Heinrich Böll Stiftung - Universität Oldenburg

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Hannah Arendt-Zentrum
Heinrich-Böll-Stiftung
Hannah Arendt-Zentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Zentrum für Philosophie der Justus-Liebig-Universität Giessen
Antonia Grunenberg
Stefan Gosepath
Peter Siller
Marianne Zepp
Verborgene Tradition – Unzeitgemäße Aktualität?
Hannah Arendt 1906-2006
Konferenz vom 5. – 7. Oktober 2006, Berlin
Landesvertretung Bremen
Hiroshimastr. 24
10785 Berlin
Programm
Aus Anlass des 100. Geburtstages von Hannah Arendt veranstaltet die Heinrich-Böll-Stiftung
vom 5. bis 7. Oktober gemeinsam mit dem Hannah Arendt-Zentrum der Carl von Ossietzky
Universität Oldenburg und der Justus-Liebig-Universität Giessen eine 3-tägige Konferenz in
Berlin. In Einzelvorträgen, Diskussionsrunden und Debatten wird zwischen den
verschiedenen Traditionslinien, in denen Hannah Arendts Denken steht und den aktuellen
Zugängen zu ihrem Denken eine Verbindung hergestellt.
Hannah Arendt ist geistig gereift in zwei sich überkreuzenden Milieus: der revolutionär und
dekonstruktivistisch sich gebenden Existenzphilosophie der zwanziger Jahre und dem
politisch-kulturellen Zionismus. Ihre Lehrer Martin Heidegger und Karl Jaspers haben sie in
die fundamentale Kritik der überlieferten Metaphysik eingeführt. Ihre Freunde Ernst
Grumach, Kurt Blumenfeld, Hans Jonas und andere haben sie mit einem Kontext spezifisch
jüdischer Tradition und Geschichte des Denkens vertraut gemacht. Zeit ihres Lebens
standen Arendt wie auch ihre Freunde in kritischer Auseinandersetzung mit diesem
„zweifachen“ Erbe, dessen Teile sich aus heutiger Perspektive auszuschließen scheinen. Im
1. Teil - „Verborgene Tradition“ werden daher die Überschneidungen und Widersprüche
zwischen beiden Strömungen des Erbes und ihre Verarbeitung heute nachgezeichnet.
Im 2. Teil - „Unzeitgemäße Aktualität?“ geht es um die Relevanz der politischen
Philosophie Hannah Arendts für die Verfasstheit des Politischen und der Demokratie. Bis
heute stehen Gesellschaftskritik, neue gesellschaftliche Formierungen und die
Selbstermächtigung von bisher randständigen Gruppen in einem Spannungsverhältnis zu
institutionalisierter Politik und der Herrschaft des Rechts. Diese Ambivalenz zwischen
institutionellen Verfestigungen und gesellschaftlichen Dynamiken hat durch Prozesse der
Globalisierung eine neue Dimension erfahren. Der klassische Nationalstaat, dessen
Exklusionseffekte Arendt bereits kritisch beschrieben hatte, verliert an Einfluss, während er
(vorerst) weiterhin der wichtigste Schauplatz für soziale Konflikte bleibt. Zugleich sind die
Möglichkeiten aber auch die Gefahren für die Ausbildung einer authentischen Öffentlichkeit
gewachsen.
Wie steht es um den Zusammenhang von Staat und Politik im Zeitalter der Zerfaserung
nationalstaatlicher Gestaltungsmacht und des Verlusts an Demokratie? In der gegenwärtigen
politischen Debatte wird Hannah Arendts politische Theorie vor allem zur Bestärkung der
„Zivilgesellschaft“, der „Bürgergesellschaft“ oder des „bürgerschaftlichen Engagements“
herangezogen. Damit verbunden ist eine Kritik am „bevormundenden Staat“, an der
„Sozialbürokratie“ und an einem Mangel an „Bürgertugenden“. Ist Arendts „Vita activa“ heute
staatsskeptisch zu lesen, oder sollte sie als Grundlage dienen, die demokratische
Staatlichkeit gegen ihre neoliberalen und neokonservativen Feinde zu verteidigen? Brauchen
wir Transformationen der Institutionen, um ihre demokratische Funktion wieder zu beleben?
Ist für die heutigen Probleme Arendts Paradigma der political nation und ihr republikanischer
Ansatz fruchtbar zu machen? Kann ein Prozess in Gang gebracht werden, der angesichts
einer sich politisch und medial als Einheit formierenden Welt eine plurale Weltöffentlichkeit
ermöglicht?
Übersicht Programm Hannah Arendt – Konferenz
Donnerstag, 5. Oktober 2006
18.30 Uhr: Begrüßung
- Ralf Fücks, Heinrich Böll Stiftung
- Antonia Grunenberg, Hannah Arendt-Zentrum der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
- Stefan Gosepath, Zentrum für Philosophie der Justus-Liebig-Universität Giessen
19 Uhr: Eröffnungsvortrag:
- Jerome Kohn
TRADITIONSBRUCH
URSPRÜNGE UND AKTUALITÄT DES DENKENS VON HANNAH ARENDT
BREACH OF TRADITION
ORIGINS AND ACTUALITY OF THE THINKING OF HANNAH ARENDT
20.30 Uhr
Empfang
Freitag, 6. Oktober
DIE VERBORGENE TRADITION
9.30 – 9.45:
- Antonia Grunenberg
EINFÜHRUNG UND BEGRÜßUNG
9.45 – 11.30 Uhr:
URSPRÜNGE
DIE PHILOSOPHISCHE REVOLUTION DER ZWANZIGER JAHRE
Wer sich in die philosophischen Streitgespräche der zwanziger Jahre hineinbegibt, kann gewahr
werden, wie sehr sich seinerzeit „deutsche“ und „jüdische“ Denktraditionen in ihrem Bestreben um
eine grundlegende Erneuerung des Denkens einander geöffnet haben. Der Blick zurück kann die
Dilemmata nicht übersehen.
- Peter E. Gordon: The Concept of the Unpolitical: Critical Reflections on the Theological-Political
Problem in German-Jewish Thought
- Michael Steinberg: Der kulturelle Stil in der deutsch-jüdischen Kultur der zwanziger Jahre
- Dominic Kaegi: Sinnverstehen und Dekonstruktion. Heidegger und Cassirer in Davos 1929
Diskussion
11.30 Kaffee
12.00 – 13.30 Uhr:
EIN EIGENER WEG
Rahel Varnhagen und Rosa Luxemburg: an zwei Einzelstudien wird diskutiert, wie sich Hannah Arendt
– zu unterschiedlichen Zeiten – in dem spannungsreichen Verhältnis zwischen „deutscher“ und
„jüdischer“ Kultur bewegt hat.
- Martine Leibovici: Hannah Arendt und Rahel Varnhagen - eine zionistische „Kehre“?
- Idith Zertal: Zwischen Revolutionärin und Rebellin: Rosa Luxemburg und Hannah Arendt
Diskussion
Moderation: Antonia Grunenberg
13.30-14.30 Uhr Mittagessen
15.00 – 16.30 Uhr:
WEGGABELUNGEN
DIE EXISTENZPHILOSOPHIE UND IHR ERBE
Insbesondere Martin Heidegger hat eine ganze Schülergeneration mit dem Problem konfrontiert, wie
mit dem deutsch-jüdischen Erbe angesichts des schockartigen und gewalthaften Endes der Kultur der
zwanziger Jahre umzugehen sei.
- Hans Saner: Karl Jaspers und Martin Heidegger: Zwei Revolutionäre in der Philosophie - angefragt
- Manfred Riedel: „Wie für mich die Trennung zwischen Deutschen und Juden begann“. Karl Löwiths
existenzielle Erfahrung von 1920 und seine philosophische Option
Diskussion
16.30: Kaffeepause
17.00 – 18.30 UHR
HANNAH ARENDT, DIE PHILOSOPHISCHE REVOLUTION DER ZWANZIGER JAHRE UND DAS DEUTSCH-JÜDISCHE
ERBE
Hannah Arendt hat in einer einzigartigen und bis heute nicht recht wahrgenommenen Art und Weise
die Aporien des existenzphilosophischen Aufbruchs der zwanziger Jahre herausgearbeitet, kritisch
gewürdigt und einige Elemente in ein politisches Denken nach dem Traditionsbruch überführt
- Dana Villa: Arendt and Heidegger: again
- Antonia Grunenberg: Hannah Arendt, Martin Heidegger und Karl Jaspers. Wie aus der
Existenzphilosophie ein politisches Denken aus dem Traditionsbruch wird
Diskussion
Moderation: Wolfgang Heuer
19.30 Buffet
20 Uhr: Klavierabend
„AM THEMA BLEIBEN – FUGEN FÜRS HÖREN, FÜRS SEHEN UND FÜRS DENKEN“
Die „Kunst der Fuge“ von J. S. Bach und die „Übungen im Politischen Denken“ von Hannah Arendt
Christina Thürmer-Rohr
Laura Gallati
Samstag, 7. Oktober
UNZEITGEMÄßE AKTUALITÄT?
9.30: Einführungsvortrag:
Stefan Gosepath
HANNAH ARENDT, NEUER REPUBLIKANISMUS UND DIE ZUKUNFT DES POLITISCHEN
10.00:
VITA ACTIVA
ZUR POLITISCHEN PHILOSOPHIE BEI HANNAH ARENDT
- Ingeborg Nordmann: „Die Vita activa ist mehr als nur praktische Philosophie“
- Rahel Jaeggi: „Die im Dunkel sieht man nicht. Soziale Bewegungen und Politik bei Hannah Arendt“
Diskussion
Moderation: Marianne Zepp
11.00 Kaffeepause
11.30 – 13.30 Uhr:
GROUNDLESSNESS
MENSCHENRECHTE UND DISSIDENZ
Arendt dachte politisches Urteilen ohne Dezision, politisches Handeln in virtuosstreiterischem Zusammenspiel, Denken ohne Herleitung, ein „Recht auf Rechte“ ohne
Verankerung in der Vernunft und eine Inklusion der Ausgeschlossenen ohne gemeinsamen
Wertegrund. Lässt sich diese Groundlessness – Bodenlosigkeit - mit Arendt heute positiv
bestimmen?
Podiumsteilnehmer:
- Jerome Kohn
- Paolo Flores d’Arcais
- Michael Ignatieff - angefragt
- Giorgio Agamben - angefragt
Diskussion
Moderation: Carolin Emcke
13.30: Mittagspause
14.30 – 17.00 Uhr:
NEUER REPUBLIKANISMUS
INDIVIDUUM – GEMEINSCHAFT – INSTITUTION: HANNAH ARENDT UND DIE AKTUELLE REPUBLIKANISMUSDEBATTE
Arendt verteidigt die Autonomie des Politischen gegen die Reduktion von Politik auf
Partikurlarinteressen und ökonomisches Kalkül. Doch lassen sich in der Moderne Fragen
sozialer Gerechtigkeit nicht mehr in die vorpolitische Sphäre verabschieden. Sollen die
sozialen Voraussetzungen für politische Teilnahme weiterhin gesichert bleiben, ist zu fragen,
ob und wie Institutionen das überhaupt leisten können.
Podiumsteilnehmer:
-
Otto Kallscheuer
Rainer Forst
Jean Cohen - angefragt
Rita Süssmuth - angefragt
Diskussion
Moderation: Peter Siller
17.30 Kaffeepause
19.00 – 22.00 Uhr: Öffentliches Abschlusspodium
ORTE DES POLITISCHEN
KOMMUNE – NATION – EUROPA: REPUBLIKANISMUS UND GLOBALISIERUNG
Statt Globalisierung wäre für Arendt die Mundialisierung der Welt als mundus, einer Welt-alsÖffentlichkeit anzustreben. Denn gelungene Öffentlichkeit schafft einen öffentlichen Raum, in
dem unter verschiedenen Perspektiven gemeinsame Gegenstände verhandelt werden und
ein Gemeinsinn entsteht. Verändert sich die Natur des Politischen, indem die Räume größer
werden? Kann unverfälschte Öffentlichkeit an verschiedenen Orten stattfinden?
Podiumsteilnehmer:
-
Gertrude Lübbe-Wolff
Daniel Cohn-Bendit
Benjamin Barber
Oliver Marchart
Diskussion
Moderation: Ralf Fücks
VERANSTALTUNGSORT:
Landesvertretung Bremen
Hiroshimastrasse 24
10785 Berlin-Tiergarten
VERKEHRSVERBINDUNG:
Bus 200, Bus M29
ANMELDUNG:
Und weitere Informationen ab 7. August
unter [email protected]
Telefon: 030.285 34-235
KONFERENZBEITRAG:
Tagungsbeitrag 12,-/10,- € ganztägig
6,-/5,- € pro Tag
KONFERENZSPRACHEN:
Die Konferenzsprachen sind Englisch und Deutsch.
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