Thema der Arbeitsgruppe

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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Einleitung
Die Anfänge des Papsttums
(Marlies Reinhold)
Vom geistlichen Hirten zum Stadtherrn: Das Papsttum von der Spätantike zum
Frühmittelalter
(Bastian Technau)
Die politische und wirtschaftliche Situation innerhalb Roms im Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter
(Claudia Freitag)
Die Langobarden in Italien
(Julia Bohn)
Ein Theologisches Grundproblem der Zeit. Der Kampf gegen den Arianismus
(Verena Schneider)
Das Papsttum unter Gregor dem Großen
(Maria-Elisabeth Brell)
Das Pilgerwesen Roms im Zeitalter Gregors des Großen
(Sven Segger)
Das Theologieverständnis Gregors des Großen
(Michelle Kress)
Topographie Roms nach Gregor I.
(Claudia Schreiber)
Die Pippinische Schenkung und die Entstehung des Kirchenstaates
(Franziska Peters)
Das päpstlich-fränkische Bündnis
(Belal Chahrour)
Schlussbetrachtung
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Einleitung
Kaum ein anderer Faktor hat die Stadt Rom im Mittelalter mehr geprägt als die Päpste zu
dieser Zeit. Viele Bauwerke zeugen von der Präsenz und dem Einfluss des Christentums.
Noch heute gilt die Stadt Rom als Symbol des Christentums und noch immer strömen Pilgerscharen nach Rom, um die Vatikanstadt mit Petersdom, Engelsburg und Vatikanische
Museen zu bewundern.
Doch zuerst die Frage: Was ist der Papst? Das Wort Papst heißt ursprünglich Vater und hat
eine ähnliche Funktionärsbezeichnung wie Präsident oder Generalsekretär. „Der Heilige
Stuhl ist Völkerrechtssubjekt und unterhält diplomatische Beziehungen zu 168 Staaten“1
Dies macht die römisch-katholische Kirche so einzigartig, denn keine andere Glaubensgemeinschaft besitzt diesen Rang.
Im Verlauf des Mittelalters hat sich das Verhältnis der Päpste und des Christentums stetig
gewandelt. In dieser Zeit änderten sich sowohl die Politik als auch die Institutionen Roms
vielfach, aber ein Fundament blieb erhalten: Die feste Verankerung des Bischofsamtes in
der städtischen Gesellschaft. Während zu Beginn des 4. Jahrhunderts die weltliche Herrschaft der Päpste über Rom kaum vorhanden war, begann sich diese Macht im 8. Jahrhundert zu entwickeln, um im 13. Jahrhundert ihren Höhepunkt zu erreichen.
Doch wie kam es zu dieser Machtentfaltung? Als einer der bedeutendsten Papstpersönlichkeiten, welcher zu dieser Entwicklung beigetragen hat, gehört mit Sicherheit Gregor der
Große. Besonders ist hierbei, dass nur zwei Päpste in der Geschichte den Beinamen „der
Große“ bekommen haben. Gregor war der erste Papst des Mittelalters und der letzte Papst
der christlichen Antike. Die vierzehn Jahre seines Pontifikats führten zu einem Wendepunkt in der Geschichte Roms und Europas, da unter ihm die Kirche wesentliche Staatsaufgaben wie die Versorgung der Bürger durch Wohlfahrtszentren und allgemeine öffentlicher Bauten übernahm. Somit kann man sagen, dass unter ihm der Grundstein für die spätere Machtstellung des Papsttums in Rom gelegt wurde.
Seit Gregors dem Großen war das Papsttum das religiöse Zentrum der westlichen Christenheit. Dies war der Grund, warum immer mehr Pilgerscharen nach Rom kamen und den
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Fuhrmann, Horst: Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II. München 1998, S. 25
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Weg ebneten für die wachsende politische Bedeutung der Stadt. Dies diente einerseits
Rom, da die Pilger die wichtigsten Träger des römischen Einflusses in Westeuropa waren
und so die römische Kultur verbreiteten, und andererseits der Kirche und dem Papsttum, da
dessen Vorrangstellung gesichert wurde. Gleichzeitig zwang die Pilgerflut die Kirche zu
Bautätigkeiten, welche man noch heute in Rom bewundern kann.
Dennoch kann die Geschichte der Päpste in Rom keineswegs als reine Erfolgsgeschichte
gesehen werden, denn die Zeit des Mittelalters ist gleichwohl geprägt von stetigen und
wiederkehrenden Auseinandersetzungen zwischen Papsttum und Kaisertum, bei denen es
hauptsächlich um Macht- und Rivalitätsfragen ging. Als bestes Beispiel gilt hier der Investiturstreit, welcher im Jahr 1075 und erst 1122 mit dem Wormser Konkordat endete.
Der Investiturstreit war der Höhepunkt eines politischen Konfliktes im mittelalterlichen
Europa zwischen geistlicher und weltlicher Macht um die Amtseinsetzung von Geistlichen.
Auch heute noch erfreut sich Rom großer Beliebtheit, wenngleich die Machtstellung der
Päpste mit der des Mittelalters nicht mehr vergleichbar ist. Der Papst ist heutzutage hauptsächlich eine moralische Instanz, was sich wahrscheinlich auf den allgemeinen Bedeutungsverlust von Religion in unserer Gesellschaft zurückführen lässt.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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Die Anfänge des Papsttums
Marlies Reinhold
1.
Einleitung
Der Papst gilt als Nachfolger des Apostels Petrus im römischen Bischofsamt. Er trägt heute
unter anderem die Titel Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Summus Pontifex der gesamten Kirche, Patriarch des Abendlandes und Souverän
des Vatikanstaates. Das Symbol des Papsttums löst verschiedene Arten von Gefühlen bei
den Menschen aus, sogar in derselben Person und zur gleichen Zeit, wie Liebe und Hass,
Hoffnung und Verzweiflung, Sicherheit und Furcht, Milde und Härte sowie Loyalität und
Teilnahmslosigkeit. Der Papst verkörpert sowohl die Idee der absoluten Macht als auch die
des selbstlosen Diener Gottes und steht für die Christen als die seelsorgerische Einheit. Im
Idealfall bringt er in der Rolle des Hirten die Einheit der Kirche zum Ausdruck.
„Das Papsttum ist die einzige Institution, die seit dem frühen Römischen
Reich ununterbrochen fortbesteht… Es hat viele große und heiligmäßige
Päpste gegeben, viele unbedeutende und nicht wenige, die unwürdig oder
schlecht waren; aber das Amt an sich ist immer größer gewesen als die
Persönlichkeit, und es besteht fort.“2
Vor allen im Mittelalter hatten die Päpste eine herausragende Rolle, unter anderem als Ernährer der Stadt. Doch wie hat alles angefangen? Gab es schon zu Beginn einen Papst und
was hat dieser gemacht? Diesen und weiteren Fragen wird im Folgenden nachgegangen.
2
Granfield, Patrick (Hg.): Das Papsttum. Kontinuität und Wandel, Westfalen 1984, S. 1.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
2.
Seminar „Rom im Mittelalter“
Hauptteil
Um die Geschichte des Papsttums nachvollziehen zu können, ist es unabdingbar auch die
geschichtlichen Veränderungen der Kirchenstruktur und -verfassung seit den frühchristlichen Anfängen zu kennen, beginnend mit der Entstehung von Unterschieden kirchenrechtlicher Qualität zwischen den einzelnen Bischofskirchen. Doch ich hole noch ein wenig
weiter aus und beginne bei dem so genannten „Ersten Papst“, dem Apostelfürsten Petrus.
2.1
Petrus und seine direkten Nachfolger
Als gesichert gilt lediglich, dass Petrus in Rom war und als Märtyrer zwischen 64 und 67
durch die Verfolgung Neros seinen Tod fand; nachdem er laut der Legende auf der Flucht
vor dem grausamen Tod Christus traf, der ihm sagte, dass er nach Rom käme um wieder
gekreuzigt zu werden, woraufhin Petrus reuig umkehrte und ermordet wurde. Man weiß
jedoch nicht genau, ob Petrus aufgrund der Primatsverheißung in der Bibel die Initiative
zur Übernahme einer dominierenden und primatialen Rolle ergriff, denn er wurde in der
Papstliste von Bischof Irenäus von Lyon als der erste Papst aufgeschrieben. Petrus war
allerdings eher als Missionsprediger in den schon bestehenden Gemeinden mit ihren vorhandenen Presbyten, also einer Gruppe von Bischöfen, die die Gemeinde kollegial leiteten,
unterwegs. Dadurch lässt sich erkennen, dass das Bischofsamt in den Anfängen von einer
ganzen Gruppe von Bischöfen ausgeübt wurde, d.h. in der damaligen Zeit existierte noch
keine Aufeinanderfolge Einzelner, es wurde lediglich das Leitungsgremium immer wieder
aufgefüllt.
Man kann nicht mit Sicherheit sagen, wer nach Petrus die römische Gemeinde leitete.
Doch da auf Geschlossenheit der Namensreihe Wert gelegt wurde aufgrund der ununterbrochenen Tradition der Petrusnachfolge, entstand auch ein so genanntes „Papstbuch“, der
Liber Pontificalis, in welchem Name, Herkunft und Regierungszeit der einzelnen Bischöfe
von Rom eingetragen wurden, teilweise mit Bemerkungen.
2.2
Primatsanspruch
Erstmalig lässt sich gegen Ende des 2. Jahrhunderts im Streit um einen einheitlichen Ostertermin der Gesamtkirche unter Viktor I. (189-198) ein Primatsanspruch erkennen. Dieser
Bischof exkommunizierte die Kirche Kleinasiens und andere, als sie sich seinen Vereinheitlichungsabsichten nicht fügten. Man sah dies als Störung des friedlichen Systems, des
Kollektivs der Bischofskirchen, an, da ein einzelner Bischof allen anderen seine VorschrifSeite 5
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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ten aufzwingen wollte. Ob jedoch Viktor seine angestrebte Rolle zum Beispiel mit Petrus
begründete oder ob er eine gewichtige Autorität beanspruchte, ist nicht belegt.
Lediglich mit Vorbehalt wird der Primatsanspruch auch bei Kallist (217-222) angesehen,
da nicht sicher ist, ob er oder Bischof Agrippinus von Karthago gemeint war, den Tertullian3 verhöhnte und beschimpfte, weil dieser Bischof ein untragbares Bußedikt erließ, durch
das er Wolllust und Ehebruch gegen alle Überlieferung unter die durch kirchliche Buße
vergebbaren Sünden aufgenommen hatte. Tertullian gab seinem ungenannten Gegner die
ironisch gemeinten Titel „pontifex maximus“ (Oberpriester), „episcopus episcoporum“
(Bischof der Bischöfe), „bonus pastor et benedictus papa“ (guter Hirt und gepriesener Vater) und „apostolicus“ (apostolische Autorität). Er kritisierte auch die seiner Meinung nach
missbräuchliche Exegese von Mt 16,18f., die sich der Antagonist zunutze gemacht hatte:
„Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich
meine Kirche bauen, und die Pforten des Totenreichs werden nicht fester
sein als sie.
Ich werde dir die Schlüssel der Himmel geben; was du auf Erden binden
wirst, das wird auch in den Himmeln gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird in den Himmeln gelöst sein.“4
Hier wäre zum ersten Mal die Berufung auf den Papst als Felsen und Petrusnachfolger
festgehalten worden, vorausgesetzt Tertullian spricht hier von Kallist und nicht von Agrippinus, denn dann wäre der Vorgang bedeutungslos.
Der ausdrücklichste Primatsanspruch ist durch Stephan I. (254-257) geäußert worden im
Zusammenhang mit dem Ketzerstreit in der Mitte des dritten Jahrhunderts. Die Kirchen in
Rom und Afrika waren unterschiedlicher Meinung im Fall von Konversionen aus häretischen Gemeinden bezüglich der Anerkennung der von den Irrgläubigen gespendeten Taufe. Aufgrund der Diskussion forderte das afrikanische Episkopat die Eigenständigkeit aller
Bischöfe mit ihren theologischen Ansichten zu respektieren. Doch Stephan wollte sein Bild
der zentralistischen Kirche, in dessen Mittelpunkt er sich selbst sah, durchsetzen und griff
hierbei wieder auf das Felsenwort in Mt 16,18f. (als erster, wenn Kallist ausfällt) zurück,
das ihn seiner Meinung nach berechtigte, die Kirchen mit anderer Meinung in Afrika und
3
Quintus Septimius Florens Tertullianus starb nach 220. Er war ein früher christlicher Schriftsteller, der von
Augustinus unter den Häretikern genannt wird. Es gibt keine Überlieferung seiner Werke.
4
Kirchenrat des Kantons Zürich (Hg.): Die heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments. Das neue
Testament, Zürich 1987, S. 27.
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Kleinasien zu exkommunizieren. Doch wie auch bei Viktor konnte sich Stephan nicht gegen die übrigen Teilkirchen, die ein anderes Kirchenbild besaßen, durchsetzen.
Zuletzt wird in diesem Zusammenhang noch der Bischof Miltiades (310/11-314) genannt,
welcher den Herrschaftsantritt im Westreich durch Kaiser Konstantin im Jahr 312 miterlebte. Er bekam vom Kaiser nach Ausbruch des donatistischen5 Schismas in Afrika ein
Schreiben mit dem Befehl, zusammen mit den derzeitigen Bischöfen von Autun, Köln und
Arles ein Gerichtsverfahren in Rom zur Klärung und Schuldzuweisung mit entsprechenden
Folgen durchzuführen. In seinem Schlusswort verkündete er in der Ich-Form das Urteil,
obwohl die Bischöfe auch daran beteiligt waren, sodass er eine primatiale Pointe setzte.
Auch schon bei den einzelnen Teilen des Verfahrens sprach er stets das letzte Wort und
trat insgesamt wie ein Einzelrichter auf. Hieran erkennt man auch eine unzweifelhafte Sicherheit gewichtiger Kompetenz des Bischofs von Rom im Westen.
2.3
Zentralisierung der Verehrung
Alle Orts- und Gebietskirchen waren in den frühchristlichen Anfängen gleichwertig, autonom und existierten ohne andere Rückbindung als eine Kette von Einzelkirchen, wobei die
Grundsätze der kirchlichen Lehre und Ausübung vereint und synodal abgesteckt wurden.
Zur Mitte des zweiten Jahrhunderts hin steigerte sich jedoch das Bedürfnis nach einer sicheren Tradition sowie nach einem Kontakt zum apostolischen Ursprung. Die Ortskirchen,
welche entweder der Überlieferung nach von einem der Jünger gegründet wurden, einen
Apostel als ersten Bischof hatten oder im Besitz eines Apostelgrabes waren, wurden verehrt und höher gewichtet, denn man ging davon aus, dass dort eher die apostolische Lehre
gepredigt wurde. Die anderen Kirchen nahmen Teil an diesem Wahrheitsbesitz ohne jedoch selbst privilegiert zu sein oder die gleiche Qualität wie apostolische Kirchen zu haben. Rom war somit die einzige Kirche im gesamten Westen des Reiches, die in diesem
Sinne von apostolischer Qualität zeugte. Aufgrund der Größe, der politischen Bedeutung
und der geografischen Lage einzelner Städte besaßen bestimmte Kirchen dieser Metropolen ein deutliches Übergewicht über andere Kirchen, wodurch auch die Bischöfe der
Hauptstädte eine Reihe von Rechten über ihre Amtskollegen und Kirchen in der Gegend
innehatten. Auch die römische Kirche profitierte als Hauptstadtgemeinde vom politischen
Rang und vom Mythos der Stadt, sodass Rom hoch geschätzt wurde und somit gelegentlich
5
Der Donatismus (benannt nach Donatus, einem ihrer Führer) bezeichnet eine nordafrikanische schismatische Bewegung, die seit dem 4. Jahrhundert existierte. Ihrer Meinung nach ist das Sakrament nur innerhalb
der wahren, einen, sichtbaren Kirche möglich. Priester- und Bischofsweihen sowie Taufen durch Verräter
(wegen der Auslieferung der Heiligen Schrift unter Diokletian während der Christenverfolgung) sind nichtig,
ja sogar unheilvoll.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
universalkirchliche Ansprüche deutlich von Seiten Roms geäußert wurden. Die römische
Kirche besaß auch binnenchristliche Vorteile (unterstützt durch die Internationalität Roms
in Einwohnerschaft, Kultur und Verkehr), die in ihrer Gesamtheit von anderen Kirchen
schwer einzuholen waren, denn sie war berühmt für den Doppelursprung in Petrus und
Paulus, dessen Gräber sie auch besaß und hatte deshalb auch einen konkurrenzlosen wie
unbestrittenen Anspruch auf Petrus. Des Weiteren waren auch die Größe und das Alter der
Gemeinde und die traditionelle Bewährung in der christlichen Verwirklichung, womit die
Karitativität gemeint war, nicht zu verkennen.
3.
Zusammenfassung
Das heutige Papsttum besitzt eine zentralistische Kirchenverfassung der lateinischrömischen Tradition. In den ersten drei Jahrhunderten existierte jedoch keine monarchische
Auslegung des Petrusamtes. Vielmehr wurde die kirchliche Einheit im Gesamtepiskopat
gesehen und nicht in einem einzelnen Bischof. Der Primatsanspruch des Bischofs von Rom
war vor der Einführung des monarchischen Bischofsamtes in Rom, also vor 140/150, nicht
zu erwarten. Man fand ihn erstmals Ende des zweiten Jahrhunderts bei Viktor I (189-198)
beim Streit um einen einheitlichen Ostertermin. Verstärkt und offenbar selbstbewusster
wurde dieser Primatanspruch von Stephan I. (254-257) geäußert, der explizit auf das Felsenwort in Mt 16,18f. einging und somit seine Begründung für eine zentralistische Kirche
mit ihm als Mittelpunkt manifestierte. Jedoch konnten sich weder Viktor noch Stephan bei
den Teilkirchen durchsetzen.
Man entwickelte erst circa ab der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhundert Interesse für die
frühen, urchristlichen Verhältnisse, aber man recherchierte nicht nach heutigen Methoden,
sondern indem man die Vorstellung der Nachwelt als Maßstab nahm. Die Verbindlichkeit
der geltenden Kirchenordnung und -verfassung, auch des Bekenntnisses und des Petrusamtes, wurde in der Form ausgedrückt, dass sie an den Anfang zurückdatiert wurden.
„Alles was gegenwärtig wichtig ist, war demnach schon seit Anfang so,
wie man es jetzt hatte. […] Die Kirche war in der Vergangenheit immer
schon das, als was sie jetzt faßbar und kenntlich ist, während sie tatsäch-
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
lich erst im Lauf des Prozesses dieser Geschichte das geworden ist, was
ihre jeweilige historische Gestalt war.“6
Somit war für die Menschen im späten zweiten Jahrhundert klar, dass es seit Anbeginn die
Sukzession monarchischer Bischöfe gab und eine Liste geführt wurde, in der Petrus als
erster Bischof von Rom stand und selbst die frühen Nachfolger des Apostelfürsten das monarchische Primat über die gesamte Kirche ausübten.
4.
Literaturverzeichnis
Arnaldi, G., Marazzi, F., Sanfilippo, M.: Art. “Rom”, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7,
München 1995 ,Sp. 967-978.
Brunhölzl, F.: Art. „Tertullian im MA“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, München
1997, Sp. 559-560.
Fuhrmann, Horst (Hg.): Die Päpste, München 1998.
Granfield, Patrick (Hg.): Das Papsttum. Kontinuität und Wandel, Westfalen 1984.
Greschat, Martin (Hg.): Das Papsttum I. Von den Anfängen bis zu den Päpsten in Avignon,
Bd. 11 (Gestalten der Kirchengeschichte), Stuttgart u.a. 1985.
Hödl, L.: Art. „Donatisten, Donatismus“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, München,
Zürich 1986, Sp. 1235-1236.
Kirchenrat des Kantons Zürich (Hg.): Die heilige Schrift des Alten und des Neuen Testaments, Zürich 1987.
Krautheimer, Richard (Hg.): Rom. Schicksal einer Stadt. 312-1308, München 1987.
Schwaiger, G.: Art. „Papst, Papsttum“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München, Zürich 1993, Sp. 1667-1685.
6
Brox, Norbert: Das Papsttum in den ersten drei Jahrhunderten, in: Greschat, Martin (Hg.): Das Papsttum I.
Von den Anfängen bis zu den Päpsten in Avignon, Bd. 11 (Gestalten der Kirchengeschichte), Stuttgart u.a.
1985, S. 41.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Vom geistlichen Hirten zum Stadtherrn:
Das Papsttum von der Spätantike zum Frühmittelalter
Bastian Technau
1.
Einleitung
Im folgenden Abschnitt wird die Entwicklung des Papsttums von der Spätantike bis ins
Frühmittelalter dargestellt. Insbesondere soll hierbei auf die Rolle und Funktion des
„Papstes“ in der Stadt Rom eingegangen werden.
Im vorhergehenden Abschnitt wurden „Die Anfänge des Papsttums“ beginnend mit dem
Apostel Petrus (im 1. Jh. n. Chr.) bis hin zum römischen Bischof Miltiades (311-314)
beleuchtet. Dementsprechend wird nun im Folgenden, beginnend mit dem Jahr 314, die
Liste der „Päpste“ fortgeführt. Endpunkt dieser Ausführungen wird der Beginn des
Pontifikats Gregor I. sein, mit welchem sich der anschließende Absatz „Das Papsttum im
Zeitalter Gregors des Großen“ beschäftigen wird.
Auf der weltlichen Seite beginnt dieser Abschnitt eigentlich schon mit dem Jahre 306, als
Konstantin I. (der Große) Kaiser des Römischen Reiches wird. Und enden werden die
folgenden Ausführungen dann inmitten der Amtszeit des (ost-)römischen Kaisers
Maurikios (582-602).
2.
Römisches Reich – Kaiser – Christentum – Papst – Rom
2.1.
Die weltliche Situation vom 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. im
Römischen Reich
Schon unter Kaiser Diokletian I. entstand im Römischen Reich ein Mehrkaisertum,
welches, nach dem Tod von Diokletian im Jahre 305 n. Chr., Konstantin I. die MitRegentschaft als römischer Kaiser ermöglichte. In der Schlacht an der Milvischen Brücke
312 siegte Kaiser Konstantin I. gegen einen seiner Mit-Regenten und führte diesen Sieg
auf die Hilfe des Gottes der Christen zurück, dessen Monogramm er nach einer Vision auf
seine Schilde hatte malen lassen. Als Reaktion auf diese göttliche Hilfe verfügte er mit
dem Toleranzedikt von Mailand 313 Religionsfreiheit im Römischen Reich. Ein Jahr
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
später berief Konstantin I. ein Konzil in Arles ein, um den Donatisten-Streit7 zu klären.
Das Ergebnis des Konzils war die Bestätigung der Taufe und der Priesterweihe. Nachdem
sich Konstantin I. im gesamten Römischen Reich gegen alle Rivalen hatte durchsetzen
können, wurde er wohl um das Jahr 324 Alleinherrscher des Reiches. Im selben Jahr noch
veranlasste er den Umzug der Kaiserresidenz von Rom nach Byzanz. Dort im Osten des
Reiches wollte er sein Neu-Rom etablieren. Dies gelang und führte zu einer großen
Abwanderungsbewegung der Ober- und Führungsschichten von Rom in die neue Stadt
Konstantins. Damit wurde Konstantinopel die neue Hauptstadt des Römischen Reiches.
Als Kaiser, und damit nach römischem Recht auch oberster Priester, sah sich Kaiser
Konstantin I. natürlich auch der Religion verpflichtet, nicht nur wegen seiner Erfahrungen
im Jahr 312. Deshalb berief er 325 das Konzil von Nicäa ein, auf welchem die christliche
Kirche sich gegen den Arianismus8 stellte.
Kaiser Theodosius I. machte 380 das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich.
Ein Jahr später berief er das Konzil von Konstantinopel (381) ein, auf welchem die
Aufwertung der Kirche von Konstantinopel beschlossen wurde. Seit Kaiser Theodosius I.
bzw. seit dem Jahr 395 bestand vorwiegend eine Teilung der Herrschaft des Römischen
Reiches auf einen west- und einen ost-römischen Kaiser; zum Teil gab es aber noch
weitere Mit-Regenten.
Um 410 wurde Rom von einfallenden Westgoten erobert. Der west-römische Kaiser
Romulus Augustulus wurde 476 vom Germanenkönig Odoaker abgesetzt; dies bedeutet
das Ende des West-Römischen Reiches.
Kaiser Markian berief 451 das Konzil von Chalkedon ein. Hier wurde die Dreifaltigkeit
Gottes festgelegt.
Im Jahr 452 brach ein Hunnensturm über Italien herein. Drei Jahre später plünderten die
Vandalen Rom. Um 500 konvertierte der Frankenkönig Chlodwig I. mitsamt seinem
Stamm zum christlichen Glauben der römischen Kirche.
Der ost-römische Kaiser Justinian I. (527-565) eroberte seit 535 viele west-römische
Gebiete von den eingefallenen Goten zurück, wodurch er fast wieder das alte Römische
Reich herstellte. 537 besetzte er Rom, welches 546 zeitweise von den Ostgoten zurück
erobert wurde. Seit 554 war Rom wieder im Oströmischen Reich. In dieser Zeit entstanden
erneut engere Verbindungen zwischen dem, wegen den Einfällen der Völker aus dem
Norden, teilweise zerstörten und bevölkerungsmäßig geschrumpften Rom und der
Wurde im Abschnitt „Die Anfänge des Papsttums“ bereits erwähnt.
Mehr zum Thema Arianismus ist dann nachzulesen im Abschnitt „Ein theologisches Grundproblem der
Zeit: Der Kampf gegen den Arianismus“ im nächsten Teil.
7
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Hauptstadt des Reiches Konstantinopel. Der Exarch in Ravenna regierte als Statthalter des
ost-römischen Kaisers über das byzantinische Italien. 553 berief Justinian I. das Zweite
Konzil von Konstantinopel ein, auf dem abermals das Problem der Dreifaltigkeit
thematisiert wurde.
Seit 568 gab es immer wieder Langobarden-Einfälle in Italien; damit endet aber auch die
Völkerwanderung, die seit ungefähr 375 andauerte und ihre Spuren im gesamten
Römischen Reich nachhaltig hinterließ. Auch 579 wurde das byzantinische Rom von
Langobarden belagert.
Der ost-römische Kaiser Maurikios schuf während seiner Regierungszeit seit 582 die oben
erwähnten so genannten Exarchate, die die Randgebiete des Reiches sichern sollten.
2.2.
Die geistliche Situation vom 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. im
Christentum
Vor dem Toleranzedikt von Mailand 313 wurden die Christen im Römischen Reich immer
wieder verfolgt und zum Teil auch ihrer Besitzungen beraubt. Erst Kaiser Konstantin I.
ließ die Christen mit der 313 verfügten Religionsfreiheit im Reich in die offizielle Legalität
kommen und ihre Besitztümer zurück erlangen. Er beabsichtigte wohl, das Christentum als
einendes Element für das Römische Reich zu nutzen. Somit lässt es sich wohl auch
erklären, warum er 325 in Nicäa das erste Ökumenische Konzil als eine staatliche
Veranstaltung einberief.
Schon zu Beginn seiner Amtszeit beauftragte Kaiser Konstantin I. den römischen Bischof
Miltiades gemeinsam mit Kollegen aus dem Westreich, über einen afrikanischen Bischof
Gericht zu halten in Rom. Hierdurch sah sich der Bischof von Rom, Miltiades, als
Vorsitzender dieses Synodalgerichtes und brachte die vorrangige Kompetenz der
römischen Kirche im Westen des Reiches zur Geltung.9
Die Verlegung der Kaiserresidenz des Römischen Reiches 324/25 durch Kaiser Konstantin
I. drängte Rom in eine Randlage im Reich. Deswegen und durch ein Erstarken der Kirche
Konstantinopels als Kirche der neuen Reichshauptstadt entstand eine fortdauernde
Rivalität zwischen den Bischöfen von Rom und von Konstantinopel.
Der Kaiser befreite alle Kirchen von Steuern und gewährte ihnen eine, von kaiserlichen
Gerichten unabhängige Rechtsprechung. Kaiser Theodosius I. schließlich machte 380 das
Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich. Dadurch wurde das Christentum
allgemein sehr gestärkt.
9
vgl. hierzu auch die Ausführungen im vorhergehenden Abschnitt „Die Anfänge des Papsttums“.
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Das Konzil von Konstantinopel (381) unter Kaiser Theodosius I. führte zu einer
Aufwertung der Kirche von Konstantinopel und einer weiteren Verschärfung der Rivalität
von römischem Bischof und dem Patriarchen von Konstantinopel.
Trotzdem oder gerade deswegen wurde der Primatsanspruch der römischen Bischöfe ab
der zweiten Hälfte des 4. Jh. stetig weiter propagiert und auch, mittels an Ortskirchen
gerichteter Briefe, von Rom aus ausgeübt. Freilich stieß das römische Bemühen um eine
Vormachtstellung in der christlichen Kirche nicht überall auf Zustimmung. So konnte der
römische Bischof zwar im West-Römischen Reich mehr oder minder seinen
Führungsanspruch durchsetzen; im Osten des Reiches aber verhallten seine bischöflichen
Weisungen meist oder riefen gar Gegenreaktionen der dortigen Bischöfe hervor.
Außerdem musste der römische Bischof stets darauf achten, sich nicht mit dem Kaiser zu
überwerfen, denn dieser war schließlich nach geltendem römischen Recht, welches auch
für die römische Kirche verbindlich war, der Oberste Priester des Römischen Reiches und
deswegen stellte der Kaiser automatisch die höchste religiöse Instanz des Reiches dar. Und
aus diesem Grunde waren innerkirchliche Zwistigkeiten auch immer Angelegenheiten des
Reiches und bedurften der kaiserlichen Einmischung. Damit ist auch klar, warum die
Konzilien immer vom Kaiser und nicht von irgendwelchen Bischöfen einberufen wurden.
Der römische Bischof stützte sich mehr und mehr auf seine Nachfolge und Erbschaft des
Apostels Petrus und zog Nutzen aus den zwei Apostelgräbern der Stadt Rom.
Zur Zeit Bischof Leo des Großen, also um 450, splitterten sich einige Teilkirchen von der
großen Kirche ab. Bischof Leo der Große verstand sich sowohl als Ortsbischof, als
Metropolit der Provinz um Rom und auch als Patriarch des Abendlandes und zeigte sich
somit als selbstbewusstes Oberhaupt der christlichen Kirche.10 Er war es, der das römische
Bischofsamt gegenüber den anderen Bischöfen des Römischen Reiches noch stärker hervor
hob und in kirchlichen Fragen eine führende Rolle für das römische Bischofsamt als
legitim und notwendig ansah.
Simplicius war 476 in Rom Bischof, als sich das West-Römische Reich unter Romulus
Augustulus in der endgültigen Auflösung befand.
Bischof Gelasius I. (492-496) stellte die herausragende Stellung des römischen
Bischofsamtes (in Religionsfragen) gegen den Kaiser hervor; in diesem Zusammenhang ist
deshalb auch die Rede von der „Zwei-Gewalten-Lehre“11.
wegen der Rangfolge von Bischof, Metropolit und Patriarch vgl. Angenendt, Arnold: „Das Frühmittelalter.
Die abendländische Christenheit von 400 bis 900“, Stuttgart – Berlin – Köln 1990, Seite 63 & 65.
11
vgl. Angenendt, Arnold: „Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900“, Stuttgart
– Berlin – Köln 1990, Seite 69 & 141.
10
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Bischof Felix II. (483-492), erster aus dem römischen Stadtadel stammender „Papst“,
machte den Führungsanspruch der römischen Kirche im Osten des Reiches deutlich.
498 entschied sich der Ostgotenkönig Theoderich bei der Doppelwahl des römischen
Bischofs für den Konstantinopel-feindlichen Symmachus als Bischof und nicht für dessen
Gegenspieler Laurentius. 501 befand eine von König Theoderich einberufene Synode, dass
kein Mensch den „Papst“ richten dürfe.
Bischof Hormisdas (514-523) söhnte sich wieder mit Konstantinopel aus und beendete das
Ost-West-Schisma der Kirche. Bischof Johannes I. von Rom ließ 525 den Ostertermin für
die nachfolgenden Jahre berechnen. Hierbei entstand eine umfassende Berechnung der
Weltgeschichte nach Christi Geburt und damit (Grund legend) die noch heute gültige
Zeitrechnung. Mit dem Ostgoten Bonifatius II. hatte Rom 530 den ersten germanischen
„Papst“. 533 erfolgte die erste namentliche Umbenennung eines römischen Bischofs nach
der Wahl, weil Bischof Johannes II. als oberster Bischof nicht wie der römische Gott
Mercurius (griechisch: Hermes) heißen wollte; Jahrhunderte später bürgerte sich dies dann
nach jeder Papstwahl ein.
537 rückten (wieder) ost-römische Truppen in Rom ein und setzten als neuen römischen
Bischof Vigilius ein. Damit war die Stadt Rom und das römische Bischofsamt trotz kurzer
mehrmaliger Verluste und Rückeroberungen der Stadt Rom, spätestens aber seit 554,
wieder im (restaurierten) Römischen Reich beheimatet. Um dieser neuen Situation
Ausdruck zu verleihen, und um Rom an das Reich zu binden, wurde der Bischof von Rom
kaiserlicher Reichspatriarch für den Westen des Reiches als Erster neben den Patriarchen
von Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien und Jerusalem. Außerdem stand die Wahl
des römischen Bischofs seit 555 unter dem ost-römischen Kaiserrecht und diese Wahl war
somit durch den Kaiser bzw. in Vertretung durch den Exarchen in Ravenna abzusegnen!12
Dies zeigt sehr deutlich, dass das römische Bischofsamt im Übergang von der Spätantike
zum Frühmittelalter nicht nur von inner-kirchlichen Faktoren gelenkt war, sondern dass
das entstehende Papsttum immer auch vom weltlichen Herrscher determiniert wurde.
Nach einem Hochwasser 589/90 in Rom erlag Bischof Pelagius II. der Pest. Sein
Nachfolger wurde Papst Gregor I.
2.3.
Der Bischof von Rom übernimmt neue Funktionen für Rom
Zu Beginn unseres betrachteten Zeitabschnittes bauten die Kaiser des Römischen Reiches
die Kirchen in Rom. Später dann bauten Privatleute, vorwiegend aus den Oberschichten
vgl. Angenendt, Arnold: „Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900“, Stuttgart
– Berlin – Köln 1990, Seite 238.
12
Seite 14
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
der Stadt Rom, seit Bischof Sixtus III. (432-440) dann die Bischöfe von Rom die Kirchen
der Stadt.
„Im Mittelpunkt der Christengemeinde stand der Bischof [...]. Er war ihr rangerster
Liturge, zugleich Prediger und Katechet, dazu Verwalter des Kirchenbesitzes, weiter auch
Vorsteher der mit ihm zusammenlebenden Kleriker-Gemeinschaft und nicht zuletzt Hirte
seiner Herde.“13 Der Bischof hat Verantwortung für öffentliche Fürsorge, in kleinen
Gerichtssachen konnte er (nach Anrufung) gültige Schiedssprüche fällen. Der Bischof war
bei „wichtigen städtischen Belangen“ als „unbestechliche[...] Instanz“ angesehen. 14 „Für
die städtischen Massen, denen in der Antike keinerlei soziale oder medizinische
Einrichtungen
zur
Verfügung
standen,
schufen
die
Christen
erste
Wohlfahrtseinrichtungen.“15
Die Christianisierung Roms schritt seit dem 4. Jh. stetig voran. Seit dem 5. Jh. gab es enge,
sogar familiäre Verflechtungen zwischen römischer Oberschicht und dem Klerus.
Die kaiserliche Verwaltung Roms verlor um 400 nach und nach die Möglichkeiten und
Fähigkeiten, die Bevölkerung zu versorgen und zu schützen. Zu diesem Zeitpunkt sahen
die römischen Bischöfe ihre Chance und Pflicht zur Ausweitung ihrer Aufgaben für die
Gemeinde und traten mehr oder minder in die Nachfolge der unfähigen staatlichen
Verwaltung.
Die Kirche erzielte die Finanzen für ihre karitativen Aktivitäten zum großen Teil durch
Spenden, das Erbe von Gläubigen, durch Erwirtschaftungen aus den Ländereien und durch
Einverleibung eines Teils der Vermögen der Oberschicht beim Eintritt in Kirchenämter.
Seit Mitte des 4. Jh. wurde wegen der großen Ländereien eine gut funktionierende
Organisation und Verwaltung der Kirchenländereien nötig. Wegen der notwendigen
schriftlichen Fixierung von Vermögen, von Liturgie, von bischöflichen Schreiben usw. war
ein Apparat schriftkundiger Notare essentiell für die kirchliche Verwaltung. Und damit
stand dieser funktionierende kirchliche Verwaltungsapparat dann auch für die städtische
Verwaltung zur Verfügung.
Zur Zeit der Langobarden-Einfälle in Italien wurde Rom immer mehr isoliert vom oströmischen Einfluss. Die noch verbliebene Oberschicht floh entweder gen Konstantinopel
oder trat dem Klerus bei. Die allgemeinen Pfleger der alten römischen Traditionen
verschwanden zusehends. Dies führte auch zu einer verstärkten Zuwendung der
Angenendt, Arnold: „Das Frühmittelalter. Die abendländische Christenheit von 400 bis 900“, Stuttgart –
Berlin – Köln 1990, Seite 94.
14
vgl. ebendieser, Seite 63.
15
ebendieser , Seite 59.
13
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Bevölkerung zur christlichen Kirche.
Im 5. Jh. beginnen die römischen Bischöfe zunehmend das politische Vakuum in Rom,
welches durch das Wegbrechen kaiserlicher Macht nach und nach entstand, zu füllen.
Hiermit bildet sich auch schrittweise die Institution des Papsttums als die neue Autorität
für die Stadt Rom heraus.
Durch die erfolgreiche Rück-Eroberung Roms in das Ost-Römische Reich, wurde auch die
römische Kirche wieder enger an den Kaiserhof gebunden; hatte dort sogar einen ständigen
Abgesandten. In Rom wurde die restaurierte politische Situation u.a. dadurch sichtbar, dass
Militär in der Stadt stationiert wurde und der kaiserliche Statthalter aus Ravenna Einfluss
in Rom nahm.
Trotzdem waren es die Bischöfe von Rom, die im 6. Jh. die Versorgung der Bevölkerung
mit Lebensmitteln und Wasser, den Schutz für die Stadtbewohner, die öffentliche
Verwaltung sowohl über die Ländereien der Kirche als auch der Stadt selbst und
letztendlich die karitative Versorgung der Massen übernahmen.
3.
Zusammenfassung
Wir bewegten uns im obigen Abschnitt in den Jahren 314 bis 590 n. Chr.. Diese Zeit des
Übergangs von der Antike zum Mittelalter im Römischen Reich, hier speziell von der
Spätantike zum Frühmittelalter, war nicht nur gekennzeichnet durch Entwicklungen in der
Geschichte der Stadt Rom, sondern auch durch Entwicklungen in der Geschichte des sich
festigenden Papsttums. Der „Papst“ behauptete seinen Vorrang gegenüber anderen
Bischöfen des Römischen Reiches, er schwang sich auf zum religiösen Führer des
Abendlandes und sicherte sich sowie der römischen Kirche hierdurch eine Ausschlag
gebende, führende Rolle für das Christentum. Aber nicht nur in inner-kirchlichen
Angelegenheiten im Reich, sondern auch innerhalb der römischen Stadtgrenzen und im
Umland Roms wurde die Rolle des römischen Bischofs im Laufe dieser drei beleuchteten
Jahrhunderte eine andere: Wo der römische Bischof zu Beginn des 4. Jh. „[...]als Leiter
seiner Diözese Rom, seines Amtsbezirks als einfacher Bischof; [...]“16 nur der Vorsteher
einer gerade erst staatlich anerkannten, aber noch minderheitlichen Institution war, so ist
der Papst, der seit der Zeit Gregor I. den bischöflichen Ehrentitel „papa“ exklusiv für sich
16
Fuhrmann, Horst: „Die Päpste. Von Petrus zu Johannes Paul II.“, München 1998, Seite 42.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
in Anspruch nehmen konnte, am Ende des 6. Jahrhunderts „feste[r] Verhandlungspartner
für Byzanz in den die Stadt betreffenden Angelegenheiten“17 gewesen.
4.
Literaturverzeichnis
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17
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
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Seite 18
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Die politische und wirtschaftliche Situation innerhalb Roms im
Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter
Claudia Freitag
1. Einleitung
Als Hauptstadt des Imperium Romanum stieg Rom in der Antike zur wohl größten und
glanzvollsten Stadt des Mittelmeerraums auf. Ihre Baukunst und moderne Verwaltungsstruktur sowie der Glanz ihrer gesellschaftlichen Elite manifestierten die Macht und den
Reichtum des gesamten römischen Imperiums und hoben Rom zum uneingeschränkten
politischen und gesellschaftlichen Zentrum der antiken Welt empor.
Der antike Glanz Roms hielt aber nicht fortdauernd an und erlebte im Übergang von der
Spätantike zum Frühmittelalter einen starken Niedergang. Innere Krisen, die Verlagerung
der Kaiserresidenz von Rom – zunächst nach Mailand und später nach Ravenna und Konstantinopel – sowie die Last häufiger Plünderungen und Belagerungen durch germanische
Stämme während der Völkerwanderung, zerrten in der Spätantike an den Kräften Roms
und brachten die Stadt zeitweise an den Rand ihrer Existenz. Der Zusammenbruch der politischen und wirtschaftlichen Strukturen Roms wirkte sich auf allen Ebenen des städtischen Lebens aus und ging mit dem äußeren Verfall und der Zersetzung der Sozialstruktur
der Stadt einher.
Während Rom in der Antike noch das Zentrum des römischen Imperiums darstellte, glich
sie im 5. und 6. Jh.n.Chr. nunmehr einer Geisterstadt im Schatten ihres einstigen Glanzes.
Diese Verfallsentwicklung stabilisierte sich erst im Mittelalter, durch das zunehmende
Eingreifen der römischen Kirche in die weltlichen Belange der Stadt und dem damit verbundenen Erstarken des Papsttums.
Die politische und wirtschaftliche Situation innerhalb Roms im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter ist von zentraler Bedeutung für die Betrachtung der Entwicklung
der Stadt Rom im Mittelalter, da sie Ausdruck der Transformation Roms von der Antike
zum Mittelalter und ihres Bruchs mit den Strukturen der Antike ist. Der Verfall Roms in
der Spätantike stellt somit die Ausgangslage für den Übergang der Stadt ins Mittelalter
sowie den Aufstieg der römischen Kirche dar. Denn erst der Verfall der antiken Strukturen
Roms, der Zusammenbruch und die Handlungsunfähigkeit seiner politischen Institutionen,
ebenso wie seine wirtschaftliche Notlage machte das verstärkte Eingreifen der römischen
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Päpste in die Verwaltung Roms erforderlich. Dies ebnete der römischen Kirche den weiteren Weg für die Ausdehnung ihres weltlichen Machtbereichs und ihren Aufstieg im Mittelalter, wodurch die Geschicke der Stadt Rom und die des Papsttums unmittelbar miteinander verknüpft wurden.
2. Zwischen „Kontinuität und Katastrophe“18 –
Politische und wirtschaftliche Entwicklungen innerhalb Roms im
Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter
2.1. Politischer Machtverlust und Zersetzung des sozialen Gefüges Roms
Bereits mit Einsetzen der Spätantike ließ sich ein erster Wandel in den politischen und
wirtschaftlichen Strukturen Roms verzeichnen, der den weiteren Verfall Roms im Verlauf
des Spätmittelalters förderte.
Der Ausbau einer Reihe weiterer Städte des römischen Imperiums zu Kaiserresidenzen
unter Kaiser Diokletian, stellte bereits einen ersten Einschnitt in den politischen Einfluss
Roms und dessen Vorrangstellung als alleiniger Hauptstadt und Sitz der Zentralgewalt des
römischen Imperiums dar, die es nun einbüßte. Mit dem Aufstieg weiterer Städte zu Kaiserresidenzen verlagerte sich das Interesse des Kaisers. Fortan hielten sich die Kaiser, bedingt durch die Auswahl an kaiserlichen Residenzen, nur noch selten und nicht mehr dauerhaft in Rom auf. Auch die finanziellen Investitionen für den Ausbau öffentlicher Bauten
und öffentlicher Veranstaltungen konzentrierten sich nun nicht mehr allein auf Rom, sondern wurden zunehmend für die neuen Zentren des Imperiums und deren Ausbau verwendet. Ebenso wurden viele der in Rom ansässigen höheren Zivil- und Militärämter in die
neuen Zentren ausgelagert, wodurch der politische Bedeutungsverlust Roms untermauert
wurde.
Die Verlagerung der politischen Machtbasis weg von Rom, setzte sich auch unter Kaiser
Konstantin fort, der die römische Hauptstadt von Rom nach Byzanz verlagerte und somit
18
Bezieht sich auf die Kontroverse um den Weiterbestand Roms im Übergang zum Mittelalter, unter
Einfluss der Völkerwanderung. Seit Antike vorherrschende Kontinuitätstheorie ging vom
Fortbestand des Imperium Romanum und der Stadt Rom bis zum Ende der Weltgeschichte aus. Historiker,
wie z.B. Alfons Dopsch, stützten diese Theorie. Sahen eine Kontinuität im Übergang von der Antike zum
Mittelalter. Die Katastrophentheorie italienischer Humanisten wendete sich gegen diese Theorie des
Fortbestands. Vertrat die Ansicht der Zerstörung und Barbarisierung des antiken römischen Imperiums
durch die Völkerwanderung.
Vgl. Angenendt, Arnold, Das Frühmittelalter, 1995, S.34.
Vgl. Demandt, Alexander, Art. „Spätantike“, in: Der grosse Ploetz, 2005, S.287.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
den politischen Status Roms als nunmehr ideelle Hauptstadt des römischen Imperiums im
Schatten der neuen Machtzentren konsolidierte.
Die Verlagerung der Hauptstadt von Rom nach Byzanz und der damit einhergehende Prestige- und Machtverlust Roms als vormaligem Zentrum der antiken Welt äußerte sich zunächst in dem Mangel an Investitionen zur Errichtung und Erhaltung öffentlicher Bauten.
Fortan wurden finanzielle Investitionen und öffentliche Bautätigkeiten vermehrt von Mitgliedern des Senates und Stadtpräfekten getätigt, die sich meist jedoch auf die Renovierung
und Instandhaltung alter Bauwerke konzentrierten, wodurch der Neubau in Rom stark abnahm und im 6. Jh.n.Chr. zunächst gänzlich zum erliegen kam.
Mit dem Weggang des Kaisers und zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten innerhalb Roms, die zu einer Verschlechterung der Lebensmittelversorgung und Hungersnöten
führten, wurde Rom immer unattraktiver für die führenden sozialen Schichten und die politische Elite Roms. Dies führte dazu, dass sie aus Rom fortzogen. Viele der reichen Patrizierfamilien gaben ihren Besitz in Rom auf, um sich in der Nähe des kaiserlichen Hofs
anzusiedeln. Viele der Güter der Stadt standen somit leer und verfielen. Zudem fehlte es an
finanzkräftigen Personen, die Steuergelder zahlten und in die Stadt und deren Weitererhalt
investierten, was sich besonders im materiellen Verfall der antiken Bausubstanz Roms äußerte. Nicht zuletzt führte der Weggang der sozialen Oberschicht aber auch zu einem
enormen Prestigeverlust Roms.
Insgesamt kam es durch das Fehlen der kaiserlichen Zentralgewalt zu einer wirtschaftlichen und politischen Desorganisation innerhalb Roms. Der Senat war zwar in Rom verblieben, hatte aber nur noch eine beratende und zeremonielle Funktion als repräsentatives
Organ inne und war letztlich außer Stande, die politische Organisation und Verwaltung
Roms alleine zu bestreiten. Auch die kaiserliche Regierung in Ravenna und Konstantinopel
verlor im Zuge zunehmender Bedrohungen durch germanische Stämme während der Völkerwanderung an politischem Einfluss innerhalb Roms. Zudem waren die durch diese Regierung eingesetzten Beamten in Rom häufig von der Zentralgewalt abgeschnitten und
dadurch weitestgehend machtlos und unorganisiert, da sie keine Rücksprache halten konnten. Durch die Desorganisation und die geringe Handlungsfähigkeit der römischen Verwaltung entstand ein politisches Vakuum in Rom, dass ausgefüllt zu werden bedurfte.
2.2. Wirtschaftliche Rezession und Lage der städtischen Bevölkerung Roms
Im Zuge der Verschlechterung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage Roms verließen neben der sozialen und politischen Oberschicht auch große Teile der ärmeren BeSeite 21
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
völkerung die Stadt, um sich auf dem Land nördlich von Rom anzusiedeln, in der Hoffnung sich dort besser versorgen zu können. In der Folge kam es zu einem großen Wohnungslehrstand aber auch zu einem enormen Bevölkerungsrückgang. Gründe für die stark
rückläufigen Bevölkerungszahlen Roms in der Spätantike waren, unter anderem, eine generelle wirtschaftliche Rezession im Westen, die zu schweren Hungersnöten führte. Hinzu
kamen Probleme im Import von Gütern aus den römischen Provinzen aus Übersee, bedingt
durch Bauernaufstände, Gebietsverluste und Besetzungen in den betroffenen Gebieten.
Aufgrund seiner geringen Eigenversorgung war Rom jedoch in starkem Maße auf die Güter aus den Provinzen angewiesen, ohne deren Lieferung sich die ohnehin bereits schlechte
Versorgungslage der städtischen Bevölkerung noch weiter verschlechterte. Wiederholte
Plünderungen und Besetzungen Roms durch germanische Stämme, wie dem der Ostgoten
und der Langobarden, kappten die Versorgung Roms zumeist gänzlich, indem sie die Stadt
sowie Teile ihres Umlandes schwer verwüsteten und im Falle von Belagerungen auf längere Zeit von der Außenwelt abschnitten.
Schwere Pestepidemien sowie Malaria und Cholera Erkrankungen, die sich überall in Europa während der Spätantike ausbreiteten, trugen zur Verringerung der Bevölkerung Roms
bei. Im Falle Roms wurde die Ausbreitung von Seuchen durch weite Sumpffelder begünstigt, die durch eine mangelhafte Entwässerung von Feldern im Umland der Stadt entstanden waren.
Während angenommen wird, dass sich die Einwohnerzahl Roms zu Zeiten Kaiser Augustus um eine Million bewegt, liegt der Schätzwert der Einwohnerzahl Roms um das Jahr
450 n.Chr. bei knapp 500.000 Personen und sank um das Jahr 500 n.Chr. wohl auf 100.000
Einwohner ab. Für die Zeit nach der Belagerung Roms durch die Goten, wird die Einwohnerschaft Roms auf nur noch 30.000 Personen oder weniger geschätzt. Bereits die Vorstellung davon, dass ein Bevölkerungskern von weniger als 30.000 Personen in einer Stadt
weiterlebte, welche für rund eine Million Bewohner ausgelegt war, verdeutlicht, wie
schwer es gewesen sein muss, das städtische Leben in Rom aufrechtzuerhalten und dem
voranschreitenden Verfall der Stadt Einhalt zu gebieten. Das Bild Roms, dass sich den
Zeitzeugen zu jener Zeit geboten hat, muss dem einer Geiserstadt geglichen haben.
2.3. Rom: die Ewige Stadt – Fortbestand im Angesicht des Verfalls
Trotz der starken Verfallserscheinungen, die das Stadtbild Roms im Übergang von der
Spätantike zum Frühmittelalter prägten sowie der schlechten wirtschaftlichen und sozialen
Seite 22
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Lage der römischen Bevölkerung, blieb das Grundgerüst für das städtische Leben innerhalb Roms erhalten und kam nie vollkommen zum Erliegen.
Durch die sehr geringe Bevölkerungsdichte siedelte sich die verbleibende Bevölkerung
Roms weitgehend entlang der beiden Uferseiten des Tiber an. Die Gebiete der zuvor reich
besiedelten Viertel Roms standen nun leer und verfielen. Grünflachen wurde zu Brachland,
dass sich in weiten Teilen über Rom erstreckte und bereits in ersten Ansätzen das im Verlauf des Mittelalters verbreitete Konzept von „abitato“19 und „disabitato“20 erkennen ließen. Durch die geringe Bevölkerungsdichte Roms wurde der verbleibende Siedlungskern
von weiten Flächen offenen Brachlands begleitet, die durch wilde Weingärten und vereinzelten Ruinen und Bauernhöfen gekennzeichnet waren.
Bedingt durch den großen Bevölkerungsrückgang herrschte ein großer Wohnungsleerstand. Bewohnte Gebäude wurden aufgrund der wirtschaftlichen Notlage Roms, wenn
überhaupt nur notdürftig geflickt. Verlassene Herrensitze und Wohnhäuser sowie öffentliche Bauten, Tempel und Statuen verfielen. Infolgedessen kam es vermehrt zu Plünderungen leerstehender Gebäude durch die städtischen Bevölkerung, die sich so Material für die
Instandsetzung ihrer eigenen Wohnhäuser besorgte. Öffentliche Bauten wie Straßen und
Aquädukte waren mitunter aber noch funktionstüchtig und konnten genutzt werden.
Auf diesem Fundament baute die römische Kirche auf, die sich durch das Fehlen der politischen Zentralgewalt und die widrigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen innerhalb Roms im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter immer stärker in die
politischen Belange Roms eingriff und so allmählich eine Stabilisierung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse herbeiführte.
3. Schlussbetrachtung
Der voranschreitende Verfall, der die Situation der Stadt Rom im Übergang von der Spätantike zum Frühmittelalter kennzeichnete, wurde durch das Zusammenspiel einer Vielzahl
von Ereignissen und Entwicklungen bedingt. Diese setzten mitunter bereits zu Beginn der
Spätantike ein und wirkten sich nachhaltig über einen längeren Zeitraum hinweg negativ
auf die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Stadt aus. Doch trotz des starken
Der Begriff „abitato“ bezeichnet im italienischen eine Siedlung oder einen Ortskern. Wird hier zur
Kennzeichnung der dicht besiedelten Gebiete innerhalb Roms verwendet. Krautheimer, Richard: Rom.
Schicksal einer Stadt 312-1308. S.81.
20
Der Begriff „disabitato“ steht im Italienischen für unbewohnt. Hier wird er als Bezeichnung für die
unbewohnten Flächen Roms verwendet, die sich durch Weingärten, kleine Ruinen und vereinzelte
Bauernhöfe auszeichneten und sich in weiten Flächen zwischen den eng bewohnten Siedlungskernen
erstreckten. Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308. S.81.
19
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
äußeren Verfall Roms, ihrer enormen wirtschaftlichen Schwächung sowie ihrer politischen
Desorganisation in der ausgehenden Spätantike, die zeitweise Zweifel am Fortbestand der
Stadt aufkommen ließen, kam das soziale Leben in Rom nie vollständig zum Erliegen. Es
blühte immer wieder von neuem auf und untermauerte so die Idee von Rom als „Ewiger
Stadt“.
Abschließend lässt sich feststellen, dass Rom gerade in dieser Zeit des politischen und
wirtschaftlichen Niedergangs eine Transformation von den Strukturen der Antike hin ins
Mittelalter durchlebte, die es ihr erst ermöglichten sich weitestgehend von den Strukturen
der Antike zu lösen, um so im Mittelalter eine neue Entwicklung einzuschlagen. Die Kirche, die während dieser Zeit als neue Verwaltungsinstanz und politischer Machtfaktor innerhalb Roms hervorging, trug durch ihre ordnenden und eingreifenden Maßnahmen wesentlich zur Stabilisierung und Behebung der sozialen und politischen Missstände Roms im
Übergang von Spätantike zu Frühmittelalter bei und verhalf Rom so zu neuer Größe im
Mittelalter.
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
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900, 2.Aufl., Stuttgart [u.a.] 1995.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Die Langobarden in Italien
Julia Bohn
1.
Einleitung
Im sechsten Jahrhundert nach Christus trat in Italien ein germanischer Stamm in Erscheinung, der für die romanische Bevölkerung und die Stadt Rom eine immer wichtigere Rolle
zu spielen begann: die Langobarden. Im Zuge der Völkerwanderung gelangten sie von der
Unterelbe bis schließlich nach Italien und beeinflussten die Geschichte Italiens, Roms und
des Papsttums von nun an für mehr als 200 Jahre. Erst wenige Jahre vor dem Italienfeldzug
der Langobarden waren die Ostgoten vom byzantinischen Oberbefehlshaber Narses besiegt
worden. Die Bevölkerung und das Land blickten auf eine unruhige Zeit schwerer Kämpfe
und schlimmer Seuchen zurück. Besonders die Stadt Rom befand sich in einer Phase des
Umbruchs. Das Papsttum begann, eine neue und entscheidende Rolle für die Stadt einzunehmen. Mit dem Ausklingen der Antike und dem Zusammenbruch einer funktionstüchtigen Regierung und Verwaltung fielen dem Papst vermehrt politische und soziale Aufgaben
zu. Demzufolge war Papst Gregor der Große der erste Papst in Rom, dem im Umgang mit
den Langobarden eine wichtige Rolle zuteil wurde. Da die Apenninen-Halbinsel und damit
die Stadt Rom von den Langobarden überschwemmt zu werden drohte, versuchte Gregor
über einen langen Zeitraum mit den vor Rom lauernden Langobarden zu verhandeln und
eine friedliche Lösung zu finden. Auch nach Gregor dem Großen mussten sich viele weitere Päpste mit den Langobarden auseinandersetzen, um die Stellung des Petrusamtes und
die immer enger mit dem Papsttum verbundene Stadt Rom zu verteidigen.
Diese Arbeit versucht in mehreren Schritten, den Einfluss der Langobarden auf Italien,
Rom und das Papsttum zu erläutern. Dafür wird zunächst der germanische Stamm der
Langobarden kurz vorgestellt. Im Anschluss sollen der Langobardeneinfall in Italien und
dessen Konsequenzen für die romanische Bevölkerung, Italien und Rom erläutert werden.
Danach wird das Verhältnis Roms und des Papsttums mit den Langobarden dargestellt,
wobei der Schwerpunkt hier auf Papst Gregor dem Großen liegen soll.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
2.
Hauptteil
2.1
Die Langobarden - ein germanischer Stamm in der Völkerwanderung
Die Herkunft der Langobarden ist in der Forschung bis heute umstritten. Paulus Diaconus21, der berühmte Geschichtsschreiber der Langobarden, berichtet in seiner „Geschichte
der Langobarden“, dass sein Volk aus Skandinavien kam und wegen zunehmender Bevölkerungsdichte diese Gegend verließ. Allerdings gibt es keine gesicherten Zeugnisse oder
archäologischen Funde, die dies bestätigen. Nachweislich aber hielten sich die Langobarden seit dem 1. Jh. Vor Christus am Unterlauf der Elbe auf. Im Zuge der Völkerwanderung
zogen sie im fünften Jahrhundert von dort in den Donauraum und weiter bis in Gebiete, die
heute zu Westungarn gehören22.
Während ihrer Wanderungen bildete sich zunehmend eine militärische Strukturierung der Langobarden heraus, an deren Spitze ein König stand. Das Volk war in so genannte „farae“23 organisiert. Nach Jörg Jarnut kann „die Fara als gefolgschaftlich organisierte oder auf Familienverbänden aufbauende Militäreinheit“24 gesehen werden.
2.2
Der Langobardeneinfall in Italien
Im Jahr 568 n. Chr. fasste der Langobardenkönig Alboin mit seinem Volk den Entschluss,
Pannonien zu verlassen und nach Italien zu ziehen. Dieser Italienzug der Langobarden gilt
als letzter Germanenzug der Völkerwanderung. Einen Grund für den Entschluss Alboins
sieht die Forschung in den immer mächtiger werdenden Nachbarn der Langobarden in
Pannonien, den Awaren. Danach fühlten sich die Langobarden von den Awaren bedroht
und unter Druck gesetzt. Des Weiteren erwies sich wohl auch der Zeitpunkt als günstig,
denn Byzanz kämpfte gerade auf dem Balkan und gegen die Perser. Noch wenige Jahre
zuvor war es Byzanz gelungen, die Langobarden als Verbündete für Ostrom zu gewinnen.
So hatten beispielsweise 552/553 große Teile der Langobarden im Heer von Byzanz gegen
die Ostgoten und die Perser gekämpft und das Militärwesen, die Sprache und auch Italien
kennen gelernt. 568 aber fielen die Langobarden, anders als die Ostgoten vor ihnen, als
21
Paulus Diaconus (eigentl. Paul Warnefried) war ein Langobarde der letzten Generation, der im achten
Jahrhundert die Chronik seines Volkes niederschrieb. Seine „Geschichte der Langobarden“ gilt bis heute als
eine der wichtigsten Quellen für die Forschung.
22
In der Literatur wird für diese Gebiete die Bezeichnung ‚Pannonien’ verwendet.
23
Jarnut, Jörg: Die Landnahme der Langobarden in Italien aus historischer Sicht, in: Ausgewählte Probleme
europäischer Landnahmen des Früh- und Hochmittelalters. Methodische Grundlagendiskussion im Grenzbereich zwischen Archäologie und Geschichte, hg. v. Michael Müller-Wille/Reinhard Schneider (Vorträge und
Forschungen 61), Sigmaringen 1993, S.184.
24
Jarnut, Jörg: Geschichte der Langobarden, Stuttgart 1982, S.47.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Feinde in Italien ein. Dem Zug, der schätzungsweise 100 000 – 150 000 Menschen umfasste, schlossen sich neben den Langobarden auch noch viele Angehörige anderer germanischer Völker an. Paulus Diaconus schreibt in seiner Chronik der Langobarden über den
Italienzug seines Volkes:
„Jetzt überließ Albuin das eigene Land, nemlich Pannonien, seinen Freunden
den Hunen, unter der Bedingung jedoch, daß wenn die Langobarden irgend
einmal wieder heimzukehren genöthigt würden, sie auch ihr altes Land wieder
ansprechen könnten. Die Langobarden verließen also Pannonien und zogen mit
Weib und King und Hab und Gut Italien zu, um es in Besitz zu nehmen“25
Die Eroberung weiter Teile Italiens gestaltete sich für die Langobarden zunächst überraschend leicht. Sowohl Italien selbst als auch das Oströmische Reich waren geschwächt und
leisteten nur wenig Widerstand. „Binnen kurzer Frist überschwemmten die Eindringlinge
den Norden und Westen Oberitaliens“26 Die Langobarden eroberten Verona, Treviso, Bergamo, Mailand, Spoleto, Benevent und andere Städte problemlos. Einzig Pavia wehrte sich,
wurde aber nach dreijähriger Belagerungszeit eingenommen und zur Hauptstadt des
Langobardenreichs erklärt. Die eingenommenen Gebiete Italiens wurden von den Langobarden in Herzogtümer aufgeteilt.
Für die romanische Bevölkerung hatte der Langobardeneinfall schwerwiegende Folgen. Die Eroberer töteten viele Angehörige der Oberschicht und verpflichteten andere zu
Abgaben. Gleichzeitig hatte sich das Erscheinungsbild Italiens entscheidend verändert: das
Land war zerrissen in langobardische und byzantinische Teile und stellte keine Einheit
mehr da. Gehörte die Apenninen-Halbinsel vorher noch zum Byzantinischen Reich, so hatte sich hier der Schwerpunkt verlagert: weite Teile standen nun unter der Herrschaft der
Langobarden. Die byzantinische Verwaltung brach in Folge des Einfalls ebenfalls zusammen. Besonders die Stadt Rom befand sich von nun an in einer schwierigen Lage. Bereits
seit dem endgültigen Ende des Weströmischen Reiches 476 hatte sich die Stellung Roms
im Reich grundlegend verändert. Rom gehörte nicht mehr zum Kernland, der Sitz des Kaisers befand sich am Bosporus (Konstantinopel) und die alten römischen Eliten verließen
die Stadt. Nach dem Langobardeneinfall gab es zwar noch einen Statthalter für die übrig
gebliebenen byzantinischen Gebiete Italiens, doch dieser saß in Ravenna, nicht in Rom.
Daraus ergab sich eine weitere Schwierigkeit für Rom, denn das langobardische Herzog-
25
Otto Abel (Hg.), Paulus Diaconus und die übrigen Geschichtsschreiber der Langobarden, übersetzt von
Otto Abel, Leipzig 1849, S.36.
26
Werner Goez, Grundzüge der Geschichte Italiens in Mittelalter und Renaissance, Darmstadt 1975, S.34.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
tum Spoleto trennte Rom von dem byzantinischen Exarchen27 in Ravenna. Damit waren
Rom und das direkte Umland seit dem Langobardeneinfall weitestgehend isoliert und von
den Langobarden eingekreist. In Rom übernahm der Papst immer mehr Verantwortung,
nicht mehr nur im religiösen, sondern auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich.
Demzufolge fühlte er sich auch für den Schutz Roms und seines Amtes verantwortlich. Die
Angst vor einem Langobardenangriff auf Rom spielte bei vielen Päpsten ab dem sechsten
Jahrhundert eine große Rolle und die Behandlung der Langobarden wurde zu einer wichtigen Aufgabe.
2.3
Papst Gregor der Große und die Langobarden
Für das Verhältnis Gregors des Großen zu den Langobarden ist die Entwicklung des
Langobardenreichs von großer Bedeutung. Nach dem Tod König Alboins 572 regierte vorerst nur noch ein König die Langobarden. Dieser wurde aber bereits zwei Jahre später ermordet und es folgte eine Zeit, die gemeinhin als Interregnum bezeichnet wird. In den Jahren zwischen 574 und 584 hatten die Langobarden keinen König, der das Volk zusammenhielt. Das noch so junge Reich hatte mit inneren Konflikten und Spannungen zu kämpfen,
wodurch eine weitere Expansion zunächst unterbunden wurde und das ursprüngliche Ziel,
ganz Italien zu erobern, nicht weiter verfolgt werden konnte. 584 aber wurde das Langobardenreich wieder zu einem Königtum und der neue König Agilulf verfolgte ab etwa 590
eine aggressive Expansionspolitik, die sich vor allem auf die Stadt Rom auswirkte. 591
begann zunächst der langobardische Dux28 von Spoleto die Gegend um Rom zu bedrohen.
Ein Jahr später, im Frühjahr 593, „marschierte auch König Agilulf in Richtung Süden, eroberte nach kurzer Belagerung Perugia […] und erschien vor Rom“29. Diese Bedrohung
Roms durch König Agilulf fiel mit der Amtszeit Gregors des Großen zusammen, der von
590 bis 604 Papst in Rom war. Dieser wurde durch den Aufmarsch Agilulfs gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Papst vor die große Aufgabe gestellt, Rom vor den Langobarden
zu schützen. Paulus Diaconus beschreibt in seinem Werk eine erschrockene Reaktion des
Papstes: „Bei dem Anzug des Königs erschrak der heilige Papst Gregor so sehr, dass er die
Erklärung des Tempels […] abbrach.“30 Ob diese Schilderung so zutrifft, weiß man nicht,
aber Gregor erkannte schnell die Bedrohung für Rom und bemühte sich von nun an, eine
27
Der Exarch (vergleichbar mit einem Statthalter) leitete das Exarchat. Exarchat war die Bezeichnung für
byzantinische Amtsbereiche in Italien und Nordafrika.
28
Eine Übersetzung dieses Begriffes ist schwierig, doch am ehesten trifft es wohl die Bezeichnung ‚Herzog’.
29
Konstantinos P. Christou, Byzanz und die Langobarden. Von der Ansiedlung in Pannonien
bis zur
endgültigen Anerkennung (500-680), Athen 1991, S. 148.
30
Otto Abel, Paulus Diaconus, S.75.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
friedliche Lösung mit den Langobarden zu finden. Gregor nahm gemeinsam mit kaiserlichen Beamten die Verhandlungen mit den Langobarden auf und man erreichte eine Waffenruhe gegen eine Tributzahlung von 500 Pfund Gold. Zwar wurde der Vertrag im Namen
der kaiserlichen Beamten abgeschlossen, doch Gregor spielte nachweislich eine wichtige
Rolle. Der Vertrag scheiterte jedoch letztendlich, da der Exarch von Ravenna seine Zustimmung versagte. Auch der Kaiser in Konstantinopel lehnte eine Waffenruhe gegen die
Zahlung eines Tributes ab, so dass der Krieg der Langobarden gegen die noch übrigen byzantinischen Teile Italiens fortgesetzt wurde und damit Rom weiter bedroht war. Im Laufe
der Zeit konnten allerdings immer wieder lokale Waffenstillstandsverträge abgeschlossen
werden und „auch der Papst konnte seine Kontakte mit dem langobardischen Königshof
aufrecht erhalten und setzte, trotz des Scheiterns des Vertrages mit Agilulf im Frühjahr
594, seine Bestrebungen fort“31. Als 596 der Exarch von Ravenna starb, nutzte Gregor die
Zeit bis zur Ankunft des neuen Exarchen, um die Verhandlungen fortzuführen. Er schickte
Gesandte an den langobardischen Hof, doch ein allgemein gültiger Vertrag konnte ohne das
Einverständnis von Byzanz nicht abgeschlossen werden. 598 scheint es jedoch gelungen zu
sein, zumindest einen einjährigen Waffenstillstand zu vereinbaren. In den darauf folgenden
Jahren brach der Konflikt zwischen den Langobarden und Byzanz jedoch immer wieder
offen aus und Gregor bemühte sich weiterhin, Rom und damit seinen Einflussbereich vor
den Langobarden zu schützen. Es wird deutlich, dass Gregors Interesse von Anfang an darin Bestand, unter allen Umständen Frieden mit den Langobarden zu schließen. An den
Verhandlungen Gregors mit den Langobarden zeigt sich auch die oftmals schwierige Beziehung des Papstes mit Byzanz, denn „was die direkte Beziehung zu den Langobarden
betrifft, herrschte […] oft Uneinigkeit zwischen der weltlichen und der kirchlichen Gewalt“32.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Hinwendung der Langobarden zum
Katholizismus. Zu Beginn der Völkerwanderung waren die Langobarden Wodanverehrer,
dann wandten sich viele dem arianischen Glauben zu, bis schließlich der Katholizismus
eine immer größere Rolle zu spielen begann. Die Frau König Agilulfs, Theodelinda, war
katholisch getauft und unterhielt einen Briefwechsel mit Papst Gregor dem Großen. In diesen Briefen sind politische Äußerungen des Papstes zu finden, die sein Anliegen und seine
Bestrebungen im Hinblick auf die Langobarden deutlich werden lassen. Des Weiteren bemühte er sich zusammen mit Königin Theodelinda, möglichst viele Langobarden für den
katholischen Glauben zu gewinnen. Zwar traten sogar viele Langobarden unter König Agi31
32
Christou, Byzanz und die Langobarden, S. 151.
Ebd., S.174.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
lulf zum katholischen Glauben über, doch die schwierige Beziehung zum Papsttum blieb
bestehen. Das ist vermutlich auf die divergierenden Interessen der Langobarden und des
Papstes hinsichtlich der Stadt Rom zurückzuführen, denn „immer wieder lockte die Ewige
Stadt die Begehrlichkeit der Germanen“33. Der Papst aber versuchte die Einnahme Roms
mit allen Mitteln zu verhindern.
2.4
Die Päpste und deren Behandlung der Langobarden nach Gregor
dem Großen
Noch bis in das späte achte Jahrhundert hinein mussten sich die Päpste in Rom mit den
Langobarden auseinandersetzen. Endgültig entschärft werden konnte die Bedrohung dabei
zunächst nicht. Erst Papst Stephan II. führte eine entscheidende Wende herbei. Unter ihrem
König Liutprand (712 – 744) versuchten die Langobarden noch einmal, ganz Italien zu
erobern. Diesem gelang es schließlich, das Exarchat von Ravenna zu erobern. Damit drohte
eine baldige Einnahme der Stadt Rom, doch Byzanz „konnte und wollte nicht schützend
eingreifen“34. Aus diesem Grund wandte sich Papst Stephan II. Hilfe suchend an den ersten
Karolingerherrscher Pippin. Dieser besiegte die Langobarden 754 und 756 und gewann
Ravenna zurück. Anstatt dieses Gebiet jedoch an Byzanz zurückzugeben, übertrug er es
dem Papst, womit der erste Grundstein für den Kirchenstaat gelegt wurde.35 Außerdem
verlieh Papst Stephan II. Pippin den Titel ‚Patricius Romanorum’. Dieser wurde dadurch
zum Schutzherrn Roms und des Papstes. Endgültig besiegt wurden die Langobarden
schließlich von Karl dem Großen in den Jahren 773 und 774.
3.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Langobardeneinfall in Italien und die
Langobardenherrschaft die Entwicklung des Papsttums und der Stadt Rom entscheidend
geprägt haben. Das Schicksal des Papsttums und damit Roms scheint eng mit dem Schicksal der Langobarden verbunden zu sein. Die Isolierung Roms und die schwindende Macht
des Byzantinischen Reiches in Italien nach dem Langobardeneinfall beriefen den Papst zu
immer größerer Verantwortung. Für das Papsttum war es sehr wichtig, dass Rom nicht erobert wurde und damit die Stadt, der päpstliche Einflussbereich und das Petrusamt nicht dem
33
Goez, Italien in Mittelalter und Renaissance, S.43.
Ebd., S.45.
35
siehe dazu den Essay zum Thema „Die Pippinische Schenkung und die Entstehung des Kirchenstaates“
34
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Seminar „Rom im Mittelalter“
langobardischen Reich einverleibt wurden. Durch diese neue Verantwortung des Papstes
wurde andererseits auch die Stadt Rom automatisch immer stärker an den Papst gebunden.
Gleichzeitig zeigt die Behandlung der Langobarden durch die Päpste ihr wachsendes
Selbstbewusstsein, vor allem gegenüber Byzanz. Die Verhandlungen Papst Gregors des
Großen mit den Langobarden verdeutlichen, welche Anstrengungen und auch Risiken in
Kauf genommen wurden, um eine Eroberung Roms durch die Langobarden zu verhindern.
Letztendlich wurde sogar das neue Bündnis des Papsttums mit den fränkischen Herrschern als Reaktion auf die Bedrohung Roms durch die Langobarden geschlossen. Der Hilferuf Papst Stephans II. resultierte in der Pippinischen Schenkung, die wiederum den
Grundstein für den Kirchenstaat und den Aufstieg des Papsttums legte. Unter Karl dem
Großen wurden schließlich Kaiserkrone und Papsttum eng aneinander gebunden und damit
das Bündnis perfektioniert, das das europäische Mittelalter noch für lange Zeit entscheidend beeinflussen sollte.
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
Otto Abel (Hg.), Paulus Diaconus und die übrigen Geschichtsschreiber der Langobarden,
übersetzt von Otto Abel, Leipzig 1849.
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Goez, Werner, Grundzüge der Geschichte Italiens in Mittelalter und Renaissance, Darmstadt 1975.
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Methodische Grundlagendiskussion im Grenzbereich zwischen Archäologie
und Geschichte, hg. v. Michael Müller-Wille/Reinhard Schneider (Vorträge und
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Jarnut, Jörg, Geschichte der Langobarden, Stuttgart 1982.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
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Tabacco, G.: Art. „Langobardenreich – II. Geschichte“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5,
München-Zürich 1991, Sp.1691-1698.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Ein Theologisches Grundproblem der Zeit. Der Kampf
gegen den Arianismus
Verena Schneider
1. Einleitung
Als Gregor der Große im Jahre 590 n.Ch. den heiligen Stuhl bestieg, war der Zenit des
Arianismus längst überschritten. Die Mehrheit der germanischen Stämme bekannte sich
bereits zum Katholizismus, jüngst die Westgoten, ein Jahr vor Amtsantritt des Papstes.
Konfrontiert wurde Gregor mit dem Arianismus durch die Langobarden, die seit Mitte des
6. Jahrhunderts weite Teile Italiens erobert hatten. Als letzter Germanischer Stamm beriefen sie sich auf das homöische Bekenntnis und vertraten damit eine Häresie vor den Toren
Roms.
Um die Problematik des Arianismus für Gregor den Großen verständlich zu machen,
möchte ich im Rahmen dieser Abhandlung zunächst den Grundgedanken und die Entstehung dieser christlichen Strömung darstellen, darauf folgend auf die Verbreitung unter den
germanischen Völkern eingehen und schließlich Gregors Situation und sein Handeln bezüglich des Arianismus aufführen.
2. Arianismus
2.1.
Die Entstehung des Arianismus im Spiegel der Spaltung der frühchristlichen Kirche
„In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti (Matthäus 28, 19) .“ Die Dreifaltigkeit Gottes
ist heutzutage ein fest verankertes Dogma der christlichen Kirchen. In der Spätantike hingegen löste die Frage, in welchem Verhältnis Vater, Sohn und später Heiliger Geist zueinander stehen, eine Grundsatzdiskussion über das Wesen Gottes aus, welche die frühchristliche Kirche spaltete.
2.1.1. Die Lehre des Arius und der Beginn des arianischen Streits
Der Anstoß des arianischen Streits gab die Auseinandersetzung zwischen dem Presbyter
Arius und dessen Bischof Alexander von Alexandrien zu Beginn des 4. Jahrhunderts. Im
Mittelpunkt der theologischen Debatte stand das Verständnis der Person Christi. Während
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Arius eine radikale Position gegen dessen göttliche Natur einnahm und ihn als Geschöpf
Gottes definierte, das dem Vater untergeordnet sei (Subordinatianismus), vertrat Alexander
den Standpunkt, Christus sei dem Vater gleich und sprach ihm volle Göttlichkeit zu. Die
Problematik dieser These bestand darin, inwiefern die Verehrung des Sohnes als Gott neben dem Vater mit dem monotheistischen Glauben zu vereinbaren war. Demzufolge konnte Arius eine Anhängerschaft bilden, die in Alexanders Interpretation eine Hinwendung
zum Ditheismus befürchteten. Sein Gegner hingegen wurde von den Theologen unterstützt,
die den göttlichen Status Christus vertraten.
2.1.2. Vom Konzil in Nizäa bis zum Konzil von Konstantinopel
(325-381)
Der Konflikt verlagerte sich von Alexandrien auf die östlichen Gebiete des Reiches und
entwickelte sich zur innerkirchlichen Auseinandersetzung. Kaiser Konstantin I., der den
reichskirchlichen Frieden in Gefahr sah, griff schließlich in die theologische Debatte ein
und berief im Jahre 325 n.Ch. die Synode von Nizäa ein, die als 1. ökumenisches Konzil in
die Geschichte einging. Im Verlauf des Konzils wurden Arius und seine Anhänger verurteilt, sowie seine Lehre verworfen. Um das Verhältnis von Gott und Christus zu klären,
kristallisierten sich die Begriffe homouius (wesenseins) und ouvia (Substanz) heraus, die
später die Grundlage für die Trinitätslehre bilden sollten.
Nach Nizäa hatte Arius für den weiteren Verlauf des „arianischen“ Streits keine nennenswerte Bedeutung mehr. Ebenso ist der Begriff Arianismus insofern missverständlich, da
sich jene christlichen Strömungen, die nach Nizäa als Arianer bezeichnet wurden, weder
auf die Lehren Arius beriefen, noch sich selbst als arianisch sahen. Die Bezeichnung wurde
viel mehr von den Anhängern des Nizänums (Die Beschlüsse des nizänischen Konzils)
instrumentalisiert, um die Vertreter des Subordinatianismus zu denunzieren, indem sie mit
einer bereits verworfenen häretischen Lehre gleichgesetzt wurden.
Die theologische Problematik war nach dem Machtspruch Konstantins keineswegs geklärt.
Während sich das Nizäneum im Westen langsam durchsetzte, entstanden im oströmischen
Reich neue arianische Strömungen. Im Osten konnte sich 357 schließlich das homöische
Bekenntnis etablieren, dessen Kernaussage darin bestand, dass Christus dem Vater wesensähnlich, aber untergeordnet sei. Die gesamte Periode von 325 bis 381 war geprägt von
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
theologischen Spannungen, wenig hilfreich für eine Einigung waren dabei vor allem die
schwankenden Entscheidungen der weltlichen Herrscher, welche Lehre als orthodox galt.
Die Klärung und damit das Ende des „arianischen“ Streits brachte schließlich das 2. ökumenische Konzil in Konstantinopel im Jahre 381. Der Arianismus, darunter das homöische
Christentum, wurde endgültig als häretisches Bekenntnis verurteilt, während die Trinität
zum ersten Dogma der christlichen Kirche erhoben wurde. Die Erklärung, Gott sei ein Wesen mit den drei Hypostasen Vater, Sohn und heiliger Geist, trug sowohl dem Monotheismus, wie auch der Anerkennung der wahrhaften Göttlichkeit Christus Rechnung.
2.2.
Die Eigendynamik des germanischen Arianismus
Mit dem Konzil von Konstantinopel hätte die Geschichte des Arianismus wohl ihren
Schlussakt gehabt, wäre nicht durch den Aspekt der Völkerwanderung ein weiteres Kapitel
hinzugekommen. Der Ausgangspunkt der germanischen Christianisierung lag bei den Goten, unter denen es bereits im dritten Jahrhundert n.Ch. vereinzelt Christen gegeben hat. In
Berührung mit dem Christentum kamen die Goten anfänglich durch verschleppte Kappadokier, während ihrer Einfälle ins oströmische Reich. Diese römischen Provinzialen
hielten an ihrem Glauben fest und öffneten dem Christentum eine Tür. Tatsächlich sind
ihnen erste Missionierungserfolge bei den heidnischen Goten zuzuschreiben.
Als Schlüsselfigur der arianisch-germanischen Missionierung trat im 4. Jahrhundert der
gotische Christ Wulfia auf, ein Nachfahre verschleppter Kappadokier. Euseb von Nikomedien, der bischöfliche Berater Konstantius und Gegner des Nizänums, weihte ihn, während
seines Aufenthalts am kaiserlichen Hof als gotischer Gesandter im Jahre 336, zum Bischof
von Gotien. Wulfia musste jedoch aus dem Gotenreich, aufgrund der Christenverfolgung
in den 340er Jahren, mit seiner Anhängerschaft fliehen. Die später als Kleingoten bezeichnete Gruppe siedelte sich mit Unterstützung von Kaiser Konstantius II. in Moesien im römischen Reich an.
Durch Euseb geprägt, wandte sich Wulfia im Verlauf des „arianischen Streits“ dem homöischen Bekenntnis zu, das zur Grundlage des germanischen Arianismus wurde. Dem
schlossen sich ebenfalls westgotische Christen an, die sich auf römischen Boden ansiedelten. Weiterhin ist vor allem Wulfias Übersetzung der Bibel ins gotische, für die er eine
eigene Schriftsprache entwickelte, von Bedeutung. Zum einen erhielt dadurch das germaSeite 35
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
nische Christentum seine eigene Prägung, zum anderen unterstützte die Gotenbibel die
Überlieferung des Arianismus an die, ins römische Imperium einwandernden Volksstämme. Im Zuge der Völkerwanderschaft wandten sich unter den Germanen einzig die Franken gegen das homöische Bekenntnis und gewissermaßen erlebte der Arianismus im Ausklang des 4. und Verlauf des 5. Jahrhunderts eine Konjunktur. Hierbei spiegelt sich ein
ambivalentes Selbstverständnis der Germanen wieder. Einerseits bemühten sie sich um
Integration und Annäherung an das Römische Reich, durch Hinwendung vom Heidentum
zum christlichen Glauben, andererseits fand eine Abgrenzung statt, in Form des seit 381
als Häresie verurteilten Arianismus.
2.3. Papst Gregor der Große und die Langobarden
Die Langobarden kamen vermutlich Mitte des 6. Jahrhunderts durch die Ostgoten auf dem
Balkan mit dem homöischen Christentum in Berührung. Als sie 568 in Italien einfielen,
war ihre religiöse Situation eine zum Teil heidnische, teils arianische Bevölkerung. Zum
Amtsantritt Gregors I. 590, hatten die Langobarden große Teile des italienischen Gebietes
erobert und stellten für den Papst und das ihm anvertraute Rom die größte Bedrohung dar,
nicht nur im militärischen, sondern auch im religiösen Sinne.
Für Gregor, der in der Missionierung Westeuropas eine seiner primären kirchlichen Aufgaben sah, stand mit den Langobarden ein theologisches Problem vor der Tür. Die romanische Bevölkerung der eroberten Gebiete um Rom, unterlag der Herrschaft einer häretischen Sekte, die dem obersten Dogma der katholischen Kirche, der Trinitätslehre, widersprach. Die Gefahr bestand auf der einen Seite in einer möglichen Gegenmission, also der
Arianisierung der Romanen, auf der anderen Seite drohten Übergriffe auf die katholische
Bevölkerung, abhängig von der Kirchenpolitik des jeweiligen Herrschers. Unter König
Autharis gab es beispielsweise ein Verbot langobardische Kinder katholisch Taufen zu
lassen - ein Rückschritt bezüglich der religiösen Integration ins römische Reich.
Des Weiteren zwang die geschwächte Lage Roms und die mangelnde militärische Unterstützung seitens Byzanz, den Papst zu Verhandlungen mit den feindlichen Langobarden,
als diese die Stadt belagerten. Aus Mangel an Waffengewalt musste sich der Rückzug der
Belagerer erkauft werden, bedeutete also die Unterlegenheit der katholischen Romanen.
Interessant ist an dieser Stelle, wie sich diese Unterlegenheit auf das Selbstbewusstsein der
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Seminar „Rom im Mittelalter“
katholischen Bevölkerung ausgewirkt haben muss, schließlich lag in diesem Fall die
Machtposition bei den häretischen Arianern.
Der militärischen Gefahr durch die Langobarden gebot Gregor also zunächst Einhalt, indem er ihnen materielle Zugeständnisse machte. Weiterhin bemühte er sich um Verhandlungen bezüglich eines Friedensvertrages zwischen Byzanz und den germanischen Eroberern, was 598 schließlich von Erfolg gekrönt war. Die theologische Problematik versuchte
Gregor anfänglich durch Missionierung anzugehen, indem er zu Beginn seines Pontifikats
den regionalen Bischöfen anwies, die Langobarden zur Abwendung vom häretischen
Glauben aufzufordern. Der Papst jedoch musste bald einsehen, dass die Missionierungsversuche nicht von Erfolg gekrönt sein sollten, die Gefahr, in Gestalt des Arianismus, bedurfte eines anderen Lösungsweges.
Diesen Lösungsweg fand Gregor in der katholischen Langobardenkönigin Theodelinde. Er
pflegte diplomatische Kontakte zu ihr, nicht als Herrscher Roms, was er zumindest inoffiziell de facto war, sondern als katholischer Bischof. An Theodelinde, die sich im Verlauf
des Drei-Kapitel-Streits den aquileischen Schismatikern angeschlossen hatte, richtete er
sehr persönlich formulierte Briefe, in denen er ihr Vertrauen in die römisch-katholische
Kirche wieder wecken wollte. Seine Bemühungen bezüglich der Königin waren von Erfolg
gekrönt. Durch sie erreichte er beispielsweise eine gemäßigte Kirchenpolitik der Langobarden gegenüber den Katholiken, gekrönt wurde seine theologische Diplomatie jedoch,
vor allem durch die katholische Taufe des langobardischen Thronfolgers Adaloald, die
Theodelinde selbst gegen ihren arianischen Gemahl Agiulf durchsetzte.
3. Conclusio
Der Arianismus ist ein Symbol der unsicheren und schwachen Position der christlichen
Kirche in der Spätantike. Die theologischen Grundprinzipien waren noch nicht festgelegt
und vor allem die Abhängigkeit von den kaiserlichen Entscheidungen, deutet auf die fehlende Machtstellung der christlichen Kirche hin. Die Anfänge der reichskirchlichen Dogmatik seit dem Konzil von Konstantinopel, ließen auf eine einheitliche gefestigte Kirche
hoffen, die nicht bloß der „Spielball“ der weltlichen Politik verkörpere, doch erlitt das
trinitarische Reichskirche durch die Völkerwanderung einen Rückschlag.
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Seminar „Rom im Mittelalter“
Für Gregor den Großen war der Arianismus eine christliche Strömung, die mit der katholischen Kirche nicht vereinbar war. Sein Anliegen war daher, die Missionierung der langobardischen Eroberer, sowie die Vermeidung von Übergriffen auf die katholische Bevölkerung. Die Taufe des langobardischen Kronprinzen Adaloald war ein erster entscheidender
Schritt zur Bekehrung der Langobarden, mit deren Hinwendung zum Katholizismus im 7.
Jahrhundert der Arianismus endgültig unterging. Gregor erkannte die Aussichtslosigkeit
der Missionierung von außen, so dass er seinen theologischen Ansatz innerhalb der langobardischen Bevölkerung implementierte, durch seine diplomatischen Beziehungen zu Theodelinde.
4. Quellen- und Literaturverzeichnis
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Papsttum unter Gregor dem Großen
Maria-Elisabeth Brell
1. Einleitung
„ Man hat Gregor I. den <<letzen Römer>> und gleichzeitig den ersten <<mittelalterlichen
Papst>> genannt.36 Tatsächlich muss man seiner Persönlichkeit beide Bezeichnungen zulegen um seine historische Stellung zu kennzeichnen
Gregor der Große galt als erster Papst des Mittelalters. Er war der Gründer des mittelalterlichen Roms, der der Stadt den Platz zuwies, den sie in der westlichen Welt auf Jahrhunderte hinaus innehaben sollte. Aber er war auch der letzte Papst der christlichen Antike. Er
stand an der Wende zweier Zeiten. Seine Heimat war das alte Imperium Romanum. Aber
Gregor wies mit seinem Handeln auch die Bahnen für die werdende abendländische Welt
des Mittelalters und in die universale Geltung des Papsttums in dieser neuen Welt. Allein
diese Umbruchsumstände – der Umbruch von der Antike hin zum Mittelalter - in denen er
zum Papst gewählt wurde und der Umgang mit den daraus resultierenden Problemen, klassifizieren seine herausragende Stellung.
Im Verlauf des Essays soll deutlich gemacht werden, warum Gregor I. als „Musterpapst“37
des Mittelalters gilt, warum er das Attribut „der Große“ trägt und wie sein päpstliches
Selbstverständnis auf die nachfolgenden Jahrhunderte und bis heute gewirkt hat. Außer
Acht soll hier auch nicht die Wirkung auf die politische, soziale und ökonomische Situation Roms gelassen werden, die das Pontifikat von Gregor gehabt hat.
Zu Beginn des Essays sollen kurz die wesentlichen biographischen Züge bis zur Papstwahl
Gregors dargestellt werden. Darauf aufbauend wird die allgemeine Situation der Stadt Rom
geschildert sowie deren Folgen für das Pontifikat von Gregor I.
Als letzen und zentralen Punkt soll seine Wirkung, sein päpstliches Selbstverständnis und
sein historische Stellung skizziert werden.
36
Seppelt, Franz Xaver, Schwaiger, Georg: Geschichte der Päpste. >Von den Anfängen bis zur Gegenwart,
München 1964, S.58.
37
Fuhrmann, Horst: Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt und Gestalten, München 1980,
S. 93.
Seite 40
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
2. Hauptteil
2.1.
Kurzbiographie Gregor I.
Gregor wurde 540 in Rom als Urenkel des Papst Felix II. in eine Patrizierfamilie hinein
geboren. Nach einer Amtszeit als Stadtpräfekt von Rom entschied er sich um 575 für ein
Leben als Mönch. Von Pelagius wurde zum Diakon geweiht. Mehrere Jahre hatte er den
schwierigen, verantwortungsvollen Posten als päpstlicher Gesandter in Konstantinopel,
dem damaligen Mittelpunkt des politischen und kirchlichen Lebens, inne. Er sollte den
Kaiser in Byzanz zu militärischer und finanzieller Hilfe für das von Langobarden bedrohte
Rom bewegen. 586 wurde nach Rom zurückberufen, wo er 590 zum Nachfolger von
Pelagius gewählt wurde. Sein heiligmäßiger Lebenswandel, geprägt durch das Mönchtum
und seine hohen Erfahrungen in der Verwaltungspraxis, die er als Stadtpräfekt sammelte,
machten die 14 Jahre seines Pontifikats zu einem „Wendepunkt der Geschichte Roms und
Europas“.38
2.2.
Die Lage Roms
Doch bevor durch die Verdienste Gregors I. „Rom zum Zentrum der Mission des westlichen und mittleren Europas, zum geistlichen Führer der bekehrten germanischen Stämme
und auf diese Weise sowohl zur Hauptstadt der westlichen Christenheit als auch zu einem
immer einflussreichern Machtfaktor in der westlichen Politik des ganzen Mittelalters wurde“39, befand sich das ehemalige Imperium Romanum in einem desolaten Zustand. Es war
arm; seine Bevölkerung hatte sich stark dezimiert und in politischer Hinsicht war Rom nur
eine Stadt in einer Randprovinz des oströmischen Reiches, die von Ravenna aus von einem
byzantinischen Vizekönig regiert wurden. Als Gregor den Stuhl des Petri bestieg verwüsteten gerade die Langobarden das Umland von Rom. Sie besetzten und bedrohten die Länderein der Kirche und der byzantinischen Regierung. All diese Ereignisse waren nicht primär der Grund für den Verfall Roms, sie beschleunigten jegliche diesen Prozess, der die
Stadt seit Jahrhunderten aushöhlte. Das großartige Bild das im 5. Jahrhundert skizziert
wurde, hatte damals schon vor dem Hintergrund wachsender wirtschaftlicher Desorganisation, verblassender politischer Macht und des allmählichen materiellen Verfalls gestanden.
In dieser Zeit war die Kirche als die einzige wirkungsvolle Organisation erhalten geblieben, die den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhang von Rom gewähr38
Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1303, München 1987, .73.
ebd. S.75.
39
Seite 41
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
leisten konnte. Unter Gregor I. gelang die Kirche in die Rolle der politischen und sozialen
Bezugsinstanz für die römische Bevölkerung, sie entwickelte sich zu einem festen Verhandlungspartner mit Byzanz. Während seines Pontifikats wurde die Kirche zunehmend
zum einzig funktionierenden Ordnungsfaktor innerhalb der Stadt.
2.3.
Wirken Gregors des Großen
Wie kein anderer hat Gregor die Stadt Rom und seine Stellung im Westen geprägt.
Zwei Leitvorstellungen bestimmten sein Pontifikat: „zum einen sein Glaube an das Nahe
Weltende und - daraus folgend – seine Anstrengungen um die Gewinnung aller Seelen für
Gott, zum anderen sein Selbstverständnis der geringste unter den Dienern Gottes zu sein,
als der er sich Wahrung, Schutz und Verteidigung des christlichen Glaubens zum Ziel setzte“.40
Dem 1. Leitgedanken entsprach seine seelsorgerische Arbeit zur Erneuerung des sittlichen
religiösen Lebens, wobei er dem Mönchsleben Vorrang einräumt. Gregor I. galt als besonderer Förderer des Mönchtums. Aber gleichzeitig wurde das Mönchtum auch zum wichtigsten und mächtigsten Instrument von Gregors weitreichendstem Unternehmen: der römischen Missionierung der halbbarbarischen Stämme der Lombardei, Spaniens und Englands, die sich aber auch auf Deutschland ausdehnen sollte. Die Missionierung, einem bis
dato durch die Päpste vernachlässigtem Feld, ließ Rom zum Ziel der Pilger aus allen Teilen
Westeuropas und zur Heiligen Stadt der westlichen Christen werden.
Er galt als energischer Kirchenführer, er sah sich in der Aufgabe erfüllt, die strenge katholische Gläubigkeit zu verteidigen und zu verhüten, dass christianisierte Länder wieder dem
Heidentum oder ketzerischen Lehren verfielen.
Die 2. Leitvorstellung inspirierte das administrative Handeln und die praktischen Maßnahmen zur Verteidigung der römischen Kirche.
Die Reorganisation der kirchlichen Länderein in Süditalien und Sizilien legten den Grundstein für den Kirchenstaat. Durch diese Durchorganisation der kirchlichen Güterverwaltung
legte er den Grundstein zur wirtschaftlichen Macht der römischen Kirche. Er bahnte
dadurch aber auch die weltliche Herrschaft des Papsttums an, die das gesamte Mittelalter
prägen sollte.
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil seiner Amtszeit war die Armenfürsorge. Als Papst in
Rom war er gleichzeitig auch Ernährer der Stadt. Bei Hungersnöten teilt er Getreide und
40
Heinzelmann, Martin: Gregor I., in : Lexikon des Mittelalters, Bd.4, München 1989, S.1663.
Seite 42
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Saatgut an die Armen der Stadt aus, er verstand sein „Amt als selbstlose Nächstenliebe“41
es ist daher nicht von der Hand zu weisen, dass er das Bild des „wahren Christen und des
Seelenhirten“ 42prägte.
Nach seinem Tod waren die Getreidespeicher und die Kassen leer, was dazu führte, dass er
von seinen Zeitgenossen oft verkannt und abgeurteilt wurde. Aber auch die moderne Wissenschaft ist Gregor häufig nicht gerecht geworden. Der Papsthistoriker Johannes Haller
bezeichnet ihn gar als „unwissend und abergläubisch“.43 Er hat gerade das an ihm auszusetzen was ihn in den Augen des Mittelalters und teils seiner Zeitgenossen so anziehend
macht, nämlich das predigen in einfacher Sprache des alltäglichen Lebens, um so den
christlichen Massen nahe zu kommen.
Des Weiteren werden ihm große Verdienste um die Reform der römischen Liturgie und
des Kirchengesangs zu geschrieben. Das heutige römische Messbuch „ Missale Romanum“
geht zurück auf den „Sacramentarium Gregorianum“ aus dem Jahr 595.
3. Zusammenfassung
Die Frage, ob Gregor der Große seinen Beinamen zu Recht trägt oder nicht, soll hier nicht
erörtert werden. „ Sicher war er kein Theologe von der Qualität eines Ambrosius oder
Schriftsteller eines Hieronymus, er verstand sich als Reorganisator, als Seelsorger und Prediger“44 und prägt somit das päpstliche Selbstverständnis bis heute. Des Weiteren tritt in
Gregors Pontifikat eine Kompetenzerweiterung des Bischofsamtes in Erscheinung, die
fortan das Mittelalter hindurch wesentlich den Aufgabenbereich und das Selbstverständnis
mitbestimmte: das Hereinwachsen des Bischofs in zivile und sogar militärische Aufgaben
– bspw. die erfolgreichen Friedensverhandlungen mit den Langobarden –innerhalb seiner
Bischofsstadt. Seine Amtszeit brachte dem römischen Bischofssitz einen ungeheuren Zuwachs an Macht und Ansehen.
Seine Förderung der Mönche, der großen geistlichen Erzieher der abendländischen Völker,
der Beginn der zukunftsreichen Angelsachsenmission, die Reorganisation der Verwaltung,
die Reform der römischen Liturgie und des Kirchengesang, sein hohes karitatives Enga-
41
Fuhrmann, Horst: Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt und Gestalten, München 1980,
.S.98.
42
ebd.
43
ebd. S. 95.
44
Jenal, Gregor: Gregor I., der Große, in: Das Papsttum I. Von den Anfängen bis zu den Päpsten in Avingon,
hrsg. Greschat, Martin, Stuttgart 1985, 98.
Seite 43
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
gement ließen ihn zu einem der maßgeblichen Gestalter der kommenden mittelalterlichen
Welt werden.
Noch heute werden einige von Gregors Predigten im Brevier der katholischen Kirche gelesen. Er hat das päpstliche Selbstverständnis bis heute geprägt und das ist wohl auch ein
treffender Beweis dafür, dass er eine herausragende Stellung in der Papstgeschichte einnimmt und ihm das Attribut „der Große“ verleiht. Zweifelsohne hat er auf spätere Jahrhunderte intensiver gewirkt als auf seine Zeit.
4. Literaturverzeichnis
Borgolte, Michael: Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre
Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989
Denzler, Georg: Das Papsttum. Geschichte und Gegenwart, München 1997
Fuhrmann, Horst: Von Petrus zu Johannes Paul II. Das Papsttum: Gestalt und Gestalten,
München 1980
Ders: Die Päpste. Von Petrus zu Benedikt XVI, Berlin 2004
Heinzelmann, Martin: Gregor I., in : Lexikon des Mittelalters, Bd.4, München 1989
Jenal, Gregor: Gregor I., der Große, in: Das Papsttum I. Von den Anfängen bis zu den
Päpsten in Avingon, hrsg. Greschat, Martin, Stuttgart 1985
Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1303, München 1987, 1.Kapitel
Seppelt, Franz Xaver, Schwaiger, Georg: Geschichte der Päpste. >Von den Anfängen bis
zur Gegenwart, München 1964
Ullmann, Walter: Kurze Geschichte des Papsttum im Mittelalter, Berlin 1978
Zimmerman, Harald: das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte im Spiegel der
Historiographie, Stuttgart 1981
Seite 44
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Das Pilgerwesen Roms im Zeitalter Gregors des Großen
Sven Segger
1.
Einleitung
Gregor der Große, der erste Papst des Mittelalters, ist eine Persönlichkeit gewesen, die die
Stadt Rom in vielen Bereichen voran gebracht hat. Unter seinem Pontifikat wurden neben
der Neuorganisierung der Versorgung und der Reformation von Wohlfahrtswesen und öffentlicher Dienste auch die päpstliche Verwaltung gestrafft und in ihrer Effektivität gesteigert. Kurz: Die 14 Jahre seines Pontifikats wurden zu einem Wendepunkt in der Geschichte Roms.45
In diesem Zusammenhang ist es nicht verwunderlich, dass es auch jener Gregor gewesen
ist, der das Pilgerwesen in bzw. nach Rom stärkte und nach Kräften unterstützte, ohne jedoch – und dies sei schon einmal vorweg festgehalten – von seiner Linie und seinen Prinzipien des Neuaufbaus der Stadt abzuweichen. Dabei ging es Gregor dem Großen nicht zu
sehr um die Pilger selbst, doch sah er zunehmend einen wirtschaftlichen Vorteil in der Unterstützung des Pilgertums, der genutzt werden sollte.
Dass Gregor I. einen enormen Einfluss auf das Pilgerwesens in Rom hatte, lässt sich an
Hand der Entwicklung der folgenden Jahrhunderte erkennen. Um eine Vorstellung davon
zu erhalten, wie groß Gregors Einfluss auf das Pilgerwesen tatsächlich gewesen ist, muss
dieser in einem Gesamtzusammenhang seines Wirkens betrachtet werden und kann nicht
nur auf die Stadt Rom allein reduziert werden. Denn neben seinen Bemühungen um die
Versorgung der Pilger, steht auch sein Missionierungsdrang46 in enger Verbindung mit
dem zu behandelnden Sachverhalt.
Um diesen Umständen gerecht zu werden, wird im Folgenden versucht durch eine Betrachtung der Zeit vor, während und nach Gregors Pontifikat eine genaue Analyse seines Wirkens auf das Pilgerwesen zu erbringen, wobei auch seine Motive und eine kritische Beobachtung dargelegt werden.
45
46
Siehe auch Unterthemen „Rom: Von der Spätantike zu Gregor dem Großen“ und „Rom nach Gregor“.
Siehe auch Unterthema „Gregor der Große als Missionar”.
Seite 45
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
2.
Gregor und das Pilgerwesen im Frühmittelalter
2.1.
Die Zeit vor Gregor: Umbruch zwischen Spätantike und Frühmittelalter47
Gregor I. kann als Gründer des mittelalterlichen Roms angesehen werden, er prägte die
Stadt auch noch für Jahrhunderte nach seinem Pontifikat. Doch was war, bevor Gregor den
Stuhl Petri bestieg und Rom seinen Platz in der mittelalterlichen Welt zuwies? Um nachvollziehen zu können, in weit Gregors formende Hand für den Bereich des Pilgerwesens
Gültigkeit besaß, muss der Blick des Betrachters in die vorgregorianische Zeit schwenken.
Die Versorgung Roms war in einem erbärmlichen Zustand und der Bereich der öffentlichen Dienste lag fast komplett brach. Kriege, Naturkatastrophen und weitere negative Einflüsse ließen die Einwohner Roms flüchten, wenn sie nicht schon verstorben waren (die
Zahl der Bevölkerung nahm von ca. 800.000 im Jahre 400 n. Chr. auf ungefähr 30.000 ab).
Es lässt sich also feststellen, dass Rom immer mehr dem totalen Verfall entgegen ging.
Obwohl schon vor Gregors Amtszeit die Errichtung neuer Pilgerstätten vorangetrieben
wurde und Rom bei den Pilgern den Ruf einer Heiligen Stadt inne hatte, war es in dieser
Situation eine logische Konsequenz, dass die Versorgung des Pilgerwesens in der Stadt
kaum bis gar keine Beachtung fand. Dieser Aspekt hatte natürlich einen äußerst negativen
Einfluss auf die Wirtschaft der Stadt.
2.2.
Das Pilgerwesen unter dem Pontifikat Gregors
Das Pilgerwesen der Stadt Rom wurde während der Zeit Gregors I. einer kompletten Veränderung unterzogen. Gregor erkannte den Wirtschaftsfaktor, der im römischen Pilgertum
enthalten war und versuchte daher eine Reform dessen herbeizuführen. Dabei ist allerdings
anzumerken, dass Gregors Handeln in einer besonders günstigen Konstellation zueinander
stand und auch externe Faktoren besonders wohlwollend zu einer Erneuerung des Pilgerwesens beitrugen, ein Umstand, der die Wirkung seiner Maßnahmen enorm bekräftigte.
Bevor Gregor auch nur an eine Änderung des Pilgerwesens dachte, kümmerte er sich in
erst einmal um die grundlegenden Notstände in Rom. Er reformierte das Versorgungswesen der Stadt und sorgte dafür, dass die Bevölkerung mit dem Notwendigsten beliefert
werden konnte. Zu diesem Zweck reaktivierte er eine zentrale Wohlfahrtsorganisation im
päpstlichen Palast, die im fünften Jahrhundert eingerichtet worden war. Um eine UnterSiehe auch Unterthema „Die politische und wirtschaftliche Situation innerhalb Roms im Übergang von
Spätantike zum Frühmittelalter“.
47
Seite 46
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
stützung der Zentralstelle im Lateran zu gewährleisten, wird vermutet, dass er verschiedene Wohlfahrtsämter gründete, die näher an jedem einzelnen Bezirk der Stadt angesiedelt
wurden: die diaconiae. Belegt sind diese Institutionen allerdings erst seit 684, die Forschung vermutet aber die ersten Gründungen während des Pontifikats Gregors des Großen.
Diese Einrichtungen beschafften und vor allem verteilten die je nach Jahreszeit vorhandenen Nahrungsmittel in der Bevölkerung und entlasteten auf diese Weise die zentrale Wohlfahrtsbehörde. Später wurden diese Einrichtungen auch genutzt um die Pilgerströme, die
über die Stadt hereinbrachen, versorgen zu können.
Aber warum konnte Gregor überhaupt auf ein Pilgerwesen mit einem solchen Potenzial
zurückgreifen? Die Antwort auf diese Frage gibt die Vergangenheit der Stadt. Rom besitzt
zahlreiche Martyrergräber, unter denen sich zwei der wichtigsten ihrer Gattung hervorheben: die Grabstätten von Apostel Paulus und Sankt Petrus. In diesem Bezug besitzt Rom
auch noch das Image einer Heiligen Stadt, was Papst Gregor gerne im Sinne der Stadt zu
nutzen gedachte. Allerdings gab es mit dem Reliquienkult rechtliche Probleme, war es
doch nach römischem Recht verboten Knochenteile aus Gräbern mitzunehmen. Gregor
zeigte sich in diesem Punkt unnachgiebig, kam u. a. auch der Bitte der byzantinischen Kaiserin nicht nach den Kopf des Heiligen Petrus ihr zu schenken. Stattdessen musste sie sich
mit Feilspänen von den Ketten des heiligen Petrus zufrieden geben.
In Zusammenhang mit der Erneuerung des Pilgerwesens spielte ihm ein weiterer Aspekt
seines Gesamtwirkens in die Karten. Neben der Straffung und Wiederherstellung Roms,
sah es Gregor auch als päpstliche Pflicht an, die Missionierung (vor allem in der Lombardei, Spanien und England) weiter voran zu treiben. So wurde Rom „zum Zentrum der Mission des westlichen und mittleren Europa“48. Dabei gab Gregor der Stadt einen neuen „Lebenszweck“49, durch die Christianisierung wurde Rom zu der Heiligen Stadt des Westens.
In diesem Zusammenhang wurden die Gräber und Reliquien von Rom bei der immer stärker wachsenden Anzahl von Pilgern (ungemein gefördert durch die Bekehrung zur römischen Kirche) zu immer populäreren Zielen. Die Heerscharen von Pilgern mussten natürlich aufgenommen und betreut werden, hierbei half Gregors Verbesserung der allgemeinen
römischen Versorgung in besonderem Maße.
Natürlich war es teuer, die teils mittelosen Pilger aufzunehmen, doch der gesamte wirtschaftliche Nutzen für die Stadt übertraf diese Unkosten bei weitem. Neue Arbeitsplätze
wurden geschaffen und das Geld, was die zum Teil allerdings auch sehr reichen Pilger in
48
49
Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308, München 1987, S. 75
Ebd., S. 90.
Seite 47
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
die Stadt brachten, sorgten für einen beträchtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Durch
die wirtschaftliche Bedeutung des Pilgerwesens entstand einer der drei maßgeblichen Industriezweige der Stadt: der Fremdenverkehr. Auch ein weiterer wichtiger Industriezweig
wurde durch das angekurbelte Pilgerwesen positiv beeinflusst. Das Baugewerbe erlebte
ebenfalls einen Aufschwung, schließlich mussten die Pilgerstätten zugänglich bleiben. Auf
diese Weise wurde der römische Haushalt wieder ausgeglichen und sogar teilweise ein
Überschuss erwirtschaftet.
2.3.
Die Auswirkungen von Gregors Veränderungen im Pilgerwesen
in den nachfolgenden Jahrhunderten
Nach dem Pontifikat Gregors des Großen verbesserte sich die Lage Roms immer weiter
und mit ihr steigerte sich die Anzahl der Pilger ins Unermessliche. Die diaconiae wurden
weiter ausgebaut und auch professionell für die Versorgung der Pilger genutzt.
Rom entwickelte sich immer mehr zu einem zentralen Anziehungspunkt für Pilger und die
aufkeimenden positiven Entwicklungen in der Wirtschaft wurden weiter gesteigert.
Schließlich mussten den Besuchern Roms Möglichkeiten geschaffen werden, die Pilgerstätten in vernünftigem Maße besichtigen zu können. Dies wurde durch den Um- bzw.
Neubau von Kirchen gewährleistet. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch den Umstand, dass im Jahre 640 Jerusalem von Mohammedanern eingenommen wurde und Rom
so als einzige christlich-heilige Stadt für Pilger zugänglich blieb.
Das Pilgertum in Rom selbst entwickelte sich ebenfalls weiter. Es bildeten sich in der Stadt
Gruppen von Pilgern mit ähnlicher Herkunft, sogenannte scholae, die im Laufe der Zeit im
städtischen Leben Roms integriert wurden.
2.4.
Gregors Motive und Hintergründe: eine kritische Beobachtung
der Dinge
Gregor als jemanden darzustellen, dem nichts wichtiger war, als das Pilgerwesen zu erneuern, wäre vermessen und falsch. Es würde schlicht seiner historischen Rolle nicht entsprechen. Betrachtet man die Hintergründe seines Handels im Gesamten, so wird deutlich, in
wie fern Gregors Wirken berechnend und mit Hindergedanken zu werten ist.
Seite 48
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Gregor war eine praktisch orientierte und pragmatisch handelnde Persönlichkeit. Beispielsweise ebbte während seiner Amtszeit die Bauung neuer Pilgerstätten aus Gründen der
Kostenersparnis sogar ab. Erst ein Vierteljahrhundert später unter Papst Honorius lebte sie
wieder richtig auf. Ihm war es wichtig grundlegende Dinge herbeizuführen und er verfolgte dabei bestimmte Motive. Er übernahm mit der Versorgung der Bevölkerung die grundlegenden Pflichten der weltlichen Macht und brachte so die Kirche in eine gute Ausgangssituation gegenüber den weltlichen Verwaltern aus Byzanz. Schließlich war Rom rein
rechtlich gesehen eine byzantinische Stadt und Gregor offiziell Untergebener des Kaisers.
Dennoch pflegte er seine aufgebauten Beziehungen zu Byzanz, um ein gutes Verhältnis
aufrecht zu erhalten und seine Ideen verwirklichen zu können.
Des Weiteren konnte er durch die Einführung der Katholizismus in fremden Regionen und
der Etablierung Roms zu einer wichtigen Pilgerstätte die Stadt selbst als einen immer einflussreicheren Machtfaktor in der westlichen Politik in Szene setzen.
Es ist also zu erkennen, dass Gregor nicht nur an verschiedenen Ecken der Stadt Neuerungen einführte, sondern das hinter vielen Ideen Motive und Hintergedanken standen, die
Rom, aber auch das Papsttum an sich, weiter in den Mittelpunkt stellen sollten. Im Ergebnis war das Papsttum in Rom der religiöse Ausgangspunkt „der westlichen Christenheit
und wurde überall in Europa zum Richter und Herrscher des religiösen Denkens, der kirchlichen Lehre und Praxis.“50
Außerdem ist festzuhalten, dass auch Gregor Rom nicht komplett neu aufbauen musste,
sondern ein Grundgerüst der Stadt (sowohl bautechnisch als auch organisatorisch) trotz
aller Verwüstung bestand, auf dem er aufbauen konnte.
3.
Fazit
Gregor brachte das Pilgerwesen auf einen Weg, dessen volle Entfaltung bei weitem nicht
zu seiner Zeit erreicht worden war. Er beseitigte grundlegende Missstände, sah vor allem
den wirtschaftlichen Nutzen in einem ausgeprägten römischen Pilgerwesen. Dabei hatte er
auch den Vorteil, dass Rom schon vor seiner Zeit als Heilige Stadt angesehen wurde. Dennoch verstand er es, diese Vorzüge zu nutzen. Dass Gregor den Aufbau eines großen
christlichen Zentrums im Hinterkopf hatte, spricht für seinen Weitblick, hatte aber auch zur
Folge, dass unter seinem Pontifikat z. B. keine einzige neue Kirche gebaut wurde.
50
Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308, München 1987, S. 97.
Seite 49
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Abschließend lässt sich feststellen, dass Gregor das Pilgertum nach Kräften förderte, sich
dabei jedoch nicht nur auf diesen einen Aspekt versteifte, sondern mehrere Faktoren zusammenkamen, damit eine solche Belebung des Pilgerwesens gelingen konnte und dabei
nicht – wie vielleicht zu vermuten wäre – die Pilger selbst im Mittelpunkt sah, sondern das
Gesamtbild Roms verbessern wollte.
4.
Literaturverzeichnis
Arnaldi, G. und F. Marazzi: Art. „Rom“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 7, München
1995, Sp. 967-971.
Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308, München 1987.
Meyer, Andreas, Constanze Rendtel und Maria Wittmer-Butsch (Hrsg.): Päpste, Pilger,
Pönitentiarie. Festschrift für Ludwig Schmugge zum 65. Geburtstag, Tübingen
2004.
Richards, J.: Art. „Gregor I. der Große“, in: Lexikon des Mittealters, Bd. 4, München
1989, Sp. 1663-1664.
Schimmelpfennig, Bernhard: Das Papsttum. Grundzüge seiner Geschichte von der Antike
bis zur Renaissance, 3. Aufl., Darmstadt 1988.
Schmugge, Ludwig: Jerusalem, Rom und Santiago – Fernpilgerziele im Mittelalter, in:
Michael Matheus (Hrsg.): Pilger und Wallfahrtsstätten in Mittelalter und Neuzeit
(Mainzer Vorträge 4), Stuttgart 1999, S. 11-34.
Schmugge, Ludwig: Art. „Pilger“, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, München 1993, Sp.
2148-2150.
Seppelt, Franz Xaver: Geschichte der Päpste. Von den Anfängen bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. 2: Die Entfaltung der päpstlichen Machtstellung im frühen Mittelalter. Von Gregor dem Großen bis zur Mitte des elften Jahrhunderts, 2.
Aufl., München 1955.
Seite 50
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das Theologieverständnis Gregors des Großen
Michelle Kress
1. Einleitung
„Leo I. und Gregor I. um 600 überragten ihre Umgebung und bestimmten die weiteren
Geschicke von Papsttum und Kirche. Nur zwei römischen Bischöfen hat die Geschichte
den Beinamen „der Große“ gegeben, eben Leo I. und Gregor I. […].51
Dieses Zitat verdeutlicht die besondere Stellung, die Gregor innehatte. Doch woher kam
diese herausragende Stellung, die bereits die Zeitgenossen erfasst hatten? Was macht Gregor den Großen zum „Musterpapst“ des Mittelalters, wie hat er das weltliche und vor allem
das religiöse Leben geprägt? Vor allem letztere Frage werde ich im Folgenden genauer
untersuchen: Wie sah das Theologieverständnis unter Gregor dem Großen aus und unter
welchen Bedingungen ist es entstanden? Zu diesen Fragen gehört natürlich auch die Missionierungstätigkeit, wie in Punkt 2.3. „Gregor der Große als Missionar“ erläutert wird.
Um diese Fragen zu klären werde ich in einem ersten Teil die Zustände, sowohl weltlich
als auch kirchlich, erläutern, um im dritten Teil zur Entstehung des gregorianischen Theologieverständnisses und zu dessen Charakterisierung zu kommen. Dabei bewege ich mich
im Zeitrahmen vom 6. bis zum Beginn des 7. Jahrhunderts, folglich die Lebenszeit Gregors.
Als wesentliche Quellen diente mir dabei der Aufsatz „Rom-Schicksal einer Stadt 3121308“ von Richard Krautheimer, da hier die Herrschaftszeit Gregors des Großen anschaulich dargestellt wird.
Das Thema „Theologieverständnis Gregor des Großen“ ist deshalb von so enormer Bedeutung für das Thema „Rom der Päpste“, da Gregor damit den Grundstein für das religiöskirchliche Selbstverständnis der nächsten Jahrhunderte legte.
51
Fuhrmann, Horst: Die Päpste, Von Petrus zu Johannes Paul II.,CH Beck Verlag, München 1998, S. 84
² vgl. dazu „Rom-Byzanz“
Seite 51
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
2. Rahmenbedingungen – Entstehung – Ausprägung
2.1. Die weltliche Situation
Die Stellung Roms im 6. Jahrhundert war problematisch und durch Unruhen geprägt.
Nach dem Ende der Gotenkriege wurde Rom wieder der Herrschaft des byzantinischen
Kaisers gestellt.52 Dadurch verlor Rom durch die geographische Randlage im byzantinischen Reich enorm an Bedeutung.
Die folgende Landkarte zeigt das byzantinische Reich bis 867, und noch hier wird die
Randlage Roms im byzantinischen Reich deutlich.53
Weiterer Belastungsfaktor für die Stadt Rom war die Bedrohung von Außen durch die
Langobarden, die mit militärischen Mitteln die Stadt Rom zu erobern versuchten. Die Rom
bedrohenden Langobarden stellten für Papst Gregor I. nicht nur ein militärisches, sondern
auch ein theologisches Problem dar. Durch Eroberung römischer Gebiete durch die Barbaren bestand die Gefahr von Übertritten zum homöischen Bekenntnis.54
In genau dieser unsicheren Zeit wurde Gregor I. im Jahr 540 zum Papst ernannt. Man sieht
also ganz deutlich, mit welchen Problemen und Konflikten er konfrontiert wurde: Zum
einen hatte er mit den Ansprüchen von Byzanz zu kämpfen, das Italien seit 552 besetzt
hielt, zum anderen musste er den drohenden Einfall der Langobarden abwehren. All diese
Faktoren führten zu einem wachsenden Verfall der Infrastrukturen sowie zur Auflösung
53
Hermann Kinder, Werner Hilgemann, Manfred Herget: dtv-Atlas Weltgeschichte. Von den Anfängen bis
zur Gegenwart. September 2006, S.138
54
vgl. hierzu Punkt 2.1. „Arianismus“
Seite 52
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
der Führungsschicht, die überwiegend aus dem Senatorenadel der Stadt Rom bestand.
Kurzum: Die Stadt Rom war im Verfall begriffen.
Diese Probleme löste Gregor ansatzweise, indem er einen jährlich erneuerten Waffenstillstand mit den Langobarden herbeiführte und dem byzantinischen Kaiser ein relativ loyaler
Untergebener war.
2.2. Die kirchliche Situation
Die Organisationsschwäche der kaiserlichen Zentralmacht verschaffte der Kirche eine
enorme Erweiterung ihrer Kompetenzen. Sie gewann vor allem auf der sozial-politischen
Ebene enorm an Bedeutung
Über die grundsätzlichen Aufgaben einer religiösen Glaubensgemeinschaft hinaus übernahm die römische Kirche zunehmend die Funktion einer weltlichen Institution: Die Versorgung der Stadt war labil, große Teile der Bevölkerung verarmt, die Infrastruktur im
Verfall begriffen. Das soziale Gefüge der Stadt war zusammengebrochen und bedurfte
dringend einer Erneuerung. Somit bestand die Hauptaufgabe des Papstes und der Kirche in
der Sicherung Roms und der Versorgung der Bürger. Die Kirche war die einzige Institution, die das politische, gesellschaftliche, kulturelle und soziale Leben der Stadt aufrechterhalten konnte. Somit kann die Kirche auch als Ernährer der Stadt und der Bürger angesehen werden. Doch wie wurde das finanziert? Gregor ordnete die Verwaltung des päpstlichen Grundbesitzes (patrimonium petri) in Italien, Dalmatien und Nordafrika neu, indem
er den Besitz unter eigenen Beamten verteilte, die der Kirche Abgaben leisten mussten. So
errichtete er die Basis für den späteren Kirchestaat, und gleichzeitig waren durch die finanziellen Ströme die Versorgung der Bevölkerung, der Schutz vor den Langobarden und die
Sicherung Roms gewährleistet. Zur sozialen Unterstützung der Bürger ließ er Wohlfahrtszentren errichten (diaconiae). Diese waren keine Kirchen, dienten aber sowohl weltlichen
als auch kirchlichen Zwecken. Weitere bedeutende Veränderungen erfuhr die Stadt Rom
durch die Missionierungen und Bekennungen zur römischen Kirche und machten Rom und
das Papsttum seit dem 5. Jahrhundert und ganz besonders zur Herrschaftszeit Gregors des
Großen zum geistlichen Mittelpunkt Europas, wobei hierbei wohl auch das neue Theologieverständnis Gregors eine große Rolle gespielt hat, denn die Pilger wurden auch durch
die magisch behafteten Märtyrergräber und die dazugehörigen Legenden angezogen.
Seite 53
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
2.3. Das Theologieverständnis Gregors des Großen
Der gewonnene weltliche Einflussbereich der römischen Kirche wirkte sich im Allgemeinen auf die Kirche aus, da sie zur wichtigsten Institution in Rom aufgestiegen war und somit eine große Autorität besaß und gleichzeitig, durch ihre monopolisierende Stellung die
Bürger besser „kontrollieren“ konnte.
„Nach U. Del Moro hat Gregor in einer Epoche des Umbruchs die Kirche in erster Linie
als Prinzip der Einheit verstanden, die angesichts divergierender Strömungen immer wieder neu errungen werden musste, wobei dem Primat Roms eine besondere Bedeutung zukam.“55 Mit diesem Satz beschreibt Fiedrowicz sehr eindeutig das Anliegen Gregors. Es
wird deutlich, dass Gregor erkannt hat, dass die Kirche in dieser konfliktreichen Zeit nur
durch das Prinzip der Einheit und Geschlossenheit überleben und ihre Machtstellung halten
und ausbauen kann.
Grundsätzlich stand Gregor vor dem Problem, dass sich die christlichen Massen von der
Kirche entfernt hatten, und da sein Hauptanliegen als Oberhaupt der römischen Kirche
war, die Integration der Bürger in die Kirche zu fördern, musste Gregor neue Wege gehen,
damit sich die Massen der Bevölkerung wieder mit dem Glauben und den Lehren der Kirche identifizieren konnten. Deshalb galt es zum einen, die Menschen zum Katholizismus
zurückzuführen, und zum anderen zu verhindern, dass christianisierte Bürger wieder dem
Heidentum verfielen.
Die Tradition der klassischen Antike56, die von heidnischen Bildern und Inhalten geprägt
war, war in ihrer Sprache eher nur der Oberschicht einer gebildeten Klasse zugänglich und
deshalb für die Wiedergewinnung der Massen zum Katholizismus nicht unbedingt tauglich
war, schien aber die einzige Möglichkeit für Gregor dar zu stellen, vernünftiges Gedankengut, sowohl religiöser wie auch weltlicher Art, zu vermitteln. Doch was tun, wenn die
Tradition der klassischen Antike den Menschenmassen nichts mehr bedeutet, wenn sie
„aus ihrer Zeit hinausgewachsen“, sich nicht auf die veränderten Bedingungen des sozialen, politischen und religiösen Lebens der Bürger und des Staates einstellen konnte?
55
Fiedrowicz, Michael: Das Kirchenverständnis Gregors des Großen. Eine Untersuchung seiner exegetischen
und homiletischen Werke. Erschienen in: Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, 50. Supplementheft, Verlag Herder Freiburg, 1995, S. 16f
56
Gemeint ist hier die Entwicklung des Christentums von ca. 45 bis ca. in die Mitte des 4. Jahrhunderts in
der Antike. Geprägt war diese Zeit durch die Festigung des Christentums, die Kirche wird zu einer hierarchisch organisierten Anstalt. Des Weiteren die Entwicklung grundlegender Theologieverständnisse.
Seite 54
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Grundsätzlich gilt zu bemerken, dass der Glaube der Menschen zwar noch christlich war,
aber eben nicht mehr an das Theologieverständnis der frühen Kirchenväter57 gebunden
war.
An die Stelle der überlebten Traditionen der Antike trat eine neue Kultur, die geprägt war
von der Vermischung eines traditionsreichen Volksglaubens und neuen Formen der Frömmigkeit, von irrationalen und magischen Elementen, die jedoch die heidnischen Aspekte
nicht beinhaltete.
Wenn Gregor die Massen folglich erreichen wollte, musste er auf dieses neue religiöse
Verständnis eingehen, mit dem sich große Teile der Bevölkerung identifizieren konnten.
Deshalb galt es zuerst, die Predigten, die sich durch ihr hohes sprachliches und inhaltliches
Niveau hauptsächlich an die Gebildeten der oberen Schicht wandte, an das Niveau der Ungebildeten und Ungelehrten anzupassen und in den Predigten weniger auf intellektuelle
Leistungen einzugehen sondern vielmehr Probleme des alltäglichen Lebens aufzugreifen.
Da die neue religiöse Kultur der Massen auch einen Glauben an das Magische, an Wunder
und Geister beinhaltete, galt es, auch diesen Aspekt des Glaubens in das neue Theologieverständnis mit ein zu beziehen. Man kann also sagen, dass Gregor auf der einen Seite die
Irrlehren und die Überreste des Heidentums bekämpfte, gleichzeitig aber Wundervorstellungen und Magie ebenso mit einfließen ließ wie den Reliquienkult.
Ein wichtiger Verbündeter bei diesen Aufgaben war der Benediktinerorden, der Gregor bei
der Führung des Volkes unterstützte und vor allem eine wesentliche Rolle in der römischen
Missionierung spielte.58
Neben dem neuen Theologieverständnis, welches die ganze Organisation und Struktur der
Kirche tief greifend verändert hat, sind einige seiner Verdienste bis in unsere heutige Zeit
erhalten geblieben. So werden ihm große Verdienste um die Reform der römischen Liturgie nachgesagt, des Weiteren geht das heutige römische Messbuch auf das „Sacramentarium Gregorianum“ zurück, welches in seiner ursprünglichen Form von Gregor stammt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Gregors Ziele, ein neues Christentum zu entwickeln, das auf einen im Volksglauben und in magischen Vorstellungen verwurzelt war,
gelungen ist.
Oftmals ist auch die Rede von einem „Vulgärkatholizismus“, da er die Lehren Augustins
verflachte und wesentlich vereinfachte.
57
Es gibt bis zur Zeit Gregors 4 Kirchenväter, die die Vermittler der griechischen Theologie im Westen gewesen sind: Hieronymus (Bibelausgabe in lateinischer Sprache), Ambrosius („christliche Pflichtenlehre) und
Augustin.
58
Vgl. hierzu das nachfolgende Thema „Gregor der Große als Missionar“.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
3. Schlussbetrachtung
Durch die bedeutenden Erfolge auf geistlicher und weltlicher Ebene kann Gregor als Begründer der weltlichen Macht des Papsttums in Italien und dadurch auch als weltlicher
Herrscher der Stadt Rom betrachtet werden. Sowohl seine Innen- als auch Außenpolitische
Erfolge sind erwähnenswert, vor allem da er es schaffte die Infrastruktur zu festigen und
den Machtbereich der Kirche und des Papsttums auszuweiten, aber auch die Bedürfnisse
der Kirche nach Gläubigen Mitgliedern zu befriedigen. Dies ist ohne Zweifel im Wesentlichen auf sein Verständnis von Theologie zurückzuführen, welches so modifiziert wurde,
dass es die Massen ansprach und in ihren Bann zog.
Aber auch wenn seine sichtbaren Erfolge unbestreitbar sind, so finden sich doch Kritiker
Gregors. Das Urteil des protestantischen Papsthistorikers Johannes Haller greift direkt
Gregors vereinfachtes Glaubensverständnis an, denn er sagt, „das Gregors Schriften Erzeugnis und Denkmal einer Zeit des Verfalls sind. Er sei der erste Schriftsteller, bei dem
man von antiker Bildung keine Spur findet, er habe sie ausdrücklich abgelehnt. Und weiter: „Unwissend und abergläubisch, geistlos und geschmacklos, machen seine Schriften in
peinlicher Weise deutlich, auf welchen Tiefstand der Bildung Rom herabgesunken war.“59
Alles in allem kann man aber dennoch sagen, das Gregor der Große durch weltliche und
geistliche Veränderungen, worunter auch sein Theologieverständnis fällt, im wesentlichen
die Stadt Rom im Mittelalter geprägt hat und als einer der herausragenden Päpste des Mittelalters gesehen werden kann.
4. Literaturverzeichnis
G.Arnaldi / F.Marazzi: Rom- Vom 4. bis zum 10.Jahrhundert; in: Lexikon des Mittelalters
VII, Planudes bis Stadt(Rus´), Lexma Verlag, München 1995, S.967-971.
Fiedrowicz, Michael: Das Kirchenverständnis Gregors des Großen. Eine Untersuchung
seiner exegetischen und homiletischen Werke. Erschienen in: Römische Quartalsschrift für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, 50. Supplementheft, Verlag Herder Freiburg, 1995.
59
Fuhrmann, Horst: Die Päpste, Von Petrus zu Johannes Paul II.,CH Beck Verlag, München 1998, S. 93
Seite 56
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Fuhrmann, Horst: Die Päpste, Von Petrus zu Johannes Paul II.,CH Beck Verlag, München
1998, S. 25-51.
Fuhrmann, Horst: Die Päpste, Von Petrus zu Johannes Paul II.,CH Beck Verlag, München
1998, S. 79-108.
Gerwing, Manfred: Theologie im Mittealter. Personen und Stationen theologischspiritueller Suchbewegungen im mittelalterlichen Deutschland. Verlag Ferdinand
Schöningh, Paderborn 2000.
Hermann Kinder, Werner Hilgemann, Manfred Herget: dtv-Atlas Weltgeschichte. Von den
Anfängen bis zur Gegenwart. September 2006.
Krautheimer, Richard: Rom- Schicksal einer Stadt 312-1308, München 1987, S. 73- 102.
M.Sanfilippo: Rom- Vom 11. bis zum 15.Jahrhundert; in: Lexikon des Mittelalters VII,
Planudes bis Stadt(Rus´), Lexma Verlag, München 1995, S.972-978.
Speigl, Jakob: Die Pastoralregel Gregors des Großen. In: Römische Quartalsschrift für
christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte, 88. Band, Verlag Herder
Freiburg, 1993, S.59-77.
Tönnesmann, Andreas: kleine Kunstgeschichte Roms. München 2002, S. 16-61.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Topographie Roms nach Gregor I.
Claudia Schreiber
1. Einleitung
Veränderte sich die Rolle der Stadt Rom unter Gregor I. äußerst positiv, so tat es das
Stadtbild Roms wohl eher kaum. Während seines Pontifikats wurde Rom zwar zur „Heiligen Stadt der westlichen Christenheit“, jedoch verfiel sie architektonisch gesehen mehr
und mehr. Grund allein war nicht das mangelnde Bestreben Gregor I. das Stadtbild zu restaurieren, sondern unter anderem auch Überschwemmungen durch den Tiber.
Die Auswirkungen des Pontifikats Gregors des Großen sind doch deutlich abzugrenzen
von den Machenschaften seiner Nachfolger. Unter ihm wurde nicht eine Kirche erbaut.
Zwar sorgte er für den Umbau einiger alter Getreidespeicher, doch war das weder mit Kostenaufwand noch großer Planung verbunden. Vielmehr sah Gregor I. vor Rom, seine Bevölkerung und vor allem die Besitzungen der Kirche vor den einzudringen drohenden
Langobarden zu sichern. Außerdem setzte er sich zum Ziel die noch heidnischen Gebiete
im Nordwesten zu christianisieren, was ihm gelang und wodurch ein erheblicher Pilgerzustrom in Rom erfolgte. All das ließ Gregor I. keine Zeit zur großartigen Erneuerung des
Stadtbildes.
Die Situation änderte sich vor allem unter Hadrian I., der die äußere Erneuerung Roms
erzielte. Seine Absicht war es die landwirtschaftliche Produktion zu reorganisieren, das
Wohlfahrtssystem wiederherzustellen, die Bevölkerung und die Pilger zu versorgen, die
Aquädukte instand zu setzen und die Verteidigungsanlagen der Stadt wieder aufzubauen.
Hadrian I. bestrebte damit im Allgemeinen die Stadt sicher und bewohnbar zu machen.
Aber vor allem wollte er die Pracht der heiligen Stätten wiederherstellen und die Verehrung der Märtyrer wieder beleben.
Ziel meines Essays ist es den Zustand der Stadt Rom besonders bishin und zu Beginn der
Karolingerzeit darzustellen. Ich beziehe mich dabei auf eine Auswahl von Kriterien, die
das frühmittelalterliche Rom am deutlichsten charakterisieren. Es gilt herauszufinden wo
die große Masse der römischen Bevölkerung wohnte und aus welchem Grund die Menschen dort lebten. Welche religiösen Zentren es im Rom des Frühmittelalters gab und vor
Seite 58
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
allem wie deren Rolle bestimmt war. Ebenso die Beiträge der Päpste für Wohlfahrt und
Gotteshäuser sollen im Essay aufgeführt werden.
2.
Topographie Roms nach Gregor I.
2.1. Siedlungskerne in einer einsamen Stadt
Bereits zu Zeiten Gregors I., aber auch schon lange vor ihm, zeichnete sich das Bild Roms
durch den Kontrast des abitato60 und des disabitato61 aus.
Während letzteres eher
kaum
bevölkert
war
und hauptsächlich aus
Feldern, Gärten und
Trümmern
bestand,
zeichnete sich der abitato, wie man auf diesem Bild anhand der
gepunkteten
Fläche
erkennen kann, durch
eine
äußerst
Besiedlung
dichte
aus,
die
sich vor allem um den Tiber sammelte. Logisch, bedeutet doch der Begriff ins Deutsche
übersetzt „Siedlung“. Um diesen kleinen, gut bevölkerten Kern herum befand sich der mit
geringen Ansiedlungen bestückte, aber durchaus ausgedehnte disabitato. Dieser Gegensatz
veränderte sich kaum. Die obere Abbildung aus Krautheimer’s „St. Peter’s and Medieval
Rome“ zeigt Roms Bevölkerungsdichte um 1100. Es lässt sich also schlussfolgern, dass
sich die Ungleichheit dieser beiden Gebiete lediglich im Laufe der Zeit intensivierte. Dieses Gegenteil bestand bishin zum 19. Jahrhundert.
Die sieben Hügel, auf denen Rom erbaut wurde, spielten im Mittelalter wohntechnisch
keine große Rolle mehr. Lediglich der Caelius, der Esquilin und der Aventin waren durch
eine geringe, jedoch dichte & autonome Besiedlung gekennzeichnet. Nun wurden die Täler
60
61
Vgl. Krautheimer, Richard (2004), S.81.
Vgl. Krautheimer, Richard (2004), S.81.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
mehr und mehr zu bewohnten Gegenden. Vorallem das Gebiet um das Tiberknie bildete
einen Siedlungskern. So stellte der Tiber zum einen eine Bedrohung durch Überflutung
dar, zum anderen eine Grundlage des städtischen Wachstums im Mittelalter.
Dagegen bildete beispielsweise das Kapitol, das in der Antike noch als das Herz von Rom
galt, den östlichen, äußeren Rand des abitato. Das Kapitol wurde nun allein als Orientierungspunkt genutzt. Wie man auf dem oberen Bild erkennen kann, spielte der sogenannte
Schaubezirk sogar um 1100 noch keine große Rolle. Bildete das Gebiet östlich des Tiberknies bishin zum Kollosseum, das Kapitol und den Palatin umschließend, in der Antike
noch die Urzelle Roms, verschob sich diese Lage nun weiter nach Westen.
Ebenso wurde der Lateran im Frühmittelalter immer mehr von der Stadt isoliert. Die Basilika lag am äußersten Rand des disabitato an der Aurelianischen Mauer und war somit vom
städtischen Geschehen deutlich abgegrenzt. Zwar entstanden auch Siedlungen um den Lateran herum, doch waren diese eher geringfügig. Indessen bildete sich zunehmend um die
Peterskirche am Nordwesten der Stadt ein neues Viertel. Vom 5. bis 9. Jahrhundert entstand hier eine relativ große Siedlung. Dieses Gebiet umfasste unter anderem verschiedene
Pilgerherbergen, sechs Klöster, ein Armenhaus und ein paar Wohnhäuser für Kleriker und
Laien, die an das Atrium der Basilika angebaut waren. Zudem befanden sich hier einzelne
kleine Kirchen. Dabei trug besonders die Zeit der Karolinger zur Gestaltung um die Basilika entscheidend bei. Das Gebiet war bekannt als Borgo und dehnte sich um 800 stark aus.
Während Rom zu Beginn des Pontifikat Gregors des Großen durch die etwa 30.000 Einwohner einer heutigen Kleinstadt glich, wuchs die Bevölkerung mit der Zeit nur geringfügig an. So kam eine hohe Zahl von Flüchtlingen aus den langobardischen Gebieten nach
Rom. Eine weitere, durchaus bedeutende Ursache war der Aufstieg des Kirchenstaates.
Rom wurde zum Wallfahrtszentrum des Christentums.
Mehr und mehr vervielfachte sich der Pilgerstrom nach Rom. Dabei gab es Pilger, die vorsahen für längere Zeit in Rom zu bleiben, wenn nicht sogar bis zum Ende ihres Lebens. So
entstanden die Pilgerzentren, die so genannten scholae62. Die zunehmende Beliebtheit das
Heimatland hinter sich zu lassen und in der Heiligen Stadt bis zum Tod zu leben führte
unweigerlich zu der Entwicklung von bestimmten Gebieten, in denen sich Pilger gleicher
62
Vgl. Birch, Debra J. (1998), S.131.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Nationalität zusammenfanden. Dabei entwickelten sich vier große scholae in Borgo. Sachsen, Friesen, Franken und Langobarden bildeten die einzelnen Pilgerzentren, die durchaus
weit ausgedehnt waren.
Doch auch Reiche mit ihrem Gefolge sowie arme Pilger schlossen sich ihrer Herkunft nach
diesen Nationalitätsgruppen an, wodurch die Weite dieser Ausländerviertel zu erkennen ist.
Diese scholae waren bereits Ende des 8. Jahrhunderts gut ausgebaut. Während die schola
der Sachsen vermutlich schon um 726 in Sassia entstand, wurde die schola Langobardorum wohl um 770 im Norden der Basilika des Apostels gegründet. Letztere besaß sogar St.
Justin als eine eigene Kirche. Das gebiet der Franken befand sich südlich des Atriums und
das der Friesen auf dem Grundstück von S. Michele in Borgo. Mit der Zeit lösten sich diese eigenständigen Viertel auf und gingen in das Stadtbild Roms über.
Trotz des leichten Anstiegs der Bevölkerung blieb Rom also eine eher verlassene Stadt.
Die nicht besiedelten Stadtteile waren von Ruinen und verlassenen Häusern geprägt. Lediglich kleinere Besiedlungen wie in Borgo oder etwas ausgedehntere um das Tiberknie
herum bildeten die Siedlungskerne Roms. Zum Großteil war die Stadt unbesiedelt und von
Brachland gekennzeichnet.
2.2. Bipolare Struktur der Papstresidenzen
Bereits etwa zehn Jahre nachdem Konstantin die Kathedrale Roms am äußersten Südwesten der Stadt am Lateran errichten ließ, sorgte er zwischen 322 und 333 für die Errichtung
der Peterskirche auf dem Vatikanhügel genau auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt.
St. Peter besaß nicht wie üblich einen eigenen Klerus, sondern wurde vom Lateran verwaltet. Die Peterskirche diente in den ersten 150 Jahren dem Papst an heiligen Tagen. Auf
dem Vatikanhügel befand sich somit ursprünglich nicht der Sitz des Papstes.
Aber, obwohl der Lateranpalast bis 1308 die eigentliche Papstresidenz darstellte, zeichnete
sich bereits im Frühmittelalter eine gewisse Rivalität und vorherrschende Stellung der Peterskirche ab. Allein schon aus dem Grund, dass sich um die Peterskirche verstärkter Ansiedlungen vollzogen, führte zur Abgrenzung des Laterans vollzogen. Sogar die ausländischen Fremden aus verschiedenen christlichen Teilen der Welt siedelten sich ausschließlich in der Nähe St. Peters an. Logisch, dass sich diese nahe dem Apostelgrab ansiedelten,
hatten sie doch beschlossen aufgrund des Heil auf ewig in Rom zu bleiben.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Zwar gerade noch innerhalb der Aurelianischen Stadtmauer, jedoch deutlich außerhalb des
städtischen Geschehens befand sich der eigentliche Papstsitz. Es stand sich die römische
Bischofskirche auf der einen Seite dem Hüter der Reliquien des heiligen Petrus auf der
anderen Seite gegenüber. Selbst die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung schrieb St.
Peter schon lange einen höheren Stellenwert als dem Lateran zu. Die Rolle ein Heiligtum
zu bewahren stellte somit durchaus den Vorteil St. Peters dar.
Konstantin’s St. Peter war eine geniale Variante eines heiligen, überdachten Friedhofs. Der
Schrein des Märtyrers Petrus, dem Gründer der Kirche des Christus, war hier nicht nur
erblickbar und greifbar, sondern garantierte das ewige Heil. Einhergehend mit dem Bewusstwerden der Rolle des Papsttums als Zentrum der westlichen Christenheit, stieg das
Grab eben dieses Apostels zu enormer Berühmtheit auf. Es war St. Peter, die die römische
Gemeinde an Feiertagen in Massen aufsuchte. Der Lateranpalast hat nie eine solche religiöse Leidenschaft erwecken können, denn im Vergleich zur Peterskirche konnte sich der
Lateran nicht durch solch ein Heiligtum und solch eine Kultstätte brüsten. Der Fokus
zentrierte sich mehr und mehr auf den Vatikanhügel, wodurch der weit entfernte Lateran
vernachlässigt wurde und langsam aber sicher an Bedeutung verlor.
Die mehr und mehr umsiedelte Peterskirche hatte einfach den Vorteil die Grabstätte des
bedeutendsten Apostels inne zu haben. Zudem war der Papst noch der Nachfolger eben
dieses Apostels. Außerdem strömten die Pilger in immer größeren Massen zu St. Peter, um
den Reliquien des heiligen Petrus so nahe wie möglich zu kommen. Überdies erfolgte die
Christianisierung mehrerer Völker im Namen eben dieses Heiligen. Auch politisch symbolisch gesehen hatte die Peterskirche den Vorzug die Kaiser zu krönen.
Besonders zur Zeit der Karolinger erfolgte der Gipfel in der Bebauung der Basilika auf
dem Vatikanhügel an sich und ihrer Umgebung. Es entstanden neben Empfangsräumen für
den Papst ebenso Räume, in denen sich dieser zum Beispiel nach der Messe ausruhen
konnte. Der Weg zum Lateran war lang, daher baute man diese Räumlichkeiten. Zudem
wurden Räume für Staats- und Ehrengäste eingerichtet. So wurde beispielsweise ein Palast
für Karl den Großen errrichtet. Das zeigt doch schon stark die Rolle der Basilika des heiligen Petrus. Die bipolare Struktur der Papstresidenzen hatte somit durchaus keine gleichzusetzende Bedeutung, sondern trug eine deutliche Gewichtung in sich. Topographisch gesehen hatte der Petersdom den strategischen Vorteil jenseits des Tiber zu liegen. Die andauSeite 62
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
ernden Machtkämpfe innerhalb der Stadt veranlassten die Päpste oft ihre Residenz am Lateran zu verlassen und Zuflucht bei St. Peter zu finden. So entstanden im laufe der Zeit
notwendigerweise Unterkünfte für die Nachfolger Petri. Doch wie es sich in der Zukunft
zeigte, sollten diese Räumlichkeiten nicht ausschließlich zur Obdach dienen.
2.3.
Der Papst als Initiator: Kirchenanwesen und Wohlfahrtszentren
Besonders unter Hadrian I. (772-797)63, doch bereits schon unter seinen Vorgängern, wurden etliche Kirchenanwesen gebaut. Er gründete insgesamt sechs, die er nahe der großen
Überlandstraßen bauen ließ, um den Kontakt zur Stadt zu halten. Neben Calvisianum und
St. Edistius beispielsweise zählt das Kirchengehöft Capracorum im Norden von Rom wohl
als das berühmteste, das neben Höfen und verschiedenen Gebäuden auch durch Weingärten und Wassermühlen charakterisiert wurde. Der Ertrag wurde im Lateran gespeichert und
dort an Arme verteilt. Hadrian I. stiftete das Capracorum dem heiligen Petrus. All diese der
Wohlfahrt dienenden Anwesen wurden als domus cultae64 bezeichnet, waren also eine im
Namen Gottes geführte Wohltätigkeit. Ansiedlungen um das apostolische Ackerland wurden schnell zu festen kleinen Orten.
Des Weiteren wurde auch einfach versucht Kirchen in einem guten Zustand zu halten. Gerade zu Beginn des 8. Jahrhunderts kamen Erneuerungen oft vor. So wurden unter Hadrians Vorgänger Paul I. das Atrium und der Triumphbogen neu dekoriert, wobei Hadrian zu
seiner Amtszeit selbst Wandgemälde hinzufügte. Obwohl Hadrian I. nicht „alle Kirchen
innerhalb und außerhalb der Mauern Roms wiederherstellte und verschönerte“65, so sein
Biograph, so versuchte er doch so viele wie möglich zu restaurieren.
Als sich die Zahl der anreisenden Pilger in Rom mehr und mehr vervielfältigte, so stieg
auch die Bereitstellung von Wohlfahrtsstellen. Das Pilgertum benötigte nicht nur Schlafplätze, sondern auch öffentliche Toiletten sowie Waschgelegenheiten. So erfolgte der Pflegedienst für Pilger ebenso wie für Arme durch die diaconiae66. Diese waren wohltätige
Einrichtungen, die von der Kirche gestiftet wurden. Ebenso verwaltete auch diese die Ausgabe von Almosen für die Armen. Die ersten Diakonien in Rom soll es 684/5 gegeben haben. Sie wurden zwar von Mönchen geführt, waren jedoch nicht gleichzusetzen mit Klöstern im eigentlichen Sinne. Unter Hadrian I. wurden beispielsweise drei diaconiae wieder63
Vgl. Gregorovius, Ferdinand (1978), S. 395.
Vgl. Krautheimer, Richard (2004), S.127.
65
Vgl. Krautheimer, Richard: S.128.
66
Vgl. Davis, Raymond: S.238.
64
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
hergestellt. Diese drei, S. Maria in Adriano, S. Maria in Caput Portici und S. Silvestro,
befanden sich nahe St. Peter und wurden von Hadrian I. mit etlichen Geschenken bestückt.
3. Zusammenfassung
Das frühmittelalterliche Rom war vor allem gekennzeichnet durch seine wachsende Rolle
als Zentrum der Christenheit. Nicht nur die Einwohnerzahl stieg als sich der Pilgerstrom
immer mehr intensivierte, sondern ebenso der Lebensraum, den die Pilger einzunehmen
begannen. Regelrechte Pilgerzentren entstanden, in denen gleiche Nationalitäten zueinander fanden. Die Stadt passte sich dem Pilgerwesen an und errichtete neben Wohlfahrtszentren für ärmere Pilger auch Unterkünfte. Somit konnte Rom zwar nicht von sich behaupten
reich bevölkert zu sein, jedoch mehr und mehr das Christentum in sich zu versammeln.
Ein weiteres Merkmal, das Rom schon hunderte Jahre zuvor besaß, war, dass der Papst
zwei Residenzen hatte. Nicht allein aus diesem Grund, sondern ebenso da diese Papstsitze
am jeweils genau gegenüberliegenden Stadtteil sich befanden, kann man von einer bipolaren Struktur sprechen. Diese war jedoch keines Wegs ausgeglichen. Anstattdessen kam der
einen eine deutliche größere Rolle zu. Die Peterskirche wurde zwar vom Lateran verwaltet
und hatte selbst keinen eigenen Klerus zu dieser Zeit, hatte jedoch mehr Ansehen als der
gegenpolige Lateranpalast. Hauptsächlich sorgte das Grab des heiligen Petrus dafür, dass
sich das Papsttum zunehmend auf die eben diese heilige Ruhestätte bewahrende Basilika
konzentrierte.
Alles in allem ist festzuhalten, dass das Rom nach Gregor dem Großen, wenn auch nur zäh,
zunehmend an Bevölkerung wuchs. Auch etliche Neuerungen und Ausbauten erfolgten.
Vor allem die Päpste waren nun nicht mehr allein Petrusnachfolger, sondern erfüllten die
Aufgabe das Stadtbild Roms zu erneuern und zu dekorieren. Sie waren die Initiatoren und
gaben Anstöße zur Errichtung oder eben Erneuerung von Bauten, die die Stadt und seine
Bevölkerung benötigte.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
4. Bibliographie
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Birch, Debra J.: Pilgrimage to Rome in the Middle Ages. Continuity and Change, Bd.13, in: Studies in the History of Medieval Religion, hg. v. Christopher Harper-Bill, Woodbridge
1998, S. 123-149.
Borgolte, Michael: Petrusnachfolge und Kaiserimitation. Die Grablegen der Päpste, ihre Genese
und Traditionsbildung, Göttingen 1989.
Bullmann, Damasus: Kirchen, Bauten und Plätze in Rom und Umgebung, Thaur/Tirol 1983.
Davis, Raymond: The Lives of the Eight-Century Popes (Liber Pontificalis). The Ancient Biographies of Nine Popes from AD 715 to AD 817, Bd.13, in: Translated Texts for Historians, hg. v. Gillian Clark, Margaret Gibson, Christa Mee, Trowbridge 1992.
Fischer, Heinz-Joachim: Rom. Zweieinhalb Jahrtausende Geschichte, Kunst und Kultur der Ewigen
Stadt, Köln 1996.
Gregorovius, Ferdinand: Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter, Bd. I,2, hg. v. Waldemar
Kampf, München 1978, S.
Krautheimer, Richard: Rom. Schicksal einer Stadt 312-1308, München 1987.
Krautheimer, Richard: St. Peter’s and Medieval Rome, Rom 1985.
Smith, Julia M.H. (Hg.): Early Medieval Rome and the Christian West. Essays in Honour of Donald A. Bullough, Leiden, Boston, Köln 2000.
Steinke, Katharina B.: Die Mittelalterlichen Vatikanpaläste und ihre Kapellen. Baugeschichtliche
Untersuchung anhand der schriftlichen Quellen, Bibliotheka Apostolica Vaticana 1984.
Seite 65
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Die Pippinische Schenkung und
die Entstehung des Kirchenstaates
Franziska Peters
1. Einleitung
„(...) es sei besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht habe, statt den, der ohne
königliche Macht blieb.“67
Mit dieser Machtbestätigung Pippin des Jüngeren, von Seiten Papst Zacharias, kam es zum
Machtwechsel der Merowinger zu den Karolingern. Der Machtzuwachs der Karolinger
stärkte zugleich den Machtzuwachs der Päpste. Vor allem die Pippinische Schenkung verhalf dem damaligen Papst zu einem enormen Einflussgebiet. Dieses symbolische Gebilde
verschaffte dem Papst die Stellung eines selbstständigen Souveräns. Zunächst leitete der
Bund zwischen Papsttum und Frankenreich in den 750er Jahren eine neue Phase der Herausbildung des Kirchenstaates ein, welche durch die Pippinische Schenkung verstärkt und
später unter Karl dem Großen vollendet wurde. Ferner hat dieses Bündnis zwischen Franken und Päpsten die historische Entwicklung Europas über Jahrhunderte hinweg geprägt.
Die Frage ist nun wie sich die Herausbildung der fränkischen Herrschaft und die Pippinische Schenkung auf die Entstehung und Etablierung des Kirchenstaates auswirkte. Dabei
werde ich zunächst die Ausgangssituation erläutern und danach auf den Versprechenseid
Pippins, der so genannten Promissio Pippins, eingehen. Am Ende werde ich noch darstellen wie dies zur Entstehung des Kirchenstaates verholfen hat.
2. Die Pippinische Schenkung
Die Pippinische Schenkung war eines der wichtigsten Ereignisse für das Papsttum im achten Jahrhundert. Es leitete die Entstehung des Patrimonium Petri ein und somit die Blütezeit des Papsttums.
2.1 Ausgangssituation
Zunächst betrachten wir die Situation in Europa des 8. Jahrhunderts. Die Merowinger sind
zu dieser Zeit an der Macht, welche aber nur noch theoretisch existent ist. Pippin der Jün-
67
Schneider, Reinhard: Das Frankenreich; in: Oldenbourg. Grundriss der Geschichte hg. v. Bleicken/Jochen
Gall/Lothar und Jakobs/Hermann, Band 5, München 2001, S.23.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
gere, Hausmeier des letzten Merowingerkönigs Childerich III., hatte die faktische Macht
im Frankenreich und wollte nun auch die Krone dazu. Allerdings sollte dies nicht ohne
Zustimmung der Adligen im Lande und vor allem des Papstes geschehen. Da die Loyalität
der Adligen schon länger geben waren, lies er nun den Abt Fulrad von Saint-Denis zusammen mit dem Würzburger Bischof Burchard68 zum Papst Zacharias schicken, um ihn
zu fragen: „ (...)wegen der Könige in Francien, die damals keine Macht als Könige hatten,
ob das gut sei oder nicht.“69 Woraufhin der Papst antwortete: „(...) es sei besser, den als
König zu bezeichnen, der die Macht habe, statt den, der ohne königliche Macht blieb.“70
Mit diesen Worten wurde Childerich faktisch abgesetzt und Pippin zum König ernannt,
aber rechtliche geschah dies erst 751 in Soisson. Dort soll er als erster fränkischer König
die Königssalbung erhalten haben, dies ist allerdings nicht eindeutig nachweisbar.71 Somit
wurde der Hausmeier Pippin der erste karolingische König. Auch wurde durch diese Tat
die Ein- oder Absetzung von Königen durch den Papst unterstützt.
Durch die Salbung zum König fand sich Pippin immer in einer Art Verpflichtung gegenüber dem Papsttum. Das Papsttum befand sich schließlich in einer prekären Lage. Der
Papst hatte sich durch einen theologischen Streit von Konstantinopel gelöst und war jetzt
den Angriffen der Langobarden schutzlos ausgeliefert. Zwar hatten sie durch diese Loslösung mehr Selbstbestimmung und Autorität in den eigenen Gebieten, andererseits rückten
die Langobarden immer weiter vor. Seit 568 führen die Langobarden Eroberungsfeldzüge
in Italien durch und haben fast ganz Oberitalien und große Teile Mittelitaliens erobert.
Papst Gregor III. bat schon 739/40 den fränkischen König Karl Martell um Hilfe, welcher
aber die Hilfe verweigerte. Nun schafft es der Langobardenführer Aistulf im Jahre 751
Ravenna und das gesamte Exarchat, das Zentrum des kaiserlich gebliebenen Italiens, zu
erobern. Der Papst Stephan II. sah keine andere Möglichkeit, als Pippin um Hilfe zu bitten.72
Pippin ging auf diesen Hilferuf ein und entsandte Truppen, die den Papst beschützen sollten. Ob Pippin dies aus reiner Nächstenliebe tat ist fragwürdig. Sicherlich hatte er mit diesem Feldzug auch Hoffnung auf Machtgewinn in Italien und wollte somit die Verbundenheit zum Papst festigen. Der Papst zog schließlich auf Einladung des Königs ins Franken-
68
Erkens, Franz-Rainer: Das Königtum Pippin des Jüngeren; in: Die Zeit- Welt- und Kulturgeschichte, Epochen, Fakten, Hintergründe in 20 Bänden, Band 6 Aufstieg des Islam, Hamburg 2006, S.377.
69
Schneider, Reinhard: Das Frankenreich; in: Oldenbourg. Grundriss der Geschichte hg. v. Bleicken/Jochen
Gall/Lothar und Jakobs/Hermann, Band 5, München 2001, S.23.
70
Ebd., S.23.
71
Schieffer, Rudolf: Die Karolinger, Band 441, 4.überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart, Berlin,
Köln, 2006, S.60.
72
Ebd., S.60-61.
Seite 67
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
reich und wurde dort in Ponthion empfangen. Noch nie hatte ein Pontifex solch eine Reise
angetreten. Dort angekommen schloss 754 in Quierzy mit Pippin einen Freundschaftsbund.
Dieser Freundschaftsbund wurde auch im Namen von Karl und Karlmann, Pippins Söhnen,
geschlossen, so dass sich die zwei Brüder dem Papsttum gegenüber immer verpflichtet
sahen. Pippin lieferte dem Papst gegenüber einen einseitigen Versprechenseid, der die
Schutzpflicht des Frankenreiches gegenüber der römischen Kirche beinhaltete. Jedoch lassen sich in einigen Quellen und Literaturen widersprüchliche Angaben zu dem Ablauf des
Freundschaftsbundes finden. Auch ist nicht eindeutig geklärt, ob es wirklich ein Schutzversprechen gab. Zudem salbte der Papst Pippin und seine Kinder Karl und Karlmann.
Diese Salbung ist eindeutig nachgewiesen und wird heute als die wahrscheinlich erste Königskrönung des Frankenreiches angesehen, zudem wurden die drei zum Patricius Romanorum ernannt. Eindeutig ist jedenfalls, dass dieser Besuch die Beziehung zwischen Papst
und König auf eine freundschaftliche Ebene brachte.73
2.2 Pippinische Schenkung
Pippin konnte also durch den
Treueid die Beziehung mit
dem Papsttum festigen. Man
kann die Pippinische Schenkung als eine Art Dankeschön
betrachten. Nach dem Pippin
und seine Söhne zum Patricius Romanorum ernannt wurden, versprach er die von
Aistulf eroberten Gebiete zurück zufordern und sie dem
Papst zu überreichen.74 So
steht in der Urkunde von
Quierzy das Pippin dem Papst
das Dukat Rom, das Exarchat
Ravenna, Sabina,
73
Erkens, Franz-Rainer: Das Königtum Pippin des Jüngeren; in: Die Zeit- Welt- und Kulturgeschichte, Epochen, Fakten, Hintergründe in 20 Bänden, Band 6 Aufstieg des Islam, Hamburg 2006.
74
Siehe Abb.1
Seite 68
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Abb.1) geografischer Überblick der Pippinischen Schenkung
Venetien, Istrien, die Pentapolis, Tuszien, Spoleto und Benevent versprach. Allerdings
existiert dieses Dokument selbst nicht mehr, so dass man nicht eindeutig sagen kann, welche Gebiete genau dem Papst versprochen wurden.75 Weiterhin muss man davon ausgehen,
dass dies keine Schenkung im heutigen Sinne war, sondern dass es ein Versprechen war,
weswegen es auch „Promissio Pippin“ heißt. Der Papst könnte durch die Zurückerlangung
der Gebiete einen großen Machtzuwachs verzeichnen, aber gleichzeitig würde es auch
Freiheit und Selbstbestimmung für die Völker der Sektoren bedeuten. So das Pippin nun
die Befreiung der heiligen Kirche und aller Römer des ganzen Landes versprach. 76 Dies
hatte auch zu Folge, das die Römer nicht nur hinter dem Papst standen, sonder auch hinter
dem fränkischen König. Das Volk Italiens fühlte sich mit dem fränkischen Reich verbunden.
Pippin konnte durch die Verbindung mit dem Papsttum Italienpolitik führen. Unklar ist
dabei, ob er nicht von Anfang an die Absicht hatte die größten Teile des eroberten Gebietes
dem Frankenreich anzugliedern.
Es ist auf jedenfalls sicher, dass Pippin mit Aistulf zunächst Verhandlungen geführt hat,
bevor er diesen im Jahre 754 angriff. Dabei hat Pippin ein nur sehr kleines Heer in die
Schlacht geführt und konnte dennoch den Langobardenkönig in seiner Residenz Pavia einschließen. Man kann annehmen, dass Pippin nur mit einem kleinen Heer anreiste, um die
Sicherheit des eigenen Landes nicht zu gefährden. Auch wenn er nun als Patricius Romanorum die Aufgabe hatte Rom zu verteidigen, hieß das nicht, dass er sein eigenes Reich
vernachlässigen musste. Wie schon erwähnt schaffte es Pippin Aistulf in Pavia einzuschließen und konnte daraufhin Verhandlungen mit ihm führen. Es kam zu einem Friedenvertrag, in dem Aistulf versprach die fränkische Oberhoheit anzuerkennen und seine jüngsten Eroberungen herauszugeben.77 Jedoch dachte Aistulf nicht daran die eroberten Gebiete
zurückzugeben und begann 755/56 wieder einen Angriff auf Rom. Pippin war nach dem
Friedensvertrag mit Aistulf wieder in sein Reich zurückgezogen und erhielt nun einen neuen Hilferuf. Vielleicht dachte Aistulf, das der letzte Feldzug Pippins so geschwächt hatte,
dass er keinen neuen Angriff wagen würde. Jedoch hatte Aistulf sich geirrt, da Pippin sich
75
Oelsner, Ludwig: Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, 1.Auflage, 1871; in: Jahrbücher
der Deutschen Geschichte, 2. unveränderte Auflage, Berlin 1975, S. 131.
76
Ebd., S.133.
77
Schieffer, Rudolf: Die Karolinger, Band 441, 4.überarbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart, Berlin,
Köln, 2006, S.63.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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als Schutzherr der römischen Kirche und Roms verstand. Auch hatte Papst Stephan II. den
Hilferuf als Hilferuf des heiligen Petrus an Pippin geschickt. Es kam darauf 756 zum erneuten Angriff Pippins. Diesmal erzwang er durch Belagerung einen noch schärferen Vertrag als beim letzten Angriff. Aistulf musste nun ein drittel seines Königschatzes und jährlichen Tribut leisten. Aber am wichtigsten war die Rückgabe des okkupierten Exarchats
von Ravenna. Jedoch wurde dies zunächst unter die Kontrolle der Franken gestellt, bevor
es dem Papst übergeben wurde. Auch das byzantinische Reich hatte Interesse an diesem
Gebiet, aber Pippin hielt sein Versprechen und übergab das Territorium schließlich dem
Papst, obwohl die Gebiete immer noch der Oberhoheit Byzanz’ unterstanden.78
Jedoch muss man sagen, dass nach den Urkunden diese Gebiete lange nicht so groß waren,
wie sie in der Urkunde von Quierzy versprochen schienen. Das Problem dabei ist, das man
in den Briefen des Papstes, keine Anmerkung findet, dass die restlichen Gebiete noch zum
Pippinischen Versprechen gehörten. Sicherlich bittet er schließlich 757 um die Rückgabe
der fehlenden Städte des Exarchats, aber es ist trotzdem möglich dass er den Wunsch diese
Städte zu erhalten erst später hatte. Auch findet man keine Unterlagen, welche beinhalten,
dass die Herzogtümer Spoleto und Benevent wirklich dem päpstlichen Gebiet einverleibt
wurden. Man kann also nicht eindeutig sagen, welche Gebiete nun wirklich versprochen
wurden.79
3. Entstehung des Kirchenstaates
Auch wenn nicht eindeutig geklärt ist, welche Gebiete nun von Pippin an den Papst versprochen wurden, ist es sicher, dass die zurückeroberten Gebiete dazu verhalfen das der
Kirchenstaat entstehen konnte, welcher noch bis in das 19. jahrhundert eine wichtige Rolle
in der Geschichte Europas spielen sollte. Dieser Staat war im Grunde ein Staatenverbund,
der im Laufe des Mittelalters von Rom ausgehend immer größere Teile Mittelitaliens bis
hin zur Adria umfasste. In diesem Staat konnte der Papst seinen Einfluss geltend machen.
Auch unter Karl dem Großen sollte sich der Kirchenstaat noch ausweiten. Während sein
Vater Pippin den Grundstein zur Entstehung des Kirchenstaates ohne Unterwerfung der
Langobarden legte, war Karl auf eine Erfolgreiche Fortsetzung mit Unterwerfung der
Langobarden aus. Mit Hilfe der Königserhebung Pippins durch einen Papst war die weltliche Macht mit der christlichen Macht verbunden und man sah das Königtum von nun an
78
79
Ebd., S. 63-64.
Oelsner, Ludwig: Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, 1.Auflage, 1871; in: Jahrbücher
der Deutschen Geschichte, 2. unveränderte Auflage, Berlin 1975, S. 138-139.
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als „göttliches Recht“80 an. Pippin schaffte zudem durch das Schutzversprechen über Rom
eine jahrhundertlange Verbindung von weltlichen Herrschern und Päpsten.81
4. Schluss
Pippin war der erste karolingische Herrscher des Frankenreiches und schaffte es zugleich
den Kirchenstaat als Machtoperator zu etablieren. Er schaffte es, dass sich das Papsttum
vom Byzantinischen Reich abwendete und mehrere Jahrhunderte zum germanischen Westen schaute. Ohne die fränkische Herrschaft hätte sich das Papsttum nie in dem Maße etablieren können, aber auch umgekehrt wäre das Frankenreich ohne die Hilfe des Papsttums
nicht soweit gekommen. Die fränkische Herrschaft spielt dabei immer eine Rolle, zumal
die Nachfolger Pippins die Herrschaft des Papsttums erweiterten.
Dennoch sollte man nicht vergessen, dass Pippin sein Frankenreich nie aus den Augen verlor. Er hat es geschafft ein nach innen und außen gefestigtes Reich an seine Söhne weiterzureichen.
Der Kirchenstaat existiert jahrhundertlang und erreichte unter Papst Julius II. seine größte
Ausdehnung, jedoch hatte das Königreich Italien nationalen Einigungsbestrebungen. Erst
1929 konnte man sich einigen, indem man ein souveränes Territorium um Peterskirche und
Vatikan, den Vatikanstaat, als Symbol päpstlicher Unabhängigkeit geschaffen hatte.
5. Quellen- und Literaturverzeichnis
Oelsner, Ludwig: Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, 1.Auflage,
1871; in: Jahrbücher der Deutschen Geschichte, 2. unveränderte Auflage, Berlin
1975.
Borgolte, Michael: Petrusnachfolge und Kaiserimitation, Die Grablegen der Päpste, ihre
Genese und Traditionsbildung, Göttingen 1989.
Schieffer, Rudolf: Die Karolinger, Band 441, 4.überarbeitete und erweiterte Auflage,
Stuttgart, Berlin, Köln, 2006.
Schneider, Reinhard: Das Frankenreich; in: Oldenbourg. Grundriss der Geschichte hg. v.
Bleicken/Jochen Gall/Lothar und Jakobs/Hermann, Band 5, München 2001.
80
Bischöfe, Mönche und Kaiser (642-1054), hg. v. G. Dragron, P. Riché, A. Vauchez, deutsche Ausgabe
bearbeitet und herausgegeben von E. Boshof; in: Die Geschichte des Christentums. Religion, Politik, Kultur, hrg. V. J.-M. Mayeur, C. und L. Pietri, A. Vauchez und M.Venard, Band 4, Freiburg, Basel, Wien
1994, S. 686.
81
Ebd., S.666-669.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Bischöfe, Mönche und Kaiser (642-1054), hg. v. G. Dragron, P. Riché, A. Vauchez, deutsche Ausgabe bearbeitet und herausgegeben von E. Boshof; in: Die Geschichte des
Christentums. Religion, Politik, Kultur, hrg. V. J.-M. Mayeur, C. und L. Pietri, A.
Vauchez und M.Venard, Band 4, Freiburg, Basel, Wien 1994.
Fritze, W.H.: Papst und Frankenkönig, Studien zu den päpstlichen-fränkischen Rechtsbeziehungen von 754 bis 824; in Vorträgr und Forschung, Sonderband 10, Hrg. Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Siegmaringen 1973.
Fischer Lexikon Geschichte, Hrg. R. van Dülmen, Frankfurt am Main 2003.
Erkens, Franz-Rainer: Das Königtum Pippin des Jüngeren; in: Die Zeit- Welt- und Kulturgeschichte, Epochen, Fakten, Hintergründe in 20 Bänden, Band 6 Aufstieg des Islam, Hamburg 2006.
Abbildungen:
Abb. 1) http: //de.wikipedia.org/wiki/Kirchenstaat
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
Das päpstlich-fränkische Bündnis
Belal Chahrour
1. Einleitung
Dieses Kapitel des Readers befasst sich mit dem päpstlich-fränkischen Bündnis. Es wird
versucht in aufeinander folgenden Schritten die damaligen Entwicklungen dazustellen.
Der Hauptteil enthält eine Fragestellung. Darauf folgt der Erste Unterpunkt, er beschreibt
die Gegebenheiten in Rom und dem Mittelmeer vor dem Bündnis. An konkreten Beispielen werden die Veränderungen in Rom nachvollziehbar gemacht. Das seit der Völkerwanderung Europa im Umbruch ist, kann man nachvollziehen, aber Aufgrund der Komplexität
der Geschehnisse, konzentriere ich mich stark an den Islam und dem byzantinischen Reich
als die Macht Faktoren, die starken Einfluss auf die Stadt Rom und Italien hatten.
Dann wird da gelegt, wie sich das fränkische Königtum dem Papsttum annähert und welche Konsequenzen sich für die Stadt Rom und Italien ergeben haben. Wobei versucht wird,
kenntlich zu machen, dass es sich um eine wechselseitige Abhängigkeit handelt.
Zu guter letzt werden die neuen Veränderungen in Rom und Italien, welche aus dem
Bündnis entstanden, dargestellt. Ein Beispiel ist die Pippinische Schenkung, aus der letztendlich der neue Kirchenstaat entstanden ist.
Diese Gliederung mit Fragestellung und drei Unterpunkten zeigt uns also im ersten Schritt,
wie Rom und Italien vor dem Bündnis da standen, in einem zweiten Schritt, wie es zum
Bündnis kommen konnte und was für eine Rollenverteilung dahinter steckt. Und in einem
letzten Schritt die Auswirkungen auf die Stadt Rom und Italien und somit auf ganz Europa.
Da sich dieser Reader mit der Etablierung der Päpste in Rom beschäftigt, hat dieses Kapitel einen hohen Stellenwert, es macht nachvollziehbar, wie die Stadt Rom und somit der
Papst, man kann davon ausgehen, das das Schicksal dieser Stadt auch mit dem Schicksal
des Papstes verflochten war, sich den neuen Gegebenheiten anpassen.
In dem vorgehenden Kapitel über die Topographie der Stadt Rom ist zu lesen, das es eine
Zeit des Niedergangs als auch des Aufbaus, der Veränderungen gab. Auch daran sehen wir
die Relevanz des Themas zu anderen Themen. Denn die neuen Machtstrukturen Rom –
Frankenreich, welche die alten Rom – byzantinisches Reich abgelöst haben, gaben der
Stadt ihr Gesicht.
Im nächsten Kapitel erfahren Sie etwas über die Pippinische Schenkung und die Entstehung des Kirchenstaates, wenn Sie sich mit dem päpstlich-fränkischen Bund befassen, haSeite 73
Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Seminar „Rom im Mittelalter“
ben Sie sich gutes Grundwissen angeeignet, um dann die Gründe der Pippinischen Schenkung besser nachvollziehen zu können.
1.1 Der Forschungsstand
Man ist sich nicht sicher, ob die Pfalz zu Panthion, wo sich König Pippin und Papst Stephan II. getroffen haben, der Ort der Vertragsabschlüsse ist. Sehr umstritten ist die Frage,
ob es sich um eine oder ein Bündel von Bindungen handelt. Eine Anzahl von Forschern
unterscheidet zwischen zwei großen Rechtsbeziehungen, einen zwischen Papst und Frankenherrscher geschlossenen Bund der Freundschaft und eine rechtlich bindende Verpflichtung des Frankenkönigs zum Schutz der römischen Kirche. Eine weitere Gruppe von Forschern glaubt zwar an ein wechselseitiges Bündnis zwischen König und Papst, aber nicht
als eine Bindung, sondern als zwei einseitige Verpflichtungsakten, einem des Königs, der
zum Gefolgsmann Petri geworden ist und einem des Papstes, der sich seinerseits in die
Schutzgewalt des Königs gestellt habe. Eine dritte Gruppe von Forschern sieht in der Befreiung der römischen Kirche und des römischen Volkes von den Langobarden durch den
Frankenkönig eine völkerrechtliche Verpflichtung. Viele Forscher kommen zu dem Ergebnis, das 754 eine Schutzverpflichtung der Franken für die römische Kirche entstanden ist.
Auch eine Freundschaftsbeziehung glauben viele zu erkennen, obwohl Schutzpflicht und
Freundschaft unterschiedlich interpretiert werden. Untersuchungen zu zwischenstaatlichen
Beziehungen lassen die Freundschaftsbehauptungen in einem besseren Licht dastehen.
Neuere Forschungsansätze befassen sich mit der Frage, wie es zu dem päpstlichfränkischen Bündnis kommen konnte. Ein Zeitschriften Aufsatz beschäftigt sich mit der
Persönlichkeit des Bonifatius, dieser kommt zu dem Ergebnis, das es der Angelsachse war,
der die aktuelle fränkische Staatsgewalt mit der höchsten geistlichen Autorität in Rom verbindet, um der Reform der Kirche des Landes Legitimation und Richtung zu geben. Die
historische Größe Winfried-Bonifatius sieht man darin, das er als Angelsachse von Außen
kommend, den heidnischen Völkern Deutschlands und der in sich geschlossenen fränkischen Landeskirche das Tor zu der Welt der Christenheit aufmacht, nicht mit einem König
sondern mit dem römischen Papst an der Spitze.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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2. Das päpstlich-fränkische Bündnis
Das Bündnis enthält zwei Zentrale Punkte, auf der einen Seite die Schutzverpflichtung des
Pippin II. für die römische Kirche und auf der anderen Seite der Freundschaftsbund zwischen König und Papst. Berechtigt darf man sich die Frage stellen, warum der Bischof von
Rom, der oberste Hirte der Kirche mit dem Franken König eine Bindung einging, die ihm
verpflichtete und ihm somit dem König gleichstellte. Die gleiche Frage gilt auch für Pippin
II., der trotz dem Willen vieler seiner Anhänger, den Langobarden den Krieg erklärte. Eine
Antwort auf diese Fragen ist nur dann zu finden, wenn man sich mit der politischen Situation und dem funktionalen Zusammenhang beschäftigt, aus dem diese Verbindung entstanden ist.
2.1 Die Stadt Rom vor dem päpstlich-fränkischen Bündnis
Im 7. Jahrhundert wandelte sich das politische, ökonomische und kulturelle Bild in Rom,
auf Grund von Veränderungen im Mittelmeerraum. Der Mittelmeerraum wurde Stück für
Stück von dem Mohammedaner erobert, Nordafrika war am Ende des Jahrhunderts an die
Mohammedaner gefallen und es begann der Vorstoß nach Europa, was zum Fall Spaniens
führte. Das Mittelmeer wurde somit von Mohammedaner dominiert.
Das byzantinische Reich führte einen Verteidigungskrieg gegen den Islam im Süden, Slawen und Bulgaren auf dem Balkan und gegen die Langobarden in Italien. Durch diese Anzahl an Bedrohungen sah sich das Reich in seiner große immer mehr beschränkt. Das byzantinische Reich hatte in Italien und Rom Stützpunkte, welche sehr ineffektiv waren.
Trotz dieser Lage, versuchte das Reich, die Stadt Rom und Italien uneingeschränkt zu beherrschen und ihnen ihren Willen aufzudrängen. Dies führte immer weiter zu einer Entfremdung Roms und Italiens zur Ostkirche und dem Kaiser. Dennoch waren sie Aufgrund
ihrer Interessen auf die Zusammenarbeit gezwungen.
An zwei Beispielen sollen die Veränderungen in Rom, die aufgrund der Veränderungen im
Mittelmeerraum hervorgerufen worden sind, erläutert werden.
Durch den Verlust Nordafrikas ist die Getreide Versorgung der Stadt zusammen gebrochen, schon in der Antike galt Nordafrika als die Kornkammer des römischen Reiches. Die
Schifffahrtslinien des Mittelmeers als auch die italienische Küste waren bedroht, diese
Faktoren führen zu einer schlechten ökonomischen Versorgung der Stadt. Es gab aber auch
positive Veränderungen, die Eroberung des Ostens und Nordafrikas trieb Flüchtlinge nach
Rom, diese brachten östliche Reliquien, Feste und Gebräuche mit, was Rom zu einer Stadt
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mit großer Menschenvielfalt machte. Der Einfluss dieser Menschen auf Liturgie und Lehre
führte zu einer Veränderung der Einrichtungen und der Dekoration römischer Kirchen.
Als 726 das byzantinische Reich die Bilderverehrung verbot und Rom sich weigerte, dies
anzuerkennen, kam es zu Auseinandersetzungen. Weder die byzantinische Besetzung, weder die engen Verbindungen nach Byzanz, noch der Zeitweilige Zustrom von Menschen
aus dem byzantinischen Reich konnten Rom, dem Osten näher bringen. Rom blieb eine
westliche Stadt.
2.2 Der lange Weg zum päpstlich-fränkischen Bündnis
Eine erste Annäherung der Franken an den römischen Glauben hat um 500 statt gefunden.
Der Merowinger Chlodwig nimmt bei seiner Taufe das katholische Christentum an. Die
Missionierung der Franken beginnt, die sich von den anderen Germanenstämmen unterscheiden, welche den Arianismus angenommen hatten. Der angelsächsische Mönch
Wynfrid-Bonifatius erhält vom Papst den Missionsauftrag und reformiert die fränkische
Kirche.
Das sind die ersten Vorgänge einer Annäherung der Franken an den Papst in Rom. Aber
erst durch die Karolinger sollte eine päpstlich-fränkische Verschmelzung stattfinden.
Bei dem Merowinger war es Rechtsbrauch, dass jeder Besitz im Erbfall unter alle Söhne
aufgeteilt wurde. Die Teilungen und die Streitigkeiten zwischen den Königen, die sich bald
einstellten, schwächten die Macht der Merowinger. Die Hausmeier der Teilreiche, die ursprünglich Verwalter der königlichen Besitzungen und des Haushalts waren, gewannen so
sehr an politischen Einfluss, dass sie schließlich die erste Stelle im Reich einnahmen. So
würden aus den merowingischen Herrschern Schattenkönige und die Macht des Reiches
lag bei den karolingischen Hausmeiern. Aber die Merowinger besaßen noch das Königsheil, das den Volk nach alten germanischen Vorstellungen reiche Ernte, Siege im Krieg
und Friedenszeiten bescheren sollte.
Also nützt Pippin der jüngere dank Bonifatius die guten Beziehungen zum Papst aus und
schickt Bischof Burchard von Würzburg und Fulrad mit der Frage nach Rom, ob es gut sei,
einen machtlosen König zu haben. Der Papst ist der Meinung, dass der Macht Inhaber König sein soll. So sicherte sich Pippin die Rückendeckung des Papstes, um die Diskrepanz
zwischen Titel und Inhalt der königlichen Würde zu überwinden.
Pippin wurde 751 in Soisson von dem Franken zum König gewählt.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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Als die Langobarden, an deren Spitze sich Aistulf befand, Rom gefährlich worden, sah
Papst Stephan II. keine andere Möglichkeit, als König Pippin persönlich um Hilfe zu bitten. Pippin reagierte darauf mit einem Schutzversprechen für die römische Kirche.
754 zu Ostern in Quierzy wurde der Krieg gegen die Langobarden beschlossen, dem Papst
Gebiete versprochen, die noch zu erobern waren. Dazu kam ein „Bund gegenseitiger Liebe“, was ein fränkischer Brauch der Schwurfreundschaft war. Später salbte der Papst Pippin als Gegenleistung und gab ihm den Titel des Patricius der Römer, was ihm zum Schutz
Herr der Römer machte und dem Kaiser des Ostreichs ablöste.
Dieses wechselseitige Verhältnis war im Interesse beider und legitimierte sie gegenseitig.
754 begann der Feldzug, das fränkische Heer war siegreich und die Langobarden müssten
die fränkische Oberhoheit anerkennen. Ein zweiter Versuch Aistulf die Macht zu übernehmen scheiterte erneut.
Die Langobarden mussten die eroberten Gebiete um Ravenna zurückgeben, die der Papst
erhielt, der sich somit eine eigene „res publica Romana“, also ein unabhängiges Herrschaftsgebiet in Italien schaffte, wie in der Pippinischen Schenkung von Quierzy abgemacht worden war.
Die Leistung Pippins liegt darin, das die Umwendung des Papstes vom byzantinischen
Osten zum germanischen Westen, als auch die Gewinnung Italiens und somit die werdende
abendländische Einheit ihm zu verdanken ist.
2.3 Die Stadt Rom nach dem päpstlich-fränkischen Bündnis
Byzanz war de facto in Nord und Mittelitalien ausgeschaltet worden und hatte in der europäischen Politik keinen Einfluss mehr. Die große Macht in Italien war nun Rom, mit der
Kirche an deren Spitze. Als später Karl der Große zum Herrscher der Franken wurde, beherrschte er und der Papst Nord und Mittelitalien. Karl war nun der uneingeschränkte
Schutzherr der Stadt Rom. Die Stadt, welche sich vom Ostreich lösen konnte und sich nur
auf dem Mittelmeerraum beschränkte, wurde zu einer Macht im Westen, politisch vielleicht nur ein Fürst über ein großes Gebiet in Italien, aber geistlich der Herrscher Europas.
Wir haben also eine geistliche, als auch weltliche Hauptstadt des Papstes. Papst, Kirche
und die Stadt Rom waren somit auf einer Einheitlichen Ebene gleichgestellt. Die Stadt
wurde von neuen Pilgern aus dem Norden besucht, Könige schickten Geschenke. Von dieser Stadt verbreitete sich der Glaube nach Norden aus. Souveräne Stadt und Landverwaltungen wurden erstellt. In Rom und auf dem Land begann man mit der Bildung von Mili-
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tär. Kleriker und Laien sollten in der Verwaltung sich um auswärtige Beziehungen und
dem Besitz der Kirche in Rom kümmern, Richterposten entstanden.
Es entstand eine römische Elite, die starken Einfluss auf die Papstwahl nahm. Die Interessen dieser Familien prallten immer stärker aufeinander. Lokale Landstädte begannen sich
gegenseitig zu bekämpfen. Trotz dieser Unruhen, kann man von einer soliden Regierung in
Rom ausgehen, wobei das Kleinvolk nicht vertreten war, sondern nur die großen, einflussreichen Familien.
Jeder kleinste Machtverbleib Byzanz in Italien sollte entfernt werden, eine Bewegung gegen alles Fremde entstand. Man entfernte byzantinische Titel wie zum Beispiel „dux“ und
ersetzte sie durch römische Titel aus der Vergangenheit, in der Rom einst ein Zentrum der
Welt war.
Die Karte Roms als auch das Bild wurden stark geprägt. In der ganzen Stadt präsentierten
Neubauten die Vitalität und die neue Stellung Roms in Europa. Die Erinnerung an die
Machtposition sollte lange Zeit in der Vorstellung der Menschen verankert bleiben.
3. Zusammenfassung
Am Anfang des früh Mittelalters haben wir mit Rom eine Stadt, die sich gegen viele Völker verteidigen muss, ihre Existenz ist kontinuierlich gefährdet, der Islam und die Langobarden sind nur zwei von vielen Bedrohungen, der Rom ausgesetzt war. Das byzantinische
Reich als Schutzherr war nicht mehr zu gebrauchen, es übte sogar eine Tyrannei ähnliche
Herrschaft über die Römer aus. Viele Feinde und gar keine Freunde beziehungsweise Beschützer trieben den Papst ins Frankenreich, die wichtigste Macht im damaligen Europa.
Aus dieser Gegenseitigen Hilfe, man darf nicht vergessen, dass es der Papst war, der Pippin und somit den Karolingern die Legitimation für ihre Herrschaft über die Franken gab,
entstand ein Bündnis. Die wichtigsten Punkte dieses Bündnis waren die Pippinische
Schenkung und die Schutzpflicht der Franken für die römische Kirche. Im Großen und
Ganzen kann man sagen, dass sich beide Akteure, König und Papst gegenseitig brauchten
um sich zu stärken als auch zu legitimieren. Die zwei Akteure dieses Bündnisses waren
sich der Tragweite ihrer Handlungen nicht ganz bewusst. Aber dieses Bündnis begründet
das abendländische Europa. Durch dieses Bündnis entstand Roms fester Sitz in der abendländischen Welt und das byzantinische Reich als Machtfaktor verschwand aus Italien und
deren Erbe ging an Rom. Diese Veränderungen lassen sich auch an den Gebäuden und
Einrichtungen der Stadt selbst erkennen. Während in der byzantinischen Tyrannei Rom
und Italien zu leiden hatten, brachte das Bündnis neue Vitalität in die Stadt. Menschen aus
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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Europa strömten nach Rom, die Herrscher schickten Geschenke, Rom wurde zu einer Tragenden Säule des abendländischen Europa oder anders formuliert, die christlichen Wurzeln
des Abendlandes liegen in Rom.
4. Literaturverzeichnis
Caspar, Erich, Pippin und die römische Kirche. Kritische Untersuchungen zum fränkischpäpstlichen Bunde im VIII. Jahrhundert, Darmstadt 1973.
Krautheimer, Richard, Rom. Schicksal einer Stadt; 312-1308, München 1987.
Schieffer, Rudolf, Die Karolinger, 4. Aufl., Stuttgart 2006.
Schieffer, Rudolf, Der Gottesmann aus Übersee: Die christliche Botschaft öffnet eine größere Welt, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 57 (2005), S. 13-22.
Schimmelpfennig, Bernhard, Das Papsttum. Von der Antike bis zur Renaissance, 3. Aufl.,
Darmstadt 1988.
Zimmermann, Harald, Das Papsttum im Mittelalter. Eine Papstgeschichte im Spiegel der
Historiographie, Stuttgart 1981.
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
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Das Rom der Päpste (Frühmittelalter)
Schlussbetrachtung
Nach Betrachtung der Einzelthemen lässt sich sagen, dass die Entwicklung Roms im Mittelalter wesentlich durch das Handeln und Wirken des Papsttums und der speziellen Papstpersönlichkeiten mitgestaltet wurde. Vor allem das Stadtbild mit Architektur, Kirchen und
anderen christlichen Bauwerken prägen bis heute das Stadtbild Roms und zeugen von einer
lebhaften Vergangenheit.
Dabei durchlebte der Einfluss des Papsttums viele Tiefen wie zum Beispiel den Investiturstreit mit Kaiser Heinrich IV., aber auch viele Höhen wie die Ausweitung der weltlichen
Macht in Rom, deren Basis unter Gregor dem Grossen gelegt wurde und in den nachfolgenden Jahrhunderten weiter ausgebaut wurde.
Gregor unterstütze die Stadt Rom bei der Ausbreitung ihres Rufs einer Heiligen Stadt, beispielsweise durch die Missionierung Europas, und so entwickelte sich die Stadt auch auf
Grund ihrer Märtyrergräber und Reliquien zum „magischen Zentrum des Westens“.
So war seit der Zeit Gregors des Großen der Stuhl Petri der religiöse Mittelpunkt der westlichen Christenheit, was dem wirtschaftlichen Aufschwung – allen voran dem Fremdenverkehrsgewerbe – zu enormen Steigerungen verhalf.
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