Rom und die Staufer - Universität Kassel

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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Einleitung
Die renovatio–Bewegung und das Papsttum – Rezeption und Adaption der Antike im
Sakralbau des 12. Jahrhunderts
(Heindrik Kolbe)
Friedrich Barbarossa und das römische Kaiserrecht
(Ali Demir)
Die kommunale Bewegung in Oberitalien
(Patricia Cortmann)
Die römische Kommune und „Renaissance des 12. Jahrhunderts“
(Marcus Covrig)
Die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung in Rom
(Isabelle Denecke)
Unterschiedliche Konzepte des Kaisertums: Rom und die Staufer
(Martin Färber)
Der Kampf um die Stadtherrschaft und die Erneuerung des römischen Senats
(Kathrin Kallweit)
Rom und die sog. „Renaissance des 12. Jahrhunderts“: Arnold von Brescia
(Janine Otto)
Die "Mirabilia Romae"
(Ursula Schütze)
Zusammenfassung
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Das Rom der Kommune
Einleitung
Mit der folgenden Präsentation zur Geschichte der kommunalen Bewegung in Rom wird
ein völlig neuer Aspekt der Geschichte Roms in den Blick genommen. Die bisherigen
Präsentationen thematisierten die Geschichte Roms von der Spätantike bis zum Anfang des
11. Jahrhunderts. Dabei lag die Perspektive auf den beiden, die Stadt beherrschenden
Kräften, zum einem dem Papsttum zum anderen dem Kaisertum. Wir haben die Entstehung
des Papsttums, die sich ausbildende Stadtherrschaft der Stellvertreter Petri ebenso
thematisiert, wie deren bauliche Eingriffe in das römische Stadtbild. Auch auf den Einfluss
des Kaisertums auf die Stadt Rom haben wir gehört, vom Bild das sich die Herrscher aus
dem Norden von der Stadt am Tiber machten – genauso, wie von dem über die
Jahrhunderte wechselhaften Verhältnis des Kaisertums zur Kurie – sei es nun zu Zeiten der
Karolinger, Ottonen, Salier oder schließlich der Staufer.
Mit unserer Präsentation wird nun eine andere Perspektive auf die Geschichte Roms
eröffnet. Mit der Entstehung der römischen Kommune im 12. Jahrhundert gewinnt, die
Belange der Stadt betreffend, eine dritte Kraft an Einfluss.
Was bedeutet es nun eigentlich, dass sich eine „dritte Kraft“ – eine kommunale Bewegung
herausbildet, welche den Anspruch erhebt die Geschicke der Stadt Rom mitzubestimmen.
Für uns sind die kommunalen Bezüge alltäglich, wir leben in einer Welt, die den Einzelnen
in verschiedenster Form mit städtischer Selbstverwaltung in Berührung kommen lässt – sei
es bei Kommunal- oder Bürgermeisterwahlen, sei es in Bezug auf die kommunale
Bürokratie. Diese für uns zur Routine gewordenen kommunalen Bezüge finden im 11.
Jahrhundert ihre Anfänge in den oberitalienischen Städten, ergreifen im 12. Jahrhundert
Rom und führen in ihren Auswirkungen erstmals zu einer fundamentalen Änderung der
Herrschaftsstrukturen. Es bilden sich - im Gegensatz zu den eher vertikal gegliederten
Herrschaftsstrukturen
der
Jahrhunderte
zuvor,
erstmals
horizontal
verlaufende,
genossenschaftliche Strukturen durch die Entstehung dieser „dritten Kraft“ in Rom aus.
Die Entstehung und Entwicklung der römischen Kommune indes läuft natürlich nicht ohne
Konflikte und Turbulenzen ab, was uns zur Formulierung der Ziele führt die unsere
Präsentation verfolgt.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Wir wollen
einen Einblick bieten, in die turbulenten Jahrzehnte der römischen
Stadtgeschichte, in denen sich die kommunale Bewegung formt und schließlich etabliert.
Es soll gezeigt werden, was sich hinter dem Begriff Kommune eigentlich verbirgt, zudem
soll die Entstehung der kommunalen Bewegung, die - wie bereits kurz erwähnt – auf das
11. Jahrhundert zurückzuführen ist und ihren Ausgang in den oberitalienischen Städten
rund um Mailand nahm, nachgezeichnet werden.
In einem zweiten Schritt soll gezeigt werden in welchen größeren geistigen und kulturellen
Strömungen der Zeit die kommunale Bewegung Roms verortet werden kann.
Ziel ist es die Einflüsse der – in der Forschung kolportierten - Renaissance des 12.
Jahrhunderts auf Kommune, Papst- und Kaisertum, sowie deren spezifisch römische
Umformung aufzuzeigen. Die kommunale Bewegung rezipiert und instrumentalisiert in
diesem Zusammenhang vor allem das römisch-republikanische Erbe, wie die
Wiederverwendung des “Senatorentitels“ oder des Schriftzuges S.P.Q.R. zeigen. Sie bleibt
in der Reaktion allerdings nicht die einzige Kraft, die von der Zeitströmung erfasst, an
antike Traditionen anknüpft. Es soll vermittelt werden, daß durch alle Schichten, auch von
Kaiser und Kirche, der Renovatiogedanke rezipiert und im jeweils eigenen Interesse
verwendet, bzw. umgeformt wird. Wie weit die Beeinflussung der Schichten durch die
Renaissance des 12. Jahrhunderts reicht, soll anhand der Verwendung und Adaption
antiken Baumaterials ebenso verdeutlicht werden, wie am Rekurs auf Römisches Recht
oder der Entwicklung eines neuen Verständnisses von Kaisertum.
Daran anknüpfend soll das Wirken der römischen Kommune näher beleuchtet werden.
Was macht die römische Kommune eigentlich mit ihrer Stadt. Welche baulichen
Veränderungen
nehmen
die
Bürger
auch
aufgrund
ihres
neuen
kommunalen
Selbstverständnisses vor? Wie wirken sich diese Veränderungen letztendlich auf das
Stadtbild Roms aus. Außerdem soll skizziert werden, wie sich die „Neue Kraft“ in Bezug
zu den alten Kräften verhält. Wie kann man das Beziehungsgeflecht zwischen Kommune
und Papsttum, aber auch zwischen Kommune und den Kaisern beschreiben, wo lassen sich
Dissonanzen erkennen, wo werden Koalitionen gebildet, um an der Macht partizipieren zu
können?
Im letzten Teil unserer Präsentation sollen dann noch einmal die Besonderheiten der
kommunalen Bewegung in Rom in den Mittelpunkt gerückt werden. Dabei soll der Frage
nachgegangen werden, warum die Entwicklung der römischen Bewegung im Vergleich zu
ihrem oberitalienischen Pendant als verspätet zu bezeichnen ist und wo die Gründe dafür
liegen könnten. Zudem soll nochmals der Rückgriff der kommunalen Bewegung auf das
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
„römische Erbe“ – die eigene römisch-republikanische Vergangenheit – als Besonderheit
im Rahmen der Renaissance des 12. Jahrhunderts heraus gearbeitet werden. Zuletzt sollen
Wirkung und Erfolge der kommunalen Bewegung eingeordnet und kritisch beleuchtet
werden. Lässt sich der erstmalige Versuch der römischen Bürgerschaft kommunale Selbstund Mitbestimmung in städtischen Angelegenheiten zu erreichen nun als Erfolg
bezeichnen oder ist der Bewegung eher eine gewisse Fruchtlosigkeit in der Erreichung
ihrer Ziele zu attestieren?
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Die renovatio–Bewegung und das Papsttum –
Rezeption und Adaption der Antike im Sakralbau des
12. Jahrhunderts
Heindrik Kolbe
1.
Einleitung
Das römische Volk aber...
machte einen Aufstand,
stürmte das Kapitol,
und in der Absicht,
das alte Ansehen der Stadt wiederherzustellen,
setzte es den Senat wieder ein…1
Die Rekonstitution des Senates, als Versinnbildlichung der antiken Größe der Stadt und
gleichsam eines sich entwickelnden politischen Bewusstseins der römischen Bürger – in
den Worten Ottos von Freising spiegeln sowohl Bezüge als auch Interessen der kommunalen Bewegung in Rom wieder, deren Entwicklung und Wirkung im Rahmen der anderen
Beiträge zur kommunalen Bewegung eingeordnet worden ist. Im Folgenden soll, gleichsam durch einen Perspektivwechsel die Reaktion und Rezeption des Papsttums auf die
kommunale Bewegung skizziert werden. Dabei soll weniger die Ereignisgeschichtliche
Aufarbeitung des Konfliktes zwischen päpstlicher Kurie und kommunaler Bewegung im
Vordergrund stehen, als vielmehr die der päpstlichen Kurie ebenso eigene Rezeption und
Instrumentalisierung des Gedankens der renovatio - der Wiedererweckung der „glorreichen
Antike“ – auf dem Gebiet der sakralen Architektur stehen. Im zweiten Schritt soll anhand
der skizzierten baulichen Veränderungen herausgearbeitet werden, wo die Motive dieser
Antikenrezeption und Adaption auf die durch das Papsttums in Auftrag gegebenen baulichen Veränderungen liegen könnten, bzw. ob sich aus der Rezeption ein neues päpstliches
Selbstverständnis ableiten ließe, das sich - auch in Auseinandersetzung mit der kommunalen Bewegung - entwickelt. Der Blick richtet sich dabei hauptsächlich auf den wichtigsten
Kirchenbau der Christenheit neben St. Peter, die Lateransbasilika, allerdings werden zur
Einordnung der Veränderungen in Baukunst und Architektur im Rahmen der renovatioBewegung auch andere Sakralbauten Gegenstand der Darstellung sein.
Knut Schulz: „Denn sie lieben die Freiheit so sehr…“. Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, 2. verb. Aufl., Darmstadt 1995, S. 133.
1
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Neben einem kurzen Abriss der Entstehung von S. Giovanni in Laterano, einer Einordnung
hinsichtlich ihres Stellenwertes im Christentum, wird vor der eigentlichen Problemerörterung, eine kurze Definition des für das Verständnis der Ausarbeitung wichtigen Begriffes
der Spolie erarbeitet werden.
Die mit der konstantinischen Wende einhergehende Förderung des christlichen Sakralbaus
durch den Kaiser ist gleichsam die Vorraussetzung der Entstehung des ersten offiziellen
Kirchenbaus der konstantinischen Ära, der Lateranskirche in Rom. Die Errichtung der, erst
im Frühmittelalter als S. Giovanni in Laterano bezeichneten Kirche lässt sich nicht genau
datieren, der Entstehungszeitraum lässt sich aber immerhin auf die Jahre zwischen 312-324
eingrenzen. Als Bischofskirche des Papstes gilt sie gemeinsam mit St. Peter als wichtigster
Sakralbau des Frühen Christentums, Zeugnis dieses Stellenwertes ist die, in die Fassade
eingearbeitete Inschrift omnium urbis et orbis ecclesiarum mater et caput (aller Kirchen
der Stadt und des Erdkreises Mutter und Haupt). Topographisch verorten lässt S. Giovanni
in Laterano in ihrer Urform – in Teilen findet sich diese noch unter der durch Borromiri in
den Jahren zwischen 1646-1650 umgestalteten barocken Kirche – im zweiten Stadtbezirk
Roms auf dem Caelius-Hügel einem bevorzugten Viertel der patrizischer Familien. Seine
architektonische Grundstruktur entsprach dem – der Eucharistie der Gedanken der Gemeinde geschuldeten Bautypus der Basilika – der für die christlichen Kirchen der folgenden Jahrhunderte prägend bleiben sollte. Man stelle sich einen längsgerichteten – in fünf
parallel geschalteten Schiffen gestaffelten - Bau vor, dessen Säulenstellung zur räumlichen
Kommunikation in den Schiffen dienen. Der Bau verfügte über regelmäßige Fensterreihen
zur Belichtung des Mittelschiffes, das seinerseits in einer Apsis auslief. Während die architektonische Ausgestaltung der Außenbaus als eher schmucklos zu bezeichnen war, gab sich
der Innenraum dagegen als farbenprächtig und opulent ausgestattet zu erkennen. Den
Fußboden pflasterten große Platten gelben numidischen Marmors der eingerahmt von
Streifen weißen Marmors einen Kontrast zur Säulenordung im Mittelschiffraum ergab.
Diese bestand aus 19 roten Granit-, die Seitenschiffe wiederum 21 grünen Marmorsäulen,
die von ihrer Provenienz als Spoilen zu bezeichnen sind.
Der Begriff der Spolien bezeichnet im eigentlichen Sinne wieder verwendete antike Baumaterialien, z.B. Säulen, Kapitelle oder auch Statuen, die unwesentlich ob im ursprünglichen Sinne wieder verwendet – also Kapitell als Kapitell – oder im Gebrauch entfremdet Kapitell als Taufbecken – verbaut oder gebracht werden. In unserem Zusammenhang spielen sie insofern eine Rolle, als das sie – und das sei gleichzeitig als These formuliert - das
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Ausdrucksmittel der Wiedererweckung antiker Erhabenheit zunächst in sakraler, aber noch
signifikanter in profaner Architektur diente.2
2.
Hauptteil
Analysiert man die in Entwicklungen in der römischen Baukunst vor und während des von
uns zu beschreibenden Zeitraumes, so ist evident, dass erst in den Jahren um 1270 Architekturströmungen aus anderen Gebieten der europäischen Reiche aufgenommen und
in der römischen Baukunst verarbeitet werden. Zuvor zeichnet sich Rom als resistent gegenüber diesen Einflüssen von außerhalb aus. Die römische Baukunst verfolgt stattdessen
vielmehr den Weg der Besinnung auf eigene regionale Bezüge, die wie bereits angemerkt,
vor allem das Bild vergangenen Glanzes wiederaufleben lassen. Aus der Empfindung eines
Verfalls des Gegenwärtigen wird gleichsam durch den Bezug auf die glorreiche Vergangenheit versucht, neue Kraft und Stärke zu ziehen.
Diese renovatio – Bewegungen sind für Rom nichts einmaliges, schon zwischen 780-855
ist eine solche Zeitströmung nachzuzeichnen, dennoch scheint diese weniger folgenreich
als ihr Pendant im 12. Jahrhundert. Am deutlichsten zeigen sich die Auswirkungen und die
durch die renovatio hergestellten Bezüge natürlich in der Profanarchitektur Roms im 12.
Jahrhundert. Auch wenn die archäologischen Befunde bis auf die Casa dei Crescenze eher
gering bleiben, ist der faktische und ideologische Bindung an die Antike in der kommunalen Bewegung zweifelsfrei höher als bei Kaiser und Papst, dennoch lassen sich in Bezug
auf das Papsttum auch einige wichtige Tendenzen kennzeichnen.
Der Beginn der päpstlichen Rezeption und Adaption des renovatio -Gedankens ist, wie
oben bereits kurz angedeutet im 11. Jahrhundert zu verorten. Die renovatio verläuft parallel
zum Investiturstreit und in Bezug auf Rom ist davon auszugehen, dass sie nicht unwesentlich vom Wirken des montecassinischen Abtes Desiderius beeinflusst wurde, dessen Kloster sich sehr früh der Antikenrezeption widmete, und die römischen Handwerker wohl in
später bestimmende Marmortechnik einführte.
Der Anfang der Rezeption und Verwendung antiker Elemente im 11. Jahrhundert ist gekennzeichnet durch den weitgehend traditionellen und pragmatischen Einbau antiken
Baumaterials. Antike Grundformen werden übernommen –bei der Veränderung von Kirchenbauten wird auf die Umformung in basilikale Grundstrukturen geachtet– bzw. die
2
Peter Cornelius Claussen: Renovatio Romae. Erinnerungsphasen römischer Architektur im 11. und 12.
Jahrhundert, in: B. Schimmelpfennig und L. Schmugge (Hrsg.): Rom im Hochmittelalter. Studien zu den
Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, S 122.
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Das Rom der Kommune
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verwendeten die Spoilen werden eher unter der pragmatischen Gesichtspunkten – zum
einsparen von Kosten verbaut. Damit einher geht gleichsam eine Anordnung oder Verwendung von Kapitellen, Säulen oder anderen Spoilen die keinem festgelegten Ordnungsprinzip folgt. Evident für unsere weiteren Ausführungen ist zudem, dass man zu
Beginn der renovatio zumindest nicht von einem bewussten Einsatz der Spoilen zur Versinnbildlichung der eigenen Machtstellung oder des gewachsenen Machtanspruches zu
verzeichnen ist. Bis der im Rahmen des Wormser Konkordats wieder gewonnenen Stärke,
fehlen am Anfang der päpstlichen renovatio architektonische Zitate neuer imperialer Größe. Zu Beginn ist die renovatio in diesem Zusammenhang deswegen eher restauratio und
conservatio als eben renovatio. Erst infolge des Wormser Konkordats ändern sich Ausdrucksformen kirchlichen renovatio die Sakralarchitektur erscheint oder impliziert in ihrer
neuen Form gleichsam als Ausdruck eines neuen päpstlichen Selbstverständnisses. Mit
dem Neubau der Kirche S. Crisogono erhält das veränderte Selbstverständnis des Papsttums einen ersten signifikanten Ausdruck. Das Mittelschiff der neuen Kirche gleicht einem
von antiken Säulen flankierten Triumphwege vor dessen unmittelbaren Ende sich ein auf
Porphyrsäulen - selbige mit korinthischen Kapitellen versehen - ruhender Triumphbogen
erhebt, nach dessen Durchschreitung man zu Papstthron und Altar gelangt. In der Nachfolge von S. Crisogono bildet sich eine Säulenordnung des 12. und 13. Jahrhunderts heraus,
die in ihrer Systematik eine gewissenhafte Auswahl und Komposition der Spoilen erfordert
und damit gleichzeitig zu einer wesentlich differenzierten Auseinandersetzung mit der Antike beiträgt. Der im 11. Jahrhundert noch weitgehend unter dem pragmatischen Gesichtspunkt der Kostenersparnis erfolgte Verbau der Spoilen erhält hier nun erstmals eine Umformung – die Architektur, die bauliche Adaption der Spoilen wird nun gleichsam durch
Herrschaftssymbolik und Machtästhetik bestimmt. Der neue imperiale Anspruch der S.
Crisogono vermittelt wurde lässt sich möglicherweise noch dadurch stützen, dass sich viele
Kirchen – darunter auch S. Giovanni in Laterano, einen architravierten Portikus nach dem
Vorbild von S. Crisogono zulegen. Ein weiterer architektonischer Anhaltspunkt dürfte die
Tatsache sein, dass im Gegensatz zur Entwicklung der Region um Rom herum, der Bau
besonders hoher und architektonisch aufwendiger Glockentürme (campanili) nicht vor
1130 zu belegen, danach aber rapide zunimmt.3
Blickt man zudem nochmals auf den Lateran und dass nicht ausschließlich hinsichtlich
einer architektonischen Rezeption des durch den renovatio Gedanken entstehenden imperialen Herrschaftsverständnisses des Papsttums lassen sich weitere Anknüpfungspunkte für
3
A. Priester: The Medieval Belltowers of Rome, Princeton 1990.
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diesen neuen Ausdruck finden. Zum einen in den verloren gegangenen Fresken des Lateranspalastes, deren Komposition den päpstlichen Triumph der voran gegangenen Jahre vergegenwärtigte. Zum anderen in der Tatsache, dass Papst Innozenz II. den Porphyrsarkophag Kaiser Hadrians in die Lateransbasilika verbringen und zur eigenen Ruhestätte bestimmen lässt. Verdeutlicht man die Symbolhaftigkeit dieser Handlung Innocenz II. ergibt
sich aus unserem letzten Beispiel ein weiterer Bezugspunkt für unsere Ausgangsthese, der
renovatio romae anhand, oder mit Hilfe der Spolie. Der in die Lateransbasilika umgebettete
Sarkophag bestand nicht aus irgendeinem gewöhnlichen Material, sondern aus dem - aus
Ägypten - herbeigeschafften Porphyr, einem roten Stein, dessen Verwendung allein dem
byzantinischen Kaiser gebührte. In seiner Art stets Spolie, da nach dem Verlust Ägyptens
nicht mehr abgebaut – symbolisiert der Porphyr hier gleichsam das neue Machtverständnis
des Papsttums.
3.
Zusammenfassung
Wie lassen sich nun unsere zugegebenermaßen eher kursorischen Ausführungen hinsichtlich einer päpstlichen renovatio im 12. Jahrhundert auch vor dem Hintergrund des Vergleichs zur kommunalen Bewegung einschätzen. Aus unserer Betrachtung ergibt sich Anhaltspunkte für den Wandel päpstlichen Selbstverständnisses im Zuge der Rezeption und
Adaption des renovatio Gedankens. Bleibt die päpstliche renovatio zu Beginn ihrer Entwicklung noch eher restaurativ, so wird sie spätestens nach 1122 zu einer renovatio trumphans die den imperialen Anspruch des Papsttums verkündet. Geäußert wird dieser Anspruch wie wir gesehen haben, auch und vor allem durch eine neue Architektur. Mit Hilfe,
oder durch den Verbau des in Rom sozusagen genuin vorhandenen antiken Baumaterials
wird – im 11. Jahrhundert noch eher pragmatisch und ungeordnet – im 12. Jahrhundert ein
Formenkanon entwickelt, der eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Antike auch
seitens des Papsttums möglich und nötig macht. Dennoch sollte man Erneuerungsbewegung hinsichtlich des Papsttums insoweit einschränken, aus ihr im Gegensatz zu den renovatio Bewegungen der beiden anderen in Rom agierenden Kräfte - Kaisertum und vor allem der Kommune - kein dezidiert ideelles Programm einer Romerneuerung herauszulesen
ist. Die päpstliche renovatio – nichts anders belegt der imperiale Anspruch in ihrer Erneuerung verhafte in einer kirchlichen Romidee, die die Folie und das Ideal für die Gesamtheit
der Christlichen Kirche bildete.
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Das Rom der Kommune
4.
Seminar „Rom im Mittelalter“
Quellen- und Literaturverzeichnis
Brandenburg, Hugo: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis 7. Jahrhundert. Der
Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst, Mailand und Regensburg 2004.
Claussen Peter Cornelius: Marmor und Glanz. Liturgische Räume und ihre Ausstattung, in:
Maria Andaloro und Serena Romano (Hrsg.): Römisches Mittelalter: Kunst und
Kultur in Rom von der Spätantike bis Giotto, Mailand 2002, S. 151- 175
Ders.: Renovatio Romae. Erinnerungsphasen römischer Architektur im 11. und 12. Jahrhundert, in: B. Schimmelpfennig und L. Schmugge (Hrsg.): Rom im Hochmittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12.
Jahrhundert, S 87-129.
Esch, Arnold: Spolien. Zur Wiederverwendung antiker Baustücke und Skulpturen im mittelalterlichen Italien, in. Herbert Grundmann und Fritz Wagner (Hrsg.): Archiv
für Kunstgeschichte, Bd. 51, Köln und Wien 1969, S. 1-64.
Goez, Werner: Grundzüge der Geschichte Italiens in Mittelalter und Renaissance, 2.,
durchges. Aufl., Darmstadt 1984.
Maleczek, Werner: Rombeherrschung und romerneuerung durch das Papsttum, in: B.
Schimmelpfennig und L. Schmugge (Hrsg.): Rom im Hochmittelalter. Studien zu
den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, S
15-28.
Schieffer, Rudolf: Mauern, Kirchen und Türme. Zum Erscheinungsbild Roms bei deutschen Geschichtsschreibern des 10. bis 12. Jahrhunderts , in: B. Schimmelpfennig
und L. Schmugge (Hrsg.): Rom im Hochmittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, S. 129-139.
Schimmelpfennig, Bernhard: Die Bedeutung Roms im päpstlichen zeremoniell, in: B.
Schimmelpfennig und L. Schmugge (Hrsg.): Rom im Hochmittelalter. Studien zu
den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, S.
47-64.
Schulz, Knut: „Denn sie lieben die Freiheit so sehr…“. Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, 2. verb. Aufl., Darmstadt
1995.
Poeschke, Joachim: Architekturästhetik und Spoilenintegration im 13. Jahrhundert, in:
Ders.(Hrsg.): Antike Spoilen in der Architektur des Mittelalters und der Renaissance, München 1996.
Priester, A.: The Medieval Belltowers of Rome, Princeton 1990.
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Das Rom der Kommune
Friedrich Barbarossa und das römische Kaiserrecht
Ali Demir
1. Einleitung
In der Zeit Friedrichs Barbarossas griff man in hohem Maße auf das römische Kaiserrecht
zurück, das formell ein Herrscherinstrument bot. Es ging um die erhabene Majestät und
darum die besondere sakrale Würde des Kaisers zum Ausdruck zu bringen. Dieses neue
Instrument für die Heiligung des Kaisers war zu dieser Zeit äußerst kirchenfremd. Der
Kaiser beabsichtigte, die gottunmittelbare Stellung des Monarchen zu betonen, um
gegenüber den politischen Ansprüchen des Papsttums die Unabhängigkeit des Kaisertums
ideologisch zu festigen. Der Herrscher wird in eine Position besonderer Gottesnähe
erhoben. Wie sah nun dieses, auf die Antike rückbezogene, römische Recht in der Praxis
aus?
Bischof Otto von Freising und Rahewin beschreiben unter anderem das kaiserliche Recht
in der Gesta Frederici. Die Quelle beschreibt die Rechte des Herrschers beim Einzug nach
Italien um zum Kaiser gekrönt zu werden. Durch die stauferfreundliche Haltung von Otto
von Freising aber insbesondere der von Rahewin, muss man sehr kritisch mit der Gesta
Frederici umgehen. Dennoch bietet die Quelle einen Einblick in die Haltung der Autoren
gegenüber der kaiserlichen Rechte im römischen Reich. Die neben dieser Quelle
verwendete Literatur ist hauptsächlich die von Knut Görich, Die Ehre Friedrich
Barbarossas, aus dem Jahre 2001, sowie verschiedene Artikel aus dem Lexikon des
Mittelalters.
2.
Hauptteil
Am 4. März 1152 wurde Friedrich Barbarossa zum König gewählt und bestieg noch im
gleichen Monat den Thron in Aachen. Die Frage, wie die Außenpolitik des Kaisers zu
gestalten sei, löste einen Konflikt mit den lombardischen Städten und der römischen
Kommune aus. Die Konflikte brachen laut Knut Görich aus, durch überhöhte
Geldforderungen, Barbarossas Forderung nach Unterordnung unter sein Gericht und die
Ablehnung dieses Gerichts wegen Parteilichkeit gegenüber dem Kaiser. Besonders
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Mailand hatte eine starke Position und war „sogar ohne jede Ehrfurcht vor der Majestät
des Herrschers dessen Unwillen von neuem zu erregen wagte“.4 Das Recht des Königs in
Italien, Bezugnehmend auf die vorherrschende Tradition, sieht vor, dass er einige Männer
vorausschicken muss um Abgaben einzutreiben, wenn er das Land durchquert. Allein
dieser Forderung kamen viele Städte nicht nach. Damit erhielt der König das Recht, diese
Städte und Burgen niederzubrennen. Aus einer in der Quelle so genannten „Gewohnheit“
heraus hat der König das Recht, alle Angelegenheiten auf seinen Befehl, nach den
Bestimmungen seiner Gesetze zu behandeln. Des Weiteren müssen die Richter des Landes
das Recht auf ihn übertragen. Wenn der König mit seinem Heer durch das Land zieht, steht
es ihm zu, alles außer Rinder und Saatgut für die Versorgung des Heeres einzuziehen. Otto
von Freising stellt das Kaiserliche Recht als allein gültig dar, wie er am Beispiel des
Streites mit den norditalienischen Städten zeigt. Der Widerstand gegen den König ist also
nicht legitim. Deswegen sind die norditalienischen Städte laut der Quelle als Rebellen
einzustufen.
Ottos von Freising Ausführungen sind antiken Ursprungs, wie z.B. das Modell der vier
Kardinaltugenden, das er im Prolog der Gesta Frederici auf Friedrich Barbarossa
anwendet, indem er ihn als maßvoll im Glück, tapfer in Widrigkeiten, gerecht im Gericht
sowie klug und scharfsinnig in Streitfragen darstellt.
Doch die Rechtsauffassung der Kommunen sah anders aus. Die Stadtgemeinden wahrten
im südlichen Teil des Reiches den Frieden und die Rechtsordnung nach innen, sowie
Schutz und Interessenvertretung nach außen durch eine Schwureinigung. Durch die
langjährige Abwesenheit des Kaisers, waren sie gewöhnt, ihre eigenen Rechte auszuführen
und sogar gegen Außenstehende, die versuchen ihr Recht zu beschneiden mit
Waffengewalt zu verteidigen. Ein Unterhändler der Mailänder umschrieb das Recht, das
dem Kaiser zukomme, als nicht das eines einzigen Menschen, sondern das Recht Vieler,
sowie auch nicht nur einer einzigen Stadt, sondern mehrerer. Ein Problem bestand darin,
dass die Gesetze nicht schriftlich vorgefunden wurden, sondern erst konkret geschaffen
werden mussten. Friedrich Barbarossas Rechtsüberzeugung bezog sich auf die Zeit von
Karl dem Großen und der Ottonen. Die Frage des Rechtes konnte also nicht geklärt
werden. Dementsprechend war z.B. das Königsgericht von Anfang an umstritten.
4
Otto von Freising: Gesta Frederici, S. 313.
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Das Rom der Kommune
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Die mit Barbarossas Ehre verbundenen Rechtsansprüche beruhten ebenfalls nicht auf
niedergeschriebenem Recht, deshalb wurde die Ablehnung der Rechtsansprüche von
kaiserlicher Seite als Ehrverletzung wahrgenommen. Der Ehrbegriff hatte eine existentielle
Bedeutung und musste stets bewahrt und verteidigt werden. Man darf nicht vergessen, dass
der Begriff der Ehre für eine Form des politischen Konzeptes des Kaisers stand. Deswegen
sind die Begriffe Ehre und Recht im Mittelalter kaum zu trennen.
Als um den 16. Juni 1155 eine stadtrömische Gesandtschaft Friedrich die Kaiserkrone
gegen eine Zahlung von 5000 Pfund anbot, aber dieser im Einvernehmen mit Papst
Hadrian IV das Angebot ablehnte, berief er sich auf das Eroberungsrecht des rex
teutonicum über die Stadt. Des Weiteren beanspruchte Barbarossa in der Rede vor den
stadtrömischen Gesandten für das fränkische Reich ausdrücklich den alten Ruhm Roms.
Wenn Barbarossa die Vorrechte Roms in ihrem Sinne wiederherstellen würde, würden die
Gesandten mit seinem Namen den Ruhm des Augustus verbinden. Die Kaiserwürde war
für die Anknüpfung an den Ruhm des antiken Rom und seiner Herrscher zweifellos von
großer Bedeutung. Deutlich zu erkennen ist die unterschiedliche Haltung der beiden
Parteien in Bezug auf das römische Recht. Sowohl Friedrich, als auch die stadtrömische
Kommune zogen ihre Legitimation aus den antiken Rechtsvorstellungen, nur die
Auslegung des Rechtes war unterschiedlich. Erstaunlich ist, dass Friedrich Barbarossa sich
auf das römische Kaiserrecht bezog. statt des germanischen Rechtes, namentlich "Lex
Salica".
Ein schriftlicher Vertrag vom 23. März 1152 aus Konstanz, stellte die bindende Grundlage
des Verhältnisses zwischen Reich und Kurie dar. Somit war das Papsttum realpolitisch
vom Reich aus gesehen eine auswärtige Macht. Deswegen gab es auch Konflikte mit dem
Papsttum, wie z.B. der Konflikt hinsichtlich der Zugehörigkeit Tivolis zum Reich oder zur
Herrschaft des Papstes. Wenig später kam es zum Bruch des Kaiserhofes mit dem
Papsttum. Papst Hadrian gab dem Kaiser auf dem Reichstag zu Besançon 1157 zu
verstehen, dass das Reich ein Lehen der römischen Kirche sei, aber Friedrich weigerte
sich, das Reich als päpstliches Lehen anzuerkennen, und verteidigte die Gleichrangigkeit
von Kaiser und Papst. An diesem Punkt ist wieder einmal zu erkennen wie schwer es war,
das Recht zu definieren bzw. das Recht für sich zu beanspruchen. Auf dem Ronkalischen
Reichstag am 11. November 1158 ließ Friedrich die Reichsherrschaft in Italien neu ordnen.
Die Bologneser Juristen auf dem Reichstag, griffen zur Definition der kaiserlichen Rechte
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
auf das Römische Recht zurück und legten fest, was dem Kaiser zustand. Barbarossa griff
bewusst die antiken Traditionen auf. Die Juristen legten fest, wer z.B. Regalien in Besitz
hatte sollte sie nur dann behalten dürfen, wenn er sich durch Herrscherprivilegien als
rechtmäßiger Besitzer ausweisen konnte. Sie legten fest, was von ihrem Charakter und
ihrer Natur her Regalien waren. Dadurch legitimierten sie auf neuartige Weise, was
Friedrich Barbarossa schon vorher verlangt hatte.
Im gleichen Jahr verlangte der Kaiser, die Stadt Mailand solle ihm alle Rechte übertragen,
wie es schon die früheren Kaiser bestimmt hatten. Die Mailänder wehrten sich gegen
Barbarossas Forderung, die eher als Geldforderungen zu verstehen waren als die
Wiederherstellung kaiserlicher Rechte und beriefen sich auf die neue Rechtsordnung.
Bis zum Frieden von Konstanz 1183, im Rahmen dessen Friedrich den lombardischen
Städten wichtige Regalien, wie z.B. das Münzrecht, überließ, begründeten sie ihren
Widerstand mit folgenden Argumenten: Sie beriefen sich auf das lange Zeit unbestrittene
Herkommen, das Recht existiere greifbar, weil es gut in Erinnerung zu rufen sei und
zudem praktikabel. Zumal, laut der Forschung, zwischen Heinrich des V. ersten
Italienzuges bis zum Herrschaftsantritt Friedrich Barbarossas bzw. seinem ersten Italienzug
vierzig Jahre lagen und dadurch aus der Sicht des Städtebundes, welcher sich 1164 zum
Veroneser Bund zusammengeschlossen hatte, die römisch-rechtliche Verjährungsfrist in
Kraft getreten sein dürfte. Friedrich Barbarossas Abrücken von seinen Rechtsansprüchen
erzwang der Lombardenbund seit 1167. Von diesem Zeitpunkt an schwand die Macht des
Kaisers in großem Maße. Noch bei den Friedensverhandlungen in Venedig 1177 vertrat
der Kaiser die Position, dass festgesetztes Recht gegenüber der Rechtsgewohnheit Vorrang
hätte. Doch der Städtebund konnte seine Rechte durchsetzen, nämlich die gleichberechtigte
Teilnahme an den Verhandlungen. Anhand dieses Beispiels ist deutlich zu erkennen, dass
die theoretischen römischen Rechte des Kaisers in Italien in der Praxis nicht ohne den
Konsens des Volkes durchsetzbar waren. Neben den römischen Kaiserrechten bildeten
auch im verstärkten Maß die laienadeligen Weltvorstellungen die Legitimation zum
Herrschen.
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Das Rom der Kommune
3.
Seminar „Rom im Mittelalter“
Zusammenfassung
Gerade nach der Beilegung des Investiturstreits im Jahre 1122 ist der Herrscherhof bemüht
gewesen die Sakralisierung des Kaisers und die Propagierung eines starken, weltlich
bestimmten Legitimationsrahmens seiner Herrschaft hervortreten zu lassen. Man bemühte
sich in der Zeit Barbarossas die Position des Königs und Kaisers neu zu festigen. Das
Papsttum wurde bewusst nicht mit einbezogen bei den Bemühungen der
Herrscherlegitimation des Kaisers. Diese Form des Herrschens, welche den politischen
Kern seiner Herrschaft bildete und die papstfreie Legitimation mit einschloss, ist
spätantiken Ursprungs. Barbarossa stützte sich bei der Zusammenarbeit eher auf die
Fürsten als auf das Papsttum. Sowohl Friedrich Barbarossa, als auch die stadtrömische
Kommune berufen sich in ihren Machtansprüchen auf die Antike. Interessant ist, dass so
unterschiedliche Parteien sich auf die römische Antike beziehen und dass beide eine
Möglichkeit finden die antike Überlieferung als Legitimationsgrundlage zu nutzen.
Zum Schluss kann man vier Definitionen des römischen Rechtes bei Friedrich Barbarossas
Regierungszeit festhalten.
1. Besitzt der Kaiser das Recht der Gesetzgebung.
2. Der Kaiser ist von jeglichem Gesetz befreit, das bedeutet, dass er nicht an Gesetze
gebunden ist.
3. Wie schon in der Einleitung erwähnt ist der Kaiser unabhängig von jeglicher kirchlicher
Autorität und
4. ist der Papst ein Diener des Kaisers.
Zu bedenken ist im gewissen Maße die Propaganda, die von Mittelalterlichen Quellen
ausgeht, und die Stilisierung des Kaisers zur Folge hat.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Theorie des römischen Kaiserrechtes schwer in die
Praxis umzusetzen war, da die norditalienischen Städte durch die Abwesenheit der Kaiser
zu viel Macht erlangt hatten.
Seite 15
Das Rom der Kommune
4.
Seminar „Rom im Mittelalter“
Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
Otto von Freising, Gesta Frederici, Schmale, Franz-Josef (Hg.), in: Ausgewählte Quellen
zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17, Darmstadt 1974.
4.2 Literatur
Appelt, Heinrich: Friedrich Barbarossa und die Rechtsentwicklung des 12. Jahrhunderts,
in: Höflechner, Walter von (Hg.), Domus Austriae: Festgabe Hermann Wiesflecker zum
70. Geburtstag, Graz, 1983, S. 36-44.
Engels, Odilo., Art.: "1. F. I. (F. Barbarossa)", in: Lexikon des Mittelalters, CD-Rom
Ausgabe 2000.
Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches
Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001.
Georgi, Wolfgang: Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte. Studien zur Außenpolitik 1159 - 1180, Frankfurt am Main 1990.
Krieg, Heinz: Herrscherdarstellung in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel
seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung, Sigmaringen 2003.
Kroeschell, K., Art.: "II. Rechtsaufzeichnung und Rechtsgeltung", in: Lexikon des
Mittelalters, CD-Rom Ausgabe 2000.
Seite 16
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Die kommunale Bewegung in Oberitalien
Patricia Cortmann
1. Einleitung
Mit dem Begriff der Kommune, der Gemeinde aber auch der kommunalen Bewegung,
werden in der heutigen Zeit gerne moderne Staatsstrukturen in Verbindung gebracht.
Kommune/ Gemeinde meint dann die unterste staatliche Verwaltungseinheit, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltungsaufgaben betraut ist. In der Kommune verbinden sich also die Elemente des Personenverbandes, dessen örtliche Ratifizierung und ein bestimmter zu regelnder Aufgabenbereich5 Die zweite Assoziierung erfolgt in
aller Regel mit dem Aufstand der Pariser Kommune von 18716
Hingegen weisen quellensprachliche Befunde für das deutsche und italienische Mittelalter
eine enorme Anzahl und Sinnvariationen der Worte „gemein“ , „mein“ , aber auch „communia“ und „communalia“ auf, was zum einen darauf schließen lässt, dass die Entstehung der Kommune weiter zurückreicht, als die modere Interpretation der Begriffe suggeriert und zum anderen die Begriffe Gemeinde und Kommune weitestgehend identisch
sind.7
In der folgende Ausarbeitung werde ich meine Aufmerksamkeit daher zunächst auf Vorraussetzungen zur kommunalen Bewegung, mit dem Fokus auf die italienischen Städte
und deren Entwicklungen richten, bevor ich dann auf die kommunale Bewegung als solche
und schließlich zu der kommunalen Bewegung am Beispiel der italienischen Stadt Mailand komme. Die zeitliche Einordnung beginnt in etwa mit den langobardischen Verhältnissen und geht bis in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts8. Sobald die Kommune, also
deren Selbstregulierung und Autonomie institutionalisiert ist, gilt diese als ausgebildet.
5
Vgl.: Lexikonartikel zu Gemeinde; Entstehung der Gemeinde, in: Lexikon des Mittelalters, CD-Rom- Ausgabe, Verlag J. B. Metzler, 2000.
6
Vgl. : Lexikonartikel zur Kommune, unter: http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=GKXZTI,
Zugriff am 21.07.2007.
7
Vgl. Anm. 1: Lexikonartikel zu Gemeinde, Wort und Begriff.
8
Keller, Hagen: Die Entstehung der italienischen Stadtkommunen als Problem der Sozialgeschichte, in
Frühmittelalterliche Studien 10, 1976, S. 169-211
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
2.
Hauptteil
2.1.
Entstehung der Stadtlandschaft als Vorraussetzung für die kommunale Bewegung
Die Stadt des Mittelalters ist geprägt durch ihre agrarische Verbindung zum Umland, ihre
Zentralität und Übergewichtigkeit gegenüber der Region und der sozialen Differenzierung
der Bürgerschaft. Durch die Aufnahme gewerblicher, handwerklicher und ökonomischer
Tätigkeiten entstand nach und nach ein Siedlungsprozess, der sich um die Burgen und
Klöster verfestigte. Produktionsüberschüsse aus dem Umland konnten auf dem wöchentlichen Markt abgesetzt werden.
9
Der Typus der mittelalterlichen Stadt meint also neben
dem eingegrenzten Herrschaftsbereich auch einen wirtschaftlichen Siedlungskomplex mit
Markt.10
Der Urbanisierung im Mittelalter liegt ein enormes Bevölkerungswachstum, als auch eine
Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft zugrunde, ohne die der wachsenden Bevölkerung nicht genug Nahrungsmittel hätten geliefert werden können. Der rasante Bevölkerungsanstieg und die Nachfrage nach Lebensmitteln begründete umgekehrt die Produktionssteigerung in der Landwirtschaft.
Signifikant für den Verstädterungsprozess ist außerdem ein Zusammenwachsen von hierarchisch-herrschaftlichen Strukturen mit den neu entstehenden Kaufmannssiedlungen.
Besonders zu der Zeit der salischen und ottonischen Könige wurden die Marktregalien,
sowie das Münz- und Zollrecht an die Bischöfe, Äbte oder Adelige vergeben, so dass jeder
entstehende Markt in der Abhängigkeit des Königs stand. Der Stadtherr stellte den Händeln und Kaufleuten seinen Grund und Boden zur Verfügung und bot diesen und auch den
Besuchern ein gewisses Maß an Sicherheit. Im Gegenzug waren Zölle und Steuern zu errichten. 11 Auf Grund des florierenden Handels erwuchsen die Marktzentren zu Stadtlandschaften. Die Entstehung der Städte, also auch ihre sozial heterogene Zusammenwachsen
bilden sozusagen den Ausgangspunkt für die im 11. Jahrhundert entstehende kommunale
Bewegung. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der kommunalen Entwicklung ist der Aufstieg anderer italienischer Küstenstädte zu Handelsemporien. Durch den ausgeprägten
Handel mit Byzanz, dem islamischen Reich und dem Abendland und der geographisch
günstigen Lage bekam die oberitalienische Region eine Mittlerfunktion zwischen dem
9
Vgl. Engel, Evamaria: Die deutsche Stadt im Mittelalter, München: C.H. Beck, S. 18.
Nördlich der Alpen waren der Siedlungskomplex der Kaufmänner und der königliche Bereich in aller
Regel noch von einander getrennt. Erst später wurden die neu entstehenden Siedlungen in den Stadtkern
integriert. Vgl. Anm. 4, S. 171.
11
Vgl. Anm. 5 , S. 28.
10
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
südlichen und nord-westeuropäischen Wirtschaftsraum, was ihre Stellung deutlich verfestigte12.
2.2.
Die kommunale Bewegung in Italien
Die kommunale Bewegung bildete von der Idee her, das Gegenstück zur hierarchischherrschaftlichen Ordnung des Königs13. Ziel der Kommune war eine relative Autonomie
gegenüber der herrschenden Reichsgewalt. Der Bürgerschaft standen durch die neu entstehenden Institutionen der Kommune (Stadtregiment) weitestgehend politische Mitspracherechte zu. Die politische Struktur der Kommune ist entstanden in einer im Mittelalter üblichen bischöflichen Stadtherrschaft. Kennzeichnend für diese Herrschaftsform sind erstens,
die Herrschaft über Freie14, zweitens das Vasallitätsverhältnis15, in dem die meisten Adeligen zum Bischof standen, und drittens bedingte Herrschaftsfunktionen, die den Adelsfamilien zugesprochen wurden. Bei der Einsetzung des Bischofs in den oberitalienischen Städten hatte der ortsansässige Adel ein enormes Mitspracherecht. Nicht selten stammte der
Bischof aus der einheimischen Bürgerschicht und der Einfluss des Königs spielte dabei
eher eine untergeordnete Rolle.16
Der König stellte dem Bischof seine Königsgüter, wie Burgen, Straßen Brücken, aber auch
Münz- und Steuerrecht, sowie die Gerichtshoheit der Stadt zur Verfügung. Im Gegenzug
stellt der Bischof, der als legitimer Rechtsnachfolger des Kaisers angesehen wurde, diesem
die eingenommenen Steuern, sowie im Kriegsfall auch ein Verteidigungsregiment zur Seite und bot den Bewohner als auch den Besuchern und Händeln der Stadt Sicherheit. 17 Die
Übertragenen Königsgüter, die der Bischof vom König erhielt, musste er mit den Familien
der Richter, des Domadels und der Vasallen teilen, da er zum einen aus ihren Kreisen
stammt und zum anderen gerade denen seine Stellung verdankte.
Neben dem Bischof verfügten auch die Schöffenfamilien, die dem ansässige Vasallenadel
angehörten, und auch von dem gewählt wurden über bedingte Rechtshoheit und bean12
Vgl. Anm. 4. 172 f.
Innerhalb der Kommune bleibt die hierarchische Ordnung bestehen. Meist verstand sie den Adel als Sprecher der Gemeinde, der über weitaus größere Ressourcen und Macht verfügt, als andere Bevölkerungsschichten. Die Struktur unterscheidet sich daher weniger von der monarchischen Herrschaft. Viel relevanter ist das
Prinzip der Selbstverwaltung, vor allem dann wenn sich die Kommunen gegen die Willkür des Königs emanzipieren.
14
Was nicht heißen soll, dass es in der Stadt keine Unfreien gegeben hat. Frei bedeutet in diesem Zusammenhang eine Zusammensetzung aus stadtansässigem Adel, Krämern, Händler, Lehrer, Professoren, u.a.
Berufsgruppen.
15
D.h. das akzeptierte Abhängigkeitsverhältnis vom Adel zum Bischof
16
Das Machtvakuum in dieser Region resultierte aus dem im 11. Jahrhundert stattfindenden Investiturstreit.
Das Mitsprachrecht des Kaisers war im deutschen Raum wesentlich höher als in Italien.
17
Vgl. Keller, Hagen: Einwohnergemeinde und Kommune: Probleme der italienischen Stadtverfassung im
11. Jahrhundert, erschien in: Historische Zeitschrift, Band 224, 1977, S. 561- 580, S. 564 ff.
13
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
spruchten innerhalb und außerhalb der Stadt ein enormes Mitspracherecht. Als der Bischof
begann sich seiner Privilegien zu bemächtigen, provozierte er damit in den städtischen
Reihen Unruhen, die letztlich zur Übertragung auch anderer materieller Machtmittel (Königsgüter) auf den Adel und zum Verlust seiner Position führte18.
Die daraus entstandene Autonomie der Stadt kann als wesentlicher Bestandteil der kommunalen Bewegung gewertet werden.
Ein weiterer zentraler Aspekt bei der kommunalen Bewegung in Oberitalien ist die Auseinandersetzung der Kommunen mit der monarchischen - gottgewollten Herrschaft des Königs. Der Grundgedanke der Kommune ist religiös motiviert, d.h. das die brüderliche Einheit die aus gemeinsamen einträchtigen Entscheidungen der Gemeinde besteht, sich den
oligarchisch - aristokratischen Struktur des monarchischen Herrschaftssystems widersetzte. Die Entstehung der Kommune war das gezielte Wirken menschlicher Kräfte! Die
Kommune akzeptierte die Reichsgewalt nur solange, wie sie nicht den christlichen Gedanken der Nächstenliebe und Freiheit widerspricht, also nicht auf Zwang oder Unterdrückung
beruhte. Durch den revolutionären Gedanke stellte die Kommune aus Sicht des Königs
eine permanente Gefahr der Reichsrechte dar.
Im Zentrum der Kommune standen die Rats- oder Volksversammlung und deren Repräsentanten, die von der Gemeinde gewählt wurden.19 Die Repräsentanz sollte auch durch Männer aus nichtadeligen Bevölkerungsschichten gewährleistet werden. In der „ Gesta Frederici“ wird deutlich wie sehr Otto von Freising20, aber auch- und das ist entscheidend – der
König die Entwicklung der Kommunen abgelehnt und als Aufruhr gegen die bestehende
Ordnung gewertet hat.21
18
Vgl. Anm. 4, S. 176.
Aus königlicher Sicht stellt allein die Tatsache, dass eine Wahl stattfand eine ungehörige Dreistigkeit dar.
Die Wahl der Konsuln richtet sich aber nicht allein gegen die königliche Herrschaft. Auch die Legitimität des
Bischofs wurde dadurch in Frage gestellt.
20
Enkel von Heinrich dem IV, Onkel von Friedrich Barbarossa; einer der bedeutendsten Geschichtsschreiber
des 12. Jahrhunderts; Verfasser der „Chronica sive Historia de duabus civitatibus" und der „Gesta Frederici",die er aufgrund seines Todes nicht zu Ende bringen konnte.
21
Vgl. Otto von Freising: Die Taten Friedrichs, II 14, hg. von Franz- Joseph Schmale: Ausgewählte Quellen
zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr von Stein Gedächtnisausgabe 17) Darmstadt 1965, S.
308.
19
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Die Regierungszeit der Konsuln und die Zuteilung der bestimmten Aufgabenbereiche
(Ämter) wurden ebenso schriftlich festgesetzt, wie das Wahlverfahren. Die Kommune
verfügte somit über eine verfasste Stadtgemeinde und legale Organe.22
Zusammenfassend kann festgehalten, dass an der Entwicklung der kommunalen Bewegung
folgende Kriterien eine bedeutende Rolle gespielt haben. Erstens der Versuch der Bürgerschaft, die aus dem wirtschaftlichen Aufschwung und der wachsenden Bevölkerungsdichte
resultierenden Probleme der Stadt selber zu lösen. Zweitens die Auseinandersetzung um
die öffentliche Gewalt, die sich zugunsten des Bürgertums entschieden hat. Drittens, die
Durchsetzung des religiösen Gedankenguts gegenüber der repressiven und willkürlich eingesetztem Stadtoberhäupter durch den Kaiser und daraus resultierend der Wille der kollektiven Selbstbestimmung durch die Mitglieder der Gemeinde. Die Entwicklungen der
Kommune, das ist ebenfalls von großer Bedeutung, spiegeln das antike Erbe Roms wieder.
2.3.
Das Beispiel Mailand
Auf dem Festland gehörte Mailand zu der italienischen Stadt mit der größten Einwohnerzahl. Aus der Größe und der politischen und wirtschaftlichen Organisation der Stadt ergab
sich die relative Macht und politische Autonomie. Ab dem frühen 12. Jahrhundert galt
Mailand als Stereotyp für den oberitalienischen Widerstand gegen den König. Die Stadt
setzte sich, trotz Niederlage gegen Friedrich Barbarossa erfolgreich gegen die Unterdrückung und die Einverleibung durch die Staufer durch.23
In der kommunalen Organisation wurde eine institutionalisierte Staatlichkeit geschaffen,
die der Regierungsform des Königs entgegenstand. Der Aufbau des zerstörten Mailands
musste relativ schnell von statten gegangen sein. Berechnungen des Magisters Bonvesin
della Riva24, welcher ca. 100 Jahre später ein Städtelob verfasste, geben Aufschluss über
die Struktur der Stadt. Seinen Berechnungen zufolge lebten innerhalb des Stadtrings ungefähr 200 000 und außerhalb nochmals 500 000 Menschen. Die relativ genauen Rechnungen
basieren auf der detaillierten Auflistung von Ein- und Ausfuhr diverser Güter, sowie kon-
22
Vgl. Anm. 13, S. 576 ff.
Um 1164 entstand in Italien die Lombardische Liga. Ein Städtebund der sich gegen die unterdrückende
und restriktiven Maßnahmen Friedrich I. richtete. Bestandteil der Lombardischen Liga war eine einheitliche
Organisationsform, die sich aus Rektoren der partizipierenden Städte zusammensetzte. Mailand beanspruchte
eine Vormachtstellung, was das Gleichgewicht des Bundes störte. Friedrich Barbarossa bestätigte im Konstanzer Frieden die Existenz des Bundes und gestand den Städten eine teilweise Autonomie zu. Vgl.: Lexikonartikel zu Lombardischer Liga , in: Lexikon des Mittelalters, Cd-Rom Ausgabe, Verlag J.B. Metzler,2000.
24
Vgl. Keller, Hagen: Mailand zur Zeit des Kampfes gegen Friedrich II., in: Hartmann, Wilfried (Hrsg.):
Europas Städte zwingen Zwang und Freiheit. Die europäische Stadt um die Mitte des 13. Jahrhunderts, Regensburg: Univ. Verl. Regensburg, 1995,S. 277 f.
23
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
trollierter Abgabesteuer. Die Kommune führte über private Einkäufe ebenso Buch, wie
über vorhandenes Vermögen25. Es ergab sich in Mailand eine Wehrpflicht der gesamten
männlichen Stadtbürger. Ebenso gut überliefert ist die sozial heterogene Zusammensetzung
der Stadt durch unterschiedlichste Berufszweige.
Trotz des andauernden Widerstandes gegen den Monarchen, gab es auch Parteien innerhalb der Stadt, die dem König nahe standen. Die kommunale Ordnung der Stadt bröckelte
durch Konsens in der Bürgerschaft. Aufgrund ständiger Unruhen und dem Bedürfnis der
Friedenssicherung wurden die Konsuln nicht mehr von der Bürgerschaft gewählt sondern
durch Stadtoberhäupter ersetzt, die über fundierte Kenntnisse in der Stadtführung verfügten. Dementsprechend kam es nicht selten vor, dass die Signores nach ihre Amtszeit direkt
in eine andere Stadt gingen, um dort das Amt auszuüben. Beim Amtsantritt mussten die
Signores, als auch die Podesta, den Stab an Helfern, den der Signore bei Amtsantritt mitbrachte, einen Eid abgeben, dass sie sich ausschließlich an die Statuten der Gemeinde halten würden. Die in den Gesetzesbüchern festgehaltenen Statuten wurden zwar ständig aktualisiert, waren aber gerade deshalb auch keines Wegs neutral, da sie ständig den Einflüssen der aktuellen Machthaber unterlagen. Die Gesetzesbücher besaßen aber darüber hinaus
in Reichsitalien Geltungskraft und erlaubten der Kommune eine relativ selbstständige Regierung der Stadt.26 Dennoch sei an dieser Stelle festgehalten, dass die oligarchischen
Strukturen nicht durchbrochen, sondern fortgesetzt wurden. Mit der Etablierung der Signores wurden in Mailand feudalen Strukturen erneut gefestigt. Diese doch sehr ambivalente
Entwicklung rührt aus der Tatsache, das zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Gruppen
ihre Ziele durch zu setzten versuchten.27
Im Jahr 1245 gelang es Friedrich II. nicht einmal mehr in das Gebiet der Stadt hereinzukommen.
Der Konflikt zwischen den staufischen Kaisern und Mailand konnte in hundertjähriger
Auseinandersetzung nicht gelöst werden und die Lombardenfrage führte letztlich auch zu
dem endgültigen Bruch Kaiser und Papst.
25
Ebd., S. 282 ff.
Ebd., S. 286.
27
Vgl. Anm. 4, S. 182 f.
26
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Das Rom der Kommune
3.
Seminar „Rom im Mittelalter“
Quellen- und Literaturverzeichnis
Otto von Freising: Die Taten Friedrichs, II 14, hg. von Franz- Joseph Schmale: Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr von Stein Gedächtnisausgabe 17) Darmstadt 1965.
Engel, Evamaria: Die deutsche Stadt im Mittelalter, München: C.H. Beck,1993.
Keller, Hagen: Die Entstehung der italienischen Stadtkommunen als Problem der Sozialgeschichte, in Frühmittelalterliche Studien 10, 1976, S. 169-211.
Keller, Hagen: Einwohnergemeinde und Kommune: Probleme der italienischen Stadtverfassung im 11. Jahrhundert, erschien in: Historische Zeitschrift, Band 224, 1977,
S. 561- 580.
Keller, Hagen: Mailand zur Zeit des Kampfes gegen Friedrich II., in: Hartmann, Wilfried
(Hrsg.): Europas Städte zwingen Zwang und Freiheit. Die europäische Stadt um
die Mitte des 13. Jahrhunderts, Regensburg: Univ. Verl. Regensburg, 1995.
Lexikon des Mittelalters, CD-Rom- Ausgabe, Verlag J. B. Metzler, 2000.
Handwörterbuch des politischen Systems. Online-Ausgabe unter
http://www.bpb.de/popup/popup_lemmata.html?guid=GKXZTI
Seite 23
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Die römische Kommune und „Renaissance des
12. Jahrhunderts“
Marcus Covrig
1. Einleitung
Das Wort Renaissance kommt aus dem französischen und bedeutet Wiedergeburt. Renaissance wird auch als die „kulturelle Wiedergeburt der Antike“ bezeichnet, es ist also eine
Rückbesinnung der Altertümlichen Werte auf dem Gebiet der Wissenschaft, Architektur
und Literatur.
Die sog. Renaissance des 12 Jahrhunderts war eine Grundvoraussetzung für die Kommunale Bewegung im Mittelalter, die vor allem in den Norditalienischen Städten und Frankreich
Einzug erhielt. Eine ähnliche Bewegung ist in Rom erst ab den Jahr 1143 unter der Bezeichnung „Renovatio Senatus“ (Erneuerung des Senates) zu erkennen. Die Konflikte in
Rom zwischen Papsttum, dem Kaiser, dem römischen Adel und der römischen Bürgerschaft wären ohne die Renaissance des 12 Jahrhunderts und der damit einhergehende Verbreitung der Kommunen schwer zu beschreiben oder vielleicht auch nie in dieser Form
aufgetreten. Deshalb ist es wichtig die Vorgänge in Europa und im Spätzielen in Rom zu
beschreiben, die ein Umdenken herbeiführten. Nur dadurch kann ein Verständnis für die
politische Lage und die Machtansprüche der verschiedenen Parteien im mittelalterlichen
Rom verdeutlicht werden.
Damit die kommunale Bewegung, hier mit Blickpunkt auf Rom, verstanden werden kann,
müssen zuerst die Entwicklungen und Veränderungen der Lebensbedingungen, in ganz
Europa des 11 und 12 Jahrhunderts und die damit verbundene Renaissance, dargestellt
werden.
2. Gründe der Renaissance des 12 Jahrhunderts
Die Lebensbedingungen haben sich im 11 und 12 Jahrhundert verändert. Nach der Völkerwanderung und der Anschließenden Wirrnis die Europa eine Zeitlang prägte, kam es
nun, durch die eingehrende Ordnung, zu einem Prozess den wir heutzutage als „Wirtschaftsboom“ bezeichnen würden. Die Produktion nahm zu, es gab mehr Güter die den
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Handel zu gute kamen. Da nun mehr Lebensmittel verfügbar waren stieg die Population
an. Dies hatte vor allem einen positiven Effekt auf die Stadt, dank der wachsenden Bevölkerung und dem aufsteigenden Handel erlangte sie einen immer größer werdenden Reichtum.
Die Städte bildeten sich immer mehr als Handels- und Kommunikationszentrum heraus.
Die Stadt hatte zwar noch nicht den Stellenwert der antiken Polis, dennoch war sie mehr
als in den Jahrhunderten zuvor zum Zentrum der Region geworden. Es bildeten sich neue
Wirtschaftssparten und die Spezialisierung des Handwerkers wurde vorangetrieben. Der
Reichtum der damit Einzug in die Städte erhielt wurde in Bau von Kirchen und anderen
christlichen und öffentliche Bauten gesteckt, wie man an den Neubauten und Umbauten in
Rom sieht, die Richard Krautheimer in seinem Buch „Rom Schicksal einer Stadt“ beschreibt. Neben der Architektur und der Urbanisierung entwickelte sich, in den Städten,
eine frühe Form von Bürokratie.
Andere Aspekte, die vor allem das 12 Jahrhundert betrafen, waren die Kreutzzüge. Der
erste Kreutzzug war zwar im 11 Jahrhundert es folgten jedoch drei weitere Kreuzzüge allein im 12 Jahrhundert. Durch die Kreutzzüge wurde nicht nur Krieg gegen die arabische
und islamische Welt geführt, sondern auch Kontakt mit arabischen und jüdischen Gelehrten aufgenommen. So kam es das durch die Kreutzzüge, verloren gegangene Schriften von
antiken Wissenschaftlern und Philosophen, über den Umweg der arabischen Welt, wieder
nach Europa fanden. Jedoch geschah dies nicht nur durch die Kreutzzüge, Knotenpunkte
zur arabischen Welt bestanden auch in Sizilien und der Iberische Halbinsel. So entwickelten sich Handlungsbeziehungen und ein reger Austausch zwischen Wissenschaftler beider
Kulturen. Die Aufzeichnungen aus der Antike wurden zudem noch von den arabischen und
jüdischen Gelehrten ergänzt, so dass ein Sammelsurium an Wissen zu dieser Zeit ins
christliche Abendland strömte.
Der Umstand, dass nun auch wieder Schriften und Aufzeigungen aus Wissenschaften wie
Mathematik, Medizin und Philosophie zur Verfügung standen, führte auch zur Belebung
der Schulen und zur Gründung von Universitäten. An den Universitäten lehrte man vor
allem die Rechtswissenschaften, da durch den Wachsenden Handel mehr und mehr Verträge und Abkommen geschlossen wurden. Dies war einer der Gründe, das ca. Mitte des 11
Jahrhunderts, das römische Recht wieder entdeckt wurde. Eine Vorreiterrolle im Bezug auf
die Rechtswissenschaft nahm Bologna ein, wo sich die Erste Universität Europas entwiSeite 25
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
ckelte. Das römische Recht war wichtig um dem Wahrenaustausch im Mittelalter zu Organisieren, zudem wird angenommen das sich Umrechnungskurse teilweise sogar Einheitliche Währungen herausbildetet. Andrer Wissenschaften erhielten ebenfalls Rückenwinde.
Die Mathematik, die Medizin, die Philosophie und Lateinische Klassiker und Poesien
standen auch mehr im Fokus als die Jahrhunderte zuvor.
Durch diesen umstand verlor die Kirche das Monopol auf das Wissen, die meisten Lehren
wurde zwar immer noch in Klöstern und Kirchen verbreitet so wie die Übersetzung von
Texten zumeist noch in Kirchlicher Hand lagen, aber sie waren nun nicht mehr die Einzigen die Wissen erlangten und weitergeben konnten.
Diese Gründe und wie Haskins es beschreibt, das frischen und kräftigen Leben des 12
Jahrhunderts, schufen eine ideale Plattform auf die, die Rückbesinnung auf die Altertümliche Welt aufbaute. Sie brachten mit sich das die Menschen im Mittelalter ihre Herrschaftsformen überdachten und es sogar vereinzelt, speziell in den Norditalienischen Städten, zur
Gründung von Kommunen nach antiken Vorbild kam.
3. Auswirkung auf die Stadt Rom
Diese Veränderungen gelangten mit einiger Verzögerung nach Rom, während Städte in
Oberitalien diesen Umschwung Ahnamen und zur Eigenständigen Kommunen, nach Vorbild der antiken Polis, heranwuchsen glich Rom eher einer Landstadt. Die Rückständigkeit
Roms ist zum einem dadurch zu Begründen das die Stadt nicht so viele Handelsgüter besaß
und zum anderen dadurch das der Papst in Rom seinen Amtsitz und somit auch Anteil an
der Macht hatte. Aus politischer Sicht gesehen hatte dies Nachteile, so war Rom ob es
wollt oder nicht zu beginn des 12 Jahrhunderts in den Investiturstreit inwolwiert. Es gab
daneben
auch nachteile auf dem Gebiet der kommunalen Bewegung. Der Machtbereich des Papstes
war in Rom sehr groß, zudem sympathisierte der Papst zu meist mit dem Adel und nicht
mit der Bürgerschaft. Es war ein schwere Weg Rom nach antikem Vorbild zu Regieren.
Jedoch hatte die Tatsache das, das Papsttum im Rom war aus architektonischer und wirtschaftlicher Sicht Vorteile. Es wurde eine Vielzahl an Kirchen gebaut und umgebaut. Außerdem lockten der Papst und die christlichen Gebäude viele Pilger an, aus denen die Bürger Roms den Großteil ihrer Einnahmen generierten. Zudem hatte die Stadt aus ihrer Ge-
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Seminar „Rom im Mittelalter“
schichte eine Pol-Position wenn es um die Rückbesinnung auf die Antike ging. Während in
anderen Städten erst mühsam nach der Antike gesucht oder umständlich herangeschafft
werden musste hatte Rom die Antike quasi vor der Haustür, so wurden die Antike Überreste in die Stadt- und Bauplanung mit einbezogen. Allerdings benutze man die Bauwerke der
Antike nicht nur als Rückbesinnung auf die Architektur der Antike. Es wurde versucht die
Herrschaftszeichen und Symbole der römischen Prinzipatszeit als Rechtfertigung für einen
Machtanspruch auf Rom zu nutzen, dies galt vor allem bei umbauten die durch das Papsttum vorgenommen wurden.
Eine Art kommunale Bewegung erfuhr Rom erst 1143 unter Führung der Senatoren. Die
Bürgerschaft versuchte so das Übergewicht des Adels und des Papsttums einzuschränken
in dem sie den Senat mehr Machtfülle gab. Dieser Vorgang erhielt die Bezeichnung „Renovatio Senatus“ (Erneuerung des Senates). Mitte des 12 Jahrhunderts festigte sich diese
Herrschaftsform, der Senat gab nun nicht mehr die Herrschaftsausübung in die Hand von
Wenigen sonder sie blieb beim Senat. Die Herrschaft über die Stadt stammt, in dieser Zeit,
direkt aus der Stadt selbst. So wurde der Adel und das Papsttum geschwächt.
Eine Wichtige Person in diesem Prozess war Arnold von Brescia. Er forderte die Abschaffung des weltlichen Besitzes der Kirche. „Nur bei einem völligen Verzicht auf weltliche
Macht würden würdige Männer Priester werden.“ Lautete eine seiner These. Gleichwohl
ist die Erneuerung des Senats nicht als angriff auf das Papsttum zu sehen. Die Gründe der
Erneuerung waren eher die Zurückgewinnung der Kompetenzen die der antike Senat hatte,
der Senat des 12 Jahrhunderts verglich sich mit dem der Antike. Als Beispiel hiefür ist die
Tatsache zu nennen, das Mitte des 12 Jahrhunderts der Senat Konrad III und Friedrich
Barbarossa mehrfach die Kaiserkrone anbot. Dies sind anzeichnen eines neuen Selbstvertrauens den die Stadt durch die Renaissance wieder erlangt hat. Während der Völkerwanderung
und im Frühenmittelalter besaß Rom im vergleich zur Antike einen geringeren Stellenwert,
der wurde durch die Renaissance des 12 Jahrhunderts wieder aufgefrischt.
4. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Renaissance des 12 Jahrhunderts das westliche
Europa aus eine Art „Winterschlaf“ geweckt hat. Vor allem im berech der Rechtsprechung
und der Philosophie hatte diese Zeitspanne einen enormen Vorschritt gebracht. Im Gegen-
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
satz zu den Jahrhunderten zuvor war eine verhältnismäßige Ruhe und Ortung eingekehrt.
Dies ist zum einem durch die Wiedereinführung des römischen Gesetzes geschehen und
zum anderen durch sättige Urbanisierung zu erklären. Eine der Wichtigsten Neuerungen
die mit der Renaissance einherging war die Schaffung von Kommunen, die nach antiken
Vorbild ihre Stadt Regierten. Die kommunale Bewegung führte jedoch auch zu neuen
Konflikten. Innerstädtische Konflikte gab es beispielsweise mit dem Adel aber auch nach
Außen waren Konflikte entstanden. So z.B. die Auseinandersetzungen zwischen den Norditalienischen Kommunen und dem Kaiser, der Anspruch auf diese Gebiete erhob.
Die Auswirkungen die die Renaissance auf Rom hatte sind Anfangs nur an der Architektur
und am Stadtbild zuerkennen. Die Ökonomischen, Politischen und Gesellschaftlichen Veränderungen treten in Rom erst später auf und haben es auf Grund der Machtverteilung in
der Stadt nicht leicht sich durchzusetzen. Zudem ist es schwer einzuschätzen wie die Renaissance in der Stadt aufgenommen wurde. Der Papst und der Kaiser versuchen eher die
Bauten aus der Prinzipatszeit für sich als Herrschaftsanspruch zu nutzen. Beim Adel galt es
als zwar als Schick Elemente der antike in ihre Häuer einzubeizen oder antike Philosophen
zu Zitieren, doch es gleicht eher einer Heutigen Mode Erscheinung oder einem Trend dem
man folg wenn man was von sich hält.
Dennoch hat die Renaissance des 12 Jahrhunderts Bleibende Spuren hinterlassen und vielleicht den Weg führ spätere Errungenschaften freigemacht. Haskins schreibt in seinem
Buch, “The Renaissance of the Twelfth Century”, das 12 Jahrhundert ließ seine Unterschrift auf höherer Ausbildung, auf der gelehrten Philosophie, auf europäischen Systemen,
des Gesetzes, auf Architektur und Skulptur, auf dem liturgisch Drama, auf lateinischer und
mündlichen Poesie… .
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
Benson, Robert L.: Renaissance and renewal in the twelfth century, Toronto 1991.
Goetz, Hans-Werner: Proseminar Geschichte. Mittelalter, Stuttgart 2006 (3. Aufl.).
Haskins, Charles Homer: The Renaissance of the Twelfth Century. Cambridge: Harvard
University Press, 1927.
Krautheimer, Richard: Rom Schicksal einer Stadt 312 - 1308, München 1987.
Otto von Freising: Die Taten Friedrichs. oder richtiger Cronica, Darmstadt 1965.
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Schmitz-Esser, Romedio: Arnold von Brescia im Spiegel von acht Jahrhunderten Rezeption. Ein Beispiel für Europas Umgang mit der mittelalterlichen Geschichte vom
Humanismus bis heute (LIT Geschichte 74) Wien-Berlin-Münster 2007.
Schneider, Fedor: Rom und Romgedanke im Mittelalter. Die geistigen Grundlagen der
Renaissance, Darmstadt 1959.
Schramm, Percy Ernst: Kaiser, Rom und Renovatio. Studien zur Geschichte des römischen
Erneuerungsgedankens vom Ende des karolingischen Reiches bis zum Investiturstreit, Darmstadt 1975.
Strothmann, Jürgen: Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der
Staufer, Köln 1998.
Tönnesman, Andreas: Kleine Kunstgeschichte Roms, München 2002.
Ullmann, Walter: Kurze Geschichte des Pasttums im Mittelalter, Berlin 1978.
Baumgärtner, Ingrid: Arnold von Brescia, in: Lexikon für Theologie und Kirche, FreiburgBasel-Rom-Wien 1993 (3. Auflg.), 1022.
Arnaldi, G. und Marazzi, F.: Art. “Rom”, in: Lexikon des Mittelalters Bd. 7. München
1995.
Baumgärtner, Ingrid: Romerneuerung im Zeichen der Praxis?. Der Bibliothekar im kommunalen Zusammenhang, in: Schimmelpfennig, Bernhard (Hg.), Rom im hohen
Mittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis
zum 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1992, S.65-78.
Haverkamp, Alfred: Leben in Gemeinschaften alte und neue Formen im 12 Jh., in: Weiland, Georg (Hg.), Aufbruch - Wandel - Erneuerung. Beiträge zur „Renaissance
des 12 Jh.“, Stuttgart 1995.
Schaller, Hans Martin: Herrschaftszeichen in der römischen Kommune, in: Schimmelpfennig, Bernhard (Hg.), Rom im hohen Mittelalter. Studien zu den Romvorstellungen und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1992,
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Schimmelpfennig, Bernhard: Romreisen im Mittelalter, in: Ceorgi, Wolfgang (Hg.), Reisen
und Wallfahrten im hohen Mittelalter, Göppingen 1999.
Moos, Peter von: Das 12 Jahrhundert. Eine „Renaissance“ oder ein „Aufklärungszeitalter“?, in: Mittelalterliches Jahrbuch: Internationale Zeitschrift für Mediävistik,
Bd. 23 1988.
Claussen, Peter Cornelius: Die Kirchen der Stadt Rom im Mittelalter 1050 - 1300, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte, Bd. 69 2006.
Fidora, A. und Niederberger, A.: Der Streit um die Renaissance im 12. Jahrhundert - Eine
Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen Humanismus, Wissenschaft und Religiosität, http://www.hottopos.com/convenit3/fidora.htm, 18.07.2007.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung in Rom
Isabelle Denecke
1. Einleitung
Im Laufe des 12. Jahrhunderts leisteten die römischen Bürger zusammen mit dem kleineren Adel Widerstand gegen die anfangs noch bestehende Feudalherrschaft der Kurie und
des hohen römischen Adels. Die Gründe für dieses Vorgehen lagen auch darin, dass die
Idee und der Drang nach der Bildung einer bürgerlichen Stadtgemeinde und der politischen
Selbstbestimmung immer größer wurde. Gerade auch, weil man sehen konnte, dass man in
vielen Teilen Italiens schon weiter war und die Entwicklung einer sich selbst regierenden
Stadtgemeinde schon lange beendet war.
Die Entwicklung Roms kann man in dieser Zeit in drei Abschnitte teilen:
a) 1143-1145: Kommunale Neugestaltung der Stadtgemeine und ihrer Verfassung durch
einen Kompromiss mit Papst Eugen III.,
b) 1146-1149: Arnold von Brescia prägt das Verhalten der römischen Bewohner,
c) 1149-1155: Das Verhältnis zwischen dem römischen Volk und der Legitimation der
Kaiserherrschaft rückte in den Vordergrund.
Mit der Stürmung der Kapitols und der damit verbundenen Wiedereinsetzung des Senats,
trat nun der Mittelstand, der zuvor nicht oder nur unwesentlich am Machtgeschehen teilnahm, in den Mittelpunkt jeglichen Handelns. Diese Gründung einer freien Bürgerschaft
bezeichnete man als eine neue Ära Roms, die aber später noch gedämpft werden sollte.
Nachdem zuvor die Hintergründe der römischen Aufstände, nämlich die kommunale Bewegung des 11. Jahrhunderts in Oberitalien verdeutlicht wurden, soll nun die soziale Zusammensetzung der römischen Bevölkerung veranschaulicht werden.
An diese Arbeit anschließend folgt dann der Aufschluss über den Kampf um die Stadtherrschaft und über die Erneuerung des römischen Senats.
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
2.
Hauptteil
2.1.
Der römische Bürgerstand und der römische Adel
Das Rom der so genannten Renaissance des 12. Jahrhunderts war von nur zwei weltlichen
Massen geprägt. Zum einen bestand es aus dem römischen Adel und zum anderen aus dem
römischen Volk.
Im Gegensatz zu anderen Städten, gab es dort keine römischen Freibürger und die Miliz
mit ihren zunftmäßigen Genossenschaften und ihren Bannerführern waren der einzige politische Schutzverband der Bürger. Diese waffenfähige Bürgerschaft war in 14 Regionen
eingeteilt, verfügte über freies Eigentum und volle Zivität des römischen Rechts.
Stimmberechtigt waren sie auch bei der Wahl eines neuen Präfekten und konnten gewissermaßen auch an der Wahl des regierenden Adels teilnehmen. Der normale römische
Bürger bekam durch diese Fahnengenossenschaft ein politisches Recht und die Widerstandskraft gegen das tyrannische Adelsregiment.
Aus dieser Masse der so genannten Freibürger traten bald einzelne Familiengruppen hervor, die aufgrund ihres familiären Alters und ihrem Wohlstand mit dem römischen Adel
konkurrierten und sich daher mit den römischen Bürgern zusammentaten, um den Adel zu
stürzen. Sie bildeten nun die höhere Bürgerschicht, von der sie nach einiger Zeit meist in
die Aristokratie übergingen oder auch zu neuen senatorischen Geschlechtern wurden. Die
bekanntesten Patrizierfamilien des 12. Jahrhunderts waren die Frangipani, die Pierleoni,
die Tusculanen, die Colonna, die Cresentier, die Normanni, die Sassi, die Latroni, die Corsi, die Maximi und noch einige andere Familien.
Auch der übrige Mittelstand hatte nun größere Möglichkeiten zur Selbstentfaltung. Die
einzelnen Kommunen wurden jetzt von Konsuln regiert beziehungsweise verwaltet. Diese
konnten, zumindest theoretisch, aus allen Ständen gewählt werden und wurden jedes Jahr
ausgetauscht oder bestätigt. Dadurch musste sich jeder dem Stadtstaat beugen, ob arm oder
edel. Auch Handwerker, die damals ein verachtetes Gewerbe betrieben, konnten den Rittergürtel oder höhere Würden erlangen.
2.1.1. Der römische Adel
Der römische Adel bestand zur damaligen Zeit aus ungefähr sechs oder sieben Familien.
Man kann heute davon ausgehen, dass diese neue Oberschicht schon vorher über Grundbesitz in Rom oder im römischen Umland verfügte. Einige dieser Familien hatten Amtsträger
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
des römischen Stadtregiments, wie zum Beispiel Advokaten, Richter oder Notare unter
ihren Vorfahren oder waren im Kreditgeschäft tätig.
Es ist jedoch kein Fall bekannt, in dem eine Familie aus der Herkunft von Handwerkern
oder kleinen Händlern stammt.
Der neue Adel Roms ist größten Teils auf den gehobenen, also Besitz habenden
Mittelstand zurückzuführen, jedoch muss man auch bedenken, dass es im 12. Jahrhundert
trotzdem nicht eindeutig war, wann eine Familie als adelig galt und wann nicht.
Matthias Thumser hält fest, dass von einer Lebensführung der hier interessierenden mittelständischen Familien wie auch von besonderen Privilegien so gut wie nichts bekannt ist.
Sie konzentrierten ihr politisches Engagement ganz auf die Kommune, die sich aus ihrer
Entstehungsgeschichte heraus gleichsam als Gegenpol zum römischen Adel verstand.28
Man kann daher auch nahezu ausschließen, dass diese Familien in größerem Umfang über
Herrschaftsrechte verfügten, da ihnen die dazu benötigten Titularien fehlten, die etwas
über ihre soziale Vorrangstellung hätten aussagen können.
Einer dieser früheren Titularien war das Prädikat „Capitaneus“. Dieses Prädikat bekamen
die vom Papst beliehenen Großen, welche meist aus dem großen Landadel kamen. Aber
auch Personen aus dem Stadtadel konnten diesen Titel bekommen, wenn sie vom Papst mit
Kastellen beliehen wurden. Neben diesen Capitanen gab es auch den Stand kleinerer Lehensleute, Vasallen der großen Adligen oder der Kirche. Dieser Stand war der römische
Ritteradel.
Für Familien, die neu aufsteigen wollten, war die Rolle des Senats sehr wichtig, da dieser
gleichzeitig auch als Aufstiegskanal diente. Das wird klar, wenn man betrachtet, wie viele
von jenen Familien, deren Angehörige in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, also in
der Zeit als die Kommune noch völlig vom Mittelstand und kollegial geleitet wurde, unter
ihren Führern erscheinen und dann feststellen kann, dass eben genau diese Familien zum
späteren Adel zählen. Ebenso wichtig konnten die Bekleidung eines geistlichen Amtes und
die päpstliche Kurie sein, von der die Adelsfamilien oft Kastelle zum Lehen bekamen.
Die Familie als Gemeinschaft und außerdem blutsverwandt betrachtet, war innerhalb der
mittelalterlichen Gesellschaft hoch angesehen. Dies galt nicht nur für den römischen Adel,
auch im gehobenen Mittelstand hatte man ein ebenso starkes Familienbewusstsein entwickelt, was bedeutet, dass man sich als fest an die eigene Familie gebunden betrachtete,
auch wenn diese noch so verzweigt war. Daran denkend verhielt man sich gegenüber der
28
Thumser, Matthias: Rom und der römische Adel in der späten Stauferzeit, Tübingen 1995.
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eigenen Verwandtschaft in der Regel solidarisch, auch gegenüber entfernter Verwandtschaft. Ein Beweis für dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit, ist der seit der zweiten
Hälfte immer öfter aufgeführte Familienname, der die Zugehörigkeit zu einer bestimmten
Familie bescheinigte.
2.2.
Das römische Volk und der Kaisergedanke
Im Jahre 1149 versuchte Papst Eugen III. die Römer erneut zur Unterwerfung zu zwingen,
scheiterte jedoch kläglich. Danach hielten der Papst und auch die Kommune es für notwendig, ihre Angelegenheit an Konrad III., dem derzeitig zu krönenden Kaiser, vorzubringen.
Die Verhandlungen des Papstes im Jahre 1149 mit Konrad III. über die Kaiserkrönung, die
Durchführung des Romzuges und vor allem auch über die Wiederherstellung der päpstlichen Herrschaftsgewalt über die Stadt Rom wären fast zum Abschluss gekommen, jedoch
verstarb Konrad III. vorher und somit scheiterte auch der Aufbruch nach Rom.
Gleichzeitig verliefen auch die von ihrer Art her neuartigen Bemühungen des Volkes und
Senats von Rom, „dem Deutschen Herrscher Stadt und Imperium zu Füßen zu legen und
die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen“.29
Dafür erwarteten sie, dass der Kaiser ihre Selbstbestimmung akzeptiere und das römische
Volk darin unterstütze. Hervorgegangen ist dies aus einigen Schreiben des römischen Senats an Friedrich I., den Nachfolger Konrads III., in denen sie ihm zwar respektvoll
gegenübertraten aber auch mit einem Selbstbewusstsein, dass auf den König sehr arrogant
gewirkt haben muss. In diesen Schreiben argumentierten sie auch mit politischen Details,
wie unter anderem der Erwähnung, dass auch die Bevölkerung Roms mit den Gegnern des
Kaisers, nämlich dem Papst, dem König von Sizilien und vor allem mit dem römischen
Stadtadel, in erster Linie den Frangipani und den Pierleoni, aber mit Ausnahme von Jordan
Pierleoni, ihrem Bennerführer, im Kampf stünden.
Dieses respektvolle, aber gleichzeitig auch selbstbewusste Gegenübertreten spiegelt deutlich die Verknüpfung der Widerherstellung, in diesem Fall also der römischen Republik
29
Schultz, Knut: „Denn sie lieben die Freiheit so sehr…“. Kommunale Aufstände und Entstehung des
europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, Darmstadt 1992.
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Das Rom der Kommune
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und des römischen Senats zusammen mit der Idee der Erneuerung, die die römischen Bürger beabsichtigten, dar.
Die römische Republik und der Senat, waren die sich selbstbestimmende Stadtkommune
mit einer Ratsverfassung. Die „Renovatio Imperii“ bedeutete, dass der deutsche König
vom römischen Volk zum Kaiser gekrönt, Rom zum Sitz seiner Herrschaft und die Kirche
relativ weit außen vor stehen würde. So betrachtet erkennt man hier auch genau den Fehler
oder das „no go“: Das die Kirche nicht miteinbezogen würde, wäre für den Kaiser und seine traditionsgemäße Ideologie nicht vereinbar, da diese beiden Faktoren seit ihrer Existenz
miteinander verbunden zu sein schienen.
3.
Zusammenfassung
Abschließend kann man im Bezug auf den normalen Bürger, den neuen höheren Adel und
den großen Adel sagen, dass der mittelständische Römer nach der Stürmung des Kapitols
und der Wiedereinsetzung des Senats an Freiheit, Gerechtigkeit und Mitspracherecht gewonnen hatte, diese aber, wie im Folgenden noch erläutert wird, wieder an die päpstliche
Oberherrschaft abgeben musste. Die Kirche ging zwar auf einen Kompromiss ein, jedoch
dauerte es nicht lange, bis der Senat von adligen Bürgern regiert wurde und der Mittelstand
erneut außen vor blieb. Man kann also sagen, dass die Idee der Bürger von einer sich selbst
regierenden kommunalen Stadtgemeinde eine gute Idee war, jedoch war sie zu unausgereift, um lange zeit fortzubestehen.
4.
Literaturverzeichnis
Baumgärtner, Ingrid, Rombeherrschung und Romerneuerung. Die römische Kommune im
12. Jahrhundert, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und
Bibliotheken, 69 (1989), S.27- 79.
Gregorovius, Ferdinand: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI.
Jahrhundert, Bd. 2, 2. Auflage, München 1988.
Schulz, Knut: „Denn sie lieben die Freiheit so sehr…“. Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, Darmstadt 1992.
Schimmelpfennig, Bernhard: Rom im hohen Mittelalter. Studien zu den Romvorstellungen
und zur Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert, Sigmaringen 1992.
Seite 34
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Strohtmann, Jürgen, Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der
Staufer, Köln 1998.
Thumser, Matthias: Rom und der römische Adel in der späten Stauferzeit, Tübingen 1995.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Unterschiedliche Konzepte des Kaisertums:
Rom und die Staufer
Martin Färber
Die Kaiser des heiligen-römischen Reiches waren über die Jahrhunderte hinweg stets
deutsch gewesen. Ihre Vorgänger, die Kaiser des antiken römischen Reiches, waren nach
Byzanz in das oströmische Reich ausgewichen und hatten so Rom seinem Schicksal überlassen. So entwickelte sich nach und nach die Stadt am Tiber zur Hauptstadt der Christenheit, so wie sie die einstige Hauptstadt des Imperium Romanum war. In den Jahren vor
dem 12.Jahrhundert war es stets Tradition gewesen, dass der zukünftige Kaiser nach Rom
zog und dort vom Papst die Krone empfing. Im besagten 12.Jahrhundert jedoch besann
sich Rom auf seine einstige Größe der Antike zurück und setzte einen Senat nach mehreren
Jahrhunderte der Abwesenheit wieder ein. Dessen Reformdrang und Bestrebungen, Rom
wieder einen angemessenen Platz zu verschaffen, schadete dem Verhältnis der Stadt zum
Oberhaupt des Klerus, dem Papst. Als Arnold von Brescia dann in Rom eintraf und seine
Auffassung des wahren Glaubens proklamierte, war der Bruch mit dem Papst deutlich zu
sehen. Durch den Einfluss Arnolds auf die Römer, begannen diese, wie sie es zuvor schon
getan hatten, sich an den deutschen König zu wenden und ihm die Kaiserkrone versprachen. Dies war natürlich eine deutliche Provokation des Papstes und eine Handreichung
Roms gegenüber dem Monarchen aus dem Reich nördlich der Alpen.
So verlockend dieses Angebot auch für den König gewesen sein mag, es kam nicht vor,
dass die Bevölkerung Roms jemals die Kaiserwürde im Hochmittelalter vergab. Jedoch
führte dieses Angebot auch zu einer Reihe von Beratungen der beiden Parteien. Zu einem
die Römer, um sich der Hilfe des Königs gegenüber dem Papst zu versichern und zum anderen der Monarch, um zu erfahren woran er war, wenn er sich doch für die Option einer
Kaiserwürde durch die Hand der römischen Stadtbevölkerung entschied. Es gab jedoch
einen massiven Unterschied der beiden Parteien, welcher deutlich macht, wie der Papst
von beiden Parteien gesehen wurde und welche Legitimation ihm zukam. Dieser Unterschied ist die Konstantinische Schenkung. Auch wenn die moderne Wissenschaft diese als
eine Fälschung entlarvt hat, konnte sie jedoch in damaliger Zeit enorm zur Machtsicherung
der Päpste beigetragen. Aber eben jene Fassade der päpstlichen Täuschung begann wäh-
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Seminar „Rom im Mittelalter“
rend der Renovatio in Rom zu bröckeln. Dies nutzte die Kommune der Römer gezielt für
ihre Zwecke aus.
Das Kaisertum aus der Sicht der Kommune Roms
Die Kommune Roms war durch ihre Rückbesinnung zur Antike erstarkt und selbstbewusst
genug dem König die Würde eines Kaisers zu verleihen. Sie richteten ihre Vorstellungen
eines Kaisers an dessen antiken Vorbild, dem Princeps, aus und argumentierten so, warum
der Kaiser vom Volk der Römer gemacht werde. Sie waren der Ansicht, dass ein Kaiser
stark sein und trotz aller Hindernisse obsiegen solle, denn sie waren der Meinung, nur ein
starker Kaiser könne ein Reich führen. Ihre Vorbilder aus antiker Zeit wirkten sich auch
auf den Punkt aus, dass sie vom Kaiser verlangten, das Reich, welches bestand, zusammenzuhalten. Auch sollte er in Rom leben und von dort als „Fürst der Erdteile“, die Welt
regieren, wie es einst Justinian getan hatte. Hier ist deutlich zu erkennen, wie sehr sich die
Römer an der Antike orientierten. Sie beziehen den Ansatz der Weltherrschaft, welche
Rom in der Antike über den Mittelmeerraum, der damaligen bekannten Welt, beanspruchte, in ihre Argumentation mit ein. Im Einklang mit dieser Forderung beriefen sie sich auf
die Lehre Jesus und sagten, dass der Kaiser sich nehmen solle, was sein sei. Ebenfalls deutlich von der Antike beeinflusst, war die Forderung der Kommune, dass der Kaiser das Imperium Romanum wieder zu seinem einstigen Glanz verhelfen solle. Hier wird wieder ein
Anspruch Roms auf dessen frühere Stellung und Ansehen deutlich, welches sie genossen
und nun ihnen so schmählich versagt blieb. Aber nicht nur der Anspruch auf Wiedererlangung der einstigen Größe war den Römern wichtig.
Der zum Kaiser zu krönende König sollte die Bevölkerung der Stadt fragen, ob er überhaupt Kaiser werden dürfe. Dieses sollte dann wählen, ob der Anwärter würdig sei diese
Würde zu empfangen. Ein klares Verlangen nach dem Recht des Papstes, den Kaiser bestimmen zu dürfen. Aber der Kaiser musste in ihren Augen auch bewandert auf dem Gebiet der Rechtssprechung sein. Er müsse seine Forderungen nicht nur mit Waffengewalt
durchsetzen, sondern auch mit den Gesetzen diese legitimieren und so Nachdruck auf
rechtlicher Ebene ausüben, forderten sie. Hinzu sprachen sie davon, dass der Herrscher
nicht nur römischer Kaiser sei, sondern viel mehr ein Kaiser der Römer sei. Mit dieser Argumentation wollte die Kommune, dass der Kaiser im Namen des Volkes handelt, welches
ihn zu dem gemacht hat, was er ist. So hofften sie auch, dass dieser nicht zum Despoten
werde und gerecht sein Amt ausübe. Als wichtigsten Punkt ihrer Argumentation, welche
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von Arnold von Brescia vertreten wurde, führen sie auf, dass die Konstantinische Schenkung eine Fälschung sei. Sie gehen sogar so weit, dass sie den Klerus verunglimpfen, um
dem Herrscher deutlich zu machen, dass jeder in der Stadt Rom darüber Bescheid wisse,
wie falsch diese Schenkung doch ist.
Diese Argumentation ist deshalb so prägnant, weil sie sozusagen dem Papst sein Recht,
welches auf dieser Unwahrheit beruht, entziehen. Sie verlangen sozusagen das Recht, das
der Papst für sich beansprucht hat, für sich selbst, um so die Legitimation der Kaiserkrönung zu erhalten. Die Bevölkerung glaubt sich im Recht und tritt deshalb zuversichtlich
und selbstsicher den Staufern gegenüber auf.
Das Kaisertum aus der Sicht der Staufer
Im Gegensatz zur römischen Kommune glaubten die Staufer an jene Schenkung Konstantins. Ihre Auffassung des Kaisertums beruhte auf langer Tradition, die bis zu den Karolinger reichte, auf die sie sich bezogen. Sie sahen nach der Übertragung der römischen Kaiserwürde an Karl den Großen, eine Übertragung auf die Deutschen, die sich als dessen
Nachfahren verstanden. Auch beriefen sich die deutschen Kaiser auf das römische Recht,
wie es Friedrich Barbarossa tat. Sein Reichskanzler Reinald von Dassel unterstütze ihn in
der Auslegung des corpus juris civilis. So konnte Friedrich durch das rechtliche Wissen,
welches ihm Reinald von Dassel offen legte, eine schlagkräftige Waffe gegen den Papst
und Kommune führen und somit eine Stärkung seiner Position als Kaiser erreichen.
Er beanspruchte Rom als Stadt des Reiches, da sie einst von Karl dem Großen und Otto I.
erobert worden war. Durch diese Taten, sieht er Rom als Teil des Reiches der Franken, von
denen er abstammt. Der Kaiser wird „römischer“ Kaiser genannt und ein Verlust der Stadt
würde diesem Titel die Legitimation entziehen. Somit ist Rom auch Teil des Heiligen Römischen Reiches, wenn auch gleich er die Römer nicht als Teil des Reichvolkes gesehen
hat, sondern den „fränkischen“ Adel. Friedrich Barbarossa war der Ansicht, dass er Anspruch auf den Imperatores Romanorum habe, eine klare Willensbekundung zur antiken
Zeit, deren Auffassung des Kaisertums und dessen Rechte. Auch verlangt er honor imperii,
Herrschaftsgewalt über Rom und das Patrimonium Petri, was auch der Anspruch verlauten
lässt, dass die territoriale Gewalt des Papstes sich der politischen und finanziellen Oberhoheit des Kaisers unterordnen soll. Er sieht sich von Gottesgnaden auserwählt und braucht
deshalb aus seiner Sicht nur eine Legitimation seiner Regentschaft als Kaiser durch den
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Papst. Ein weiterer Punkt in der staufischen Auffassung des Kaisertums war, dass nur der
Kaiser Träger staatlicher Gewalt legitimieren kann. Friedrich Barbarossa hatte eine Einvernehmungsklausel nach dem Vorbild des Papstes, welche durch die Verhältnisse in
Reichsitalien für den Herrscher eine Option darstellte, um seine Macht zu sichern. Hier
stellt sich der Kaiser sozusagen auf eine Stufe mit dem Papst. Es gab eine Zweigewaltenlehre, welche die Gottesunmittelbarkeit des Kaisertums gegenüber einer Abhängigkeit von
der Kurie sicherstellte.
Aber der Kaiser hatte auch ähnliche Ansichten wie die Kommune, wenn es um das Kaisertum ging. Der Herrscher vertritt nach der Auffassung der Staufer die Gesamtheit der Bürger und er gilt aus Repräsentant des Reiches. Hinzu kam, dass der Herrscher über Rom und
den Erdkreis, hier eine Anspielung auf die antiken Princeps, Vorsorge für das heilige Reich
und die Gemeineren des Volkes zu tragen habe. Er habe nicht nur den Namen des Kaisers,
um das Handeln zu legitimieren, sondern auch das antike Recht der alten Herrscher Roms,
um dies auch durchzusetzen. Dies ähnelt der Forderung des Kommune.
Der Kaiser empfand es nicht nur als sein Recht, die Fürsten des Reiches zu ernennen, sondern Friedrich Barbarossa ernannte sogar einen König. Vladislav von Böhmen wurde auf
diese Art und Weise für seine treuen Dienste für den Kaiser belohnt, des weiteren wurde
ihm sogar gewährt, die Krone an den selben Tagen wie der Kaiser zu tragen, ja sogar an
zwei Tagen zusätzlich, die in Böhmen einen besonderen Stellenwert hatten. Dieses Recht,
die Königswürde zu geben, zeugt von großer Überzeugung gegenüber den Ideen des Kaisertums. Einige dieser Ansichten aus Sicht der Staufer waren eindeutig dazu ausgerichtet,
um den Papst in seiner Macht zu mindern. Auch die Kommune Roms wurde mit einigen
dieser Ideen in ihre Schranken gewiesen, um eine ähnliche Entwicklung wie in Mailand zu
verhindern.
Rom und der Kaiser: Gemeinsame Ziele und doch verschieden
Werden beide Parteien, die Kommune Roms und die staufischen Herrscher, betrachtet und
ihre Standpunkte und Überzeugungen verglichen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass
obwohl sie beide von Grund auf verschieden sind, auch ihre Gemeinsamkeiten haben.
Sowohl Rom als auch der Kaiser hatten die Absicht ihre Macht zu festigen beziehungsweise sie auszubauen. Während der Kaiser hauptsächlich versuchte Rom als Stadt des Reiches
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zu proklamieren, so seiner Legitimation als rex romanorum Nachdruck zu verleihen, die
lombardischen Städte im Norden Reichsitaliens bekämpfte und sich mit dem Papst über
Auslegungen der Rechte stritt, versuchte die Bevölkerung Roms, welche sich in der Rückbesinnung zur Antike befand und den Senat eingesetzt hatte, sich vom Griff des Papstes zu
lösen und die Stadt wieder zu alter Blüte führen. In beiden Fällen war der übereinstimmende Punkt, dass der Papst für die beiden Parteien nicht unbedingt das Sagen in gewissen
Punkten haben sollte. So kam es auch, dass beide Fraktionen in Verhandlung zu einander
traten. Mochten manche Gespräche noch so fruchtbar für die Beziehungen zwischen Rom
und dem Kaiser sein, so konnten sie am Ende jedoch nicht zu einem Einverständnis kommen. Der Kaiser legte den Disput mit dem Papst bei, welcher nach Rom zurückkehrte.
Trotz des Sieges des Papstes auf politischer Ebene gegenüber Rom, hatte doch die Kommune eine Waffe entdeckt, welche der staufische Kaiser interessiert untersuchte, um so
einen Vorteil vor dem Papst zu erhaschen. Die Konstantinische Schenkung war als Fälschung in das Gespräch gekommen und diente der Kommune als eines der Hauptargumente ihrer Verhandlungen mit dem Kaiser. Was hier von der Kommune zu diesem Thema
vorgetragen wurde, könnte man als frühe geschichtswissenschaftliche Untersuchng bezeichnen. Aber alles in allem sollte die Macht der Päpste nicht im Hochmittelalter gebrochen werden. Rom sollte ihren früheren Status als Hauptstadt des Erdkreises nicht wiedererlangen und die Kaiser hatten noch auf Jahrzehnte mit den lombardischen Städten zu
kämpfen.
Zum Schluss noch ein Zitat von Otto von Freising, dem Chronisten und Onkel Friedrich
Barbarossas. Es zeigt wie der Staufer nach seiner Krönung zum Kaiser durch den Papst mit
der aufgebrachten und aggressiven Bevölkerung Roms umging, als diese sich um ihr
Recht betrogen fühlten, den Kaiser zu ernennen, gegen ihn zogen.
Dubia itaque sorte dum diu ab utrisque decertaretur, Romani tandem atrocitatem
nostrorum non ferentes conguntur cedere. Cerneres nostros tam immaniter quam audacter
Romanos cedendo sternere, sternendo ceder, acsi dicerent: Accipe nunc, Roma, pro auro
Arabico Teutonicum ferrum. Hec est pecunia, quam tibi princeps tuus pro tua offert
corona. Sic emitur a Francis imperium. Talia tibi a principe tuo redduntur commercia,
talia prestantur iuramenta.30
30
von Freising, Otto, Gesta Friderici, übers. von Adolf Schmidt, Darmstadt 1965
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellen
von Freising, Otto, Gesta Friderici, übers. von Adolf Schmidt, Darmstadt 1965
Literatur
Appelt, Heinrich, Kaisertum,Königtum,Landesherrschaft, Gesammelte Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Wien 1988.
Schneidmüller, Bernd, Heilig-Römisch-Deutsch, Das Reich im mittelalterlichen Europa,
Dresden 2006.
Strothmann, Jürgen, Kaiser und Senat, Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der
Staufer, Köln 1998.
Zellinger, Kurt, Kaiseridee, Rom und Rompolitik bei Friedrich I. Barbarossa, in: Istituto
Storico Italiano (Hg.), Frederico I Barbarossa e l´Italia, Rom 1990.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Der Kampf um die Stadtherrschaft und die Erneuerung
des römischen Senats
Kathrin Kallweit
1. Einleitung
Nach vielen Jahren der unangefochtenen päpstlichen Stadtherrschaft über Rom, regte sich
im 12. Jahrhundert zum ersten Mal aktiver Widerstand gegen die bestehenden politischen
Verhältnisse. Mit der Wiedererrichtung des Senats auf dem Kapitol, rissen Gesellschaftsschichten die Macht an sich, die zuvor nahezu unberücksichtigt blieben. Der Kampf um die
Stadtherrschaft gegen den Papst, aber auch gegen den hohen Adel, hatte begonnen. Nachdem nun die unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft und deren Positionierung in
Rom beleuchtet wurden, werden nun die politischen Aktivitäten und Ziele der Kommune
dargestellt, sowie die Reaktionen der bisherigen Machthaber darauf. Dabei wird an Hand
von Verfassungsmodellen versucht, die verschiedenen politischen Konstellationen zu verdeutlichen, die im Laufe der Zeit entstanden sind. Dadurch soll sichtbar werden, welche
Rolle die Antike bei der Senatsgründung spielte und inwieweit auch mittelalterliche Komponenten von Bedeutung waren.
2. Hauptteil
2.1. Herrschaftsverhältnisse in Rom vor 1143
Bevor die Kommune das Kapitol stürmte und den Senat wieder einsetzte, hatte vor allem
der Papst die Oberherrschaft über die Stadt inne. Neben dem Pontifex, gab es noch ein
adliges Stadtregiment, welches aber deutlich im Schatten der Kirche stand und von dieser
abhängig war. Die verschiedenen Adelsgeschlechter waren durch einen Lehnseid an den
Kirchenfürsten gebunden. Der Papst setzte einen Stadtpräfekten ein, der hauptsächlich polizeiliche und richterliche Aufgaben übernahm. Außerdem war das Oberhaupt der Kirche
derjenige, welcher den deutschen König zum Kaiser machen konnte. Im Bereich der Judikative wurde die Kurie von Rechtsgelehrten und Anwälten unterstützt. Nach Ferdinand
Gregorovius, war die einzige bürgerliche Macht zu der Zeit die Miliz, die waffenfähige
Bürgerschaft. Diese unterteilte sich in die 14 Regionen Roms und war bei der Wahl des
Präfekten auch stimmberechtigt. Außerdem konnten sie akklamierend an der Wahl des
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Das Rom der Kommune
Papstes und des regierenden Adels teilnehmen. Unregelmäßig wurden sie auch zur Beistimmung von päpstlichen Beschlüssen gerufen.
Berater in
Rechtsfragen
Kaiser
Papst
Einsetzung
Lehnseid
Einsetzung
adliges
Stadtregiment
Stadtpräfekt
Miliz: waffenfähige Bürgerschaft
Einteilung nach Regionen
stimmberechtigte Wahl: Präfekt
akklamierende Wahl: Papst und Adel
Abb. 1: Verfassungsmodell vor 1143
2.2. Konflikt mit Tivoli
Wie viele andere italienische Städte, hatte Tivoli im Gegensatz zu Rom die weitgehende
politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit erreicht. Dieser Zustand hatte immer wieder
zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Päpsten und Königen geführt. So auch im Jahre 1139. Bis zum römischen Sieg am 07. Juli 1143, fügte Tivoli seinen Gegnern schwere
Niederlagen zu. Die Römer forderten daraufhin die Schleifung der Mauern Tivolis, um ein
erneutes Auflehnen der Stadt zu unterbinden. Doch der Papst setzte auf einen schnellen
Frieden. Er ließ sich von den Tivolesen den Treueid schwören und nahm die Gewalt über
die Stadt an sich. Damit schuf er sich zugleich einen Partner, der im Konfliktfall mit den
Römern an seiner Seite steht. Diese Entscheidung war der Auslöser für das Aufbegehren
der Römer. Als diese sich mit ihren Forderungen nicht durchsetzen konnten und von dem
Vertrag erfuhren, stürmten sie das Kapitol und setzten dort den Senat wieder ein, welcher
zuletzt in der Antike tagte.
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2.3. Die römische Kommune
Die Menschen die sich nun auflehnten, gehörten dem Teil der Bevölkerung an, der zuvor
keine Stimme hatte. Der neu errichtete Senat setzte sich in erster Linie aus Römern der
Mittelschicht und aus dem niederen Adel zusammen. Ihr Ziel war es die Macht des Papstes
zu brechen, der seit der Konstantinischen Schenkung nicht nur die geistliche, sondern auch
die weltliche Macht für sich beanspruchte. Zum anderen wollte man aber auch die Vorherrschaft des Adels vernichten, welcher ohne Herrschaftsanspruch willkürlich regierte
und durch die Konflikte zwischen den einzelnen Adelsparteien der Stadt Rom schadete.
Auch hoffte man, die Macht Roms auf das Umland ausdehnen zu können. Ab sofort sollte
ein neues Rom entstehen, welches vom Volk regiert wurde, wie es zuletzt unter Constantin
und Justinian der Fall war. Die Römer hatten dabei das Bild der einst mächtigen Stadt vor
Augen, welche die Welt regierte. Ihr Ziel war es die politischen Zustände der Antike wiederherzustellen. Angespornt wurden diese Gedanken von den antiken Überresten und der
Literatur, die im 12. Jahrhundert wieder auflebten. Sichtbarer Ausdruck für den starken
Antikenbezug, war zum Beispiel die Wiederverwendung der Bezeichnung SPQR (Senatus
Populusque Romanus). Aber nicht nur die Neuentdeckung des Altertums, sondern auch der
Neid, den sie gegenüber den anderen Städten Italiens empfanden, trieb sie zum Umsturz.
Mailand beispielsweise, hatte schon länger seine Autonomie erwirkt. Um ebenfalls die
Selbstverwaltung und Unabhängigkeit zu erreichen, wurde das unten stehende Verfassungsmodell entworfen. Das Parlament, in welchem die 14 Regionen Roms vertreten waren, wählte den Senat, der die Legislative und Judikative ausübte und gleichzeitig die römische Bürgerschaft repräsentierte. Die Mitgliederanzahl des Senats war schwankend. Sie
reichte von einem, über zwei bis hin zu 56 Senatoren. Diese wurden jährlich am 01. November neu gewählt. Ausgehend vom Senat, wurde ein Ausschuss von 10 bis 12 Mann
gebildet, der die Exekutive darstellte und sich halbjährlich neu zusammensetzte. An der
Spitze des Senats stand das neugeschaffene Amt des Patricius. Ihm übertrug man die Aufgaben des Stadtpräfekten, sowie die päpstlichen Hoheitsrechte, wie zum Beispiel die Ausgabe von Münzen. Die Staatseinnahmen, welche bisher an den Papst gingen, sollten nun
der Kommune gehören. Die Kirche sollte sich nur noch mit Hilfe des Zehntes und aus
Spenden finanzieren.31 Das Amt des Patricius wurde von Jordanus Pierleone bekleidet, der
aus einem bedeutenden römischen Adelsgeschlecht abstammte. An der Seite des Senats
stand ähnlich wie beim Papst ein Rat der Rechtskundigen, welcher diesen im Bereich der
31
Otto Bischof von Freising, Chronik oder Die Geschichte der zwei Staaten, in: Buchner, Rudolf (Hg.),
Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr von Stein-Gedächtnisausgabe, Bd.
XVI, Reutlingen 1960, S. 553.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Judikative unterstützte. Ingrid Baumgärtner weist in diesem Zusammenhang darauf hin,
dass nicht nur die Antike rezipiert wurde, sondern das auch mittelalterliche Einrichtungen
eine Rolle spielten.
Patricius
Berater in
Rechtsfragen
Senat:
Ausschuss:
Exekutive
10 oder 12
Mitglieder
Legislative und Judikative
schwankende Mitgliederanzahl
Parlament:
Bestätigung der Wahl des Senats
Zustimmung der Senatsbeschlüsse
Abb. 2: Verfassungmodell 1143 - 1145
2.4. Kampf um die Stadtherrschaft
Papst Innocenz II. schaffte es nicht den Aufstand niederzuschlagen. Er verstarb noch im
selben Jahr. Auch seine Nachfolger Cölestin II. und Lucius II. konnten in ihren kurzen
Amtszeiten nichts ausrichten. Erst unter dem neuen Papst Eugen III., der noch am Todestag von Lucius am 15. Februar 1145 gewählt wurde, kam Bewegung ins Spiel. Nachdem er
drei Tage nach seiner Ernennung aus Rom flüchten musste, konnte er die Stadt Tivoli und
einige Adelsgeschlechter als Verbündete gewinnen. Sogar bei seinem früheren Feind Roger II., dem König von Sizilien, versuchte er Hilfe zu finden. In Rom selbst, wurde die
Kommune durch Kämpfe mit den Anhängern des Papstes und dem Adel geschwächt. Darum gewährten die Römer im Dezember 1145 dem Papst die Rückkehr, erkannten seine
Oberhoheit an und setzten den Patricius zu Gunsten des päpstlichen Stadtpräfekten wieder
ab. Der Senat blieb aber erhalten und wurde ab sofort vom Papst investiert. Auch das Parlament konnte bestehen bleiben, auch wenn es jetzt nur noch den Beschlüssen des Senats
zustimmen durfte. Jordanus Pierleone wurde stattdessen zum Bannerführer ernannt. Auch
stimmte der Papst nun zu, die Mauern der Stadt Tivoli zu schleifen.
Seite 45
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Berater in
Rechtsfragen
Papst
Kaiser
Einsetzung
Einsetzung
Stadtpräfekt
Berater in
Rechtsfragen
Senat:
Legislative und Judikative
Ausschuss:
Exekutive
10 oder 12
Mitglieder
schwankende Mitgliederzahlen
Parlament:
Zustimmung der Senatsbeschlüsse
bestehend aus den 14 Regionen Roms
Abb. 3: Verfassungsmodell nach 1145
Doch der Frieden war nicht von Dauer. 1146 floh Eugen III. ein zweites und drittes mal
und kehrte erst im Dezember 1152 zurück, nachdem die Kommune von ihm finanzielle
Mittel erhalten hatte. Die Römer nutzten diese Zeit um Tivoli zu überfallen. Auch der
Kampf mit dem Adel wurde wieder aufgenommen. Dabei kam es zu heftigen Gewaltübergriffen auf die bisher regierenden Schichten, bei denen unter anderem viele Häuser zerstört
wurden. Gegner der Bewegung wurden aus Rom vertrieben. Um ihre Macht zu festigen,
brauchte aber auch die Kommune einen Unterstützer. So baten sie König Konrad III. um
Hilfe und boten ihm die Krönung zum Kaiser an, so wie es in der Lex Regia bestimmt war.
Denn nach diesem antiken Gesetz, war es nur dem Volk erlaubt den Kaiser zu bestimmen.
Solange dies nicht geschehen war, hatte die Kommune die Pflicht die kaiserlichen Aufgaben zu erfüllen. Doch auch Eugen versuchte Konrad mit dem gleichen Angebot zu gewinnen und forderte den König auf, ihn gegen die Römer zu unterstützen. Konrad lehnte die
Kaiserkrönung durch die Kommune jedoch ab und so mussten die Römer Eugen wieder in
die Stadt lassen. Konrad machte sich daraufhin auf den Weg nach Rom, um dort die KaiSeite 46
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
serkrone vom Papst zu empfangen, doch der König starb frühzeitig am 15. Februar 1152.
Sein Nachfolger Friedrich I. wurde ebenfalls von der Kommune aufgefordert, sich vom
römischen Volk zum Kaiser krönen zu lassen, als Gegenleistung sollte Friedrich den Senat
anerkennen. Auch wenn Friedrich anfangs nicht abgeneigt schien, verzichtete auch dieser
darauf. Im Konstanzer Vertrag vom 23. März 1153 sicherte er dem Papst zu, sich nicht mit
den Römern zu verbünden. Trotzdem versuchten Vertreter der Kommune den König bei
einem Treffen bei Sutri umzustimmen. Dort machten sie noch mal deutlich, dass Rom den
Anspruch hat über die Erde zu herrschen, der Kommune die Aufgabe zukommt den Kaiser
zu wählen und das die Oberherrschaft der Kirche illegitim ist. Friedrich widersprach diesen
Ansichten.32 Er ließ sich von Papst Hadrian IV., der zweite Nachfolger von Eugen III., am
18. Juni 1155 in Rom zum Kaiser krönen. Der daraufhin ausbrechende Aufstand der
Kommune, wurde blutig niedergeschlagen. Erst später, im Jahre 1167, als es zu Konflikten
zwischen Friedrich und dem Papst kam, erkannte er die römische Kommune an.
2.5. Das Ende der „frühen Kommune“
Nachdem das Papsttum seine Oberherrschaft über die Stadt Rom wiederhergestellt hatte
und es 1188 noch mal zu einem Friedensschluss zwischen den beiden Parteien kam, bestand der Senat noch weiterhin. Aber auch in der nachfolgenden Zeit, kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den Bürgern und der Kurie, die allerdings nicht mehr die
Ausmaße früherer Zeiten annahmen. Das mag daran gelegen haben, dass der Papst nun
Einfluss auf die Auswahl der Senatoren hatte und immer mehr Personen des höheren Adels
in den Senat drängten, da diese ihre einstige Machtposition verloren hatten. Ein Grund
warum die ursprüngliche Idee der Herrschaft des Volkes von Rom scheiterte, ist in der
wirtschaftlichen Situation der Stadt zu sehen. Denn die Stadt war im Gegensatz zu Mailand, keine mächtige Handelsstadt. Rom war hauptsächlich auf die Einnahmen durch die
Pilger angewiesen, die bei der Abwesenheit der Päpste wegblieben. Eine weitere Ursache
lag darin, dass die Antikenrezeption des Senates von Phantastereien bestimmt war und
nicht der Realität entsprach. Man hatte nicht die wahre Geschichte, sondern hauptsächlich
nur noch einen Mythos von der Antike im Gedächtnis, der sich nicht auf die mittelalterliche Wirklichkeit übertragen ließ. Außerdem fehlte der Kommune ein starker Partner, wie
zum Beispiel der deutsche König. Auch hier ließen sich die römischen Bürger von Illusionen leiten, die nicht erfüllt werden konnten.
32
Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, Buch II, in: Schmale, FranzJosef (Hg.), Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters. Freiherr von Stein GedächtnisAusgabe, Bd. XVII, Darmstadt 1965, S. 343 – 347.
Seite 47
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
3. Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Versuch der Kommune, sich als weitere
Macht neben dem Papsttum, dem Kaiser und dem städtischen Adel in Rom zu platzieren,
gescheitert ist. Ursache dafür, war unter anderem die illusionistische Version von der Antike und das Fehlen des Bezugs zur Realität. Außerdem fehlte der Kommune die wirtschaftliche Macht und ein politischer Partner, wie der König. Auf langer Sicht konnte die römische Bevölkerung sich nicht gegen die Oberherrschaft des Papstes behaupten, auch wenn
einige Teilerfolge erzielt wurden. Es blieben zwar die meisten kommunalen Einrichtungen
bestehen, wie zum Beispiel der Senat und das Parlament, doch gelangten diese schnell unter dem Einflussbereich der Kirche und des hohen Adels, so dass die alten Zustände schon
bald wieder hergestellt werden konnten.
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
Baumgärtner, Ingrid, Rombeherrschung und Romerneuerung, Die römische Kommune im 12.
Jahrhundert, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken
69 (1989), S. 27 – 79.
Benson, Robert L., Political Renovatio: Two Models from Roman Antiquity, in: Benson, Robert L. u. a. (Hrsg.), Renaissance and renewal in the twelfth century, Cambridge 1982,
Nachdruck Toronto 1991, S. 339 – 385.
Diefenbach, Steffen, Beobachtungen zum antiken Rom im Mittelalter, Städtische Topographie
als Herrschafts- und Erinnerungsraum, in: Römische Quartalschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte 97 (2002), S. 40 – 88.
Gregorovius, Ferdinand, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. Vom V. bis zum XVI. Jahrhundert, Bd. 2, 2. Auflage, München 1988.
Otto Bischof von Freising, Chronik oder Die Geschichte der zwei Staaten, Buch VI, in: Buchner, Rudolf (Hg.), Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters.
Freiherr von Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XVI, Darmstadt 1960.
Otto Bischof von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, Buch II,
in: Schmale, Franz-Josef (Hg.), Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des
Mittelalters. Freiherr von Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XVII, Darmstadt 1965.
Schulz, Knut, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr...“. Kommunale Aufstände und Entstehung
des europäischen Bürgertums im Mittelalter, Darmstadt 1992.
Strohtmann, Jürgen, Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der
Staufer (Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte, Heft 47), Köln 1998.
Thumser, Matthias, Rom und der römische Adel in der späten Stauferzeit, Tübingen 1995.
Seite 48
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Rom und die sog. „Renaissance des 12. Jahrhunderts“
- Arnold von Brescia Janine Otto
1. Einleitung
Der um 1100 geborene Arnold von Brescia ist eine der auffallenden Personen des 12. Jahrhunderts. In der Geschichtswissenschaft lange Zeit als Sozialreformer und Verteidiger des
Sozialchristentums bezeichnet, lassen sich auf Grund der sporadischen Quellenlage nur
wenige gesicherte Aussagen treffen. Inwieweit Arnold tatsächlich für die Belange der unteren Bevölkerungsschichten eintrat, soll ein Aspekt dieser Arbeit sein.
Eine der wichtigsten Quellen über das Leben Arnolds, vor allem vor seinem späteren Aufenthalt in der Stadt Rom, sind die Briefe Bernhards von Clairvaux, der ein scharfer Gegner
Arnolds von Brescia gewesen ist. Grade deshalb sind sämtliche seiner Quellen kritisch zu
betrachten, da durchaus anzunehmen ist, dass Bernhard um seine Ziele zu erreichen, teilweise diffamierende Bemerkungen über Arnold nieder geschrieben haben könnte. Eine der
zuverlässigsten Quellen über Arnold von Brescia stammt aus der Feder Johannes von Salisbury, der ebenso wie Arnold wahrscheinlich ein Schüler Abaelards in Paris gewesen ist.
Auch in mittelalterlichen Chroniken finden sich Aussagen über das Leben und Wirken
Arnolds. Hier ist vor allem die „Gesta Friderici“ des Bischofs Otto von Freisings zu erwähnen. Der Bischof betitelt Arnold als denjenigen, der das Volk Roms gegen den Papst
aufgebracht hat und somit als den Auslöser der römischen kommunalen Bewegung. Ob
diese Aussage zutrifft, soll ebenfalls später beantwortet werden.
Von Arnold von Brescia selbst gibt es keine gesicherten Quellenüberlieferungen, lediglich
der Brief eines gewissen „quidam fidelis senatus“ an König Konrad III. lässt sich möglicherweise Arnold persönlich zuweisen. Doch gibt es durchaus weitere Briefe der Römer an
Konrad und später auch an Friedrich I.. Inwiefern diese und der Senat ganz im Allgemeinen von Arnold von Brescia und seinen Lehren beeinflusst worden sind, soll schließlich
der letzte Aspekt dieses Essays sein.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
2.
Hauptteil
2.1.
Arnolds Werdegang
Zur Zeit Arnolds Jugend in seiner Heimatstadt Brescia war die mailändische kommunale
Bewegung gerade am ausklingen. Nach seiner Rückkehr aus Paris, wo Arnold sein Studium zum Kleriker abgeschlossen hatte, nahm diese Bewegung im Zusammenhang mit der
Kirchenreformbewegung gänzlich andere Züge an als noch ca. 30 Jahre zuvor. Arnold, der
mittlerweile
nach
seinem
Regularkanonikeramt
zum
Propst
eines
Augustiner-
chorherrenstifts ernannt worden war, wirkte aktiv bei der kommunalen Erhebung, gegen
den vom Papst persönlich eingesetzten Bischof Manfred, mit.
Die Kirchenreformbewegung, wie sie um 1130 in Brescia zu Tage trat, beinhaltete bereits
einige der Ansichten, die Arnold später in Rom predigte. Darunter in erster Linie Kritik
gegenüber der Säkularisierung, insbesondere des hohen Klerus und die Verwicklungen der
Kirche in weltliche Angelegenheiten. Arnold lehrte außerdem ein Leben in Armut ganz im
Sinne der Apostel, welches er selbst sein Leben lang ausübte.
In Folge seiner Beteiligung an der örtlichen Erhebung wurde Arnold von Brescia auf der
Lateransynode 1139 der Ketzerei angeklagt und schließlich von Papst Innozenz II. verurteilt. Das Urteil lautete auf Predigtverbot und Verbannung aus Italien, woraufhin Arnold
nach fast zehn Jahren zu seinem alten Studienort Paris zurückkehrte.
Abb. 1: Reisekarte Arnold von Brescias
Hier stellte er sich an die Seite von Petrus Abaelard, der wahrscheinlich schon während
seiner Studienzeit zu Arnolds Lehrern gehörte und ähnliche Ansichten wie er vertrat.
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Bernhard von Clairvaux, ein Richter in Fragen der Orthodoxie, sah in den Lehren Abaelards gefährliches Gedankengut und lies sowohl ihn, als auch Arnold vom Papst exkommunizieren und ihre Bücher verbrennen. Der weitaus ältere Abaelard zog sich daraufhin
nach Cluny zurück. Arnold hingegen lehrte weiterhin in Paris bis er schließlich, nach
Bernhards erneuter Intervention, vom französischen König Louis VII. vertrieben wurde.
Nächster Aufenthaltsort Arnolds von Brescia war Zürich. Es ist anzunehmen, dass er auch
hier seine Lehren verbreitet hat, auch wenn sein Aufenthalt von eher kurzer Dauer gewesen
sein soll. Am wahrscheinlichsten ist es wohl, dass Arnold Kontakt zu einer Gruppe Kleriker hatte, die in dieser Zeit ein neues Kloster auf dem Zürichsberg gründeten. Inwieweit er
selbst bei dieser Gründung mitwirkte ist ungewiss, eine Verbindung zwischen Arnold und
den Führen des Klosters jedoch sehr wahrscheinlich. Einer dieser Führer war beispielsweise Graf Ulrich von Lenzberg, ein Züricher Adliger, zudem Arnold auch in späterer Zeit
möglicherweise noch Kontakt gehabt hat. Arnolds Verbindungen in Zürich gehörten somit
einer gänzlich anderen gesellschaftlichen Schicht an als später in Rom. Dies hat wohl daran gelegen, dass anders als in Rom, der Adel in Zürich unabhängig vom örtlichen Bischof
und somit weitaus empfänglicher für Arnolds Kirchenreform-vorstellungen gewesen sein
mag. Arnolds Abschied von Zürich ist, ebenso wie in Paris, auf einen Brief Bernhard von
Clairvaux zurück zuführen. Er schrieb an den zuständigen Bischof von Konstanz, dass sich
Arnold in seiner Diözese aufhalte und es am sinnvollsten wäre in gefangen zunehmen.
Falls Arnold tatsächlich eingesperrt wurde, kann diese Verwahrung nicht lange gedauert
haben, da er bereits 1143 in Passau unter dem Schutz des Kardinaldiakons Guido stand.
Guido nahm, im Gegensatz zum Erzbischof von Konstanz, keine Notiz vom Warnbrief
Bernhards von Clairvaux. Dieser Brief ist die einzige Quelle über den folgenden Aufenthalt Arnolds im Gefolge benannten Kardinaldiakons und päpstlichem Legaten. Bereits
Ende des Jahres 1143 kehrt Kardinal Guido nach Rom an den Hof des Papstes Coelestin II.
zurück. Fraglich ist jedoch ob auch Arnold bereits zu diesem Zeitpunkt mit Guido in Rom
ankam oder ob er erst während eines späteren Aufenthalts Guidos mit ihm nach Italien
zurückkehrte.
Für das frühere Datum spricht vor allem, dass zu dieser Zeit Coelestin II. römischer Bischof war. Dieser war früher ein Schüler Abaelards gewesen. Die Umstände für eine Versöhnung mit der Kurie standen für Arnold also zu diesem Zeitpunkt recht gut. „Aufgrund
der unruhigen politischen Lage kam es aber erst unter Eugen III. zu einer formalen Unter-
Seite 51
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
werfung und Wiederaufnahme Arnolds.“33 Falls Arnold tatsächlich bereits 1143 nach Rom
kam würde dies bedeuten, dass er noch vor der Konstituierung des Senates in Rom anwesend war und somit durchaus daran mitgewirkt haben könnte. Gegen diese Annahme
spricht jedoch ein weiterer Brief Bernhards an das römische Volk im Jahr 1146, indem er
Arnold nicht erwähnt, was darauf schließen lässt, dass dieser sich bis zu diesem Zeitpunkt
in Bernhards Augen in Rom nichts hatte zu Schulden kommen lassen. Die erste gesicherte
Aussage zum Aufenthalt Arnolds von Brescia ist besagte Unterwerfung unter Eugen III. in
Viterbo im Mai 1146. Eugen vergab Arnold und entließ ihn als reuigen Sünder nach Rom
um an den dortigen heiligen Städten sein Seelenheil und Gottes Gnade zu finden. Aufgrund
dieser Datierung und der Beschreibung Otto von Freisings über Arnolds Ankunft in Rom
1146, wird von vielen Historikern dieses spätere Datum favorisiert.
2.2.
Arnold und die kommunale Bewegung Roms
Egal welches Datum das richtige sein mag, sicher ist, dass Arnold erst im Zuge der päpstlichen Abwesenheit vom März 1147 bis zum April 1148 begann sich an den politischen
Vorgängen in der Stadt zu beteiligen. Es ist anzunehmen, dass er zuvor nur einen kleinen
Kreis Anhänger erwarb und sich durch seinen strikten Lebenswandel Respekt und Anerkennung bei der römischen Bevölkerung sicherte.
Arnold von Brescia war also keineswegs der Auslöser der römischen Erneuerungsbewegung, wie es zum Beispiel Otto von Freising in seiner Chronica beschreibt. Seine Rolle lag
wohl eher in einer Politisierung der römischen Bevölkerung und des niederen Klerus.
Arnolds Predigten wanden sich vor allem gegen die Simonie der Kirche. Im Vergleich zum
römischen Senat vertraten er und seine Anhänger eine radikale und weit weniger pragmatische Ansicht. Seine gesamte Lehre zeugt von absoluter Kompromisslosigkeit gegenüber
den von ihm als falsch angesehenen Ansichten der Kirche. Johannes von Salisbury gibt in
seiner „Historia pontificalis“ eine kurze Zusammenfassung dessen, was Arnold in Rom der
Öffentlichkeit predigte:
„ „Das Kollegium der Kardinäle“, so sagte er, „sei ein Kaufhaus und eine
Räuberhöhle; sie selbst spielten die Rolle der Schriftgelehrten und Pharisäer in der Christenheit: der Papst selbst sei nicht, wie man vorgäbe, ein Hirt der Seelen, sondern ein Mann
des Bluts, der Mordtaten und Brandstiftung begünstige, ein Folterknecht der Kirchen, ein
33
Schmitz- Esser, Romedio, In Urbe, quae caput mundi est. Die Entstehung der römischen Kommune (11431155). Über den Einfluss Arnolds von Brescia auf die Politik des römischen Senats, in: Innsbrucker Historische Studien 23/24, Innsbruck 2004, S.14.
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Unterdrücker der Unschuld; da er nicht der Lehre und dem Leben der Apostel nachfolge,
schulde man ihm weder Gehorsam noch Ehrfurcht; überdies seien Menschen nicht zu dulden, welche die Stadt Rom, den Sitz des Kaisertums, den Born der Freiheit, die Herrin der
Welt, der Knechtschaft unterwerfen wollten…“.34 “
Dies offenbart, wie eng bei Arnold mittlerweile die Vorstellung der kirchlichen Reformierung und der kommunalen Erneuerung zusammen wirkten. Seine Ideen über die Kirchenreform ließen sich widerstandslos mit den Gedanken der entstehenden Kommune verbinden.
Trotzdem war Arnolds Hauptziel ohne Zweifel die Kirchenreform. Seine Verbindung mit
dem römischen Senat lässt sich darauf zurück führen, dass in Rom, anders als beispielsweise in Zürich, wo Arnolds Kontakte eher adliger Herkunft waren, die Träger der kommunalen Erhebung und des Senats aus der Mittelschicht, also der niedere Adel ebenso wie
die reichen Bürger, hauptsächlich Händler und Beamte, kamen. Anzumerken ist außerdem,
dass Arnolds Lehre keineswegs die theologisch mögliche Auffassung des 12. Jahrhunderts
überstieg, einzig die politischen Konsequenzen, die er daraus schloss, waren nicht annehmbar. So wird nicht seine Abweichung in Glaubensfragen, sondern seine Radikalität
zur späteren Verurteilung geführt haben.
Eugen III. sandte noch während seiner Abwesenheit ein Schreiben nach Rom, in welchem
er Arnold verurteilte und exkommunizierte. Der römische Senat reagierte jedoch nicht im
Sinne des Papstes. Arnold von Brescia stand ab sofort unter seinem Schutz. Arnold verpflichtete sich im Gegenzug die Angelegenheit der römischen Kommune zu vertreten.
Als Eugen erkannte, dass seine Versuche die römische Bevölkerung wieder unter Kontrolle
zu bekommen, gescheitert waren, versuchte er es mit einer militärischen Lösung. Er verbündete sich mit den Normannen und dem römischen Stadtadel. Durch diese Bedrängung
wendet sich der Senat in drei Briefen an König Konrad III.. Arnolds Einfluss auf den Senat
scheint zumindest in dieser Zeit um das Jahr 1149 als durchaus erheblich bezeichnet werden zu können, da besagte Briefe eine gewisse inhaltliche Nähe zu Arnolds Lehren aufweisen. Erst 1152 gelang es dem Papst endgültig nach Rom zurück zukehren. Arnold blieb
auch weiterhin unter dem Schutz des Senats.
Noch im selben Jahr schickte Eugen einen Brief an Wibald von Stablo, in der Hoffnung
dieser möge ihn an den König weiterleiten. Mittlerweile war Friedrich I. seinem Onkel
Konrad auf den Thron gefolgt. Der Brief warnte Friedrich vor einem Aufstand der römischen Bevölkerung unter der Führung Arnolds von Brescia, der die Stellung Friedrichs
gefährden würde. Eugen erhoffte sich auf diesem Wege ein Eingreifen des Königs, was
Schultz, Knut, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr…“. Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, Darmstadt 1992, S.150.
34
Seite 53
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
wohl eine Dramatisierung der römischen Lage zur Folge gehabt haben dürfte. In diesem
Zusammenhang betitelt der Papst Arnold zum ersten Mal als Häretiker, also einem Irrglauben angehörig. Der gewünschte Effekt blieb zwar vorerst aus, dennoch unterzeichneten
Eugen III. und Friedrich I. am 23. März 1153 den Konstanzer Vertrag, welcher Friedrich
die Kaiserkrönung vom Papst garantierte und somit die Forderungen des römischen Senates und Arnolds von Brescia nach einer Krönung durch den Senat zunichte machte.
Am 3. Dezember 1154 wurde Hadrian IV römischer Bischof und schlug einen harten Kurs
gegenüber den Aufständischen ein. Als nun Kardinal Guido von Santa Pudenziana angegriffen wurde, was angeblich auf dem Befehl Arnolds von Brescia geschehen sein sollte,
verhängte Hadrian die höchste päpstliche Strafe, das Interdikt, über die gesamte Stadt. Diese Maßnahme, welche kurz vor Ostern 1155 in Kraft trat brachte den römischen Senat
schließlich zum einlenken. Höchstwahrscheinlich allerdings nicht wegen der Furcht vor
der kirchlichen Strafe sondern lediglich auf Grund der Angst vor dem ausbleibenden Pilgerstrom und dem damit verbundenen Geldfluss. Daraufhin wurde Arnold der Stadt verwiesen und floh in den Norden, wo er jedoch allzu bald Friedrich I. ausgeliefert wurde, der
auf dem Weg nach Rom zur Kaiserkrönung war und Arnold dem Papst auslieferte.
Schließlich wurde Arnold von Brescia als Häretiker gehängt, verbrannt und seine Asche in
den Tiber geschüttet, damit seinen Anhänger keine Reliquien erhalten konnten.
Zum Teil wird angenommen, dass es in späteren Zeiten zu einem Bruch zwischen Arnold
und dem Senat gekommen sein soll, hauptsächlich weil der Senat Arnolds Ansicht nach
nicht radikal genug war und er sich den niederen Schichten der römischen Gesellschaft
zuwandte. Inwieweit dies jedoch den Tatsachen entspricht ist fraglich, da der Senat Arnold
trotz des angeblichen Bruches noch bis 1155 schütze. Am wahrscheinlichsten ist es wohl,
dass Arnold von Brescia in seinem Bemühen einer Kirchenreform stets auf die am erfolgsversprechenste soziale Gruppe, die seine Ansichten am ehesten vertrat, zurückgriff.
Inwieweit welche soziale Schicht Roms hierbei involviert war, ist auf Grund der sporadischen Quellenlage nur schwer nachzuvollziehen.
3.
Zusammenfassung
Abschließend lässt sich sagen, dass Arnold von Brescia wohl sein Leben lang versuchte,
seine Vorstellungen einer christlichen Kirche zu verbreiten. Dass er dabei an die Grenzen
der damaligen Akzeptanz stieß, lag zum Teil nicht an seinen abweichenden Vorstellungen,
sondern vor allem an seiner Strenge, Unnachgiebigkeit und Radikalität, der daraus zu ziehenden Konsequenzen.
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Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Wie groß Arnolds Anteil an der römisch kommunalen Bewegung war, lässt sich nur
schwer erfassen. Es scheint gesichert zu sein, dass Arnold keineswegs ihr Anstifter, sondern lediglich ein wichtiger Vertreter gewesen ist. Sein Hauptziel war stets die Kirchen- ,
nicht eine Sozialreform. Um seine Ansichten zu verbreiten, wendete er sich nicht speziell
an eine bestimmte soziale Schicht, sondern stets an die Erfolgsversprechenste. Bestes Beispiel hierfür ist der Unterschied seiner Anhängerschaft im Vergleich Zürich und Rom.
Arnolds Erfolg bei seinem Bestreben dürfte wohl eher begrenzt gewesen sein. Was die
kommunale Bewegung Roms anbelangt, lässt sich ein Erfolg Arnolds in soweit erkennen,
dass selbst Kleriker zu seiner Anhängerschaft gehörten. Seine Ansichten also durchaus
Zustimmung fanden. Im Hinblick auf die von ihm angestrebte Kirchenreform lässt sich
allerdings keinerlei Erfolg erkennen. Ebenso wie andere Vertreter, die die Verweltlichung
der Kirche ablehnten oder ein Armutsideal vertraten, schenkte man ihm wenig Gehör beziehungsweise versuchte man möglichst früh seinen Einfluss auf die Bevölkerung gering
zu halten.
4.
Literaturverzeichnis
Baumgärtner, Ingrid, Rombeherrschung und Romerneuerung. Die römische Kommune im
12. Jahrhundert, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und
Bibliotheken, 69 (1989), S.27- 79.
Schmitz- Esser, Romedio, Arnold of Brescia in Exile: April 1139 to December 1143. His
Role as a Reformer, Reviewed, in: Exile in the Middle Ages. Selected Proceedings from the International Medienal Congress, University of Leeds, 8- 11 July
2002, S.213- 231.
Schmitz- Esser, Romedio, Arnold von Brescia im Spiegel von acht Jahrhunderten Rezeption. Ein Beispiel für Europas Umgang mit der mittelalterlichen Geschichte von
Humanismus bis heute, Wien 2007.
Schmitz- Esser, Romedio, In Urbe, quae caput mundi est. Die Entstehung der römischen
Kommune (1143- 1155). Über den Einfluss Arnolds von Brescia auf die Politik
des römischen Senats, in: Innsbrucker Historische Studien 23/24, Innsbruck 2004,
S. 1-42.
Schultz, Knut, „Denn sie lieben die Freiheit so sehr…“. Kommunale Aufstände und Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, Darmstadt 1992.
Strohtmann, Jürgen, Arnold von Brescia. Christentum als soziale Religion, in: Theologie
und Glaube, Paderborn 1997, S.55- 81.
Seite 55
Das Rom der Kommune
Seminar „Rom im Mittelalter“
Strohtmann, Jürgen, Kaiser und Senat. Der Herrschaftsanspruch der Stadt Rom zur Zeit der
Staufer, Köln 1998.
5.
Quellenverzeichnis
Otto von Freising , Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, Darmstadt 1965.
Seite 56
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Kommune
Die "Mirabilia Romae"
Ursula Schütze
1. Einleitung
Im zwölften Jahrhundert erlebte Rom eine Renaissance. Die Berufung auf die Antike zur
Machtwiederherstellung schien einen reizvollen Legitimationsgehalt zu bergen, welchen
sich nicht nur Kaiser und Papst, sondern auch die stadtrömische Kommune zu Nutzen
machte. Ein Rückgriff auf antike Traditionen bedeutete natürlich keineswegs eine
vollständige
Wandlung
der
Gewohnheiten,
jede
Partei
konnte
sich
aus
den
Überlieferungen, durch den Filter der Nützlichkeit, eine eigene Legitimationsgrundlage
schaffen, ohne Einbußen zu erleiden.
Für die römische Kommune bedeutet das, dass ihr steigender Partizipationswille und der
Unwillen von einer 'fremden' Macht beherrscht zu werden, Ausdruck fand in der
Wiedereinsetzung des Senats und der Konsuln, der Schaffung einer 'res publika'. Kaiser
und Papst wurden also dem Willen der Bevölkerung nachgeordnet.
Auch in der Literatur finden sich Hinweise auf die Verherrlichung der alten, ruhmreichen
Zeit Roms. Ein Beispiel dafür ist die 'Mirabilia Romae', im Folgenden kurz als 'Mirabilia'
bezeichnet, welche diesem Essay als Hauptquelle zugrunde liegt.
Der Titel 'Mirabilia Romae' wird häufig als Sammelbegriff für die 'Mirabilia Romae vel
potius historia et descriptio urbis Romae' verwendet, eine Textsammlung in welche die
eigentlichen 'Mirabilia Romae' oftmals eingebunden ist. Dieses Essay befasst sich
allerdings hauptsächlich mit dem so bezeichneten 'Urtext', den eigentlichen 'Mirabilia
Romae'.
Die Forschung datiert den Urtext nach zwei Theorien, entweder auf das Ende des zehnten
Jahrhunderts, in die Regierungszeit Otto III. oder auf die Mitte des zwölften Jahrhunderts.
Obwohl es Frühfassungen der 'Mirabilia' gibt, die älter sind als 1143, ist die erste
Datierungstheorie kaum empirisch zu belegen.
Die Forschung vermutet Benedictus de Sancto Pedro als möglichen Verfasser, letztendlich
bleibt jedoch unklar, aus wessen Feder die 'Mirabilia' stammt. Deutlich wird, nach der
Meinung von Nine R. Midema nur, dass der Verfasser sowohl mit der antiken und
zeitgenössischen Literatur, sowie der Lehre der Rhetorik vertraut gewesen sein muss und
zudem sehr gute Kenntnisse der Topographie Roms hatte.
Seite 57
Das Rom der Kommune
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Fälschlicherweise wurde die Quelle häufig als Pilger- oder Reiseführer eingestuft,
tatsächlich aber nimmt der Schreiber weder besondere Rücksicht auf die christlichen
Heiligtümer Roms, mit den für Pilger so wichtigen Ablässen, noch ist der Bezug zu der
zeitgenössischen Stadt besonders stark entwickelt. Vielmehr sind die 'Mirabilia' eine, wie
Nine Robijntje Midema es ausdrückt, "Auflistung antiker Bauwerke" der Stadt.
Im Folgenden soll betrachtet werden, inwiefern die 'Mirabilia' die Romidee und den
Kommunegedanken wieder spiegelt. Ist sie Ausdruck oder Träger des neuen
stadtrömischen Selbstverständnisses?
2.
Die Romidee im Spiegel der 'Mirabilia Romae'
Die Quelle lässt sich, den Untersuchungen von Nine R. Midema folgend, auf drei Teile
aufteilen.
Der erste Teil listet, nach Sachgruppen geordnet, die antiken Gegebenheiten der Stadt auf.
Unter einer Überschrift finden sich die Namen einzelner Monumente, welche manchmal
durch topographische Angaben ergänzt werden.
Der zweite Teil enthält Legenden, welche sich auf antike Bauwerke beziehen und Bezüge
zu der zeitgenössischen, christlichen Größe der Stadt aufweisen, z.B. wird eine
Marienerscheinung des Kaisers Octavianus am 'Capitolium' beschrieben, welche die
Erklärung für die im Mittelalter dort angesiedelte Marienkirche liefert.
Im dritten Teil ist ein 'Rundgang durch die antike Stadt' zu erkennen, welcher Tempel und
Paläste mit einbezieht und topographisch geordnet ist. Abgesehen von einzelnen
Bauwerken welche sich, scheinbar wahllos, nicht in die topographische Ordnung einfügen
lassen.
Besonders der letzte Punkt spricht gegen die Theorie der 'Mirabilia' als Pilger- oder
Reiseführer. Die topographisch nicht eingeordneten Gebäude würden Reisende zurück zu
bereits besichtigten Orten führen und unnötig lange Wege schaffen, zudem sind weder
detaillierte Beschreibungen der Bauwerke gegeben, an welchen eine Orientierung möglich
wäre, noch sind Richtungs- oder Entfernungsangaben vorhanden.
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Das Rom der Kommune
Aufgrund dieser Aspekte schreiben sowohl Debra Birch und Nine R. Midema dem Text
eher "den Charakter eines Nachschlagewerkes" zu.
Trotz der beinahe ausschließlichen Bezugnahme auf die Antike wird die christliche Größe
Roms nicht verleugnet, wie besonders die Hinweise auf die Stätten, an welchen Märtyrer
gewirkt hatten, oder die Kapitel über die Friedhöfe zeigen.
Obwohl der Text sein Hauptaugenmerk auf die antiken Bauwerke und Legenden richtet,
wird
die
christliche
Macht
der
Stadt
nie
in
Frage
gestellt,
sondern
als
Selbstverständlichkeit aufgefasst. Der antiken, heidnischen Stadt wird durch das
zeitgenössische, christliche Rom ein neuer Glanz gegeben, welcher für die Römer offenbar
nicht im Widerspruch zu der Berufung auf antike Traditionen steht. Der Schwerpunkt der
'Mirabilia' liegt dennoch immer auf der antiken Stadt und ihren Bauwerken, nicht auf den
christlichen Einflüssen.
Die Fülle der überlieferten Handschriften, in lateinischer ebenso wie deutscher und
niederländischer Sprache, verweist auf eine breite Rezeption und Beliebtheit der 'Mirabilia
Romae'.
Die angenommene Entstehungszeit der Quelle, um das Jahr 1143/44, in welche auch die
Wiedereinsetzung des Senates durch die römische Kommune fällt, legt die Vermutung
nahe, dass eine Einflussnahme der so bezeichneten Erneuerungsbewegung auf den Text
gegeben ist. Der Text beruft sich lediglich an zwei Stellen auf die "Zeit des Senats und der
Konsuln" und trägt, in seinem Charakter als Aufzählung antiker Bauwerke, auf den ersten
Blick keine politische Botschaft. Der Umstand allerdings, dass Frühfassungen der
'Mirabilia Romae', welche bereits mit dieser Überschrift betitelt worden waren, schon vor
dem zwölften Jahrhundert existierten, kann ein Hinweis auf einen identitätsstiftenden
Charakter, einen Anstoss zu einer Rückbesinnung auf antike Traditionen und Größen
aufgrund der im Rom des dreizehnten Jahrhunderts vorherrschenden politischen Lage sein.
Auf der anderen Seite kann die Quelle auch als Teil einer Legitimationsgrundlage für den
Anspruch der römischen Bevölkerung auf Selbstverwaltung betrachtet werden.
Durch die Auflistung stadtrömischer Bauwerke und das in Erinnerung rufen der alten
Größe der Stadt, zur Zeit des Senats, wird ein Kontrast zwischen der glanzvollen 'res
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publika' der Antike und der, zwischen kaiserlichen und päpstlichen Herrschaftsansprüchen
zerrissenen mittelalterlichen Stadt im zwölften Jahrhundert aufgezeigt.
In dem, sich im zwölften Jahrhundert neu entwickelnden Selbstverständnis der römischen
Stadtbevölkerung, kam dem Volk im Endeffekt mehr Macht zu als dem Kaiser selbst, da
sie es waren, welche dem Kaiser die Krone boten und die Oberherrschaft über die Stadt
Rom 'gewährten'. Otto von Freising schilderte in seiner "Gesta Frederici" eindrucksvoll
den Machtanspruch der Bevölkerung in der Ansprache an den zukünftigen Kaiser vor der
Stadt. Auch hier lässt sich deutlich ein überhöhtes Rombild erkennen, in welchem das
antike "Rom als das Haupt der Welt" beschrieben wird, welches seine alte Macht
zurückgewinnen sollte, aber eben nur, wenn der Herrscher im Sinne des Volkes handeln
würde und ihre Bedingungen akzeptierte. Auch hier ist also die Legitimation der
Machtansprüche der Kommune durch die antiken Vorbilder gegeben.
Das geschaffene Bild von der prosperierenden, vom römischen Volk beherrschten Stadt im
Gegensatz zu den fremdbeherrschten Ruinen der Zeitgenossen ist eine Berufung auf das
alte Recht einen Herrscher, der zum Tyrann geworden ist und in seiner Regierung nicht
mehr das Wohl der Bevölkerung anstrebt, absetzen zu können.
Der hinter der christlichen Thematik liegende Tenor der Schrift legt zudem nahe, dass eine
christliche, vom Volk beherrschte Stadt nicht nur den Glanz der Antike wieder erneuern
könnte, sondern ihn durch die Religion noch weiter erhöhen würde.
Als Legitimationsgrundlage für einen Umbruch und eine Wiederherstellung der antiken
Zustände muss der heraufbeschworene Kontrast geradezu ideal gewesen sein, wobei die
'Mirabilia Romae' sich sehr gut in dieses Gefüge einordnen lässt. Selbst eine scheinbar
völlig unpolitische, in jedem anderen Zusammenhang vielleicht nicht einmal besonders
aussagekräftige, Auflistung antiker Bauwerke kann von den Zeitgenossen als Bestätigung
ihrer Bestrebungen ausgelegt werden. Die antike Baukunst durchzieht die gesamte
Topographie der Stadt, selbst die Orte an welchen christliche Märtyrer gewirkt hatten, und
fordert auf ihren alten Glanz durch die Macht des Volkes wiederzubeleben, wie es durch
die Herrschaft des Kaisers oder Papstes nicht geschehen war. Nach der Meinung von
Noberto Gramaccini, diente die äußere Vorzeigefunktion der antiken Bauwerke über den
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Umweg der Beschreibung in der 'Mirabilia Romae' als Möglichkeit das vorherrschende
Idealbild in "politische Wirklichkeit" umzusetzen.
3.
Zusammenfassung
Im Hauptteil wurde nach einer Quellenbeschreibung nun dargelegt, welchen Einfluss die
'Mirabilia Romae' und ihre Rezeption auf die stadtrömische Kommune hatte. Ein
zwiegespaltenes Bild von Aufruf zur Selbstverwaltung und Legitimationsgrundlage für
dieselbe stellt sich bei der Betrachtung der Quelle und der dazugehörigen Forschung ein. Je
nach angenommenem Entstehungsdatum kann die 'Mirabilia Romae' sowohl als das eine,
als auch das andere dienen. Klar ist nur, dass ihr Einfluss sowohl auf die römische
Kommune, wie auch die verschiedenartig rezipierenden Zeitgenossen in ganz Europa kein
geringer war. Ob sie betrachtet wurde als Programm oder Legitimation für einen
"Aufstand" oder eben nur als oberflächliche Beschreibung der antiken Stadt, Beachtung
erlangte die Quelle in jedem Fall, in einem Zeitrahmen, in welchem die 'Rückbesinnung'
auf die 'glanzvolle Antike' nicht nur der römischen Kommune als Legitimation für
Veränderung diente.
Festzuhalten ist also, dass die in der Einleitung aufgeworfene Frage nicht eindeutig
beantwortet werden kann. Die 'Mirabilia Romae' können letztendlich als beides betrachtet
werden, Ausdruck und Träger des neuen Selbstverständnisses der römischen Kommune.
Die bereits erwähnte, große Verbreitung der 'Mirabilia' und ihre verschiedenartige
Rezeption bereits im Mittelalter zeigt, dass eine klare Einordnung der Quelle scheinbar
nicht möglich, andererseits vielleicht aber auch gar nicht nötig ist. Auch wenn die
ursprüngliche Motivation des Verfassers der Quelle offen bleiben muss, spiegelt der Text
bei jeder Lesart das Bild des mächtigen Roms unter der Führung des Volkes wieder und
führt dem Rezipienten die Logik des, sich im dreizehnten Jahrhundert neu entwickelnden,
Selbstverständnisses der römischen Kommune vor Augen.
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4.
Seminar „Rom im Mittelalter“
Quellen- und Literaturverzeichnis
4.1 Quellen
Mirabilia Romae
Otto von Freising, Gesta Frederici, Schmale, Franz-Josef (Hg.), in: Ausgewählte Quellen
zur deutschen Geschichte des Mittelalters 17, Darmstadt 1974.
4.2 Literatur
Birch, Debra, Pilgrimage to Rome in the Middle ages, Woodbridge 1998, S. 117-118.
Brentano, Robert, Rome before Avignon. A social history of thirteenth century Rome,
London 1991, S. 75-81.
Gramaccini, Norberto, Mirabilia. Das Nachleben antiker Statuen vor der Renaissance,
Mainz, 1996.
Kessler, Herbert / Zacharias, Johanna, Rome 1300. On the path of the Pilgrim, New Haven
2000.
Krautheimer, Richard, Rom. Schicksal einer Stadt 312-1303, Princeton 1980.
Miedema, Nine Robijntje, Die Mirabilia Romae. Untersuchungen zu ihrer Überlieferung
mit Edition der deutschen und niederländischen Texte, München 1996.
Miedema, Nine Robijntje, Die römische Kirche im Spätmittelalter nach den "Indulgentiae
ecclesiarium urbis Romae", Tübingen 2001.
Miedema, Nine Robijntje, Rompilgerführer in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. die
"Indulgentiae ecclesiarium urbis Romae", Tübingen 2003.
Schimmelpfennig, Bernd / Schmugge, Ludwig (Hgg.), Rom im hohen Mittelalter. Studien
zur Romvorstellung und Rompolitik vom 10. bis zum 12. Jahrhundert,
Sigmaringen 1992.
Wiegartz, Veronica, Bildwerke im Urteil mittelalterlicher Zeitgenossen, Weimar 2004.
Schulz, Knut, Denn sie lieben die Freiheit so sehr, in: Kommunale Aufstände und
Entstehung des europäischen Bürgertums im Hochmittelalter, Darmstadt.
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Das Rom der Kommune
Das Rom der Kommune
Zusammenfassung
Im Lauf unserer vorangegangenen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die römische
Kommune ebenso wie das Kaiser- und Papsttum das Wiederaufleben der Antike in allen
möglichen Bereichen als Legitimationsgrundlage für ihren jeweiligen Herrschaftsanspruch
nutzte. Erkennbar wird dies für uns nicht nur in der Architektur dieser Zeit, sondern auch
in der Rechtspraxis und selbst in literarischen Überlieferungen.
Im Gegensatz zu den übrigen norditalienischen Kommunen hatte Rom viel stärker mit dem
Papsttum und, in notwendiger Konsequenz auch mit dem Kaiser zu kämpfen, welche
ebenfalls ihren Machtanspruch über die "Heilige Stadt" in antiken Traditionen begründet
sahen.
Nach dem Ende des Investiturstreites vermischten sich die Aufsteigenden Bürger mit dem
niederen Adel und formten eine neue politische Macht aus, den sogenannten 'Popolo'. Im
Jahr 1143 setzte dieser den Senat wieder ein und rief die "Republik" aus.
"Rom als Hauptstadt der Welt" erlangte nun für den Popolo eine völlig neue Bedeutung,
indem sie diesen Mythos aufgriffen und ihn zur Legitimationsgrundlage ihres Anspruches
auf kommunale Selbstverwaltung machten.
Wie groß Arnold von Brescias Anteil an der römisch kommunalen Bewegung war, lässt
sich nur schwer erfassen. Es scheint gesichert zu sein, dass er keineswegs ihr Anstifter,
sondern lediglich ein wichtiger Vertreter gewesen ist. Sein Hauptziel war stets eine
Kirchen- , nicht eine Sozialreform.
Besonders deutlich spiegelt sich der Erneuerungsgedanke, welcher die römische
Kommune, aber auch das Kaiser- und Papsttum prägte, in der Architektur wieder. Die
Errichtung neuer oder auch die Wiederherstellung bereits bestehender Gebäude unter
Zuhilfenahme Antiker Überreste, sogenannter Spolien, wurde besonders durch das
Papsttum gefördert. Die Kirche sah in der Verwendung antiker, heidnischer Überreste in
Sakralbauten die Möglichkeit den 'alten Glanz' Roms mit der christlichen Größe der
Zeitgenossen zu verknüpfen. Aber auch die kommunale Bewegung, bzw. die Großen
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Miliz: waffenfähige
Bürgerschaft
Einteilung
nach Regionen
stimmberechtigte Wahl:
Präfekt
akklamierende Wahl:
Papst und
Adel
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Das Rom der Kommune
Familien Roms, machte sich die Architektur zu nutzen, als Idealbild der Größe Roms zur
Zeit der Republik, welche sie, durch die Wiedereinsetzung des Senats zurück erlangen
könnten.
In Bezug auf die Rechtspraxis beriefen sich der Kaiser und auch die römische kommunale
Bewegung auf die antiken Vorbilder.
Während der Kaiser sich auf ein romfreies Ideal des Kaisertums stützt, im Sinne des
Augustus aber im Gegensatz dazu allein aufgrund der einmaligen Legitimation durch den
Papst, beruft die römische kommunale Bewegung sich bereits seit 1130 auf die 'Lex regia'.
In der Vorstellung des Popolo verdankte der Kaiser seine Legitimität allein den Römern,
welche sich in der Position sahen Kaisererhebungen aus eigenem Recht ohne Beteiligung
des Papstes vornehmen zu können.
Literarischer Ausdruck der Bestrebungen der römischen Kommune um die Mitte des 12.
Jahrhunderts eine papst- und kaiserunabhängige Selbstregierung nach antikem Vorbild
aufzubauen, sind Teile der unter dem Namen 'Graphia aureae urbis Romae'
zusammengefassten Schriften. Dabei auch die 'Mirabilia Romae'.
Der lang anhaltende Konflikt mit Friedrich II schuf zunächst die Voraussetzungen für
einen Aufschwung der kommunalen Autonomie, nach der Mitte des Jahrhunderts.
Allerdings war dieser nicht von Dauer. Bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts
führte die Eroberung des unteritalienischen Königreiches durch die Anjou zu einer
Schwächung der kommunalen Autonomie.
Abschließend kann man sagen, dass es der römischen Kommune nicht grundlegend gelang,
sich von der Fremdherrschaft zu befreien und eine Selbstverwaltung auf Dauer aufrecht zu
erhalten.
Die Bestrebungen der römischen kommunalen Bewegung Selbst- und Mitbestimmung in
städtischen
Angelegenheiten
zu
erreichen,
sind
zwar
von
einer
erstaunlichen
Hartnäckigkeit und dem Unwillen zu unterliegen geprägt, letztendlich aber musste der
Versuch einer Selbstregierung dem Herrschaftsanspruch des Papsttums im 15. Jahrhundert
endgültig unterliegen.
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