Das »Kopf«-Plakat - Deutsches Historisches Museum

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texte umschlag
01
Vorwort
02
Iris Hax
»Vorhang auf!« – Theaterplakate der DDR
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04
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09
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Plakate als Spiegel des Theaterlebens
Repertoireplakate
Stückeplakate
Plakatkünstler und Theater
Assoziative Gestaltungen
Zusammenfassung
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Doris Müller
»Film ab!« – Plakate der DEFA und des Progress-Film-Verleihs
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Ein kurzer Rückblick
Auftraggebende Institutionen der DDR-Filmwerbung
Filmplakate der DEFA
Das szenisch-illustrative Filmplakat
Das »Kopf«-Plakat
Typographisch dominierte Plakate
Zeichenhaft-symbolische Plakatgestaltungen
Das Medium Film im Plakat
Ausblick
33
Katharina Klotz
»Schluß damit!« – Frieden, Solidarität und Antiimperialismus im Plakat der DDR
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36
36
43
46
Auftakt
Der Begriff im Bild
Institutioneller Hintergrund
Die »Aggregatzustände« des Kalten Krieges im Plakat
Offizielle Friedensagitation und oppositionelle Friedensbewegung
Spezifik des Antikriegsplakates
48
U3
Literaturauswahl
Künstlerverzeichnis
Künstlerverzeichnis
Ahrlé, René (geb. 1893-?)
Appen, Karl von (1900-1981)
Baltzer, Hans Adolf (1900-1972)
Beier-Red, Alfred (geb. 1902)
Bofinger, Manfred (geb. 1941)
Brade, Helmut (geb. 1937)
Dassing, Gerda (geb. 1941)
Ernst, Hans-Eberhard (geb. 1933)
Friedrich, Jochen (geb. 1944)
Geffers, Kurt (1908-1967)
Gottsmann, Werner (geb. 1925)
Grüttner, Erhard (geb. 1938)
Grüttner, Rudolf (geb. 1933)
Handschick, Heinz (geb. 1931)
Haufe, Jürgen (geb. 1949)
Heartfield, John (1891-1968)
Heller, Bert (1912-1970)
Hiller, Günter (geb. 1930)
Kaufmann, Dietrich (geb. 1931)
Kenkel, Wolfgang (geb. 1942)
Kilger, Heinrich (1907-1970)
Klemke, Werner (1917-1994)
Kluge, Hans-Dieter (geb. 1951)
Kummert, Otto (geb. 1936)
Labowski, Burckhard (geb. 1943)
Lemke, Klaus (geb. 1936)
Mücke, Jochen (geb. 1947)
Müller, Rolf Felix (geb. 1932)
Parche, Klaus (geb. 1939)
Pfüller, Volker (geb. 1939)
Rosié, Paul (1910-1984)
Schallnau, Thomas (geb. 1940)
Schüler, Hajo (geb. 1943)
Schwalme, Rainer (geb. 1937)
Schwimmer, Max (1895-1960)
Trost, Gerhard (geb. 1935)
Voigt, Gerhard (geb. 1926)
Vonderwerth, Klaus (geb. 1936)
Wagner, Heinz (geb. 1925)
Wendtlandt, Lars (geb. 1950)
Wessler, Horst (geb. 1935)
Wittkugel, Klaus (1910-1985)
Die Maße sind
generell in der Reihenfolge
Höhe x Breite angegeben.
Eine CD-ROM zum Thema
dieses Magazins ist 1999
im Verlag K. G. Saur,
München, erschienen
(ISBN: 3-598-40315-1).
Umschlag
Vorderseite: von links nach rechts siehe Seite: 3, 6, 7, 13, 25, 19, 18, 22, 33, 36, 42, 43
Rückseite: siehe Seite: 29
MAGAZIN
Mitteilungen des
Deutschen
Historischen Museums
9. Jahrgang
Heft 24
Politische und kulturelle
Plakate der DDR
Aus der Sammlung
des Deutschen
Historischen Museums
Berlin, Sommer 1999
Auflage: 2.500
Preis: 16,– DM
Zu beziehen über:
Deutsches Historisches
Museum, Zeughaus
Unter den Linden 2
10117 Berlin
Tel.: 030/203 04-0
Fax: 030/203 04-402
Internet:
http://www.dhm.de/
publikationen
IMPRESSUM
Herausgeber
Deutsches
Historisches Museum
Text, Bildauswahl
Iris Hax
Doris Müller
Katharina Klotz
Redaktion
Alfred Nützmann
Gestaltung und Herstellung
Gabriele Kronenberg
Satz und Litho
Mega-Satz-Service, Berlin
Druck
Druckerei Gerike, Berlin
© 1999 DHM GmbH
All rights reserved
Printed in Germany
ISSN: 1430-6913
ISBN: 3-86102-022-X
Vorwort
Die hier vorgestellten Plakate entstammen der Sammlung des Deutschen Historischen
Museums (DHM) und sind auch auf einer CD-ROM (1999) erschienen, die mit einer Auswahl
von rund 7.300 Plakaten einen repräsentativen Überblick über die Plakatproduktion in der
Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)
bietet. Auf dieser finden sich auch zahlreiche Biographien zu den einzelnen Plakatkünstlern.
Viele von ihnen entwarfen sowohl politische als auch Kulturplakate. Nur wenige waren auf
ein einziges Genre spezialisiert. Eine große Anzahl illustrierte ferner Bücher, gestaltete
Einbände und arbeitete freiberuflich als Graphiker. Die umfangreiche Sammlung des DHM
basiert zu einem großen Teil auf dem Bestand des ehemaligen Geschichtsmuseums der
DDR, des Museums für Deutsche Geschichte (MfDG).
Die für dieses Heft zusammengestellte Auswahl konzentriert sich auf drei Schwerpunkte des
politischen und kulturellen Plakatschaffens der DDR: Antikriegsplakate, Theaterplakate und
Filmplakate zeigen die Bandbreite der künstlerischen Ausdrucksmittel in der
Gebrauchsgraphik der SBZ/ DDR. Das Spannungsverhältnis, in dem sich die Plakatkunst
zwischen staatlicher Lenkung und individueller Ausdrucksform bewegte, wurde durch die
Erziehungsfunktion der angewandten Kunst in einer sozialistischen Öffentlichkeit definiert.
Die in diesem Heft gezeigten Themen und Sujets demonstrieren diese Zweigleisigkeit. Vom
plakatierten Selbstverständnis eines »Friedensstaates« und von der Auseinandersetzung mit
der identitätsstiftenden Rolle der Kultur bis zum ironischen Umgang mit vorgegebener
Staatssymbolik und abstrahierenden Lösungen reicht der Darstellungsrahmen der
Theaterplakate, der Filmwerbung und der politischen Appelle. Ikonographische
Neuschöpfungen sind ebenso üblich wie die Aufnahme tradierter Motive. Die malerische
oder zeichnerische, zum Teil recht kleinteilige und den Prinzipien einer realistischen
Kunstauffassung folgende Gestaltung der fünfziger Jahre trat seit der Mitte der sechziger
Jahre zugunsten einer Tendenz zum »mehrschichtigen Sinnbild« zurück; das Photo und die
Typographie gewannen an Bedeutung. Die Montagetechnik, die bereits seit den zwanziger
Jahren durch John Heartfield bekannt und von ihm sowie von Klaus Wittkugel in der frühen
DDR weitergeführt worden war, wurde seit den sechziger Jahren von einer jungen
Generation der Gebrauchsgraphiker wieder verstärkt eingesetzt. Variationsbreite der
Farbkontraste, Simultanität der Bildebenen und assoziative Gestaltungsweisen belebten die
Plakatgestaltung zunehmend.
Iris Hax / Katharina Klotz / Doris Müller
Iris Hax
„Vorhang auf!“ – Theaterplakate der DDR
Plakate sind aus der Theaterwelt nicht wegzudenken; Veranstaltungsplakate der
unterschiedlichsten Theater und anderer Spielstätten gehören zum Stadtbild. Für das
Medium Plakat ist eine temporäre Aktualität kennzeichnend – eine Parallele zur zeitlich
begrenzten Spieldauer von Theateraufführungen.
Hauptaufgabe eines Theaterplakates ist die Ankündigung einer Inszenierung; es zielt
zunächst durchaus auf ein breites Publikum. Es informiert die Passanten über die
Modalitäten der Veranstaltung: Titel der Inszenierung und Nennung von Ensemble und Ort
der Aufführung laden zum Besuch ein.
Ein Plakat zu Volker Brauns Theaterstück »Die Übergangsgesellschaft« aus dem Jahr 1988
kündigt eine Aufführung der Gruppe »Neue Szene« des Leipziger Theaters an. Das Bild
einer Plakatwand mit mehreren übereinandergeklebten und teilweise wieder
heruntergerissenen Anschlägen scheint in keinerlei Zusammenhang zum Titel des
Braunschen Stückes zu stehen. Die Bezüge erschließen sich erst bei näherer Betrachtung.
In diesem Fall wird der Prozeß einer »visuellen Kommunikation«1 durch das »Stolpern« der
Wahrnehmung in Gang gesetzt. Die Darstellung meint die Kurzlebigkeit und das schnell
wechselnde Gesicht der Bebilderung des öffentlichen Raumes und steht damit in
konnotativer Verbindung zum Titel »Die Übergangsgesellschaft«. Die Neugier auf die
Theateraufführung ist dadurch geweckt.
Es wird deutlich, daß »zwischen fachgerichteter Forderung durch den konkreten Auftrag
nach Kommunikation und einer von künstlerischen Gestaltungsgrundsätzen ausgehenden
Auffassung … vorerst ein gewisser äußerer Widerspruch (besteht), der indessen dialektisch
in der kommunikativen künstlerischen Leistung prinzipiell aufgehoben wird«2; so lautet eine
zeitgenössische Beurteilung der Gebrauchsgraphik. Die Eigenart der Plakate zwischen
kommunikativem Zweck und selbständigem Kunstwerk umreißt den Rahmen, innerhalb
dessen Plakatgestalter agierten. Der Entstehungszusammenhang eines Plakates war dabei
unterschiedlich, was sich auf die Entwürfe auswirkte, denn neben der Auftragsvergabe außer
Haus wurden Plakate auch im Rahmen der Theaterarbeit entworfen.
Plakate als Spiegel des Theaterlebens
Analog zu den Spielplänen der Theater in der DDR zeigt sich die große Bandbreite des
Repertoires, die sich in den Theaterplakaten manifestiert: Inszenierungen von »klassischen«
Bühnenstücken reihen sich neben Aufführungen russischer und sowjetischer Realisten sowie
zeitgenössischer Stücke. Ferner sind die zahlreichen Plakate zu Opern- und
Ballettaufführungen zu nennen, die wiederum ergänzt werden durch Arbeiten zu modernem
Tanz, Musik- und Singspielen, Komödien, Musicals, Kabarettprogrammen und Lesungen.
Die thematische Variationsbreite wird maßgeblich durch die unterschiedlichen werblichen
Funktionen, die das Plakat im Dienste eines Theaters zu erfüllen hat, beeinflußt. Spielpläne
und Repertoireplakate stellen andere Anforderungen an die Gestaltung als das reine
Stückeplakat (Ankündigung einer bestimmten Inszenierung), wobei hier die qualitativ besten
Arbeiten mit den graphisch interessantesten Lösungen zu finden sind.3 Zahlreiche Entwürfe
für bedeutende Bühnen der DDR wurden von bekannten Graphikern erarbeitet, so etwa von
Werner Klemke, Klaus Wittkugel, Volker Pfüller, Robert Weyl, Hajo Schüler und Heinrich
Kilger. Plakatgestalter konnten auch als Bühnenbildner des auftraggebenden Theaters
auftreten. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Stücken stellte für viele Künstler eine
Herausforderung dar.
Der Wirkungskreis eines Theaters ist meist auf einen Ort oder ein bestimmtes Gebiet
beschränkt. Dementsprechend wurden Theaterplakate generell in geringeren Auflagen
produziert als Warenwerbung oder Agitationsplakate. Nicht wenige der Plakate sind daher
Originallithographien oder wurden in Siebdrucktechnik hergestellt. Ihre Qualität, wie auch
generell die solcher Plakate aus dem Unterhaltungssektor (zum Beispiel dem Konzert-,
Verlags- und Literaturwesen), wurde allgemein geschätzt. Sie erhielten häufig
Auszeichnungen im Rahmen von Plakatwettbewerben, wie den seit 1966 jährlich vom
Ministerium für Kultur veranstalteten Wettbewerben »100 beste Plakate«. Dieser
Wettbewerb, wie auch bereits die Gründung der Sektion Gebrauchsgraphik innerhalb des
Verbandes Bildender Künstler4 am 14. Dezember 1953, zeigt, daß die Gebrauchsgraphik in
der DDR als eigenständige Gattung geschätzt wurde.
Der Fundus der Theaterplakate erscheint hinsichtlich seiner formalen Gestaltung und
visuellen Darstellungsmuster äußerst heterogen; die Palette umfaßt rein graphische oder
malerische Arbeiten sowie Collagen und Montagetechniken. Zunehmend wurde auch die
Photographie in Plakaten eingesetzt.
Die Unterschiedlichkeit der künstlerischen Mittel wird deutlich beim Vergleich verschiedener
Plakatentwürfe zu einem Theaterstück. Hajo Schülers Arbeit zu einer Inszenierung der
»Salome« von Richard Strauss ist von anderem Charakter als das entsprechende Plakat von
Dietrich Kaufmann für die Komische Oper Berlin. Schülers in der Art eines Comic stilisierte
Darstellung der Protagonistin – ein in grellem Pink und giftigem Grün gehaltenes und in
geschwungene Formen gefaßtes maskenartiges Haupt – ist von jugendlich-punkigem,
gleichzeitig anrüchigem Appeal; als Ohrschmuck trägt die Salome ein Skelett. Die
künstlerischen Ausdrucksformen sind ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack der achtziger
Jahre. Die Anspielung auf den »Punk«, der in der DDR offiziell verpönt war, könnte hier als
Entsprechung zu dem ruchlosen Wesen der Stieftochter des Herodes gemeint sein. Salome
forderte um den Preis eines Tanzes vom König den Kopf des von ihr begehrten Propheten
Johannes des Täufers. Ihre von Leidenschaft geprägte Wildheit ersetzt Schüler durch einen
Ausdruck von Dekadenz. Dagegen scheint sich in Kaufmanns Plakat die winzige Figur der
Salome im Bildraum, der auch Bühnenraum sein mag, zu verlieren. Trotzdem ist sie durch
die leuchtend rote Farbe als Dreh- und Angelpunkt der Handlung zu erkennen; die Arbeit
übermittelt ferner die düster-unheimliche Atmosphäre der Oper.
Die formalen Unterschiede der beiden Plakate ergeben sich aus dem Kontext ihrer
Entstehung. Denn dieses Bildmedium hat stets nicht nur den unterschiedlichen Inhalten der
Stücke und der interpretativen Verschiedenartigkeit der Inszenierungen Rechnung zu tragen,
sondern ebenso der Programm-Politik der auftraggebenden Theater und Institutionen.5 Die
Funktion der Theaterplakate wird somit noch um die folgende Dimension erweitert: Neben
der Werbung für eine Veranstaltung sind sie gleichzeitig auch programmatisches
Aushängeschild des jeweiligen Theaters oder Ensembles.
Im folgenden werden exemplarisch vor allem für Schauspiel und Oper gefertigte Plakate
analysiert,6 wobei ein Schwerpunkt auf die unterschiedlichen formalen Lösungen gesetzt
wird und die Auseinandersetzung mit der literarischen Vorlage besondere Beachtung finden
soll. Die jeweiligen Plakatentwürfe sind dabei im Spannungsbogen zwischen subjektivkünstlerischem Ansatz und der Bühnenbildarbeit beziehungsweise der Inszenierung des
jeweiligen Theaters auszuloten.
Interessante und überzeugende bildkünstlerische Lösungen bieten die in ihrer visuellen
Wirkungsmöglichkeit häufig unterschätzten typographisch gestalteten Plakate.7 Rolf Felix
Müller setzte
den Titel des Stückes »Mephisto« (Inszenierung: Ariane Mnouchkine nach einem Roman
von Klaus Mann) wirksam in die Gesamtkomposition ein. Durch die Anpassung des
Schriftzuges an die nach rechts aufsteigende Treppenform erhält der Titel bildhafte Wirkung
und zugleich hohe Aussagekraft. Die rote Treppenform im unteren rechten Bildteil und ein
stark fragmentarisierter Ausschnitt der roten Hakenkreuzfahne oben links – sie ist daher erst
auf den zweiten Blick als solche zu erkennen – setzen optische Schwerpunkte und betonen
die Aufwärtsbewegung der Gesamtkomposition, die durch einen zusätzlich eingezeichneten
Pfeil noch verstärkt wird.
Das Stück zeichnet die Lebensläufe zweier ehemals befreundeter Schauspieler nach:
Während der Kommunist Ulrich im Untergrundkampf sein Leben läßt, arrangiert sich der
Mephisto-Darsteller Höfgen mit dem NS-Regime. Der nicht ganz geradlinige Weg Höfgens
»nach oben« – er stand dem Nationalsozialismus anfangs skeptisch gegenüber – wird durch
die holprig angeordnete Schrift sinnfällig. Das Plakat wird somit zu einem visuellen Zeichen
für die zweifelhafte Karriere des Schauspielers Höfgen unter der Fahne des
Nationalsozialismus, indem es sich allein auf die typographische Gestaltung des Titels
beschränkt.
Repertoireplakate
Eines minimalen Formeneinsatzes bedient sich Jürgen Hammer für ein Repertoireplakat der
»Neuen Szene« des Leipziger Theaters für zwei unterschiedliche Stücke. Effektvoll wird
Wolfgang Borcherts »Draußen vor der Tür« durch einen Türspalt visualisiert, »Die Schlacht«
von Heiner Müller dagegen mittels der Verbildlichung der zu Blutstropfen auslaufenden
Schrift. Hajo Schüler löst die Herausforderung, ein Plakat für zwei vom Charakter und Inhalt
so unterschiedliche Werke wie Horváths »Geschichten aus dem Wienerwald« und Brechts
»Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui« zu gestalten, auf phantasievolle Weise. Diese
Arbeit für das Landestheater Eisenach zeigt stellvertretend für Horváths Stück ein
Frauenbein, das in einen erhobenen Arm mündet und somit den »Aufstieg« der Brechtschen
Titelfigur plastisch vor Augen führt.
Aufschlußreich ist die Tatsache, daß im Vergleich zu Filmplakaten äußerst selten
personengebundene Darstellungen, die auf die Popularität der Schauspieler bauen, zum
Einsatz kamen, obwohl Theaterschauspieler hohe Anerkennung und Bewunderung in der
Bevölkerung genossen und fast wie »Volkshelden« verehrt wurden. Möglicherweise lag
diese Zurückhaltung in der Bedeutung der Arbeit im Ensemble begründet.
Auch szenische Darstellungen gibt es im Unterschied zu Filmplakaten seltener. Eine
reizvolle Arbeit, die auf eine Szene rekurriert, stellt Max Schwimmers Plakat zu
Shakespeares »Sommernachtstraum« aus dem Jahr 1956 dar. Der lockere, duftige
Pinselstrich des Aquarells, der sich sogar noch im Schriftzug des Titels fortsetzt, trifft den
traumhaften Charakter des Szenarios vom Elfenreich, das im dritten Akt mit
Verwechslungen, Mißverständnissen, Entzweiungen und fehlgeleiteten Gefühlen der
Hauptfiguren seinen Höhepunkt erreicht: Der Elfenkönig Oberon träufelt aus Rache der
schlafenden Elfenkönigin Titania einen Saft in die Augen, der bewirkt, daß sie sich beim
Erwachen in das zuerst erblickte Lebewesen verliebt. Dieses ist, wie es der Zufall will, der
Schauspieler Zettl, dem der Diener Oberons einen Eselskopf angehext hatte.
Stückeplakate
Szenische Elemente kombiniert Werner Klemkes Arbeit zu Lessings »Nathan der Weise«
aus dem Jahr 1954. Die Hauptfigur Nathan wird dem Tempelherrn und dem Sultan
gegenübergestellt. Der Redegestus deutet die kluge Argumentation und Überzeugungskraft
Nathans an, durch die er beide zu vorurteilsfreiem Denken bewegen kann. Klemke stellt
keinen Dialog ebenbürtiger Gesprächspartner dar, sondern in Anlehnung an die Textvorlage
einen erfahrenen, durch aufklärerische Vernunft angetriebenen Lehrer und Mahner, der zu
praktischer Humanität aufruft und zur Verständigung der drei Personen beiträgt, die
Repräsentanten der verschiedenen Weltanschauungen und Religionen sind. Die
Lessingsche Utopie einer Verständigung der Menschen unterschiedlichen Glaubens, im
Stück gleichsam als Mitglieder einer Familie aufgedeckt, wird hier im wahrsten Sinne des
Wortes auf einen Sockel erhoben und somit zu einem Sinnbild der kulturpolitischen
Bedeutung, die jenes Stück seit Kriegsende innehatte. Viele Theater eröffneten ihre erste
Spielzeit mit dem Drama »Nathan der Weise«, da es als Werk des »Judenfreundes« Lessing
während der Zeit des Nationalsozialismus verboten war. Auch Schillers »Kabale und Liebe«
und Goethes »Iphigenie« rangierten aufgrund des Toleranzgedankens an oberster Stelle der
Spielpläne zur Wiedereröffnung der Bühnen 1945.8 Bereits auf ihrem Ersten Kulturtag im
Jahr 1948 verwies die SED auf das klassische Erbe als wichtigen Beitrag für die
»antifaschistisch-demokratische Kulturpolitik«.9 Das Klassikerverständnis wurde seitdem
zunehmend ideologisch unterfüttert: »Nicht mehr die Besinnung auf die besten Traditionen
zur Läuterung einer moralisch heruntergekommenen Bevölkerung war die Aufgabe. Die
Berufung auf die Klassik diente nun als Knüppel, mit dem alle nach-klassischen Äußerungen,
beginnend mit der Romantik, als dekadent und ›formalistisch‹ niedergehalten wurden.«10
Mit der wachsenden ideologischen Divergenz zum Westen forcierte man eine
Repertoirepolitik, die neben Aufführungen klassischer Werke auch solche von Stücken aus
der Sowjetunion und aus den »Volksdemokratien« sowie Inszenierungen des klassischen
Kanons der Weltliteratur und zeitgenössischer Stücke vorsah. Insbesondere wurden DDRAutoren mit dem Bestreben, Zeitprobleme auf die Bühnen zu bringen, gefördert. Es gab auch
Aufführungen von Stücken der »fortschrittlichen Autoren des kapitalistischen Auslands«.11
Einen wichtigen Grundpfeiler des Theaterlebens stellte die Aufführung osteuropäischer
Werke dar. Gerade gegen Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren war man daher
bemüht, russische Dramatiker und sowjetische Zeitstücke in den Spielplan aufzunehmen. An
dieser Stelle sei Wischnewskis »Optimistische Tragödie« hervorgehoben, zu der ein Plakat
aus dem Jahr 1963 anläßlich einer Inszenierung des Berliner Ensembles entstand. Die
deutsche Erstaufführung dieses Stückes wurde am 1. Juni 1948 im Theater im »Haus der
Kultur der Sowjetunion« gegeben. Es zeichnet eine Episode aus dem russischen Bürgerkrieg
nach: Die Moral einer Abteilung der Baltischen Flotte wird durch Anarchisten unterwandert,
indem Befehle mißachtet und die Soldaten durch gezielte Agitation und Terrorakte
eingeschüchtert werden. Mit Mut und gnadenloser Strenge erreicht die von der
Kommunistischen Partei entsandte Kommissarin die Wiederherstellung der militärischen
Ordnung und schafft es, unter Einsatz ihres Lebens, aus dem heruntergekommenen
anarchistischen »Haufen« ein diszipliniertes Regiment der Roten Armee zu formen. Der
Rückgriff des Plakatgestalters auf eine Farblithographie von Wladimir Lebedew mit dem Titel
»Rote Armee und Marine verteidigt die russischen Grenzen«, um 1919 entstanden, ist klug
gewählt. Der Optimismus der schließlich siegreichen revolutionären Kräfte, vertreten durch
die Figuren des Matrosen und des Rotgardisten, findet in dem forschen Ausschreiten und
den kampfwillig emporgerichteten Gewehren seinen passenden Ausdruck. Die Figuren sind
gliederpuppenhaft, in konstruktivistischer Manier gehalten. Jegliche individuelle Züge werden
vermieden, selbst die Gesichtszüge und die Modulation der Finger fallen der Stilisierung zum
Opfer, wodurch die Figuren zu Stellvertretern für die gesamte Marine beziehungsweise die
Rote Armee werden. Wie in der Politik, besann man sich auch in der Kunst auf die
Traditionen der russischen Revolution und sah in der Aufführung dieser Stücke einen
vorbildlichen Beitrag für das Verständnis der Geschichte des »russischen Brudervolkes«.
Ein Rückgriff auf die Kunstgeschichte ist ein gängiges Mittel der Plakatgestalter. Es handelt
sich dabei häufig um Rückbezüge auf konkrete Kunstwerke, wie die oben genannte
Lithographie von Lebedew, oder die für das Berliner Ensemble so charakteristische
Friedenstaube von Pablo Picasso, die am Bühnenvorhang auf Initiative Brechts angebracht
wurde.
Ist das Plakat zu Shakespeares »Sommernachtstraum« noch szenisch-illustrativ und das zu
der »Nathan«-Inszenierung auf die typisierte Darstellung der Hauptfiguren beschränkt, wird
die recht kleinteilige, an realistischen Prinzipien orientierte Gestaltungsweise in Helmut
Brades Plakatentwurf für eine Inszenierung von Max Frischs »Don Juan oder Die Liebe zur
Geometrie« im Landestheater Halle aufgegeben. Die geometrische, signethafte Figur ist eine
originelle Umsetzung des Untertitels und birgt zugleich einen Hinweis auf die Handlung des
Stückes, in der, in parodistischer Umkehrung zur literarischen Vorlage, der Held nicht die
Frauen liebt, sondern die »männliche Geometrie«, und in Furcht vor falschen Gefühlen nach
der Offenbarung des Geistes strebt.
Verstärkt kommt auch die Photomontage zum Einsatz, die in den zwanziger Jahren
entwickelt und von John Heartfield perfektioniert wurde. Man baute auf die dokumentarische
Wirkung der Photographie und nutzte die persuasiven Fähigkeiten, die sie im verfremdeten
Zusammenhang mit der Montage entwickelte. Eine Photocollage zu Jean Paul Sartres Stück
»Die respektvolle Dirne« aus der Hand Klaus Wittkugels, dessen Arbeiten seine
Schülerschaft bei Heartfield nicht leugnen können, besticht durch die phantasievolle
Zusammensetzung photographischer und graphischer Einzelelemente. Die Konzentration
liegt jedoch auf den Köpfen der zwei Hauptfiguren, die – obwohl durch Rahmung getrennt –
in ein spannungsreiches Verhältnis gesetzt werden.12
Ein Plakat zu Heiner Müllers »Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande«, einer
Inszenierung des Staatsschauspiels Dresden im Jahr 1984, arbeitet ebenfalls mit
Photographie und Montage und setzt auf den Kontrast eines beschmutzten Gummistiefels zu
einem adretten modischen Straßenschuh. Auf diese Weise wird die Assoziation von zwei
völlig unterschiedlichen sozialen Gesellschaftsschichten hervorgerufen und somit bereits auf
den das Stück bestimmenden Grundkonflikt zwischen dem Parteisekretär Flint und dem
arbeitsscheuen Fondrak hingewiesen. Näheres erschließt sich dem Betrachter jedoch erst,
nachdem er das Stück gesehen hat: Es schildert die gesellschaftlichen Veränderungen des
Lebens auf dem Lande in der DDR, das durch finanzielle Not und soziale Spannungen
gekennzeichnet ist, als Folge der 1945 verordneten Bodenreform, der Landverteilung an die
Umsiedler und der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft. Am Beispiel von
mehreren Personen werden die Widersprüche beim Aufbau des Sozialismus offengelegt,
Enteignungen werden in kritischem Licht gezeigt: Zunächst als Errungenschaft gefeiert, stellt
sich bald heraus, daß die verteilten Flächen zu klein sind und die zur Verfügung gestellten
Traktoren für ihre Bestellung nicht ausreichen. Jegliches Vertrauen in die Versprechungen
der Partei ist verloren. Selbst die Gründung einer Genossenschaft auf Initiative des
Idealisten Flint vermag die Mißstände und die Unzufriedenheit der Bauern nicht zu
beseitigen. Einige von ihnen, darunter auch Fondrak, gehen gar in den Westen. Die Brisanz
dieses Themas führte zur Absetzung des Stückes durch die Behörden unmittelbar nach
seiner Uraufführung durch die Studentenbühne der Hochschule für Ökonomie in BerlinKarlshorst am 30. September 1961 in einer Inszenierung von B. K. Tragelehn und darüber
hinaus zum Ausschluß Müllers aus dem Schriftstellerverband der DDR.13 Die kritische Sicht
auf die Entwicklung der DDR-Gesellschaft und der anarchistische Charakter des Fondrak
waren bis Mitte der siebziger Jahre nicht tolerierbar. Erst 1976 erfuhr »Die Umsiedlerin« in
einer überarbeiteten Fassung an der Berliner Volksbühne eine Wiederaufführung.
Neben der Verwendung photographischer Bildmittel arbeiteten Künstler mit Symbolen, die
für das Stück charakteristisch sind. So verwendete Rudolf Grüttner in seinem Entwurf zu
Schillers »Jungfrau von Orléans« eine weiße Lilie und den Handschuh einer Ritterrüstung,
die stellvertretend für die »reine Jungfrau« und »Kriegerin« stehen: »Berufen bin ich zu ganz
anderm Werk, / die reine Jungfrau nur kann es vollenden. / Ich bin die Kriegerin des
höchsten Gottes, / und keinem Manne kann ich Gattin sein.«14
Einige Plakate gehen über den Inhalt der literarischen Vorlagen weit hinaus und verwenden
eine allgemeinere Symbolsprache. Thomas Schallnaus Lösung aus dem Jahr 1984 für eine
Inszenierung von Brechts »Mutter Courage« am Maxim-Gorki-Theater Magdeburg zeigt eine
Symbiose aus Kanonenrohr, Totenkopf und nach Geldmünzen greifendem Monster. Es kann
einerseits vor dem Hintergrund des Brechtschen Stückes die Motivation der Mutter Courage,
am Krieg ihren Profit zu machen, offenlegen, aber auch als Sinnbild für Kriegsfinanzierung
und ihre tödlichen Folgen gelten. Für die Kinder der »Courage« enden der Krieg wie auch
der darin realisierte Geschäftssinn der Mutter tödlich. Die politische Haltung des Künstlers
beziehungsweise die politisch-gesellschaftliche Interpretation der Magdeburger Bühne ist
offensichtlich. Plakaten wie diesem kommt somit neben der Ankündigung und der bildlichen
Präsentation des aufzuführenden Bühnenstückes eine politische, agitatorische Aufgabe zu.
Der unmittelbare kausale Zusammenhang zwischen Krieg, Tod und Geschäft (Kapitalismus)
ist der Mutter Courage bis zum Schluß nicht klar. Dem Betrachter des Plakates hingegen
wird dieser Zusammenhang durch den appellativen Charakter dieses surrealen Gebildes in
recht plakativer Weise vor Augen geführt.
Plakatkünstler und Theater
Die Zusammenarbeit zwischen den auftraggebenden Theatern und den Plakatgestaltern ist
ebenso wie auch die subjektive Handschrift des Künstlers ausschlaggebend für die Art des
Plakats. Die von Brecht präferierte enge Zusammenarbeit zwischen Theater und Künstlern –
am Berliner Ensemble wurde ein diskursives, für Anregungen und Kritik offenes Probenklima
gepflegt – wirkte sich unmittelbar auf die Gestaltung der Plakate aus.15 Beispielhaft mag
dies an einem Entwurf des Bühnenbildners Karl von Appen zu einer Inszenierung des
Brecht-Stückes »Der gute Mensch von Sezuan« im Berliner Ensemble aufgezeigt werden.
Vom rein funktionalen Standpunkt, das heißt, von der visuellen und werblichen Schlagkraft
aus gesehen, erscheint die Arbeit des Bühnenbildners Karl von Appen zunächst wenig
effektvoll. Durch seine kleinteilige und detailreiche Aufmachung wirkt das Plakat auf den
ersten Blick unübersichtlich, macht aber andererseits dadurch neugierig. Die gestalterische
Umsetzung des angekündigten Bühnenstückes ist gleichzeitig Ausdruck der langjährigen
und intensiven Zusammenarbeit von Bertolt Brecht und Karl von Appen. Brecht hatte den
damaligen Chefbühnenbildner des Staatsschauspiels Dresden 1953 nach Berlin geholt. Die
Gestaltung des Plakats ist für die bühnenbildnerische Tätigkeit von Appen und somit für die
Bühnenarbeit des Berliner Ensembles programmatisch: Sie übernimmt nachweislich die
Entwürfe der Bühnendekoration sowie Elemente der Szenenbilder, Arrangement- und
Inszenierungsskizzen sowie Masken- und Kostümentwürfe.16 Der Handlungsverlauf wird
durch die Abfolge der für sich isolierten Bildelemente, das heißt, die Abbildung von
Personengruppen und Schlüsselszenen, angedeutet: Oben erscheinen die drei Götter, die
nach »guten Menschen« Ausschau halten und schließlich Shen Te finden, die sich
gegenüber ihren bedürftigen Mitmenschen hilfreich erweist. Sie ist in der nächsten Gruppe
dargestellt. Durch ihre Nächstenliebe gerät sie in eine finanzielle Notlage, so daß sie in die
Rolle des von ihr erfundenen Vetters Shui Ta schlüpft und alle gegen Hungerlöhne für sich
arbeiten läßt. Auch diese Personengruppe zeigt das Plakat. Dabei wirkt »der leere Raum als
ein ebensowohl trennendes wie verbindendes Moment …, so wie Brecht es an der ›Malerei
der Chinesen‹ … gerühmt hatte.«17 Die einzelnen Elemente sind kleinteilig und zeugen von
einer genauen Beobachtung der Szenerie. Somit stellt sich ein Charakteristikum der
Theaterplakate von Appen dar, der tendenziell auf den klassischen »eye-catcher«
verzichtete; stattdessen wählte er eine komplexe, nicht selten auch verschlüsselte
Gestaltungsweise, die das Milieu der Handlung einfängt. Diesen »Milieuzitaten« ist ein hoher
»Grad von sinnlicher Authentizität« eigen.18
Die Besonderheiten der Arbeit Karl von Appens werden deutlicher im Vergleich mit einem
Plakat aus dem Jahr 1970 zu einer Inszenierung desselben Stücks durch den Brechtschüler
Benno Besson an der Berliner Volksbühne, für die er auch das Bühnenbild entwarf. Das
Plakat arbeitet mit den Antagonismen Schwarz und Weiß beziehungsweise Gut und Böse.
Es handelt sich um zwei voneinander abgewandte, stark stilisierte weibliche und männliche
Gesichtshälften, die ihrerseits nochmals in ein schwarzes und weißes Viertel geteilt sind. Die
schematische Darstellung verweist einerseits auf die Verwendung von Masken in dieser
Inszenierung. Andererseits kündigt sie das durch das Stück nachgezeichnete Rollenspiel der
gutmütigen Shen Te an, die in ihrer Not die Rolle des skrupellosen Shui Ta annimmt. In
dessen Maske – auf dem Plakat durch die schwarze Farbe angedeutet – setzt sie mit harter
Hand ihre geschäftlichen Interessen durch. Die Handlung sowie die in der Figur der Shen Te
konträr angelegten Charaktere werden dadurch sehr ausdrucksvoll konturiert: »Euer
einstiger Befehl / gut zu sein und doch zu leben / zerriß mich wie ein Blitz in zwei Hälften«,19
gibt sie den Göttern zu bedenken, als der Schwindel auffliegt. Gegenüber der eng an die
Theaterarbeit angelehnten Arbeit von Appen kommt bei dem Entwurf von Achim Freyer noch
eine weitere Dimension hinzu: Die visuell-zeichenhafte Umsetzung von »Gut« und »Böse«
geht über die Inhalte des Brecht-Stückes hinaus und wird zu einem Sinnbild, das sich dem
Betrachter folgendermaßen erschließt: Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, wahrer Charakter
und Maskerade sind nicht immer leicht voneinander zu trennen und zu unterscheiden.
Bühnenbild und Plakat sind zwei Kunstformen mit völlig unterschiedlichen Erfordernissen.
Während es sich beim Bühnenbild um keine selbständige Kunstgattung handelt, sondern um
einen dem Gesamtkunstwerk einer Theateraufführung dienenden Teil, ist das Medium Plakat
bezüglich seiner öffentlichen Wirkungszusammenhänge autark. Appen lehnte jede
Verselbständigung seiner Bühnenkunst ab und strebte eine Funktionalisierung der
Dekoration an. Ganz im Sinne Brechts orientierte er sich genau an den Bedürfnissen der
Handlung und der Schauspieler: »Es erwies sich, daß auf der Bühne tatsächlich die Dinge
genügten, mit denen der Schauspieler unmittelbar umging: Kostüme, Requisiten, einiges an
Möbeln, Zitate einer Landschaft. Und daß sich der Darsteller … mühelos selbst den
szenischen Raum zu schaffen wußte, wenn man ihm die Freiheit dazu ließ. Das mußte die
erste Aufgabe des Bühnenbildners sein … Das, was so lange als ›Krise des Bühnenbilds‹
umgegangen war, dieses Sich-Überbieten in immer neuen Raumkonstruktionen, … löste
sich auf, wenn sich der Bühnenbildner als Menschenbildner begriff und begann, die Szene
statt von außen von innen her, aus der Figur, dem Arrangement zu bauen …«20 Für Appens
Zusammenarbeit mit Brecht bedeutete das konkret die Einbeziehung des Bühnenbildners in
die Regiearbeit mittels Arrangementzeichnungen, die einen wichtigen Bestandteil der
optischen Dramaturgie darstellten,21 bis dahin allerdings vorwiegend als Sache des
Regisseurs erachtet wurden. Diese Art Arbeitsverbund von Brecht mit Appen, wie zuvor auch
zwischen Brecht und Caspar Neher, prägte das berufliche Selbstverständnis der
Bühnenbildner und machte Schule. So ist es nur verständlich, daß Appen auf seine
Bühnenentwürfe, Arrangementskizzen und Bilderzyklen, die er zu diversen Inszenierungen
von Brechtstücken in farbprächtiger Gouachetechnik schuf, zurückgriff.22
Die enge Verquickung von Bühnenbild und Plakat sowie der optische Niederschlag der
Zusammenarbeit von Bühnenbildner und Regisseur sind auch bei den Plakatentwürfen des
Malers und Bühnenbildners Heinrich Kilger zu beobachten. Seine Rolle für das Deutsche
Theater, dessen Chefbühnenbildner er seit 1947 war, ist mit derjenigen Karl von Appens für
das Berliner Ensemble vergleichbar. In der nachhaltig wirkenden Zusammenarbeit Kilgers
mit Wolfgang Langhoff in den fünfziger und sechziger Jahren war er vor allem um die
deutsche klassische Dramatik bemüht, arbeitete aber auch mit jungen Autoren, für die er
zahlreiche Bühnenentwürfe schuf. Wie Appen gestaltete er auch einige Plakate zu den
Vorstellungen. Jenes zur damals umstrittenen Inszenierung von Shakespeares »König Lear«
im Jahr 1957 ist stilistisch und formal stark an der Konzeption des Bühnenbilds orientiert. Für
das Plakat übernahm Kilger einzelne Figurenelemente aus dem für die Inszenierung so
wichtigen halbhohen »Shakespeare-Vorhang«, der bei jeder neuen Szene von zwei
Personen aufgezogen wurde.23 Die menschlichen und tierischen Figuren und ihre
»verzerrten Gesichter, in denen in großer Anspannung menschliche Züge einen tierischen
Ausdruck angenommen haben, schrecklich, mit Augen des Entsetzens, mit Todesblässe, mit
dem Eindruck entsetzlicher Kälte, so als seien sie kalte Kriechtiere …«,24 erinnern an die
Darstellung existentieller Bedrohung und Todesangst der durch die Bombardierung seitens
der Nationalsozialisten bedrohten Menschen und an die Schreie selbst der stummen Kreatur
in Picassos »Guernica«. Die Gesichter sind stark stilisiert, Kilger verzichtet hier auf Details,
ganz im Sinne seines Bestrebens, »innere Wahrheit« zu gestalten, statt »äußere
Wirklichkeit« und einen »Abklatsch der Natur« abzubilden.25 Der dunkle, in stumpfen,
bräunlich-violetten, schwarzen und giftig-grünen Tönen gehaltene Hintergrund zeigt die
Morbidität der Welt Lears auf und stellt eine Analogie zu der (Farb-)Gestaltung der Bühne
dar, die ebenfalls durch allerlei Verfallsspuren gekennzeichnet war. Damit unterstützte das
Bühnenbild die erste konsequente Durchführung einer marxistischen Lesart dieser
Shakespeare-Tragödie, in der Wolfgang Langhoff »die sozialen und politischen Triebkräfte
des Geschehens bloßlegte und den Vernichtungskampf der Leidenschaften dialektisch in
eine ihrem Untergang entgegentaumelnde Gesellschaftsordnung stellte«.26
Die Gestaltung von Plakaten steht am Beginn der künstlerischen Laufbahn von Dietrich
Kaufmann, der seit Ende der fünfziger Jahre mit seinen Werken für die Komische Oper das
Profil dieses Berliner Hauses entscheidend mitgestaltete. Sein Plakat ist eine ungewöhnliche
Umsetzung von Mozarts »Così fan tutte«. Thema der Oper ist die Treueprobe der Bräute
durch ihre eigenen Verlobten, zwei Offiziere, veranlaßt durch eine Wette. Sind für die
Handlung Verkleidung, Maskerade und Verstellung kennzeichnend, wird der Betrachter auf
dem Plakat hingegen mit der Blöße eines Paares konfrontiert, das überraschenderweise
ikonographisch Anlehnungen an die biblische Paradiesszene aufweist. Der Theaterkritiker
Hans-Gerald Otto formulierte 1962 anläßlich dieser Inszenierung unter der Leitung von Götz
Friedrich, daß für Aufführungen Mozartscher Werke auf Opernbühnen eine den Charakteren,
Situationen und Empfindungen seiner Personen angemessene »wahre, realistische
Darstellung« anzustreben sei, worunter er »die Anwendung der Prinzipien des realistischen
Musiktheaters bei der Inszenierung Mozartscher Bühnenwerke« verstand.27 Offenbar
glaubte der Kritiker in der besprochenen Inszenierung eine Rehabilitation des bislang falsch
verstandenen, durch »peinliche Frivolität« gekennzeichneten Stückes zu erkennen: »Hier
wird aufgeräumt mit jenen leichtfertigen Witzeleien und Tändeleien, jenem Verspotten
angeblich weiblichen Wesens (›So machen es alle!‹), jenem Spaß um des Spaßes willen, bei
dem Charakterzeichnung und logische Handlungsführung zweitrangig, unnötig, nur
belastend erscheinen.« Götz Friedrichs Inszenierung fokussiere die Handlung auf
»menschliches Versagen, aber auch die Größe und Schönheit echten Gefühls. Die Frauen
werden nicht verdammt, sondern emporgehoben«, da sie ihre »ewig-weibliche
Wesenhaftigkeit, zu lieben und geliebt zu werden, bewiesen«.28 Die Blamierten seien die
Männer, die dies aus rücksichtslosem Egoismus ausnutzten. Die Nacktheit der Figuren auf
Kaufmanns Plakat ist fern von jeglicher Frivolität. Er reduziert die Oper auf eine »boy-meetsgirl«-Geschichte, da nur zwei Figuren der Vierer-Konstellation dargestellt sind. Sie
erscheinen recht klein vor einem duftig-blauen, nicht näher definierten Hintergrund. Darüber
hinaus ist den Figuren eine Unsicherheit anzumerken, die zwangsläufig durch die neue
Konstellation der Paare hervorgerufen wird, schließlich durchlaufen die Protagonisten
innerhalb kürzester Zeit eine komplette innere Wandlung. Rechts oben erscheint ein
wolkenartiges, in blauen Tönen gehaltenes Gesicht als scharfer Beobachter ihres
Verhaltens. Es repräsentiert nicht nur die argwöhnischen Blicke der Wettbrüder, sondern
darüber hinaus den kritischen Betrachter. Auch dieser Entwurf, wie alle der zahlreichen
Werke, die Kaufmann für die Oper fertigte, unterlag »dem strengen Urteil des Chefs der
Komischen Oper, Walter Felsenstein«, der vor allem »die Annäherungen an seine
Inszenierungen würdigte, mehr als die einfallsreichen Bildfindungen«.29
Assoziative Gestaltungen
Volker Pfüller gestaltete seine Arbeit zu Pendereckis Oper »Die Teufel von Loudun« sehr
frei. Ein tintenfleckartiges Gebilde, von dessen starker Expressivität eine bedrohliche
Wirkung ausgeht, wird zur Inkarnation des Teuflischen und Bösen als adäquater Ausdruck
der infamen Intrige. Bei einer derart individuellen Gestaltung und dem Ausloten
experimenteller Ausdrucksmöglichkeiten ist festzustellen, daß die Interessen des Theaters
oder Spezifika des Stückes in den Hintergrund treten. Der klassischen Aufgabe eines
theatralen Veranstaltungsplakates, nämlich Werbung und Ankündigung eines bestimmten
Stückes zu sein, wird eine neue Ebene hinzugefügt. Dennoch gibt es zahlreiche
überzeugende und einfallsreiche Werke bekannter Künstler und Graphiker, die im Rahmen
der speziellen Bedürfnisse des Theaters ihre Eigenständigkeit bewahren.30 Helmut Brade
entwarf ein Plakat zu Strindbergs »Totentanz«, das 1985 im Berliner Theater im Palast
gespielt wurde. Die für Strindberg typische Konstellation einer konfliktbeladenen Beziehung
eines Paares, die durch gärende Feindseligkeit und Aggressionen gekennzeichnet ist – von
Strindberg mit dem Wort »Liebehaß« charakterisiert –, wird von dem Künstler gekonnt
umgesetzt. Die Aggressivität und die Verletzungen, die von der Lüge bis zum Ehebruch
reichen, werden durch die im Gesicht und am Körper steckenden Nadeln sowie die starren,
abweisenden Blicke sinnfällig. Die Unauflösbarkeit und Unausweichlichkeit dieses als
existentiell gekennzeichneten Zustandes wird durch die Fesseln symbolisiert, die beide fest
aneinanderbinden. Der giftig-grüne, abweisend kalte Farbton im Hintergrund und die fahle
Hautfarbe der Figuren vermitteln etwas von der vergifteten Atmosphäre: »Was geht hier vor?
Es riecht nach giftigen Tapeten, und man wird krank, wenn man bloß hereinkommt … und
hier wird gehaßt, daß einem das Atmen schwer wird.«31 Brade bringt die
Zustandsschilderung des grundlos anmutenden Eheterrors und motivlosen Hasses und die
Erkenntnis des Paares über die existentielle Unauflösbarkeit der eigenen Beziehung treffend
auf den Punkt.
In ähnlicher Weise transportiert auch Volker Pfüller die Basisaussage von Euripides’
»Medea«. Er zeigt eine von intensivem Schmerz Gequälte, die durch ihr Schicksal völlig
außer sich geraten ist. Im Unterschied zu Brade, der den Strindbergschen »Liebehaß« in
eine statische Konfiguration faßt, stellt Pfüller den Ausbruch der Emotion expressiv dar.
1972 machte der Regisseur Horst Schönemann von sich reden, der 1972 Ulrich Plenzdorfs
»Die neuen Leiden des jungen W.« mit Dieter Mann in der Rolle des Edgar Wibeau
inszenierte. Das Stück nutzte die Freiräume einer liberaleren Kulturpolitik, wie sie in der
ersten Zeit nach der Ära Walter Ulbrichts möglich war; trotzdem gab es von offizieller Seite
Kritik an der Inszenierung. Im Mittelpunkt steht der siebzehnjährige Edgar, der seine Lehre
aufgibt und nach Berlin geht. Durch sein Streben nach Individualität, geprägt durch seinen
gegen die spießige und phantasielose Erwachsenenwelt rebellierenden Helden aus J. D.
Salingers Roman »Der Fänger im Roggen«, gerät er immer wieder in Konflikte. Ausdruck
seines Aufbegehrens, jugendlicher Rebellion und seiner Selbstverwirklichungswünsche sind
Jeans, lange Haare und Popmusik. Diese Vorlieben finden ihre visuelle Entsprechung in der
poppigen, durch grelle Farbkontraste (Pink, Gelb, Blau) gekennzeichnete Aufmachung des
Plakates ebenso wie in der Modernität des von Plenzdorf benutzten Sprachstils, der den
Jargon der DDR-Jugend aufnimmt. Das auf dem T-Shirt aufgedruckte »W« ist eine Analogie
der Anfangsbuchstaben der Nachnamen Wibeau und Werther und Hinweis auf die
Identifikation Edgars mit der Goetheschen Titelfigur. Deren Leiden sieht er als Spiegelung
seiner eigenen unglücklichen Leidenschaft zu der Kindergärtnerin Charlie. Die hier gestellte
Frage nach dem Freiraum des Individuums in der sozialistischen Gesellschaft sowie nach
der zeitgemäßen Aneignung des klassischen Erbes löste eine Diskussion aus.32 Der
Rahmen, der die Figur des »jungen W.« anschneidet, weist auf den Wechsel zwischen der
Ebene der Handlung und der des Kommentars hin. Edgar, der durch einen elektrischen
Schlag eines von ihm entwickelten Gerätes stirbt, kommentiert das Geschehene »aus dem
Jenseits« und relativiert teilweise sogar sein Verhalten in der Vergangenheit. Durch den
Kunstgriff, auf dem Plakat einen Rahmen um die Figur zu spannen, wird die in der
Literaturvorlage angelegte Distanzierung Edgars zur Vergangenheit sinnfällig.
Zusammenfassung
Diese Beispiele aus der Sammlung der Theaterplakate des Deutschen Historischen
Museums legen Zeugnis ab von dem sukzessiven Wandel, den kulturelle Plakate seit Ende
der vierziger Jahre erfuhren. Plakatgestalter und Künstler beschritten neue Wege visueller
Kommunikation: Ungeachtet erheblicher qualitativer Unterschiede zeichnet sich eine
Tendenz zum visuell Ausgefeilteren ab, das anspruchsvoller und vielschichtiger wird und
somit auch immer höhere Ansprüche an den Rezipienten stellt.33 Zunehmend setzen sich
eine freiere Gestaltung und die Kombination von bildkünstlerischen und photographischen
Gestaltungsmitteln durch, wie sie etwa die Plakate zu der Oper »Iphigenie in Aulis« von
Christoph Willibald Gluck oder zu Volker Brauns »Übergangsgesellschaft« zeigen. Aber auch
die Verwendung symbolisch-zeichenhafter Metaphern, wie in Erhard Grüttners Plakat, das
eine Inszenierung der Städtischen Theater Karl-Marx-Stadt von Goethes »Faust« zum
Thema hat, kann sich zunehmend etablieren. Hier wird in einfachen symbolischen Formen
der lineare Lebenslauf des Doktor Faustus zwischen den polaren, widerstreitenden Kräften
des Himmels und der Hölle visualisiert. Die Darstellung wird somit auf die die Handlung
bestimmenden Elemente reduziert, vielmehr fokussiert: Geburt und Tod werden durch
einfachste, jedem verständliche Zeichen wie den Geburtsstern und das Kreuz repräsentiert,
wobei beide durch die »Lebenslinie« verbunden sind, die sich im Goetheschen Kosmos
zwischen den polaren Kräften Himmel und Hölle spannt, hier vertreten durch Stern und
Flamme.
Die Zielgruppe eines Theaterplakates bleibt meist regional beschränkt, und nur in den
seltensten Fällen wird es direkt zu einem Theaterbesuch überredet haben.34 Seine
wichtigsten kommunikativen Aufgaben bestehen darin, den Gegenstand der Veranstaltung
sowie Aufführungsort und -zeit zu nennen. Dabei zeichnet sich eine Entwicklung vom rein
szenisch-illustrativen Plakat hin zu komplexeren Darstellungen ab. Es »deutet sich ein
gewisser Funktionswandel vom ursprünglich nur zweckorientierten Werbemittel zu einem
eigenen künstlerischen Ausdrucksmittel an. Vielfach nähert es sich dabei der freien
Graphik.«35 Die Übertragung des zunächst abstrakten Inhalts eines Programms oder einer
literarischen Vorlage in eine bildhaft-anschauliche Form wird durch die Plakatkünstler
unterschiedlich gelöst, die einmal mehr an die Rationalität, ein anderes Mal eher an die
Emotionalität ihrer Rezipienten, der Betrachter und Theatergänger, appellieren. Gleichwohl
konnten die Theaterplakate von einer konzentrierten »Telegrammstilform«36, die ein
schnelles Erfassen der Inhalte ermöglicht, nicht ganz frei sein. Die häufig interpretativen
Entwürfe enthalten zunehmend eine Deutung des inszenierten Werkes, wodurch eine
gewisse Erwartungshaltung geschürt wird. Sie können zunächst eine Schlüsselszene, eine
das Stück bestimmende Grundstimmung oder aber die Basisaussage des Stückes enthalten.
Darüber hinaus halten sie über das Stück hinausgehende Aussagen parat, die sich einem
interessierten oder intellektuellen Publikum erschließen.
Ebenso gewährleisten Plakate einen gewissen Wiedererkennungseffekt, da sie an den
Bühnenbildern orientiert sein können und es sich wie im Falle der Arbeiten Karl von Appens
um genaue Reproduktionen der szenischen Arrangements und bis ins Detail gehende
Abbildungen der Kostümentwürfe handelt. Zuletzt kann mittels des Plakats vom
Theaterbesucher der Handlungsverlauf des Stückes jederzeit memoriert werden, wobei die
»Sinnbilder« oder die ausgewählten Details sozusagen eine Schlüsselfunktion übernehmen,
durch die das Gesehene wieder ins Gedächtnis gerufen wird. Theaterplakate erfordern
häufig die Kenntnis der literarischen Vorlage. Nur dann können die behandelten Themen,
Bilderrätsel, literarischen und ikonographischen Anspielungen entschlüsselt werden.
anmerkungen
01
Gebrauchsgrafik in der DDR …, 1975, S. 6.
02
Ebd.
03
Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 334.
04
Ihr Erster Vorsitzender war Klaus Wittkugel. Vgl. dazu auch: Gebrauchsgrafik in der
DDR …, S. 47 f.
05
Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 202 f. Dies gilt
auch für die im folgenden noch ausführlicher behandelten Plakate zu Brechts »Der gute
Mensch von Sezuan«. Schon Rademacher (ebd., S. 331) weist darauf hin, daß der
Auftraggeber die verläßlichste der Kategorien sei, an denen
die Theaterplakate gemessen werden könnten.
06
Viele Plakate aus anderen Sparten der Unterhaltungsbranche mußten in diesem
Rahmen unberücksichtigt bleiben:
so die Plakate des »Metropol-Theaters«, der Kabaretts »Die Distel« und »Herkuleskeule«
sowie Plakate zu Ballett- und Musikveranstaltungen.
07
Zur Funktion der Typographie vgl.: Gebrauchsgrafik in der DDR …, 1975, S. 23, und
Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 332 f.
08
Theater in der Zeitenwende. Zur Geschichte des Dramas und des Schauspieltheaters
in der Deutschen Demokratischen Republik. 1945-1968, 2 Bde., Berlin 1972, Bd. 1, S. 69.
09
Ebd., Bd. 1, S. 76.
10
Schütrumpf: »Die Klassik …«, in: Parteiauftrag …, 1998, S. 196-203, S. 199, 201.
11
Theater in der Zeitenwende … (vgl. Anm. 8), Bd. 1, S. 219. Zur Repertoirepolitik vgl.
ausführlich dieselbe Publikation insgesamt.
12
Rademacher: Das deutsche Plakat …, 1965, S. 268.
13
Peter Hacks: »Über den Vers in Müllers Umsiedlerin-Fragment«, in: Theater der Zeit,
Berlin 1961, H. 5, S. 47-54; erneut in: Peter Hacks: Essais, Leipzig 1984, S. 143-148.
U. Allemann: »Der Säufer als Utopist«, in: Theater heute, 1976, H. 8, S. 10-13.
14
Julius Petersen / Gerhard Fricke u. a. (Hrsg.): Schillers Werke. Nationalausgabe, 43
Bde., Weimar 1943 ff., Bd. 9, hrsg. von Benno Wiese und Lieselotte Blumenthal, Weimar
1948, S. 252.
15
Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 337.
16
Vgl. dazu insbesondere den Bildteil in: Dieckmann (Hrsg.): Karl von Appens
Bühnenbilder …, 1971, S. 250-259. Zum Stück und zur Inszenierung ausführlich ebd., S.
108-115.
17
Dieckmann: »Bühnenbildarbeit am Berliner Ensemble …«, in: Berliner Ensemble,
1974, S. 41-49, S. 44.
18
Hacks: »Über den Vers in Müllers Umsiedlerin-Fragment …« (vgl. Anm. 13), S. 47-54;
erneut in: Hacks, Essais … (vgl.
Anm. 13), 1984, S. 143-148. Allemann: »Der Säufer als Utopist …« (vgl. Anm. 13), S. 10-13.
19
Werner Hecht / Jan Knopf / Werner Mittenzwei / Klaus-Detlef Müller (Hrsg.): Bertolt
Brecht. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, 30 Bde., Berlin / Weimar /
Frankfurt (Main) 1988 ff., Bd. 6, 1989, S. 275.
20
Appen: »Der Bühnenbildner als Menschenbildner …«, 1968; erneut in:
Bühnenbildarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik …, 1971, S. 10-16, S. 13 f.
21
»Ich fange damit an, daß ich versuche, ein Stück optisch zu erzählen; erst dann
beginnt die Arbeit an der Umwelt des Schauspielers.« Appen: »Gespräch über Bühnenbild
…«, 1969; erneut in: Bühnenbildarbeit in der Deutschen Demokratischen Republik …, 1971,
S. 25-33, S. 25.
22
Dieckmann (Hrsg.): Bühnenbildner der Deutschen Demokratischen Republik …,
1978, S. 7, 9.
23
Funke: Der Bühnenbildner Heinrich Kilger …, 1975, S. 17, S. 31. Vgl. auch Abbildung
bzw. Entwurf des Vorhangs, ebd. (Abb. 69, Abb. 107), Abbildungsteil ohne Paginierung.
24
»Der Theaterkritiker Ljubomir Tenew«, in: Presse der Sowjetunion, 14. Mai 1961,
zitiert nach Funke: Der Bühnenbildner Heinrich Kilger …, 1975, S. 31.
25
Vgl. Kilger: »Ähnlichkeit und Wahrheit …«, 1948, abgedruckt in Funke: Der
Bühnenbildner Heinrich Kilger …, 1975, S. 110-112.
26
Funke: Der Bühnenbildner Heinrich Kilger …, 1975, S. 30-32.
27
Otto: »Konzeption und Umsetzung …«, 1962, S. 35-39, S. 36.
28
Ebd., S. 38.
29
Ausst.-Kat.: Dietrich Kaufmann …, 1988, S. 44. – Walter Felsenstein prägte als
langjähriger Intendant (1945-1975) das Profil der Komischen Oper. Er etablierte ein
»realistisches Musiktheater«, das sich gegen die Oper als Stätte der Stimmartistik und als
Kostüm- und Ausstattungsspektakel wandte. Stattdessen förderte er das Schauspiel von
Sänger-Darstellern, das die Oper in die Nähe des Sprechtheaters brachte.
30
Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 205.
31
Artur Bethke (Hrsg.): August Strindberg. Dramen in 3 Bänden, München/Wien 1984,
Bd. 3, S. 24 f.
32
Die Diskussion wurde in den Jahren 1972/73 unter anderem in der Zeitschrift »Sinn
und Form« ausgetragen.
33
Rademacher: Theaterplakate …, 1990, S. 204.
34
Ebd., S. 202.
35
Gebrauchsgrafik in der DDR …, 1975, S. 17.
36
»Wenn man ein Plakat macht, darf man nicht schwafeln, ein Plakat ist ein visuelles
Telegramm.« Ausst.-Kat.: Dietrich Kaufmann …, 1988, S. 8.
Doris Müller
„Film ab!“ – Plakate der DEFA und des Progress-Film-Verleihs
»Filmplakate sind nie besser als ihre Auftraggeber. Sie wollen seit jeher Aufmerksamkeit
erregen, um Wirkung zu erzielen.«1 Dieser allgemeinen Einschätzung zuzustimmen, fällt
nicht schwer. Doch mit welchen Mitteln erreicht der Plakatgestalter die angestrebte Wirkung?
Die folgende Betrachtung einer kleinen Auswahl von Filmplakaten der DEFA und des
Progress-Film-Verleihs zeigt einige Gestaltungsmöglichkeiten, deren sich die Graphiker
bedienten, um die potentiellen Kinogänger für den beworbenen Film zu interessieren.
Ein kurzer Rückblick
Ein Blick in die Geschichte des Filmplakats zeigt, daß bereits zu Anfang des 20.
Jahrhunderts Forderungen nach inhaltlicher wie formaler Popularität dieses Werbemittels,
nach dynamischer, konzentrierter Gestaltung und motivischer Zuspitzung gestellt wurden.
Wie der Film selbst, so war auch das Filmplakat zunächst in der Sphäre der Jahrmärkte
angesiedelt und dementsprechend grell aufgemacht. Höhere Ansprüche an die Gestaltung
der Werbemittel für den Film entwickelten sich parallel zu dessen Wahrnehmung als
künstlerisches Medium. Großen Anteil an der bereits früh geführten Debatte über die
Gestaltungskriterien für das Filmplakat hatte die von Hans Sachs 1910 ins Leben gerufene
Zeitschrift »Das Plakat«, Organ des ebenfalls von ihm begründeten »Vereins der
Plakatfreunde«. Im Zuge der allgemeinen Aufwärtsentwicklung der Gebrauchsgraphik seit
Mitte der zwanziger Jahre wurde dann auch die Filmreklame anspruchsvoller. Stellvertretend
für viele andere seien hier Graphiker wie Theo Matejko, Josef Fenneker und Otto Arpke
genannt.
Auftraggebende Institutionen der DDR-Filmwerbung
Der erste Jahresbericht der Presseabteilung der »Deutschen Film-AG« (DEFA)2 für 1946
enthält eine ganze Reihe aufschlußreicher Bemerkungen zur Filmwerbung. Hier wird
erwähnt, daß deren Geschäftsführer Alfred Lindemann die Bereiche Presse und Propaganda
unter seiner Leitung vereinigt habe, was ein stärker zielgerichtetes Arbeiten ermögliche.3 Die
Herstellung der Filmreklame für die sowjetischen und die DEFA-Filme oblag zunächst noch
allein dem sowjetischen Verleih »Sovexport«. Dazu gehörten »künstlerische, lithographische
Plakate großen und kleinen Formats«, ferner die »Film-Revue«, Librettos,
Presseinformationen und auch die Fassadenreklame der Kinos. »Sovexport« machte
verbindliche Gestaltungsvorschläge, und das von dort bereitgestellte Material durfte nicht
abgelehnt werden.4 Zuständig für das gesamte Gebiet der Werbung »in allen Formen« für
Filme in der DDR sowie die Anleitung und Kontrolle sämtlicher vom Verleih
herausgegebener Werbematerialien war die Abteilung Agitation und Presse des »Staatlichen
Komitees für Filmwesen«.5 Die Filmplakate wurden im Einvernehmen mit der DEFA von der
»Progress-Film-Vertriebs-GmbH« (später dann »VEB Progress-Film-Verleih«) hergestellt
und von der »Deutschen Werbe- und Anzeigengesellschaft« (DEWAG) verteilt und
angebracht.
Filmplakate der DEFA
Die Gestaltung der Filmplakate in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der frühen
DDR zeigt sich in erster Linie recht konventionell. In den fünfziger Jahren überwogen die
szenisch-illustrativen Bildformen einschließlich deren Verbindung mit dem Porträt- oder
sogenannten Kopf-Plakat. Häufig findet man die Zusammenstellung von Porträt und Szene
als Großaufnahme und Ausschnitt. Einzelne Plakatkünstler, wie Werner Gottsmann, John
Heartfield und Klaus Wittkugel, arbeiteten allerdings bereits in dieser Zeit mit Montagen,
verbanden Photographie und Zeichnung und bezogen die filmischen Effekte der Projektion
und Überblendung in ihre Gestaltungen ein. Derartige Verfahrensweisen, die schon in den
zwanziger Jahren entwickelt worden waren, sind – ebenso wie symbolisch-verweisende
Bildformen – zunehmend erst seit Ende der fünfziger Jahre zu finden.
Eine ebenso schlichte wie sinnige Formel könnte lauten: Ein gutes Filmplakat ist ein
wirkungsvolles Filmplakat, das heißt eines, das die Menschen dazu anregt, sich den Film
anzusehen. Welche Gestaltung garantiert aber diese Wirkung? Eine gängige Auffassung
besagt, daß »allen erfolgreichen Kinoplakaten die Darstellung menschlicher Urszenen,
emotionaler Ausnahmesituationen, gemeinsam« sei,6 also die Visualisierung von Gefühlen
wie Leidenschaft, Angst, Verzweiflung, Wut etc. Und diese Darstellungen seien
notwendigerweise naturalistisch, um schnell verstanden zu werden. Hintergründiger Witz und
Geistesreichtum scheinen hier keinen Platz zu haben. Im Laufe seiner Geschichte hat das
Filmplakat tatsächlich relativ konstante Darstellungstechniken entwickelt, die alle darauf
abzielen, »unsere Vorstellungskraft durch die Aktivierung von Gedächtnisspuren in Gang zu
setzen«.7 Nicht von der Hand zu weisen ist, daß künstlerisch anspruchsvoll gestaltete
Plakate, die sich einer weniger naturalistisch-szenischen, einer eher verweisenden,
abstrahierenden Formensprache bedienen, Gefahr laufen können, nicht auf den ersten
flüchtigen Blick verstanden zu werden. Doch letztlich sind Filmplakate immer »Zeichen«,
insofern sie als statisches, zweidimensionales Medium auf das transitorische, transparente
Medium Film verweisen, für es werben, auf es aufmerksam machen sollen. Sie versuchen
dessen »Bedeutungskern« zu visualisieren und arbeiten dabei häufig mit tradierten und auch
zeitimmanenten Leitbildern und Mythen, die dem Betrachter bekannt und vertraut sind und
ihn zur Identifikation anregen. Die Verdichtung des gleichsam fließenden Mediums in ein
stehendes Bild bedingt dabei Überzeichnungen und Zuspitzungen.
Die nachfolgende Typologie der DEFA-Filmplakate und der von »Progress« in Auftrag
gegebenen Plakate für ausländische Filme ist als Hilfsmittel zu verstehen. Fast kein Plakat
kommt in »Reinform« vor, sondern es verbinden sich meist zwei oder auch mehrere
Gestaltungstypen. Die vorgestellten Beispiele zeigen zudem nur einen kleinen Ausschnitt
aus dem Bestand der Plakatsammlung des Deutschen Historischen Museums. Die
notwendige Beschränkung läßt naturgemäß viele interessante und bekannte Plakate außer
acht, und die Konzentration auf die Frage nach den Gestaltungskriterien der Plakate bedingt
zudem, daß wichtige und bekannte Filme nicht berücksichtigt werden konnten, denn nicht
immer korrespondieren die politische oder künstlerische Bedeutung des Films mit der
gestalterischen Qualität des Plakats.
Zu den herkömmlichsten Gestaltungsformen für Filmplakate gehören das szenischillustrative und das Porträt- oder sogenannte Kopf-Plakat, wobei es gerade hier häufig
Überschneidungen gibt. Ferner lassen sich typographisch dominierte Plakate ausmachen,
die ebenfalls eine traditionelle Bildform darstellen, denken wir nur an das berühmte
Filmplakat für »Asphalt« von 1929. Eine weitere Möglichkeit ist die der zeichenhaftverweisenden Gestaltung, der Nutzung von Montagen beziehungsweise der Verbindung von
Zeichnung und Photographie. Andere Plakate thematisieren das Medium Film selbst,
visualisieren die filmischen Techniken der Projektion und Überblendung.
Das szenisch-illustrative Filmplakat
Gleich das erste Plakat für den 1953 von Wolfgang Staudte in Szene gesetzten Farbfilm
»Die Geschichte vom kleinen Muck«, nach dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff,
ist ein Paradebeispiel für die Verbindung von Szene und Porträt. Der Plakatgestalter Kurt
Geffers bediente sich dieser Bildform häufig. Er war ein ausgesprochener Filmplakatkünstler,
der viel für die DEFA, aber in den ersten Nachkriegsjahren auch für westliche Filmverleihe
gearbeitet hat.8 Auf dem Plakat zum Staudte-Film schwebt über der Szene einer sich auf
einen Palast mit Kuppel und Minarett zubewegenden Kamelkarawane der Kopf des kleinen
Muck vor einer maurischen Bogeneinfassung. Die ornamental gestalteten Lettern des Titels
nehmen diesen Bezug auf. Die Karawanenszene mag sich auf das Filmmotiv der
Wanderschaft des kleinen Muck beziehen. Die tricktechnischen Besonderheiten des Films
thematisiert das farbenprächtige Plakat dagegen nicht.
Eindeutiger ist der Bezug auf eine bestimmte Filmszene in Bert Hellers Plakat zu Kurt
Maetzigs 1955 gedrehtem Film »Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse«, zu dem Willi
Bredel und Michael Tschesno-Hell das Drehbuch schrieben. Dieser zweite Teil der
Thälmann-Biographie9 umfaßt den Zeitraum von 1930 bis zur Ermordung des KPDVorsitzenden im Konzentrationslager Buchenwald im August 1944. Am Ende des Films steht
die Hinrichtung Thälmanns: Er schreitet aus den irdischen Mauern in den »roten Himmel«
der Kommunisten, im Film symbolisiert durch eine wehende rote Fahne. Im »Literarischen
Szenarium« von Bredel und Tschesno-Hell ist zu dieser Schlußszene zu lesen: »…
Thälmann und das
SS-Kommando gehen durch den Korridor. Der
SS-Kommandant wendet sich an Thälmann und fragt: ›Sie wissen wohl, was kommt?‹
Thälmann: ›Ja, ein besseres Deutschland! Ein Deutschland ohne Euch!‹ Der stolze feste
Gang Ernst Thälmanns beherrscht das Bild … Der Zuchthauskorridor verblaßt. Eine rote
Fahne weht ins Bild und wischt die SS-Leute hinweg. / Siegreich flattert sie – die rote
Fahne.«10 Diese letzte Szene wird von dem Filmplakat imaginiert. Im Film ist der zur
Hinrichtung schreitende Thälmann ohne Mütze zu sehen, die als sein Erkennungszeichen
aber so elementar ist, daß Heller nicht auf sie verzichten kann. Thälmann erscheint auf dem
Plakat als heroische, überlebensgroße Gestalt. Heller fügt außerdem eine Menschenmenge
im Hintergrund hinzu, der Thälmann voranschreitet. Die Plakatgestaltung spiegelt den im
Film inszenierten Personenkult wider.
Weniger eine bestimmte Szene als die Stimmung des Films vermittelt Hans Adolf Baltzers
Plakat zu »Berlin – Ecke Schönhauser« von 1957. Der Film stellte die »verlorene«
Nachkriegsgeneration in den Mittelpunkt, zeigte Jugendliche, denen es zu Hause zu eng
wurde oder an Verständnis fehlte und die sich unter den U-Bahn-Bögen in der Schönhauser
Allee trafen. Er versuchte den sozialen Wurzeln für das Verhalten der Jugendlichen auf die
Spur zu kommen und ging dabei sehr differenziert vor. Auf dem Plakat lenkt Baltzer den
Blick von der Vordergrundfigur der jungen Frau diagonal in den Bildraum zu einem
ganzfigurig dargestellten jungen Mann. Links erinnert eine angedeutete Mauer an das
Berliner Altbau-Milieu. Die Signalfarbe Rot erscheint im Titel und in der Kleidung. So wird
einerseits der Titel mit der Szene verbunden und andererseits das Wort »Berlin«
herausgestellt. Die Gestaltung versucht, das im Film geschilderte Lebensgefühl über die
Haltung der Dargestellten auszudrücken. Die Darstellung des Mädchens mit dem engen
roten Pullover und dem Pferdeschwanz sowie die lässige Haltung des Jungen nehmen
Motive einer nicht staatskonformen Jugendkultur auf und vermitteln den Eindruck des
»Herumhängens« und Gebarens der »Halbstarken«. Der Film gestaltete ein Zeitthema, das
sowohl in Ost wie West Beachtung fand. So drehte Georg Tressler 1956 in Westberlin »Die
Halbstarken« mit Horst Buchholz und Karin Baal, der einer ganzen Gattung von Filmen ihren
Titel gab. Der Film »Berlin – Ecke Schönhauser« von Gerhard Klein war in der DDR heftig
umstritten. Ihm wurde vorgeworfen, nur problematische und negative Erscheinungen in den
Mittelpunkt zu stellen. Die Freigabe für die Kinos erhielt der Film zwar, nachdem er in
Voraufführungen bei der »Freien Deutschen Jugend« (FDJ) positiv aufgenommen worden
war, aber nach der 2. Filmkonferenz der SED im Juli 1958 wurde die Kritik an ihm
erneuert.11
In der DDR wurden durchaus auch Westfilme gezeigt, und sogar bundesdeutsche
Produktionen wie das »Schwarzwaldmädel« fanden ihren Weg in die Lichtspielsäle der DDR,
was sicher mehr erstaunt als die Vorführung der mit westdeutschen Verhältnissen kritisch
umgehenden Produktion »Das Mädchen Rosemarie« von 1958. Doch die Grenze war bei
den vordergründig unpolitischen Unterhaltungsfilmen der dreißiger und vierziger Jahre mit
Zarah Leander oder Marika Rökk erreicht, die das Publikum durchaus zu sehen wünschte. In
diesen Fällen sprach sich die Abteilung Kultur des ZK der SED gegen eine Aufführung aus,
da diese Filme nicht »zur Förderung des sozialistischen Bewußtseins« beitrügen.12 Für den
Film »Das Mädchen Rosemarie« entwarf Walter Martsch ein Plakat, das den Ausschnitt
eines Szenenphotos mit der zeichenhaften Montage von Leuchtreklameschriften verbindet.
Oberhalb des Titels wird auf die beiden Hauptdarsteller – die Publikumslieblinge Nadja Tiller
und Peter van Eyck – hingewiesen. Die Präsentation der Hauptdarstellerin in einer lasziven
Haltung und die Leuchtreklamen eines nächtlichen Vergnügungsviertels sollten an die
»dekadente« Wunderwirtschaftswelt der Bundesrepublik gemahnen. Pikanterweise nähert
sich auch die Erwähnung der bundesdeutschen Produktionsfirma und des Regisseurs der
Gestaltung der Leuchtschriften an. Der Film erzählte, basierend auf der Geschichte der 1957
zu Tode gekommenen Frankfurter Edel-Prostituierten Rosemarie Nitribitt, die Story des
»leichten Mädchens« Rosemarie, das sich mit den Bonzen der bundesdeutschen Wirtschaft
einläßt.
Das Plakat zu dem Film »Meine Stunde Null« von 1970 steht hier stellvertretend für die
besonders seit dieser Zeit häufige Verwendung des Photoplakates. Die gezeigte
Kriegsszene bildet den Hintergrund für den »Star« Manfred Krug, auf den oberhalb des in
der Signalfarbe Rot gehaltenen Titels auch gesondert hingewiesen wird. Manfred Krug
spielte einen Arbeiter, der im Zweiten Weltkrieg als Gefreiter an der Ostfront und dann in der
Kriegsgefangenschaft neue Einsichten gewinnt. Die Darstellung weist auf eine
Schlüsselszene des Films hin, in der Krug nur knapp einen Bombenangriff überlebt. Die
dramatische Szene und das verzerrte Gesicht des im Dreck liegenden Hauptdarstellers
sollen die Produktion vermutlich als Antikriegsfilm ausweisen. Diese Interpretation ist
allerdings nur bei der Berücksichtigung des in der DDR geläufigen Umgangs mit dem Thema
Zweiter Weltkrieg und Faschismus möglich. In einem anderen gesellschaftspolitischen
Zusammenhang könnte diese Darstellung auch für einen Kriegsfilm werben.
Das »Kopf«-Plakat
Während bei den bisher vorgestellten Plakaten das szenische Element dominierte, steht bei
den folgenden drei Beispielen das Porträt eines Protagonisten im Mittelpunkt. Das vermutlich
von René Ahrlé entworfene Plakat zum ersten DEFA-Spielfilm »Die Mörder sind unter uns«
von 1946, bei dem Wolfgang Staudte Regie führte, konfrontiert den Betrachter mit dem die
Bildfläche dominierenden ernsten Gesicht der Hauptdarstellerin Hildegard Knef. Sie spielte
hier eine junge Photographin, die 1945 aus dem Konzentrationslager zurückkehrt und auf
einen von Schuldgefühlen umgetriebenen Chirurgen und Kriegsheimkehrer trifft. Hinter dem
Dreiviertelprofil der Knef – die damals noch nicht »die Knef« war – erkennt man ein Stück
Mauer. Von dem in bläulichen Tönen gehaltenen Porträt hebt sich der in roten Lettern
gestaltete Titel ab. Das typische Kopf-Plakat wird durch ein Element variiert. Die Bildfläche
mit dem Porträt ist an den Kanten leicht verzogen, was den Eindruck eines Bildes im Bild
beziehungsweise einer Projektion auf eine weiße Fläche, vielleicht eine Leinwand, erweckt.
Dadurch wird das Medium Film thematisiert. Das Zentralkomitee (ZK) der SED forderte die
Landes- und Provinzialleitungen der Partei auf, für diesen Film eine »besondere Propaganda
durch Aushängeplakate in den Büros, Kulturstätten etc. …« zu entwickeln, und begründete
das damit, daß er gemessen an der bisherigen deutschen Filmproduktion eine
ausgesprochene Spitzenleistung darstelle und der erste große Film eines neuen
Deutschland sei. Probleme gab es 1946/47 wohl noch mit dem Verleih »Sovexport«, der
dieser ersten DEFA-Produktion nicht das erforderliche Interesse entgegenbrachte und der
Druckerei das Papier zu spät für einen rechtzeitigen Ausdruck zuleitete. Für den StaudteFilm wurden letztlich aber doch 6.000 Großplakate im Format DIN A0 und 3.000 Kleinplakate
in DIN A2 gedruckt. Deren Verteilung auf die Anschlagflächen trat dennoch weit hinter die
gleichzeitige Propagierung des sowjetischen Films »Die steinerne Blume« zurück.
Offensichtlich gab es eine gewisse Konkurrenz um die Plakatflächen zwischen DEFA und
»Sovexport«. Immerhin hatte erstere die Option auf fünf U-Bahn-Großflächen in Berlin zur
regelmäßigen Plakatierung. Der Bericht des ZK der SED zählte dann noch einige weitere
Werbemittel auf, unter anderen große Verleihprospekte zum Aushang in den Kinos,
Sonderhefte des »Film-Kuriers« und Programme. Bei den Inseratszeichnungen für die
Zeitungen orientierte man sich an den Plakatentwürfen.13
Klaus Wittkugel entwarf 1950 das Plakat zu dem von Paul Verhoeven in Szene gesetzten
Film »Das kalte Herz«, den ersten Farbfilm der DEFA, gedreht nach dem gleichnamigen
Märchen von Wilhelm Hauff. Die Bildfläche wird dominiert von einem auch als »film still«
bekannten Porträt des Hauptdarstellers Lutz Moik in der Rolle des armen Köhlers Peter
Munk, den der Wunsch nach Reichtum um sein mitfühlendes Herz und die Geliebte bringt,
bevor er geläutert wird.14 Wittkugel kombinierte das Porträt mit einer Titelgestaltung aus
einfachen Lettern und füllte sie mit stilisierten Tannenbäumen auf, die auf den Ort des
Geschehens, den (Schwarz)Wald, verweisen. In dieser Kombination legt der Titel gleichsam
ein Raster über das Gesicht Lutz Moiks, das ihn gefangensetzt. Die Tannenbaumsymbole
erinnern auch an Spielkartenzeichen, wie das Pik, und könnten als Verweis auf des Köhlers
gefährliches Spiel mit dem Holländermichel verstanden werden, dem er als Gegenleistung
für den versprochenen Reichtum sein Herz überläßt. Zudem korrespondiert die schlichte
Typographie mit dem distanziert-abschätzigen Blick des Protagonisten und stellt zusammen
mit dem kühlen Blau des Hintergrundes eine Verbindung zum Wortsinn des Titels her.
Eine interessante Variante des Kopf- oder Porträt-Plakates zeigt Erhard Grüttners
Gestaltung für »Fleur Lafontaine« von 1978, eine Produktion des DDR-Fernsehens.
Allgemein förderte der »Progress-Film-Verleih«, für den Grüttner von 1962 bis 1969 als
Graphiker gearbeitet hatte, in den achtziger Jahren wieder die Gestaltung von PorträtPlakaten. Der von Horst Seemann in Zusammenarbeit mit Hans-Albert Pederzani in Szene
gesetzte anspruchsvolle Film schilderte die Geschichte einer Frau über einen Zeitraum von
dreißig Jahren, zwischen 1918 und 1948. Grüttners Gestaltung zitiert ein zerrissenes und
notdürftig wieder zusammengeklebtes Porträtphoto der Hauptdarstellerin Angelica Domröse.
Auf diese Weise imaginiert er die Brüche im Leben der »Fleur Lafontaine«, die dramatischen
und wechselvollen Abläufe und Ereignisse in ihrer Biographie. Er thematisiert keine Szene, keine Stimmung,
sondern eine Aussage: Das Leben hinterläßt Spuren, in dessen Verlauf bleibt der Mensch
nicht »heil«. Grüttner findet dafür ein einleuchtendes Zeichen, eine Art doppelten »pars pro
toto«: Das Gesicht als Stellvertreter für den Menschen, dem die Veränderungen widerfahren,
und die Stücke des Porträts als Hinweise auf das Lebenspuzzle. Zudem ist der untere rechte
Teil des Porträts in den Farben verändert, als wäre das Photo hier angekohlt. Dies, ebenso
wie die sichtbaren Risse und das nicht wieder ganz paßgenaue Zusammenfügen der
Einzelteile, unterstützt den Eindruck der nicht wieder auszulöschenden Lebensspuren.
Typographisch dominierte Plakate
Bei den folgenden beiden Plakaten spielt die Gestaltung des Titels eine besondere Rolle.
Das von Kurt Geffers 1947 für den Kurt-Maetzig-Film »Ehe im Schatten«15 entworfene
Plakat zeigt rechts unten am Bildrand ein Paar, über dem die räumlich und in Untersicht
gestalteten Buchstaben des Titels wie ein sie niederdrückendes Gewicht lasten. Ein von
oben links kommendes Licht scheint die oberen Bereiche der in drei Reihen übereinander
angeordneten Wörter zu beleuchten. Aber dadurch gelangt keine Helligkeit ins Bild, sondern
der Schatten, in dem das Paar kauert, wird nur noch eindringlicher. Gestaltung und Wortsinn
des Titels korrespondieren hier miteinander. Der Mann verbirgt sein Gesicht an der Schulter
der Frau, deren Blick ernst nach oben links aus dem Bildraum geht. Die in dieser Szene zum
Ausdruck kommende Verzweiflung und Ausweglosigkeit wird noch durch die lastende
Gestaltung des Titels und die »ungesunde« grünliche Farbgebung unterstrichen. Die
Darstellung des Paares auf dem Plakat erinnert an eine Szene des Films, der die tragische
Geschichte eines Schauspielerehepaares im »Dritten Reich« erzählt. Als Hans Wieland vor
die Wahl gestellt wird, seine jüdische Frau Elisabeth zu verlassen oder an die Front
geschickt zu werden, was in beiden Fällen Elisabeths Verschleppung in ein
Konzentrationslager zur Folge hätte, sehen beide nur noch im gemeinsamen Freitod einen
Ausweg. Die Handlung beruhte auf einer tatsächlichen Begebenheit. In einer
entscheidenden Szene – es ist die sogenannte Reichskristallnacht – entschließt sich
Elisabeth, trotz aller Gefahren in Deutschland zu bleiben, um Hans nicht zu verlassen. Das
Drehbuch beschreibt, wie sie ihn umarmt, seinen Kopf an sich zieht und versichert, daß sie
bleiben wird.16 Diese Szene scheint für die Plakatgestaltung von großer Bedeutung
gewesen zu sein. Die Titelgestaltung mit der räumlichen Darstellung der monumentalen
Buchstaben und deren diagonaler Anordnung im Bildraum erinnert an das bereits erwähnte
Filmplakat zu »Asphalt« aus den zwanziger Jahren, wo die Lettern allerdings in Aufsicht und
leicht versetzt stehend gezeigt wurden. In beiden Fällen dominiert die typographische
Gestaltung das Plakat. Es wird eine Beziehung zwischen Titel und Plakatmotiv hergestellt,
wobei der Titel einen eigenen ikonischen Wert erhält, »indem er sich von blosser
typographischer Funktionalität löst und fantasievoll wird«.17
Das Plakat zu dem Film »Rotation« von 1949 – Regie führte Wolfgang Staudte – montiert
mehrere Versatzstücke der bisher vorgestellten Typologie. Unten links ist eine Szene
dargestellt, die auf den Vater-Sohn-Konflikt verweist, darüber der große, bildbeherrschende
Kopf des Hauptdarstellers, umrahmt von einer sich farblich absetzenden Titelgestaltung, die
wie beim vorhergenannten Plakat einen eigenen ikonischen Wert besitzt, der noch zu
erläutern ist. Hinzu kommt das Gitter-Motiv als Zeichen für die Inhaftierung des Vaters. Der
Film erzählt die Geschichte des fleißigen, unpolitischen Maschinenmeisters Hans Behnke,
der in der NS-Zeit von seinem Sohn denunziert wird und ins Zuchthaus gerät, weil er – aus
Hilfsbereitschaft – eine Druckmaschine repariert hat auf der antifaschistische Flugblätter
reproduziert wurden. Nach dem Krieg versöhnen sie sich und wollen gemeinsam ein neues
Leben aufbauen. Interessant ist besonders die Gestaltung des Titels als Halbkreisform. Sie
visualisiert den durch das Wort selbst bezeichneten Begriff des »Rotierens«, des »Sich-imKreis-Bewegens«, steigt von der kleinen Szene unten links auf, schneidet das Gitter und
führt von dort nach rechts. Da der Kreis unvollendet bleibt, scheint es einen Ausweg zu
geben. Staudte hatte die Rotationsmaschine im Film bewußt als Metapher für die sich stets
wiederholenden Ereignisse und die Unbelehrbarkeit der Menschen benutzt, was dem offiziell
propagierten Geschichtsbild widersprach. So kam es zum Eklat, als er die Szene ändern
sollte, in der Vater Behnke die Uniform des Sohnes mit den Worten verbrennt: »Das war die
letzte Uniform, die du je getragen hast«. An dieser Haltung konnte offiziell kein Interesse
bestehen, sollte doch in der SBZ die Volkspolizei aufgebaut werden.18
Zeichenhaft-symbolische Plakatgestaltungen
Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit für Filmplakate ist die symbolische, die mittels eines
oder mehrerer Bildzeichen das Thema des Films auszudrücken sucht. Auch hier gibt es
wieder Überschneidungen mit szenischen Elementen. Eine ganze Reihe dieser Plakate
verbindet Zeichnung und Photographie und nutzt die Montagetechnik. Die Filmplakate dieser
Kategorie gehören zu den interessantesten und vielseitigsten Gestaltungen.
Gleich auf dem ersten Beispiel sind alle eben angesprochenen Elemente wiederzufinden. Es
handelt sich um ein Plakat für den berühmten DEFA-Film »Der Untertan« von 1951, den
Wolfgang Staudte nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Mann drehte. Er schildert
den von der Maxime »Nach unten treten und nach oben buckeln« geleiteten
gesellschaftlichen Aufstieg des autoritätshörigen und kaisertreuen Diederich Hessling. Das
Plakat umgibt die Figur des Hauptdarstellers Werner Peters mit Karikaturen, die auf seine
Zeit als Pennäler und Student anspielen, und hinterlegt das Ganze mit dem Schatten einer
preußischen Pickelhaube als Verweis auf Hesslings militärisch-monarchistische Gesinnung,
die auch in dem Kaiserporträt zum Ausdruck kommt, das von Hesslings Kopf überschnitten
wird. Hesslings Identifikation mit dem Kaiser wird durch seine dem Porträt nacheifernde
Haltung deutlich. Die Karikaturen und die Zusammenstellung der einzelnen Bildelemente
nehmen die satirische Komponente des Films auf. Die ungewohnt expressive Bildsprache
des Films mit ihren entlarvenden Untersichten und Spiegelungen sowie den gewagten
Anschnitten wird im Plakat zwar nicht direkt reflektiert, doch dessen Gestaltung in der seit
den zwanziger Jahren bekannten, aber im allgemeinen für die frühen fünfziger Jahre noch
ungewöhnlichen Montagetechnik entspricht dem innovativen Gestus des Films.
1975 entwarf Erhard Grüttner für eine Wiederaufführung des Films das hier gezeigte KopfPlakat, bei dem der Porträtcharakter hinter die Zeichenhaftigkeit der Gestaltung zurücktritt.
Stehkragen, Schleife und der gezwirbelte Bart weisen den Träger der Augenbinde in den
Farben Schwarz-Weiß-Rot als (Spieß)Bürger der Kaiserzeit aus. Dieses Requisit steht für
die Blindheit und Verblendung einer ganzen Gesellschaftsschicht. Man denkt an die
Darstellung der »Bürgertugenden« nach Art der »drei weisen Affen«: Nichts hören – Nichts
sehen – Nichts sprechen. Der Bürger sieht nicht nur nichts, wenn überhaupt, sieht er einzig
die Landesfarben. Sein Patriotismus macht ihn blind.
Für den 1956 gedrehten DEFA-Dokumentarfilm »Du und mancher Kamerad« – bei dem
Annelie und Andrew Thorndike Regie führten und an dessen Drehbuch auch Karl Eduard
von Schnitzler mitarbeitete – entwarf Altmeister John Heartfield, der 1917/18 auch als
Filmausstatter tätig gewesen war, ein Plakat, mit dem er seiner eigenen Handschrift treu
blieb. Den im Film thematisierten Zusammenhang zwischen dem Ersten und Zweiten
Weltkrieg veranschaulicht Heartfield mittels der von ihm in den zwanziger Jahren
entwickelten Montagetechnik. Er schuf mit der Einfügung der historischen Photos in die zur
entsprechenden Zeit passenden militärischen Kopfbedeckungen eingängige Bildzeichen.
Zudem wird durch das in Farbe und Größe vom Rest des Titels abgesetzte, hervorgehobene
»Du« der Betrachter des Plakats direkt angesprochen. Die durch die leichte Überschneidung
der Rahmen erzielte Reihung von »Pickelhaube« und »Wehrmachtshelm« kann als
Visualisierung der im Film beschriebenen historischen Entwicklung angesehen werden.
Keine Montage, aber eine ebenfalls geschickte Kombination von Bildzeichen nutzte Werner
Klemke 1957 in seinem Plakat für die Verfilmung des Lessing-Schauspiels »Emilia Galotti«
in der Regie von Martin Hellberg. Klemke arbeitete auch als Bühnenbildner und war vor dem
Zweiten Weltkrieg unter anderem als Trickfilmzeichner tätig. Lessings bürgerliches Moralund Lehrstück über den Freitod Emilias durch die Hand ihres Vaters aus Scham über ihre
befürchtete Verführbarkeit wird durch seine Plakatgestaltung beinah zur Wirkung einer
Kriminalnovelle geführt. Vor schwarzem Hintergrund arrangierte er drei Bildelemente, die in
eine spannungsvolle Dreieckkomposition eingebunden sind und zumindest den
dramatischen Charakter des Stücks ohne jede szenische Veranschaulichung assoziieren.
Der vom oberen Bildrand herabhängende Frauenarm scheint einer bereits Toten zu gehören,
aus deren Hand die Rose als Zeichen der Leidenschaft und des Schmerzes fällt, während
unten der Dolch liegt, durch den sie zu Tode gekommen ist. Die Gestaltung läßt in dieser
Form allerdings eher an eine Selbsttötung der Emilia denken, die sie in übertragenem Sinne
wiederum begeht. Der zentral in Fraktur gesetzte Titel fungiert als »Untertitel« unter dem
herabhängenden Frauenarm und identifiziert die dazugehörende Person.
Für die Koproduktion mit der Sowjetunion »Fünf Tage – Fünf Nächte« kombinierte Paul
Rosié, der nach 1945 in erster Linie für Theater und Film arbeitete, 1961 eine zeichnerischgraphische Gestaltung mit den Photos zweier Hauptdarsteller, darunter Annekathrin Bürger.
Die Filmhandlung idealisiert die Beschlagnahmung der Kunstwerke der Dresdner
Gemäldegalerie und erzählt von deren »Rettung« durch die Rote Armee unmittelbar nach
Kriegsende. Dieses Thema wird mit der Geschichte zweier deutscher Museumsmitarbeiter,
die dadurch wieder zu neuem Lebensmut gelangen, verbunden. Die sowjetische
Besatzungsmacht erscheint somit nicht nur als »Befreier« der Menschen, sondern auch als
»Retter« der Kunstwerke. Rosié entwickelte auf dem Filmplakat einen in die Tiefe führenden
Bildraum, indem er einzelne Gestaltungselemente übereinanderlegte. Zuunterst erkennen
wir in einer flächigen Zeichnung schwarze Ruinen vor einem tiefblauen Nachthimmel, die das
kriegszerstörte Dresden umreißen. Die darüberliegende Strichzeichnung zeigt Raffaels
»Sixtinische Madonna« aus der Dresdner Gemäldegalerie. Davor sind zwei der
Protagonisten abgebildet, die für die an der Rettungsaktion Beteiligten stehen, eine
Restauratorin und ein sowjetischer Soldat. Die skizzenhafte, transparente Strichzeichnung
des Gemäldes kann als Hinweis auf dessen Gefährdung verstanden werden. Die Wahl der
berühmten »Madonna« erinnert zugleich an die kulturellen Werte, die durch das
Kriegsgeschehen in Mitleidenschaft gezogen waren und die es zu sichern und zu bewahren
galt. So erscheint die in hellem Gelb gehaltene Skizze vor dem dunklen Trümmerhintergrund
auch als Hoffnungsbild. Tatsächlich ist dieses Gemälde von der Sowjetunion erst 1955 an
Dresden zurückgegeben worden.
Eine Kombination von Porträtphoto und graphischen Bildzeichen entwarf Werner Gottsmann
1968 für den Antikriegsfilm »Ich war neunzehn«, bei dem Konrad Wolf Regie führte und auf
dessen persönliches Tagebuch die Handlung zurückgeht.19 Der Film spielt im April 1945
und erzählt die Geschichte des 19jährigen Deutschen Georg, der mit seinen Eltern nach
Moskau emigriert war und nun in der sowjetischen Uniform mit der 48. Armee in die Heimat
zurückkommt. Hier begegnen ihm in einzelnen Episoden ganz unterschiedliche Menschen.
Der Erzählstil ist differenziert, leise und nachdenklich, und auch das Plakat verzichtet auf
dramatische Effekte. Stattdessen dominiert das ernste, aufmerksame Gesicht des
Hauptdarstellers Jaecki Schwarz, was mit seiner Rolle im Film korrespondiert, denn seine
Sicht ist zentral für die episodische Handlung des Films. Mit seinen Augen sieht man
größtenteils das Geschehen, man hört ihn zuweilen im inneren Monolog. Das Gesicht
Gregors taucht auch im Film häufig in Nahaufnahme auf. Die roten Pfeile, die auf dem Plakat
sein Gesicht konturieren, symbolisieren den Vorstoß der Roten Armee auf Berlin, das hier
als versprengter Schriftzug erscheint. Das weiße Dreieck rechts, das mit seinem
Scheitelpunkt auf Berlin weist, könnte sowohl als Symbol für die »weiße Fahne« der
Kapitulation verstanden werden, wie sie in einigen Szenen des Films gezeigt wird, als auch
ein Hinweis auf den Frieden sein, »der aus dem Osten kommt«. Bis auf die Pfeile ist der
Rest der Gestaltung in abgestuften Grautönen gehalten, die daran erinnern, daß der Film in
Schwarz-Weiß gedreht wurde.
Das Plakat zu der Komödie »Seine Hoheit – Genosse Prinz« von 1969 ergänzt die
Kombination von Photo und Zeichnung um karikaturhafte Elemente, vor allem in der Figur
des Malers. Die Filmhandlung schildert die Verwicklungen, die sich für einen braven
Genossen – gespielt von Rolf Ludwig – ergeben, als er mit seiner adligen Herkunft
konfrontiert wird. Auf den Lustspielcharakter des Films wird durch die humorvolle Montage
der Figur des Malers aus Photoporträt und gezeichnetem Körper verwiesen. Vermutlich
spielte der Gestalter auf eine Filmszene an, in der Rolf Ludwig den ihm befreundeten Maler
beim Restaurieren eines alten Porträts antrifft und die Ähnlichkeit des adligen Dargestellten
mit seiner eigenen Person erkennt. Auf der Staffelei steht hier aber ein Szenenphoto, das
eine intime Situation zeigt und so die Liebesgeschichte in den Mittelpunkt rückt und nicht das
heikle Grundthema der adligen Herkunft der Hauptfigur. Den einzigen Hinweis auf das
Thema »adliger Genosse« liefert das Kronenmotiv auf dem gezeichneten Rahmen. Die
harmlos-humorvolle Gestaltung des Plakats korrespondiert in gewisser Hinsicht weniger mit
dem Film selbst als mit seinen Entstehungsbedingungen, denn er wurde von der Idee bis zur
Ausführung derart durch die Mühlen der Zensur gedreht, daß ihm der Biß und die soziale
Schärfe weitgehend abhanden kamen.20 Generell stand die DDR – wie jedes andere
»Filmland« – vor dem Problem, daß das Publikum eher ein großes Interesse an »heiteren«
Filmen, an Unterhaltung als an Belehrung hatte. In diesem Zusammenhang sind die
wiederholten Forderungen nach Komödien, Lustspielen und Satiren zu sehen, wie sie auch
Befragungen in den Brigaden ans Licht brachten. Als positive Vorbilder galten dem Publikum
Filme aus der ¤SSR und Ungarn.21
Klaus Vonderwerths Plakat für den Film »Die Legende von Paul und Paula« von 1972
bezieht sich in seiner Formensprache und Farbwahl auf zeittypische Gestaltungsweisen. Der
erfolgreiche und von der Parteiführung beargwöhnte Film, für den Ulrich Plenzdorf das
Drehbuch schrieb und bei dem Heiner Carow Regie führte, erzählt die hindernisreiche und
unkonventionelle Liebesgeschichte von Paul und Paula. Das Plakat zeigt in starken, flächig
angelegten Farben unten die beiden Hauptdarsteller Angelica Domröse und Winfried
Glatzeder in einer bekannten Szene. Darüber erscheint ein schwarz-weißes, voluminöses
Chaos aus stilisierten Augen, Ohren, Lippen und mit dem Finger auf das Paar zeigenden
Händen, die das Beobachten und den vom karriereorientierten Paul gefürchteten Klatsch
über jene »amour fou« durch die Gesellschaft vermitteln. Die Titelschrift ist wieder in den
Farben des kleinen »film still« gehalten und rekurriert mit den weichen, runden Formen und
den starken, flächigen Farben auf gestalterische Grundzüge der für die siebziger Jahre
typischen »Pop-Kultur«.
Die folgenden beiden Plakate arbeiten allein mit zeichnerischen Mitteln. Sie entwerfen
Bildzeichen, die so nicht in der Produktion vorkommen, aber auf das Filmthema oder -genre
verweisen.
Erhard Grüttner gestaltete 1982 ein Plakat für die DDR-Aufführung der bundesdeutschösterreichischen Koproduktion »Der Bockerer«. Der Film schildert, wie sich ein Wiener
Metzgermeister nach dem »Anschluß« Österreichs 1938 durch die Zeit laviert. Grüttner
bediente sich einer starkfarbigen und flächigen Gestaltungsweise und schuf ein – trotz
seines Abstraktionsgrades – rasch zu verstehendes Zeichen für die Person Hitler. Die
Zeichnung der Hand imaginiert mit Haartolle und Schnurrbart die Person des »Führers«, in
dieser Form allerdings als Karikatur, als gehörnte Figur. So verwies Grüttner auf die
parodistisch-satirische Dimension des Films, auf die auch der Untertitel »Wie ein Wiener
Schwejk Adolf, den Anstreicher, überlebt« anspielt. Die Form der Hand stellt zudem eine
Verbindung zum Titel her: »Bockerer« = Bock, Ziegenbock, und assoziiert damit
Widerspenstigkeit. Grüttner wählte die Farben Schwarz-Weiß-Rot, die an die reichsdeutsche
Flagge denken lassen, zugleich aber die Farben der Hakenkreuzfahne assoziieren. So wird
eine Kontinuität vom Deutschen Reich zum Nationalsozialismus imaginiert. Der Schriftzug
des Titels ist in Fraktur gestaltet und verweist auf die Zeit, in der das Stück angesiedelt ist.
Auch Heinz Handschicks Plakat für den ungarischen Kriminalfilm »Aasgeier« von 1983
arbeitet nicht mit Montagen, sondern allein mit der Zeichnung und der Gestaltung des Titels.
Die Zeichnung, die vordergründig eine Geldbörse darstellt, läßt auf den zweiten Blick an den
Schnabel eines Raubvogels denken. Aus dem Aasgeier wird ein »Geldgeier«, der Münzen
verschlingt. Die Gestaltung schafft ein Bildzeichen für das Thema des Films, ohne daß ein
szenischer Hinweis notwendig ist. Der in Versalien gestaltete und in die Worte »AAS« und
»GEIER« getrennte Titel umfaßt die Zeichnung. So werden die Wortbedeutung und ihre
Beziehung zum Bildzeichen unterstrichen. Durch die Konzentration auf die Linie als
Darstellungsmittel und den Verzicht auf Farbe erhält die Bild-Text-Kombination zusätzlich
Signetcharakter.
Erhard Grüttner und Heinz Handschick gehörten zu den Graphikern, die im Bereich des
Filmplakats besondere Anerkennung ernteten und deren Arbeiten auch Auszeichnungen im
Rahmen des Wettbewerbs »100 beste Plakate« erhielten.
Das Medium Film im Plakat
Die beiden letzten Bildbeispiele sollen stellvertretend für die gestalterische Möglichkeit
stehen, das Medium Film als solches im Plakat zu thematisieren.
Horst Wesslers Plakat für das erste »Festival des sowjetischen Films in Kino und
Fernsehen« von 197222 zeigt auf grünem Grund einen roten Filmstreifen, der den Kontur
eines Bildschirms oder einer Kinoleinwand formt und nach oben auslaufend in einen roten
Stern mündet. Hier wird zwar keine filmische Technik, wie Projektion oder Überblendung,
aber das Medium Film selbst in den Mittelpunkt der Gestaltung gestellt. Wessler arbeitete
von 1965 bis 1971 für »Progress« als Graphiker und war anschließend dort Abteilungsleiter.
Klaus Wittkugel entschied sich in seinem Plakat für das »Festival des volksdemokratischen
Films« 1951, sowohl das Medium Film als auch die filmische Technik der Projektion zu
thematisieren. Er zeigt einerseits den Filmstreifen, dessen Einzelbilder aus den Flaggen der
beteiligten Länder gebildet werden, und andererseits den Lichtkegel, der das Photoporträt
der Frau in die linke obere Ecke des Hintergrunds projiziert und vergrößert.
Allgemein arbeiten Filmfestivalplakate häufig mit der Thematisierung des Mediums Film. Sie
greifen dabei Motive wie den Filmstreifen, den Lichtkegel des Projektors und das
menschliche Auge auf. Bei den sozialistischen Filmfestivalplakaten bildeten Filmstreifen
oftmals den sowjetischen Stern. Die mit Überblendungs-, Montage- und Projektionseffekten
arbeitenden Plakate hatten ihre Vorbilder in den konstruktivistischen Plakaten aus der
Sowjetunion der zwanziger Jahre, die zum einen vom bildkünstlerischen Konstruktivismus
und zum anderen vom sogenannten Montagekino, an dessen Anfang Sergej Eisensteins
»Panzerkreuzer Potemkin« von 1924 steht, angeregt waren. In den konstruktivistischen
Filmplakaten dieser Zeit assoziierten collageartige Gestaltungen und fragmentierte
Bildausschnitte filmische Mittel wie Montage, Schnitt, Groß- und Detailaufnahmen. Das
statische Medium Plakat versuchte so, den filmischen Bilderfluß zu antizipieren.23
Ausblick
Die ausgewählten Beispiele haben bereits gezeigt, wie vielfältig das Spektrum der Filme war,
für die es in der DDR galt, Plakate zu gestalten. Es gab Heimkehrer- und Trümmerfilme,
Antifaschistische Filme, Antikriegsfilme, Schilderungen des Aufbaus der sozialistischen
Gesellschaft, Weltraumabenteuer, Filme zur Geschichte der Arbeiterbewegung und der
November- und Oktoberrevolution, auch historisch-biographische Filme,
Literaturverfilmungen, Liebesfilme, Spionage- und Kriminalfilme, Zirkusfilme, Märchen- und
Kinderfilme, Musikfilme und sogar Western. Für jede dieser Gattungen lassen sich in der
Sammlung des Deutschen Historischen Museums Plakate finden, nur nicht zu den DEFAFilmen, die 1964/65 entstanden und im Zusammenhang mit dem 11. Plenum des ZK der
SED im Dezember 1965 verboten wurden, unter anderen »Spur der Steine«, »Denk bloß
nicht, ich heule«, »Der Frühling braucht Zeit«, »Das Kaninchen bin ich« und »Fräulein
Schmetterling«. Für den 1965 von Frank Beyer in Szene gesetzten Film »Spur der Steine«
mit Manfred Krug in der Rolle des Zimmermanns Balla waren Plakate, nach Entwürfen von
Erhard Grüttner und Jürgen Grossmann gedruckt worden.24 Die bereits angebrachte
Werbung wurde jedoch überklebt.25
Die Filmproduktion in der DDR war nicht nur gekennzeichnet durch staatliche Kontrolle,
sondern auch durch die Versuche der Filmemacher, sich dieser zu entziehen. Die Haltung
der offiziellen Seite war – je nach innen- und außenpolitischer Lage – durch einen
periodischen Wechsel zwischen Strenge und Lockerung charakterisiert. Nach dem
Mauerbau 1961 und der dadurch bedingten innenpolitischen Stabilisierung gab es zunächst
eine kulturpolitische Entspannungsphase, die durch das 11. Plenum des ZK der SED abrupt
beendet wurde. Daß die Partei- und Staatsführung die neue, mutige, kontroverse
Entwicklung eine Zeitlang tolerierte, hatte viel damit zu tun, daß die Kinos häufig leer blieben,
wenn die »lieblos produzierte Ideologie-Kunst« gezeigt wurde, und daß das Publikum
stattdessen nach Karten für westliche Filme anstand.26
Alle für die DDR zu nennenden Gestaltungstypen finden sich im wesentlichen auch im
westdeutschen Filmplakat. Doch es lassen sich auch einige Unterschiede ausmachen. So
fehlen auf den Filmplakaten der DDR weitgehend die im Westen bekannten
sensationslüsternen, grell-voyeuristischen Darstellungen von »sex and crime«. Allerdings
finden sich Stereotype und unverwüstliche bildnerische Klischees, wie dramatische Mimik
und Gestik, besonders beim Kriminal- und Abenteuerfilm, auch in zahlreichen Plakaten von
DDR-Graphikern. Dementsprechend lassen sich bis in die achtziger Jahre hinein kritische
Einschätzungen der Plakatproduktion finden. So formulierte 1982 beispielsweise der
Graphiker Otto Kummert, der zwischen 1974 und 1982 Künstlerischer Leiter bei »Progress«
gewesen war, einen interessanten Zusammenhang zwischen der mangelhaften Qualität von
Filmplakaten und der ihnen zuweilen zugewiesenen Rolle als »Ausputzer« für Mängel des
Films: »Wie schon in vielen zurückliegenden Jahren konstatieren wir Schwierigkeiten bei der
Entstehung von DEFA-Filmplakaten. Gerade diesem Gebiet gehört die besondere
Aufmerksamkeit des Verleihs! Jedoch werden zu viele Forderungen und persönliche
Wünsche an das DEFA-Plakat herangetragen. Häufig ist es nur der Wunsch, dem Filmplakat
die Funktion der letzten Korrektur dieses oder jenes Mangels am Film zuzuweisen, oder das
Bestreben des Regisseurs, die Regie über den fertigen Film hinaus noch im Plakat
weiterführen zu wollen. Diese und viele weitere Erscheinungen lassen dem Gestalter nur
geringe schöpferische Möglichkeiten und machen den Auftrag zu einer Zwangs- und
Pflichtübung.«27
Das Fehlen der wirtschaftlichen Konkurrenzsituation in der DDR ermöglichte jedoch
durchaus die Produktion von Filmplakaten, die das Publikum für den Film interessieren
sollten, ohne in erster Linie seine Schau- und Sensationslust anzusprechen. Nicht zu
vergessen ist dabei, daß die Dichte der Filmwerbung zumindest im Stadtbild westdeutscher
Großstädte höher war als in der DDR. So hatten dort unter gestalterischen Gesichtspunkten
sowohl Andeutungen als auch komplexere Bildformen eine größere Chance,
wahrgenommen zu werden. In der DDR wurde im Unterschied zur Bundesrepublik bereits in
den fünfziger und sechziger Jahren eher mit dem Mittel der Montage gearbeitet. Andererseits
wirkten vor allem in der frühen DDR die kulturpolitische Gängelung und die Forderung nach
einem »sozialistischen Realismus« und der schnell geäußerte Formalismus-Vorwurf auch im
Bereich der Gebrauchsgraphik der DDR hemmend. Später zeigten einzelne Graphiker sehr
innovative, zeichenhafte Lösungen, die aus der Masse der Filmplakate, die nach wie vor
szenisch angelegt waren, herausragen.
Anmerkungen
01
Jörg Magener: »Kino vor dem Kino«, in: Beilenhoff/Heller: Das Filmplakat …, 1995, S.
9-26, 11.
02
Im Februar 1946 entstand die Arbeitsgruppe »Filmaktiv in der ZfV«, zu der unter
anderen Kurt Maetzig und das Organisationsgenie Alfred Lindemann gehörten; letzterer
übernahm die Funktion des Geschäftsführers. Lindemanns Organisationstalent und seiner
fehlenden Scheu, auch halblegale und illegale Wege zur Materialbeschaffung und
finanziellen Überredung alter UFA-Stars zu beschreiten, verdankte sich der rasche Aufbau
der DEFA.
03
SAPMO, DY 30/IV 2/906-202, Jahresbericht der Presseabteilung der DEFA, 1946, S.
3 f.
04
SAPMO, DY 30/IV 2/906-201, Bezugsbedingungen für Filmwerbematerial, 1947,
Punkt 14.
05
SAPMO, DY 30/J IV 2/3/310-190, Protokoll Nr. 190/52 der Sitzung des Sekretariats
des ZK der SED vom 25.8.1952, Punkt 24, Anlage Nr. 4, Punkt 112.
06
Pantel/Christ: 444 Filmplakate, 1993, S. 12.
07
Wolfgang Beilenhoff / Martin Heller: »Kartografie des Populären. Eine Einführung«,
in: Beilenhoff/Heller: Das Filmplakat …, 1995, S. 31-58, 46.
08
1948 entwarf er z. B. für die »Comedia-Film / A. E. Dietz FV« das Plakat zu der
Produktion »Berliner Ballade« mit Gert Fröbe.
09
Die Idee zu diesem Filmprojekt stammte aus dem Jahr 1949. Die Textgrundlage
lieferte Willi Bredels 1949 edierte Thälmann-Biographie. Bredel war Spanienkämpfer und in
der UdSSR Mitbegründer des »Nationalkomitees Freies Deutschland«. Die Partei widmete
dem Projekt größte Aufmerksamkeit, und die SED-Führung sah die Umsetzung als »höchste
Parteiaufgabe« an. Ästhetische Vorbilder für diese Produktion stellten die sowjetischen
Stalinepen dar. Der erste Teil entstand 1954 und trug den Titel »Ernst Thälmann – Sohn
seiner Klasse«. Beide Filme wurden zur Pflichtveranstaltung für Millionen und prägten sich
ins Bewußtsein der Zuschauer ein.
10
Willi Bredel / Michael Tschesno-Hell: Ernst Thälmann. Führer seiner Klasse –
literarisches Szenarium, Berlin(-Ost) 1955, S. 167 f.
11
Schenk: Das zweite Leben …, 1994, S. 130 f.
12
SAPMO, DY 30/IV 2/902/62, Herta Wolfsohn an die Abt. Kultur des ZK der SED,
26.4.1960, Bl. 120.
13
SAPMO, DY 30/IV 2/906-202, Stellungnahme des ZK der SED, Abt. Kultur und
Erziehung, Okt. 1946.
14
Das Drehbuch für den Film »Das kalte Herz« wurde vom Politbüro als kleinbürgerlich
kritisiert und mußte überarbeitet werden. Vor allem im Schluß sollte die Hoffnung auf eine
bessere Welt und die Solidarität mit den Werktätigen mehr Raum erhalten. Vgl. SAPMO, DY
30/IV 2/906-208, Sitzung der DEFA-Kommission des Politbüros, 11.3.1950, Protokoll vom
14.3.1950.
15
»Ehe im Schatten« hatte seine Uraufführung am 3.10.1947 in allen vier Sektoren von
Berlin. Das war die erste »alliierte Premiere« für ganz Berlin. Es war neben der DEFAProduktion »Wozzeck« (1947) der erste Versuch, eine deutsche Großfilmproduktion von
internationaler Bedeutung zu starten. Vgl. SAPMO, DY 30/IV 2/906-202, Zur Entwicklung der
DEFA, 3. Etappe Nov. 1946-1947.
16
Drehbuch (maschinegeschriebenes Manuskript) zu »Ehe im Schatten«, Berlin (DEFA)
um 1946, S. 147, Bild 84.
17
Jörg Magener: »Kino vor dem Kino«, in: Beilenhoff/Heller: Das Filmplakat …, 1995, S.
9-26, 16, zitiert nach: Elie Bajard: Images d’ images. Description de 120 affiches de film,
Diss., Paris 1986, S. 247.
18
Zunächst blieb die Szene erhalten, und nur der Text entfiel. Doch der neue DEFADirektor Sepp Schwab ließ die Szene dann herausschneiden, woraufhin Staudte empört
nach Hamburg ging, aber kurz darauf wieder zurückkehrte, um »Der Untertan« zu drehen.
Vgl. Schenk: Das zweite Leben …, 1994, S. 22.
19
Der Film kann als der »künstlerisch und in seiner gesellschaftlichen Signalwirkung
bedeutendste Film nach 1966« gesehen werden. Er stand auf der jährlichen DEFAErfolgsliste des Progress-Filmvertriebs 1968 an dritter Stelle. Vgl. Schenk: Das zweite Leben
…, 1994, S. 223. – Diesen Film zu machen, war für Konrad Wolf besonders wichtig, war er
doch auf dem 11. Plenum des ZK der SED 1965 scharf kritisiert worden.
20
Schenk: Das zweite Leben …, 1994, S. 240.
21
SAPMO, DY 30/IV 2/906-28, Bericht der Abt. Kultur des ZK der SED, basierend auf
den Untersuchungen einer Brigade zur Wirkung der verschiedenen Mittel der Agitation und
Propaganda im Kreis Weimar in der Zeit vom 8.-10.2.1961, S. 7, Bl. 156.
22
Das Festival des sowjetischen Kino- und Fernsehfilms fand in der Folgezeit jährlich
statt. Seit den fünfziger Jahren gab es aber schon Festtage und -wochen des sowjetischen
Films, außerdem solche des tschechoslowakischen, polnischen, ungarischen Films etc.
23
Anna Kanaï: »Der gedruckte Film. Das konstruktivistische Filmplakat der zwanziger
Jahre«, in: Beilenhoff/Heller: Das Filmplakat …, 1995, S. 105-120, 111.
24
Stach/Morsbach: Posters of GDR-Films …, 1991, S. 101 f. – Grossmann (geb. 1925)
arbeitete seit 1956 als Chefgraphiker beim Fernsehfunk der DDR.
25
Am 29.6.1966 bestätigte das Sekretariat des ZK der SED »die Maßnahmen der
Leitung des Ministeriums für Kultur zur kurzfristigen Beendigung des Einsatzes des
Spielfilms ›Spur der Steine‹ in Lichtspieltheatern und zur sofortigen Einstellung der Werbung
für diesen Film«. Die nicht mehr zu verhindernde Aufführung an den bereits festgelegten
Orten wurde streng reglementiert (Laufzeit, Kopienanzahl). Um dem Film die Wirkung zu
nehmen, sollten andere »besonders publikumswirksame Filme« eingesetzt werden, wie die
US-amerikanischen Produktionen »Spartacus« und »In 80 Tagen um die Welt«. Vgl.
SAPMO, DY 30/J IV 2/3-1194-57, Protokoll Nr. 57/66 der Sitzung des Sekretariats des ZK
der SED vom 29.6.1966, Punkt 13, Anlage 6.
26
Borkowski: In der Heimat …, 1990, S. 164.
27
Otto Kummert: »Vielseitig und in ständiger visueller Bewegung – das Filmplakat«,
in: Katalog des Wettbewerbs 100 beste Plakate 1982, Berlin 1982, S. 17/18, 18.
(falsch eingefügt, kurz vor Friedensplakate)
Katharina Klotz
„Schluß damit!“ – Frieden, Solidarität und Antiimperialismus im Plakat der DDR
Auftakt
Käthe Kollwitz’ Schwur »Nie wieder Krieg« markierte 1924 den Anfang der Plakatproduktion
für den Frieden und gegen den Krieg im 20. Jahrhundert. Diese politische Graphik, die
ursprünglich für den »Mitteldeutschen Jugendtag« in Leipzig entworfen worden war, wurde
über Jahrzehnte hinweg vielfach reproduziert, erfuhr internationale Verbreitung und erlangte
somit bald einen hohen Grad an »emblematischer Allgemeinheit«.1 Ähnliches geschah mit
Pablo Picassos Lithographie einer Friedenstaube, die sich anläßlich des ersten Treffens des
Weltfriedensrates 1949 in Paris und Prag auf den Kongreßplakaten, die in allen Sprachen in
hoher Auflage erscheinen sollten, wiederfand. Ein Jahr später, für das Plakat des zweiten
Kongresses, wählte der Künstler die Taube im Flug.2
Die fliegende Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, die in der biblischen Genesis vom Ende
der Sintflut kündet, ist eines der Zeichen, das den ikonographischen Bedeutungswandel vom
alttestamentarischen Symbol zu einer Formel der allgemein menschlichen Affektionen wie
Sanftmut, Treue, Liebe, Hoffnung und Friedfertigkeit vollzogen hat. So übernahmen sie auch
nichtchristliche Gesellschaften in ihren Bildvorrat. Allenthalben im kommunistischen und
sozialistischen Kunstschaffen fand sie im Einsatz für das politische Plakat allegorische
Verwendung. So ist es nicht verwunderlich, daß die Taube über die vierzigjährige Zeitspanne
auf den politischen Plakaten der DDR erscheint.
In dekorativer Buntheit steigt die Taube auf dem Plakat der »X. Weltfestspiele der Jugend
und Studenten 1973« aus den graphisch in Schwarz-Weiß gehaltenen jugendlichen Händen
und Armen empor. Als Zeichen für Hoffnung auf Frieden wird sie in die Freiheit der Lüfte
entlassen. Diesem Gestus im Bild entsprach die tatsächliche Praxis der Inszenierung solcher
Aktionen bei den Eröffnungsfeierlichkeiten von Großereignissen wie den Weltfestspielen, die
1951 und 1973 in Berlin stattfanden. Die Spiele wurden vor allem zur Propagierung
friedenspolitischer Botschaften benutzt. Auf dem Plakat findet eher der dem zeittypischen
Ausdruck der siebziger Jahre geschuldete Festivalcharakter seinen Niederschlag.
Im Duktus einer Kinderbuchillustration verwandelte Manfred Bofinger dann 1984 die
Friedenstaube in einen im Größenverhältnis zum Globus gigantischen Vogel mit
menschlichen Zügen, der mit einem zum Besen umfunktionierten Ölzweig amerikanische
Mittelstreckenraketen von der Erdoberfläche fegt. Das All erscheint wie eine fröhlichrotgepunktete Kinderzimmertapete und verweigert somit jede Assoziation an die »reellere«
Raumfahrerperspektive auf die Erde, wie sie in zeitgleichen Darstellungen etwa von Gerda
Dassing eingesetzt wird. In pfiffiger Naivität wird das aus der politischen Flugblattpropaganda
stammende Auskehrmotiv umgesetzt; bereits Lenin säuberte 1920 auf einer Karikatur von
Viktor Deni die Erde per Kehrgerät von Kapitalisten, Klerus und Königen.3
In Lars Wendtlandts Plakat – ebenfalls von 1984 – ist von der Taube nur mehr eine Feder
übriggeblieben. Der Federkiel und der Globus formen die bildbeherrschende Interpunktion
über dem lateinischen »PAX« für Frieden. Wirkungsvoll sind hier sowohl Schwarz-WeißKontraste als auch Photomontagetechnik mit dem Einsatz rechteckiger Flächen graphisch
kombiniert; die umgekehrten Größenverhältnisse der abgebildeten Elemente unterstützen
den Verfremdungseffekt und tragen zusammen mit dem Zitatcharakter zum spezifischen
Bildwitz bei.
Der Begriff im Bild
Sowohl in der politischen Praxis als auch in den ideologischen Manifestationen der DDR
spielte der Begriff »Frieden« eine zentrale Rolle. Vom Selbstverständnis einer
grundlegenden Legitimation als »erster Friedensstaat auf deutschem Boden« erscheint die
»Friedensliebe« staatlich verankert. Der Bedeutungsvielfalt und den zahlreichen
widersprüchlichen Konnotationen der Summenformel »Frieden« entspricht die Bandbreite
des Einsatzes des Wortes. Durch die Debatte um die Einrichtung der beiden deutschen
Armeen, der Nationalen Volksarmee und der Bundeswehr, erfährt der »Frieden«
unterschiedliche Färbungen: Anti-Militarismus, Abwehrbereitschaft, Antiimperialismus,
Verteidigungsbeitrag und auch Antifaschismus heißt es für die eigene, Remilitarisierung und
Wiederbewaffnung im Zusammenhang mit der westlichen Seite. Von Anfang an bedurfte es
der ikonischen Verdichtung dieser Bedeutungsvielfalt, um sie für die kollektive
Wahrnehmung verfügbar zu machen. Die »fundamentale Ambivalenz« des Begriffes
»Frieden«4 erfährt durch die Visualisierung im Plakat besondere Ausdrucksformen. Vom
Gründungsmythos bis zur konterkarierenden Angriffsformel dehnt sich die Folie der damit
verbundenen Bildinhalte. Durch Friedensplakate und -spruchbänder, die an Aufstellern und
Litfaßsäulen prangten, erfolgte die »semiotische Aufladung des öffentlichen Raumes«.5
Auch das – vom pazifistischen Standpunkt gesehen – Paradoxon »Friedenskampf« ist nur
eines der vielen Kompositwörter, die mit »Frieden« anfangen und die in ständiger
Wiederholung in den Medien der Agitation und Propaganda auftauchten: »Friedensmacht«,
»Friedensvertrag«, »Friedensarmee«, »Friedensmarsch« sowie »Friedenskraft« häuften sich
in Wahlprogrammen, Veranstaltungshinweisen, Aufrufen und Proklamationen. Zwei Beispiele
zeigen, daß bis in die achtziger Jahre der »bewaffnete Friede« die Leitlinie der
sicherheitspolitischen Anstrengungen der Partei- und Staatsführung war.
In semantische und bildliche Parallele setzte Otto Kummert 1983 auf einem Jubiläumsplakat
für »30 Jahre Kampfgruppen der Arbeiterklasse«
die Parole »Arbeitermacht – Friedensmacht« zu Schraubenschlüssel und Gewehr in den
durch die Attribute verschränkten nackten Unterarmen. Der gereimte Slogan »Friedenskraft,
die Frieden schafft« auf einem Plakat von Klaus Parche unterstreicht den durch die
Staatsinsignien ausgeführten Destruktionsakt: Die Sichel mäht die Bomben, die dann der
Hammer vollends unschädlich macht. Beide Schriftsätze sind in der Symbolfarbe Rot
gehalten und verstärken somit die Signalwirkung auf den ansonsten in Grau und Schwarz
gedruckten Anschlägen.
Institutioneller Hintergrund
Auftraggeber dieser Materialien und Broschüren waren in der frühen DDR das »Amt für
Information beim Ministerpräsidenten der DDR«, das allerdings in dieser Form nur bis 1952
existierte,6 die Abteilungen Agitation und Propaganda beim Zentralkomitee (ZK) der SED,
die Abteilungen Agitation der Massenorgansiationen und die verschiedenen Ausschüsse, die
für Wahlen und Sportereignisse gebildet wurden. Für beide deutsche Versionen des
angeführten Picasso-Plakates stand als Initiator im Hintergrund das seit 1949 existierende
»Deutsche Komitee der Kämpfer für den Frieden«. Aus diesem Komitee wurde der
»Deutsche Friedensrat«, ab 1963 »Friedensrat der DDR«, in dem die partei- und
regierungsnahe »Friedensbewegung« institutionell gebunden war. Die Organisation
übernahm signethaft die Taube Picassos auf viele ihrer Veranstaltungsplakate; auch der
Bühnenvorhang des Berliner Ensembles war mit dieser Friedenstaube versehen.
Die international und antiimperialistisch ausgerichtete Werbung für Frieden und Solidarität
gab seit den sechziger Jahren das »Solidaritätskomitee der DDR« heraus, das aus dem
»Komitee für Solidarität mit den Völkern Afrikas« hervorgegangen war.
Als Herausgeber fungierte vor allem auch die »Deutsche Werbe- und Anzeigengesellschaft«
(DEWAG) mit ihren zahlreichen Landes- bzw. Bezirksabteilungen, die eng an die SED
angebunden war. Seit 1973 übernahm der »Verlag für Agitations- und Anschauungsmittel«
(VfAA) in Berlin die Produktion vornehmlich politischer Plakate. Er war im Unterschied zu
seinem Vorläufer, dem Verlag für Agitation und Propaganda, eine juristisch selbständige
Einrichtung. Allerdings verblieb er als »Parteiverlag« bis 1987 im DEWAG-Verband. Ihm
oblag neben der Konzipierung und Herstellung von Propagandamaterialien die Aufgabe,
wieder für eine stärkere Anbindung der Gebrauchsgraphiker an die gesellschaftlichen
Auftraggeber zu sorgen.7 Auch der 1974 gegründete »Staatliche Kunsthandel der DDR« trat
in den achtziger Jahren mit dem Verkauf von Plakaten an die Öffentlichkeit.
Die »Aggregatzustände« des Kalten Krieges im Plakat
Obwohl man einerseits, wie im Falle der Friedenstaube, ikonographische Linien durch die
Plakatgeschichte der DDR ziehen kann, zeichneten sich andererseits die verschiedenen
»Aggregatzustände« des Kalten Krieges im Plakat durch motivische Neuschöpfungen und
inhaltliche Wandlungen ab. Fünf Phasen nahmen Einfluß auf die Gestaltung: Die
Weltfriedensbewegung seit 1949, die Verhandlungen zur »Stalin-Note« am Anfang der
fünfziger Jahre, die erste »Anti-Atom«-Kampagne um 1960, die Thematisierung
internationaler kriegerischer Konflikte, ferner die Solidarisierung mit den Leidtragenden oder
Revolutionären in Korea, Kuba, Vietnam, Chile und Nikaragua oder Afrika sowie die
Hochrüstung der Blöcke und die zweite »Anti-Atom«-Bewegung in den achtziger Jahren.
War die Darstellung der Teilnahme von DDR-Delegationen an den Kongressen des
Weltfriedensrates 1949 und 1950 noch durch pazifistische Internationalität geprägt, zeigte
sich in den Kampagnen zur Propagierung der »Stalin-Note« dann bereits die verschärfte
Blockkonfrontation. Den »Kriegsbrandstiftern« im Westen wurde die glückverheißende
Apotheose von »Stalin – Das ist der Frieden!« entgegengesetzt. Schon die
Veranstaltungsplakate zu den III. Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1951 erhielten
die instruktive Überschrift: »Gegen Remilitarisierung – Für Abschluß eines Friedensvertrages
noch im Jahre 1951«. Der vom Landessportausschuß Sachsen in Auftrag gegebene Aufruf
zur Beteiligung am Friedensmarsch am 10. Juni 1951 zeigt eine für die fünfziger Jahre in
Aufbau und formaler Ausführung prototypische Gestaltungsweise. Die jugendlichen Sportler
schreiten mit offenen, strahlenden Gesichtern »vorwärts« und führen die Deutschlandfahne –
noch ohne das erst 1959 eingeführte DDR-Hoheitszeichen – mit sich. Über dem im
Hintergrund befindlichen Brandenburger Tor, auf dem anstelle der Quadriga ein Globus
thront, zieht die Picasso-Taube ein flatterndes Flaggenband hinter sich her, das aus den
Bannern der an den Weltfestspielen teilnehmenden Staaten zusammengesetzt ist. Diese
Symbolakumulation wird nur kompositorisch durch Farbe und Linienführung
zusammengehalten, keine Erzählung strukturiert den Bildaufbau.
Aber nicht nur die Jugend sollte im Sinne der Friedenspolitik der SED zum Mitmachen
bewegt werden, auch andere gesellschaftlich relevante Gruppen sind in der Agitation gegen
den »Generalvertrag« angesprochen worden. Bauern und Frauen sowie, allen voran, die
Arbeiter sollten in Landwirtschaft, Schwerindustrie und im Städtebau ihre sinnerfüllte,
»friedenstiftende« Aufgabe wahrnehmen. Deswegen könnte man in Betrachtung der Summe
der Bildsujets, die 1952 für den »Friedensvertrag« warben, den Eindruck gewinnen, daß
weniger konkrete Schritte zur Entspannung der deutsch-deutschen Beziehungen in Szene
gesetzt, als vielmehr ein allgemeines Bekenntnis zum neuen Staat und dessen Regierung
evoziert werden sollte. Friedenspolitische Symbolik wurde demnach für die
Staatspropaganda funktionalisiert.8
Neben der bekannten Friedenswerbung begann ab 1960 die Angst vor einem Atomkrieg die
Motivik der Antikriegsbilder zu bestimmen. »Atomkrieg nein« von Hans Erni für die
schweizerische Friedensbewegung machte 1954 den Anfang der Atompilz-Ikonographie.
Wie eine Art Montage aus Ernis Entwurf und der Heartfieldschen KPD-Hand von 1928
(»Fünf Finger hat die Hand«) wirkt das Plakat von Heinz Wagner »Schluß damit! Wählt die
Kandidaten des Friedens«, wobei die Hand die mit dem Totenkopf versehene Feuersäule zu
stoppen versucht.
Heartfield selbst allerdings griff zu diesem Anlaß auf archaische Motive zurück, die
überzeitliche Gültigkeit besaßen. Der Globus, von der Atomkriegsschlange umringelt, wird
von einem das Tier der Sünde und des Todes im Würgegriff haltenden Proletarierarm
geschützt.9 Die gespaltene Zunge des Reptils formt ein Dollarzeichen und personifiziert
damit die kapitalistische Atommacht Amerika. Ursprünglich einmal war diese Montage als
Reproduktionsvorlage für die ab 1936 im Prager Exil erscheinende »Arbeiter-IllustrierteZeitung« (dort »Volksillustrierte« genannt) entstanden, ebenso wie die bekannte
Photomontage der von einem Bajonett aufgespießten Taube, die 1960 ohne den Genfer
Völkerbundpalast im Hintergrund mit der Unterschrift »Niemals wieder« zu neuen
Plakatehren gelangte.
Mit der Besonderheit des Ortes wurde die Bebilderung der Berliner U-Bahn mit 73
Großplakaten zum Thema »Frieden der Welt« 1958 erklärt: »Zum ersten Mal in der
Geschichte der Berliner
U-Bahn wurden Künstlern Reklameflächen freigegeben für die Popularisierung der großen
Idee des Friedens; der rechte Ort für diesen Zweck, denn in den Untergrundbahnhöfen der
Berliner U- und S-Bahn suchten im zweiten Weltkrieg die Menschen Schutz vor den
Bomben, hier auch fanden Tausende einen qualvollen Tod, als im Jahre 1945 ›fünf Minuten
nach zwölf‹ SS-Massenmörder die Tunnel unter Wasser setzten …«10
Eine zweite Ausstellung folgte 1960, diesmal mit internationaler Beteiligung. Wie schon 1958
dominierten Motive, die die Atomkriegsbedrohung thematisierten. Das Plakat von Franz
Kosseck ist ein Beispiel für die erste Ausstellung; er setzte den Schriftzug »Ihr könnt es
verhindern!« über die Photographie eines kleinen Mädchens in den nachtschwarzen
Bildraum. Die Dunkelheit wird nur durch das Licht der Atombombenexplosion gespenstisch
durchbrochen. Im Kleinformat diente das Plakat außerdem zum Wahlaufruf für die
Volkskammerwahl in der DDR am 16. November 1958.
Die obigen Beispiele zeigen bereits, daß sich die Anklagen gegen den Imperialismus nicht
nur auf den westdeutschen Klassenfeind beschränkten. Die Kriegsherde auf der ganzen
Welt waren Anlaß, sowohl den Aggressor direkt zu verunglimpfen als auch zur Solidarität mit
den betroffenen Ländern aufzurufen.
»Schluß mit dem amerikanischen Krieg in Korea!« forderte Alfred Beier-Red schon 1950
angesichts der kriegerischen Entwicklung in Indochina. Die Geste der bombenbewehrten
Hand, die, über dem Erdenrund schwebend – auf dem nur die indochinesische Halbinsel
kenntlich gemacht ist –, von Politikerhänden und Arbeiterfäusten gestoppt wird, ist eine
antike Metapher des territorialen Zugriffs, deren Bildhaftigkeit bis heute ihre Wirkung hat, die
aber vor allem in der Bildrhetorik des Ersten Weltkrieges eingesetzt worden war.11 BeierRed war Mitbegründer der Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands und
während des Zweiten Weltkrieges Pressezeichner für die »Prawda« und in der DDR dann
langjähriger Leiter der Sektion Karikatur im Verband Bildender Künstler der DDR – so kann
die Aufnahme des »traditionellen« Motivs biographisch bedingt sein.
Die ikonographische Variante des Zugriffs durch die Hand ist die militärische Okkupation
durch die Besitznahme mit dem Fuß. Der vom Solidaritätskomitee der DDR 1985
herausgegebene Spendenaufruf »Helft Nikaragua!« visualisiert den amerikanischen
Aggressor nur durch den Militärstiefel, der einen wachsenden und gedeihenden Baum
zertritt.12 Szenisch wird die Zartheit der Pflanze durch die friedvolle und unschuldige
Anwesenheit der beiden Tauben unterstützt. Die Äste des Baumes sind mit Aufschriften
versehen, die eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der medizinischen
Versorgung sowie Alphabetisierungskampagnen verheißen. Eine Banderole mit den Farben
der deutschen und nikaraguanischen Flaggen verdeutlicht den Ursprung der
Soldaritätsleistungen, die wahrscheinlich mit Hilfe des angeführten Spendenkontos Nr. 444
ermöglicht wurden.
Die allgemeine Einbeziehung Lateinamerikas in die Solidaritätsleistungen und der
Militärputsch in Chile ließen 1973 innerhalb des Solidaritätskomitees ein Chile-Zentrum
entstehen. Die Plakatausstellung unter dem internationalen Slogan »Chile im Herzen« gab
dann 1980 einen Überblick über die Internationale Solidarität im Spiegel des Plakates am
Beispiel des Landes, das seit September 1973 der Pinochet-Diktatur unterworfen war. Im
Vorwort zum Ausstellungskatalog werden die im Plakat angesprochenen Anstrengungen des
Solidaritätskomitees in einen historischen Kontext gestellt. Von den Aktionen der
Internationalen Hungerhilfe für Sowjetrußland in den zwanziger Jahren, für die unter anderen
Max Pechstein mit einem Plakat geworben hatte, über die Propaganda für Partisanen des
Spanischen Bürgerkrieges bis zu den »Freiheit für …« fordernden Aufrufen hätten alle
Plakate Phantasie und Prinzipienfestigkeit und mitreißende Gefühlsappelle mit allgemeiner
Anschaulichkeit verbunden.13
Das Vokabular der antiimperialistischen Plakate der DDR orientierte sich zu einem großen
Teil an einer internationalen Bildsprache der revolutionären Kunst.
Gerhard Trost, der bis 1967 als Graphiker bei der DEWAG arbeitete und danach
freischaffend war, hatte 1977 ebenfalls für das Solidaritätskomitee der DDR ein Plakat
entworfen, das sich in die graphische Tradition der weltweiten Protestplakate einordnete. In
direkter Nahkampfsituation überwältigt ein fast gesichtsloser Militärpolizist einen
unbewaffneten Lateinamerikaner, dessen Mimik zum Schrei gefroren ist. Die gefühllose
Anonymität des Militärs wird der expressiven Natürlichkeit des Opfers gegenübergestellt. Die
Initialen auf dem Helm des Soldaten sind in das Graffito »Imperialism« integriert und
bewirken somit die Verschränkung von Bild- und Textebene.
Im Herausgabeplan des VfAA vom Jahr 1977 wird das »vorrangige Anliegen der gesamten
Tätigkeit des Verlages« darin gesehen, »zur Erhöhung der Wirksamkeit der ideologischen
Arbeit beizutragen und eine größere Breitenwirkung zu erreichen.« Vor allem »in Formen,
die in den Kollektiven wirken und das tägliche politische Gespräch anregen und fördern
(Plakate, Wandzeitungen, Fotos für Schaukästen usw.)«, sollte die Agitation gegen das
»menschenfeindliche Wesen des Imperialismus« wirken.14 Zur flächendeckenden
Versorgung von Betrieben, Verbänden, Wohneinheiten, Grundorganisationen der SED und
der Massenorganisationen sollte der Vertrieb zentral über Geschäftsstellen des VfAA laufen.
Allerdings war bis dahin nur in Berlin eine solche vorhanden. Ferner bestand der
Widerspruch, daß die Plakate einerseits käuflich zu erwerben waren, andererseits über die
Kreisleitungen der Partei kostenlos abgegeben wurden. Zur besseren Bestellmöglichkeit
entwarf der VfAA sogenannte Übersichtsplakate.
Eine Zusammenstellung der vom VfAA herausgegebenen Plakate zur Internationalen
Solidarität bietet das von Jürgen Mücke 1987 gestaltete Übersichtsplakat. Die meisten der
für die DEWAG und den VfAA arbeitenden Gebrauchsgraphiker sind hierauf vertreten. Otto
Kummert, Gerhard Voigt, Lothar Freund, Jutta Damm-Fiedler, Alexander Schiel, Thomas
Billhardt und Klaus Lemke prägten unter anderen das offizielle Wettbewerbs- und
Ausstellungswesen der siebziger und achtziger Jahre.
Gerhard Voigt arbeitete meistens im Stil der Photomontage. Für die Proklamation einer
generellen »Antiimperialistischen Soldarität« wiederholte er das Symbol des »iunctio
dextrarum«, des für Treue und Freundschaft verwendeten Zeichens des Handschlags, das
1946 zum Parteisignet der SED gerann. Die Reihung der drei Händepaare vor dem
Sowjetstern, die die verschiedenen Stadien des Aufeinanderzugehens zeigen, bewirkt eine
stark narrative Struktur des Plakates, der Bildaufbau verweist damit in die Verlaufsform. Der
funktionelle Einsatz solch wirksamer Symbole wird von Voigt mit der Eingängigkeit der
Wahrnehmung begründet: »Das Plakat sollte fester Bestandteil jeder Sichtagitation sein.
Diese Forderung liegt begründet in den vielen Vorzügen, die es für die Wirksamkeit der
politischen Massenarbeit aufweist. Plakate vermitteln zu einem Thema immer die wichtigsten
Aussagen, die oft ›auf den ersten Blick‹ ablesbar sind.«15
Aber nicht nur durch das Solidaritätskomitee allein ist der Antiimperialismus ins Bild gesetzt
worden. Nachdem 1965 vom Verband Bildender Künstler die internationale Ausstellung
»Intergrafik« ins Leben gerufen wurde, sollte sie ab 1967 alle drei Jahre stattfinden. »Sie
wurde von ihrer erstmaligen Durchführung aus [sic] als eine Ausstellung politischer
kämpferischer Grafik im Streben nach Frieden, Völkerfreundschaft und Sozialismus, im
Kampf gegen Imperialismus und Krieg und als Teil der antiimperialistischen Solidarität mit
den um Frieden, Freiheit, Demokratie und sozialen Fortschritt kämpfenden Völkern
konzipiert.«16 Besondere Außenwirkung versprach man sich von Plakataktionen. In der
Planungsphase der »Intergrafik 1967« wurde eine internationale Aktion unter dem Motto
»Für den Frieden und die Sicherheit Europas«, anknüpfend an die 1958 durchgeführte
Aktion »Frieden der Welt«, anvisiert. Daran sollten sich Gebrauchsgraphiker, Maler und
Karikaturisten beteiligen, deren Entwürfe dann auf Großflächen übertragen und in den
Hauptstädten der DDR-Bezirke auf U-Bahn-, S-Bahn-, Fernbahnhöfen sowie Flughäfen
gezeigt werden sollten.
Vor allem durch die Werbewirkung der zeitgleich stattfindenden X. Weltfestspiele ließ sich
die Beteiligung der Gebrauchsgraphiker für die »Intergrafik 73« erhöhen und die politische
Plakatproduktion ankurbeln. Für die Folgeausstellung 1976 sollte dann schon eine dezidierte
Themenvorgabe die Entwürfe leiten: »Die wesentlichen Veränderungen in der
internationalen Situation, die Fortschritte im Entspannungsprozeß … sollen in der Grafik
ebenso ihren Ausdruck und Niederschlag finden wie der Kampf des chilenischen Volkes und
die Solidarität mit dem chilenischen Volk gegen die faschistische Militärjunta, sowie der Sieg
des vietnamesischen Volkes.«17
Denn gegen den Krieg der USA in Vietnam waren seit 1964 im Rahmen der
Solidaritätsaufrufe Antikriegsplakate erschienen. Durch die »konventionelle« Kriegführung
und den Einsatz von Giftgas wurden große Teile der Zivilbevölkerung getötet. Klaus
Wittkugel setzte in einer Art Raster die Porträts schwerverletzter Vietnamesen – unter ihnen
viele Kinder – aneinander. In den Vordergrund brachte er das Profil eines amerikanischen
Soldaten, womit der Verantwortliche für das persönliche Leid der Zivilbevölkerung direkt
bildlich benannt ist. Die Darstellung der Grausamkeiten des Krieges erinnern an
Druckgraphiken von Otto Dix und George Grosz. Allerdings greift Wittkugel hier Formen und
Techniken der Dokumentarphotographie auf: Die grobe Rasterung und die schwarz-weiße
Tonigkeit sind wie Superzeichen von Pressebildern graphisch umgesetzt.
Ein paar Jahre später gab Klaus Wittkugel als den zentralen Antrieb zur kreativen Tätigkeit
für den sozialistischen Künstler sowohl für sich als auch für seine Kollegen die Beschäftigung
mit dem Frieden an, jedoch dominierte zu dieser Zeit eher wieder die Angst vor einem
nuklearen Krieg. In einem Interview von 1982 betonte er: »… Die Frage Krieg oder Frieden
ist die dominierende Motivation meines bisherigen Schaffens. Und das waren nicht allein
grafische Blätter, sondern auch Bilder und ganz besonders Fotografien. … Ein jeder unserer
Künstler kommt (zur Kunstausstellung der DDR, d. V.) mit der Überzeugung und
Entschlossenheit, niemals zuzulassen, daß das Bild des Menschen von heute ergänzt wird
mit den Requisiten des Atomkrieges.«18
Diese Motivation spielte für viele Plakatkünstler sicher eine besonders wichtige Rolle in der
heißesten Phase des Kalten Krieges. Die nukleare Hochrüstung seit 1979 prägte
dementsprechend die Plakatproduktion des VfAA in den achtziger Jahren. Die neue
Verteidigungsstrategie sowohl der USA als auch der UdSSR baute weniger auf die generelle
Abschreckungswirkung der Interkontinentalwaffen als vielmehr auf die Möglichkeit eines
taktisch begrenzten Schlagabtausches an der Nahtstelle der beiden Blöcke mitten in Europa.
Die bereits angeführte Taube Bofingers, unterschrieben mit »Raus mit den US-Raketen aus
West-Europa!«, ist beredtes Beispiel für den Protest der Deutschen in Ost und West gegen
den NATO-Doppelbeschluß.
Aber offizielle Plakatpropaganda der DDR und Bildsprache der westdeutschen
Friedensbewegung trafen sich auch da, wo es gegen Waffen im allgemeinen ging und wo
der wieder aufflammenden Angst eines nuklearen »Overkill« Ausdruck verliehen wurde. So
zeigt das Plakat von Wolfgang Kenkel von 1982 als bildbeherrschende Ikone einzig und
allein den bereits in den fünfziger Jahren dargestellten Atompilz. Der Ort des ersten
Atomwaffeneinsatzes – Hiroshima – wird umgewandelt in »Euroshima« und durch das
Fragezeichen in den Potentialis gesetzt. An das historische Geschehen unfaßbaren Grauens
wird durch die verbalisierte Anspielung auf den Ort dieses Geschehens symbolisch erinnert,
und der damit verbundene Mobilisierungseffekt soll einen Widerstand wecken, der vor
Wiederholungen warnt. Wer Schuld an der Vernichtung der Welt durch einen Dritten
Weltkrieg haben würde, benennt Günter Hiller 1986 in seinem von der Typographie
ausgehenden Plakat durch den Einsatz der im amerikanischen Englisch gebräuchlichen
Abkürzungen. Das »o« der beiden Kurzwörter für »Okay«, das soviel wie »abgemacht, geht
in Ordnung«, und »knockout«, das »kampfunfähig nach einem Niederschlag« bedeutet, ist
Ausgangspunkt der Darstellung der Erde – in ihrer unversehrten blauen Schönheit und als
grau-schwarze Nuklearverpuffung.
Angesichts der drohenden Apokalypse ist der so einfache wie existentielle Wunsch nach
Überleben verständlich. Klaus Lemke formt daraus das Nachdenken »über Leben« in Gestalt
einer Metamorphose der Bombe in ein Blattsymbol.
Gemäß der politischen Vorgabe ist die Darstellung der Abrüstungsforderung immer einseitig,
es ist die Forderung nach Vernichtung der US-amerikanischen Cruise-Missile-Raketen,
niemals sind sowjetische Nuklearwaffen dargestellt.
In sprachlicher sowie bildlicher Erweiterung der sogenannten Null-Lösung (beiderseitiger
vollständiger Verzicht auf sowjetische und amerikanische Mittelstreckenraketen) zu einer
»Null-Null-Lösung« fordert Hans-Eberhard Ernst 1983 den Betrachter zur Betätigung der
Spülung einer Toilette auf. Damit verschwänden die US-Raketen in der Kanalisation, die
Waffen werden hier in die Nähe von Abfallprodukten oder Fäkalien gebracht. 1984 entwirft
Rainer Schwalme das Plakat »Ein Sprengkopf denkt nichts«. Sowohl formal als auch
inhaltlich rekurriert die Superman-Adaption auf die Naivität westlicher Comic-Helden. Der
»Sprengkopf« der Bombe ist der Ausgangspunkt für die Anamorphose des Nuklearkörpers.
Den Umhang in den Farben der US-amerikanischen Flagge weit gebläht, auf der Brust das
Dollarzeichen, zischt die Figur mit erhobenem Arm und zupackender Hand aus dem
Bildraum auf den Betrachter zu und steht damit in bester Tradition des appellativen
Plakattypus.
Offizielle Friedensagitation und oppositionelle Friedensbewegung
Seit ihrem Entstehen Anfang der achtziger Jahre wurde in der oppositionellen
Friedensbewegung versucht, der staatlichen, offiziellen Sichtagitation für den bewaffneten
Frieden durch eigene Manifestationen entgegenzuwirken. Der Unterschied zwischen einer
staatlichen und einer unabhängigen, »eigenständigen« kirchlichen Friedenspolitik bestand im
pazifistischen Ansatz der Gegenbewegung, der neben einer beidseitigen Abrüstung auch
den inneren Frieden im Staat betonte und somit oppositionelles Potential in sich barg.19 Das
führte zu Repressalien, die auch im Kampf um Symbole, Zeichen und Plakate eingesetzt
wurden.20
Die zwei bekanntesten Parolen dieser Zeit seien hier kurz vorgestellt und ihr ambivalenter
Einsatz vorgeführt. Mit dem Verbot des 1980 gegründeten, unabhängigen polnischen
Gewerkschaftsverbands »Solidarno²³« wurde auch die Plakatierung des Namens in der DDR
untersagt. In der Verhaftung von Roland Jahn, der aus der Jenaer Friedensbewegung kam,
wurde zum Ausdruck gebracht, daß der Schriftzug der polnischen Opposition in der DDR als
Demonstration gegen die eigene Regierung verstanden wurde: »Als das Kriegsrecht in Polen
ausgerufen wurde, bin ich auf die Idee gekommen, eine polnische Fahne
an mein Fahrrad zu heften und mit ihr durch die Stadt zu fahren und darauf zu schreiben
›Solidarität mit dem polnischen Volk‹. Eine ganz normale, legitime Losung. Ich habe es
natürlich zweideutig gemacht, … den Schriftzug von Solidarnosc verwandt (und) auf polnisch
geschrieben … Das war zuviel, da hat man gesagt, dieser Mann muß weg.«21
Um so erstaunlicher ist die Verwendung einer dem »Solidarnosc«-Schriftzug stark ähnelnden
Plakataufschrift »Solidarität maxi« von 1985 – zu der Zeit befand sich die Gewerkschaft in
Polen noch immer in der Illegalität. Die von Jochen Friedrich entworfenen Lettern prangen
auf einem westliche Schokoladeriegel enthaltenden Karton. Die Verpackung von »Mars
mini« könnte die minimale Moral der kapitalistischen Warenwelt symbolisieren, die
gegenüber den großen Solidaritätsleistungen der DDR zurücksteht. Jedoch ist die
doppelsinnige typographische Darstellung in ihrem Gehalt nicht eindeutig aufzulösen.
Das andere Beispiel entstammte der Friedensbewegung der DDR selbst: In Vorbereitung der
zweiten Friedensdekade 1980 wurde das Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« ausgewählt,
das die stilisierte Abbildung eines Denkmals des sowjetischen Künstlers Jewgeni
Wutschetitsch zeigte, welches die UdSSR der UNO geschenkt hatte und das in New York
aufgestellt worden war. Die Plastik verkörpert einen Schmied, der ein Schwert bearbeitet,
dessen Ende in einen Pflug umgewandelt ist.22 Die biblische Herkunft des Textes wird mit
»Micha 4« angegeben. Das Symbol wurde als Aufnäher und als Handzettel zahlreich
angebracht und verteilt. Die daraufhin erfolgten vehementen Gegenmaßnahmen der SED
verwunderten die Initiatoren, wo doch das Zeichen »formal und inhaltlich am Anspruch der
sozialistischen Friedenspolitik anknüpfte«.23
Der Deutsche Friedensrat hatte bereits 1960 ein Plakat mit der Abbildung des Denkmals
veröffentlicht. Der mit »Fordert Weltkonferenz für Abrüstung« überschriebene Aufruf zeigt in
ganzer Bildhöhe und dreidimensionaler Qualität die Skulptur des Schmiedes. Und auch in
einem aktuellen Geschenkbuch zur Jugendweihe war die Abbildung der Plastik verbreitet
worden. Doch war wohl die Darstellung der generellen Vernichtung von Waffen 1981
angesichts der Forderung der von der FDJ lancierten Kampagne «Der Frieden muß
verteidigt werden – der Frieden muß bewaffnet sein« nicht zeitgemäß oder mußte sich mit
antiimperialistischer Stoßrichtung zeigen. Die Zerstörung von US-Raketen im Bild durch
Hammer und Sichel oder die Toilettenspülung waren legitim, der Abbildung der manuellen
Zerstörung von Nahkampfwaffen oder deren Umnutzung ist jedoch individualistischer
Pazifismus unterstellt worden, der als staatsgefährdend eingestuft wurde. Und ein
Phänomen ist durch die »Schwerter zu Pflugscharen«-Aktion ebenfalls sichtbar geworden.
Den staatlichen Organen sollte die Deutungsmächtigkeit über Bilder und Symbole des
Friedens vorbehalten bleiben. Als vorher offiziell publizierte Darstellungen Eingang in die
Friedensbewegung fanden, wurden sie von der SED zurückgezogen, ihre Verbreitung wurde
verfolgt. »Durchgestrichene oder in Friedensgerät verwandelte Panzer, Stahlhelme, aus
denen Blumen wuchsen, wurden neben anderen Symbolen verwendet, von denen manche
Adaptionen der offiziellen Propaganda waren, die dann aber sofort als staatsfeindlich galten,
wenn sie in der Friedensbewegung Aufnahme fanden.«24
Die Kontroverse um Gerhard Voigts und Gerda Dassings Plakatentwürfe von 1981
beleuchtet diesen Sachverhalt: Die UNO schrieb 1981 in Vorbereitung der 2. UNSondertagung für Abrüstung im Mai 1982 einen internationalen Plakatwettbewerb aus. Zuvor
sollte jedes Mitgliedsland einen nationalen Wettbewerb durchführen. Die Ergebnisse dieses
Wettbewerbs, 120 Entwürfe, zeigte die DDR in einer Ausstellung im September 1981 in der
Rostocker Kunsthalle. Der Verband Bildender Künstler der DDR hatte alle
Gebrauchsgraphiker aufgerufen, sich zu beteiligen, und 79 waren dieser Aufforderung
gefolgt. Um das Siegerplakat dieses nationalen Wettbewerbs entbrannte die Diskussion. Der
Jury, unter der Leitung des Gebrauchsgraphikers und Dozenten Axel Bertram, gehörten fünf
Gebrauchsgraphiker, jeweils ein Vertreter des Verlags für Agitations- und
Anschauungsmittel, des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (Abteilung UNO) und
des Ministeriums für Kultur (Abteilung UNO) an. Zwei Plakate kamen in die engere Wahl: die
piktogrammartig verkürzte Gestaltung eines Mannes, der ein Gewehr zerbricht, von Gerhard
Voigt mit dem Titel: »Unser Vorschlag gilt: Wir sind dialogbereit für Frieden und Abrüstung«
und ein Plakat von Gerda Dassing, das als »the last photo« einen Blick aus dem All auf die
in leuchtendem Feuer untergehende Erde zeigt. Dieses Plakat löste nach Dafürhalten der
Jury allzusehr Assoziationen von »schönem Untergang« aus, deshalb favorisierte man das
Plakat von Voigt, der sich den zweiten Platz mit Gerda Dassing teilte. Ein erster Preis wurde
nicht vergeben.
In einer ADN-Meldung vom 7. September 1981 hieß es, daß das Zerbrechen eines
Gewehres mißverständlich sei und Haltungen gegen die DDR-Maxime des »bewaffneten
Friedens« heraufbeschwören könnte. Diesem Argument begegnete Ursula Ragwitz von der
Abteilung Kultur des ZK der SED in einer Hausmitteilung an Kurt Hager, Sekretär für
Volksbildung und Kultur beim ZK der SED, vom 16. September 1981. Ihre Begründung war,
daß das Motiv lediglich symbolisch für die Forderung nach Abrüstung stehe. Als Voigts
Plakat beim internationalen Wettbewerb in New York den ersten Preis erhielt, bedeutete dies
allerdings nicht, daß seine Verbreitung für die DDR geplant worden wäre. Daß es
veröffentlicht wurde, ging wiederum zurück auf die Initiative kirchlicher Kreise in der DDR, die
der oppositionellen Friedensbewegung nahestanden. Angeblich hätten diese das Plakat
ohne die Zustimmung Voigts herausgebracht. In diesem Zusammenhang erfolgten von
staatlicher Seite einige Gespräche mit Gerhard Voigt. Die Abteilung Kultur des ZK der SED
machte den Vorschlag, ein Interview mit Gerhard Voigt zu führen, dessen Tenor sein solle,
daß sich das Plakat nicht prinzipiell gegen Waffen im Sinne eines allgemeinen Pazifismus
richte, sondern vielmehr eine Aufforderung zur Beendigung des Wettrüstens und zur
Abrüstung sei. Einige Jahre später wurden beide Plakate auf der Ausstellung zum
Wettbewerb »100 beste Plakate 1988« gezeigt.25
Spezifik des Antikriegsplakates
Versucht man eine typologische Einordnung der politischen Plakate der DDR, die Krieg und
Frieden thematisieren, so zeigt sich zum großen Teil eine Einbindung in den seit der Antike
vorhandenen Formenschatz zur Abbildung von Gewalt und friedvollem Dasein. Einerseits
werden die Schrecknisse des Krieges, das persönliche Leid drastisch vor Augen geführt,
andererseits die Möglichkeit eines begrenzten Friedens als Resultat des richtigen politischen
Handelns oder der absolute Frieden als Utopie dargestellt.26 Jedoch bringt die Entwicklung
neuer Waffentechnik neue Bildinhalte. Seit Beginn der industrialisierten Aufrüstung um 1860
wurden Friedensallegorien mit Rüstungsmotiven kombiniert. Die Gestalt der Welt als Bombe
geht zurück auf Honoré Daumiers Graphik »Europäisches Gleichgewicht« von 1867, und
doch hat erst die atomare Kriegssituation die Erde in eine Bombe verwandelt, die sich selbst
vernichtet. Diese finale Metapher bedingt einen Blick von außen, aus dem Weltraum, der
keinerlei Vorstellung von Flucht mehr zuläßt, wie »the last photo« von Gerda Dassing zeigt.
Die Stationierung von Mittelstreckenraketen Ende der siebziger Jahre fand ihren bildlichen
Reflex in den Plakaten und wurde zur Zementierung des Feindbildes USA eingesetzt.
Auch der Systemvergleich im Bild hat eine lange Tradition, und seit Ambrogio Lorenzetti auf
seinen Sieneser Rathausfresken »schlechte und gute Regierung« mit Krieg und Frieden
attributierte, können Staatsoberhäupter und ganze politische Systeme mit der Ursache für
den einen oder anderen Zustand gleichgesetzt werden; es sei an »Stalin – Das ist der
Frieden!« erinnert.
Ein weiteres Merkmal ist der Einsatz umgewandelter christlicher Symbolik. Die Taube ist
nicht das einzige Motiv der christlichen Bildwelt, das für die Antikriegsthematik eingesetzt
wurde. Auch die Schlange, der Totenschädel und die Darstellung der Apokalypse finden sich
in säkularisierter Form im sozialistischen Plakat.27
Die Hauptfunktion solch verwendeter Symbole ist die Reduktion von Komplexität. Das »pars
pro toto«-Prinzip, der stellvertretende Bezug eines konkreten Teiles auf ein abstraktes
Ganzes wird bei politischen Plakaten besonders sinnfällig. Der Helm, das Schwert, die
Bombe stehen für den gesamten Militärapparat, die Angriffsabsicht, den Atomkrieg; die
Taube, das Kind, der Globus als Friedensbringer, Schutzbedürftiges oder Lebensgrundlage.
Im Überblick ist eine Entwicklungslinie von den reinen Symbolakkumulationen, wie sie in der
frühen DDR die Plakate prägten, bis hin zu einer vielschichtigen Bildnarration, die zum
Nachdenken anregt, festzustellen.
Die Mehrzahl der hier angeführten Plakate arbeitet mit dem für politische Propaganda
charakteristischen Appell: »Fordert: Verbot der …«, »Schluß damit!«, »Helft …«, »Beteiligt
Euch …«, »Unser Vorschlag gilt: …«. Aber vor allem in den siebziger und achtziger Jahren
tauchen Neologismen und verbale Zusammensetzungen auf, die mit Doppeldeutigkeit
spielen oder aber erst durch den hinzugefügten Bildinhalt ihren Sinn erhalten, wie
»Euroshima?«, »k.o. – o.k.«, »über Leben« oder eben die »00-Lösung«. Auf eine solche
Bild-Text-Dialektik wurde nur selten verzichtet, denn diese konstituiert den spezifischen
Bildwitz des politischen Plakates, der neben der formalen Auffälligkeit die Aufmerksamkeit
des Betrachters bindet.
Antikriegsplakate der DDR sind in der Tradition der operativen Kunst der Weimarer Republik,
die die Verbindung von Kunst und Agitation in den Vordergrund stellte, verfertigt worden. Der
Konflikt, der durch die symbolischen Repräsentationen von staatsoffizieller Friedenspolitik
und der Zeichengebung der oppositionellen Friedensbewegung am Ende der DDR auftrat,
zeigt, daß der Bezug von Kunst und »Agitprop« komplexe Bildsysteme ergab, für deren
Mehrschichtigkeit das Medium Plakat ein besonderer Indikator ist.
Anmerkungen
01
Uwe H. Schneede, in: Ausst.-Kat.: Käthe Kollwitz. Die Zeichnerin, Hamburg/Zürich
1980, S. 9. Das Motiv des jungen Menschen mit dem wehenden Haar, der mit
hochgerecktem Arm und auf die Brust gelegter Hand schwört, den Frieden zu bewahren,
nimmt den Schwur- und Beschwörungsgestus der französischen Revolutionskunst auf.
02
Der zweite Kongreß des Weltfriedensrats tagte allerdings nicht in Sheffield, wie auf
dem Plakat angekündigt, sondern in Warschau. Zu vielen Teilnehmern wurde die Einreise
verweigert. Vgl. Margadant: Hoffnung und Widerstand …, 1998, S. 272.
03
Eckhart Gillen geht ikonographisch noch weiter zurück und führt das »Ausräumen
des Augiasstalles durch Herkules« als zugrundeliegendes Motiv an. Vgl. Gillen: »Von der
politischen Allegorie zum sowjetischen Montageplakat«, in: Kultur und Kulturrevolution …,
1978, S. 57-80.
04
Václav Havel: A Word About Words, New York 1992, zit. in: Konrad H. Jarausch:
»Historische Texte der DDR aus der Perspektive des linguistic turn«, in: Iggers u. a.: Die
DDR-Geschichtswissenschaft … , 1998, S. 263.
05
Vgl. H. Münkler: »Das kollektive Gedächtnis der DDR«, in: Parteiauftrag …, 1996, S.
461.
06
Das Amt für Information beim Ministerpräsidenten der DDR (AfI) wurde am
12.10.1949 nach Gründung der DDR aus der vormaligen Hauptverwaltung für Information
der Deutschen Wirtschaftskommission gebildet. Diese zentrale Stelle für regierungsamtliche
Presseinformationen gab auch Propagandaschriften und Plakate heraus und fungierte
zudem als Kontroll- und Zensurbehörde des Pressewesens der DDR. Es gab entsprechende
Ämter auch bei den einzelnen Landesregierungen. Ende Dezember 1952 wurde das AfI
aufgelöst, ein großer Teil seiner Funktionen wurde in das am 1.1.1953 gegründete
Presseamt beim Ministerpräsidenten der DDR überführt. Aus: Herbst u. a.: So funktionierte
die DDR, Bd. 2, 1994, S. 826 ff.
07
1987 wurde der VfAA aus der DEWAG herausgelöst und der Zentrag unterstellt. Die
Zentrale Druckerei-, Einkaufs- und Revisionsgesellschaft mbH war eine Vereinigung
organisationseigener Betriebe (VOB) der SED. Sie wurde im Oktober 1945 gegründet.
SAPMO, DY 30/J IV 2/3–2319–64, Anlage 8 zum Protokoll Nr. 64 der Sitzung des
Sekretariats des ZK
der SED vom 4. Juni 1975; DY 30/SED 13779, Geschäftsbericht der DEWAG Werbung
Zentrale Leitung für das Jahr 1973;
DY 30/J IV 2/3–4030–75, Anlage Nr. 4 zum Protokoll des Sekretariats des ZK der SED vom
8.10.1986.
08
Vgl. H. Stoecker: »›Stalin, das ist der Frieden!‹ – Die Stalin-Note vom 10. März 1952
und die friedenspolitische Propaganda in der DDR«, in: Parteiauftrag …, 1996, S. 398.
09
Die Barockemblematik sieht in der die Schlange im Würgegriff haltenden Gestik ein
Symbol für »entschlossenes Zupacken« im Sinne von »das eigene Schicksal in die Hand
nehmen«, vgl. Henkel/Schöne: Emblemata …, 1996, S. 642.
10
SAdK, Nachlaß Wittkugel, o. Nr.
11
Vgl Hagenow: Politik und Bild …, 1994, S. 60.
12
Die von den USA organisierte konterrevolutionäre Söldnerarmee aus Mitgliedern der
Nationalgarde Somozas kämpfte (im Contra-Krieg) gegen die seit 1979 bestehende
Sandinistische Befreiungsfront Nikaraguas.
13
Vgl. Helmut Rademacher, Vorwort im Ausst.-Kat.: Chile im Herzen …, 1980, S. 4 f.
14
SAPMO, DY 30/J IV 2/3–2516–66, Anlage Nr. 3 zum Protokoll Nr. 66 vom 3.11.1976;
DY 30/SED 33912.
15
Aus einem Interview mit Gerhard Voigt in: Gebrauchsgraphik im Sozialismus …,
1982.
16
SAPMO, DY 30/J IV 2/3–2341–86, Anlage Nr.10 zum Protokoll Nr. 86 vom 23. Juli
1975.
17
Ebd.
18
SAdK, Nachlaß Wittkugel, o. Nr.
19
Eine tief verwurzelte Aversion gegen einen generellen Pazifismus gründete noch aus
den letzten Jahren der Weimarer Republik, als die KPD die SPD des »pazifistischen
Massenbetrugs« bezichtigte. In den marxistisch-leninistischen Vorstellungen von Revolution
fand ein Konzept von Umwälzungen durch gewaltfreien Widerstand niemals
Sympathisanten.
20
»Die staatliche Friedenspolitik wurde – das war unsere Auffassung – getragen von
dem größten Teil der Bevölkerung. Andererseits gab es Friedensbewegungen, die
pazifistisch waren und die in einem normalen Leben eine Rolle hätten spielen können – in
Übereinstimmung mit der Friedenspolitik der Deutschen Demokratischen Republik. Aber
man befürchtete, daß sich diese Friedensorganisationen gegen die Nationale Volksarmee
wenden würden, und aus diesen Gründen hat man sie nicht anerkannt, sondern
bedauerlicherweise sogar verfolgt.« Peter Florin in: Kenntemich (Hrsg.): Das war die DDR,
1993, S. 211.
21
Roland Jahn in: Kenntemich (Hrsg.): Das war die DDR, 1993, S. 205.
22
Vgl. Neubert: Geschichte der Opposition …, 1998, S. 399.
23
Ebd. »Es verband die christlich-biblische Vision und die aus ihr begründete ethische
Haltung mit einem erklärten Ziel sowjetischer und DDR-deutscher Friedenspolitik.«
24
Ebd., S. 425. Auch Otto Pankoks Holzschnitt von 1951 »Jesus zerbricht das Gewehr«
ist ein Beispiel dafür.
25
SAPMO, DY 30/SED 32725, Mitteilung an Kurt Hager, ZK der SED, Abt. Kultur, vom
29.9.1981, Mitteilung von Ursula Ragwitz an Kurt Hager, ZK der SED, Abt. Kultur, vom
22.7.1982, und Ablage Ragwitz zum UNO-Plakat von Gerhard Voigt, 6.5.1982, ZK der SED,
Abt. Kultur, S. 2.
26
Die zerstörte Kanone inmitten einer Naturidylle ist ein bekanntes Motiv für Abrüstung
als zentrale Friedensbedingung, aber noch kein Motiv für den Frieden selbst. Vgl. JürgensKirchhoff: Schreckensbilder …, 1993.
27
Doch die Übernahme dieser Symbolik ist keine Erfindung der DDR, bereits die
Künstler der Assoziation Revolutionärer Bildender Künstler Deutschlands
(ARBKD) funktionierten die christliche Ikonographie für die proletarische Kunst
um.
Quellen:
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO)
Bestand Sekretariatsakten des Politbüros beim ZK der SED, DY 30/J IV 2/3
Stiftung Archiv der Akademie der Künste (SAdK), Nachlaß Wittkugel
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