Die Vernetzung von Kinderwelten und

Werbung
Wie kommt die Tigerente auf die Zahnbürste?
Die Vernetzung von Kinderwelten
und Medienverbund auf dem
Kinderbuchmarkt
Freie wissenschaftliche Arbeit zur Erlangung des Grades einer Magistra Artium
im Fachbereich Erziehungs-, Sozial- und Geisteswissenschaften der
Fernuniversität Gesamthochschule Hagen
Eingereicht von Doris Grimm
Starnberg, den 17.04.98
als zip-Datei
Gliederung:
1. Identität aus zweiter Hand ? - das Aufwachsen in einer mediatisierten und
kommerzialisierten Sozialisationsumwelt
1.1. Die Kommerzialisierung der Lebenswelt und das Kind als Kunde
1.1.1. Die Vielfalt des Angebotes
1.1.2. Die Ästhetik der Ware
1.1.3. Die Schauplätze der Konsumsphäre und die
Verinselung von Kinderräumen
1.2. Die Mediatisierung des Alltags
1.2.1. Mit Medien unter einem Dach - die Ausstattung
von Familien mit Medien
1.2.2. Mediennutzung von Kindern - bleibt noch Zeit
zum Lesen ?
1.2.3. Mediatisierung der Erfahrung
1.2.4. Verschwindet die Kindheit ?
1.3. Kinderwerbung im Medienverbund - der Schulterschluß mit der Industrie
1.4. Zusammenfassung
2. „Komm, wir finden einen Schatz !" - das Kinderbuch im Medienverbund und
der Lizenzwarenmarkt für Kinder
2.1. „Das gute Buch" - Kinderbücher zwischen Mythos und Realität
2.1.1. Von der
Gefährlichkeit des Lesens
- ein kurzer Ausflug in die
Geschichte der Kinderund Jugendliteratur vom
Mittelalter bis 1945
2.1.1.1. Die ersten zwei
Jahrhunderte, von
Gutenberg bis Comenius
2.1.1.2. Von den
Philantropen bis zum 20.
Jahrhundert
2.1.1.3. Von der
Jahrhundertwende bis
1945
2.1.2. Das Kinderbuch der
Gegenwart - kulturelle und
gesellschaftliche Aspekte
der Kinder- und
Jugendliteratur in der
Bundesrepublik
2.1.2.1. Der neue
Realismus in der
Kinderliteratur
2.1.2.2. Phantastische
Kinderliteratur
2.1.2.3. „Trivialliteratur" für
Kinder
2.2. Wie kommt die Tigerente auf die Zahnbürste? - Medienverbund und
Merchandising auf dem Kinderbuchmarkt
2.2.1. Der Kinderbuchmarkt
2.2.2. Das Kinderbuch im Medienverbund
2.2.3. Das Kinderbuch und die Lizenzwaren
2.2.4. Merchandising - die Tierfiguren von JANOSCH
als Ikonen der Kinderkultur
2.2.4.1. JANOSCH - vom
Graphiker zum
Markennamen
2.2.4.2. „ Oh, wie schön ist
Panama!" - die Prototypen
in den Kinderbüchern von
JANOSCH und
Wunschvorstellungen der
Gesellschaft
2.2.4.3. Tigerente und Co.
- Freunde fürs Leben?
3. Die Konstruktion der Wirklichkeit - Kinder gestalten ihre eigene Kultur
3.1. Mediennutzungsgewohnheiten und das Vorbild der Eltern
3.2. Familienklima und familiale Kommunikation
3.3. „Der kleine Tiger ist ganz stark" - Medienhandeln und Identität
3.4. Medienerfahrung und Werbekompetenz - der Umgang mit den Kinderwelten
3.4.1. Medienrezeption als aktive
Bedeutungskonstruktion
3.4.2. Werbekompetenz - die Orientierung im
Schlaraffenland
3.4.2.1. Verstehen und
Erkennen von
Spotwerbung
3.4.2.2. Der Einfluß der
Bezugspersonen auf das
Konsumhandeln der
Kinder
4. Resümee und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Identität aus zweiter Hand?- das Aufwachsen in einer mediatisierten und
kommerzialisierten Sozialisationsumwelt
Mit der historischen Entwicklung und den Strukturveränderungen von
Gesellschaften ändern sich zugleich die Sozialisationsbedingungen der
nachwachsenden Generationen. Dieser Zusammenhang erfordert es, will man
sich mit der Sozialisation und Identitätsentwicklung von Kindern heute
beschäftigen, über die Nahsysteme der Primär- und Sekundärsozialisation,
Elternhaus, Schule und „peers", hinaus zu blicken auf die Makrostrukturen einer
hoch komplexen, technisierten und kommerzialisierten Industriegesellschaft. Die
Industrialisierung durchdringt inzwischen nahezu alle Lebensbereiche. Sogar die
aus Rationalisierung und Technologieentwicklung in der Arbeitswelt
erwachsende Freizeit wird von einer „Freizeitindustrie" bedient, die mit immer
neuen Abenteuern und künstlichen Erlebniswelten lockt. Damit wird ein Bereich
vergesellschaftet, der traditionell der Familie vorbehalten war.
Der Organisation und Vermarktung der Freizeit, unter Orientierung an
Marktprinzipien wie Gewinnmaximierung, Geschwindigkeit und Konkurrenz,
kommt eine zunehmend sich verändernde individuelle Bedürfnisstruktur
entgegen. Die Grundbedürfnisse sind längst befriedigt, ein gewisser Wohlstand
ist erreicht, nun rücken Bedürfnisse nach Selbstverwirklichung, nach
persönlichem Profil, in den Vordergrund des Interesses. Dies um so mehr, als
der Prozeß der Individualisierung den Einzelnen aus den traditionellen
bürgerlichen Klassen- und Familienstrukturen herauslöst und ihm den Zwang zur
eigenen Biographie auferlegt. Diese Aufgabe, dem eigenen Leben eine Richtung
und einen Sinn zu verleihen, macht angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten an
Lebensstilmodellen orientierungslos, und damit anfällig für die Moden und
Lifestyle - Angebote der Konsum- und Freizeitindustrie.
„Erlebnisorientierung" (SCHULZE 1996), so ein neuer Terminus zur
Charakterisierung der momentanen Bedürfnislage unserer Gesellschaft, richtet
sich auf „...die Gestaltungsidee eines schönen, interessanten, subjektiv als
lohnend empfundenen Lebens" (ebd. S.37).
„Erlebnisorientierung richtet sich auf das Schöne" (ebd. S.39), auf das subjektiv
als schön Empfundene. Mit diesem Bedürfnis nach Schönem geht eine
„Ästhetisierung des Alltags" einher, das schöne und gesunde Aussehen wird
beim Menschen wie bei den Waren wichtiger als der Inhalt, nicht das Sein,
sondern das Design bestimmt das Bewußtsein. Das Erleben wird zum
Lebensinhalt, ein möglichst nicht abreißender Strom an Erlebnissituationen wird
aufgesucht, die Befriedigung hält immer kürzere Zeit, dann muß das nächste
Erlebnis her. Diese Dynamik der erlebnisorientierten Lebensweise führt zur
Erlebnishäufung im Zeitraffertempo, der Gewöhnungseffekt fordert immer
intensivere Erlebnisqualitäten. So werden die Achterbahnen immer rasanter und
gefährlicher, die Sportarten immer extremer, die Kinofilme noch reicher an Action
und schnellen Schnitten, die Moden und Lifestyle - Entwürfe noch bunter und
kurzlebiger.
Es schließt sich der Kreis. Das Interesse der Industrie an der Erschließung neuer
Märkte, durch Wecken und (Schein)-befriedigung von Bedürfnissen
korrespondiert mit einer an Konsum und Erlebnis orientierten Gesellschaft. Es
entsteht ein Erlebnismarkt, auf dem „...Erlebnisangebote gegen Geld und/oder
Aufmerksamkeit getauscht (werden)" (ebd. S.422). Dabei ist dieser unter
alltagsästhetischen Gesichtspunkten organisierte Erlebnismarkt in seiner
Dynamik „...nur aus dem Spannungsverhältnis von ästhetischem
Produktionsapparat und Publikum zu verstehen, in dem jede Seite die andere
beeinflußt" (ebd. S.423). Der letzte Satz verdeutlicht die aktive, wenn auch oft
unbewußte Rolle des Verbrauchers an der Gestaltung des Erlebnismarktes.
Der Erlebnismarkt produziert künstliche Erlebniswelten, das Hallenbad wird,
aufgepeppt durch Wasserrutschen, Palmen und Animationsprogramm, zum
Erlebnisbad. Ein Einkaufszentrum bietet Vorstellungen des örtlichen
Karnevalvereines oder eine Bademodenschau und lockt mit Hüpfburg und
Kinderclown. Die Ferien lassen sich in Freizeitparks verbringen, die vom
tropischen Badeparadies über diverse Sport- und Unterhaltungsprogramme für
die ganze Familie - Erlebnis rund um die Uhr - anbieten. Vergleicht man die
Angebote des Erlebnismarktes, so fällt auf, daß die Mehrzahl der
Erlebnisangebote an Familien mit Kindern oder an Kinder und Jugendliche direkt
gerichtet sind.
Hierbei stellt sich die Frage nach der unter alltagsästhetischen Gesichtspunkten
organisierten Kommerzialisierung der kindlichen Lebenswelt. Nur analytisch
trennbar, mit der Diskussion dieser Frage verbunden, ist die Mediatisierung des
Alltags, die über den Austausch von Informationen und in erster Linie über
Werbung, die Gestaltung von Angebot und Nachfrage auf dem Erlebnismarkt
erst ermöglicht und die Entstehung von Kinderwelten als Teil einer eigenen
Kinderkultur begünstigt.
1.1. Die Kommerzialisierung der Lebenswelt und das Kind als Kunde
Kindheit heute ist immer auch Konsumkindheit. Das Kind wächst in einer
Umgebung auf, die zumindest in der öffentlichen Sphäre nach
marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert ist. Es wird bereits als
Kleinkind mit einer kaum zu bewältigenden Produktfülle von Waren überschüttet.
Beim alltäglichen Supermarktbesuch mit den Eltern sieht es die schöne, bunte
Warenwelt mit großen Kinderaugen an und versucht auch bald sie zu erfassen.
Dementsprechend sind Kinderprodukte wie Süßigkeiten und Kleinspielwaren in
Augen - und Greifhöhe der Kleinen postiert. Besonders viel Zeit zum Erkunden
bleibt den Kindern dann während der erzwungenen Wartezeit an der Kasse,
beidseitig flankiert von Regalen mit Süßigkeiten. Im alltäglichen Kampf um
Kaugummis und Schokoladenriegel geben die genervten Eltern zumeist nach.
Kinder und Jugendliche sind für die Industrie zu einer marktwirtschaftlichen
Größe geworden, seit bekannt wurde, daß sie große Summen an Taschengeld
und sonstigen Geldmitteln zur freien Verfügung besitzen, 1993 etwa 5,6
Milliarden Mark mit steigender Tendenz. Darüber hinaus bestimmen sie noch
über die Einkäufe der Familie in der doppelten Höhe der persönlichen Geldmittel
mit. Besonders auf dem Spielwarenmarkt und bei der Unterhaltungselektronik
aber auch bei Lebensmitteln und alltäglichen Gebrauchsgütern weiß die
Industrie um den Einfluß der Kinder auf die Kaufentscheidungen der Familie.
Welche Komponenten kennzeichnen nun die Konsumwelt des Kindes?
1.1.1.Die Vielfalt des Angebotes
Einen beispielhaften Einblick für die unüberschaubare Produktfülle der auf
Kinder einstürmenden Warenwelten gibt die Spielwarenabteilung eines
Kaufhauses. Hier findet sich in der Puppenecke die konventionelle Babypuppe
neben der Künstlerpuppe, die singende oder sprechende Gliederpuppe neben
der „lebensecht -" trinkenden Babydoll, die in die Windeln machen kann. Zu all
diesen Puppen gibt es Kleidersets, Puppenwägen und -buggys, Betten, Geschirr
und sonst noch alles, was Puppenmütter brauchen, bis hin zu komplett
eingerichteten zwei Quadratmeter großen Küchen.
Es gibt Friseur- und Schminksalons mit Puppenköpfen zum Frisieren, Fönen und
Schminken. Und „last, but not least" die Welt der Barbie-Puppen, die bereits seit
über 30 Jahren die Mädchenherzen - gegen jede Kritik von Müttern und
Pädagogen immun - höher schlagen läßt.
Dieser eher für Mädchen gedachten Auswahl verschiedenster Puppen nebst
umfangreichem Zubehör stehen auf der Seite der Jungen Abenteuer Spielfiguren, H - Man und sein Gegner Skeletor oder die Indianer- und
Cowboyfiguren, Safari oder Feuerwehr und Polizei der Playmobil
Spielsortimente.
Daneben gibt es Baukastensysteme von Lego, Primo von 3-24 Monate, Duplo
für Kleinkinder und Legosteine ab dem Kindergartenalter. Anstelle der bis vor
wenigen Jahren üblichen Grund- und Aufbaukästen, sind Spezialsortimente zu
bestimmten Erlebnisthemen, wie Stadt, Schiffe, Western, Ufo getreten, deren
Steine so spezialisiert sind, daß sie nur noch dazu geeignet sind, das jeweilige
Raumfahrzeug, U- Boot, Ritterburg etc. aufzubauen. Das phantasievolle
Gestalten eigener Kreationen ist nur noch im begrenzten Umfang möglich, da
Grundbausteine in ausreichender Menge fehlen und die Spezialbausteine sich
nur eingeschränkt miteinander kombinieren lassen. Zum Aufbau benötigt man
zudem eine sehr komplizierte Bauanleitung, die archiviert werden muß, da ein
erneutes Aufbauen ohne sie völlig unmöglich ist. Das fertige Bauwerk /Fahrzeug
sollte möglichst aufgebaut bleiben oder separat in einer Schachtel gelagert
werden, damit keiner der kleinen Steine verloren geht oder sich alle Steine in
einer großen Kiste vermischen, aus der dann die einzelnen Bauteile mühevoll
herausgesucht werden müssen.
Der Trend auf dem Konsumwarenmarkt für Kinder führt hin zu kompletten
„Kinderwelten", die sich an den Erlebniswünschen der Kinder orientieren. Dabei
bleiben die Grundfiguren erhalten, lediglich das Zubehör ändert sich. Die so
entworfenen Spielzeugwelten müssen dabei „...an jene Gegenstände, Objekte,
Assoziationen, Träume, Symbole anknüpfen, die in der Nähe kindlicher
Alltagserfahrungen liegen"(JENSEN/ROGGE 1980, S.23), sonst werden sie,
trotz umfassender Werbekampagnen kaum beachtet und gekauft.
Die Lego - Welt, die Playmobil - Welt und die Barbie - Welt, um nur die
wichtigsten zu nennen, tragen die Bezeichnung „Welt", da hier versucht wird,
möglichst geschlossene, ganzheitliche Spielsysteme zu entwerfen, die die Welt
im Kleinen idealtypisch abbilden. Dies bedeutet keineswegs eine realistische
Abbildung der „Außenwelt", sondern eine stereotype und stark vereinfachte
„kleine heile Welt". Spielzeugwelten sind Bilderbuchwelten, romantische,
saubere, bürgerliche Klischeewelten.
Die klassischen und realitätsnahen Themenbereiche, wie Feuerwehr, Polizei,
Verkehr, Bauernhof, Zirkus werden ergänzt durch Phantasiethemen, wie
Zauberwald, Drachenturm, Pirateninsel, Indianer und Cowboys. Bei Lego
kommen noch die Raumfahrt- und die Unterwasserwelt dazu. Die Grundfiguren
entsprechen geschlechtstypischen Rollenklischees. So sind die Raumfahrer,
Feuerwehrleute, Mechaniker, Zugführer und Piraten bei den Playmobil - Figuren
alle männlich, Verkäufer, Betreuer im Kindergarten dagegen weiblich, lediglich
bei der Polizei finden sich inzwischen auch Polizistinnen. Daneben gibt es
sowohl von Playmobil wie auch von Lego seit einigen Jahren eine eigene
„Mädchenwelt" mit Puppenhaus, Einkaufsmarkt und Cafe, Kindergarten und
Spielplatz. Ganz gezielt wird hier versucht, in das rosa Reich der Barbie - Puppe
vorzustoßen, jenem „Longseller" unter den Anziehpuppen, die unangefochten
immer noch in jedem Mädchenzimmer in mehrfacher Ausfertigung zu finden ist.
Exkurs: Die Welt der Barbie
An der Barbie - Welt läßt sich exemplarisch gut zeigen, wie die
Spielzeugindustrie und die Medienindustrie Hand in Hand arbeiten um ein
Produkt zu vermarkten. Vor 39 Jahren, im Februar 1959, brachte der
Spielwarenhersteller Mattel in den U.S.A. eine „Teenager - Modepuppe"
(FENNICK 1996, S.6) auf den Markt, die es in sich hatte. Sie war äußerlich dem
Vorbild der schweizerischen „Bild - Lilly" nachempfunden und stellte das auf 25
cm verkleinerte Abbild der amerikanischen Traumfrau dar, mit weiblichen
Rundungen, wenn auch ziemlich realitätsfernen, ausgestattet und langem
blonden Haar. Barbie hatte von Anfang an jede Menge Zubehör, vor allem
Kleider, Schuhe und Taschen. Später kamen mehrere Häuser, Fahrzeuge, und
Tiere dazu. Bald bekam sie Ken, das Klischee des durchtrainierten,
gutaussehenden Amerikaners als Freund und Beschützer an die Seite gestellt.
Einige Freundinnen kamen mit der Zeit hinzu und sie bekam auch eine kleine
Schwester, Skipper mit Namen. So wie Barbie wollten alle kleinen Mädchen
später sein und vor allem aussehen. Und das sollten sie auch, denn Barbie
entsprach genau dem Frauenbild der 50er Jahre, lächelnd, wunderschön und
nur Augen für den Traumprinz. Noch bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre
hinein blieb die Barbie - Welt relativ klein. Barbie war zwar inzwischen in
typische Frauenberufe, wie Sekretärin oder Friseuse vorgedrungen. Die
Emanzipation der Frauen ab Mitte der 60er Jahre, die sich vor allem durch eine
bessere Ausbildung, aber auch in einem neuen Selbstbewußtsein der Frauen
zeigte, und besonders die Berufsrollen in der amerikanischen, wie in der
unseren, Gesellschaft veränderte, vollzog die Barbie - Puppe allerdings erst
ca.15 Jahre später nach. Für immer mehr Frauen wurde die Berufstätigkeit
selbstverständlich, sie drängten auch vermehrt an die Universitäten und mußten
zunehmend Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Gleichzeitig entwickelten
sie immer individuellere Lebenskonzepte und brachen althergebrachte
Familienstrukturen auf. In der Welt der Barbie aber blieb die bürgerliche,
geschlechtstereotype Rollenverteilung bis in die 80er Jahre hinein erhalten.
Die Barbie - Puppe eignet sich gut dafür, alle Trends mitzumachen. Der Puppe
ist es möglich in jedes Gewand zu schlüpfen, die Rollen sind austauschbar, das
Zubehör ändert sich. Damit wird die Puppe zum Trendsetter, der Themen aus
der Umgebung der Kinder aufgreift und darstellt. Die Barbie - Welt entspricht bis
ins Detail der glitzernden Konsum- und Medienwelt, die Kinder heute umgibt.
Marktorientierung heißt das Zauberwort nach dem Mattel, zugeschnitten auf die
kulturellen Gepflogenheiten des jeweiligen Landes, für die verschiedenen Barbie
- Produkte Lizenzen vergibt. Asiatische Puppen unterscheiden sich von
europäischen und südamerikanischen im Aussehen und im Zubehör. Figuren
aus Kinderfilmen und Fernsehserien, etwa die bei Kindern beliebte Serie „Bay Watch", werden vom Hersteller aufgegriffen und sofort gibt es die
Rettungsschwimmer - Barbie. Auf den Walt - Disney Film „Arielle, die kleine
Meerjungfrau" folgte eine Flut von Meerjungfrau - Puppen, unter anderem eine
„Zauber - Meerjungfrau - Barbie", die Seifenblasen machen kann.
Der Verbund verschiedener Medien ermöglicht ein Umwerben und Umgeben der
Kinder mit Barbie - Produkten von allen Seiten. Das Fernsehen zeigt Barbie
Werbespots, die Printmedien schalten Anzeigen in Kinderzeitschriften und legen
Werbeprospekte auf, die ähnlich wie Kinderzeitschriften aufgemacht sind. Es
existiert eine eigene Barbie - Zeitschrift, die monatlich erscheint und an jedem
Kiosk zu erwerben ist. Daneben gibt es auf Kassetten gezogene Abenteuer der
Barbie - Familie und Barbie - Bücher. Dazu stoßen noch Unmengen von
Lizenzprodukten, Taschen, Schulutensilien, Bettwäsche, Malbücher, Kleidung,
Kosmetik , um nur einige zu nennen.
Neben den angesprochenen Spielzeugwelten finden sich in den
Spielwarenabteilungen der Kaufhäuser und Fachgeschäften auch alle modernen
Variationen und elektronische Veredelungen klassischer Kinderspielwaren. Es
wimmelt nur so von „...Krümelmonster - Plüschtieren, fernlenkbaren
Flugzeugen,...Elektro - Go - Karts, Matchboxautos, Ernie - und - Bert Bodenpuzzles,...Schlachschiffmodellen aus dem 2. Weltkrieg..., Wandteppichen
mit bedruckten Mickey - Mouse- Figuren zum Selberknüpfen, lerndidaktisch
angepriesenen Tischspielen, die Verkehrserziehung oder
Konzentrationsförderung intendieren, Chemiebaukästen..., batteriebetriebene
Nähmaschinen, Telespielen, Laubsägegarnituren, Registrierkassen mit
elektronischer Digitalanzeige, Plasticolts mit elektronischer
Zündstreifenmechanik, Schach- und Übersetzungscomputern..."(KÖHLER zit. n.
BAACKE 1984, S.70).
Kinder scheinen sich in dieser für die meisten Erwachsenen oft verwirrenden
Produktfülle orientieren zu können, was ihnen einen Vorteil im Umgang mit der
Vielfalt verschafft. Wie Kinder sich in der glitzernden Vielfalt der Kinderwelten
zurechtfinden, nach welchen Kriterien sie Kaufentscheidungen treffen oder
verwerfen, wie sie mit der sie umgebenden Konsumwelt kommunizieren, ist
unter Punkt 3 eingehend zu beleuchten.
1.1.2. Die Ästhetik der Ware
Die Warenästhetik spielt eine zunehmende Rolle bei der Gestaltung neuer
Produkte. Abgehoben vom realen Gebrauchswert einer Ware, der sich bei vielen
Alltagsprodukten schon kaum mehr verändern läßt, so sind z.B. die Inhaltsstoffe
in allen Waschmitteln weitestgehend gleich, wird von den Warenproduzenten
versucht, dem Produkt ein Profil zu verleihen, damit es sich besser verkauft.
Diese Profilierung geschieht durch ein Anpassen der äußeren Produktmerkmale,
wie Farbe, Konsistenz, Geruch oder Verpackung an die sinnlichen Bedürfnisse
des Käufers. Die äußere Veränderung der Ware bewirkt „...die Auslösung des
subjektiven Gebrauchswertversprechens durch das objektive, die Erregung der
Sinnlichkeit des Käufers durch die Ästhetik der Ware" (HAUG 1981, S.77). Die
Warenästhetik entfaltet ihre eigene Dynamik, indem sie ausgehend von der
Sinnlichkeit des Käufers, dessen Bedürfnisse in Form gießt und damit leicht
verändert auf diese zurückwirkt. Es handelt sich hierbei nicht um individuelle,
sondern um generalisierte Bedürfnisse eines Käuferpools, der je nach
Produktzielgruppe unterschiedlich groß und verschieden strukturiert ist. Und
dennoch ist es wichtig für den Produzenten, möglichst genau die
Bedürfnisstruktur der potentiellen Käufergruppe zu analysieren, da „...diejenige
Erscheinung ...eher ankommen (wird), die intimer auf die Bedürfnisse des
Adressaten eingeht" (ebd. S.78). Dies nennt HAUG das Wirkungsgesetz der
Warenästhetik. Das so gestaltete Produkt kommt in den Handel und
Verkaufsanalysen geben Rückmeldung über den Erfolg. Änderungen im
Käuferverhalten werden registriert und in meist nur äußere Änderungen des
Produktes umgesetzt. Diese Eigendynamik der Warenästhetik hat sich in den
letzten Jahren zunehmend selbst überholt. Den Änderungen des
Käuferverhaltens wird durch eine ständige Neugestaltung eines Produktes und
die stetige Ausweitung bei gleichzeitiger Differenzierung der Produktpalette
vorgebeugt. Es wird gar nicht mehr abgewartet, bis sich ein Bedürfnis zeigt,
Bedürfnisse werden suggeriert und das auf die Befriedigung exakt
zugeschnittene Produkt wird gleich mitgeliefert.
Hält ein Produkt dann nicht das, was die „Mogelpackung" und die Werbung
versprechen, ist die Enttäuschung beim Käufer, besonders aber bei Kindern
groß.
1.1.3. Die Schauplätze der Konsumsphäre und die Verinselung von
Kinderräumen
Verstärkt wird der lebensweltliche Aspekt der Kommerzialisierung durch die
Konzentration und Verinselung von Kinderräumen. Bis vor etwa 25 Jahren
erweiterte sich der Aktionsradius eines Kindes mit zunehmendem Alter und
wachsender Selbständigkeit ungefähr in konzentrischen Kreisen um die
Wohnung der Familie. Die Welt des Kindes wurde größer blieb aber
überschaubar und zusammenhängend. Mit der Stadtplanung der 70er Jahre
einher ging die zunehmende Verlagerung von Gewerbe und Betrieben in
gesonderte Gewerbegebiete, die entfernt von den Wohngebieten meist am
Stadtrand angelegt wurden. Der Bauboom des subventionierten Wohnungsbaus
schuf gleichzeitig Hochhaus - Trabantenstädte auf der vormals grünen Wiese vor
den Toren der Stadt. Die Wege zur Arbeit und zum Einkaufen verlängerten sich,
ein eigenes Auto wurde obligatorisch, da besonders in den Anfangsjahren die
Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs nicht ausreichten. In diesen
Hochhausghettos, aber auch in den großen Reihenhaus - Siedlungen dieser Zeit
wurden die Einkaufsmöglichkeiten zentral angelegt. Einkaufszentren mit einer
Vielzahl von Kaufhäusern, Boutiquen, Supermärkten und
Einzelhandelsgeschäften, ergänzt um Cafes und Restaurants unter einem Dach,
entstanden. Sie entwickelten sich schnell zu Kommunikationsschwerpunkten,
besonders für Mütter mit kleinen Kindern und ältere Menschen, da sie oft neben
einigen sehr phantasielos angelegten Spielplätzen die einzigen Orte waren, an
denen man andere Menschen treffen konnte. Auch für ältere Kinder und
Jugendliche wurden die Einkaufszentren zum Treffpunkt und Spielplatz. Auf
Kinder übt die bunte Glitzerwelt der Einkaufszentren einen unwiderstehlichen
Reiz aus. Bereits in den 30er Jahren berichtete MARTHA MUCHOW in ihrer
Untersuchung „Der Lebensraum des Großstadtkindes" über Warenhäuser, die
den Kindern als Spielplatz dienten.
Je nach Alter beziehen sie jeweils andere Aspekte derselben räumlichen
Gegebenheiten in ihr Handeln mit ein. So dienen die Rolltreppen und Atrien den
Kindern eher zum Herumtoben und Fangen spielen während Sitzgruppen von
Jugendlichen in Besitz genommen werden und mehr dem Treffen mit
Gleichaltrigen und der vorsichtigen Annäherung an das andere Geschlecht
dienen. Einkaufszentren sind für Kinder und Jugendliche wichtige Orte des „so
tun als ob", des Probehandelns geworden. Sie spielen Einkaufen, suchen aus,
probieren an, überlegen, was sie sich kaufen könnten und möchten und
verpflegen sich selbständig an Fast - Food Ständen und Eisdielen.
Gleichzeitig haben die zur selben Zeit entstanden wenigen Abenteuerspielplätze
und pädagogisch betreuten Freizeiteinrichtungen Auslastungsprobleme. Sie
werden bei weitem nicht so gut angenommen wie von den Planern angedacht.
Ein wichtiger Grund liegt in der ständigen Aufsicht und Betreuung, der Kinder
nicht immer ausgesetzt sein wollen. Zudem sind Abenteuerspielplätze selten
zentral gelegen und damit zumindest für kleinere Kinder alleine nicht erreichbar.
Die kognitive Landkarte in den Köpfen der Kinder besteht heute aus über den
ganzen Stadtbereich verteilte Inseln, Spezialorte mit Zweckgebundenheit. In
ländlichen Gebieten ist zwar der unmittelbare Nahbereich noch nicht zerteilt,
spätestens aber mit Kindergarten und Schule beginnt die Verinselung auch hier.
Die Zerteilung des kindlichen Lebensraumes in zweckorientierte, voneinander
weit entfernte Orte, verändert die Mobilität besonders der kleineren Kinder bis
ins Grundschulalter. Sie sind auf die Eltern mit Auto angewiesen, um von einem
Ort zum anderen zu gelangen, und können sich alleine nicht mehr so leicht
orientieren. Die Verkehrsdichte erschwert den Kindern zudem ein gefahrloses
Erkunden des Lebensraumes. Für viele Kinder bleibt die oft auch noch zu kleine
Wohnung der einzige Ort, an dem sie ungestört spielen können. Treffen mit
Freunden sind spontan nicht möglich, jede Aktion bedarf der Abstimmung mit
den Eltern und muß in deren Zeitplan passen. Der vielfältige Mediengebrauch
und die mit Spielzeug aller Art vollgestopften Kinderzimmer sollen die fehlenden
Spiel - und Aktionsmöglichkeiten kompensieren und die Kinder beschäftigen. In
vielfältig bunten Plastikwelten sollen sie die Abenteuer „erleben", die ihnen in der
Realität oftmals versagt bleiben.
1.2. Die Mediatisierung des Alltags
Kindheit heute bedeutet immer auch zugleich Medienkindheit,
selbstverständliches Aufwachsen mit einer Vielzahl von unterschiedlichen
Medien. Wie unterscheiden sich verschiedene Familien in der Ausstattung mit
Medien und wie erlernen Kinder den Umgang mit der sie umgebenden
Medienwelt? Entwickeln sie bestimmte Routinen und Präferenzen im alltäglichen
Mediengebrauch?
1.2.1. Mit Medien unter einem Dach - die Ausstattung von Familien mit
Medien.
Die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Medien betrugen bei einer 4Personen Familie in den alten Bundesländern im Jahr1996, bei mittlerem
Familieneinkommen und Schicht 150,99 DM, bei höherem Einkommen und
Schicht 230,08 DM. In den neuen Bundesländern waren sie mit 136,62 DM und
166,09 DM (BÖRSENVEREIN DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS 1997, S.11)
etwas geringer. Sie betrugen etwa 20 % der monatlichen Ausgaben für
Freizeitgüter und liegen somit nach dem Urlaub (25%) an zweiter Stelle
(ebd.S.12). Die mittlerweile sehr umfassende Ausstattung der Haushalte mit
Medien bildet das Umfeld für Medienkonsum, fördert ihn und zeigt Präferenzen
der familialen Mediennutzung (vgl. HURRELMANN u.a. 1993, S.86 ff). Nahezu
alle Familien (98%) verfügen heute über mindestens ein Fernsehgerät,
mindestens ein Radiogerät (85,4%), dazu eine Hifi- Anlage (77,5%) und einen
Videorecorder (61,5%). Diese selbstverständliche „Grundausstattung" wird
ergänzt durch diverse Zweitgeräte, Fernseher finden sich ähnlich wie Radios
inzwischen auch in Küchen und Kinderzimmern. Immer mehr Kinder verfügen
schon im Vorschulalter über einen eigenen CD- Player und Walkman (66,3%),
sowie über einen Kassettenrecorder (56,8%). Dazu kommen in den letzten
Jahren verstärkt eigene Fernseher und Computer (je 31,2%), sowie
Telespielgeräte nebst dazugehörender Software (46,7%).
An Printmedien besitzen Kinder zu 45% Kinderzeitschriften und verfügen über
jede Menge eigene (im Durchschnitt 40) und geliehene Bücher. Comics und
Werbezeitschriften runden die Medienlandschaft der Kinder ab.
Trotz der inzwischen ähnlichen Grundausstattung der Haushalte mit Medien
lassen sich Unterschiede in der Medienausstattung von Kindern feststellen. So
wirken sich Schicht und Bildungsniveau der Familie dahingegend aus, daß
besonders bei den elektronischen Medien die Kinder unterer sozialer Schichten
überproportional gut ausgestattet sind: mit einem eigenen Computer zu 48,7%,
einem eigenem Fernseher zu 46,9 Prozent, und der Tendenz nach auch mit den
Speichermedien, Musik- und Videokassetten, sowie Telespielen. Dafür besitzen
diese Kinder weniger Bücher und in den Familien werden neben der
Fernsehzeitung hauptsächlich Boulevardblätter gelesen.
Im Gegensatz dazu legen Familien höherer Schichten und Bildung mehr Wert
auf Bücher, sie geben auch fast doppelt soviel für Bücher aus (durchschnittlich
58,43 DM monatlich gegenüber 29,57 DM), sowie auf regionale und
überregionale Tageszeitungen und Fachzeitschriften.
1.2.2. Mediennutzung von Kindern - bleibt noch Zeit zum Lesen ?
Die verschiedenen Medien sind so sehr mit dem Tagesablauf verwoben, daß oft
mehrere Medien gleichzeitig genutzt werden. Daher dürfen
Mediennutzungszeiten nicht einfach addiert werden, sondern müssen im
Gesamtzusammenhang der Nutzungssituation gesehen (vgl. HURRELMANN
1993; FRITZ 1991; SAXER 1989). Rein additive Werte sind daher oft zu hoch
und nur sehr begrenzt aussagefähig, da die synchrone Nutzung verschiedener
Medien nicht erfaßt wird. Darüber hinaus scheint die dem Begriff
„Nutzungsverhalten" immanente Aufmerksamkeitslenkung auf ein bestimmtes
Medium inzwischen durchaus diskussionwürdig. Sie scheint in den letzten
Jahren mit zunehmender „Alltäglichkeit" der Medienvielfalt nicht mehr unbedingt
gegeben. Die Zeiten, als sich die ganze Familie vor dem Fernseher
versammelte, Kinder sich dabei weder bewegen noch etwas sagen oder fragen
durften, sind längst vorbei. Das Fernsehen ergänzt mittlerweile das Radios als
klassisches Hintergrundmedium. Der Fernseher wird morgens zum Frühstück
(Frühstücksfernsehen) eingeschaltet und läuft dann den ganzen Tag nebenbei
mit. Dem inhaltlichen Geschehen wird nur noch sporadisch Aufmerksamkeit
gewidmet. Kinder klinken sich dann, wenn sie gerade Zeit und Lust haben, in
das Programm ein, zappen herum, bis sie eine Sendung finden , die ihnen
gefällt, schauen eine kurze Zeit und gehen nebenbei anderen Aktivitäten nach.
Neben dem Spielen oder Hausaufgaben erledigen laufen Musik- oder
Kinderkassetten. Einzig die plötzlich eintretende Stille läßt das Kind zum Gerät
eilen, um das Band zu wechseln. Wer wann, welchem Medium, wie lange seine
Aufmerksamkeit widmet, wird bei synchroner Mediennutzung immer schwierig
nachzuvollziehen sein. So bedürfen die „harten Zahlen der Empirie" der
Ergänzug durch qualitative Verfahren, etwa der genauen Beobachtung und
Analyse der situativen und individuellen Aspekte der Rezeptionssituation sowie
eine erklärende Befragungen der beteiligten Personen nach familialen
Mediennutzungsgewohnheiten.
Wieviel Zeit bleibt den Kindern bei der breiten Angebotspalette der Medien im
Haushalt und in den Kinderzimmern denn noch zum Lesen? Dies ist so
HURRELMANN im Zusammenhang mit dem Medienverhalten im
Medienverbund zu sehen (HURRELMANN u.a.1993). Die Besorgnis, die
Beschäftigung mit den „neuen" Medien würde auf Kosten der für Bücher
aufgewendeten Zeit gehen, läßt sich so nicht mehr halten, vielmehr ergänzen
sich verschiedene Medienaktivitäten gegenseitig.
So zeigte sich „..., daß der Anteil, den das Bücherlesen an der gesamten
Mediennutzungsdauer, die bei 9-11jährigen Kindern zwischen 165,7- und 227,1
Minuten täglich liegt, hat, von 6,7 Prozent...auf über 40 Prozent bei den „Viel Lesern" steigt, und damit gegenüber dem Fernsehen überwiegt" (ebd., S.94). So
haben die ausgesprochenen „Leseratten", die täglich mehr als 49 Minuten
schmökern, mit 227,1 Minuten auch die höchste Mediennutzungsdauer
insgesamt. Bei zunehmender Buchnutzungsdauer geht der Tendenz nach die
Dauer des Fernsehens zurück, aber „...dies (geschieht) nicht in gleichem
Maße..."(ebd., S.94). Festzustellen ist andererseits auch, daß Kinder, die sehr
wenig lesen (tägliche Buchlesedauer unter 16 Minuten), mit 114,3 Minuten
täglich überdurchschnittlich viel Fernsehen schauen.Dieses Ergebnis würde
durchaus für die „Verdrängungshypothese" sprechen.
Bei der Betrachtung der Gruppe von Kindern, die zwar nicht gerade als
Leseratten zu bezeichnen sind, aber dennoch täglich 31-49 Minuten lesen, wird
deutlich, daß auch diese Kinder mit 96,1 Minuten sehr viel fernsehen, was eher
für eine ergänzende intensive Nutzung der verschiedenen Medien spricht. Die
bisherigen Ergebnisse lassen aber weder an der „Verdrängungshypothese" noch
an der „Ergänzungshypothese" als ganz schlüssigem Nachweis für die Präferenz
eines Mediums auf Kosten der anderen Medien festhalten, vielmehr resümiert
HURRELMANN „...legen die Ergebnisse die Vermutung nahe, daß verschiedene
Kinder aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen in der Mediensozialisation
auch typische Nutzungsmuster entwickeln, die einmal mehr den Eindruck einer
Substitution von Medien und einmal mehr den der Ergänzung vermitteln." (ebd.,
S.94).
Die Entwicklung verschiedener Mediennutzungsmuster in Abhängigkeit von
familialem Umfeld und persönlichen Entwicklungsthemen wird unter Punkt 3.
ausführlich dargestellt.
1.2.3. Mediatisierung der Erfahrung
Ein Kind eignet sich seine Welt Schritt für Schritt an, in dem es seine
Erfahrungen mit ihr macht. Dies geschieht zunächst über den Mund, der es
befähigt, Hunger und Durst, Unwohlsein und Zufriedenheit auszudrücken,
Nahrung aufzunehmen. Der Mund und seine Stimme sichern die ersten
Außenkontakte. Nach und nach entwickelt sich das Begreifen der Umgebung als
nächster Schritt in die Welt. Noch lange wird aber jedes zu begreifende Ding in
den Mund gesteckt, um das mit den Händen Erfühlte abzusichern. Noch
Erwachsene kauen am Bleistift, wenn sie über einer schwierigen Aufgabe
brüten. Mit zunehmender Fähigkeit, die Muskeln koordinierend einzusetzen, um
etwas, was es gesehen hat, anzufassen, festzuhalten, loszulassen, und auch die
Beine zur Fortbewegung zu benutzen, erweitert das Kind seine
Erfahrungsmöglichkeiten. Gleichzeitig ermöglicht ihm, neben der
Ausdifferenzierung der kognitiven Strukturen, die zunehmende Beherrschung
der Mundmuskulatur, den Dingen einen Namen zu geben. Das Kind lernt ab dem
zweiten Lebensjahr, seiner dinglichen Umwelt, die es im sich differenzierenden
Gedächtnis als Abbild wiederfindet, Lautkombinationen zuzuordnen. Dies ist ein
revolutionärer Schritt in die Welt, da es nun möglich ist, immer umfassender mit
dieser Welt zu kommunizieren und darüber hinaus Erfahrungen mit der Welt in
Worte zu fassen, zu verbalisieren. Dieses Verbalisieren geschieht zunächst laut,
kleine Kinder benennen den ganzen Tag die Dinge und kommentieren ihr Tun,
fragen nach und vergewissern sich immer wieder, daß die Dinge noch den
gleichen Namen haben wie gestern. Sie strukturieren sich die Wirklichkeit
zunehmend neben den Bildern auch durch Begriffe, die Zusammenhänge
verstehbar machen. Daneben bleiben die Bilder als Repräsentationen von
Begriffen noch bis in das Schulalter hinein wichtig und auch die konkrete
Operation (vgl. OERTER 1982, S.453 ff), das Begreifen und Handeln zur
Erfassung neuer Sachverhalte, ist auch für Lernen im Grundschulalter noch sehr
eminent. Mit zunehmender Differenzierung der sprachlichen und kognitiven
Möglichkeiten werden die Bilder im Kopf abgelöst durch innere Verbalisierungen,
die es nun auch erlauben, aufgrund der bisher gemachten konkreten
Erfahrungen Regeln zu abstrahieren und neue Zusammenhänge zu schaffen,
logisch abstrakt zu synthetisieren.
Dieser kurz geschilderte normale Entwicklungsverlauf macht einige Probleme
deutlich, die sich durch die den Alltag von Kindern durchdringenden Medien
ergeben.
Primäre, dingliche Erfahrungen sind wichtig für eine Ausdifferenzierung der
Denkstruktur. Die Verfügbarkeit über verschiedene Medien ermöglicht es auch
schon kleinen Kindern, sich ein Bild von der großen Welt zu sich in die Wohnung
zu holen, sich beliebte Geschichten wieder und wieder anzuhören oder
anzusehen. Dabei wird die Aufmerksamkeit des Kindes von anderen Tätigkeiten
für basale Erfahrungen abgezogen. Der leichte Zugang zu den Medien
ermöglicht es dem Kind, sich selbst zu bedienen, es wird beschäftigt und muß
sich nicht selbst etwas ausdenken. Langeweile, die in Erfindungsgeist und
Selbstbeschäftigung mündet, entsteht erst gar nicht. Es lernt zwar besonders
über das Fernsehen, aber durchaus auch über Bücher ausschnittweise die
ganze Welt kennen, muß aber den bunten Bildern glauben, da es eigene
Erfahrungen aufgrund der Entfernung und eingeschränkter Mobilität nicht so
leicht machen kann. Dies bedeutet, daß die Bilder über ihre natürliche
Authentizität hinaus realitätsbildende Wirkung haben, die sie sich der
Überprüfung durch unmittelbare Erfahrung entzieht.
Andererseits liegt die durchschnittliche Fernsehdauer bei kleinen Kindern im
Durchschnitt nicht so hoch, daß der Spielraum der wichtigen Primärerfahrungen
ernsthaft eingegrenzt wird. Selbst in ausgesprochenen Vielseherfamilien müssen
andere Deprivationsfaktoren, wie eine zu kleine Wohnung in einer
kinderfeindlichen Hochhaussiedlung und wenig Außenkontakte dazukommen,
damit ein Kind in der Entwicklung differenzierter Denkstrukturen gestört wird.
Ein anderer Aspekt der medialen Erfahrungen scheint wichtiger, da sie die
Konstruktion von Wirklichkeit verändern. Besonders das Fernsehen aber auch
Bilderbücher, Werbebroschüren oder Comics arbeiten mit Bildern. Bilder wirken
anders als Worte primär. Sie existierten ontogenetisch vor den Worten im
Denken und werden daher eher für wahr befunden. Bilder erregen eher
Aufmerksamkeit und werden besser erinnert. Es wird dabei leicht übersehen,
daß Medienbilder gemacht werden, daß dahinter Absichten stecken.
Medienbilder stellen nur einen bearbeiteten Ausschnitt von Wirklichkeit dar, eine
„Botschaft" über die Wirklichkeit, die wir sehen sollen und dürfen. Mediatisierte
Erfahrungen vermitteln ein Scheinbild von Wirklichkeit nicht nur in Kinderköpfen,
denn auch Erwachsene können den Wahrheitsgehalt der meisten Bilder, die sie
durch die Bildmedien präsentiert bekommen, nicht überprüfen, da ihnen die
Kontextinformationen fehlen und da auch sie nur über eine sehr eingeschränkte
Mobilität verfügen. Das verzerrte Bild von Wirklichkeit in den Köpfen der
Menschen, besonders in den Köpfen der Kinder, kann überall dort geradegerückt
werden, wo es mit der Realität verglichen werden kann oder wo
Zusatzinformationen gegeben werden können, etwa über Gespräche mit den
Eltern. Meistens muß aber die unmittelbare Erfahrung die Botschaft des Bildes
entkräften, zum Beispiel bei Werbeversprechen. Aus gutgläubigen kleinen
Kunden werden dann, wenn das Spielzeug nicht hält, was die Werbung
verspricht, sehr schnell enttäuschte Kinder, die beschließen, den „Mistkram" auf
dem nächsten Flohmarkt zu verkaufen und nie wieder der Werbung zu glauben.
Die Abgleiche mit der Realität sind aber nur in Ansätzen möglich und so glaubt
das Kind in allen Bereichen, die seiner unmittelbaren Erfahrung entzogen sind,
zunächst den Bildern. Erst mit zunehmender Erfahrung mit den Bildmedien
entwickeln sich „Televiewing Skills", Routinen im Verstehen von Bildern und
Fernsehgeschichten abhängig von Medienerfahrung und Alter, die den
Wahrheitsgehalt von Bildern hinterfragbar machen. Besonders Kinder bis zum
Ende des Grundschulalters brauchen die Unterstützung von Erwachsenen für
die reflexive Analyse von Bildern. Auch die Zusammenhänge zwischen
einzelnen Bildern, die „Geschichte der Bilder" werden von Kindern erst etwa ab
dem Grundschulalter verstanden. Kleinere Kinder benötigen erklärende
Verbalisierungen als Verständnishilfe (vgl. STURM 1987, S.106).
Festzuhalten ist zunächst: Medienbilder stellen bearbeitete „Botschaften" über
Wirklichkeit dar, und dies kann besonders von Vorschulkindern aufgrund der
„Ikonographie des Bildes" und ihrer kognitiven Entwicklung nur selten erkannt
werden. Medienbilder haben somit einen Einfluß auf die Realitätskonstruktion
von Kindern und damit auch auf ihr Erleben und Handeln.
1.2.4. Verschwindet die Kindheit?
Der Pädagoge und Kulturkritiker NEIL POSTMAN wirbelte in der
medienpädagogischen Diskussion um veränderte Sozialisationsbedingungen
unter dem Einfluß von Massenmedien mit seiner These vom „ Verschwinden der
Kindheit" (POSTMAN 1979) viel Staub auf. Es soll seine durchaus
kulturpessimisstisch einseitige Betrachtungsweise des kulturellen Wandels,
besonders seine These vom Niedergang der Schriftkultur in der
Gegenwartskultur unter einigen Gesichtspunkten beleuchtet werden. Dies hat
seine Gründe. So umstritten und kontrovers seine Thesen in
Wissenschaftlerkreisen aufgenommen wurden, so verführerisch nachvollziehbar
haben sie sich in Eltern- und Erzieherköpfen breitgemacht und bestimmen
bewußt oder unbewußt den Medienumgang im Erziehungsalltag mit. Dies
bedeutet zu oft eine bewahrpädagogische Haltung, die an der Alltagsrealität von
Kindern vorbei, unkritisch das jeweils neueste Medium einseitig für die damit
verbundenen Mißbrauchsmöglichkeiten verurteilt, ohne die vorhandenen
Nutzungsmöglichkeiten für die kindliche Entwicklung und damit auch für
Erziehung und Unterricht zu sehen.
Nach POSTMAN leiteten elektronische Massenmedien, besonders das
Fernsehen ab 1950 eine „optische Revolution" ein. Das Bild als Information steht
für sich selbst und ist „...anders als der gesprochene oder geschriebene Satz
unwiderlegbar...und ... es muß keinerlei Plausibilitätsregeln und keiner Logik
genügen" (POSTMAN 1987, S.87). Daher bezeichnet er Bilder als „...in
kognitiver Hinsicht regressiv...,zumindest wenn man sie mit dem gedruckten
Wort vergleicht" (ebd. S.87). Bilder werden ganzheitlich erfasst, sind daher
ontogenetisch früher als Worte verständlich, das kindliche Denken entwickelt
sich vom konkret Bildhaften zum verbal Abstrakten (s.o.).
Fernsehen mit seiner „undifferenzierten Zugänglichkeit"(ebd. S.94) ist für
POSTMAN das Medium, das die Unterschiede zwischen Kindern und
Erwachsenen verschwinden läßt. Es steht nicht wie das gedruckte Wort „...als
wirksame Barriere zwischen dem Kind und dem Erwachsenen..." (POSTMAN
1987, S.92). Das Wissen der Welt sei früher für das Kind erst zugänglich
gewesen, nachdem es Lesen gelernt hatte. Dieser Umweg über das
Lesenlernen bliebe Kindern heute dank des Fernsehens erspart, was leider auch
bedeute, daß Kinder kaum noch Schutz vor den Schattenseiten der Kultur hätten
und mit einstmals tabuisierten Themen der Gesellschaft wie Sexualität und
Gewalt vorzeitig konfrontiert würden. Die Erwachsenen verlören ihren
Wissensvorsprung vor den Kindern und damit an Autorität und Kontrolle, die
durchaus auch zum Wohle des Kindes eingesetzt werden könne. POSTMAN
setzt sich für eine pädagogische „Scheinheiligkeit" (ebd. S.109) zum Schutz des
Kindes ein. Er kritisiert besonders die Anhäufung von „Sex and Crime" in den
Nachrichten - Shows und stellt die Frage: „In welchem Maße unterhöhlt die
Darstellung der Welt, so wie sie ist, den Glauben des Kindes an die Rationalität
der Erwachsenen, an die Möglichkeiten einer vernünftigen Weltordnung, an eine
hoffnungsvolle Zukunft?" (ebd. S.111). Aufgrund der elektronischen Bilderflut in
ihrer ikonenhaften Authentizität, die den Kindern eine Welt ohne Geheimnisse
zeige, gleiche sich die Kinderwelt der Erwachsenenwelt an. Gleichzeitig würden
die Erwachsenen, durch das Medium Fernsehen besonders durch die Werbung,
zu Kindern gemacht, die zur rechten Konsumhaltung erzogen werden müßten.
Das Fernsehen egalisiere das Publikum und versorge Jung wie Alt mit der
gleichen Unterhaltungskost, die von Jahr zu Jahr intellektuell anspruchsloser
würde. Die Schreib- und Lesefähigkeit von Erwachsenen nähme kontinuierlich
ab, konstatiert POSTMAN, ohne dies allerdings zu belegen.
Läßt sich, der Argumentation POSTMANS folgend, aufgrund der allgemeinen
Verfügbarkeit der elektronischen Medien und aufgrund der Egalisierung der
Zuschauer sowie der Trivialisierung des Fernsehens gleich vom Verschwinden
der Schriftkultur und damit vom Verschwinden der Kindheit als Moratorium und
Phase des Lernens sprechen?
Liegt der Argumentation POSTMAN’s nicht ein stark romantisch, idealistisches
Wunschbild von literaler Kindheit zugrunde?
Die tatsächliche Literalität in den bürgerlichen Familien und den Schulen des 19.
und beginnenden 20. Jahrhunderts war meistens nichts anderes als Sittenlehre
und gnadenloser Drill zur „grammatikalisch richtigen" Sprachbeherrschung.
Breiten Bevölkerungsschichten blieb darüber hinaus, zumindest in Deutschland
bis in die 20er Jahre hinein, ohne gemeinsame Grundschule und die Möglichkeit,
daran eine höhere Schule anzuschließen, und ohne schulbegleitete Ausbildung
jede Chance verwehrt, über einfache Lese- und Rechtschreibkenntnisse hinaus
zu elaborierter Literalität zu gelangen. Die Lese- und Schreibfähigkeiten des
„katholischen Arbeitermädchens vom Lande" besserten sich in der
Bundesrepublik erst mit den groß angelegten Förderprogrammen in Vor- und
Grundschule im Zuge der Bildungsreformen der 60er Jahre. Der
Literaturunterricht an Schulen läßt heute noch vielfach zu wünschen übrig, von
der Einfallslosigkeit und der Realitätsferne der Leselernfibeln ganz zu schweigen
(vgl. BETTELHEIM 1982). Darüber hinaus bestimmen ganz andere Faktoren,
wie etwa familiale Mediennutzungsmuster und individuelle
Entwicklungsaufgaben, den Mediengebrauch und die Präferenzen kindlicher
Mediennutzung.
Analphabetismus als vielschichtiges Problem sozialer Ungleichheit wird nicht
durch Fernsehkonsum verursacht und ist auch kein Gradmesser für den
Niedergang der Schriftkultur.
Dem Fernsehzuschauer unterstellt POSTMAN Passivität und Ausgeliefertsein,
insgesamt eine konsumistische Grundhaltung. Er orientiert sich darin noch ganz
an MC. LUHANS Imperativ und an der frühen Medienwirkungsforschung. Neuere
Ansätze einer sozialökologischen Medienforschung (vgl. VOLLBRECHT 1988,
S.383 ff; SAXER / BONFADELLI 1995; CHARLTON / NEUMANN-BRAUN 1986,
1995) gehen dagegen davon aus, daß Kinder „TV - literacy" (GREENFIELD
1987, S.10), Routinen im Erkennen und Einorden des Gesehenen mit
zunehmendem Alter und wachsender Fernseherfahrung erarbeiten und sich
Schemata des Fernsehverständnisses ausbilden. Sie sind keineswegs so passiv
und manipulierbar, wie von POSTMAN geschildert. Kinder nutzen Medienbilder
und Informationen zur aktiven Konstruktion ihrer Wirklichkeit.
Die Bereiche primärer Erfahrungsmöglichkeiten werden durch die objektiven
sozialökologischen Beschränkungen kindlicher Bewegungsräume immer weiter
eingeschränkt (s.o.) und so „...werden die Medieninhalte zu „Surrogaten" der
Primärerfahrungen" (BAUER /HENGST zit. n. LINK 1990, S. 73). Sie wirken
verbindend und Sinn stiftend in einer bruchstückhaften „ersten" Realität und
ergänzen diese, sie „...liefern Bezugspunkte, an denen man sich gut orientieren
kann" (LINK, ebd., S.73).
So können Medien Defizite an unmittelbaren Erfahrungsmöglichkeiten teilweise
kompensieren. Es ist sogar nötig, sich an Medieninformationen auszurichten, da
alle Informationen, die nicht unmittelbar zugänglich sind, in irgendeiner Weise
schon vorsortiert und bearbeitet sind. Theoretisch läßt sich über ein riesiges
Weltwissen verfügen, doch all diese Informationen sind mediatisiert. Lediglich
die Synthese der Informationen zu einer für den Einzelnen brauchbaren Aussage
bleibt ihm überlassen. Diese Fähigkeit, Informationen aus Medien herauszufiltern
und in ihren Lebenszusammenhang zu integrieren, müssen Kinder lernen.
POSTMAN ist durchaus zuzustimmen, daß das Fernsehen mit seiner „Totalität
der Bilder" oberflächlich nicht geeignet ist, die Ausbildung analytischer
Fähigkeiten als Voraussetzung für synthetische Denkprozesse zu fördern.
Gleichzeitig bietet aber gerade das Fernsehen durch seine vielen verschiedenen
Genres und Macharten die Möglichkeit, hinter die Kulissen zu sehen, die
Künstlichkeit des Gesehenen zu begreifen, Vergleiche zu ziehen, einzelne
Charaktere herauszulösen, dahinter liegende Absichten und Täuschungen zu
durchschauen. Dies gelingt entweder durch Vergleiche mit der „ersten" Realität
oder über Gespräche mit Eltern oder Freunden. Die auch schon von
Vorschulkindern verstandenen „Werbespots" werden sehr schnell als Täuschung
entlarvt, da die Produkte meistens nicht halten, was die Werbung verspricht.
Um nicht mißverstanden zu werden, Kinder reagieren höchst unterschiedlich auf
Fernsehen. Ihre zunächst ganzheitliche Wahrnehmung, die ihnen das Erfassen
von Bildern erleichtert, bedeutet auch, daß ihre Sinne manchmal überfordert
sind. Besonders rasante Schnittechniken und die Unterlegung mit lauter, schnell
pulsierender Musik, können besonders bei kleineren Kindern durchaus zu
Angstreaktionen führen (vgl. HERTHA STURM 1987, S.91 ff.). Der leichte und
uneingeschränkte Zugang zum Fernseher stellt tatsächlich ein Problem im
Erziehungsalltag dar, beinhaltet aber auch die Möglichkeit mit diesem
„Familienmitglied" gemeinsam aufzuwachsen und seinen Gebrauch zu lernen.
Es scheint auch Anzeichen dafür zu geben, daß das Fernsehen so
selbstverständlich geworden ist, daß es das Radio als Hintergrundmedium
ergänzt. Damit verbunden wäre auch ein gewisser Bedeutungsverlust, da
diesem Medium nicht mehr so viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, man hört und
sieht nicht mehr so konzentriert hin. Dies ist für das Verstehen von Fernsehen
fatal, da das Medium auf Bild und Ton aufgebaut ist. Wenn man nur noch im
Vorbeigehen hinhört und gelegentlich einen Blick auf das Geschehen wirft, kann
nicht allzuviel an Information hängenbleiben. Das Fernsehen, hat gerade durch
seine Alltäglichkeit und Trivialisierung einen Bedeutungsverlust erlitten. Es
unterstützt durch seine seichte Machart und dem uneingeschränkten Zugang
konsumorientierte Haltungen. Es wird konsumiert und instrumentalisiert, dient
immer mehr Menschen als bloßes Unterhaltungsmedium. Für Informationen
(hier: Nachrichten und Wissen im engeren Sinne) sind zunehmend Zeitungen
und Fachzeitschriften zuständig. Je oberflächlicher und banaler die
Fernsehinhalte werden und je „billiger" die Machart, desto mehr schwindet die
Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit. Problematisch wird dieser Rückgang an
Information nur für jene Menschen, die mangels Außenkontakten oder
Fähigkeiten auf das Fernsehen als Informationslieferant angewiesen sind, z.B.
für alte oder chronisch kranke Menschen, sowie für Menschen, die ihr gesamtes
Wissen bisher nur aus dem Fernsehen bezogen haben.
In den Vordergrund der Informationsbeschaffung treten heute andere
elektronische Medien, die globale Vernetzung von Computern ermöglicht es dem
Einzelnen, jede nur gewünschte Information zu erhalten und abzugeben. Der
Computer symbolisiert eher eine Symbiose der Bildkultur mit der Schriftkultur als
deren Verdrängung, ermöglicht er doch unendlich viele schriftliche und
graphische Gestaltungsmöglichkeiten. Die Bedienung wird durch laufende
Innovationen immer einfacher, dennoch benötigt jeder, der seinen Computer
nicht nur zum Spielen nutzen möchte, Lese- und Schreibkenntnisse als
„Basiskompetenzen" (vgl. HURRELMANN 1993, S.15ff).
Man könnte auch sagen, daß durch die Entwicklung der elektronischen Medien
ein Übermaß an „Wortgläubigkeit", Anhäufungen von abstraktem Buchwissen
ergänzt, und korrigiert wurde um Bilder, die den Worten zur Seite und
gegenübergestellt wurden. Die Konkurrenz der Bilder und Worte um die
Aufmerksamkeit und die Realitätsbildung des Menschen scheint eher fruchtbar
als zerstörerisch (vgl. BONFADELLI 1995, S.229ff). Bilder sagen zwar „mehr als
tausend Worte", regen aber dazu an, sie zu interpretieren und zu vergleichen,
wenn sie massenweise auftreten. Und dies geschieht über Worte. Bilder werden
zwar eher für wahr befunden, ihnen billigt man, ungeachtet ihrer „Künstlichkeit"
eher Authentizität zu. Sie lassen aber durchaus Interpretationsspielraum und
Platz für Phantasie. Sie liefern oft den Anfang einer Geschichte, den Aufhänger
für einen Gedanken. Ein Bild wird von unterschiedlichen Menschen
unterschiedlich gesehen. Es gibt neben den individuellen
Bildbewertungskriterien, etwa momentane Entwicklungslage, persönliche
Erfahrungen und Präferenzen, Tagesform, auch gesellschaftlich und kulturell
verbindende Kriterien. All diese Kriterien werden erlernt. Eine sinnvoll
pädagogische Unterstützung des kindlichen Medienhandelns kann nicht
geschehen, indem man die elektronischen Bildmedien als Wurzel allen Übels
verteufelt, sondern nur, indem man sie als Bestandteil der alltäglichen objektiven
Lernumwelt von Kindern begreift, ihnen den Umgang mit ihnen zeigt und sie
eigene Erfahrungen damit machen läßt. In dem man zuläßt, daß Kinder sich
Medien aneignen, und sie ihre spezifisch kindlichen Aneignungsformen
entwickeln und anwenden läßt.
Der von POSTMAN beobachtete Trend zur „Homogenisierung der Altersstufen"
(LINK 1990, S.73) ließe sich auch durch die strukturellen Veränderungen in
unserer Gesellschaft erklären, die durch den „Individualisierungsschub" der
Postmoderne die Menschen dazu zwingt, sich eine eigene Biographie zu
schaffen und sich gesellschaftlich zu verorten. Altersnormen und klar definierte
lebenslange Berufsrollen, wichtige Bestandteile von personaler Identität,
verlieren an Bedeutung in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit. Lebenslange
Flexibilität wird gefordert, die Zeit des Lernens und der Ausbildung beschränkt
sich nicht mehr auf Kindheit und Jugend. Gleichzeitig erhöht sich die Bedeutung
der sinnvollen Organisation von Freizeit. Die Grenzen zwischen den
Altersgruppen verschwimmen und die eigenen Eltern liefern nicht mehr so ein
klar umrissenes Bild davon, was „erwachsen sein" bedeutet. Kinder sind daher
gezwungen, sich und ihre „Kindheit" zunehmend selbst zu definieren, indem sie
die Grenzen zu den Jugendlichen und Erwachsenen ziehen. Dazu nutzen sie die
Angebote der sie umgebenden Konsum- und Medienwelt (s.u.). Und dies bringt
zwangsläufig eine Konfrontation der Kinder mit gesellschaftliche Tabuthemen
(wie Pornographie, Verbrechen, Krieg und Politik) mit sich, die Kinder ängstigen
und überfordern kann. Hier besteht pädagogischer Handlungsbedarf, wird die
Hilfe von Eltern und Erziehern benötigt, die auf dem schmalen Grat zwischen
Unterstützung und Bevormundung balancierend, erklärend und diskutierend und
durchaus auch einmal reglementierend eingreifen. Es gibt einen schönen Satz
von MARIA MONTESSORI: „Hilf mir, es selbst zu tun", der bedeutet, genau so
viel Unterstützung wie nötig zu geben und vor allem, ein Vorbild zu sein. Dies gilt
für den Umgang mit Medien und Konsumwaren ebenso, wie für Erziehung
überhaupt.
So läßt sich resümieren, daß derzeit noch nicht von einem Untergang der
Schriftkultur gesprochen werden kann, auch das abendländisch bürgerliche
Konstrukt „Kindheit" (vgl. ARIES 1984) ist noch nicht verschwunden. Er hat nur
eine individuelle Ausprägung erfahren, anders als früher könnte man heute eher
von Kindheiten sprechen, die auf einem breiten bürgerlichen Boden
individualistische Blüten treiben. Aber auch der Begriff der Bürgerlichkeit hat sich
verändert. Kindheit heute bedeutet mehr Emanzipation und Partizipation am
gesellschaftlichen Leben, die Möglichkeit und den Zwang zur frühen individuellen
Lebensgestaltung und manchmal Überforderung und die Qual der Wahl.
1.3. Kinderwerbung im Medienverbund - Der Schulterschluß mit der
Industrie
Die ungefähr zwölf Millionen in Deutschland lebenden Kinder zwischen fünf und
siebzehn Jahren werden von der Industrie massiv umworben. Sie sind die
„Skippies" - „School kids with income and purchasing power". Sie verfügen nach
einer Berechnung von NEUMANN-BRAUN und ERICHSEN über persönliche
Geldmittel, „... insgesamt über 5,6 Mrd. DM jährlich, die sich aus dem
Taschengeld von 400 Mio. DM, Geldgeschenken ...in Höhe von 1,6 Mio. DM,
und einem Sparguthaben von 3,2 Mrd. DM zusammensetzt" (1995, S.27).
Darüber hinaus bestimmen sie das Einkaufsverhalten der Familien entscheidend
mit, wobei andere Untersuchungen diese Aussage deutlich relativieren. So
dürfen Kinder und Jugendliche von 6-17 Jahren zu rund zwei Drittel zwar ihre
Kleidung selbst bestimmen und über den Einkauf von kindertypischen
Lebensmitteln, wie Limonade (57%), Schokolade (53%) oder Cornflakes (46%)
mitentscheiden, „...bei teuren Geräten aber, für den Haushalt, wie Video Recordern, Fernsehgeräten, Radios oder Stereo - Anlagen sinkt der Einfluß auf
Prozentwerte zwischen 6 bis 7 Prozent ab" (NICKEL 1997, S.130). Trotzdem
sind Kinder die Kunden von morgen. Für die Industrie fungieren schon kleine
Kinder, die noch über wenig Taschengeld verfügen, als „Markendurchsetzer".
Markenbewußtsein, der Glaube an die Überlegenheit einer Produktmarke und
deren Bevorzugung durch den Kunden soll früh eingeübt werden, denn
„...Markenbindung wird in höchstem Maße und mit enormer Haltbarkeit bis zum
16. Lebensjahr gebildet" (EICKE, U. 1991, S.64). Neben der unmittelbaren
Produktpräsentation, der Plazierung eines Produktes in Sicht- und Greifhöhe von
Kindern, und der Produktgestaltung nach warenästhetischen Gesichtspunkten
sind Kinder zu Werbeadressaten der unterschiedlichsten Werbeformen
geworden.
Neben der konventionellen Spotwerbung in Radio und Fernsehen ist dies
zunehmend „below the line" Werbung, insbesondere Product-Placement,
Sponsoring und Merchandising.
Die Nettoumsätze des Werbefernsehens betrugen 1993 knapp 6,2 Mrd. DM, der
Anteil der Privatsender am Umsatzkuchen betrug 80%, während sich die
öffentlich-rechtlichen Sender mit dem mageren Rest begnügen mußten. Die
Privatsender sind, da sie sich ausschließlich über Werbeeinnahmen finanzieren,
sehr erfinderisch in der Plazierung der Werbung. Da werden Kindersendungen
als Familiensendungen deklariert und Zeichentrickfilme zu 20 - Minuten Einheiten zusammengefaßt, um mit dazwischen geschalteten Werbeblöcken das
Verbot der Unterbrecherwerbung zu umgehen. Die gesendeten Spots orientieren
sich am Programmumfeld, vor, während und nach Kindersendungen wird
vermehrt für Kinderprodukte geworben (vgl. AUFENANGER u.a.1995, S.80ff).
Neben der Spotwerbung, die durch ein Signet optisch und akustisch vom
Programm abgehoben sein muß und dadurch auch für Kinder leicht als Werbung
erkennbar ist, gewinnen vor allem versteckte Werbeformen zunehmend an
Bedeutung.
Das Product Placement, das Plazieren von Warenzeichen oder
Markenprodukten in Spielfilmen und Unterhaltungssendungen, spielt trotz
Schleichwerbungsverbot eine zunehmende Rolle. Dies gilt auch für
Kinderprodukte, da Kinder sich ja bekanntlich nicht nur Kindersendungen
ansehen, sondern sich besonders für Action-Serien sowie für die
Familiensendungen und Soap Operas des Werberahmenprogramms am frühen
Abend interessieren. Industrie und Handel übernehmen die Ausstattung der
Fernsehfilme und Serien und versorgen die zahlreichen Quizsendungen mit
Preisen. Ein Beispiel für die Vernetzung von Handelsinteressen und
Medienproduktion ist der Anfang 1996 erfolgte Einstieg der REWE - Gruppe mit
einer 40-Prozent-Beteiligung bei dem Münchner Fernsehsender Pro Sieben.
HANS REISCHL, der Chef von REWE antwortete in einem Interview mit dem
Nachrichtenmagazin Focus auf die Frage „wenn Pro Sieben - Serien künftig im
Hotel Ihres Reiseveranstalters ITS spielen, benutzen die Darsteller dann auch
REWE - Marken wie Erlenhof - Gemüse und Today - Shampoo?" mit dem Satz
„so etwas ist sicher machbar, soweit es rechtlich zulässig ist. Umgekehrt könnten
wir zusätzlich solche Produkte werblich betonen, die in einer Serie vorkommen"
(MÜLLER 1997, S.102).
Das Eindringen der Werbung über die zunehmende Vernetzung von Industrie,
Handel und Medien in die kindlichen Erfahrungs- und Erlebniswelten, geschieht
heute hauptsächlich über Sponsoring, Eventmarketing und Merchandising.
Die Sponsoring - Aktivitäten, die finanzielle Förderung von Personen,
Ereignissen oder Organisationen, mit der Gegenleistung der Marken- oder
Imagewerbung für den Sponsor, erstrecken sich vom Sponsoring großer
Sportveranstaltungen und Sportler bis hin zur Förderung von
Kulturveranstaltungen und kulturellen Einrichtungen. „Sponsorengelder
konzentrieren sich vor allem auf Spektakuläres, Bewährtes, Populäres und
Fernsehträchtiges, auf die finanziell zwar abgesicherten , aber zum Sparen
gezwungenen großen Theater, Orchester und Museen" (EICKE, U. 1991,
S.201). Bei Sportveranstaltungen fließt das meiste Geld in telegene, hohe
Einschaltquoten erzielende Sportarten, wie Tennis, Fußball und Leichtathletik,
deren Fernsehübertragungsrechte daher auch heiß umkämpft sind.
Eventmarketing heißt das neue Zauberwort der Kinder- und Jugendwerbung.
Hier werden eigene, auf bestimmte Marken abgestimmte Ereignisse in
Zusammenarbeit von Medien, Familien- und Jugendverbänden und Handel
organisiert, z.B. die Streetball - Aktionen von Adidas und Street Soccer von
Puma, des weiteren Straßen- und Musikfeste (neudeutsch „Street- Parades" und
„Raves") und Kinderfeste mit Hüpfburg und Gewinnspielen. Hier wie dort wird
versucht, über „Fun"- Erlebnisse frühzeitig Markenbindung herzustellen und
Trends und Moden aus der „Szene" der Kinder und Jugendlichen möglichst
schnell aufzugreifen und umzusetzen. Eventmarketing ist so erfolgreich, weil die
Medien im Verbund an den Veranstaltungen partizipieren, so waren während der
Streetball - Aktion 1992 „...52 Journalisten vor Ort. Über 130 Radio- Trailer, 35
Hörfunkberichte, rund 20 TV-Berichte und zahlreiche Berichte in
Tageszeitungen, Publikums- und Fachtiteln sorgten für Öffentlichkeit"
(SCHÖMBS zit. n. VOLLBRECHT 1997, S.67).
Der Klassiker, der eigentliche Vater von Eventmarketing und Merchandising ist
der Walt Disney- Konzern. Er war der erste, der die beliebten Comicfiguren auf
andere Produkte druckte; bereits 1929 verkaufte er für 300 Dollar eine Lizenz an
einen Hersteller von Kinderschreibtafeln. Heute liegen die Einnahmen durch die
Vergabe von Nebenrechten bei 3,2 Milliarden Mark jährlich. 1994 wurde der
Disney Film „König der Löwen" mit der Auszeichnung „Best Marketed Motion
Picture 1994" bedacht, allein die Vermarktung der Nebenrechte brachten 1,5
Milliarden Mark (vgl. MÜLLER 1997,.S.109). Walt Disney kann mit „Disneyland"
bei Los Angeles und „Disneyworld" in Florida auch als Erfinder der künstlichen
Erlebniswelten und Themenparks bezeichnet werden, die mit „Euro-Disney" bei
Paris und „Tokyo Disney" in Japan nun auch in Europa und Asien Fuß gefaßt
haben und derzeit eine Boombranche darstellen.
Der Normalfall des Merchandising auf dem Kindermedien- und Spielwarenmarkt
ist die Vergabe von Urhebernebenrechten an Lizenznehmer zur Produktion von
Sekundärprodukten unter dem Logo einer bekannten Figur aus Film oder
Fernsehen. Besonders das Fernsehen, in neuerer Zeit auch das Kino, hat
hierbei die Funktion eines Promoters übernommen. So wurden
Kinderbuchklassiker, wie die Biene Maja, Heidi, oder der Pumuckl erst durch den
Erfolg der Fernsehserien im großen Stil vermarktungsfähig. Die ersten Lizenzen
zur Sekundärverwertung beliebter Kinderserien wurden an Tonträgerfirmen
vergeben, die auditive Fassungen der Serien auf Kassetten zogen. Diese waren
meist „Billigversionen" und entsprachen nicht den Qualitätsanforderungen
aufwendiger Hörspielproduktionen, sondern verbanden die Tonspur der
Fernsehserie mit einleitenden und verbindenden Erzählerkommentaren. Die sehr
hohen Lizenzgebühren ließen nur große und finanzkräftige Tonträgerfirmen wie
Ariola oder Europa partizipieren und mußten über eine kostengünstige
Produktion wieder hereingeholt werden. Auf den Erfolg der Serie hin, wurde
auch das Buch neu aufgelegt und das Layout mit den bekannten Trickfilmfiguren
gestaltet. Es folgten die Comics und Kaufvideos zur Serie sowie
Sekundärprodukte wie Bettwäsche, Zahnputz - Sets, Teller und Gläser,
Turnbeutel, Nachttischlampen, kurz nahezu alle Dinge des täglichen Bedarfs
versehen mit der entsprechenden Fernsehfigur. Sogar auf Spülmittelflaschen
waren Pumuckl - Abziehbildchen zu finden. Hinzu kamen noch zahlreiche
Produkte der Spielzeugindustrie, Pumuckl - Spiele, Biene Maja - Malbücher mit
Stiften und Heidi - Puppen (vgl. JENSEN/ROGGE 1980, S.26/27).
Kernbereiche der Lizenzvergabe sind andere Medien: Verlage von
Kinderzeitschriften oder Comics, aber auch Buchverlage oder Tonträgerfirmen,
sowie Spielwarenhersteller (vor allem Plüschtiere oder PVC - Figuren nebst
Zubehör und Spiele werden in Lizenz gefertigt) und Nahrungsmittelproduzenten.
So hat sich etwa der Nestle - Konzern die Verwertungsrechte an den
Disneyfiguren bis zum Jahr 2002 gesichert, Mickey Mouse und Goofy finden sich
auf Ceralien, Joghurts, Schokoladenriegeln und Tütensuppen. Ein wichtiger
Marktbereich ist auch der Textilmarkt, besonders Wäsche und Kindermode
sowie Sportswear wird in Lizenz produziert. C&A bringt jeweils zum Start eines
Disney Filmes eine Kinderkollektion mit den entsprechenden Disneyfiguren
heraus und betreibt selbst Imagewerbung für seine „Youth collection" durch die
Produktion von Videoclips, deren Titelsongs nicht selten zu Hits werden.
Daneben wirbt der Spielwarenhandel mit eigenen Kinderzeitschriften und
Broschüren des Spielwarenhandels für Kinderprodukte, die sich in der
Aufmachung an Zeitschriften anlehnen und sich auch so nennen, beispielsweise
orientiert sich das Layout des „Barbie Journal" (MATTEL Frühjahr/Sommer 1997)
an klassischen Frauenzeitschriften mit den Themen Mode, Kosmetik, Kinder und
Wohnen. Auch Werbung für andere Produkte der Spielzeugindustrie und andere
Medien findet sich in dem als Zeitschrift getarnten Werbeblättchen, eine
Werbung für die Fernsehsender ProSieben (S.3) und den Kinderprogrammkanal
Nickelodeon (S.38), sowie für die Monatszeitschrift Barbie (S.27).
In den Sog der Dynamik auf dem Erlebnismarkt der Gegenwart, mit der Vielzahl
ständig neuer, konkurrierender Moden und Stile, werden auch die
Vermarktungstrategien des Merchandising hineingezogen. Die zunehmende
Vernetzung und Konzentration der Anbieter auf dem Medienmarkt macht globale
Werbekampagnen möglich. Heute sind bereits bevor ein Film überhaupt gedreht
wird, manchmal sogar ehe das fertige Drehbuch geschrieben ist, alle
Lizenzrechte vergeben. Kommt der Film dann ins Kino oder Fernsehen, wird er
bereits Wochen vorher in allen Medien gleichzeitig beworben. Einer der ersten
Filme, die mit multimedialem Einsatz angekündigt wurde und der alle
Sekundärprodukte schon bei Kinostart mitbrachte, war „Jurassic Park" von
Steven Spielberg. Bereits Monate vor dem Kinostart in Zeitschriften, Radio und
Fernsehen und Kino als der „Megafilm" angekündigt, standen pünktlich zum
Start in allen Spielwarenabteilungen Dinosaurier nebst Zubehör in allen Größen
im Regal, in den Kinos lagen T-Shirts und Baseballkappen aus und bei McDonalds gab es ein Dinoquiz für den Computer.
Auch „Trittbrettfahrer" nutzten das Dinofieber aus. Dinosaurierausstellungen
reisten durch die Lande, Bücher über die Erdgeschichte wurden neu aufgelegt.
Die Rechnung ging auf, „Jurassic Park" wurde zum erfolgreichsten Film aller
Zeiten und vor allem die Medien - und Spielwarenindustrie verdiente kräftig mit.
Heute geben sich die großen Werbekampagnen im Zusammenhang mit
Kinofilmen schon die Klinke in die Hand, sie sind kürzer geworden und es
existieren mehrere nebeneinander. Der große Erfolg ist damit aber nicht immer
automatisch garantiert, so kalkulierte der Disney - Konzern 1995 mit dem
prognostizierten 20 prozentigen Umsatzplus für das Indianermärchen
„Pocahontas", was durch den gleichzeitigen Kinostart von „Batman forever"
vereitelt wurde. Denn während die Mädchen sich durchaus für den fliegenden
Helden begeistern konnten, dachten die Jungen nicht im Traum daran, in so
einen „Mädchenkitschfilm" zu gehen. Die „Pocahontas" Produkte blieben
teilweise in den Regalen liegen und nur das Videorelease konnte das Geschäft
noch einmal kurz ankurbeln. Für das hohe Risiko bei Filmlizenzen macht
NIEMANN die frühzeitige Vergabe der Lizenzen, noch vor oder während der
Dreharbeiten, und die sehr kurze Zeit für den Verkauf der Produkte, mit dem
Kinostart beginnend und dem Kaufvideo ein paar Monate später endend,
verantwortlich (NIEMANN 1997, S.90 f.).
Unter dem immensen Konkurrenzdruck auf dem Medienmarkt entwickeln sich
Globalisierungs- und Monopolisierungstendenzen. Der Markt wird zunehmend
beherrscht von weltweit operierenden „Medien - Tycoons", Großkonzernen, die
den Kuchen unter sich aufteilen und kleine Anbieter aufkaufen oder vom Markt
drängen.
Exkurs: Die Medienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland.
Der Medienmarkt in der Bundesrepublik Deutschland erscheint dem
oberflächlichen Betrachter vielfältig und bunt. Meinungsvielfalt scheint durch
Anbieter der verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Richtungen
gegeben. Dieses Bild trügt. Die Verflechtungen über eine Vielzahl von
Tochterfirmen verschleiern die Realität der zunehmenden Konzentration und
Monopolisierung der Medienanbieter in Deutschland, die mit der Einführung des
privaten Rundfunks in den achtziger Jahren in ein neues Stadium getreten ist.
Das Geflecht aller am deutschen Medienmarkt beteiligten Unternehmen zu
entwirren, würde an dieser Stelle zu weit führen, die zwei Medienmultis,
Bertelsman AG und die Leo Kirch - Gruppe sollen aber kurz mit ihren wichtigsten
Tochterfirmen und Einflußbereichen auf dem Medienmarkt dargestellt werden.
Der Riese unter den Medienanbietern ist die Bertelsmann AG mit rund 12,483
Milliarden Mark Umsatzvolumen. Der allgemein bekannte Bertelsmann Buchclub
mit den vierteljährlichen „Hauptvorschlagsbänden" hat die Buchlandschaft in der
Bundesrepublik nach dem Krieg entscheidend geprägt. Neben diesen
Buchclubs, die Bertelsmann inzwischen auch nahezu weltweit, mit Ausnahme
der asiatischen Länder betreibt, gehören der Bertelsmann AG eine Reihe von
nationalen und internationalen Buch- und Zeitschriftenverlagen, darunter so
renommierte Unternehmen wie der Bertelsmann - Lexikon - Verlag, Goldman,
Siedler, Westdeutscher Verlag und die Bantam - Doubleday Bell Publishing
Group, eine der bedeutendsten Verlagsgruppen der englischsprechenden Welt.
Daneben hält Bertelsman 74,9 Prozent der Gruner & Jahr AG & Co.KG, neben
dem Bauer - Konzern der größte der deutschen Zeitschriftenverlage, der mit
„Stern, Brigitte und Eltern" bereits drei der umsatzstärksten deutschen
Zeitschriften herausgibt.
Die Zukunft gehört neben allgemeinen Publikumszeitschriften vor allem den
„special - interest Zeitschriften", Zeitschriften mit klar umrissenen
Zielgruppenprofil, etwa die Flut der Bau-, Handwerker- und EinrichtungsZeitschriften, oder die Unzahl an Computer - Magazinen, da sich damit gezielt
Werbekunden an Land ziehen lassen. Über Gruner & Jahr ist Bertelsman auch
an Zeitungsunternehmen wie an der Hamburger „Morgenpost", der „Sächsischen
Zeitung" und der „Dresdner Morgenpost" beteiligt.
Der Unternehmenszweig mit der größten Steigerungsrate ist derzeit der private
Rundfunk und das Satellitenfernsehen. Einer der größten privaten
Fernsehsender RTLplus gehört über die luxemburgische Gesellschaft Fratel
(46,1 Prozent der Anteile) zur Bertelsman Gruppe. Weitere 38,9 Prozent der
Anteile hält die UFA-Film- und Fernseh-GmbH, die wiederum zu 50 Prozent
direkt Bertelsman gehört und zu 50 Prozent Gruner & Jahr. Mit den Fernsehund Filmproduktionsfirmen Universum - Film, UFA - Filmproduktion und Stern tv nimmt der Bertelsman Konzern über Eigenproduktionen und den Einkauf von
Übertragungsrechten, beispielsweise von großen Sportveranstaltungen, Einfluß
auf die Fernsehlandschaft in Deutschland. Daneben hält die Bertelsman-Gruppe
Anteile an weiteren Hörfunk- und Fernsehanbietern, beispielsweise 24% an
Radio Hamburg, 18% an Antenne Bayern und 15% an Radio NRW GmbH.
Der größte Konkurrent für die Bertelsman Gruppe, besonders auf dem
expandierenden Privatrundfunkmarkt ist die des Filmgroßhändlers Leo Kirch. Die
Kirch-Gruppe ist direkt an SAT 1 beteiligt und hat indirekt über seinem Sohn
Einfluß auf Pro Sieben. Daneben gehören ihm 50 % des Pay-TV Senders
Premiere, die anderen 50% hält Bertelsman. Marktbestimmend ist Leo Kirch vor
allem durch seine Rechte, Senderechte und Merchandising - Lizenzen an Serien
und Spielfilmpaketen, so hat er die deutschen Rechte an „Batman forever", die
er in einer Zeichentrickserie auf Pro Sieben sowie zahlreichen Videospielen und
Spielwaren nutzen kann. Kirch ist vor allem an internationalen Filmen beteiligt, er
besitzt Rechte für über 150000 Spielfilme und ist über seine Firmen Taurus-Film
GmbH & Co.KG und Beta-Film GmbH & Co.KG laufend an Neuproduktionen
beteiligt. Auf den Buchmarkt ist er 1989 mit dem Kauf des Deutschen
Bücherbundes vom Holtzenbrinck - Konzern eingestiegen. Bertelsman und Kirch
teilen sich den deutschen Medienmarkt mit der Axel Springer AG, dem größten
bundesdeutschen Zeitungsverlag mit 27 Prozent Marktanteil, dem Herausgeber
von so unterschiedlichen Zeitungen wie „Die Welt" und „Bild". Springer hat
Anteile an SAT 1 und an einer Vielzahl von lokalen Hörfunkanbietern. Ein
weiterer Medienmulti auf dem Markt der Printmedien ist der Bauer - Konzern mit
einem Marktanteil von 33 Prozent auf dem Zeitschriftenmarkt. Er bedient
hauptsächlich den Bereich des „Druck- fast - food" (HUHN 1990, S.89) mit
Zeitschriften wie „Quick" und diversen Fernseh - Zeitschriften, Comics und
Romanheftchen. Auch der Burda Verlag ist vor allem auf dem Zeitschriftenmarkt
vertreten mit Boulevardzeitschriften wie „Bunte" und „Freizeit-Revue" und dem
Nachrichtenmagazin „Focus". Daneben ist das Unternehmen hauptsächlich in
Süddeutschland an lokalen Radiosendern beteiligt und hält einen kleinen Anteil
(2%) an RTLplus. Die Runde der großen deutschen Medienkonzerne schließt
sich mit Holtzenbrinck, einem Tageszeitungsmulti, dessen Schwerpunkt auch auf
den Buchverlagen liegt. Holtzenbrinck verfügt über einen Anteil von 15 Prozent
an SAT 1, ist über einige Firmen an Fernsehproduktionen beteiligt und hält
Anteile an diversen lokalen Radiosendern.
Diese sechs Medienmultis gestalten die Medienlandschaft in der Bundesrepublik
Deutschland, sie sind die „Meinungsmacher", ihre wirtschaftlichen Interessen
bestimmen unseren Kulturbetrieb entscheidend mit. Und sie hebeln auch im
Schulterschluß mit großen Konzernen, wie Nestle, und Großbanken die
grundrechtlich geschützte Presse-und Rundfunkfreiheit, die eine demokratisch
pluralistische Informationsgarantie für alle Bürger sein soll, durch
privatwirtschaftliches Gewinnmaximierungsinteresse teilweise aus. Inzwischen
interessieren sich auch das Europäische Kartellamt und das Bundeskartellamt
für die Unternehmensstrategien der beiden Monopolisten Kirch AG und
Bertelsmann, die versuchen, ihre Pay-TV Sender DF1 und Premiere
zusammenzulegen.
Kleine Verlage oder Privatsender können in dem Kampf um die Urheber- oder
Übertragungsrechte aus Kapitalmangel nicht mithalten und müssen sich große
Partner suchen, um nicht unterzugehen. Und auch die öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalten richten das Profil ihres Programmes vermehrt an den
kommerziellen Sendern aus, was bedeutet, mehr Unterhaltung, mehr
„Infotainment", unterhaltsam dargebotene Information und vor allen Dingen mehr
Werbung. Anspruchsvolle Spielfilme oder Eigenproduktionen kosten sehr viel
Geld und dieses soll durch vermehrte Werbeeinnahmen in die Kassen fließen.
Besonders das Product Placement und das Sponsoring sind auch für ARD und
ZDF nicht mehr ehrenrührig. Der „Banalisierung" des Programmprofils wird durch
das Engagement an Spartenkanälen wie „arte", dem Kunstkanal, oder dem
Kinderkanal entgegengewirkt.
Der Ausflug in die Welt der Medienkonzerne als Medienanbieter läßt verstehen,
daß hinter Medienbotschaften und Angeboten handfeste wirtschaftliche
Interessen stehen, die Kinder wie Erwachsene als Kunden gewinnen und halten
möchten.
Der Einfluß auf das Mediennutzungsverhalten und Konsumverhalten kann im
Medienverbund leichter erreicht werden, vor allem die Einflußmöglichkeiten der
Werbung potenzieren sich, da verschiedene Medien scheinbar unabhängig
voneinander für ein Produkt votieren. Dies gilt im besonderen für Medien selbst.
Anhand der im Medienverbund „gemachten" Bestseller auf dem
Kinderbuchmarkt läßt sich an anderer Stelle gut die gegenseitige Werbung
verschiedener Medien füreinander aufzeigen. Nachdem über direkte
Werbeformen wie Wurfsendungen, Anzeigen oder Spotwerbung immer weniger
Kunden erreicht werden, sie haben sich im Umgang mit der Werbung eine
gewisse Resistenz erarbeitet, müssen die Werbebotschaften immer raffinierter
verpackt werden. Dies geschieht durch die Lifestyle Attitüden der Industrie,
durch die Verbindung von Produkt und Erlebnis. Damit reagieren sie auf
menschliche Grundbedürfnisse und Kinderträume, nach Abenteuer, nach dem
Eintauchen in eine andere Welt, dem Wunsch nach „Action" und „Fun". Die
Medien sind Mittler zwischen den Verkaufsinteressen der Industrie, die virtuelle
Welten für Kinder entstehen lassen und sie als wirkliche verkaufen wollen und
den Träumen der Kinder auf der Suche nach Identifikation und Gemeinsamkeit.
Das Urteil des Anderen, besonders der Gleichaltrigen ist sehr wichtig geworden,
in einer Zeit, in der althergebrachte Familienstrukturen sich verändern, in denen
die väterliche Autorität am Schwinden ist und die Unsicherheit der Mütter in
Erziehungsfragen groß ist. Medienwelten liefern Identifikationsobjekte,
Rollenvorbilder und Projektionsfiguren, die Kinder für ihre Entwicklung brauchen.
Ohne den Medienverbund wären diese Welten nicht umfassend und alltäglich.
Die Medienproduzenten erwecken die Kinderwelten erst zum Leben, sie setzen
Moden und Trends, indem sie Ideen der Werbekunden aus den verschiedenen
Industriezweigen und gleichzeitig Impulse aus der realen Kinderwelt aufgreifen
und zu Spielzeugwelten und Lifestyle - Konzepten modellieren. Die
Zielgruppenprofilstudien und „Trend - Scouts" der Marktforschungsinstitute
garantieren eine zielgruppengerechte Umsetzung der Werbeideen der Industrie
in redaktioneller Gestaltung und entsprechendem Layout. Medien, die am
Zielgruppengeschmack vorbei gehen, werden nicht gekauft und verschwinden in
kürzester Zeit vom Markt.
1.4 Zusammenfassung
Das Erfassen der Welt beginnt für das Kind damit, daß es „...eine (Alltagswelt d.
Verf.) übernimmt, in der Andere schon leben" (BERGER / LUCKMANN 1980,
S.140), die Andere gestaltet haben. Es erfährt somit Gesellschaft zunächst als
objektive Wirklichkeit, die es im Laufe seiner Sozialisation durch Internalisierung
zu seiner subjektiven Wirklichkeit macht. „Die signifikanten Anderen, die ihm
diese Welt vermitteln, modifizieren sie im Verlauf der Übermittlung", heißt es in
der Theorie der Wissenssoziologie bei BERGER und LUCKMANN, und weiter,
„Sie wählen je nach ihrem eigenen gesellschaftlichen Ort und ihren eigenen
biographisch begründeten Empfindlichkeiten Aspekte aus"(ebd. S.141). Dies
bedeutet, daß Kinder zunächst mit den Realitäten unserer auf Konsum und
Erlebnis ausgerichteten Industriegesellschaft und den damit verbundenen
überquellenden Regalen in den Supermärkten und Kaufhäusern konfrontiert
werden und daß sie in die alltäglichen Medienvielfalt hineingeboren werden. Die
teilweise sogar gleichzeitige Nutzung verschiedener Medien ist zur alltäglichen
Routine geworden. Das Vordringen von Konsumwelt und Medienvielfalt in die
Alltagswelt von Kindern bedeutet aber auch, daß sie den selbst bestimmten und
verantwortungsbewußten Umgang mit der Vielfalt lernen können und müssen,
da sie sonst unzureichend sozialisiert sind. Bewahrpädagogische Haltungen und
eine unkritisch einseitige Ablehnung oder Ausblendung der
Sozialisationsagenten Konsum und Medien in der Erziehung schaden der
kindlichen Entwicklung. Entwicklung heißt, sich in seiner gegebenen Umwelt mit
allen ihren Einflußfaktoren zurechtzufinden und erfolgreiche Handlungsschemata
und Strategien für den alltäglichen Umgang mit ihr herauszubilden und somit auf
diese Umwelt zurückzuwirken.
Der Einfluß, den Kinder auf das Produzentenverhalten, auf neue Moden und
Stile, haben darf nicht unterschätzt werden (s.u.). Oft entscheiden sie, über
eigene Medien miteinander verbunden, ob ein Spiel, eine Fernsehserie, eine
Musikrichtung ein „Hit" wird oder ein „Flop". Trotzdem brauchen gerade Kinder
bis zum Schulalter aktive Unterstützung von ihren Bezugspersonen und deren
Vorbild im Umgang mit der bunten Warenwelt wie auch mit der Medienvielfalt.
2. "Komm, wir finden einen Schatz!" - das Kinderbuch im Medienverbund
und der Lizenzwarenmarkt für Kinder
Das Kinderbuch als Klassiker unter den Kindermedien geht in der neueren
medienpädagogischen Diskussion um die elektronischen Medien zwischen
Fernsehen, Videospielen und Cyberspace fast unter. Tauchen Kinderbücher
dennoch als Gegenstand der pädagogischen Debatte auf, so entweder um den
Gegensatz zwischen dem Einfluß des „guten Kinderbuches" und dem
„schlechten Fernsehen" herauszustellen (BETTELHEIM 1982, POSTMAN 1987),
oder um Veränderungen in Lesesozialisation und Leseverhalten im „Multi-Media"
Zeitalter zu untersuchen. Wer heute die zahlreichen Diskussionen um die
Gefahren der elektronischen Medien für Kinder verfolgt, die teilweise in
kulturpessimistischen Prognosen vom Untergang der Schriftkultur gipfeln und als
Lösung das „gute Buch" empfehlen, übersieht leicht die Bandbreite der Kinderund Jugendliteratur und deren unterschiedliche Qualität. Eine ähnlich
kulturpessimistische Diskussion wurde auch zu Beginn der Ära der Buchkultur
geführt und begleitete die Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur.
2.1. „Das gute Buch" - Kinderbücher zwischen Mythos und Realität
2.1.1. Von der Gefährlichkeit des Lesens - ein kurzer Ausflug in die
Geschichte der Kinder- und Jugendliteratur vom Mittelalter bis 1945
2.1.1.1.Die ersten zwei Jahrhunderte, von Gutenberg bis Comenius
Das Hervorbringen einer eigens für Kinder und Heranwachsende geschriebenen
Literatur hängt eng mit den jeweiligen gesellschaftlichen Vorstellungen von
Kindheit zusammen, die eine Epoche bestimmen. Die Erfindung der
Druckerpresse durch den Mainzer Johann Gutenberg 1445 fiel in ein
Jahrhundert des Wandels. Die Ausweitung des Handels, die Organisation der
Handwerker in Zünften und als Folge das Erstarken der Städte, die sich
aufgrund ihres Reichtums die Unabhängigkeit von „den Herren der Burgen„,vom
Adel erkauften, schuf ein Klima des Aufbruchs und der Forschung. In den
Städten entstanden freie Universitäten. Durch den Buchdruck wurde die
Herstellung und Verbreitung von Büchern über die Klosterschulen und
kirchlichen Bibliotheken hinaus möglich, wenngleich Bücher noch lange sehr
teuer und damit für weite Teile der Bevölkerung unerschwinglich blieben, so
wurden sie doch zum Symbol des aufkommenden Bürgertums, schufen eine
neue Form von Öffentlichkeit und machten die Alphabetisierung des Volkes erst
möglich.
Die ersten gedruckten „Donate", lateinische Schulgrammatiken, entstanden um
1460, ebenso das „Catholikon", ein lateinisches Lexikon des gesamten
damaligen Wissens.
Kinder und Jugendliteratur im heutigen Sinne gab es bis zur Aufklärung kaum.
Allenfalls Benimm - Büchlein für den jugendlichen Adeligen, mit Hinweisen auf
jugendgeeignete Literatur, etwa „Was die Jugend hören und lesen soll" von
THOMASIN VON ZERCLAERE (1215). Eigens an Kinder und Jugendliche
gerichtete Literatur diente ausschließlich der religiösen Erziehung sowie der
Unterweisung in sittlichem Verhalten. So zum Beispiel „der große Seelentrost"
mit Geschichten zu den zehn Geboten und die Tierfabeln „Reynke de Vos" zum
richtigen Sozialverhalten, und der „Kleine Katechismus" von LUTHER. Sinn
dieser Art von Literatur war die möglichst frühe und widerspruchslose
Einordnung in die Erwachsenenwelt und das religiöse Leben. Kinder waren
„kleine Erwachsene", sie wuchsen wie selbstverständlich mit der großen Familie,
zu der auch das Gesinde gehörte, auf und wurden nicht bevorzugt behandelt. Im
Gegenteil, darauf verweist STONE, aufgrund der hohen Kindersterblichkeit wäre
allzuviel Kinderliebe und Fürsorge „...Anlaß zu schierem Wahnsinn gewesen..."
(STONE zit. n. V.HENTIG 1984, S.15). Kindern oder Jugendlichen aufgrund ihrer
noch andauernden Entwicklung eigene Freiräume und besondere Bedürfnisse
zuzugestehen, davon war man zu dieser Zeit weit entfernt.
Erst am Ende der Barockzeit um die Mitte des 17.Jahrhunderts lassen sich die
Anfänge von an der kindlichen Auffassungsgabe orientierten Kinder(lehr)büchern
finden, etwa der „Orbis pictus" von COMENIUS, eine Art Kinderlexikon mit
Bildern, welches das didaktische Prinzip der Anschaulichkeit zeitlich vor das der
Abstraktion stellt, „Sodann würde diese Schule ein wahrhafftiger Schauplatz der
sichtbaren Welt /und der Verstand-Schulen Vorbild seyn" (COMENIUS zit. n.
BAUMGÄRTNER /PLETICHA 1985 Bd.1. S.98).
2.1.1.2. Von den Philantropen bis zum 20. Jahrhundert
Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert entstand eine neue Vorstellung von
Kindheit, als Phase des Lernens für ein späteres Leben in Selbstverantwortung
und bürgerlicher Freiheit. Das zunächst unmündige Kind bedurfte danach des
Schutzes und der Erziehung zum „menschlichen Verhalten", zum vernünftig
denkenden und nach den Maximen des Kant’schen Imperativs handelnden
Erwachsenen. Neben die moralisierenden Sittenbücher, Fabeln und kirchlichen
Lieder- und Geschichtenbücher traten, den Realien in den Schulen
entsprechend, vor allem Sachbücher; etwa das „Elementarwerk" von BASEDOW
mit 100 Kupferstichen neben dem „Bilderbuch für Kinder", von BERTUCH 1792
herausgegeben, der umfangreichste und bedeutendste Bilder - Almanach für
Kinder. Auch die „Kinderbibliothek" CAMPEs, ein zwölfbändiges Kinderlexikon,
dessen Bände aufeinander aufbauen und dem Alter entsprechend gestaltet sind
entstand in dieser Zeit. CAMPE betätigte sich auch sehr erfolgreich auf dem
Gebiet der gerade erst entstehenden „Unterhaltungsliteratur" für Kinder. Sein
„Robinson der Jüngere", eine philantropisch bearbeitete Nacherzählung von
DEFOEs „Robinson Crusoe" machte diesen in Deutschland erst bekannt. Ein
weiterer „Import" der Romanliteratur war der „Telemach" des französischen
Bischofs FENELON, ein abenteuerlich verpackter Erziehungsroman. Die
Kinderliteratur der Aufklärung sollte trotzdem in erster Linie dem Lernen und der
moralischen Erziehung dienen, nicht dem Vergnügen und der Unterhaltung. So
stellen die damals beliebte Literaturformen der Beispielgeschichte und die der
Fabeln für Kinder, nach DODERER eine „säkularisierte Form des Gleichnisses"
dar (DODERER 1992, S.89 f.), die auch heute noch, nicht nur in der
Kinderliteratur, der Aufklärung und Erziehung dient. Die ersten
Kinderzeitschriften, ADELUNG’s „Leibziger Wochenblatt für Kinder"(1772-74)
und dessen Nachfolger, der „Kinderfreund" von WEISS, erschienen. Eher eine
poetische Note hatten die Dorfgeschichten des „Kinderfreund" von V.ROCHOW,
da sie das Leben auf dem Land romantisierten und nicht zuletzt auch deshalb,
weil sie die Landkinder, als eigentliche Adressaten, kaum erreichten. Auf die
standesspezifische Einseitigkeit der Kinder- und Jugendliteratur, auch nach der
Aufklärung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mit den großen Bismarck’schen
Sozialreformen und der „Volksbildungsbewegung", verweist der zeitgenössischer
Kritiker WOLFGANG MENZEL: „Man ließ den Bauernbuben in seinem Schmutze
und in seiner Dummheit, wenn nur die lieben Stadtsöhnchen und gar die kleinen
Jünckerlein und Gräflein von jener Rousseauschen Humantät kosteten"
(MENZEL zit. n. Baumgärtner/Pleticha 1985, Bd1, S.355). Die mit aufwendigen
Kupferstichen versehenen und handkolorierten- und gedruckten Sachbücher für
Kinder waren nur für Eltern mit hohem Einkommen oder Vermögen
erschwinglich. Die Analphabetenquote lag zu Beginn des 19.Jahrhunderts noch
bei geschätzten 50 Prozent, und doch begann um die Jahrhundertwende eine
„Demokratisierung des Lesens". Erste Leihbibliotheken entstanden,
„Lesegesellschaften" und „Aufklärungsgesellschaften" für Arbeiter und Bauern im
Rahmen der Sozialreformbewegung in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts.
Auch auf einen anderen Aspekt verweist MENZEL, auf die zunehmende
Kommerzialisierung und Verlegung von Unterhaltungsliteratur des sich
entwickelnden Buchhandels. „Um die Weihnachtszeit wimmelt es in den Läden
der Buchhändler von Eltern und Kinderfreunden, die alle die brillianten
Sächelchen aufkaufen, welche die neue Messe (die Herbstmesse in Leibzig,
dem damaligen deutschen Buchhandelszentrum; d.Verf.) geliefert."(MENZEL
ebd. S. 357). Die Ausweitung des Sortimentbuchhandels und damit die
Kommerzialisierung des Buchhandels wurde erst mit der Entwicklung von
Lithographie (seit 1797), Schnellpresse (um 1819) und Stereotypie (um 1820)
möglich, die Massendrucke und Nachdrucke in beliebiger Auflagenhöhe
erlaubten. Die Langsiebmaschine (ab 1799) ersetzte das Schöpfen von Hand in
der Papierherstellung. Das Zeitalter der industriellen Herstellung von Büchern,
Zeitungen und Zeitschriften zu erschwinglichen Preisen war angebrochen.
Die Kinder- und Jugendliteratur im 19. Jahrhundert verfügte bereits über ein
breites Angebotsspektrum. Neben Schul- und Sachbüchern erweiterte sich vor
allem der Bereich der Unterhaltungsliteratur, Romane, Gedicht- und
Liederbücher, Märchen und Volkserzählungen, freilich noch immer mit moralisch
mahnendem und erzieherischem Unterton. Die bekannten „Kinder- und
Hausmärchen"(1812) der BRÜDER GRIMM und die Märchen von HAUFF und
ANDERSON, sowie die Märchensammlung von BECHSTEIN fanden Eingang in
die bürgerlichen Wohn- und Kinderstuben. Die Aufklärungsliteratur bekam einen
romantischen Beigeschmack. Die Sachlichkeit der beschreibenden Geschichtsund Naturbücher wich den romantischen Erzählungen, etwa in den
Abenteuerromanen von KARL MAY und den Heldensagen von BECHSTEIN.
Der romantische Jugendroman entstand, etwa „Rosa von Tannenburg" von
V.SCHMID, „... eine eigenartige Mischung aus philantropinem Gedankengut und
romantischen Motiven..."(Baumgärtner/Pleticha 1982, Bd.1, S.271). Die
Romantik als Gegenausschlag des Pendels der „reinen Vernunft" der Aufklärung
brachte eine Mythologisierung der Kindheit mit sich, „...die Erhebung des Kindes
in den Königsstand, während in der anderen Position (d.h.. die der Aufklärung d.
Verf.) die Degradierung der Kinder in den Stand der Abhängigen vorlag"
(DODERER 1992, S.91). Die gesellschaftlichen Entwicklungen des letzten
Jahrhunderts unterstützten die neue „Innerlichkeit" und den Rückzug in das
Aufgehobensein der bürgerlichen Familie mit der sorgenden und nährenden
Mutter und dem strengen, aber gerechten „pater familias". Die Abgrenzung des
Bürgertums nach unten, gegenüber dem „vierten Stand", dem anschwellenden
Proletariat, der immer nachdrücklicher und gewalttätiger seine Rechte
einforderte, zeigte sich exemplarisch in dem in Kunst und Kultur beschworenen
Idyll der gegen alle Unbill von außen gefeiten bürgerlichen Welt des
Biedermeier. Es war die Zeit der Märchen und Volkssagen. Von ANDERSON
über MÖRIKE bis hin zu STORM, versuchten sich Schriftsteller an Kinder- und
Jugendliteratur und gaben ihr eine eigene poetische Note, die sich von den
Erziehungsromanen und Sittenbüchlein der Pädagogen und Theologen des
Philantropismus abheben. Beide Sichtweisen von Kindheit, die aufklärerische
und die romantische als Antipoden haben die Kinder-und Jugendliteratur
entscheidend beeinflußt und tun dies noch heute.
Erst der kritische Rationalismus der 70er Jahre unseres Jahrhunderts (s.u.)
verlegte sich stärker auf die Darstellung der real existierende Lebenswelt der
Kinder mit ihren Problemen und schuf trotzdem neue Utopien des Kindes als
Weltverbesserer und Überwinder der Verhältnisse.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gipfelte die Unzufriedenheit mit den
gesellschaftlichen Verhältnissen in einer umfassenden Kulturkritik (vgl. SCHEIBE
1994, 10.Aufl., S.5-50). Der Ausweg aus der Kopflastigkeit und Einseitigkeit der
Bildung sollte eine Abkehr von den wissenschaftlich aufklärerischen
Bildungsidealen sein, eine Hinwendung an den Ursprung, die Natur und das
Volk, an das Kind und die Jugend und damit an eine neue Zukunft.
2.1.1.3. Von der Jahrhundertwende bis 1945
Die heraufdämmernde Jugendbewegung, die viele der späteren
Reformpädagogen (etwa GEHEEB, LIETZ, OTTO) hervorbrachte, läutete das
„Jahrhundert des Kindes" ein und war sich in der Ablehnung des belehrenden
Kinderbuches und der einseitig kopfbetonten Bildung des Bildungsbürgertums
einig. Die Hinwendung zum Kind brachte auch eine umfassende Buch- und
Literaturkritikmit sich, die Pädagogen und Autoren zum Nachdenken zwang, und
neben der national - völkischen und der neoromantischen „Blümchenlektüre"(d.
Verf.) auch eine realistischere Darstellung von Kindheit in der Literatur
ermöglichte. So entstand in dieser Zeit beispielsweise die
„...Umweltgeschichte..., die Verhältnisse und Ereignisse aus der unmittelbaren
Lebenswirklichkeit des Kindes behandelt, um ihm zu einer besseren Bewältigung
der eigenen Probleme zu helfen" (BAUMGÄRTNER/PLETICHA 1985, Bd.2,
S.236 f.)
Das Kindergedicht erfuhr durch Autoren, wie MORGENSTERN und
RINGELNATZ eine Erneuerung. Die Gedichte und Erzählungen entstammten
zunehmend der Feder von Schriftstellern für Erwachsene, was eine deutliche
Ästhetisierung und literarische Qualitätssteigerung mit sich brachte. Autoren wie
KÄSTNER, STEUBEN, BONSELS und RICHARD DEHMEL, um nur einige zu
nennen, schufen anspruchsvolle und doch kindgerechte Jugendliteratur. Mit dem
unverarbeiteten Trauma des verlorenen Krieges und dem Erleben des
Massenelends der Weimarer Republik machte sich die Polarisierung zwischen
links und rechts in der Bevölkerung auch in der Jugendliteratur bemerkbar. Die
Auseinandersetzung mit der harten, oft grausamen Alltagsrealität von Kindern in
der Literatur fand mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ein
abruptes Ende. Kommunistische Autoren, wie das Ehepaar TETZNER /KLÄBER
verarbeiteten ihre Erlebnisse mit Weimarer Republik und Nationalsozialismus
erst zu Beginn der vierziger Jahre im Exil, während die völkisch - nationale
Gesinnungsliteratur, wie etwa der „Hitlerjunge Quex" von SCHENZINGER oder
die kriegsverherrlichenden Abenteuerbücher von WALTER HEICHEN neu
aufgelegt und zur Pflichtlektüre erklärt wurden. LISA TETZNER hat in den neun
Bänden ihrer „Kinder - Odyssee" Kinderschicksale durch Nationalsozialismus
und Krieg bis in die Nachkriegszeit beispielhaft nachgezeichnet und daraus auch
den Auftrag für die Jugendliteratur der Nachkriegszeit formuliert, aus der
Vergangenheit zu lernen und die Hoffnung auf die Kinder und Jugendlichen um
„...auf den Ruinen einer zerstörten Welt durch Taten eine neue und glücklichere
aufzubauen."(TETZNER zit. n. BAUMGÄRTNER/PLETICHA 1985, Bd.2, S.239).
2.1.2. Das Kinderbuch der Gegenwart - kulturelle und gesellschaftliche
Aspekte der Kinder- und Jugendliteratur in der Bundesrepublik
Das Kinderbuch heute ist nur ein Medium unter vielen und diese Konkurrenz
verschiedener Medien untereinander bleibt immer im Blick bei einer genaueren
Betrachtung des Buchangebots, des Leseverhaltens, der Lesesozialisation. Das
Kinderbuch, ungeachtet seiner literarischen Qualität, erfährt im Vergleich mit den
neueren, elektronischen Medien leicht eine unreflektierte Höherbewertung .
Diese verkennt sowohl die realen Angebote an Kinderliteratur und die
ökonomische Struktur des Buchmarktes als Teil des Medienverbundmarktes, als
auch die Interessen und Präferenzen der im Umgang mit der multimedialen
Alltagswelt versierten Käufer und Leser. So hauchen Bild- und Tonmedien den
Buchgestalten und -helden Leben ein. Kinderbuchklassiker wie die „Biene Maja"
oder „Ronja Räubertochter", „das doppelte Lottchen" oder die „Schweizer
Familie Robinson" erfuhren erst durch ihre Verfilmung eine Neuentdeckung und
umfassende Popularität. Die verschiedenen Medien befruchten sich gegenseitig,
geben sich Stoff zur Bearbeitung und Neuinszenierung. Kindermedien als Teil
der Kinderkultur ermöglichen zunächst einmal alle „ästhetische Erfahrung" und
eine einseitig nur auf Literaturrezeption verengte Sichtweise im pädagogischen
Alltag wie in der Forschung gleicht einem „Hörausfall" oder „Sehausfall", einem
Sinnesverlust. So fordert DODERER „...müssen die Bereiche Kindertheater,
Kinderfilm, Kinderfernsehen, (ergänzend die Kindertonmedien und Comics; d.
Verf.), ...in die Reflexionen über unsere literarische Jugendkultur einbezogen
werden. ..."(DODERER 1992, S.39).
Kinderliteratur entsteht wie Erwachsenenliteratur auch aus gesellschaftlich
relevanten Themen und spiegelt in ihrer Vielfalt und Vielschichtigkeit die
Gesamtheit gesellschaftlichen Kulturgutes wider: das Interesse an trivialer und
literarisch hochwertiger Unterhaltung ebenso wie die Wißbegierde und Suche
nach Information, die Träume von einer besseren Welt ebenso wie die
Auseinandersetzung mit realen Problemen der umgebenden Kultur und des
Heranwachsens in ihr.
Kinderliteratur wird von Erwachsenen für Kinder geschrieben und kann daher
immer nur Kindheit schildern, wie sie sich in den Köpfen der Autoren, aufgrund
ihrer eigenen Kindheitserfahrungen und dem alltäglichen Erleben von Kindern,
spiegelt, in Reflexion mit Realität und gesellschaftlichen Vorstellungen von
Kindheit. Auf das Unterrepräsentiertsein von Arbeitern und unteren
Berufsgruppen unter den Kinderbuchautoren verweist DAHRENDORF (1980).
Danach treten besonders Personen mit Hochschulstudium, in erster Linie
Pädagogen (z.B. GUGGENMOS, BICHSEL, KRÜSS, PREUSSLER, WÖLFEL,
BOIE), Journalisten und Autoren aus dem Buchhandel wie HÄRTLING oder
LÜTGEN neben „Theaterleuten" als Autoren in Erscheinung. „Hinzu kommen",
so DAHRENDORF, „... die vielen Laien - und Sonntagsschriftsteller, die sich das
Schreiben eines Kinder- oder Jugendbuches noch am ehesten zutrauen"
(DAHRENDORF 1980, S. 153).
Als Käufer von Kinderbüchern treten dann hauptsächlich Erwachsene auf, die
das „gute Buch" fürs Kind suchen, d.h. sie orientieren sich weniger an den
Wünschen des Kindes, etwa an spannenden Abenteuergeschichten, „5 Freunde"
oder „TKKG", als an ihren eigenen Vorstellung vom „kindgemäßen Buch" mit
pädagogischem, seltener literarischem Anspruch. Sie erliegen dabei nicht selten
der Versuchung, die verlorengegangene Kindheit in einem Mythos von Kindheit
zu suchen ,"...vergangenes Leben wird mit Patina überzogen" (DODERER 1992,
S.78). Die tatsächlich erlebte oder im Alltag gesehene Kindheit wird romantisiert
und weicht so einer kitschigen Utopie von Kindheit. Die Suche nach den ewigen
Werten, nach, Liebe und Geborgenheit, läßt eine harmlos, fröhliche
Kinderbuchwelt entstehen, die mit der erlebten Realität von Kindern wenig zu tun
hat.
2.1.2.1. Der neue Realismus in der Kinderliteratur
Erst seit den 70er Jahren, in der Folge von Bildungsreform und „Kritischer
Theorie", formte sich organisierter Widerstand von jungen Eltern und Autoren
gegen „...Literatur für Kinder, die in ihrer Verlogenheit kränkend ist. Die Welt wird
verschönt, verkleinert, bekommt Wohnstubengröße. In ihr geschieht nichts
Unzuträgliches und wenn, dann springt immer ein Held aus der Ecke, das Kind
zu schützen. Man kann Kinder nicht schützen. So nicht...Die Literatur der Kinder
ist auch die Wirklichkeit der Kinder" (HÄRTLING zit. n. DODERER 1992, S. 122).
Junge Autoren wie NÖSTLINGER, HÄRTLING, WÖLFEL forderten genaue
Milieubeschreibungen und die Suche nach der Wahrheit in der Wirklichkeit
gegen den schönen Schein zu setzen. Geschichten aus dem Alltag der Kinder
erzählen, wie sie geschehen und keine vorschnellen Lösungen für Probleme
anbieten. Erzählungen und Kurzgeschichten zu schreiben als Denkanstöße für
Diskussionen. Der realistische Erzählstil fordert eine gewisse Nüchternheit und
orientiert sich an der schnörkellosen kindlichen Alltagssprache.
Gesellschaftliche Probleme und Realitäten werden thematisiert und erreichen
auch die Auswahllisten des Deutschen Jugendliteraturpreises.
Massenarbeitslosigkeit und Überforderung im Berufsleben, Auflösung
traditioneller Familienstrukturen („Papa wohnt jetzt in der Heinrichstraße" von
NELE MAAR 1988) und Zunahme und Überforderung von Alleinerziehenden
(„Nella Propella" von KIRSTEN BOIE 1994) werden ebenso thematisiert wie
Integrationsprobleme von Ausländerkindern und Fremdenfeindlichkeit („Selim
und Susanne" von URSULA KIRCHBERG 1978) und der Umgang mit
behinderten Mitmenschen („Vorstadtkrokodile" von MAX V.D. GRÜN 1976).Auch
die tabuisierten Themen Krankheit und Tod („Servus Opa, sagte ich leise" von
ELFIE DONELLY 1977) finden Eingang in die Kinderbücher.
Der kritische Realismus in der Kinderliteratur ab den 70er Jahren steht in der
Tradition der sozialkritischen und kommunistischen Literatur (s.o.),
beispielsweise von „Die rote Zora und ihre Bande"(1941) oder „Guiseppe und
Maria"(1955), des Kommunisten KURT HELD, der das Elend von
Proletarierkindern und ihr Überleben auf der Straße so realistisch darstellte, daß
er im Nachkriegsdeutschland auf herbe Kritik stieß. Auch in „Peter Stoll"(1925)
von CARL DANTZ, einem Alltagsbericht aus dem Leben eines Arbeiterkindes
und in ERICH KÄSTNERS „Kinderkaserne" (wenngleich diese wegen ihres
harten Realismus lange unter den Kurzerzählungen für Erwachsene
veröffentlicht wurde), finden sich Vorläufer eines kritischen Realismus. Eine
große Erzählerin des letzten Jahrhunderts, JOHANNA SPYRI, hat mit „Heidi",
ein sehr realistisches Kinderbuch geschrieben, das mit viel Empathie für Kinder
deren Ängste und Nöte in unvollständigen Familien und die psychischen
Krankheiten, die aus dem „Verlassenwerden" entstehen können, thematisiert.
Der kritische Realismus nahm und nimmt die Kinder als Partner ernst, holt sie
vom Sockel, auf den die Romantik sie gestellt hat und entmythisiert sie. Er
behandelt sie aber auch nicht wie unmündige Wesen -„zu Erziehende"- wie die
Aufklärungspädagogik der Philantropen. Er versucht Alltagskindheit in der
historischen Eingebundenheit der jeweiligen Gesellschaft mit all ihren Facetten
zu erfassen. Natürlich schwingt auch in der realistischen Literatur für Kinder die
Hoffnung auf eine Lösung, auf den gangbaren Weg, auf die Überwindung der
Verhältnisse mit. In erster Linie aber legt sie die Verhältnisse offen und zeigt den
Kindern: „da ist einer, dem geht es genauso wie dir". Die Ehrlichkeit der
realistischen Literatur wird von Kindern hoch geschätzt. Sie ermöglicht ihnen
Identifikation und Reflexion und beinhaltet damit auch ein Stück weit
Überwindung von Problemsituationen, wobei die tatsächlichen
Einflußmöglichkeiten von Kindern auf die Änderung der sie in ihrer Entwicklung
einengenden und störenden Verhältnisse immer noch sehr gering sind. So kann
der kritische Realismus in der Kinderliteratur als eine nötige und
wünschenswerte Ergänzung der bisherigen Kinderliteratur, die, von einigen
Ausnahmen abgesehen, eine gesellschaftliche Wunsch- vorstellung von Kindheit
transportiert, gesehen werden.
Allerdings findet, bei allem Realismus, aktuelle Gesellschaftskritik nur dann
Gehör, d.h. sie wird nur dann verlegt, wenn sie im gesellschaftlich akzeptierten
Rahmen bleibt. So hat es etwa kommunistische Kinderliteratur bis heute schwer
bei uns. Dies liegt in der kapitalistischen Struktur des Kinderbuchmarktes und
dem dahinter stehenden Meinungsbildungsinteresse. An den Grundfesten der
bürgerlich kapitalistischen Gesellschaft darf auch im Kinderbuch nicht gerüttelt
werden. Auf die Verstümmelung bei der Überarbeitung von Kinderbüchern der
ehemaligen DDR vor ihrer Neuauflage im wiedervereinigten Deutschland
verweist ROUVEL (1995). So wurden nicht nur politisch - ideologisch besetzte
Begriffe, wie Pionier oder Produktionsgenossenschaft aus den Büchern entfernt,
sondern alles, was zu „...sehr nach kollektiver Erziehung riecht" (ROUVEL 1995,
S.182). So fallen viele Begriffe des alltäglichen Sprachgebrauchs in der
ehemaligen DDR als „verdächtig" dem Rotstift zum Opfer. „ HO, KONSUM, Eis
und DDR"( aus „Moritz in der Litfaßsäule" von CHRISTA KOZIK) wird zu „Kino,
Eis und Pizza" in der neudeutschen Fassung und „Gebäudereiniger" werden zu
„Kehrautos". Vielfach verlieren die überarbeiteten Texte ihre
gesellschaftskritische Ironie und werden damit entpolitisiert, wie etwa in der
Neufassung von SIBYLLE DURIANS „Der Tag, an dem die Schule verschwand".
Hier wurde aus der bei uns unbekannten, aber in der ehemaligen DDR sehr
populären Kinderlektüre „Timur und sein Trupp", die als Unterrichtslektüre
besprochen werden sollte, „Pippi Langstrumpf". Ein Kind bezeichnet den Helden
des Buches als „ängstlich" und erklärt dies auch so, daß es von der Lehrerin und
den anderen Kindern akzeptiert wird. Der Kindervolksheld „Timur" und dessen
Karikatur im Original verwandelt sich in die gutmütig, freche "Pippi". Die Parabel
auf die „Heldenmythen" der DDR wird zur entpolitisierten, geglätteten Erzählung
und verliert damit an Sinn. ROUVEL registriert die Überarbeitung der
Kinderliteratur der ehemaligen DDR als Akt des Ausradierens von Geschichte
und wundert sich über „die Angst vor den Wörtern" im vermeintlich freiheitlich
demokratischen Deutschland mit seiner Garantie der Meinungs- und
Pressefreiheit.
2.1.2.2. Phantastische Kinderliteratur
Aber auch in der von Vertretern des kritischen Realismus als illusionistisch
angegriffenen phantastischen Kinderliteratur, in Romanen wie „Pipi Langstrumpf"
von ASTRID LINDGREN, in Märchen und Fabeln etwa „Ich sag Du bist der Bär"
von JANOSCH oder MAURICE SENDAKS „Wo die wilden Kerle wohnen", wird
Kinderrealität thematisiert. Der poetische Stil und die Bildhaftigkeit der Sprache
lassen ein „Miterleben" auf der Gefühlsebene eher zu als der manchmal sehr
nüchterne Stil des „realistischen Kinderbuches", befriedigen kindliche
Bedürfnisse nach Macht, Stärke und Größe und helfen bei Kinderängsten. Sie
schaffen dadurch Raum für Phantasien, die das Ertragen von Ohnmacht im
Kinderalltag erleichtert.
Das von Pädagogen und Eltern so geschätzte „hochwertige" Kinderbuch mit
„erzieherischem Wert" und, auch heute noch viel zu oft, moralischem Unterton,
stellt nur einen kleinen Teil der belletristischen Literatur für Kinder dar, der an
den realen Lesebedürfnissen der Kinder, besonders dem nach Abenteuer und
leichter Unterhaltung, oft vorbeigeht. Diesem Bedürfnis wird durch eine breite
Palette von Trivialliteratur für Kinder entsprochen.
2.1.2.3. Trivialliteratur für Kinder
Dazu gehören die hauptsächlich in Kaufhäusern zu erwerbenden „Bücher zur
Fernsehserie" ebenso wie Mädchenbuchklassiker vom Schlage „Trotzkopf" und
„Nesthäkchen",„die 5 Freunde" und andere Detektivgeschichten sowie die
„Hanni und Nanni" oder die „TKKG" - Geschichten und Abenteuerromane, die
bei Kindern außerordentlich beliebt sind. Alleine daraus beziehen diese Bücher
ihre Legitimation, ebenso wie die von Pädagogen vielfach als „Schmutz und
Schund" bezeichneten Comics und Heftchen für Kinder. Sie dienen der reinen
Unterhaltung und Zerstreuung. Die Klischees, die veralteten Geschlechtsrollen
und familialen Rollen, die hier transportiert werden, sowie der eindimensionale
Erzählstil sind durchaus der Kritik würdig. Nur entwickeln Kinder im alltäglichen
Umgang mit Literatur Lesefähigkeiten, vor allem hinsichtlich des
Realitätsgehaltes von Texten aber auch hinsichtlich der Ästhetik und Poesie des
Erzählstiles, die es ihnen ermöglichen, Qualitätsunterschiede zu erkennen und
zu reflektieren. Die „Wiederholung des gleichen Strickmusters" in den
Endlosreihen der Abenteuerbücher von BLYTON und Co. ermöglichen
entspanntes Lesen und garantieren doch zugleich ein Mindestmaß an Spannung
und Unterhaltung, bei gleichzeitigem Wissen um das Happy End.
Die verschiedenen Genres auf dem Kinderbuchmarkt sind notwendige Vielfalt.
Sie spiegeln ebenso die Vielschichtigkeit gesellschaftlicher Sichtweisen und
Realitäten, wie auch die individuell und situationsabhängig verschiedenen
Bedürfnisse von Kindern im Verlauf ihrer Entwicklung. Verstehen sich die
Autoren, Literaturwissenschaftler, Kritiker, Pädagogen und Eltern wirklich als
Partner des Kindes, so müssen sie die verschiedenen in der Kinderliteratur
vorkommenden Genres zunächst einmal als Bestandteil von Kinderkultur
akzeptieren und den Kindern zutrauen, sich den „geeigneten" Lesestoff aus dem
riesigen Buchangebot nach ihren Vorstellungen, Neigungen und Bedürfnissen zu
suchen. Dabei kann pädagogische Orientierungshilfe von Erwachsenen nicht
schaden, wenn sie nicht in Bevormundung umschlägt. Am wirkungsvollsten für
die Ausbildung elaborierter Lesefähigkeit und Fähigkeit zur kritischen
Textbetrachtung wie auch für die Freude am Lesen ist jedoch der erlebte
Umgang der Bezugspersonen mit dem Medium Buch und das Medienverhalten
der Familie überhaupt, wie Kinder ihre Eltern und Geschwister als
„Lesevorbilder" erleben. Die ersten Leseerfahrungen in der Schule spielen
ebenfalls eine Rolle für den späteren Umgang mit Büchern.
2.2. Wie kommt die Tigerente auf die Zahnbürste ? Medienverbund und
Merchandising auf dem Kinderbuchmarkt
2.2.1. Der Kinderbuchmarkt
Das Interesse der Verlage an der Kinderliteratur ist nicht mehr nur das eines
„Nebenkriegsschauplatzes", während auf dem Buchmarkt für Erwachsene
angesichts der Monopolisierungstendenzen auf dem Medienmarkt und dem
Konkurrenzkampf mit den „neuen Medien" die Verteilungsschlachten um
Druckrechte stattfinden, sondern es kennzeichnet das Interesse an der Rolle des
Buches in einer multi-medialen Zukunft. Das Kinderbuch soll nicht mehr so sehr
den Erwachsenen als pädagogischen Ratgeber und Käufer ansprechen, als
vielmehr die junge, durchaus medienerprobte Kundschaft. So investieren große
Verlage wie etwa Bertelsmann Millionenbeträge in Marktforschung und über
Stiftungen in universitäre Studien zu Lesesozialisation und Leseverhalten (vgl.
SAXER u.a.1989, die Bertelsmann Studie zu Kommunikationsverhalten und
Medien: Lesen in der modernen Gesellschaft, oder HURRELMANN u.a. 1993,
Lesesozialisation). Mit Kinder- und Jugendbüchern macht der deutsche
Buchhandel inzwischen rund 8% des Gesamtumsatzes von 17,2 Milliarden DM,
dies sind rund 1,4 Milliarden DM. Schulbücher mit 9%, audiovisuelle Medien mit
2% und „Übrige Waren" mit 9% (dahinter verstecken sich die meisten
Merchandising - Produkte) sind hierbei nicht mitgerechnet. Der Umsatz mit den
Nebenrechten, dies sind Übersetzungsrechte aber auch Lizenzrechte für
Tonträger und Bücher zu Filmen, stiegen in den Jahren 1993 -96 um
durchschnittlich 8,3% gegenüber dem Vorjahr. Diese Steigerungsrate liegt weit
über dem Umsatzplus für Bücher, welches im Schnitt bei 5,3 % des
Gesamtumsatzes liegt. Es wurden im letzten Jahr 4.602 Kinder- und
Jugendbücher verlegt, davon 2.967 als Erstauflage und 1.635 als Neuauflage.
Damit sank der Anteil der „zweitgrößten Sachgruppe" (BÖRSENVEREIN des
DEUTSCHEN BUCHHANDELS 1997, S.61) im Vergleich zum Vorjahr um 0,6%,
was vor allem mit einem Rückgang an Neuauflagen erklärt wird. Bücher werden
inzwischen nicht mehr nur in Einzelhandelsgeschäften und über
Buchgemeinschaften verkauft. Die Tendenz geht zu großen Buchkaufhäusern
und Buchhandelsketten wie Hugendubel mit sehr umfangreichen Bestand und
eigenen Buchlagern. Dennoch setzen die kleinen Buchhändler mit 2-5
Beschäftigten in der Sparte Kinder- und Jugendbuch im Verhältnis doppelt soviel
um ( Anteil am Gesamtumsatz 10%) als die großen Buchkaufhäuser. Dies mag
unter anderem daran liegen, daß ein Großteil der Kinderbücher von
Erwachsenen verschenkt wird und sie dem Überangebot in den großen
Buchhandlungen oft ratlos gegenüber stehen, während der kleine Buchhändler
an der Ecke Zeit für Beratung hat und eher für Qualität steht. Kinder- und
Jugendbücher sind mit einem Durchschnittspreis von 15,62 DM für einen
Hardcovertitel und einem Taschenbuchpreis zwischen 8 und10 DM durchaus
auch für junge Kunden erschwinglich.
„In letzter Zeit ist auf dem Kinderbuchmarkt eindeutig die Tendenz „Weg vom
Problem - hin zur Unterhaltung" zu beobachten. Märchenhaft - phantastische
Bücher, witzige Unterhaltung, Krimis und Abenteuerbücher scheinen verstärkt
gefragt zu sein" (S. HENTSCHKE vom Erika Klopp Verlag München).
HENTSCHKE führt diese Tendenz auf die Illusionslosigkeit der erlebten
Alltagsrealität von Kindern in den Zeiten der Rezession zurück. Dies bedeutet
nicht, daß nicht auch „anspruchsvolle Kinderliteratur" aufgelegt und verkauft
wird, die Rezensionen in der Fachpresse und die Preisverleihungen des
deutschen Jugendbuchpreises dürfen aber nicht darüber hinweg täuschen, daß
diese Literatur - wie bei Erwachsenen auch - gegenüber den eher trivial
angelegten „Schmökern" das Umsatzvolumen nicht entscheidend beeinflußt. So
werden denn auch als „Longseller" unter den Kinderbüchern zunächst
übereinstimmend die Abenteuer-Serien von ENID BLYTON genannt, die 1977
angesichts des 100. Geburtstags der Autorin von verschiedenen Verlagen neu
aufgelegt wurden und im Medienverbund mit Fernsehserien, Videos und
Kassetten Sondertische und Regale füllen. Eine eigene Sonderausgabe des
„YOU - Magazin für Kids", eine als Information getarnte Werbebroschüre von
Hugendubel, widmete sich der Vermarktung des runden Geburtstages der
Kinderbuchautorin.
Ebenfalls großer Beliebtheit erfreuen sich Reihen, wie die „Leselöwen",
Themenbücher mit Geschichten für Leseanfänger in großer Fibelschrift, die von
bekannten Kinderbuchautoren und Illustratoren geschrieben und gestaltet sind.
Die Verlage und Buchhandlungen bemühen sich in Ihren Selbstdarstellungen die
Breite des Angebotes zu rühmen und die Qualität der Kinderliteratur
herauszustellen. Es scheint auch heute noch ehrenrührig zu sein,
Unterhaltungsliteratur für Kinder herauszugeben und zu verkaufen. Obwohl bei
den meisten Verlagen gerade der Umsatz mit trivialer Literatur in großen
Auflagen das finanzielle Gerüst ist, welches das Verlegen von anspruchsvoller
Literatur in kleinen Auflagen ermöglicht, so wird dies nur ungern zugegeben. In
dieser Hinsicht eine große Ausnahme unter den Kinder- und
Jugendbuchverlagen ist der Franz Schneider Verlag, der wie kein anderer
deutscher Kinder- und Jugendbuchverlag die Buchherstellung rationalisierte und
kommerzialisierte, der gnadenlos jedes Buch, welches unter 6000 verkauften
Exemplaren pro Jahr liegt, sofort aus dem Sortiment nimmt. Er hat sich bewußt
auf das Massenpublikum „von Sechs- bis Vierzehnjährigen mit
Volksschulbildung" (FLEMMER 1974, S.411) verlegt. „Jede bewußte
Intellektualisierung oder zu starke Pädagogisierung würde den Absatz
gefährden" (ebd.). Schneider hat sowohl den Trend der Zeit nach „Mainstream Unterhaltung für ein Massenpuplikum", als auch das heute aus der
Medienlandschaft nicht mehr wegzudenkende „Infotainment" bereits sehr früh (in
den 60er Jahren) erkannt. Er stellt Information und Wissen aus
Naturwissenschaft und Humanwissenschaften unterhaltsam in seinen
Sachbuchreihen „Wissen universell" und dem „Kinder Kolleg" dar. Gerade
Kinderbuchverlage werden noch immer auf die pädagogische Waage der
„wertvollen Kinderliteratur" gestellt und haben Angst davor, für zu leicht befunden
zu werden, obwohl sie aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen um ein breites
Fundament aus leichter Unterhaltungsliteratur gar nicht herumkommen. Auf die
Paradoxie der Trennung zwischen einer literarisch anspruchsvollen Buchelite,
die sich im Stil der Erwachsenenliteratur annähert und der eher trivialen
Unterhaltungslektüre oder didaktisch motivierten Anfängerlektüre verweist
HURRELMANN. Danach sei die starke Polarisierung von trivialer und
„literarischer" Kinderliteratur sehr kontraproduktiv für eine ausgewogene und
unvoreingenommene Betrachtung der kindlichen Lesebedürfnisse (vgl.
HURRELMANN 1995, S.10).
Kleine Verlage mit anspruchsvollen literarischen Qualitätsansprüchen scheitern
oft sowohl an den Auflagenhöhen des Marktes als auch an dem Geschmack der
Kunden. Sie können sich auf dem Markt kaum behaupten und werden im Zuge
der Konzentration auf dem Medienmarkt von Medienmultis wie Bertelsmann,
Holtzbrink oder Ueberreuter-Verlag, denen kleine Verlage mit anspruchsvoller
Literatur als Aushängeschild gerade recht sind, aufgekauft. Die von den
Verlagen für die Auswahllisten und für die Bewerbung zum „deutschen
Jugendliteraturpreis" jedes Jahr eingereichten Vorschläge stammen dann auch
gerne von für ihre hochwertige Kinderliteratur bekannten Verlage, etwa vom
Anette Betz Verlag, der bereits seit 1967 Uebereuter gehört.
2.2.2. Das Kinderbuch im Medienverbund
Das Kinderbuch ist heute ohne den kommerziellen Medienverbund gar nicht
mehr denkbar.
Bereits in den zwanziger Jahren wurde in den USA eine kleine pfiffige Maus mit
ihren Freunden auf Zelluloid gebannt, aus der beliebten Comicfigur wurde der
größte Trickfilmheld aller Zeiten, und aus seinem Zeichner WALT DISNEY der
weltweit größte Trickfilmproduzent und Erfinder des Merchandising. Es folgten
Verfilmungen von Kinderbuchklassikern, wie „Das doppelte Lottchen" oder „Das
fliegende Klassenzimmer" von ERICH KÄSTNER. Mit dem Siegeszug des
Fernsehens in den fünfziger Jahren begann auch die Suche nach neuen Stoffen
für Kindersendungen. Die Märchen der GEBRÜDER GRIMM wurden in dieser
Zeit verfilmt. Den Hauptteil der Kinderfilme im Kino wie im Fernsehen bildeten
die zahlreichen Importe. Literaturverfilmungen wie „Pippi Langstrumpf", „Die
Kinder aus Bullerbü" und „Ferien auf Saltkrokan" von ASTRID LINDGREN und
die Serienimporte aus den USA, „Flipper", „Fury", „Lassie" oder „Daktari"
gestalteten das bundesdeutsche Kinderprogramm bis in die 70er Jahre hinein.
Auch die ersten Kinderhörspiele, auf Kassetten gezogene Klassiker der
Kinderliteratur, hauptsächlich Märchen und Sagen, waren Versuche, neue
Medien für die Interpretation des Kinderbuches zu nutzen und mit neuen
Medienformen zu experimentieren.
Was diesen Vorläufern des heutigen Medienverbundes noch fehlt, ist die
Kommerzialität, die umfassende Vermarktung eines Stoffes bzw. der Hauptfigur
in allen Medien gleichzeitig und im Schulterschluß mit den Herstellern von
Kinderwaren. Auch die Ablösung der vermarkteten Figur von der Geschichte mit
ihrem Handlungszusammenhang, ihre Abstraktion von konkreten kindlichen
Bedürfnissen, läßt sich bei den obigen älteren Beispielen noch nicht feststellen.
Das Kinderbuch auf dem Medienverbundmarkt tauchte erst im Zusammenhang
mit den japanischen Billigtrickfilmen der 70er Jahre wie „Biene Maja", Heidi",
„Pinocchio" im großen Stil auf (vgl. HENGST 1981, JENSEN/ ROGGE 1980). Sie
enthielten nur noch Grundelemente der ursprünglichen literarischen Vorlagen
und orientierten sich in ihrer Machart vordergründig an möglichst globalen
Vermarktungsmöglichkeiten auf dem Medien- und Kulturwarenmarkt für Kinder.
Die Vermarktungsaktivitäten für Kinderfilmfiguren gehen heute weit über den
Rahmen der traditionellen Kindermedien (Fernseher, Tonträger, Rundfunk,
Bücher und Zeitschriften) im Medienverbund hinaus. Neue Kindermedien, Videound Telespiele, sowie Computer - Games werden in den Medienverbund
einbezogen.
2.2.3. Das Kinderbuch und die Lizenzwaren
Daneben konstituieren die Merchandising - Agenturen eigene Kosumwelten für
Kinder, in denen Kinder Jugendliche und Erwachsene in ihrem Konsum- und
Freizeitverhalten nachahmen und sich gleichzeitig von Ihnen abgrenzen. Die
Dynamik des Konsum- und Freizeitmarktes fordert den ständigen Wechsel der
Moden und Stile. Auch für Kinder gilt, sobald sich ein Trend etabliert hat, ist er
eigentlich schon wieder „out". Dies erfordert eine Austauschbarkeit der Figuren.
Die Identifikationswerte der Ursprungsgeschichte, bei „Heidi" die Kindheitsängste vor Trennung von den Eltern oder bei „Pumuckl" die Auseinandersetzung
mit den Eltern um Autonomie und Gehorsam, werden im Prozeß der
massenweisen Vermarktung in Gebrauchswertversprechen umgesetzt. Da die
Einlösung dieser Versprechen sich mit dem Kauf eines „Heidi"- oder „Pumuckl"Produktes nicht erfüllen kann und immer Illusion bleibt, beginnt das Kind die
Produkte zu sammeln um möglichst viele davon zu besitzen. „Die „Lust am
Haben", das Kaufen (und Sammeln, d. Verf.) wird zur Ersatzbefriedigung"
(JENSEN/ROGGE 1980, S.25). Das Sammeln der jeweiligen „In-Produkte",
garantiert das „Aufgehobensein und Mitreden- können" in der Gruppe der
Gleichaltrigen.
Wie oben schon angesprochen schafft erst die Verfilmung oder die
Fernsehfassung einer literarischen Vorlage die Voraussetzung für eine
Vermarktung auf breiter Ebene. Das Fernsehen oder der Film als Promoter
verleibt sich literarische Vorlagen ein und gibt ihnen eine neue Gestalt, die auf
die Bücher zurückwirkt. Zum einen steigt der Bekanntheitsgrad des Buches - wer
kannte schon „Die Biene Maja" vor der Verfilmung? - zum anderen ändert sich
die Buchgestaltung. Das Layout wird mit den Bildern aus der Serie garniert. Dies
nimmt dem Buch ein Stück von seiner Originalität und verengt die Phantasie. Die
Bilder formen sich nicht mehr im Kopf, sondern sie sind bereits aufgrund der
Fernsehserie oder des Filmes vorhanden, das Buch läßt sie nur wieder aufleben.
Andererseits kommen auf diesem Wege Kinder mit Literatur in Berührung, die
aufgrund der häuslichen Umgebung und der familialen Mediennutzungsmuster
kaum an Bücher herangeführt werden.
Für eine Vermarktung über den Medienverbund hinaus ist jedoch das Fernsehen
oder der Film nötig, da das Bild der vermarkteten Figur die Basis für
Merchandising - Aktivitäten ist. Für die Verfilmung im Verbund mit einer
umfassenden Werbekampagne für Lizenzprodukte kommen nur literarische
Vorlagen in Frage, die Seriencharakter haben und deren Figuren über die
Identifikationsmöglichkeiten des literarischen Rahmens hinaus eine
Generalisierung auf Alltagssituationen oder eine Abstraktion vom konkreten
Geschehen in der Geschichte zulassen, also an kindliche Träume und
Phantasien anknüpfen. Nur wenige Kinderbücher eignen sich dazu. Die
Geschichte des kleinen Kobolds „Pumuckl" von ELLIS KAUT ist ein Beispiel
dafür. Erst die Verfilmung seiner Abenteuer, eine aufwendige Kollage mit dem
gezeichneten „Pumuckl" in einer realen Filmumgebung, machte den
„Klabautermann" über die Grenzen Bayern hinaus bekannt und setzte eine bis
dahin unbekannte Lawine von Lizenzprodukten (400 in Deutschland), vom
Federmäppchen über die Nachttischlampe bis zum Kindergeschirr, in Gang.
"Pumuckl" erlebt Alltagsabenteuer. Er will in kindlichem Streben nach Autonomie
die Welt selbst entdecken, setzt sich dabei auf recht freche Weise über die
Erziehungsregeln seines Ziehvaters „Meister Eder" hinweg und gerät dabei
immer wieder in Gefahr. Er ertrinkt fast in der Badewanne, sperrt sich aus und
erfriert beinahe, läuft weg und findet den Weg nicht mehr und vieles mehr. Am
Ende wird er jedoch immer gerettet oder er hilft sich selbst. Die Darstellung der
Abenteuer des Kobolds im Film und auf den sehr gut gemachten, folgenden
Hörspiel - Kassetten war besonders für Vorschulkinder hilfreich, da hier in
phantastischer Form ihre eigenen Ängste thematisiert wurden und eine
Bewältigung erfuhren.
Auch die bei Kindern sehr beliebte „Pippi Langstrumpf" eignet sich als Stoff, aus
dem die Vermarktungsträume sind. Sie wurde lediglich ein paar Jahre zu früh
verfilmt, um schon in den Sog der umfassenden Merchandising Aktivitäten zu
geraten. So blieb es bei „Pippi" -Kassetten, -Videos, -Aufklebern und einigen
Lizenzprodukten rund um die Schule. Auch steht hier das Interesse der Autorin
ASTRID LINDGREN gegen eine weitreichendere Vermarktung. In den neunziger
Jahren bilden hauptsächlich Kinofilme, entweder Trickfilme von WALT DISNEY
(„Arielle,die Meerjungfrau", „Der König der Löwen", „Pocahontas", „Sindbad",
„Der Glöckner von Notre - Dame", „Die Schöne und das Biest", „101 Dalmatiner",
„Herkules"), oder Familienfilme wie „Jurrasic Parc", „Toy Story" und „Jumanji" die
Grundlage für weltweite Werbekampagnen und die umfassende Vermarktung,
von der Anstecknadel bis zur Zahnbürste.
Die literarischen Vorlagen entstammen neben der Kinderliteratur zunehmend
aus überliefertem, damit jedermann bekanntem Kulturgut wie Märchen und
Sagen, sowie aus der Erwachsenenliteratur.
Das Publikum erfährt eine zunehmende Egalisierung, die
Vermarktungsstrategien des Merchandising und die beworbenen Produkte
richten sich jedoch vorrangig an Kinder und Jugendliche. Neuerdings ist die
literarische Vorlage entbehrlich, es wird eine „Idee" vermarktet. Diese Idee wird
zunächst zum Drehbuch und zum Film und erst im Zuge der Vergabe von
Lizenzrechten wird das „Buch zum Film" geschrieben.
Wie werden nun Buchfiguren zu „Ikonen der Kinderkultur"? Diesem Phänomen
soll am Beispiel der Figuren des Autors und Illustrators JANOSCH ausführlicher
nachgegangen werden.
2.2.4. Merchandising - die Tierfiguren von Janosch als Ikonen der
Kinderkultur
2.2.4.1. JANOSCH - vom Graphiker zum Markennamen
Ein wohl bisher einmaliges Eigenleben außerhalb der Bilderbücher haben die
Tierfiguren des Autors und Illustrators JANOSCH angetreten. Besonders die
„Tigerente", aber auch der „kleine Tiger" und der „kleine Bär" sind heute weit
herumgekommen. Sie finden sich auf Federmäppchen, Radiergummis, Stiften,
Schulblöcken und Taschen, auf Zahnbürsten und -bechern, Zopfspangen und
Kämmen, auf Kindergeschirr und Kinderkleidung, auf Handtüchern und
neuerdings sogar auf Fliesen. Nicht zu vergessen die Glückwunschkarten,
Geschenkpapier und Schlüsselanhänger. Sogar JANOSCH - Wein gibt es zu
kaufen. Die Beispiele zeigen, daß die Fabeltiere von JANOSCH sich längst
verselbständigt haben und nicht nur den Bilderbüchern entstiegen und zu
Kultfiguren geworden sind, sondern auch über den Kulturwarenmarkt für Kinder
hinaus gezogen sind, um die Herzen der Erwachsenen, und deren Geldbeutel,
zu erobern.
Sie entstammen den Entwürfen eines Aussteigers, eines gescheiterten
Zeichners, der Ende der fünfziger Jahre, um sich über Wasser zu halten, in einer
Stoff - und Tapetenfabrik arbeitete. 1960 erschien JANOSCH’ erstes Kinderbuch
„Die Geschichte von Valek dem Pferd" im Georg Lentz Verlag München. Dieser
nahm ihn unter Vertrag, zahlte ihm „...für die nächsten fünf Bücher insgesamt
siebzig Mark..." und so „...entstanden diese unzähligen schlechten
Kinderbücher..." (JANOSCH 1997, S.91 f.). Die Rechte an den JANOSCH Büchern gingen nach dem Zusammenbruch des Georg Lentz Verlages an den
Parabel Verlag über. 1978 kam der Durchbruch mit „Oh, wie schön ist Panama",
erschienen bei Beltz & Gelberg, wofür JANOSCH 1979 den Jugendliteraturpreis
in der Sparte Bilderbuch erhielt. Heute wird JANOSCH bei mehreren großen
Verlagen, wie dem Züricher Domino Verlag, Goldman und Mosaik Verlag (beide
zur Bertelsmann - Gruppe gehörend), verlegt. Sie verfügen über die Rechte an
über 200 verschiedenen JANOSCH - Büchern, die meisten davon Kinderbücher
und Bilderbücher, die mittlerweile in 36 Sprachen übersetzt wurden.
Nach dem großen Erfolg der „Panama - Reihe" erfolgten zu Beginn der 80er
Jahre die ersten Sekundärverwertungen der JANOSCH - Figuren. Diese
erstreckten sich zunächst lediglich auf Tonträger und Schreibartikel, Grußkarten,
Radiergummis, Stifte u.s.w.. Die frech - fröhlichen Kindergeschichten von
JANOSCH wurden zunehmend von Eltern und Erziehern entdeckt und so fanden
der „kleine Bär", der „kleine Tiger" und die „Tigerente" in immer mehr
Kinderzimmern und in Kindergärten und Kindergruppen eine neue Heimat.
Zu Kultfiguren avancierten die Tierfiguren jedoch erst seit Beginn der 90er Jahre
im Zusammenhang mit der Kinderserie „JANOSCHS TRAUMSTUNDE" (26 x 30
Minuten). Auch hier findet sich wieder der enge Zusammenhang zwischen der
Verfilmung eines Buches oder Skriptes und der damit erst möglich gewordenen
Vermarktungswelle. Die „laufenden Bilder" dringen bis in jedes Wohnzimmer vor
und sie schaffen Gemeinsamkeit. Bücher werden Kindern im Bilderbuch - Alter
zumeist geschenkt, der Fernseher ist für sie eher zugänglich; auch hier findet
Kontrolle durch die Eltern statt, aber besonders Kindersendungen werden von
den meisten Eltern kaum reflektiert. Die „JANOSCHS TRAUMSTUNDE" Staffel
wurde mittlerweile mehrfach wiederholt und läuft derzeit im Kinderkanal. Seit
Januar 1996 gilt der „Tigerenten Club", eine 90 minütige Kindershow rund um die
JANOSCH - Figuren, als sehr erfolgreiche deutsche Antwort auf den bis dahin
auf diesem Sendeplatz (Samstag Nachmittag, Wdh. Sonntag Morgen in der
ARD) gesendeten „Disney Club". Durch die ständige Medienpräsenz lassen sich
die Lizenzwaren immer besser verkaufen.
Insgesamt werden derzeit (Stand Nov.’97) rund 150 Produkte, von denen einige
Sammelbegriffe für ganze Produktpaletten sind, in Lizenz hergestellt. Die
genaue Anzahl der Einzelprodukte dürfte ungefähr bei 300 verschiedenen
Artikeln liegen. Der Diogenes Verlag, der größte Verleger von JANOSCH Büchern (alleine 29 Neuauflagen und Neuerscheinungen 1997) hat die Lizenzen
für die JANOSCH - Figuren und deren Verwertung an die Merchandising Agentur
BavariaSonor in München vergeben. BavariaSonor vermarktet nicht nur die
Nebenrechte der Muttergesellschaft Bavaria Film, sondern ist auch für die
Lizenzauswertung von Comicfiguren und Buchfiguren („Pumuckl", JANOSCH mit
„Tigerente", „Kleiner Bär", „Kleiner Tiger" und „Emil Grünbär"), TV-Produktionen
und Filmen („Die Sendung mit der Maus", „Unser Charly", „Siebenstein",
„Tigerenten Club", „Süderhof" und „Rennschwein Rudi Rüssel"), Markennamen
(„Playmobil"), sowie für die Sponsoring - Aktivitäten von ARD und ZDF,
Bertelsmann /UFA, BR, Diogenes, SAT.1, WDR u.a. zuständig. Seit 1993 besitzt
BavariaSonor die Exklusivrechte an allen JANOSCH - Figuren. Die Bücher und
Sekundärprodukte von JANOSCH sind „Longseller", bei sich ständig
erweiternder Produktpalette. Anders als die kurzlebigen, oft nur einige Monate
dauernden Merchandising - Kampagnen, die mit der Kino- oder
Fernsehausstrahlung eines Filmes einher gehen und den Markt mit „XYZ Produkten" überschwemmen, halten sich „Tigerente" und Co. seit ungefähr 15
Jahren (außerhalb der Kinder- und Bilderbücher, die in den vergangenen 35
Jahren entstanden) mit starker Tendenz zur Vermehrung. Während in den 80er
Jahren zu Beginn der Merchandising - Aktivitäten noch hauptsächlich
Kindermedien und -produkte wie Schokoladefiguren (inzwischen nicht mehr im
Programm), Kassetten, Spielwaren und Schreibartikel hergestellt wurden,
umfaßt die Liste inzwischen ein breites Sortiment alltäglicher Gebrauchsgüter für
Kinder und Erwachsene. Neben den traditionellen Spiel- und Schreibwaren
finden sich Kleidung und Frotteewaren für Erwachsene und Kinder, Kinder Toilettenartikel (vom Badestöpsel bis zur Zahnspangendose) Geschenkartikel,
Freizeit- und Sportartikel, vom Fahrrad über Drachen und Handarbeitsartikel bis
hin zu verschiedenen Taschen. Neu ist auch die Erweiterung der Produktpalette
auf Babyartikel, Fläschchen, Wärmflasche und Haushaltswaren wie Bügeltische,
Fliesen, Teppiche und Tapeten. Porzellan und Glas, d.h. Geschirr und Gläser für
Kinder und Erwachsene gehören ebenfalls zur neue Produktlinie. Accessoires,
wie Armbanduhren, Brillen, Schlüssel- und Geldtaschen, Gürtel und
Schuhbänder runden das Bild ab.
Vertrieben werden die Merchandising - Produkte in Buchhandlungen und
Spielwarengeschäften, Geschenkboutiquen und Kaufhäusern, aber auch im
Fachhandel, etwa in Haushaltswarengeschäften und im Fliesenhandel.
JANOSCH ist längst zum Markennamen avanciert. Derzeit erobern eigene
Verkaufsstände mit JANOSCH - Produkten die Supermärkte und Großdrogerien.
Angesichts dieses Erfolges, „ein Leben ohne Tigerente himmelschietpotztausend - das wäre so fad wie eine Zahnpasta ohne Streifen!",
scheint es geboten, das Besondere an den Geschichten und Figuren von
JANOSCH zu suchen, die ein alltäglicher Bestandteil nicht nur von Kinderkultur
geworden sind. Die Zielgruppe für die Merchandising - Aktivitäten reicht dann
auch, was anhand der Produktpalette ja schon zu erkennen war, vom Baby bis
zum Erwachsenen. Unter den Zusehern des „Tigerenten Clubs" finden sich
neben durchschnittlich 45% Kindern von 3-13 Jahren auch 15-20% Erwachsene.
2.2.4.2. „Oh, wie schön ist Panama! "
- die Prototypen in den Kinderbüchern von JANOSCH und Wunschvorstellungen
der Gesellschaft
JANOSCH bedient sich in seinen Tiergeschichten meist der literarischen Form
der Fabel. Diese „säkularisierte Form des Gleichnisses", die bereits im Mittelalter
benutzt wurde, um Kindern und Heranwachsenden allgemeine Regeln des
sozialen Verhaltens und Fehlverhaltens vor Augen zu führen, war trotz der
„Tierhelden" und der im Phantastischen angesiedelten Erzählung immer ein
Zeichnen und Erzählen der tatsächlichen Verhältnisse. Die Fabel vereint
verschiedene Funktionen in sich. Sie stellt die in einer Gesellschaft gültigen
moralischen und gesellschaftlichen Normen unterhaltsam dar und fordert
gleichzeitig zur Reflexion über diese Normen auf. „Insofern richtet sie thematisch
ihr Augenmerk auf die Unvollkommenheit in den herrschenden Verhältnissen, sie
richtet sich gegen Unterdrückung und träges Hinnehmen derselben" (DODERER
1992, S.168).
Die Fabeln von JANOSCH müssen im Zusammenhang mit der
emanzipatorischen Kinderliteratur der späten 60er und 70er Jahre gesehen
werden. Sie stellen Autoritäten, von Seite des Staates wie der Eltern, in Frage
und geben den Kindern mehr Autonomie im Handeln. Die Helden sind eindeutig
die (Tier)kinder. Die durchaus romantische Vorstellung von Kindern als den
Überwindern der Verhältnisse findet sich bei JANOSCH als Motiv immer wieder,
beispielsweise in „Ich sag, Du bist der Bär"(JANOSCH 1977), wo ein Junge mit
seinen Ratschlägen an den an seinem Arbeitsplatz drangsalierten Vater nicht
nur seine eigenen Ängste überwindet, sondern auch dem Vater hilft. Dieser Typ
des kindlichen Überhelden, der sich in den Bilder- und Kinderbüchern der
Nachkriegszeit bis hin zur Gegenwart erhalten hat, sind zwar unrealistisch,
tragen aber dazu bei, daß Kinder sich mit ihren Ängste konfrontieren und diese
kontrolliert überwinden und mehr Mut zu sich selbst entwickeln können (vgl.
DODERER 1992, S.114-121).
In den „Panama-Geschichten" kommen Eltern gar nicht mehr vor. Der „kleine
Tiger" und der „kleine Bär" erziehen sich gegenseitig. Sie sorgen füreinander,
überwinden Ängste gemeinsam und geben sich Geborgenheit und Liebe.
Warum waren und sind gerade diese JANOSCH Figuren, bei Kindern und
Erwachsenen so beliebt und so erfolgreich zu vermarkten?
JANOSCH erzählt kleine Geschichten über große Menschheitsträume, die
Sehnsucht nach „dem fernen Land der tausend Möglichkeiten", der Wunsch
nach Reichtum, der ein unbeschwertes Leben garantiert, die Suche nach
Freunden und nach Liebe. Seine Tierfiguren „kleiner Tiger" und „kleiner Bär" sind
frech, aber dabei gutmütig und hilfsbereit. Menschen kommen in den
Erzählungen selten vor, wenn doch, sind sie sehr klischeehaft und einfach
gezeichnet. Die „Panama - Geschichten" enden im Gegensatz zu anderen
Tiergeschichten von JANOSCH gut.
In den Abenteuern von „Tiger und Bär" werden romantische Themen
angesprochen, der Traum vom Paradies, von Freundschaft, vom Aussteigen.
„Tiger und Bär" sind gemeinsam stark, sie halten zusammen in einer feindlichen
Welt. Sie sind - sehr wirklichkeitsfremd - ausschließlich mit positiven
Eigenschaften ausgestattet, ganz anders als die Figuren in den anderen
Tiergeschichten von JANOSCH, etwa der „Mäusesherrif" oder „Schnuddel", die
wie ganz normale Kinder nicht nur lieb und hilfsbereit sind, sondern auch nach
Herzenslust flunkern , Streiche aushecken, und in ihrer Wut schon mal etwas
kaputt machen. Der „kleine Tiger" und der „kleine Bär" sind im Wortsinn
„Bilderbuchkinder", unschuldige, gutmütige, ruhig etwas freche Kinder im
Kindergartenalter, die ihren Aktionsradius langsam erweitern und selbständig
werden. Sie sind die Freude eines jeden Erwachsenen. Die beiden stehen
ebenso für die verlorene Kindheit, für ein nicht wiederkehrendes und auch nie
dagewesenes Idyll von Kindheit und gefallen daher gerade den Erwachsenen
gut, die Kinderbücher weniger nach den Wünschen der Kinder, als nach ihren
eigenen Vorstellungen auswählen und kaufen. Kinderbücher entsprechen dann
auch oft eher diesen Vorstellungen, sind weniger kindgemäß als kindertümlich,
„es wird nämlich nicht die Verständlichkeit für Kinder gefordert, sondern das Bild,
das der Erwachsene von Kindertümlichkeit einer Illustration (oder eines Textes
d. Verf.) hat" (P.MAAR zit. n. BAUMGÄRTNER /SCHMIDT 1991, S.82). Daran
orientieren sich auch die an guten Umsätzen interessierten Verleger. So werden
Bilder- und Kinderbücher eher verlegt, wenn die Illustrationen einfach und
klischeehaft kindlich sind, und der Text in „Kindesmundart" (einfache Sätze,
Wiederholungen, orientiert an der kindlichen Rede) geschrieben ist. Kinder
hingegen fühlen sich von Büchern, die im Text oder in der Bildgestaltung
unangemessen kindlich sind, und damit zu wenig ihrer Wißbegierde und
Auffassungsfähigkeit entsprechen, eher unterfordert und gelangweilt.
JANOSCH gelingt es, in seinen „Panama - Büchern" kindliche
Entwicklungsthemen und Kinderträume nach Autonomie und Freundschaft, nach
Freiheit und Geborgenheit darzustellen, und diese in Erwachsenen
wiederaufleben zu lassen. In „Oh, wie schön ist Panama" steckt das bürgerliche
„my home is my castle", aber auch die Suche nach Freiheit und Abenteuer, der
nicht nur in der Kindheit wichtige Gegensatz zwischen dem Wunsch nach
persönlicher Autonomie und dem nach emotionaler Bindung und Geborgenheit.
Darüber hinaus gewinnt JANOSCH über die in Text und Illustration versteckte
Ironie und Gesellschaftskritik und jede Menge Humor auch kritische Erwachsene
für sich.
Die Illustrationen erinnern stilistisch an die Bilderbücher des letzten
Jahrhunderts, etwa „Die Wurzelkinder" oder die Illustrationen von LUDWIG
RICHTER zu „ Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel" aus BECHSTEINS
Märchenbuch. Die „...skurrile, leicht versponnene kleinbürgerliche Idylle strahlt
die gleiche Behäbigkeit und Zufriedenheit aus wie Richters „Igel vor dem Haus".
Freilich, JANOSCH betreibt die Typisierung in einer augenzwinkernd - ironischen
Weise, alles ist noch ein wenig karikaturhaft - humorvoller dargestellt, aber die
bildnerischen Merkmale der frühen Kinderbuchillustration sind erhalten
geblieben: der betont einfache kulissenhafte Aufbau des Bildes durch Rahmung,
die additive Anordnung der Bildelemente, die Verliebtheit ins Detail und die
Neigung zum Pittoresken" (THIELE 1990, S.77). Mit den im Biedermeier
ausgestatteten Wohnzimmern in den Büchern von JANOSCH verbindet sich
zwar eine Ironisierung der bürgerlichen Familie mit ihrem Nippes und
Spitzendeckchen und den dahinter verborgenen, manchmal fragwürdigen
doppelbödigen Moralvorstellungen und Rollenmustern, vermittelt sich aber auch
Geborgenheit und Aufgehobensein in bekannter Umgebung und mit vertrauten
Menschen. Fraglich ist es, ob diese Ironie sich dem oberflächlichen Betrachter
mitteilt, oder ob nicht vielmehr die pittoresk, romantisch altertümliche
Atmosphäre der Bilder überwiegt. Bei genauerer Betrachtung lassen sich kleine
ungewöhnliche Bildelemente entdecken, die die kleinbürgerliche Idylle
karikieren, etwa der obligatorische Regenschirm an der Wand oder von der
Decke herabbaumelnde Pilze, Knoblauch, oder Wäsche, sowie an die Wand
genagelte Zettel mit allerlei Sprüchen. So oberflächlich unterhaltsam die Bilder
von JANOSCH dem Betrachter zunächst erscheinen, so hintergründig werden
sie bei näherer Betrachtung.
In seinen Texten orientiert sich JANOSCH meist an der kindlichen Rede. Er
verwendet vielfach Wort- oder Satzwiederholungen zur Bekräftigung und spielt
mit Worten, verdreht sie, schöpft neue Wörter, und verwendet jede Menge
Schimpfwörter. Die komischen Wortschöpfungen und sein frecher unverblümter
Stil bringen den Leser immer wieder zum Lachen. JANOSCH nimmt nichts und
niemanden ernst, am allerwenigsten sich selbst. Diese ironische Distanz zu
seinen Büchern ermöglicht es ihm auch, obwohl er an der Oberfläche in einer
konventionellen Bilderbuchidylle verharrt, dieser den ironischen Spiegel vor die
Nase zu halten.
Dann wieder setzt er einen elaborierten Sprachschatz bei seinen jungen Lesern
voraus, etwa in „Der Mäuse - Sheriff" oder in „Das Geheimnis des Herrn Josef"
(beide ab 8 Jahre).
Die freche, unverblümte und ironische Sprache und die liebevolle Illustration
haben JANOSCH berühmt gemacht. Doch die Ironie liegt oft so versteckt, daß
die Kinder im „JANOSCHALTER" sie ohne Hilfe nicht finden und ohne Erklärung
nicht begreifen können. Sie bemerken zwar die zahlreichen Übertreibungen und
lachen darüber, der tiefere gesellschaftskritische Sinn bleibt ihnen aber
verborgen. Dieser wiederum interessiert die sich selbst als aufgeklärt und
sozialkritisch bezeichnende Elterngeneration. Die von JANOSCH bewußt
verstreuten „Ketzereien...gegen Religionen, Eltern und Obrigkeiten"
(JANOSCH,1997,S.173) sind meist augenzwinkernd - humorvoll in den Text
oder ins Bild gesetzt und sollen den Kindern helfen, nicht alles zu glauben, was
ihnen von Erwachsenen gesagt wird und die erlittenen Ungerechtigkeiten, denen
Kinder im Alltag ausgesetzt sind, leichter zu ertragen.
Ernsthafte Gesellschaftskritik findet sich hier allerdings kaum, dazu sind die
Charaktere zu oberflächlich und klischeehaft gezeichnet. Auch bleibt die
romantisierende Bildsprache mit Blumenranken und Biedermeiersofa in zarten
Farben zu märchenhaft in der Historie stehen, um einen konkreten Bezug zur
Realität heutiger Kinder entstehen zu lassen.
So stellen die „Panama - Geschichten" ein bürgerlich romantisches Bild von
Kindheit dar, an dessen Farbe allenfalls ironisch leicht gekratzt wird, dessen
Aufbau aber in sich stimmig und fest gefügt ist.
Seiner Kritik an den Eltern und ihren Handlungsweisen im Umgang mit Kindern,
Geboten und Verboten und Sanktionen, gibt JANOSCH an anderer Stelle in
manchmal fast zu realistisch - zynischer Weise Ausdruck. Er erzählt in heiterer
Versform Begebenheiten des Erziehungsalltags und läßt diese dann tragisch
oder grausam enden. Er erinnert darin an HOFFMANNS „Struwwelpeter" oder
„Max und Moritz" von WILHELM BUSCH. In zwei Gedichten aus „Das Leben der
Thiere", die hintereinander abgedruckt sind, erfährt das Kind, daß es nicht sicher
und geborgen ist, egal ob es auf die Eltern (hier die Mutter) hört oder nicht.
Beide Male endet das Gedicht mit dem Tod des Tierkindes. Die Geschichten und
Gedichte von JANOSCH sind in ihrer pädagogischen Widersprüchlichkeit und
Klischeehaftigkeit durchaus diskussionswürdig. Vor allen Dingen sollten Eltern
und Erzieher beachten, daß ein Buch von JANOSCH mit vielen bunten Bildern
nicht automatisch dafür geeignet ist, kleine Kinder damit alleine zulassen und
daß JANOSCH nicht immer für frech - fröhliche, unkonventionelle
Kindergeschichten mit „romantischem Touch" steht, sondern auch für ernste
Geschichten und Gedichte zu immer noch tabuisierten Themen, wie
Grausamkeiten unter Geschwistern (vgl. die Geschichten der Tigerschweinchen
in „Das Leben der Thiere", JANOSCH 1988) oder zwischen Eltern und Kindern
(„Erster Flug", ebd., S.22f).
Auch seine kritisch - poetische Erwachsenenliteratur, die kleine Geschichten von
Menschen aus seiner polnischen Heimat erzählt und eine reflexive
Beschäftigung mit der deutsch - polnischen Vergangenheit und seiner eigenen
Kindheit darstellt, ist den meisten Erwachsenen unbekannt.
Die besonders klischeehaft - einfach gezeichneten Figuren „kleiner Tiger" und
„kleiner Bär" in ihrer „heilen Bilderbuchwelt" hatten und haben den größten
Erfolg, da sie Menschheitsträume leben (s.o.) und menschlichen
Grundbedürfnissen Gestalt geben. Der „kleine Bär" symbolisiert Geborgenheit
und der „kleine Tiger" Stärke. Beide zusammen geben dem Bedürfnis nach
Liebe und Freundschaft ein Leben lang Raum. In den Geschichten werden
historisch - anthropologische, die menschliche Gemeinschaft erhaltende
Verhaltensweisen, Wertvorstellungen und Rollenvorstellungen vermittelt, die
identitätsstiftende Wirkung haben, so Selbstdisziplin, Opferbereitschaft, Fleiß,
Anpassung, Genügsamkeit.
Die „Tigerente" ist eigentlich nichts weiter als eine gelb-schwarz gestreifte kleine
Holzente mit Rädern, ein Spielzeug des „kleinen Tigers" und hat gar keinen
eigenen Charakter. Allerdings ist sie unentbehrlich für den „kleinen Tiger" und
wird auf alle Abenteuer von „Bär und Tiger" mitgenommen. Sie symbolisiert die
regressiven Tendenzen im Kind, erinnert an das Lieblingsspielzeug, daß man die
ganze Kinderzeit hindurch mit sich herumtrug, ohne das an Einschlafen nicht zu
denken war. Sie ist beständig und gibt Halt und Geborgenheit. Sie ist es dann
auch, die den meisten Erfolg in den Medien und auf den JANOSCH - Produkten
hat.
Alle drei bieten in ihrer Einfachheit Projektionsflächen für
Identifikationsbedürfnisse auf breiter Ebene. Dies ermöglicht erst eine
massenweise Vermarktung im Medienverbund und auf dem Lizenzwarenmarkt.
Tigerente und Co. unterscheiden sich in ihrer illusionistisch - einfach kindlichen
und plakativ - harmonischen Machart nicht von den Zeichentrickfiguren der Walt
Disney Filme und der japanischen Billigproduktionen „Biene Maja", "Heidi",
„Wickie" u.a. Sie alle leben vom Image der Buch - und Trickfilmfiguren.
2.2.4.3.Tigerente und Co.- Freunde fürs Leben?
Kinder sind heute, mehr noch als von anderen Kinderfiguren, von „Tigerente"
und Co. umgeben, da diese auf breiter Basis von Erwachsenen, Eltern und
Großeltern, Kindergärtner/innen und Lehrer/innen, akzeptiert und befürwortet
werden. Die Geschichten von JANOSCH sind aus keiner Leseecke in
Kindergarten oder Grundschule mehr wegzudenken, die Kassetten von Emil
Grünbär zur Umwelterziehung und die Filme mit „Bär und Tiger" zur
Verkehrserziehung ebenso. Tigerente und Co. mit ihrem liebenswert - frechen
Charme sind feste Bestandteile der heutigen Alltagskultur geworden.
Anders als vergleichbar erfolgreiche Kinderfigurprodukte im Medien- und
Kulturwarenverbund sind die Produkte qualitativ hochwertig, also weniger auf
rasche Konsumption und Kurzlebigkeit ausgerichtet. Dies hängt mit dem Image
der Figuren zusammen. Sie stehen für Beständigkeit, die gute alte Zeit,
Gemütlichkeit und sollen den „Longseller - Erfolg" der Bücher unterstreichen.
Das Marketingkonzept heißt dann auch: Markenhersteller zur Zusammenarbeit
gewinnen, Umweltbewußtsein und Qualität zeigen in Materialauswahl und verarbeitung. So werden gängige Lizenzthemen und Produkte wie Süßigkeiten,
Plastikfiguren und -spielzeug bewußt vermieden. Die Tigerentenwelt besteht aus
Holzspielzeug, Naturbleistiften, Papiertüten und echtem Porzellan. JANOSCH ist
zur Kultmarke avanciert, und hat damit „...für einen bestimmten Zeitraum einen
Identifikations-, einen Innovations- und einen Erlebniswert..., den ein Produkt mit
einem anderen Namen, erfüllt es auch den gleichen Zweck, nie und nimmer
haben kann" (MÜLLER 1997, S.154). JANOSCH - Produkte sollen „Freunde fürs
Leben" werden. Ob sie es schaffen, den Kultstatus über die Jahre zu erhalten,
bleibt fraglich. Die aggressiven Werbestrategien dieses Jahres mit
Verkaufsständen in nahezu allen größeren Geschäften und die enorme
Ausweitung der Produktpalette verheißen im Moment noch Erfolg, die
Exklusivität, die Kinder in ihren eigenen Moden und Stilen suchen, ist damit aber
nicht mehr gegeben. Die Ausweitung der Produktpalette auf
Erwachsenenprodukte schafft zwar einen größeren Käuferpool, könnte aber
durchaus dazu führen, daß Tigerente und Co. bei Kindern sehr schnell „mega out" sind. Sie dienen den Kindern auch zur Abgrenzung ihrer Welt gegenüber
Jugendlichen und Erwachsenen. Sind die Produkte nicht mehr ausschließlich für
sie, verlegen sie sich schnell auf ein anderes Emblem oder Logo. Durch die
aggressive Expansion der JANOSCH - Produktpalette wurde außerdem der
„Mode" - Charakter unterstützt, der „Longseller - Effekt" leidet unter der Dynamik,
der Moden und Stile ausgesetzt sind. Zuviel Produktpräsenz läßt ein Produkt,
einen Namen oder Emblem schnell veralten, und da bei JANOSCH die
Produktpalette nahezu ausgereizt ist und sich auch hinsichtlich der Produkt Neugestaltung nicht viel ändern läßt, ist es fraglich, wann der Abwärtstrend
einsetzt. Außerdem haben die JANOSCH - Figuren, dieses Jahr prominente
(Schein)konkurrenzin Form der guten alten „Maus" aus den „Lach- und
Sachgeschichten" bekommen. Anläßlich des 26jährigen Fernsehjubiläums
startete eine ungeheure Werbekampagne und so stehen „Maus, Elefant und
Ente" mit einer ähnlichen Produktpalette, im eigenen Verkaufsstand momentan
neben „kleinem Tiger", „kleinem Bär" und „Tigerente" in den Geschäften und
Kaufhäusern. Auf dem Markt für Erwachsenenprodukte haben sich Maus und
Co. bisher nur bis zu den Socken und Herren - Boxershorts vorgewagt.
Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten konkurrieren die „ Sendung mit der Maus Figuren" nur scheinbar mit den Figuren von JANOSCH, da der Gewinn in
nahezu die gleichen Kanäle fließt. Bezüglich der Sympathie und Aufmerksamkeit
der Kunden aber stehen sie aufgrund ihres ähnlichen Images durchaus im
Konkurrenzverhältnis. Die Geschichten um die Figuren entstammen der gleichen
Zeit, die heutige Elterngeneration wuchs schon mit der „Sendung mit der Maus"
auf. Auch sie steht für Beständigkeit, erinnert an die eigene Kindheit,
Freundschaft und kindliches Autonomiestreben.
Resümierend läßt sich befürchten, daß die Marke JANOSCH, die wie alle
anderen Marken und Ikonen der Medien- und Konsumwelt der Dynamik des
Marktes ausgesetzt ist, vom Sog des ewig Neuen mitgerissen wird. Die nächsten
Trends und Kinderkulte stehen schon in den Startlöchern.
3. Die Konstruktion der Wirklichkeit - Kinder gestalten ihre eigene Kultur
Die Medien- und Konsumwelt, in der Kinder heute aufwachsen, die Fülle und
Allgegenwart von medialen Angeboten und Waren für Kinder in ihrer virtuellen
Ästhetik, sprechen für Verführung, die ausgefeilten Werbestrategien für
Manipulation und für das planvolle Ausnutzen des noch unerfahrenen und
gutgläubigen Kindes mit seinen unerfüllten Bedürfnissen. So ging denn auch die
medienpädagogische Forschung zunächst lange von einem kommunikativen
Imperativ der Medienwirkung in der Tradition von Marshall Mc Luhan aus. Der
Wirkungsbegriff als solches ist deterministisch zu einseitig verwendet worden,
dem Rezipienten wurde lange Passivität unterstellt.
Erst mit dem Nutzenansatz vollzog sich die längst notwendige Hinwendung zum
aktiven Mediennutzer, der Medieninhalte nach persönlichen Vorlieben auswählt
und konsumiert. Auch dieser Ansatz war zu mechanistisch angelegt, bleiben
doch sowohl die interaktiven Komponenten des Mediums als auch die
sozialökologische Einbindung des Rezipienten außer acht.
Die Polarität von gesellschaftlichen Massenfolien und Erlebnis Inszenierungswelten von Medien und Konsum, wie auch die gegenläufigen
Tendenzen der Individualisierungsprozesse in sozialen Kleingruppen müssen
von Kindern heute zu einer persönlichen Identität vereint werden (vgl. TIETZE
/ROSSBACH 1993, S.66). Dabei differieren und wechseln die Anforderungen
und sinnstiftenden Angebote der medialen und gesellschaftlichen Umwelt so
immens, daß die Identitätsfindung, die individuelle Verortung in der Gesellschaft
nur noch mit Mühe zu bewältigen ist .
Medien und Kulturwaren für Kinder dienen der Orientierung, der Verortung in der
Gesellschaft der Gleichaltrigen und Freunde und der gleichzeitigen Abgrenzung
von den Erwachsenen und kleineren und größeren Kindern. Sie helfen sowohl
bei der Bewältigung individueller Problemlagen in der Familie, als auch bei der
im Entwicklungsprozeß notwendigen Bewältigung von Rollenanforderungen und
Entwicklungsaufgaben.
So muß Mediensozialisationsforschung heute sozialökologische Gesichtspunkte
und situative Elemente, individuelle momentane Entwicklungslagen und
generelle Entwicklungsaufgaben berücksichtigen. Dies bedeutet mehr denn je
Interdisziplinarität und Methodenvielfalt, erfordert den Einbezug interpretativer,
heuristischer Verfahren und eine Aufgabe der strengen Kausal - Empirie.
Im Folgenden sollen unter besonderer Berücksichtigung der Methode der
strukturanalytischen Rezeptionsanalyse von CHARLTON /NEUMANN-BRAUN
u.a. zur Medien- und Werbekompetenzentwicklung (1995), sowie zu
Medienkonsum und Identitätsentwicklung (1986; 1990) und der Arbeiten von
HURRELMANN u.a. zur Lesesozialisation (1993) einige Faktoren herausgestellt
werden, die den individuellen Umgang mit der Medienvielfalt und dem
Kulturwarenmarkt für Kinder im Laufe der Identitätsentwicklung besonders
beeinflussen.
3.1. Mediennutzungsgewohnheiten und das Vorbild der Eltern
Die Familie, als Ort der primären Sozialisation mit den ersten Erfahrungen auf
Beziehungs- und Dingebene und den primären Bezugspersonen als Vorbilder für
eigenes Handeln, beinhaltet auch Medienhandeln als Teil des Alltagshandelns.
Neben der Ausstattung mit und der Verfügbarkeit von Medien bestimmen
familiale Nutzungsgewohnheiten die Einbettung des Mediengebrauchs in das
Familiengeschehen, das „Erlernen von Alltagsroutinen (im Medienumgang, d.
Verf.) und Muster kommunikativen Handelns" (HURRELMANN u.a.1993, S.85).
Besonderheiten und Inkonsistenzen in der alltäglichen familialen Mediennutzung,
wie etwa willkürliche, pädagogisch „verordnete" Restriktionen des kindlichen
Mediengebrauchs, erzeugen Spannungen und Unsicherheitsgefühle bei Kindern.
HURRELMANN (ebd, S.95ff.) konnte fünf Cluster unterschiedlicher familialer
Mediennutzungsmuster finden. „Intensivnutzer vieler Medien" (23,5%) sind mit
Medien sehr gut ausgestattet und zeigen sowohl häufiges und langes Lesen wie
auch die intensive Nutzung der elektronischen Medien, besonders des
Fernsehens. „Intensivnutzer von Büchern" (27%) zeigen ein selektives
Medienverhalten. Sie bevorzugen Bücher und anspruchsvolle Zeitschriften und
sehen kaum fern. Neben dem Lesen scheint in dieser Gruppe besonders das
Musikhören eine wichtige Funktion zu haben. In dieser Gruppe sind die Eltern
mit dem höchsten Bildungsniveau deutlich überrepräsentiert. „Intensivnutzer von
Computermedien" (14%) nutzen andere Medien kaum und den Computer
hauptsächlich zum Spielen. Die Ausstattung mit Printmedien ist stark
unterdurchschnittlich, auch die elektronischen Medien, mit Ausnahme des
Fernsehers, sind unterdurchschnittlich vorhanden und werden nicht sehr intensiv
genutzt. Die Fernsehnutzung entspricht in etwa dem Gesamtdurchschnitt.
„Durchschnittliche Mediennutzer" (23,5%) spiegeln in ihren Mediengewohnheiten
in allen Bereichen etwa den Durchschnitt der Gesamtstichprobe, lediglich die
tagesaktuellen Medien sind leicht überdurchschnittlich vertreten. Die
Medienausstattung entspricht ebenfalls der Gesamtpopulation, desgleichen die
Schichtzugehörigkeit. „Intensivnutzer weniger Medien" (12%) zeigen geringes
Interresse am Buchlesen und bevorzugen das Fernsehen stark. Gelesen werden
Tageszeitungen, Illustrierte und am häufigsten Heftchen - Romane. Die
Medienausstattung ist eher begrenzt. Das untere Bildungsniveau ist deutlich
überrepräsentiert und Eltern mit höherem Bildungsniveau fehlen in dieser
Gruppe ganz.
Den verschiedenen familialen Mediennutzungsmustern lassen sich die Kinder
der untersuchten Familien der Tendenz nach zuordnen (Zuordnung nach
Befragung der Mütter). Daraus läßt sich nun zunächst nur eine Orientierung der
Kinder am elterlichen Medienverhalten festhalten, die noch der näheren
Konkretisierung bedarf.
Wie oben schon zu sehen, scheinen Schichtzugehörigkeit und Bildungsniveau
mit bestimmten Nutzungsmustern und Präferenzen für bestimmte Medien
konform zu gehen. Das Familieneinkommen korreliert deutlich mit der Anzahl der
vorhandenen elektronischen Mediengeräte, während sich aber bei höherem
Bildungsniveau und Schichtzugehörigkeit leicht negative Zusammenhänge
erkennen lassen. Besonders auf Videorecorder (nur 39% besitzen einen,
gegenüber rund 71% in der unteren Bildungsebene) und Kabelfernsehen (rund
32% gegenüber 55%) legen Familien mit höherem Bildungsniveau weniger Wert.
Im Besitz von Büchern zeigen sich noch immer am deutlichsten soziale
Statusunterschiede. Bildung und Schicht korrelieren hochsignifikant (p<.001)
sowohl mit dem Buchbesitz der Familie insgesamt als auch mit dem Buchbesitz
der Kinder. „Vor allem über die Bücherumwelt in den Familien drücken sich also
unterschiedliche kulturelle und soziale Lebensbedingungen im Medienbereich für
die Kinder tagtäglich wahrnehmbar aus" (HURRELMANN u.a. 1993, S.91).
Das Medienverhalten der Kinder orientiert sich an den Medienpräferenzen der
Eltern. Kinder von „Intensivnutzer(n) vieler Medien" nutzen ebenso intensiv und
selbstverständlich eine breite Palette von Medien, wie ihre Eltern, Kinder von
„Intensivnutzer(n) von Büchern" nutzen Bildschirmmedien vergleichsweise wenig
und lesen dafür häufiger und mehr. Sie ahmen darin ihre Eltern nach, ebenso
wie die Kinder der „Intensivnutzer von Computermedien", die eine Vorliebe für
Computer und Telespiele entwickelt haben und relativ selten lesen. Innerhalb der
familienimmanenten Nutzungsmuster spielt die soziale Einbindung des
Mediengebrauchs eine Rolle für die Orientierung und das Medienverhalten der
Kinder. Dies ist etwa die Gemeinsame Nutzung eines Mediums, der Zweck des
Mediengebrauchs, etwa zur Information, Entspannung, Unterhaltung, oder aber
als Kompensation, Ablenkung, Alltagsflucht. Das Gespräch über Medien,
inhaltlich erzählend oder kritisierend, oder formal über die Medienmacher und
über Intentionen von Medien sind wichtige Komponenten der
Mediensozialisation.
Die soziale Einbettung des Medienhandelns als Bestandteil von Alltagshandeln
gestaltet sich nach allgemeinen Regeln des Zusammenlebens, der familialen
Interaktion und Kommunikation und nach besonderen Familienthemen, die im
Medienhandeln bewältigt werden.
3.2. Familienklima und familiale Kommunikation
HURRELMANN konnte in ihrer Untersuchung zur Lesesozialisation unter
Verwendung der Familienklima -Skalen des „Familiendiagnostischen
Testsystems" (SCHNEEWIND u.a. 1985), vier Cluster unterschiedlicher
Interaktions- und Kommunikationsmuster differenzieren. In Familien mit
„integrationsschwacher Interaktions- und Kommunikationsstruktur"(31%)
herrscht ein eher unverbindliches Beziehungsgefüge, ein lässiger, fast
nachlässiger Umgang mit Regeln. Die familialen Rollen entbehren einer klaren
Kontur, Rechte und Pflichten sind nicht genau festgelegt. Auf Kontrolle wird
weitestgehend verzichtet, Leistungs- und Erfolgsorientierung sind nur schwach
ausgeprägt und im Freizeitbereich erfolgt auch keine Integration der
verschiedenen Interessen.
Familien mit „freizeitaktive(r) Interaktions- und Kommunikationsstruktur mit hoher
familialer Kohäsion" (27,6%) sind durch ein hohes Maß an gemeinschaftlichen
Freizeitaktivitäten gekennzeichnet, bei gleichzeitig geringer Orientierung an
Leistung und Erfolg. Familienregeln werden verbindlich aber solidarisch
festgelegt und auf ihre Einhaltung wird geachtet. Insgesamt zeichnen sich
Familien dieses Typs durch transparente, offene Interaktions- und
Beziehungsstrukturen aus.
Familien des Clusters „deutlich reglementierte Interaktions- und
Kommunikationsstruktur mit Dominanz der Leistungsorientiertheit" (25,7%) sind
überdurchschnittlich stark leistungs- und wettbewerbsorientiert. Familienregeln
werden einseitig autoritativ festgelegt und nicht argumentativ ausgehandelt. Es
finden sich klare Rollenvorgaben, von denen nicht abgewichen wird. Wenig
Gemeinsamkeiten in der aktiven Freizeitgestaltung sind kennzeichnend.
Der vierte Familientyp „rigide und interaktionsarme Familienstruktur mit
schwacher familialer Kohäsion" (16,4%) ist vor allem durch ein sehr autoritäres
Familienklima mit Sanktionstendenz bei unerwünschten Gefühlen, wie Ärger
oder Kritik gekennzeichnet. Es wird fast gar nicht miteinander kommuniziert. Die
Freizeit verbringen die Familienmitglieder getrennt.
Der Einfluß der familialen Interaktions- und Kommunikationsmuster auf das
Medienverhalten der Kinder ist sowohl intentionaler als auch funktionaler Natur.
Die intentionale Einflußnahme geschieht etwa über familieninterne Vorstellungen
und Regeln zum Medienverhalten, deren Einhaltung, je nach Offenheit
unterschiedlich überprüft und sanktioniert werden. Hinsichtlich der Förderung
des Leseverhaltens bei Kindern gestaltet sich „bewußte Leseerziehung" sehr
schnell kontraproduktiv, wenn das Familienklima durch einen starken Leistungsund Anpassungsdruck geprägt ist. Auch autoritäre Strukturen behindern eher
das Ausbilden vielfältiger Leseinteressen. Für die Entwicklung von Interesse und
Freude am Lesen, scheint ein psychosozial „anregendes" und „positiv
emotionales" Familienklima mit aktiver familialer Freizeitgestaltung förderlich zu
sein. Genau umgekehrt verhält es sich mit dem Fernsehen. Kinder aus
„freizeitaktiven" Familien sehen weniger fern als Kinder aus anderen Familien.
Besonders rigide und autoritäre Familienstrukturen begünstigen dagegen das
„Vielsehen" der Kinder. Dies liegt nicht nur in der Anregungsarmut dieses
Familienklimas und im Vorbildhandeln der Eltern begründet, sondern vielmehr in
der Funktion, die das Medium Fernsehen in diesen Familien hat. In Familien mit
geringer Kohäsion und rigiden Kommunikationsstrukturen können familiale
Probleme, Machtkämpfe einzelner Familienmitglieder, Autonomiebestrebungen
oder Partnerprobleme, wie auch gesellschaftlich verursachte Probleme, soziale
Randlage und Arbeitslosigkeit nicht artikuliert, besprochen, gelöst und
verarbeitet werden. Fernsehen dient in solchen belasteten Familien der
Lebensbewältigung, es hält die familiale Lage stabil. Nach CHARLTON (1986)
ist Fernsehen in „Vielseher" - Familien oft das einzige gemeinsame
Freizeitverhalten der Familie. Es dient sowohl der Ablenkung von der als
ungerecht und bedrohlich erlebten gesellschaftlichen Realität, als auch dem
Erleben von „Gemeinsamkeit" und Geborgenheit in einer sonst sehr disparaten
Familiensituation.
Welche Familienthemen genau im Medienkonsum bearbeitet werden, muß für
jede Familie bestimmt werden. Dies läßt sich nur anhand einer genauen
Situationsbeschreibung und Analyse der familialen Medienrezeption unter
Erstellung einer Familienanamnese interpretativ leisten. Der Beitrag, den
Medienhandeln als soziales Handeln zur Interaktion und Kommunikation im
Alltag, der Familie, am Arbeitsplatz, in Kindergarten und Schule oder bei
Freunden leistet, kann jeweils nur im konkreten Fall durch Evaluation der
Familienthemen und der Analyse der individuellen Entwicklungsthemen im
sozialen Kontext familialen Handelns aufgezeigt werden. Die von CHARLTON
und NEUMANN-BRAUN (1886, 1995) entwickelte strukturanalytische
Rezeptionsanalyse stellt ein Verfahren dar, welches es ermöglicht, das
Medienhandeln in Zusammenhang mit kindlichen Entwicklungsthemen, die sich
aus seinem körperlichen und geistigen Entwicklungsstand ergeben, und mit
Familienthemen, Rollenerwartungen, Zusammenhalt oder Disparitäten und
Konflikte zu bringen.
3.3. „Der kleine Tiger ist ganz stark" - Medienhandeln und Identität
Kinder (Erwachsene natürlich auch) nutzen Medien „thematisch
voreingenommen", d.h., sie picken sich Inhalte oder Identifikationsfiguren aus
den sie umgebenden Medien heraus, die ihnen in ihrer momentanen
Entwicklungssituation weiterhelfen. Die Auseinandersetzung mit den Figuren läßt
sich steuern, das Kind kann die Rezeptionssituation aufsuchen, den Fernseher
oder Kassettenrecorder beispielsweise ein und wenn nötig auch wieder
abschalten. Wiedergabemedien ermöglichen eine Wiederholung der Geschichte,
des Liedes oder des Filmes. Gerade Kinderängste vor Trennung und
Verlassenwerden oder die Furcht vor der Außenwelt, Tieren und Dunkelheit
werden in Geschichten und Filmen für Kinder thematisiert und bieten so dem
Kind einen Spiegel der eigenen Situation. Sich im Medienhandeln auf die
Angstauslöser einzulassen ist nicht so schwer und das wiederholte Bearbeiten
der Angst - wichtig ist hierbei das „Happy End" der Geschichte - hilft dem Kind
bei der Bewältigung der eigenen Ängste. Man denke etwa an die Geschichte von
„Heidi", die in dramatischer Weise Kindheitsängste aufgreift und der Lösung
zuführt. Der Symbolgehalt dieser Figur war es dann auch zu verdanken, daß die
erste große deutsche Merchandising Kampagne ein voller Erfolg wurde
(JENSEN/ROGGE 1980, S.13). Seither werden moderne Märchenhelden über
Fernsehserien oder Filme mit Symbolgehalt für kindliche Entwicklungsaufgaben
aufgeladen, die Kindheitswünsche, -konflikte und -ängste widerspiegeln. Die
Symbolik der Medienhelden überträgt sich auf die Lizenzwaren. So steht der
„Pumuckl" für frech sein, Angst haben und überwinden, und das Streben nach
Autonomie. Die JANOSCH - Figuren „kleiner Bär" und „kleiner Tiger" für
Autonomiebestreben, Freundschaft und Geborgenheit, der „kleine Tiger" darüber
hinaus noch für Stärke. Die „Tigerente" symbolisiert die regressiven Tendenzen,
das „immer Kind bleiben wollen und geborgen sein". Mediengeschichten und
Figuren sowie die Kinderwelten der Spielzeugindustrie, erlauben das Ausleben
von Wunschphantasien und geben Träumen vom „groß und stark sein" Raum,
dienen der Kompensation anhand der eigenen, täglich erlebten Ohnmacht. Sie
dienen der Darstellung alltäglicher oder latenter Konfliktsituationen mit den Eltern
und erlauben während der ödipalen Krise ein gefahrloses Ausagieren von
Haßgefühlen auf den gleichgeschlechtlichen Elternteil sowie das spielerische
Einlassen auf die eigene Geschlechtsrolle.
Das Hineinwachsen in die Welt erfordert ein schrittweises Hinaustreten aus der
Geborgenheit der Familie, bringt den Konflikt zwischen erwünschter Autonomie
und emotionaler Abhängigkeit. Seinen Platz in der Gemeinschaft der
Gleichaltrigen und Freunde finden, den Erwartungen der anderen genügen,
deren Anerkennung finden und seinen eigenen Standpunkt doch zu vertreten, ist
eine schwere Aufgabe. Für das spielerische Ausprobieren und Erlernen von
Interaktionskompetenz im Rollenhandeln, welches für die Geschlechtsrollen- und
Altersrollenidentifikation wichtig ist, liefern Medien und Spielwaren
Identifikationsfolien.
In der klischeehaften Einfachheit der Prototypen der Kindermedien und
Spielwaren zeigen sich gesellschaftliche Raster und Normvorstellungen, in klarer
Dichotomie zwischen „gut und böse" und zwischen „männlich und weiblich",
stellen „Heidi", „Biene Maja" oder „Knight Rider",„Barbie", „Masters of the
Universe" und „Playmobil", ähnlich den früheren Märchen - und Kasperlfiguren,
Richtschnüre für gesellschaftlich erwünschtes und unerwünschtes Verhalten dar
und lassen doch Raum für Phantasie. Letzteres wird von Eltern und Pädagogen
immer wieder angezweifelt, da die „Masters - Figuren", die „Barbie - Puppen"
und andere Plastikfiguren so eindimensional angelegt sind, daß Kinder damit nur
die in den Medien vorgegebenen Geschichten spielen können und schnell das
Interesse daran verlieren. Durch eigene Beobachtung zumindest ließ sich diese
Behauptung nicht bestätigen, im Gegenteil: für Kinder sind die Puppen nur
Statisten, das Stück schreiben sie selber und wenn die eigene Choreographie
keine anderen Möglichkeiten läßt, z.B. wenn nicht genügend Figuren vorhanden
sind, so wird schon mal „Skeletor"(der Böse) zum Helfer von „H-Man" (dem
Guten), der von einer Armee von Playmobilrittern gefangen genommen wurde.
Auch der „Barbie - Puppe" wird bei Bedarf eine Punkfrisur verpasst, wenn das
Spiel dies erfordert. Diese und ähnliche Szenen einer Instrumentalisierung und
Zweckentfremdung der Spielfiguren ließ sich in der täglichen Arbeit mit Vor - und
Grundschulkindern immer wieder beobachten. Von der Medien und
Spielzeugindustrie werden permanent neue Helden oder Zubehör - Sets und
Sekundärartikel für schon existierende Kinderwelten angepriesen und auf den
Markt gebracht. Kinder sprechen auf die Verlockungen der bunten, schillernden
und abenteuerlichen Werbung durchaus an und wollen möglichst viele von
diesen Dingen besitzen. Dies entspricht der kindlichen Sammelleidenschaft und
der Freude am Haben, aber auch am Mitreden und Herzeigen können, beneidet
werden und tauschen. Medienprodukte und Spielzeugwelten, zunehmend auch
Markenkleidung, dies haben die Kleinen den Erwachsenen längst abgeschaut,
sind für Kinder ebenso Statussymbole, wie Markenkleidung und ein Auto der
Marke „XYZ" für die Eltern. Sie dienen der Verortung in einer anonymen
Massengesellschaft, in der das Subjekt in der Konstruktion persönlicher Identität
zunehmend auf sich alleine gestellt ist.
3.4. Medienerfahrung und Werbekompetenz - der Umgang mit den
Kinderwelten
Wie gestaltet sich nun der kindliche Umgang mit den Produkten der sie
umgebenden Medien und Spielzeugwelten, nach welchen Kriterien orientieren
sich Kinder im Dschungel der Angebote, lassen sich verführen und manipulieren
oder drehen den Spieß um und nutzen die Vielfalt zur Selbstdarstellung und zur
Abgrenzung ihrer „Kinderkultur" von Jugendlichen und Erwachsenen?
Ein wichtiger Aspekt wurde schon angesprochen.
Kinder nutzen Medien und Kinderwaren themengeleitet, zur Bearbeitung von
persönlichen oder sozialen Entwicklungsaufgaben und „Krisen der
Identitätsentwicklung" (vgl. Erikson 1974, S.55-122) und zur sozialen Verortung
in der Gesellschaft. Die dazu benötigten Fähigkeiten werden im Zuge der
Entwicklung im alltäglichen Gebrauch analog anderer Fähigkeiten erlernt und
erweitert.
Ebenfalls schon angesprochen wurde das Vorbild der Eltern, das beim Erlernen
des Medienhandelns, wie auch im Umgang mit der materiellen Kultur eine
wichtige Rolle spielt.
3.4.1. Medienrezeption als aktive Bedeutungskonstruktion
Kinder erwerben im Laufe ihrer Entwicklung eine elaborierte Medienkompetenz,
die es ihnen ermöglicht, verschiedene Genres des Gelesenen , Gehörten oder
Gesehenen zu erkennen und inhaltlich zu interpretieren. Dabei läuft die
Informationsverarbeitung in zwei Stufen ab und läßt sich als aktive
Bedeutungskonstruktion bezeichnen. Das „bottom-up processing", die
sensorische Informationsverarbeitung von auditiven und visuellen Reizen, läuft
aufsteigend vom sensorischen Informationsspeicher über das
Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis, während gleichzeitig das
schematische Textverstehen („top-down processing") absteigend die
Informationsaufnahme und -integration im Langzeitgedächtnis steuert.
Zunehmende Übung im Umgang mit den Medien erleichtert die Zuordnung zu
verschiedenen Konzepten und Formaten. Nach BORDWELL benötigt man vier
grundlegende Schemata zum Verstehen von Filmhandlungen: „ein
Kategorienschema zur Bestimmung von Formaten und Genres..., ein
personenorientiertes Schema zum Verstehen von (Film-)Handlungsursachen"
(BARTH 1993, S.20), ein Formatschema, das der Einordnung von
verschiedenen Sendeformen anhand von bekannten Hinweisreizen dient und ein
Narrationsschema, welches die Verbindung der einzelnen Szenen zu einer
Geschichte ermöglicht und den Ausgang der Geschichte auch schon prospektiv
erahnen läßt. Diese vier Verarbeitungsschemata bilden sich nicht gleichzeitig.
Kinder im Vorschulalter verfügen bereits über Szenen- und Personenschema,
d.h. sie können Intentionen und Motive der handelnden Personen erkennen und
einfache Handlungsabläufe verstehen. Kurze Geschichten können von ihnen
bereits als zusammenhängend erkannt werden, die Abgrenzung zu anderen
Sendungen bleibt aber aufgrund des noch unzureichend entwickelten
Narrationsschemas unzureichend, die Unterscheidung verschiedener Genres
fragmentarisch und zufällig. Eine besondere Rolle für das Formatwissen spielt
die Wiederholung bestimmter Genres. So können etwa Werbespots schon relativ
früh und ohne elaboriertes Formatschema erkannt werden. Gleichzeitig sind
gerade diese „Kurzgeschichten" für Vorschulkinder interessant, da sie von ihnen
bereits als Ganzes verstanden werden können, während andere Sendungen
fragmentarisch bleiben und ein Verstehen des Handlungszusammenhanges
noch unmöglich scheint.
Die konventionelle Spotwerbung ist für Kinder mit wachsender Fernseherfahrung
nur interessant, wenn sie abwechslungsreich und lustig gemacht ist. Lediglich
Kinder im Vorschulalter blicken noch nicht hinter die Kulissen der Werbemacher
und halten Werbung für realistisch. Ältere Kinder lehnen die Intentionen von
Werbung, das dahinter verborgene Verkaufsinteresse, strikt ab, lassen sich aber
gerne von Werbung unterhalten, wenn sie ansprechend und actionreich gemacht
ist.
Im Grundschulalter differenzieren sich die Schemata weiter aus, besonders
Narrations- und Formatschema, die für das Verstehen komplexerer
Handlungsabläufe, für die Dramaturgie der Handlung sowie für die Einschätzung
des Realitätsgehaltes einer Geschichte nötig sind, strukturieren sich. Aber auch
das Personenschema erfährt durch die zunehmende Fähigkeit der
wechselseitigen Perspektivenübernahme eine bedeutende Erweiterung, die es
dem Kind ermöglicht, hinter die Kulissen zu blicken, die Intentionen der
„Filmemacher" und die Trennung von Schauspieler und Rolle zu erkennen. Mit
der Fähigkeit zur reziproken Perspektivenkoordination ist erst ab dem 11.
Lebensjahr zu rechnen. Die Fähigkeit zur Reziprozität, zur gegenseitigen
Perspektivenübernahme, und damit das Erkennen „der Rollenhaftigkeit und
Normativität sozialen Handelns" (CHARLTON /NEUMANN 1986, S.41) befähigt
zur Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs.
Diese sich im alltäglichen Medienumgang entwickelnden Schemata des
Fernsehverständnisses gestalten sich je nach den allgemeinen
Kontextbedingungen, der gesellschaftlichen und kulturellen Verortung der
Familie und damit nach allgemeinen familialen Interaktionsregeln und Normen,
Einstellungen, Stereotypen und Überzeugungen. Daneben spielen persönliche,
situationsspezifische Erfahrungen eine Rolle.
3.4.2. Werbekompetenz- die Orientierung im Schlaraffenland
Eng mit der hauptsächlich altersabhängigen Entwicklung von Fernsehfähigkeiten
hängt die Entwicklung von Werbekompetenz und damit die Orientierung in der
umgebenden Konsumsphäre zusammen. Von Werbekompetenz läßt sich nach
CHARLTON /NEUMANN-BRAUN u.a. (1995) erst sprechen, wenn Spot- und
Non- Spotwerbung vom Programm unterschieden werden kann, wenn die
Hintergründe von Werbung kognitiv realisiert werden können und sobald ein
Kind versteht, wie Werbung entsteht, welche Interessen Industrie, Werbemacher
und Medien an Werbung haben und was sie bezwecken wollen.
3.4.2.1.Verstehen und Erkennen von Spotwerbung.
Bereits das Erkennen von Spotwerbung ist zumindest bei Vorschulkindern (4-6
Jahre) nur für drei Viertel der Kinder möglich. Auch ältere Kinder haben Mühe,
Werbung unabhängig vom Format zu identifizieren. „Knapp die Hälfte der
Grundschüler und immer noch ein Drittel der Sekundarstufen - Schüler war nicht
in der Lage, Werbung unabhängig vom Format zu erkennen" (CHARLTON
/NEUMANN-BRAUN u.a.1993, Bd.2, S. 265). Besonders der Übergang von
Werbung zu nachfolgenden Trailern und Eigenwerbung der Sender enthält oft
keine Formathinweise wie Inserts oder Logos. Auch durch die Verwendung
inhaltlicher Elemente von Kindersendungen in Werbespots, wie
Zeichentrickfiguren, Nestle wirbt beispielsweise mit den Disney - Figuren, wird
den Kindern die Unterscheidung von Programm und Werbung erschwert. Non Spot - Werbung, wie Bartering oder Sponsoring, oder die verschiedenen Formen
des Product - Placement können von Kindern mangels Kennzeichnung kaum
erkannt werden.
Nur eine ganz kleine Minderheit der Kinder unter 14 Jahren erkennt den Einfluß
der Werbung auf das eigene Kaufverhalten. So erkennen Kinder zwar die
Intentionen von Werbung schon sehr früh, sie fühlen sich aber erst ab etwa dem
11.Lebensjahr von Werbung persönlich angesprochen. Und sie halten sich
gleichzeitig für immun gegen die Einflüsse von Werbung auf ihr eigenes
Kaufverhalten. Die Akzeptanz von Werbung sinkt mit dem Alter. So beurteilen
sechsjährige Werbung noch überwiegend positiv - für sie steht Werbung für
Unterhaltung - während 11-13jährige eine ablehnende Haltung gegenüber
Werbung einnehmen. Die bewußt kritische Haltung gegenüber Werbung betrifft
aber im wesentlichen die konventionelle Spotwerbung im Fernsehen, gut
gemachte Lifestyle - Werbung - wie etwa von C & A für ihre „young collection" oder witzige Werbespots bleiben von der kritischen Haltung ebenso verschont
wie die bereits erwähnte „below the line" Werbung. Bei der Begeisterung für
bestimmte Produkte spielt der oben schon angesprochene Markenaspekt eine
große Rolle. Kinder akzeptieren Werbung für die von ihnen favorisierten „InMarken" eher, weil sie sich in den darin gezeigten Lifestyle - Modellen und den
zumeist kindlichen oder jugendlichen Protagonisten widerspiegeln können und
darin eigene Träume bestätigt finden. Kinder benutzen Werbung, um sich zu
informieren, was gerade „hipp" und „angesagt" ist, welche Hose „obercool" und
welches Spiel „megageil" ist. Die Werbemacher wiederum versuchen, die sich
bei den Kindern und Jugendlichen abzeichnenden Trends möglichst frühzeitig zu
erfassen und daraus Produkt- oder Markenkampagnen zu entwickeln. Sie gehen
dazu in die Kindergärten und Schulen, betreiben Markt- und Trendforschung
über Sponsoring von Sportveranstaltungen und Verkehrserziehung,
Sommerfeste und Theaterveranstaltungen. Und sie suchen sich unter den
Gruppen der „Peers" die „Opinion Leader" heraus, statten sie mit den zu
bewerbenden Produkten kostenlos aus und bezahlen sie für das Werben unter
Freunden. Dies versuchte zum Beispiel der Sportartikelhersteller „Razor" aus
München, der einen 13jährigen Jungen aus der „Rollerblader - Szene" unter
Vertrag nahm, was ihm inzwischen per Gerichtsbeschluß untersagt wurde.
Sogenannte „Trendscouts" aus der Kinder- und Jugendszene werden
angeworben und mit Geschenken geködert. Sie geben regelmäßig Bericht über
neue Trends und Informationen aus der Szene weiter an die
Marktforschungsinstitute. Über Befragungen in Kinder- und Jugendzeitschriften BRAVO ist hier sicher die bekannteste - wird versucht, neue Trends
aufzuspüren. Ebenfalls als Trendsetter für Kinder fungieren die Idole aus Film
und Fernsehen und aus der Musikbranche. Sie werden von der Industrie
gesponsort und bringen vom „Bayern München Schlafanzug" bis hin zu den
„Gummibärchen von Haribo" alles an das Kind. Sie schaffen gesponsorte Modeund Stilrichtungen, wobei die Impulse dazu nicht unbedingt von der Industrie
ausgehen. Hat zum Beispiel eine Pop - Gruppe einmal Erfolg, springt die
Industrie erst auf den Zug auf, wenn er schon fährt und greift die stilistischen
Ideen und das Image auf, um es zu vermarkten. So etwa geschehen, nach dem
plötzlichen Erfolg der „Kelly Family" mit ihren bunten „Flohmarktklamotten Samtrock und Rüschenhemd", den langen Haaren und dem „Wir sind eine heile
und glückliche Familie" - Image. Vorher hatte diese Gruppe mit eher mäßigem
Erfolg über Jahre hinweg Musik gemacht, ohne zum Trendsetter zu werden.
Trends sind als Spuren, als mögliche kollektive Projektionsflächen für
elementare Wünsche und Träume immer schon latent vorhanden, bevor sie
bewußt gesetzt und vermarktet werden. Wie aus so einer Spur letztendlich ein
Trend wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Trendspur muß gefunden werden.
Sie wird dies oft von Kindern und Jugendlichen, da diese sich in unserer
hochkomplexen Welt mit unzähligen Angeboten orientieren und verorten
müssen, d.h. sie müssen sich von anderen Altersgruppen und anderen
Gleichaltrigen Gruppen abgrenzen und persönliche Identität über kollektive
Identität herstellen. Diese Abgrenzung nach allen Seiten bei gleichzeitiger
Orientierung an anderen gerät zu einer Suche nach einem „Wir - Gefühl", das für
die Entwicklung einer persönlichen Identität heute, angesichts gesellschaftlicher
und familiärer Strukturlosigkeit, unabdingbar ist. Das Setzen und Folgen von
Trends dient der individuellen und sozialen Verortung in einer anonymen
Massen - und Konsumgesellschaft. Es sichert ein Stück Individualität und
Exklusivität bei gleichzeitiger Geborgenheit in der Gruppe.
Das Trägermedium scheint zunächst nur eine untergeordnete Rolle für die
Bekanntheit von Werbung zu spielen (vgl. BÖHM-KASPER /KOMMER 1997,
S.180 ff.). Fernsehwerbung scheint aber eine Promoterfunktion für Werbung in
anderen Medien zu übernehmen, d.h. Kinder erkennen die Produkte in
Zeitschriften, auf Plakatflächen oder im Radio wieder. Werbung ist heute
hauptsächlich Kampagnenwerbung. Somit wird das Produkt meist mit gleichen
Personen und Szenerie gleichzeitig in verschiedenen Medien beworben. Die
Werbung, die bei Kindern und Jugendlichen ankommen soll, verläßt sich aber
heute immer weniger auf direkte Spotwerbung und verlegt sich neben der
multimedialen Werbung auf Sponsoring, Bartering, Merchandising und
Eventmarketing (s.o. oder VOLLBRECHT 1997, MÜLLER 1997). Diese
Werbeformen sprechen Kinder und Jugendlichen besser an. Sie werden nicht so
leicht als Werbung erkannt und versprechen Spaß, Unterhaltung und Action.
3.4.2.2. Der Einfluß der Bezugspersonen auf das Konsumhandeln der
Kinder
Die Vorbildfunktion der Eltern und deren Einstellung zu Werbung und Konsum
hat einen bei weitem nicht so großen Einfluß auf das Konsumhandeln der Kinder
wie vielleicht erwartet. Dies hängt vermutlich mit der eher undifferenzierten,
dichotomen Haltung der Erwachsenen zusammen. Sie sind entweder für oder
gegen Werbung, eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema
Werbung in ihren verschiedenen Formen unterbleibt weitestgehend. Im Alltag
wird zwar über Werbung gesprochen, dies läßt sich angesichts der Allgegenwart
von Werbung und der Bedeutung von Konsum- und Markenprodukten in
unserem Leben gar nicht mehr vermeiden, „eine kritische Diskussion und
Betrachtung der Werbung tritt in Familien eher selten auf" (CHARLTON
/NEUMANN-BRAUN u.a.1995, S.267). Je positiver die Einstellung der Eltern
gegenüber Werbung ist, desto unbefangener wird in der Familie darüber
gesprochen, was zwar die Memorierleistung der Kinder steigert, aber nicht
unbedingt eine bessere Werbekompetenz zur Folge hat. Das Erkennen von
„Below the line" - Werbung ist auch für Erwachsene nicht immer leicht, Werbung
wird von ihnen noch vielfach mit Spotwerbung und Anzeigenwerbung
gleichgesetzt, so daß von elaborierter Werbekompetenz auch bei ihnen nicht
ausgegangen werden kann.
Aber auch der kritische Umgang mit Werbung in den Familien, die zumeist
weniger reflexive, sondern eher pauschal ablehnende Haltung gegenüber
Werbung und Konsum, führt nicht unbedingt zu differenziertem
Konsumverhalten. Kinder aus solchen Familien neigen - ebenso wie ihre Eltern dazu, das eigene Konsumhandeln als werbeunabhängig einzuschätzen, obwohl
es das nicht ist. Sie geraten in einen Konflikt zwischen Leitbildern der Familie
und dem Einfluß der Gleichaltrigengruppe, die die Werbung zur Untermauerung
des eigenen Lebensgefühls nutzt. Der Einfluß der Eltern dagegen zeigt sich eher
auf der Einstellungs- als auf der Handlungsebene.
Mit zunehmendem Alter und steigender Konsumautonomie nimmt der Einfluß
der Eltern auf die Kaufentscheidungen ihrer Kinder ohnehin ab, während der
Einfluß der Gleichaltrigengruppe zunehmend handlungsrelevant wird.
4. Resümee und Ausblick
Kinder sind heute, wie Erwachsene auch, gefordert, einen eigenen Lebensstil zu
entwickeln und sich in einer Gesellschaft zu verorten, die ihnen eine Unzahl von
Lebensstilangeboten in Form von Konsumartikeln macht. Sie wachsen nicht
mehr in einem Schonraum mit klar definierten Rollen und Autoritäten, mit
Tabuthemen, die nicht für Kinderohren und -augen bestimmt sind, auf. Sie
können sich die ganze Welt via Fernseher und Computer ins Wohnzimmer holen
und werden auch von den Erwachsenen mit persönlichen und globalen
Zukunftsproblemen konfrontiert, d.h. sie nehmen zunehmend eine Partnerrolle in
den Familien ein. Gleichzeitig nimmt auch das Geheimwissen und der
Informationsvorsprung der Erwachsenen ab, kehrt sich in manchen Bereichen
sogar um. So entwickeln Kinder heute durch das Heranwachsen in einer
multimedialen Umgebung und Konsumwelt ganz andere Fähigkeiten. Es ist
anzunehmen, daß Kinder sich in der Entwicklung und Ausdifferenzierung von
Wahrnehmungs- und Denkstrukturen und im Erlernen von Handlungen an der
veränderten Sozialisationsumgebung orientieren, d.h. sich über die
Lernprozesse der Assimilation und Akkomodation (OERTER 1982, S.494f) an
die neue Umgebung anpassen und sie in ihrem Sinne auch handelnd verändern.
Dies bedeutet, daß Kinder sich ihre Kultur selbst mitgestalten. Sie nutzen die
Angebote der Medien - und Konsumwelt zielgerichtet und themengeleitet auf
ihrem Weg zu persönlicher und sozialer Identität. Kinder suchen sich Produkte
aus der Vielfalt der Angebote aus, weil sie einen für ihr Alter und ihre
Entwicklung und für ihre Stellung in der Gruppe der Gleichaltrigen wichtigen
symbolischen Wert besitzen. Dieser Symbolwert verführt sie teilweise zu
unkritischen Käufen von Billigwaren des Merchandising - Marktes oder auch
teuren Markenprodukten. Das „Dazugehören", die Anerkennung der anderen, ist
für Kinder heute, da ihnen die von Eltern und Gesellschaft angebotenen inneren
Orientierungswerte nicht mehr so viel Halt und Orientierung geben,
lebensnotwendig zur Herstellung von Ich-Identität. Die gleichaltrigen „Anderen"
ersetzen das feste autoritäre Gefüge der bürgerlichen Familie in einer
geschlossenen Klassengesellschaft mit seinen klar erkennbaren Regeln,
Normen und Rollenvorgaben.
Um in der Masse der Gleichaltrigen nicht unterzugehen und um sich nach allen
Seiten abzugrenzen, bilden Kinder und Jugendliche Gruppen, Gangs und
Subkulturen.
Medien- und Konsumprodukte stellen Gemeinsamkeiten her und liefern
Gesprächsstoff. Eigene Trends dienen der Profilierung und Selbstdarstellung. So
setzen sie selbst Trends, greifen Moden und Lifestyle - Angebote der Medienund Konsumwelt auf und entwickeln sie weiter. Das Risiko der Industrie, mit
einem Produkt nicht bei Kindern und Jugendlichen anzukommen, ist sehr hoch.
Auch massive Werbekampagnen können einen totalen Flop nicht verhindern,
wenn Kinder sich nicht darauf einlassen, weil ihnen das Produkt nicht gefällt oder
gleichzeitig ein anderes eher ihren Bedürfnissen entspricht. So hatte - wie
bereits angesprochen - der von WALT DISNEY mit riesigem Werbeaufwand in
die Kinos gebrachte Film „Pocahontas" und damit auch die zahlreichen
Lizenzprodukte keine Chance gegen den am gleichen Tag angelaufenen Film
„Batman forever", was sich sogar auf die Kurse der Disney - Aktien auswirkte.
Deshalb auch die umfangreiche und „Insider" - orientierte Markt- und
Trendforschung der Industrie. Die Dynamik der Trends auf dem Medien- und
Kulturwarenmarkt zwingt die Industrie und die Werbetreibenden auf der einen,
aber auch die „Kids" auf der anderen Seite dazu, am Ball zu bleiben, um neue
Trends nicht zu verschlafen.
Bei aktuellen Trends liegen nicht mehr so sehr einzelne Produkte im
Vordergrund, sondern zusammenhängende Produktketten, die um ein
Erlebnisangebot herum gruppiert sind. „Event - Sponsoring" und andere
Strategien der Erlebnisweltkonstruktion setzen auf die aktive Mitarbeit der
Beworbenen (vgl. VOLLBRECHT, 1997, S.68). Auf die Freiheit der Wahl und
Nutzung von Erlebnisangeboten macht BOLTZ aufmerksam. „Ein
Erlebnisangebot läßt sich zwar kaufen; für das Erlebnis selbst sind wir aber
immer noch selbst zuständig und verantwortlich" (BOLTZ zit. nach
VOLLBRECHT, ebd.). Diese „Freiheit des Subjektes" beinhaltet die
eigenverantwortliche Nutzung von Medien und Erlebnisangeboten. Die aktive
Auseinandersetzung mit und die selbstverständliche Nutzung von
Erlebnisangeboten scheint gerade Kindern kaum Schwierigkeiten zu bereiten, da
sie von Anfang an spielerisch gelernt haben, mit diesen Angeboten als Teil ihrer
Lebenswelt umzugehen.
Dies bedeutet aber zunächst nur die Integration von Medien- und
Konsumhandeln in kindliches Alltagshandeln und sagt noch nichts über die
Autonomie des Medien- und Konsumhandelns von Kindern aus. Sie sind,
solange ihre Handlungskompetenz noch nicht kritisch reflexives Hinterfragen von
Werbestrategien ermöglicht, der Manipulation durch die Industrie in hohem
Maße ausgesetzt, besonders seit sich diese auf „die kleinen Könige der
Warenwelt" (MÜLLER 1997) als Markendurchsetzer und Trendsetter eingestellt
hat. Das sehr selbstbewußte Auftreten der kleinen Konsumenten darf auch nicht
darüber hinwegtäuschen, daß sie anfällig für die verführerischen Angebote der
Werbung sind. Ihre Handlungskompetenz ist neben dem altersabhängigen
Entwicklungsstand immer abhängig von ihrer sozialen Lage und damit von der
im Alltag erlebten Handlungskompetenz der Bezugspersonen. Da sich die
ablehnende Haltung vieler Erwachsener gegenüber Medien, Werbung und
Konsum eher pauschal und unreflektiert auf der Einstellungsebene niederschlägt
und sie selbst der lockenden Versuchung nur allzu oft erliegen, unterschätzen
auch Kinder den Einfluß der Werbung auf ihr eigenes Verhalten.
Kinder und Jugendliche erheben Produkte zu „Kultmarken" und bedienen sich
ihrer zur Imagepflege, sie leben damit aber nur den Markenfetischismus der sie
umgebenden Massengesellschaft, dessen manipulativer Charakter auch den
Erwachsenen oftmals nicht bewußt ist.
So sollten Pädagogen wie Eltern im Erziehungsalltag zunächst ihr eigenes
Medien- und Konsumhandeln kritisch beleuchten und transparent machen, um
der Doppelmoral ein Ende zu bereiten und zu einer differenzierteren Einstellung
zu gelangen. Dies würde auch bedeuten, Kindern und Jugendlichen
altersentsprechend Kompetenz zuzugestehen und mit ihnen gemeinsam die
Strukturen der Medien- und Kulturwarenindustrie zu entwirren, dahinter
verborgene Interessen sichtbar und deren manipulative Tendenz bewußt zu
machen. Bewußtsein und Transparenz können allerdings nur dann
handlungsrelevant werden, wenn sie nicht zu große Diskrepanzen zwischen
persönlichen Bedürfnissen und Handlungsoptionen schaffen. So dient das
Schaffen einer virtuellen Realität aus Medien und Konsumwaren auch der
notwendig gewordenen Stabilisierung der persönlichen und sozialen Identität
angesichts anonymer Makrostrukturen einer Massengesellschaft, die soziale
Ungleichheit biographisch definiert und gesellschaftliche Verantwortung auf das
Individuum abschiebt, ohne reale Möglichkeiten der Verwirklichung von
Lebenskonzepten zu bieten.
Im Sinne einer pädagogischen Pragmatik, sollte daher der Unterstützung von
identitätsstiftenden Prozessen bei Kindern und Jugendlichen und das
Ernstnehmen und Achten ihrer eigenen Spielarten von Kinderkultur den Vorrang
haben und ihnen die Zeit und die Freiheit zugestanden werden, sich eigene
Strategien für das Leben im Schlaraffenland zu erwerben.
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und Raumerfahrung Opladen 1990.
Prospekte und Produktinformationen:
Arbeitskreis für Jugendliteratur (Hrsg.): Das Buch der Jugend 1994/95 und
1996/97 München 1994 bzw.1996.
BavariaSonor: Janosch - Produktliste- und Information über Lizenzen, Stand
Nov.’97, Geiselgasteig 1997.
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.: Lesen ist Familiensache,
Frankfurt am Main 1990.
Bwd9 (München) (Hrsg.): YOU - Das Magazin für Kids, 1/1997, München 1997.
Diogenes: Katalog 1997, Neuerscheinungen Juli - Dezember, Zürich 1997.
Dtv junior: Gesamtverzeichnis mit den Neuerscheinungen April bis September
1997, München 1997.
Erika Klopp Verlag: 1925-1995, Neuerscheinungen und Gesamtverzeichnis,
München 1995.
Erika Klopp Verlag: Frühjahr 1997 und Herbst 1997, Neuerscheinungen und
Ge-
samtverzeichnis, München 1997.
Geobra Brandstätter: Spielwarenprospekt „playmobil" 1997.
Hasbro Deutschland: Spielwarenprospekt „Play-Doh Knetwelt", Dietzenbach
1997.
Heyne: Gesamtverzeichnis 1997, München 1997.
Lego GmbH: Spielwarenprospekt „Lego" 1997.
Mattel: Spielwarenprospekt „Fisher-Price" 1997.
Mattel: Barbie - Journal, Frühjahr /Sommer 1997.
Steuler Design: Janosch - Fliesenproduktlinie 1997, Mühlacker 1997.
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