Fotos:

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bestimmt - größere Wassermengen werden
erst mal rausgepützt.
Für Nachtfahrten habe ich zusätzlich eine
Dioden-Notbeleuchtung
in
der
Kajüte
installiert, sie liegt auf dem Schalter der
Kompassbeleuchtung. Zwei Blöcke mit je 5
Dioden Grünlicht (verhindert den Verlust der
Dunkeladaption des Auges) geben das
behagliche Gefühl, mich in der Kajüte bei
Nacht jederzeit orientieren zu können und
trotzdem beim Gang an Deck sofort die Kimm
zu erkennen ohne lange Eingewöhnung in die
Dunkelheit. Auch die ist relativ, denn ich werde
nächste Woche Vollmondlicht haben, wenn es
denn nicht von Wolken blockiert wird.
Last but not least habe ich jetzt eine
Rettungsinsel im
Container auf
zwei
Nirobügeln über dem Schiebeluk installiert.
Der beste Platz für das sperrige Ding - aber es
gibt ein gutes Gefühl, so einen "Court of last
Resort" an Bord zu wissen. Eric hat die V4ARohre gebogen und die Konstruktion mit zwei
Längsrohren verschweißt.
Auch diese
Halterung ist bis auf 4 Lagerbolzen von je 3cm
Höhe demontierbar. Schließlich brauche ich in
Küstengewässern
oder
binnen
keine
Rettungsinsel.
Der Flamme-Einbaudiesel hat in den
vergangenen beiden Monaten ebenfalls
gezeigt, dass seine Mucken beseitigt sind.
Danke Kurt! Er schnurrt wieder wie ein
Kätzchen. Der Umbau des Spritfilters von der
Saugseite auf die Druckseite und der
Filtertausch sollten es gewesen sein sozusagen der Feinschliff, nachdem Jürgen
mir im Frühjahr die völlig maroden
Wellendichtringe ausgetauscht hat. Auch die
Lukschienen
aus
Kunststoff
mussten
inzwischen gegen neue aus Alu ausgetauscht
werden. Die alten waren brüchig und an den
Verschraubungen aussgerissen.
Nun kann´s also losgehen, ich freue mich auf
die Fahrt - Timshal ist in hervorragender
Verfassung.
Einhand von der Côte rund
Korsika mit der Dehler 25
„Timshal“
- ein Reisebericht von Georg Heigrodt
Vorbereitungen und Abreise
Timshal ist reisebereit, der Skip auch. Nach
dem Frühjahrstörn habe ich einige Umbauten
und Verbesserungen vorgenommen, um
Timshal auf den ersten Einhandtörn optimal
vorzubereiten.
Das Klappheck mit der integrierten Badeleiter
ist weg, stattdessen hat die Lady jetzt einen
Windpiloten und darunter eine ausziehbare
Badeleiter. Der Flansch für den Windpiloten
wurde minutiös mit Peter Förthmann
abgestimmt, dem Konstrukteur des Windpiloten "Pacific Light". Der Beschlag ist aus
V4A und ist bis auf eine Niroplatte von 10x15
cm mit M10-Stehbolzen komplett demontierbar. Ich bin sehr gespannt - muss
angenehm sein, nicht an der Pinne sitzen zu
müssen, Zeit zu haben, Bordzeit, Freizeit,
Freiheit.
Freitagmittag 15 Uhr. Ich werde fast Vollmond haben auf meinem ersten Schlag.
Soeben habe ich über "www.meteo.fr" den
Wetterbericht für 6 Tage ausgedruckt. Ich
werde schönes Wetter haben, aber anfänglich
nur leichten Wind. Mir sitzt das "magische
Dreieck" in der Nase - von der Porquerolle
nach Mahon, Menorca (220sm), von dort
weiter nach Bonifacio, Südspitze Korsika
(260sm), dann ein paar Tage zwischen
Korsika und Sardinien urlauben, dann zurück
nach Bormes les Mimosas (160sm), um nach
14 Tagen wieder aufzuslippen und die
Heimreise anzutreten - aber bis dahin ist es
noch weit.
Ich packe meine Vorräte aus den Kühltruhen
zusammen, verstaue alles im Schiff und hänge
den Trailer an. Los geht´s.
Ich fahre los bei heiter bis wolkig. 16.30 Uhr
Mulhouse, 18.00 Besancon, 19.00 Dole und
21.00 in Lyon. Vorher tanken. Dann noch 3
Std. bis Orange. Nach 9 Std. Fahrt ist meine
Nackenmuskulatur durch und ich fahre 80 km
vor Marseille rechts ran auf einer fast
menschenleeren Aire. Ich packe die kleine
Klampfe aus, bereite mir einen „Sundowner“,
dann noch einen und werfe den Kühlschrank
Timshal´s neues Heck
Da das Heck der Timshal jetzt offen ist und sie
kein Brückendeck hat, wurde eine Verstärkung des Steckschotts erforderlich. Ich habe
eine 1cm dicke Acrylplatte auf den unteren Teil
des Steckschotts aufgeklebt und zusätzlich mit
4 Schrauben und Hülsenmuttern gesichert.
Sollte eine böse See von achtern einsteigen,
wird sie sich an diesem Schott, welches
zusätzlich mit einem Bolzenriegel gesichert
ist, die Zähne ausbeißen. Kommt trotzdem
Wasser in die Kajüte, habe ich an StB neben
dem
Niedergang
eine
Handlenzpumpe
installiert. Sie ist allerdings nur für Restwasser
1
und die Notbeleuchtung an. Nicht mal die
Sicherung fliegt raus, die Vorkühlung zeigt ihre
Wirkung. Die Nacht ist sternenklar, es hat
noch knapp 20 Grad und ich fühle mich
pudelwohl im Cockpit. Dann Bett ausklappen,
alles verstauen und um 01.30 in die Falle. Wo
geh´ ich wohl morgen hin, oder gehe ich erst
übermorgen? Ein Seemann sollte ja eigentlich
bei jedem Wetter raus. Mahon wäre echt ein
Event. Mal sehen. Erst ankommen und fein zu
Wasser mit topmäßigem Masttrimm. Dann
Karten kaufen, brauche ich eigentlich nur, falls
ich nach Mahon gehe, Tomaten, rote
Zwiebeln, Pastete und Baguette und dann
Entscheidung auf See treffen.
Scheint alles zu funktionieren an Bord.
Notbeleuchtung und Kompass leuchten,
Kühlaggregat surrt. Herz, was willst du mehr.
Samstag,
Seetag
zweiter
Reisetag
und
den Kursen, gebe mal Mahon als "Goto" ins
GPS ein und mal Bonifacio. Irgendwie
entschließe ich mich am frühen Nachmittag für
Bonifacio und bin froh. Das geht auf jeden
Fall, auch wenn´s mal irgendwo klemmt. Habe
auch keine Karten gekauft, würde also nach
Menorca blind fliegen.
Hab mich einfach auf meinen Instinkt
verlassen, war gut so. Der Tag vergeht, ohne
dass
richtig
Wind
aufkommt.
Fahre
überwiegend unter Maschine. Alle Versuche,
Fahrt ins Schiff zu bekommen, scheitern. Auch
der Blister will nicht richtig ziehen. Meine
Besegelung für die Überfahrt wird dann
endgültig Groß + Leichtwettergenua, dazu die
Maschine. Ein zweiter Übersegler begleitet
mich weit in Lee. Dann, kurz vor
Sonnenuntergang, steigt noch einmal der
Adrenalinspiegel: Wale! Ich hole sofort die
Videokamera, aber sie findet kaum Fokus. Ein
Finnwal taucht 500m leewärts von mir auf.
Zuerst sehe ich nur den langgestreckten
Rücken
und
eine
Fontäne,
lässig
ausgestoßen, dann die nach hinten gebogene
Finne, Es folgt der charakteristische Buckel
hinter der Finne, dann taucht er wieder ab. Der
Wal hat Kurs Genua und nimmt keine Notiz
von Timshal. Er schwimmt auf meine Mitsegler
in Lee zu, ob sie ihn auch entdecken? Ich
wünschte, er wäre näher, obwohl das Gefahr
bedeuten kann.
erster
Um 7.30 wache ich auf. Schönes Wetter.
Cappuccino, Zigarette, dann gehts um 8.00
weiter. Oh, hat jemand versucht, mein Auto in
der Nacht zu knacken. Fahrertür verkratzt und
Türhebel abgerissen. Erst beim Fahren sehe
ich im Rückspiegel, dass ein Gurt vom Boot
fehlt. Ich fahre rechts ran und sehe, dass der
Gurt vorn an Bb abgeschnitten wurde. Tampen
dran, weiter. Um 1.00 komme ich bei blauem
Himmel und gefälligen 28 Grad in Bormes an.
Slippen geht gut, aber ob ich hier wieder
rauskomme. Der Slip rutscht ab ins Tiefe. Kein
Problem rein, aber raus? Muss die Räder über
die Kante lupfen. Was mach´ ich, wenn das
nicht klappt. Tolles Gefühl. Stelle den Hänger
auf freiem Gelände ab und das Auto auf dem
Parkplatz der Marina. Auch tolles Gefühl. Wird
beides noch da sein und ok, wenn ich
zurückkomme? Trailern im 21. Jahrhundert ist
wohl doch ein Abenteuer. Ich gehe noch
einkaufen und gönne mir eine fertig
vorbereitete Antipasto Mare. Alles in die
Kühlbox und raus aufs Wasser. Erst mal nur
bis Cap Benat, dort ankern, schnorcheln,
vertraut machen, genießen. Kein Restaurant,
keine Menschen, nur Timshal, die Bucht und
ich. Gutes Gefühl. Ich trinke eine Flasche Sekt
und esse die Antipasti - köstlich. Ich baue den
Cockpittisch auf und mache es mir gemütlich je mehr ich an Aufwand betreibe, um Komfort
zu erzeugen, um so wohler fühle ich mich. Es
ist schon wichtig, Zeremonien zu pflegen,
obwohl ich am liebsten alles schleifen lassen
würde. Die Petroleumlampe gehört dazu, sie
schafft Behaglichkeit und ein bisschen
Seefahrtromantik.
Sonntag, der 2. Seetag
Richtung Korsika
Am nächsten Morgen ist zwar mehr Ordnung
zu schaffen, aber es lohnt sich - auch Ordnung
ist ein Muss auf dem kleinen Schiff - ist alles
an seinem Platz, geht´s. Um 10 Uhr reiße ich
den Haken aus dem Boden und gehe raus,
Gr/F Kurs Mahon 207 Grad, 214 sm, ETA
Dienstag 9.00 a.m. Wenig Wind aus Süd, eher
Atem. Ich steuere Richtung Westspitze Ile de
Bagaud, um beide Optionen offen zu haben,
Menorca und Korsika. Lange probiere ich an
Noch völlig fasziniert höre ich plötzlich hinter
mir ein zweites Pusten. Ich drehe mich um und
sehe - einen zweiten Wal in 300m Abstand,
Kurs ca.300° WNW. Ich bin völlig aus dem
Häuschen. Zum ersten Mal in meinem Leben
spüre ich diese unglaubliche Präsenz: Wale!
Dann geht die Sonne unter und gleichzeitig
der Mond auf. Keine Spur von Müdigkeit, der
Autopilot steuert. Überwiegend sitze ich nur
da. Ich muss nichts tun, will auch nicht.
2
Einfach nur so dasitzen. Irgendwann setze ich
Stirnlampe und Lesebrille auf und beginne zu
lesen. Björn Larssen - Der keltische Ring.
Besseres Klima hier, mediterran eben. Gegen
23 Uhr gönne ich mir ein Bier. Gegen
Mitternacht - nur ein Schiff weit im Süden
gesehen (Kreuzfahrtschiff) lege ich mich hin
und schlafe irgendwie ein.
dergleichen. 2 Minuten vor Depression komme
ich auf den glorreichen Gedanken, den 12VStecker aufzuschrauben. Der beherbergt
tatsächlich eine durchgeknallte 3-AmpereSicherung. Die bekomme ich sicher im
nächsten Hafen. Jetzt geht´s mir wieder
besser. Da der Wind kräftig bläst, bereite ich
meinen 22sm-Schlag nach La Maddalena
sorgfältig vor. Zwei Reffs ins Groß, die
Leichtwettergenua gegen die kleine Fock
ausgetauscht, alles sicher verstaut gegen
Nässe und die Schlauchschellen der
Zweikreiskühlung noch einmal angezogen,
dann gehts los: Anker kurzstags unter
laufender Maschine, dann aufgeholt und
schnell an die Pinne. Raus ins Fahrwasser
und hoch mit der Plünne. Bald bin ich im
Seegang und laufe volle 6kn. Da fällt mir mein
Fehler auf. Ich habe den Holepunkt nicht auf
die kleine Fock korrigiert. Das Achterliek killt
erbärmlich und ich komme nicht dran. Letztlich
gelingt´s dann doch: ich klemme die Pinne fest
und lasse den Motor die Schraube nach Luv
anströmen. Kurzer Weg nach Lee, auf die
Schot treten und den Holepunkt nach vorn
schieben. Bevor das Boot in den Wind schießt,
bin wieder an der Pinne und reiße sie nach
Luv um abzufallen. Jetzt ist alles ok und wir
laufen mit wenig Lage Superspeed. Mit dem
Windpiloten bin ich noch nicht vertraut und der
Autopilot ist ja momentan „außer Dienst“. Die
Strecke nach La Maddalena ist dann auch in 4
Stunden abgefackelt mit reichlich Surf auf der
1,5m-Welle, die draußen steht. Eine Maramu
läuft an mir vorbei, darf sie auch mit 14m LÜA.
Ich trinke Wasser, atme, lebe. Die Sorgen von
heute Morgen verflüchtigen sich. Ich genieße verhalten noch - den Tag.
Montag, der 3. Seetag
Ich habe nicht das Gefühl, fest zu schlafen,
muss aber wohl so gewesen sein. Als ich
wieder auf die Uhr schaue, ist es 4 Uhr. Ich
haste kurz an Deck - nichts los rundherum und lege mich wieder hin. Nur ein helles Licht
in ca. 80° , 10° unter dem Großen Wagen, 20°
über dem Horizont. Kann das Venus sein?
Glaub´ ich nicht. Bin ich Zeuge einer
Supernova-Explosion? Keine Ahnung. Ich lege
mich wieder hin. Bis 8 Uhr schlafe ich noch
schätzungsweise 3 Stunden. Genau weiß ich
das nicht. Man ist so halb in Trance zwischen
Wachträumen und Schlaf - undefinierbare
Gedanken. Den Sonnenaufgang verpasse ich
jedenfalls. Der Himmel ist bewölkt, wirkt
herbstlich. Bis 10 Ur hat sich alles verzogen
und es wird dunstigblau. Schönes Wetter?
Weiß nicht, eher gar kein Wetter - und kein
Wind. Der Diesel schnurrt und hustet auch
nicht mehr. Ist die Drehzahl 2/3 unter Maximal,
läuft er schön rund ohne sich zu räuspern. Ile
Sanguinaire ist in Sicht und bleibt´s auch für
Stunden - wie festgeheftet am Horizont. Dann
kommt langsam Cap Mauro in Sicht, nähert
sich zaghaft. Vor der Bonifacio-Straße kommt
Wind auf aus West, wird stärker, Seegang
baut sich auf und plötzlich bin ich im typisch
wüsten Treiben der Bonifacio-Straße.
Ich beschließe, nicht nach Bonifacio zu laufen,
sondern in die süße, kleine Bucht am
Pinarellu-Fjord. Unter Groß, Fock eingerollt,
laufe ich dort ein und berge unter Aufschießer
zum Ankerplatz (kenn´ich noch vom Frühjahr)
das Groß. Runter mit dem Haken und 15m
Kette raus. Ich liege perfekt auf glattem
Wasser. Der Windmesser zeigt immer noch 20
Kn Wind und der Windgenerator rauscht leise
vor sich hin. Energieprobleme? no way!
Am Abend kommen noch drei 32er Bavarias
mit französischen Crews an und ankern weiter
im Fahrwasser. Schöne Frauen an Bord. Wohl
ein bezahlter Skipper.
Ich spiele Gitarre und lasse den Abend bei
Petroleumlicht und Oyzo-Cola ausklingen.
Der Törn: 500 sm – 11 Seetage
In La Maddalena Fock einrollen, dann in den
Wind schießen und mit Maschine minimal
voraus Groß bergen und einbinden - eine
Sache von zwei Minuten, nachdem ich in Lee
der Insel bin und die Welle hinter mir liegt.
Erster Weg an die Tanke. Ich hole alle
leergesoffenen Kanister hervor (2x5 Liter, 1x
10 Liter + Einbautank = 35 Liter). Wieviel fasst
denn nun mein Einbautank?
Gestern wurd´s klamm (Drehzahl fiel ab, Motor
starb dann völlig). Habe dann 2 Liter Rest aus
einem kleinen Kanister nachgetankt plus den
10-Liter-Kanister. Kurz die Entlüftung betätigt,
schon kam er wieder. Danach max. 2
Motorstunden x 1 Liter = mindestens Rest 10
Liter. Bei 35 Liter Tanke, davon 20 Liter
Dienstag, der 4. Seetag
Am nächsten Morgen bin ich voller Frust. Nicht
die Spur von Einsamkeit, aber diese
Kompromisse. Schiff hat Wasser unter der BbKoje und in der Motorbilge, der Autopilot gibt
keinen Laut von sich, die Mülltüte ist randvoll
und überall steht Geschirr herum. Jetzt nur
den Ball flach halten und Ordnung ins Leben
bringen. Zuerst Abwasch, dann aufräumen.
Zwischendurch eine Zigarettenpause, dann
Autopilot aufschrauben. Ich habe zwar von
Elektronik keine Ahnung, aber vielleicht
blinzelt mich ja ein offenes Kabelende fröhlich
an und ruft: "klemm mich wieder an!" Nichts
3
Reserve scheint mein Tank also 25 Liter zu
fassen. Braucht ca. 1 Liter pro Stunde, schafft
dann 5,5sm/h = Reichweite mit Reserve 200
sm = 40 Std. à 5 sm.
In La Maddalena lerne ich Arwed, Christel und
Jan aus Ladbergen mit ihrer Spray kennen.
Tolle Leute . Ich schenke Jan (ca. 11 Jahre)
mein Schwimmbrett "Dschungelbuch II",
welches ich auf hoher See geborgen habe.
Christel ist die Super-Kahnfrau. Blond,
leuchtende, begeisterte Augen.
Schiff ist unter 9m lang (Rumpf), hat aber
riesig viel Platz - Holz, Knickspant, Backdecker. Arwed hat einen Bollerofen mittschiffs,
eine riesige Pantry an Bb und eine U-förmige
Dinette erhöht an StB. Im Vorschiff ist eine
Doppelkoje mit einem riesigen Schrank an Bb,
achtern an Bb die Doppelkiste und an StB das
"Bad". Das Schiff liegt in Arbatax, soll aber
über Winter nach Alghero. Arwed bleibt 6
Wochen an Bord. Christel und Jan gehen am
Freitag wieder zurück per Flieger von Olbia.
Arwed nimmt dann Chartergäste auf und cruist
mit denen die sardische Küste entlang. Das
bringt Euro in die Bordkasse.
Segel setzt, um Richtung Olbia zu segeln.
Meinen Gruß erwidern die coolen Jungs nicht
und an die Vorfahrtregeln - ich bin auf
gleichem Bug deutlich höher am Wind und in
Lee - halten sie sich auch nicht. Oder haben
sie so viel Vertrauen in ihr Geschwindigkeitspotential? Ich halte jedenfalls Kurs, weil
ich den Windpiloten gerade ausprobiere und
die fette Dame läuft 20m vor meinem Bug
vorbei. Dann geht an Bord dort der Blister
hoch. Er ist mit Baumwollfäden eingebunden.
Sie platzen und schon ziehen zusätzliche
ca.1,5 Millionen Quadratkilometer die coolen
Jungs gen Süden.
Der Hafen ist echt lebhaft, schöne Läden,
schöne Plätze und relaxte Inselatmosphäre.
Ich kaufe neue Sicherungen für den
Autopiloten, eine Karte der Bonifaciostraße
und neues Kleenex. Ich lade Arwed auf ein
Bier ein und wir plaudern über die Reling. Der
erste Plausch seit vier Tagen. Kurz vor
Sonnenuntergang gehe ich Essen. Es gibt
Zuppa di Vongole e Cozze und eine Pizza,
dazu eine Karaffe regionalen Weißwein.
Kostet mit Coperto € 28,50. Wieder zurück an
Bord kommen gerade meine Nachbarn vom
Bummel zurück. Sie haben an Bord gekocht
und sich dann noch ein wenig die Beine
vertreten. Jan hat ein neues T-Shirt
bekommen. Arwed fragt mich, ob ich Lust auf
ein Glas Wein habe. Ich bestehe darauf, eine
Flasche eisgekühlten Sekt mitbringen zu
dürfen, den wir in seinem riesigen Cockpit
gemeinsam mit Christel lenzen. Dann laufe ich
noch einmal durch den Hafen - da liegt eine
20m-Yacht mit 4 Salingen. Langsam kommt
die Bettschwere und ich lege mich schlafen.
30m-Yacht ohne Namen vor Porto Cervo
Wenig später setze ich den Blinker und biege
rechts ab Richtung I. Mortorio, entdecke aber
an der Isola di Li Nibani eine schöne, windgeschützte Ankerbucht. Dort liegt bereits eine
38er Rassy. Ich werfe den Haken und gehe
schnorcheln. Das Wasser ist kristallklar.
Endlich gibt´s auch Fische - ich meine, mehr
als drei - und (uups!) Unterwasserklippen, die
dem Schwojekreis der Timshal verdächtig
nahe kommen. Ich prüfe die Tiefe und stecke
nur die 15 Meter Kette, keine Leine. Morgen
vor dem Lupfen werde ich noch mal die
sichere Route aus der Bucht checken. Prompt
finde ich an einer der Klippen auch eine
abgerissene Finne einer Motoryacht aus
Edelstahl.
Mittwoch, der 5. Seetag
Ich wache erst um 9.30 Uhr auf und gehe in
der Bar gegenüber dem Kai einen Cappuccio
trinken - winke Christel zu, die auch gerade
den Kopf aus der Kajüte steckt. Ich vertrödele
den Vormittag und plane die weitere Route.
Langsam setzt sich die Idee durch, noch
weiter nach Süden zu segeln, vielleicht Isola
Mortorio und erst dann zur I. Budelli. Von da
aus nach Elba rüber, dann Maccinaggio und
um Cap Corse zurück aufs französische
Festland. Der Gedanke gefällt mir, noch
einmal Marciana Marina zu sehen und dort in
einer Hafentaverna zu essen. Vergnügt binde
ich die Leinen los - ich habe noch reichlich
anderthalb Wochen Urlaub.
Unterwegs begegnen mir Traumschiffe bis zu
50m Länge. Das Stärkste ist aber eine 30m
Yacht mit 10 Mann Besatzung, die gerade die
Da ich bereits um 15 Uhr ankere, habe ich alle
Zeit der Welt. Ich verwöhne mich mit einem
Tomatensalat mit Mozzarella und Basilico und
zwei Gläsern gekühltem Weißwein. Dann ein
1-stündiges Nickerchen, aus dem ich durch
den
Schwell
einer
der
vielen
4
vorbeirauschenden
werde.
Megayachten
geweckt
grau, düster. In der Nacht hat der Wind
nochmals gedreht und ich liege im Schwell,
der sich durch die Hafeneinfahrt hereinschiebt.
Letztlich stehe ich doch auf und koche mir
einen Cappuccino, mache mir ein Käsebrot
und esse eine Tomate dazu. Als Dessert gibt´s
einen Ananasyoghurt. Ich beobachte das rege
Treiben an den Stegen. Eine Menge los hier.
Mindestens zehn Superyachts mit vier
Salingen. Sie tragen sogar ein rotes Toplicht Warnung für den Flugverkehr. Die Crews, alle
ca. 10 Mann stark, treffen obercool ihre
Vorbereitungen für den Ausritt. Muss eine
ganz beachtliche Managementleistung sein,
eine so große Crew zu führen und jede Hand
zu koordinieren - wie zu Hause im Business quasi vom Regen in die Traufe. Mich
beeindruckt das alles nicht, nur die Schiffe mit
den eleganten, klassischen Linien, wie "Kings
Legend" aus Amsterdam, wohl eine Swan von
ca. 20 Metern Länge.
Timshal vor Anker Isola di Li Nibani - Sardinien
Ich packe Schuhe, Kamera, Pareo und
Handtuch in eine Plastiktüte und schwimme
damit an Land zu einem Erkundungsgang. Es
ist wirklich traumhaft schön hier. Endlos viele
Buchten, aus denen Schiffe hervorschauen,
glatte gelbe Felsen und Macchia. Vor dem
letzten Abendlicht möchte ich an Bord sein,
um mich von den Sonnenstrahlen wärmen zu
lassen. Die Rassy lichtet den Anker - nun bin
ich alleine und genieße den Abend. Noch eine
SMS an meine Lieben, Antwort kommt sofort
von Tina und Steffi. Jetzt ist es 23.30 Uhr und
der Wind hat gedreht. Aus der geschützten
Ankerbucht ist eine - falls es aufbriest gefährliche Legerwallsituation mit underwater
obstructions geworden. Scheint aber nur der
nächtliche, leichte Landwind zu sein und ich
bleibe liegen. Hoffentlich baut sich da kein
Seegang auf, der mir die Nachtruhe raubt oder
mir sogar Action abverlangt.
mein Ankernachbar in Porto Cervo
Bei all der Pracht drängt sie sich unvermittelt
wieder auf, die Gretchenfrage: welches ist das
ideale Schiff. Im Moment tendiere ich zu einer
34er Rassy. Natürlich wäre die 31er auch ok,
aber die 34er hat mehr Schrankraum, sowohl
achtern als auch im Vorschiff. Ideal ist die
Innenaufteilung dort auch nicht. Das beste
wäre eine durchgehende Schrankwand mit
riesiger Arbeitsplatte an Bb und eine Dinette
an StB.- eben Lebens- und Arbeitsraum, nicht
die vielen Kojen. Mit dieser Mutter aller
Probleme verbringe ich den Vormittag bis sich
kurz vor Mittag das Gefühl einstellt, jetzt
irgendwie tätig werden zu müssen. High Noon
scheint so die instinktive Startzeit zu sein,
meine Logbücher sprechen da eine ganz
eindeutige
Sprache.
Rigg
vorbereitet,
Windpilot gecheckt. Maschine an, Anker auf
und schnell weggestaut. Ehrenrunde durch
den Hafen. Quasi als Resumé der Visite
beschließe ich: Timshal braucht kein rotes
Toplicht - und keine Manager an den
Winschen.
Na schön, um 23.40 Uhr beschließe ich, die
gastliche Stätte zu verlassen. Motor an, Anker
auf, Bogen um die Klippen, deren Standort ich
mir gemerkt habe und raus aufs freie Wasser.
Zunächst laufe ich Richtung Isola Mortorio,
kehre dann aber um, weil ich keinesfalls
Bodenkontakt möchte und laufe nach Porto
Cervo. Von Süden her kann ich gleich auf die
Hafenbefeuerung zulaufen, Von Norden her
müsste ich zuerst eine Ansteuerungstonne
runden, denn dort gibt´s Untiefen. Im Hafen
laufe ich nach StB und ankere dort neben
einer schnuckeligen 25m-Motoryacht im
klassischen Stil, mit überdachtem Laufdeck
rundum. 0.40 Uhr ist mein Haken wieder im
Boden. Ob ich Arwed hier treffe? Ich freue
mich jedenfalls schon auf meinen Cappuccino
morgenfrüh und den Anblick all der
wundervollen Schönheiten. Die Masten
reichen hier bis zum Himmel und es ist
reichlich Betrieb. Noch ein letztes Bier und
diese magische Kraft wirken lassen, die von
Porto Cervo ausgeht, dann ab in die Koje.
Ich fahre unter Maschine die halbe Meile raus
bis zur Ansteuerungstonne und falle dann ab
Kurs 345°. Heute soll der Windpilot mal
zeigen, was in ihm steckt. Die Leinen sind
optimal eingestellt, keine Spannung, aber
auch keine Lose. Der Zugpunkt ist ganz nach
oben versetzt, was maximalen Ausschlag am
Ruder
bedeutet.
Jetzt
noch
2-3
Donnerstag, der 6. Seetag
Am Donnerstagmorgen schlafe ich bis 10 Uhr.
Irgendwie scheint mir, es lohnt sich heute
nicht, wach zu werden. Ein erster zaghafter
Blick himmelwärts bestätigt mir: es ist bewölkt,
5
Nachjustierungen an der Windfahne und
schon läuft Timshal korrekt den gewollten
Kurs.
Dann Maschine weiter langsam rückwärts bis
ich
einen
Heckfestmacher
mit
dem
Bootskaken über die Stegklampe ziehen kann.
Länge einstellen, belegen, Maschine stop.
Jetzt nach vorn, um den Muringfestmacher
dichtzuholen. Es folgt die zweite Heckleine.
Die Festmacher werden so eingestellt, dass
das
Heck
einen
Meter
vom
Steg
wegschwimmt. Wenn ich an Land will, hole ich
das Boot mit einem der Festmacher heran und
springe auf den Steg.
Leider sind die Duschen schon geschlossen
und so gehe ich, klebrig vom Salz und
verschwitzt zum Essen. Ich bin der einzige
Gast heute. Ich genieße einen Salade de Fruit
de Mer, dazu frisches Baguette und einen
kühlen, trockenen Weißwein, der das Glas
beschlagen lässt. So muss es sein. Die
anschließende Lasagna Bolognese ist genau
das Richtige, das Mahl kostet 22 Euro. Ich
trinke an Bord noch ein Bier und mache zum
Abschluss des Abends noch meinen
obligatorischen Hafenrundgang, wobei ich
feststelle, dass mein Interesse bei Schiffen
jenseits der 35 Fuß schlagartig nachlässt - ein
untrügliches Zeichen dafür, dass sich die
eigenen Pläne langsam konkretisieren:
Timshal noch 5 Jahre behalten, reichlich
Seetörns machen und dann ein Schiff von 31 35 Fuß, welches z.B in Solenzara seinen
ersten festen Liegeplatz haben könnte (kostet
1.500 € p.a., auch über Winter).
Der Windpilot im ersten Einsatz
Freitag, der 7. Seetag
Warum hat das bisher nicht geklappt? Zwei
Gründe: 1. unter 3 Beaufort geht da gar nichts,
höchstens am Wind, aber nicht raumschots
2. keine Lose in den Leinen, sondern
unmittelbarer Zug mit maximaler Zugstrecke.
Skipper hat Ferien. Mühelos hält Timshal Kurs,
sogar beim Reffausbinden und auch beim
Vorsegelwechsel: die kleine Fock wird durch
die Leichtwettergenua ersetzt. Timshal läuft
ihre 5,8 Knoten und weicht dabei maximal
plus/minus 5° vom Kurs ab. Feinjustierung
erfolgt nicht an der Windfahne, sondern durch
das Umstecken der Kettenglieder, mit denen
der Windpilot an der Pinne eingeklinkt wird.
So macht Einhandsegeln Spaß. Ich habe alle
Zeit der Welt und bin nicht an die Pinne
gemartert. Vergnügt vor mich hin grübelnd
(worüber eigentlich?) erhasche ich gerade
noch rechtzeitig (sie wollte gerade auflegen)
den Anruf des Tages. Connie ist am Telefon,
hat keine Ahnung, dass sie mich auf hoher
See erwischt. Unglaublich, dass ich hier - fast
außer Landsicht - Empfang habe.
Gegen 18.30 legt sich der Wind schlafen. Ich
lasse den Diesel an und laufe mit
Segelunterstützung 5,5kn. Trotzdem komme
ich erst um 20.45 in Solenzara bei völliger
Dunkelheit an. Vor dem Einlaufen in den
Hafen wird das Schiff klar gemacht: Segel
bergen, Festmacher vorn und achtern auf die
Klampen legen, Fender raus, Bootshaken klar,
alle Tampen aufschießen, Laufdecks frei
machen, Schuhe anziehen. Ich finde ohne
Mühe eine freie Box, fahre rückwärts rein und
fische mit dem Bootshaken die Muringboje,
ziehe den Bugfestmacher durch den Ring und
belege das freie Ende auf der Klampe, die
Länge spielt im Moment noch keine Rolle.
Am nächsten Morgen wirkt der Hafen noch
gemütlicher. Hier kommt keine Hektik auf, der
Hafenmeister ist freundlich, die sanitären
Einrichtungen sind sauber, das Duschen
kostenlos. Gleich angrenzend an das
Hafenbüro liegt eine kleine zum Hügel hin
ansteigende Piazza. Das daran angrenzende
Cafe liegt schon etwas höher, so dass ich
beim
morgendlichen
Cappuccio
einen
herrlichen Blick auf das relaxte Hafentreiben
habe. Ich kaufe beim Shipchandler noch 2
Liter Motoröl und gehe zurück an Bord. Meine
Nachbarn, eine Eignergemeinschaft dreier
Schwaben, besitzen eine Dufour 2800.
Gespräch kommt nicht auf, auch Fragen
werden nur höchst ökonomisch
mit
minimalem verbalen Aufwand beantwortet. Am
Vorabend haben sie auf dem Steg einen Herd
aufgebaut und eine Lammkeule zubereitet.
Duftete köstlich. Ich leihe mir ihren
Wasserschlauch aus und reinige mein Schiff
gründlich von Salz und Schmutz.
Jetzt ist sie wieder wie neu, meine Timshal.
Hat ihr gut getan, die Reinigung. Ich gönne
ihrem Edelstahl auch gleich noch eine Politur
mit Neverdull und räume gründlich auf. Nach
einer
Stegdusche
ist
dann
meine
Glückseligkeit wieder hergestellt. Inzwischen
ist es 13.30 und draußen steht ein schöner 3er
Wind aus Süd. Ich laufe sofort aus und ziehe
den Blister hoch. Auf gehts nach Elba. 67sm
liegen vor mir, Kurs 29°. Ich mache gute Fahrt
bei
klarem
Himmel.
Erst
kurz
vor
Sonnenuntergang tausche ich den Blister
wieder gegen die Leichtwettergenua. Es hat
6
leicht abgeflaut, aber ich laufe immer noch 5
Kn.
Maschinenunterstützung und Vollzeug. Es will
nicht mehr so recht vorangehen. Nur langsam
schält sich die Küste aus dem Dunkel heraus
Hier ist reger Schiffsverkehr. Ich zähle 11
Lichter auf dem Wasser, aber keines, welches
mir bedrohlich nahe kommt. In sicherem
Abstand läuft die "Excelsior", ein Kreuzfahrtschiff, vor meinem Bug vorbei nach Süden. Sie
ist hell erleuchtet, aber von Leben an Deck
keine Spur. Sitzen wohl inzwischen alle in der
Pianobar - immerhin ist es gleich 3 Uhr. Ich
berge die Segel im Windschatten der Insel und
laufe die letzten 4sm dicht unter der Küste.
Dann endlich kommt Marciana Marina in Sicht.
Vor dem Hafen liegt eine Megayacht vor
Anker. Ich laufe an ihr vorbei in den Hafen und
werfe im Vorbecken meinen Anker um 4.30 ins
Wasser. Bin hundemüde, aber ein Bier
genehmige ich mir noch. Nach und nach
erinnere ich Details des Hafens - den
genuesischen Turm, den kleinen Badestrand,
den Berghintergrund. Hier habe ich bei
unserem letzten Törn ein Mountainbike
gemietet und bin in die Berge hinaufgefahren.
Muss jetzt so 7 -8 Jahre zurückliegen. Nun
gehe ich aber schlafen. Das Wasser ist glatt,
ich werde eine ruhige Nacht haben.
Unter Blister Richtung Elba
Ich klariere alles für die Nacht auf See, muss
mich aber beeilen, um den Sonnenuntergang
hinter den Bergen nicht zu verpassen. Es ist
erst 19.40 als sie hinter abenteuerlich steil
aufragenden Felsen verschwindet.
Diese Zeilen schreibe ich bei einem guten
korsischen Wein am Sonntagabend - zwei
Tage später. Ich warte auf meine Moules a la
Provencale in Macinaggio.
Ich erinnere lebhaft, wie plötzlich die Kontur
der korsischen Berge wieder deutlich
hervortritt, sie war vorher im Abenddunst fast
völlig verschwunden. Jetzt gehen auch die
Lichter in den Bergdörfern an und mich
begleitet noch mehrere Stunden der Schein
des Leuchtfeuers von Campoloro. Bis weit
nach Mitternacht kann ich die Lichter noch
ausmachen. Von Elba jedoch noch keine
Spur. Plötzlich sehe ich im Osten zwei Stellen,
an denen die Kimm tiefer erscheint. Zunächst
habe ich keine Erklärung dafür. Dann löst sich
das Rätsel. Was ich für die Kimm gehalten
habe, ist der Bergrücken von La Pianosa. Die
tieferen Stellen links und rechts davon sind die
wahre Kimm. Bald steht die Insel im vollen
Mondlicht und ich kann nun die Silhouette
vollständig ausmachen. Jetzt kann es ja nicht
mehr lange gehen, bis sich Elba zeigt. Das
GPS zeigt noch 12sm bis Marciana Marina,
also liegt die Westspitze der Insel bereits ca.
7sm voraus.
Trimmfahrt einer nagelneuen 30m-Yacht
vor Porto Cervo
Samstag, der 8. Seetag
High Noon. Jetzt aber raus aus der Koje. Mit
einem Hechtsprung ins Wasser vertreibe ich
die Müdigkeit und sehe, dass die meisten
Yachten vom Pier bereits ausgelaufen sind.
Also kann ich umpicken und mir einen Platz
am Pier sichern. Immer noch keine Murings
hier. Ich werfe also meinen Anker 5
Bootslängen vor dem Pier und habe die
Maschine auf Rückwärtsfahrt, lasse dabei die
Da, endlich zeigt Elba sich. Ich erkenne
zunächst nur einige Lichter, dann kommt die
Kontur der Berge langsam zum Vorschein.
Inzwischen ist der Wind fast völlig
eingeschlafen
und
ich
laufe
mit
7
Kette ausrauschen. Die liegt jetzt schon mal
sauber. Ich gehe noch einmal zurück ins
Cockpit, um das Schiff zu stoppen und neu
auszurichten, dann wieder aufs Vorschiff. Ich
lasse die komplette Leine raus , 17 Meter,
gehe wieder zurück ins Cockpit und laufe den
Pier an. Eine recht hübsche Passantin nimmt
meine Leine an, zieht sie durch den Ring und
wirft sie mir zurück an Bord. Ich bin fest. Es
folgt nur noch Routine. Länge der Heckleine
einstellen, Ankerleine durchsetzen, zweite
Heckleine
ausbringen
und
ebenfalls
durchsetzen. Der Pier ist verdammt hoch,
selbst für die 15M-Yacht neben mir.
Inzwischen ist es wieder sommerlich heiß und
ich gehe zuerst einmal an die Kiesbucht neben
dem
genuesischen
Turm,
um
mich
abzukühlen.
wünscht und sich für die schöne Musik
bedankt. Vergnügt lege auch ich um 11.15 ab
und entdecke beim rausfahren eine zweite
Dehler 25. Das Schiff liegt etwa da, wo ich in
der vergangenen Nacht meinen Haken
geworfen habe. Es ist offen, aber niemand an
Bord. Hat als Heimathafen Münster am Heck
stehen. Schade, hätte Lust auf einen kleinen
Schnack mit einer Dehlercrew.
Den Tag vertrödle ich mit insulaner Lässigkeit,
kaufe Sportschuhe und Benzin für mein Zippo.
Am Spätnachmittag macht eine Vindö 50
neben mir fest. Schönes Schiff, 35 Fuß lang
(„50“ steht für 50 qm), das Holzdeck und die
Aufbauten sehr sorgfältig gepflegt. Eine
bayrische Familie ist an Bord, freundliche,
ruhige Leute. Der Sohn ist etwa 18 Jahre alt,
braungebrannt, dunkelbraune Locken. Am
späten Abend hat er dann auch tatsächlich
eine
süße
italienische
Schnecke
im
Kielwasser, hüpft kurz auf die väterliche Yacht
und fragt seine Eroberung "qualcosa da bere?"
Push-up-Prinzesschen lehnt dankend ab souverän springt er wieder an Land um mit ihr
lachend davonzuschlendern.
Ich selbst mache mich nun landfein und esse
in einem Restaurant an der Piazza (nicht mit
Hafenblick) eine köstliche Zuppa Imperiale mit
Meeresfrüchten: Octopus, Gamba, Muscheln,
Jacobsmuscheln und Fischstücke sind darin.
Mit meinen Tischnachbarn kommt schnell ein
reges Gespräch auf. Irgendwie kommt es zu
der Frage, wo ich herkomme und wo ich hin
will. Die Tatsache, dass ich Einhand mit einem
kleinen Boot unterwegs bin, löst großes
Interesse aus. Ich glaube, ich habe da Träume
geweckt und genieße ein bisschen die
Situation. Die anschließende Pizza wäre nach
der köstlichen Zuppa nicht mehr nötig
gewesen, aber ich versuche, keine Schwäche
zu zeigen. Es folgt nach einem sehr schönen,
unterhaltsamen Abend der Hafenrundgang
und anschließendes Klampfen an Deck. Meine
bayrischen Nachbarn sind inzwischen auch
wieder an Deck, ein Pärchen um die 50 auf
der anderen Seite mit einer 32er Bavaria nagelneu - ebenfalls. Sie genießen meine
Musik. Weit nach Mitternacht gehen wir dann
alle schlafen.
Full Speed – Blick ins Kielwasser
Der Wind bläst mit 3 Bft aus NW und ich laufe
5,8 Kn Kurs Macinaggio, 286°, die Strecke ist
34 sm lang. Wenige Boote sind auf dem
Wasser, einige Richtung Portoferraio, ein
Segler unter rotem Spi verschwindet schnell
Richtung Campoloro und zwei Kameraden
liegen in Luv von mir mit Kurs Capraia. Um
12.20 liege ich auf Kollisionskurs mit dem
Containerschiff Wilma. Nur 200 Meter passiere
ich vor seinem Bug. Er macht nicht die
geringsten Anstalten, auszuweichen und ich
komme nur mit Maschinenunterstützung - ich
laufe jetzt 6,3 Kn - vor seinem Bug vorbei. Das
gleiche geschieht auch einem meiner Begleiter
Richtung Capraia. Wilma hat wahrscheinlich
auf dem Radar gesehen, dass es gerade so
hinhaut. Na, danke, sehr freundlich. 2 Stunden
später noch einmal eine ähnliche Situation.
Der Frachter Alba liegt ebenfalls von Süden
kommend auf Kollisionskurs. Diesmal stoppe
ich die Maschine (der Wind hat inzwischen
abgeflaut) und lasse ihn passieren, gehe
dann an seinem Heck vorbei mit 500 Metern
Abstand.
Um 17.45 laufe ich in Macinaggio ein. Beim
Rückwärtseinparken
macht
sich
ein
merkwürdiges "kuttkuttkutt" unter dem Schiff
bemerkbar und ich mache rückwärts so gut
wie keine Fahrt. Es liegen Muringleinen aus
und das Anlegemanöver klappt ohne fremde
Hilfe sehr gut. Nach der Anmeldung bei der
Capitainerie nehme ich eine Stegdusche und
höre beim Verlassen des Schiffes hinter mir
ein Plumpsen. Was ist jetzt passiert?
Winschkurbel ins Wasser gefallen? Nein, sie
steckt noch in ihrer Halterung. Aha, die
Rundfunkantenne am Heck ist vom Festmacher abgerissen worden und nicht mehr da.
Ich verschiebe meine Stegdusche und gehe
ins Wasser, um das Teil herauszufischen.
Beim Tauchgang ohne Taucherbrille erspähe
ich auch gleich meine Antenne im trüben
Wasser und - gleich daneben - ein blaues,
schweres Metallteil. Ich nehme beides mit
Sonntag, der 9. Seetag
Heute zieht´s mich schon um 8.30 aus der
Koje. Ich springe ins klare Hafenwasser und
erfrische mich. Jetzt freue ich mich auf einen
Cappuccino im Caffè Slocum. Als ich
zurückkomme, sehe ich meine bayrischen
Freunde gerade beim Ankerauf. Sie laufen
zurück nach Portoferraio und ich habe keine
Gelegenheit mehr, auf Wiedersehen zu sagen.
An Bord finde ich dann einen Abschiedsbrief,
in dem mir die Familie glückliche Fahrt
8
Montag, der 10. Seetag
nach
oben
und
bekomme
bei
der
Begutachtung des Metallteils eine böse
Ahnung. Ich tauche noch einmal ab, um meine
Schiffsschraube zu untersuchen.
Was für ein Tag! Alles fing positiv an. Ich kam
gestern am späten Abend noch auf die Idee,
dass da, wo die Schraube lag, auch der
fehlende Bolzen liegen könnte. Ich wache um
8 Uhr auf, es ist arg windig und pustet mächtig
durch die Kajüte und zum offenen Vorluk raus.
Badehose an, Imbusschlüssel und Schraube
am Heck bereitgelegt (schon mal vorsorglich,
falls ich Glück habe) und dann ab ins Wasser,
dieses mal mit der Taucherbrille bewaffnet.
Das erste, was ich unten sehe, ist der
verlorengegangene Edelstahlbolzen. Binnen
15 Minuten habe ich die Schraube wieder dran
und beide Flügel mit den Imbusschrauben so
fest wie möglich angezogen. Der Wetterbericht
beschreibt das, was ich beim Blick über die
Mole sehen kann. Wind E 5-6 Bft, in Böen 7,
zum Nachmittag hin abflauend auf 4-5 Bft,
dabei auf NNE drehend. Ich klebe das Vorluk
mit Textilband ab, damit überkommendes
Wasser nicht den Weg durch die Dichtung ins
Schiff findet, mache nach dem morgendlichen
Cappuccino und einer ausgiebigen Dusche
das Schiff und mich selbst seeklar (lege sogar
Öljacke und Rettungsweste an und schlage
die kleine Fock an. Ich überlege noch, wie ich
vom Anker loskomme. Der Wind ist ablandig
und wenn ich die Heckleinen löse, wird das
Schiff auf die gegenüberliegenden Schiffe
schwojen noch bevor ich .
Das darf nicht wahr sein! Tatsächlich hängt da
nur noch ein Flügel auf der Propellerwelle.
Was ich da rein zufällig auf dem Grund des
Hafenbeckens gefunden habe ist ein
abgerissener
Flügel
meiner
eigenen
Schraube. Ich hatte noch überlegt, ob die
Antenne den Versuch überhaupt wert ist. Jetzt
bin ich heilfroh. Was ist passiert? Das
merkwürdige Geräusch beim Rückwärtsfahren
stammte wohl von dem losen Haltebolzen des
Propellerflügels. Kurz vor dem Pier habe ich
dann kurz Fahrt voraus gegeben und dabei
muss
der
Bolzen
sich
vollständig
verabschiedet haben. So einen Bolzen kann
ich irgendwie zurechtzimmern, es gibt eine
Schlosserei im Ort, die morgen früh um 8 Uhr
öffnet. Aber nie und nimmer hätte ich einen
neuen Flügel für meinen Saildrive-Propeller
bekommen. Falls jemand einen guten
Schutzengel braucht, ich habe einen.
Trotzdem, wird ein interessanter Akt, den
Bolzen zu beschaffen, eine Ecke für die
Imbus-Sicherungsschraube auszufeilen und
das Teil dann tauchend wieder zu befestigen
und zu verschrauben. Heute kann ich
jedenfalls nichts mehr ausrichten, der örtliche
Shipchandler hat nur kurze Edelstahlbolzen
mit Bohrung für einen Ringsplint.
Hier wird die Schwierigkeit des Einhandsegelns deutlich. Ich würde den Anker alleine
nicht schnell genug kurzstags bekommen um
ihn notfalls mit Maschine in freieres Wasser zu
ziehen und dann einzuholen. Jedenfalls wäre
das bevorstehende Manöver nicht mit
hinreichender Sicherheit plan- und vom Ablauf
her vorhersehbar. Die Lösung ist am Ende
denn doch recht einfach: Heckfestmacher
lösen und gegen eine 50m-Leine tauschen,
die ich durch den Ring ziehe. Das Schiff bis
über den Anker vorholen und diesen aufholen
und verstauen. Nun kann ich die Achterleine
lösen und durch den Ring zurück an Bord
ziehen – der beste Freund des Einhandseglers: die lange Leine (50m).
Plötzlich fällt mir ein, dass ich vorgestern in
Marciana vor Anker lag, hier liege ich an einer
Muringleine. Das ist einfach, aber immerhin
habe ich eine neue Problemlösung gefunden.
Ich löse eine Heckleine, dann die Muringleine
am Bug. Nun liege ich prima vor dem Wind an
der letzten Heckleine. Ich löse auch diese und
fahre sauber unter Maschine aus dem Hafen.
Noch in der Hafenausfahrt, ehe die Welle mich
erfasst, rolle ich die Fock aus und gehe mit
Maschinenunterstützung hoch an den Wind
Richtung Cap Corse. Einen Schlag muss ich
noch machen, um ausreichend freien Leeraum
zu haben, dann geht´s mit 5,5 Kn gegen die
wütende See an. Ausgelaufen bin ich 10.10
Uhr, die letzte Landmarke erreiche ich um
10.50, das Cap selbst, die vorgelagerte Insel,
runde ich um 11.30. Cap Corse ist zwar nicht
Kap Hoorn, aber ist bemüht sich, seinem
guten Ruf gerecht zu werden. Hier steht
wirklich eine Monsterwelle, die schon 2-3
Meilen leewärts deutlich nachlässt, obwohl ich
So liebt Timshal die See
Ich nehme einen Sundowner, klampfe bis zur
Dämmerung und sitze nun hier in einem netten
Hafenrestaurant, bin inzwischen nach Moules
a la Provencale und einer köstlichen Pizza mit
Ei, Oliven und Hackfleisch beim Fromage de
Brebis angelangt. Ich werde jetzt mein letztes
Glas Wein leeren, meinen ausgiebigen
Hafenrundgang machen und dann schlafen
gehen. Habe immer noch Seegang vom
heutigen Tage und möchte morgen eigentlich
früh los. Bis Calvi sind es 45 sm und vorher
muss noch die Reparatur gelingen. Ich bin
sehr gespannt.
Wirklichen Charme hat der Ort hier nicht. Alles
ein bisschen Durchgangsverkehrsmäßig wie
ein Fährhafen.
9
mit kleiner Fock ohne Maschine noch 5,8 Kn
laufe. Zwei Stunden später lässt der Wind
nach. Ich tausche die kleine Fock gegen die
Genua aus und dennoch reicht auch diese
Aufrüstung nur für eine weitere halbe Stunde..
Da ich noch fast 27 sm vor mir habe, nehme
ich den Motor zur Unterstützung.
Wasser aufwischen, notdürftig zwei Fender
raus, dann schnellstens Badehose an,
Taucherbrille geschnappt und ins Wasser. Wie
gedacht, nu isse wech - die Schraube,
jedenfalls der eine Flügel, den ich heute
morgen so glorreich gerettet habe. Wieder
einmal in Calvi fest.
Zu dumm, dass ich nicht von der Pinne
wegkomme, aber auch nicht für 10 Sekunden.
Da hab ich nun die ganze Tecknik an Bord,
aber trotzdem bin ich hilflos. Der elektrische
Autopilot hat schon bei der ersten größeren
Welle den Geist aufgegeben - jetzt habe ich
nur noch eine der vier in La Maddalena
gekauften Ersatzsicherungen. Der Windpilot
würde sicherlich ordentlich arbeiten, aber ich
kann ihn bei der Welle nicht in Gang setzen,
mir fehlt einfach noch der souveräne Umgang
damit. Also: pinnulieren, was bedeutet, ich
komme nicht mal an mein Trinkwasser, obwohl
die Flasche direkt neben dem Niedergang
liegt. Ursprünglich stand sie, aber das war vor
den Einschlägen der Timshal in der
Monsterwelle. Schließlich gelingt es mir doch,
den Moment zu finden, in dem das Schiff das
geringste Drehmoment in der Welle hat. Ich
reiße das Schott heraus (mein Ersatz fürs
fehlende Brückendeck), grabsche tief hinein
ins Schiff und erwische sie wirklich. Wasser!
Welche Wohltat! Jetzt könnt ihr mich wieder an
der Pinne haben, ihr da oben. Ich habe
Wasser!
Calvi, Blick von der Festung
Die Stadt hängt an mir. Im Frühjahr war´s der
Wind, jetzt diese verdammte Havarie. Meine
Schiffsnachbarin - blond, Großglockner,
Französin, nimmt zwar interessiert Kenntnis
von meinem Malheur, wendet sich aber gleich
wieder ihrem Buch zu. Ach, wäre Trost jetzt
schön. Aber nööh, Einhandsegeln heißt auch,
alleine austragen, Freud und Leid. Statt zu
hadern, gehe ich hungrig und erschöpft
Essen. Nach einem Salade de Fruit de Mer,
einer Pizza Vesuv und einem Grand Pichet de
Vin Rosé bin ich zwar der Lösung des
Problems noch keinen Schritt näher, aber ich
ertrage es etwas leichter. Kein Problem ist so
groß als das es nicht morgen noch größer
wäre. Es ist erst Montag und ich habe noch
alle Optionen offen, sie reichen von "ich weiß
nicht, wie" bis "pah, keine Ahnung!"
Gegen 16 Uhr dreht der Wind, wie mir meine
Genua meldet, die kurzum auf Bb-Bug
umgeschlagen ist. Ab diesem Zeitpunkt
nehmen Wind und Welle kontinuierlich zu.
Zwischendurch war´s runter auf 3-4 Bft und 1
Meter Welle. Jetzt beginne ich zu surfen und
erreiche binnen einer Stunde in der Spitze 8,8
Kn in der inzwischen wieder auf 2,00 Meter
aufgebauten Welle. Kurz vor Calvi kommt mir
eine
auslaufende
40Meter-Motoryacht
entgegen. Sie wirft Fontänen, die weit über
ihren Instrumentenmast reichen, drosselt aber
nicht ihre Geschwindigkeit. Wahrscheinlich
Termine - Crew muss zum Zeitpunkt X am
Checkpoint Y sein: Eigner an Bord nehmen.
Mein
Achterliek
zeigt
Tendenzen,
umzuschlagen - irgendwann halse ich und
habe nun das Tuch auf der Steuerbordseite
stehen. So rausche ich auf Calvi zu. ETA
(Estimated Time of Arrival) 19.15 Uhr.
Mal im Ernst. Der Rosé tut seine relaxierende
Wirkung und schon ordnen sich die
Gedanken. Zunächst einmal lade ich über
Nacht die Batterien - im wörtlichen Sinne, um
auch gegebenenfalls ohne Motor wenigstens
den Autopiloten betriebsbereit zu halten.
Morgen früh kaufe ich auf jeden Fall
zusätzliche Sicherungen für den Autopiloten
und rufe den Wetterbericht ab. Ist der gut,
kann ich mich auch mit halber Schraube aufs
Festland rüberwagen und das Problem den
Winterarbeiten am Schiff zuordnen. Aber auf
jeden Fall versuche ich, was ich für fast
ausslichtslos halte, einen neuen Faltpropeller
für mein Schiff zu bekommen. Müsste dann
kranen, um die neue Schraube anzubringen
und mit Locktite die Imbusschraube zu
sichern.
Auf den letzten 2 Meilen kommen noch zwei
Schiffe um La Revellata, auch mit
Sturmbesegelung bestückt, und freuen sich
auf den Landfall. Im Schutz der Hafenmole
mache ich einen Aufschießer, berge die
Genua und verzurre sie mit einem Tampen
und Gummistropps. Noch keine Fender
ausgebracht und kein klar Schiff. Wie denn
auch, wo ich doch an die Pinne geknebelt bin
(siehe weiter oben). Beim Hafeneinlauf
vernehme ich ein irritierendes Geräusch im
Antriebsstrang. Oh Gott, das wird doch wohl
nicht ...? Ich mache an einer gut geschützten
Box zum ersten Mal Bug voran fest, wobei ich
den Liegeplatznachbarn schon mal vorsorglich
um Unterstützung bitte, die ich auch spontan
bekomme. Schiff fest, Bilge lenzen, innen
Dienstag, der 11. Seetag
Monsieur Thierry ist der ortsansässige
Mechaniker. Ich treffe ihn am Morgen des 11.
Seetags. Er meint, er könne die Schraube in
einem Tag dort haben, dazu müsse aber das
Schiff aus dem Wasser. Man könne auch so
fahren, solange keine starken Vibrationen
10
auftreten. Der Wetterbericht meint es gut und
kündigt für heute Nord 4-5 Bft an, für morgen
West 2-3 Bft, weiter stabile Hochdrucklage und
blaublau. Ich nutze die Chance und mache
sofort die Leinen los.
Beim Auslaufen bemerke ich, dass ich
vergessen habe, den abgerissenen Arm für
den Autopiloten der Pinne wieder zu
befestigen. Da die Schraube durchgebrochen
ist, muss ich den ganzen Beschlag um 1cm
nach vorn versetze. Muss also noch mal
rechts ran an der Tanke. Dabei lerne ich einen
Einhandsegler mit einer sehr gepflegten Vindö
50 aus Frankfurt kennen. Ich habe ihn schon
gestern abend am Steg gesehen und er hat
freundlich mit "bonsoir" gegrüßt. Da er aber
seine Flagge bereits eingerollt hatte und sein
Schiff äußerlich nicht als Einhandsschiff zu
erkennen ist (im Gegensatz zur Timshal), kam
das Gespräch nicht zustande, welches uns
beiden Spaß gemacht hätte. Stattdessen
kurzer Wortabtausch und heftiges Winken auf
See. Er fährt Richtung Sanguinaire und ich
rüber nach Frankreich. Tja, liebe Jung, hätt´ste
ma besser ausgeflaggt. Erfahrungsaustausch
wäre schön gewesen.
Sonnenuntergang auf hoher See
Nachdem die astronomische Dunkelheit
heraufgezogen ist, betrachte ich das
Milchstraßenband, wie es sich von Nordosten
nach Südwesten am Himmel erstreckt und dort
sogar einen fahlen Lichtschimmer aufs Wasser
zaubert. Ich werfe noch einen Blick durchs
Fernglas,
schaue
h+chi
Persei,
den
wunderschönen doppelten Sternhaufen zwischen Cassiopeia und Perseus, Andromeda,
unsere Nachbargalaxie und andere Objekte an
und lege mich dann schlafen.
Um 11.30 Uhr bin ich draußen. Sobald ich La
Revellata passiert habe, setze ich den
Windpiloten in Gang und wir machen bei 4-5
Bft und 2 Meter Welle herrliche Fahrt unter
Groß und Genua. Der Wind ist anfänglich wie
am Vortag NNE. Ich trage viel zu viel Tuch und
binde 2 Reffs ins Groß. Mit 6,3 Knoten, im Surf
über 8 Kn schießt Timshal dahin, keine Wolke
am Himmel. Ich ruhe mich in der Koje aus, um
für die Nacht ein wenig fit zu sein. Denn wenn
der Wind flaut, werde ich wohl selbst an der
Pinne sitzen müssen.
Mittwoch, der 12. Seetag
Um 1 Uhr fühle ich mich topfit und gehe an
Deck. Jetzt ist was los auf dem Wasser. 2
Toplaternen hinter mir, Segler, die von der
Côte Richtung Sardinien unterwegs sind. Zwei
Fähren in Luv: Richtung West die eine, ich
beobachte sie, seit sie in 5 Uhr-Position durch
das Mondlicht kam. Sie läuft schließlich eine
halbe Meile nördlich an mir vorbei.
Richtung Bastia die andere, vermutlich aus
Marseille kommend, läuft ca. 500m in Luv vor
mir vorbei. Es ist eine Corsica Ferry, gelber
Rumpf, weiße Decks. Ich versuche, den
Eindruck mit Nightshot zu filmen - besonders
den Augenblick, als sie ins Mondlicht einfährt.
Hinter ihr kommt noch ein Sailor aus Nord auf.
Er kommt so nahe heran, dass wir uns
gegensteitig ein zweites Licht zur Begrüßung
zeigen können. Nur nicht blinken, das könnte
leicht als Morsen missverstanden werden. Ich
schalte noch das Funkgerät ein auf Kanal 16,
vielleicht gibt er ja einen Laut. Nein, das nicht,
aber ich staune nicht schlecht, dass ich
Funksprüche von der Porquerolle Capitainerie
auffange, die ist immerhin noch 45sm entfernt.
Um 17 Uhr esse ich Brote mit Käse, Tomaten
mit Remoulade und eine Dose Fisch in
Tomatensauce. Gegen 18 Uhr binde ich die
Reffs wieder aus. Es hat auf 2-3 Bft abgeflaut.
Timshal läuft zwar immer noch 5 Knoten, aber
der Windpilot agiert zu träge und schafft´s
nicht mehr. Ich stelle den Simrad Autopiloten
an, der die Lage 100%ig im Griff hat. Ich muss
nur beide Segel etwas offener fahren. Je
weniger die Pinne aus der Mittschiffslinie
ausschlägt (Rigg gut getrimmt), um so leichter
steuert er. Ich bleibe noch an Deck, um den
Sonnenuntergang zu genießen, er findet unter
meiner Genua in 11 Uhr-Position statt.
Dazu genehmige ich mir meinen traditionellen
Sundowner, Pastis mit Cola, rauche eine
Zigarette und finde, das Leben als
Einhandsegler hat eigentlich gerade erst
richtig begonnen.
Bis sich alle Schiffe hinter den Horizont
verzogen haben, ist es 2.30 Uhr geworden.
Während ich dies schreibe, fällt die
Geschwindigkeit auf unter 2 Kn. Ich nehme die
Schoten dichter, bald macht Timshal wieder 4
Kn - der Wind hat lediglich eine kurze
Verschnaufpause
eingelegt,
steht
aber
ansonsten bisher ganz gut durch. Die Welle
hat sich auf einen dreiviertel Meter abgebaut.alles läuft vorzüglich.
Auf Timshal kann ich mich verlassen. Sie ist
grundsolide und seetüchtig und hat jetzt bis zu
34 Knoten Wind erlebt, ohne dabei überfordert
zu wirken. Auch Wellen bis zu 4 Metern haben
ihr nicht wirklich zu schaffen gemacht. Mutig
setzt sie sich immer wieder obendrauf, bohrt
sich nicht rein und schüttelt ein paar Wellen,
die den Weg auf Deck finden, einfach wieder
ab.
3 Uhr, noch 38sm bis Bormes, da kommt aus
dem Mondschimmer ein weiteres Dickschiff.
Da ich die Schifffahrtslinie nicht kreuze,
sondern fast parallel schneide, bin ich
11
gespannt, ob das hell erleuchtete Schiff
diesmal schon hinter mir durchgeht.
Erklärung. Die stellt sich jedoch wenig später
ein, als ich eine Netzmarkierung eines
Fischers ganz dicht in Lee passiere: sie liegt
da wie eine Fahrwassertonne im Rhein und
zieht eine lange Spur Richtung SW durch´s
Wasser. Aha, hier herrscht eine nicht
unbeträchtliche Strömung. Damit hatte ich
nicht gerechnet. Da das GPS unbestechlich
die Fahrt über Grund anzeigt, muss ich also
meinen Kurs nach GPS luvwärts korrigieren
und die Segel etwas dichter nehmen. Das
gleiche passiert einer Segelyacht 2sm hinter
mir und etwas weiter in Lee. Ich beobachte
durch´s Fernglas, dass sie Ihre Segel dichter
und dichter nimmt, dann aber letztlich die
Genua einrollt und unter Maschine um´s Eck
kommt. Sie hatte wohl nicht das Glück, ein
Fischerfähnchen nahe zu passieren.
Um 5.15 Uhr kommt das Leuchtfeuer von Cap
Camarat - zwischen Cavalaires und St. Tropez
in Sicht. Es trägt 26sm, blinkt 4x und dann
Pause.
Passt genau:37sm habe ich noch vor mir. LF
liegt in 300°, meine Position ist N 42°58,5‘ E
007°10,5‘. Jetzt müsste in der nächsten
Stunde das LF „Le Titan“ auf der Ile Levant vor
meinem Bug auftauchen. Es liegt etwas weiter
weg, trägt aber auch 28sm. Zwischen beiden
fahre ich durch. Um 3.40 passiert mich das
eben ausgemachte Schiff, eine Corsica Ferry
Richtung Marseille ca. 400m in Luv.
Inzwischen ist auch Venus aufgegangen,
Orion steht hoch am Himmel hinter meinem
Achterstag und genau dazwischen der Mond.
Seine abnehmende Sichel zeigt mit der
konvexen Seite Richtung Venus. In Luv ist von
Le Titan noch nichts zu sehen, dafür ein
weiteres Schiff aus Richtung Marseille
kommend, wo gerade die Fähre von soeben
entschwindet. So kann man sich trefflich die
Nacht vertreiben.
Nach einer einstündigen Schlafpause werde
ich kurz vor Sonnenaufgang wieder wach. Ich
schäle mich aus der Koje, weil ich den nicht
verpassen möchte. Es ist doch die gleiche
Sonne, die ich gestern abend untergehen sah.
Und dann habe ich die ganze Nacht das ewige
Spiel
beobachtet.
Zuerst
stand
das
Sommerdreieck hoch am Himmel, dann
kamen Pegasus, Andromeda und Perseus
über die Kimm. Das Milchstraßenband so
strahlend hell. Auch die Dunkelwolken klar zu
erkennen - ganz besonders im Schwan hinter
dem Nordamerikanebel. Dann kamen der
Mond,
Capella
und
das
gesamte
Winterfünfeck, Orion tief im Südosten, dann
Venus. In der Linie Mond - Venus Kimm habe
ich dann die Sonne gesucht. Ich wusste, dass
sie jeden Moment erscheinen muss, weil der
Kondensstreifen eines Fliegers schon von ihr
erleuchtet wurde.
Begegnung auf See – Perini Navi ca. 50m LüA
Die letzten Meilen können wahnsinnig zäh
werden, wenn der Wind nachlässt und , boy
oh boy, er lässt nach. Ich klebe nördlich von Ile
Levant fest. Trage ins Logbuch Ankunft 10.30
ein, aber es dauert tatsächlich noch eine halbe
Stunde länger. Auch die Maschine mit ihrem
gestutzten Flügel hilft nicht wirklich und hoch
drehen möchte ich nicht. Letztlich werfe ich
doch meinen Haken am Cap Benat. Britta
schickt eine Mail. Sie ist gerade mit ihrer
Urlaubscrew auf dem Weg von Bormes nach
Saint Tropez - wir fahren uns also fast über die
Füße.
Tatsächlich, ziemlich genau an der vermuteten
Stelle, zeigt sich der erste Ansatz ihres
Bogens. Dann steigt sie auf, ist oben schon
hellorange, unten noch rot. Jetzt schiebt sie
sich durch alle Dunstschichten hin-durch und
ich kann mit unbedeckten Augen nicht mehr
hinschauen. Dafür
jetzt spüre ich ihre
wärmenden Strahlen - und Timshal pflügt mit
5,5 Kn durch die See, ohne Hektik, ohne
Kapriolen, einfach forsch und zielstrebig. Vor
mir blinkt Le Titan, stellt aber auch sogleich
seinen Betrieb ein, da es jetzt taghell ist. Ich
lass das Schiff einfach laufen und lege mich
nochmal hin.
Ich antworte ihr noch auf der letzten Meile,
denn am Ankerplatz angekommen gibt es nur
noch eines: den erfrischenden, befreienden,
erlösenden Sprung ins kristallklare Wasser.
Jetzt ausruhen, mich fallen lassen. Ich schlafe
zwar nicht, aber ich döse. Mein Kopf geht alle
möglichen nautischen Szenarien durch, er ist
immer noch auf See bei den Manövern, bei
den Situationen, die zu meistern waren.
Gegen 16 Uhr fühle ich mich völlig entspannt
und beginne, Windgenerator und Windpilot
abzubauen, ein wenig klar Schiff zu machen
und das Aufslippen schon gedanklich
durchzugehen. Noch zwei-, dreimal springe ich
ins Wasser, erfrische ich, genieße mein
Dasein auf dem Meer, auf dem guten Schiff.
Dann heißt es "Anker auf", es wird noch mal
spannend. Ist das Auto noch da? Ja sicherlich,
aber der Trailer: alle Reifen noch dran, nichts
Kurz vor Ile Levant mache ich eine höchst
interessante Feststellung: Ich sehe schon vor
mir in der Ferne meine Ziel, das Cap Benat
und halte mit der Nase direkt drauf zu. Mein
Kompass zeigt Kurs 288° - er hat keine
Deviation auf diesem Kurs. Das GPS 12
behauptet aber, ich würde 270° laufen. Ich
kontrolliere in der Karte, finde aber keine
12
zerstört, keine neuen Probleme? Die zwei
Meilen bis zum Hafen dauern fast eine
dreiviertel Stunde. Um 18 Uhr bin ich dort fest.
Sehr freundlich, die Capitainerie, ein Junge
fährt mit dem Fahrrad zum Steg, um mich dort
in Empfang zu nehmen. Mein Törn beeindruckt
ihn. Festmachen, Landanschluss raus (nur aus
Routine: volle Batterien, kühle Getränke),
dann kann ich von Bord. Ein wenig haste ich
an Land. Puh, mein Auto ist noch da, die
Scheiben noch heile, alles ok. Ich steige ein
und fahre raus zum Trailer. Auch der ist noch
da und alles scheint unbeschädigt.
die Rettungsinsel von Bord, Proviant für die
Heimreise vorbereitet.
Jetzt kann ich mich wirklich freuen. Alles hat
geklappt. Ich glaube, ich war ein guter
Seemann, auch wenn einige Situationen - wie
beschrieben - nicht anders hätten kommen
dürfen, als sie kamen. Ich lerne daraus, noch
mehr vorauszuschauen und auch das
unwahrscheinlichere mit in die Planung
einzubeziehen. Ganz besonders denke ich
dabei an die Legerwallsituation vor Isola di Li
Nibani und an die Muring in Macinaggio. Aber
dieses Lernen von Seemannschaft macht
auch Spaß, sowohl dann, wenn etwas gelingt,
als auch dann, wenn etwas zwar vermurkst
aber trotzdem wieder zurechtgebogen wurde.
Jetzt sitze ich hier im völlig stillen Hafen von
Bormes, sinniere vor mich hin über den
aufregenden, aber schönen Törn. Ich bin
glücklich, zufrieden, dem Himmel ein Stück
näher. Fühle mich viel besser als in den ersten
Tagen, obwohl die ja nicht schlecht waren.
Aber jetzt könnte ich wieder die Leinen
loswerfen und Richtung Gibraltar segeln oder
in die Ägäis. Alles ist möglich. Brainfood für
den Winter. Jedenfalls habe ich ein paar
Antworten bekommen und keine neuen
Fragen. Liegt mir das, die Einhandsegelei?
Ich glaube schon, es dauert nur ein paar Tage,
bis man den eigenen Rhythmus findet und
sich nicht einfach gehen lässt.
Die Fahrt verläuft zügig und problemlos. Es ist
nicht viel Verkehr auf der Autoroute. Kurz vor
Besanćon – es ist 22 Uhr – fahre ich auf einen
Rastplatz, um ein paar Stunden zu schlafen.
Keine Schiffe weit und breit, nur ein paar
Wohnmobile. Um 6.00 Uhr geht´s weiter. Kurz
vor Strassburg kündigt sich der Sonnenaufgang an. Er ist hier so völlig anders, als auf
See. Phase 1 (rote Sonne) und Phase 2
(orangefarbene Sonne) werden geflissentlich
übergangen. Sie geht hinter den Bergen auf
und blendet gleich heftig. Die Straßen sind
vollgestopft mit Hektikern, die pünktlich zur
Arbeit kommen wollen und sich auf´s Wochenende freuen.
In diese Gedanken platzt das Klingeln - oder
besser - Piepen des Telefons. Die Gang vom
Gifiz, dem heimatlichen Segelrevier ist dran.
Zuerst meldet sich Didi, dann Thomas und
zuletzt Hajo. Sie sitzen am Gestade unseres
Heimatreviers beim Bier und sind neugierig und auch einfach da. Ich freue mich riesig und
erhebe mein Champagnerglas nach der
„happy landing“ auf die Freunde. Am Freitagnachmittag werden wir beisammensitzen und
ich werde sie verbal heimsuchen mit meinen
Eindrücken und Erlebnissen.
Die fehlende Schraube verhindert eine weitere
Wasserung am Rhein. Und nächstes Jahr?
Noch keine konkreten Pläne, aber ich habe die
Waypoints Le Havre und Südengland bis
Cornwall für alle Fälle schon mal eingetippt.
Timshal ist bereit für die Heimreise
Nun ist es wirklich vorbei! Jaja, ich hab´s ja
begriffen!
Den Freitag und Samstag nutze ich dazu, das
Schiff zu entsalzen, die zugemölten Schapps
und Backskisten zu leeren, die Segel im
Süßwasser zu waschen und zu trocknen und
meiner Timshal eine Rumpfpolitur zu gönnen.
Sie ist jetzt fertig für den Winterplatz in der
Halle.
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Aber erst mal sicher aufslippen und heimreisen. Besonders die Slipanlage mit der zu
kurzen Rampe macht mir noch Sorgen. Aber
das ist morgen,
Freitag morgen 7.30 Uhr – zu Hause
Das Aufslippen gestern hat prima geklappt.
Auch die Rampe erwies sich als ausreichend
lang. Ich habe den Slipwagen unter das Schiff
gezogen und festgezurrt, dann die eine Achse
an der Slipkante aufgesetzt – lässig rollten die
Räder über die Kante. Wieder mal genau high
noon bin ich mit allen Arbeiten fertig. Der Mast
liegt, das Schiff ist verzurrt, das Gepäck und
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