nicht zu verschlafen. Bei aktuellen Trends liegen nicht mehr so sehr einzelne Produkte im Vordergrund, sondern zusammenhängende Produktketten, die um ein Erlebnisangebot herum gruppiert sind. „Event - Sponsoring" und andere Strategien der Erlebnisweltkonstruktion setzen auf die aktive Mitarbeit der Beworbenen (vgl. VOLLBRECHT, 1997, S.68). Auf die Freiheit der Wahl und Nutzung von Erlebnisangeboten macht BOLTZ aufmerksam. „Ein Erlebnisangebot läßt sich zwar kaufen; für das Erlebnis selbst sind wir aber immer noch selbst zuständig und verantwortlich" (BOLTZ zit. nach VOLLBRECHT, ebd.). Diese „Freiheit des Subjektes" beinhaltet die eigenverantwortliche Nutzung von Medien und Erlebnisangeboten. Die aktive Auseinandersetzung mit und die selbstverständliche Nutzung von Erlebnisangeboten scheint gerade Kindern kaum Schwierigkeiten zu bereiten, da sie von Anfang an spielerisch gelernt haben, mit diesen Angeboten als Teil ihrer Lebenswelt umzugehen. Dies bedeutet aber zunächst nur die Integration von Medien- und Konsumhandeln in kindliches Alltagshandeln und sagt noch nichts über die Autonomie des Medien- und Konsumhandelns von Kindern aus. Sie sind, solange ihre Handlungskompetenz noch nicht kritisch reflexives Hinterfragen von Werbestrategien ermöglicht, der Manipulation durch die Industrie in hohem Maße ausgesetzt, besonders seit sich diese auf „die kleinen Könige der Warenwelt" (MÜLLER 1997) als Markendurchsetzer und Trendsetter eingestellt hat. Das sehr selbstbewußte Auftreten der kleinen Konsumenten darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie anfällig für die verführerischen Angebote der Werbung sind. Ihre Handlungskompetenz ist neben dem altersabhängigen Entwicklungsstand immer abhängig von ihrer sozialen Lage und damit von der im Alltag erlebten Handlungskompetenz der Bezugspersonen. Da sich die ablehnende Haltung vieler Erwachsener gegenüber Medien, Werbung und Konsum eher pauschal und unreflektiert auf der Einstellungsebene niederschlägt und sie selbst der lockenden Versuchung nur allzu oft erliegen, unterschätzen auch Kinder den Einfluß der Werbung auf ihr eigenes Verhalten. Kinder und Jugendliche erheben Produkte zu „Kultmarken" und bedienen sich ihrer zur Imagepflege, sie leben damit aber nur den Markenfetischismus der sie umgebenden Massengesellschaft, dessen manipulativer Charakter auch den Erwachsenen oftmals nicht bewußt ist. So sollten Pädagogen wie Eltern im Erziehungsalltag zunächst ihr eigenes Medien- und Konsumhandeln kritisch beleuchten und transparent machen, um der Doppelmoral ein Ende zu bereiten und zu einer differenzierteren Einstellung zu gelangen. Dies würde auch bedeuten, Kindern und Jugendlichen altersentsprechend Kompetenz zuzugestehen und mit ihnen gemeinsam die Strukturen der Medien- und Kulturwarenindustrie zu entwirren, dahinter verborgene Interessen sichtbar und deren manipulative Tendenz bewußt zu machen. Bewußtsein und Transparenz können allerdings nur dann handlungsrelevant werden, wenn sie nicht zu große Diskrepanzen zwischen persönlichen Bedürfnissen und Handlungsoptionen schaffen. So dient das Schaffen einer virtuellen Realität aus Medien und Konsumwaren auch der notwendig gewordenen Stabilisierung der persönlichen und sozialen Identität angesichts anonymer Makrostrukturen einer Massengesellschaft, die soziale Ungleichheit biographisch definiert und gesellschaftliche Verantwortung auf das Individuum abschiebt, ohne reale Möglichkeiten der Verwirklichung von Lebenskonzepten zu bieten. Im Sinne einer pädagogischen Pragmatik, sollte daher der Unterstützung von identitätsstiftenden Prozessen bei Kindern und Jugendlichen und das Ernstnehmen und Achten ihrer eigenen Spielarten von Kinderkultur den Vorrang haben und ihnen die Zeit und die Freiheit zugestanden werden, sich eigene Strategien für das Leben im Schlaraffenland zu erwerben. Literaturverzeichnis: Abels, H./Link, U.: Identität im Lebenszyklus: Eine Einführung in die Theorie der psychosozialen Entwicklung nach Erik H. Erikson, Hagen 1989. Aries, Ph.: Geschichte der Kindheit, 6. Aufl., München 1984. Baacke, D.: Die 6- bis 12jährigen: Einführung in Probleme des Kindesalters, Weinheim und Basel 1984. Barthelmes, J. /Sander, E.: Von der Medienwirkungsforschung zur Medienalltagsforschung - Plädoyer für eine Erweiterung der Forschungsfragen, in: Deutsches Jugendistitut (Hrsg.): Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen, München 1888, S.45-57. Barthelmes, J /Sander, E: Familie und Medien. Forschungsergebnisse und kommentierte Auswahlbibliographie, München 1990. Barth, M.: Entwicklungsstufen des Kinderwerbeverständnisses - ein schemaund wissensbasiertes Modell, in: Charlton, M./ Neumann-Braun, K./ Aufenanger, S./Hoffmann-Riem, W. u.a.: Fernsehwerbung und Kinder: Das Werbeangebot in der Bundesrepublik Deutschland und seine Verarbeitung durch Kinder, Bd.2.: Rezeptionsanalyse und rechtliche Rahmenbedingungen, Opladen 1995. Baumgärtner, A. C. (Hrsg.): Literaturrezeption bei Kindern und Jugendlichen Baltmannsweiler 1982. Baumgärtner, A. C./Pleticha, H.(Hrsg.): Abc und Abenteuer - Texte und Dokumente des deutschen Kinder- und Jugendbuches, 2 Bände, München 1985. Baumgärtner, A. C./Schmidt,M.(Hrsg.): Text und Illustration im Kinder- und Jugendbuch, Würzburg 1991. Berger, P. L./Luckmann, Th.: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit; Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt am Main 1980. Bettelheim, B.: Kinder brauchen Bücher, Stuttgart 1982. Böhme-Dürr.: Schwierigkeiten bei der Erfassung von Mediennutzung und Medienbewertung, in: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): a.a.O., S.93-112. Böhm-Kasper, O./Kommer, S.: Kinder und Werbung; ausgewählte Ergebnisse eines Forschungsprojektes, in: Meister, D. M./ Sander, U. (Hrsg.): Kinderalltag und Werbung, Neuwied; Kriftel; Berlin 1997, S.125-135. Börsenverein des deutschen Buchhandels e.V. (Hrsg.): Buch und Buchhandel in Zahlen 1997, Frankfurt am Main 1997. Bonfadelli, H.: Lesen und Fernsehen - Lesen oder Fernsehen?, in: Franzmann, B. (Hrsg.): Auf den Schultern von Gutenberg: medienökologische Perspektiven der Fernsehgesellschaft, Berlin; München 1995, S.229-239. Charlton, M./ Neumann, K.. Medienkonsum und Lebensbewältigung in der Familie: Methode und Ergebnisse der strukturanalytischen Rezeptionsforschung - mit fünf Falldarstellungen, München; Weinheim 1986. Charlton, M.: Medienrezeption und Identitätsbildung: Kulturpsychologische und kultursoziologische Befunde zum Gebrauch von Massenmedien im Vorschulalter, Tübingen 1990. Charlton, M./ Neumann-Braun, K./ Aufenanger, S./ Hoffmann-Riem, W. u.a.: Fernsehwerbung und Kinder: Das Werbeangebot in der Bundesrepublik Deutschland und seine Verarbeitung durch Kinder, Bd.1: das Werbeangebot für Kinder im Fernsehen, Opladen 1995. Bd.2: Rezeptionsanalyse und rechtliche Rahmenbedingungen, Opladen 1995. Dahrendorf, M.: Jugendliteratur im gesellschaftlichen, literarischen und pädagogischen Bezugsfeld, in: Hurrelmann, B. (Hrsg.): Kinderliteratur und Rezeption: Beitrag der Kinderliteraturforschung zur literaturwissenschaftlichen Pragmatik, Baltmannsweiler 1980, S.142-192. Dippelhofer-Stiem, B.: Ökologie und Entwicklung, KE 1, Hagen 1989. Doderer, K.: Literarische Jugendkultur - Kulturelle und gesellschaftliche Aspekte der Kinder- und Jugendliteratur in Deutschland, Weinheim; München 1992. Eicke, U.: Die Werbelawine: Angriff auf unser Bewußtsein, München 1991. Eicke, U. /Eicke, W.: Medienkinder. Vom richtigen Umgang mit der Vielfalt, München 1994. Erikson, E. H.: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt am Main 1974. Fennick, J.: Barbie: ein farbiger Führer durch 40 Jahre Barbie - Geschichte, Augsburg 1996. Flemmer, W.: Verlage in Bayern, Pullach bei München 1974. Fritz, A.: Lesen im Medienumfeld: eine Studie zur Entwicklung und zum Verhalten von Lesern in der Mediengesellschaft auf der Basis von Sekundäranalysen zur Studie „Kommunikationsverhalten und Medien", Gütersloh 1991. Greenfield, P. M.: Kinder und neue Medien: die Wirkung von Fernsehen, Videospielen und Computern, München; Weinheim 1987. Grolle, J.: Alte und neue Medien oder: von der Gefährlichkeit des Lesens, Hamburg 1988. Grünewald, D.: Denk - Provokationen. Zu Funktion und Wirkung von Illustrationen im Kinder- und Jugendbuch, in: Baumgärtner, A. C./Schmidt, M.(Hrsg.): a.a.O., S.47-59. Hengst, H.: Kinder und Massenmedien, Heidelberg 1981. Hentig v., H. in: Aries, Ph.: Geschichte der Kindheit, 6. Aufl., München 1984, S.7-44. Hejl, P. M.: Gibt es eine Medienwirkung?, in: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): a.a.O., S. 59-72. Haug, W. F.: Werbung und Konsum, KE 1,Hagen 1981. Hültner, R.: Ein Versuch über das „Erlebnis", in: Zeitschrift Medien+Erziehung, München 3/1993, S.138ff. Huhn, D.: Zeitungen - Radio - Fernsehen: Ratgeber für emanzipatorischen Umgang mit den Medien, Köln 1990. Hurrelmann, B.: Kinderliteratur im sozialen Kontext: eine Rezeptionsanalyse am Beispiel schulischer Literaturverarbeitung, Weinheim und Basel 1982. Hurrelmann, B. u.a.: Lesesozialisation, Bd.1: Leseklima in der Familie, Gütersloh 1993. Hurrelmann, B.: Das Kind lebt nicht vom Buch allein, in: Raecke, R /Baumann, U.D.: Zwischen Bullerbü und Schewenborn; auf Spurensuche in 40 Jahren deutsch-sprachiger Kinder- und Jugendliteratur, München 1995, S.1-15. Janosch: Das große Panama Album, Weinheim und Basel 1984. Janosch: Die Fidelgrille und der Maulwurf, Zürich 1985. Janosch: Das Leben der Thiere, 4. Aufl., Weinheim und Basel 1988. Janosch: das Geheimnis des Herrn Josef, Weinheim und Basel 1990. Janosch. Der Mäusesherrif, 13.Aufl., München 1988. Janosch: Schnuddelgeschichten, 6. Aufl. München 1992. Janosch: Gastmahl auf Gomera, München 1997. Jensen, K./ Rogge, J.-U.: Der Medienmarkt für Kinder in der Bundesrepublik, Tübingen 1980. Keller, F.: Das Leseverhalten von Kindern in der Freizeit: eine empirische Untersuchung in den 4. Klassen einer Großstadt, Frankfurt am Main; Bern; New York 1986. Krappmann, L.: Soziologische Dimensionen der Identität: strukturelle Bedingungen für die Teilnahme an Interaktionsprozessen, 7. Aufl., Stuttgart 1988. Korte, H.: Einführung in die Geschichte der Soziologie, 2.Aufl., Opladen 1993. Krech/Crutchfield u.a.: Grundlagen der Psychologie, Bd.5, Weinheim 1992. Kübler,H.-D.: Überfluß und Überdruß: Firnis oder Essenz der bundesdeutschen Gesellschaft?, in: Zeitschrift Medien+Erziehung, München 3/1993, S.134 ff. Lesch, H.: Erlebniskultur - eine Tautologie, in: Zeitschrift Medien+Erziehung, a.a.O., S.142 ff. Link, U.: Gefährdungen für Identität heute - Zur Tragweite des Lebenszyklus Modells, Hagen 1990. Lück, H. E./Rippe, H.-J./Timaeus, E.: Einführung in die Psychologie, KE 1-3, Hagen 1884. Mahler, A. (verantwortl. Redakteur): Angriff auf das Monopol, in: Zeitschrift „Der Spiegel", NR.46 /1997, Hamburg 1997, S.122-124. Moser, H.: Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im Medienzeitalter, Opladen 1995. Müller, M.: Die kleinen Könige der Warenwelt; Kinder im Visier der Werbung, Frankfurt /Main; New York 1997. Neumann-Braun, K./ Erichsen, J. R.: Kommerzialisierte und mediatisierte Kindheit - eine aktuelle Bestandsaufnahme, in: Charlton, M./ Neumann-Braun, K./ Aufenanger, S./ Hoffmann-Riem, W. u.a.: a.a.O., Bd.1, S.21 - 45. Nickel, V.: Manipulation oder Marktkommunikation?, Kinder als Ansprechpartner der Wirtschaft, in: Meister, D. M./ Sander, U. (Hrsg.): a.a.O., S.125-135. Niemann, R.: Die Nutzung von Film- und Fernsehlizenzen im Konsumartikelmarkt für Kinder - Die Praxis des Merchandising, in: Meister, D. M./ Sander, U.(Hrsg): a.a.O., S.87-97. Noack, P./ Silbereisen, R.K./ Kastner, P.: Ökologie und Entwicklung, KE 3, Hagen 1989. Oerter, R.: Moderne Entwicklungspsychologie, 19. Aufl., Donauwörth1982. Opaschowski, H. W.: Medien, Mobilität und Massenkultur. Neue Märkte der Erlebnisindustrie oder verlorene Aufgabenfelder der Pädagogik, in: Zeitschrift für Pädagogik, 35. Beiheft, Weinheim und Basel 1996, S.143-170. Peetz, H. /Liesenhoff, D.(Hrsg.): 40 Jahre Deutscher Jugendliteraturpreis, München 1996. Postman,N.: Das Verschwinden der Kindheit. Frankfurt am Main 1987. Presser, H.: Johannes Gutenberg, Reinbeck bei Hamburg 1967. Richter, K.: Die andere Kinderwelt. Ein Blick ins Kinder- und Jugendbuch der DDR, in: Raecke, R/ Baumann, U. D.: a.a.O., S.29-46. Rogge, J.-U.: Heidi, PacMan und die Video - Zombies. Die Medienfreunde der Kinder und das Unbehagen der Eltern, Reinbek bei Hamburg 1985. Rogge, J.-U.: Kinder können fernsehen. Vom sinnvollen Umgang mit dem Medium Reinbeck bei Hamburg 1990. Rogge, J.-U.: Terminal-Junkie und Computer-Autismus - Gruselkabinett der 80er Jahre, in: Medien + Erziehung, München 2/97, S. 95ff. Rouvel, C.: „Macht nichts, Leute, was wir erlebt haben, kann uns keiner nehmen" Von den Verwandlungen märchenhaft-phantastischer DDRKinderbücher, in: Raecke, R./Baumann, U. D.: a.a.O.,S.177-186. Sander, U./ Vollbrecht, R.: Kinder und Jugendliche im Medienzeitalter, Opladen 1987. Saxer, U.: Kommunikationsverhalten und Medien: Lesen in der modernen Gesellschaft, Gütersloh 1989. Saxer, U./ Bonfadelli, H.: Medien - Lebensstile: Lebensstilmodelle für die Freizeit Zürich 1995. Scheibe, W.: Die reformpädagogische Bewegung; eine einführende Darstellung, 10. Aufl., Weinheim; Basel 1994 Schmidbauer, M.: Der Markt der kommerziellen Kindermedien: eine Dokumentation, München; New York; London; Paris 1985. Schulze, G.: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt/Main; New York 6.Aufl. 1996. Spanhel, D. /Hotamanidis, St. (Hrsg.): Die Zukunft der Kindheit: die Verantwortung der Erwachsenen für das Kind in einer unheilen Welt, Weinheim 1988. Sturm, H.: Medienwirkungen auf Wahrnehmung, Emotion, Kognition - eine Grundlage für medienpädagogisches Handeln, in: Issing, L. J. (Hrsg.): Medienpädagogik im Informationszeitalter, Weinheim 1987, S.91-113. Tietze, W./Rossbach, H.-G.: Erfahrungsfelder in der frühen Kindheit: Bestandsaufnahme, Perspektiven, Freiburg im Breisgau 1993. Thiele, J.(Hrsg.): Bilderbücher entdecken. Untersuchungen, Materialien und Empfehlungen zum kritischen Gebrauch einer Buchgattung, Oldenburg 1985. Thiele, J.: Das Bilderbuch in der Medienwelt der Kinder, in: Paetzold, B./Erler, L. (Hrsg.): Bilderbücher im Blickpunkt verschiedener Wissenschaften und Fächer, Bamberg 1990, S. 68-91. Treibel, A.: Einführung in die soziologischen Theorien der Gegenwart, Opladen,1994. Vollbrecht, R.: Die Herausforderung der Medienforschung angesichts gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse - ein Plädoyer für medienökologische Ansätze, in: Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.): Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen, Weinheim und München 1988, S. 383 396. Vollbrecht, R.: „früher oder später kriegen wir euch doch..." Über Trendforschung, Sponsoring, Eventmarketing und die Konstruktion von Erlebniswelten, in: Meister, D. M. / Sander,U. (Hrsg.): a.a.O. S.62-75. Zeiher, H.: Organisation des Lebensraumes bei Großstadtkindern Einheitlichkeit oder Verinselung, in: Bertels, L./ Herlyn, U. (Hrsg.): Lebenslauf und Raumerfahrung Opladen 1990. Prospekte und Produktinformationen: Arbeitskreis für Jugendliteratur (Hrsg.): Das Buch der Jugend 1994/95 und 1996/97 München 1994 bzw.1996. BavariaSonor: Janosch - Produktliste- und Information über Lizenzen, Stand Nov.’97, Geiselgasteig 1997. Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.: Lesen ist Familiensache, Frankfurt am Main 1990. Bwd9 (München) (Hrsg.): YOU - Das Magazin für Kids, 1/1997, München 1997. Diogenes: Katalog 1997, Neuerscheinungen Juli - Dezember, Zürich 1997. Dtv junior: Gesamtverzeichnis mit den Neuerscheinungen April bis September 1997, München 1997. Erika Klopp Verlag: 1925-1995, Neuerscheinungen und Gesamtverzeichnis, München 1995. Erika Klopp Verlag: Frühjahr 1997 und Herbst 1997, Neuerscheinungen und Ge- samtverzeichnis, München 1997. Geobra Brandstätter: Spielwarenprospekt „playmobil" 1997. Hasbro Deutschland: Spielwarenprospekt „Play-Doh Knetwelt", Dietzenbach 1997. Heyne: Gesamtverzeichnis 1997, München 1997. Lego GmbH: Spielwarenprospekt „Lego" 1997. Mattel: Spielwarenprospekt „Fisher-Price" 1997. Mattel: Barbie - Journal, Frühjahr /Sommer 1997. Steuler Design: Janosch - Fliesenproduktlinie 1997, Mühlacker 1997.