Verdeckte Botschaften und ihre Auswirkungen auf die

Werbung
Verdeckte Botschaften
und
ihre Auswirkungen auf die
Entwicklung von Kindern
Abschlussarbeit von René Baumgartner
Weiterbildung zum Leiter
von Tageseinrichtungen für Kinder
Marie Meierhofer-Institut für das Kind
2003 - 2004
www.hansjoss.ch
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ........................................................................................................................................... 3
Was ist Transaktionsanalyse (TA)? ................................................................................................. 4
Ich-Zustände ................................................................................................................................... 4
Transaktionen ................................................................................................................................. 6
Strokes ........................................................................................................................................... 7
Grundpositionen ............................................................................................................................. 8
Grundbotschaften ........................................................................................................................... 9
Auswirkungen auf die Entwicklung ................................................................................................ 10
Meine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen................................................................................ 10
Man kann nicht, nicht kommunizieren – tun wir es achtsam und liebevoll! .................................... 11
Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 12
Seite 2/12
Vorwort
„Man kann nicht, nicht kommunizieren“. Dieses Zitat von Paul Watzlawick regte mich an, einmal
genauer hinzusehen und hinzuhören, wie wir in unserem Betrieb mit den Kindern kommunizieren.
In einer Situation vor dem Mittagessen beobachtete ich, wie eine Erzieherin den eineinhalbjährigen
Luca, welcher versuchte alleine auf einen Trip-Trap-Stuhl zu klettern, wortlos hochhob und auf den
Stuhl setzte.
In einer anderen Situation sagte eine Mutter zu ihrer dreijährigen Tochter, welche im Garten beim
nach Hause gehen etwas nasses, schmutziges aufheben wollte: „Anna, fass das nicht an, das ist
eklig! Du machst dich schmutzig! Komm jetzt!“
Dabei stellte ich mir die Frage, was hinter diesen vordergründigen verbalen und nonverbalen Botschaften stecken könnte und inwiefern sich diese auf die Entwicklung der Kinder auswirken.
Was wurde Luca und Anna in diesen Situationen (unbewusst?!) mitgeteilt? Welche Schlüsse könnten sie daraus ziehen? Wie werden sie sich in Zukunft in ähnlichen Situationen verhalten? Welche
Auswirkungen könnte dies auf ihre Entwicklung haben? Wie müssen Erzieherinnen kommunizieren, damit sie Kinder in ihrer Entwicklung unterstützen?
Bei der Suche nach geeigneter Fachliteratur zur Beantwortung dieser Fragen stellte ich fest, dass
es verschiedene Modelle gibt, welche von einem therapeutischen Ansatz her erklären, wie es zu
Problemen, welche Erwachsene haben, gekommen ist. Daraus liesse sich ableiten, wie wir vorzugsweise mit Kindern kommunizieren sollten, damit sie sich zu „gesunden“ Persönlichkeiten entwickeln können.
Kommunikation ist ein Wechselspiel zwischen Sender und Empfänger. Daher erachte ich es für
Erziehende als sehr bedeutsam, dass sie sich bewusst sind, was sie wie senden und empfangen.
Gleichzeitig sollten Situationen auch analysiert und verstanden werden können.
„Wie ein Kind sich selbst erlebt, ist weitgehend davon abhängig, wie es von seiner unmittelbaren
Umgebung, vor allem von seinen Eltern oder denjenigen, die es erziehen, eingeschätzt wird. Das
wird vom Kind bereits lange, bevor es die Sprache versteht und selbst sprechen und begrifflich
denken kann, gespürt, nämlich je nachdem, wie es in bestimmten Situationen angeblickt, angefasst, stimmlich angesprochen und wie auf seine Bedürfnisse eingegangen wird.“
(L. Schlegel, Handwörterbuch der Transaktionsanalyse, S. 92)
Schulz von Thun spricht von Beziehungsbotschaften, welche bei der Entwicklung des Selbstkonzeptes (Meinung von sich selbst) eine wichtige Rolle spielen. Dabei misst er dem Selbstkonzept
eine weitreichende Bedeutung zu. Hat es sich einmal verfestigt, so sucht das Individuum immer
wieder Erfahrungen, in denen sein einmal etabliertes Selbstkonzept immer wieder bestätigt wird.
(vergl. F. Schulz von Thun, Miteinander reden 1, S. 187f)
Ich bin überzeugt davon, dass wir in unserer Kindertagesstätte einen wesentlichen Beitrag zur
Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes beitragen können, oder aber genau das Gegenteil.
Um das Thema einzugrenzen, beschränke ich mich darauf, anhand von Modellen aus der Transaktionsanalyse (TA) darzustellen, wie sich eine Persönlichkeit entwickelt und wie Menschen miteinander umgehen. Ich bin mir bewusst, dass der TA der zweifelhafte Ruf, eine Art „Westentaschenpsychologie“ zu sein anhängt. Dies liegt wohl auch daran, dass ihr Begründer, Eric Berne, bewusst
eine einfache, allgemein verständliche Sprache wählte und dass viele sehr verwässerte und vereinfachte Darstellungen publiziert wurden, welche sich gut verkauften, aber dem Ruf der TA schadeten.
Aufgrund meiner Lektüre kann ich mich dem Satz „TA ist einfach, aber nicht simpel“ anschliessen.
Im Rahmen dieser Arbeit ist es mir nicht möglich, die Modelle in all ihren Tiefen zu beschreiben.
Ich werde nur eine kurze Übersicht über die meiner Fragestellung nützlichen Modelle geben und
meine daraus gezogenen Schlüsse beschreiben.
Seite 3/12
Was ist Transaktionsanalyse (TA)?
„Die Transaktionsanalyse ist eine Theorie der menschlichen Persönlichkeit und zugleich eine Richtung der Psychotherapie, die darauf abzielt, sowohl die Entwicklung wie auch Veränderungen der
Persönlichkeit zu fördern.“ (I. Stewart / V. Joines, Die Transaktionsanalyse, S. 23)
Gemäss Stewart/Joins lässt sich die TA als Persönlichkeits- und Kommunikationstheorie auf jedem
Gebiet anwenden, wo es um das Verständnis des Einzelnen, das Erfassen von Beziehungen und
die Theorie und Praxis der Kommunikation geht.
Ich-Zustände
Bei Thomas Meier habe ich folgende Definitionen gefunden:
(Th. Meier, Kurzeinführung in die Transaktionsanalyse, S. 9)
Eric Berne (der Begründer der TA) definiert einen Ich-Zustand (IZ) als ein System von Fühlen und
Denken, verbunden mit einem System von dazugehörenden Verhaltensmustern.
Allen Menschen stehen drei Ich-Zustände zur Verfügung:
 Eltern-Ich oder EL
 Erwachsenen-Ich oder ER
 Kindheits-Ich oder K
Die drei Ich-Zustände werden mit drei übereinanderliegenden Kreisen dargestellt. Dabei gilt es
zwischen zwei Modellen zu Unterscheiden; dem Strukturmodell der Ich-Zustände und dem Funktionsmodell der Ich-Zustände.
Das Strukturmodell dient dazu, zu verstehen, was alles an Erfahrungen, Erlebnissen, Gedanken,
Gefühlen etc. im EL und im K gespeichert ist. Dabei wird zwischen dem Modell der 1. und der 2.
Ordnung unterschieden.
(aus Stewart/Joines, Transaktionsanalyse, S.34)
Das Strukturmodell 2. Ordnung bezweckt die im Gedächtnis gespeicherten Erfahrungen, welche
sich auf Gedanken, Verhaltensweisen und Gefühle beziehen, in nützlicher Weise zu klassifizieren.
„Als Kinder bekommen wir alle Botschaften von unseren Eltern. Über jede Botschaft, die wir erhalten, machen wir uns ganz bestimmte Gedanken, und in unserer Phantasie kommen uns in Verbindung mit der Botschaft bestimmte Vorstellungen.
Wenn wir eine Botschaft bekommen, erleben wir Gefühle, und wir beschliessen, wie wir darauf
reagieren wollen. Ausserdem begründen uns unsere Eltern vielleicht auch, warum diese Botschaft
wichtig ist, und sie äussern vielleicht Emotionen, die eine verdeckte Botschaft enthalten, zusätzlich
zu derjenigen, die sie offen vermitteln.
Im Strukturmodell zweiter Ordnung werden die Botschaften, die wir von unseren Eltern oder Elternfiguren erhalten haben, im EL3 „abgelegt“. Die Gründe, die sie uns dafür genannt haben, warum
das so wichtig ist, werden im ER3 gespeichert. Und ist die Botschaft begleitet von einem unausgesprochenen oder verdeckten Anteil, so wird dieser im K3 aufbewahrt.
Was wir selber denken über diese Botschaften, wird ein Teil des Inhalts unseres eigenen ER2.
Die Vorstellungen, die wir uns darüber machen, was passieren würde, wenn wir diese Botschaften
befolgen würden oder wenn wir sie nicht befolgen, werden ein Teil des EL1. Die Gefühle, mit denen
wir auf diese Vorstellungen reagieren, werden im K1 aufbewahrt, und unsere frühere Entscheidung
darüber, was wir tun werden, kommt aus dem ER1.“ (I. Stewart / V. Joines, Die Transaktionsanalyse, S. 60f)
Seite 4/12
(aus Stewart/Joines, Transaktionsanalyse, S.60)
Das Funktionsmodell dient dazu, aufzuzeigen, wie wir im täglichen Umgang mit der Umwelt unsere Ich-Zustände einsetzen. Dabei wird mit einer allgemeintypischen Betrachtungsweise geschaut, wie sich Menschen verhalten. Daraus ergeben sich im EL und im K positive und negative
Funktionen:
+kEL (positiv kritische/kontrollierende Eltern):
Diese verhalten sich Grenzen setzend, wohlwollend, streng, gerecht, einfühlend
-kEL (negativ kritische/kontrollierende Eltern):
massiv abwertend, verletzend, destruktiv, schädigend, vernichtend
+nEL (positiv nährende/fürsorgliche Eltern):
behütend, wohlwollend, schützend, nährend:
-nEL (negativ nährende/fürsorgliche Eltern):
überbehütend, gluckenhaft, symbiotisch, erdrückend, Entwicklung behindernd
ER (Erwachsenes Verhalten):
sachlich, nüchtern, entscheidungsorientiert, abwägend, im Hier und Jetzt, konzentriert, innere und äussere Quellen berücksichtigend, gegenwartsbezogen, Fakten überprüfend
+aK (positiv angepasstes Kind):
Dieses Verhält sich anständig, artig, brav, reaktiv
-aK (negativ angepasstes Kind):
chaotisch, unanständig, unterwürfig, sich selber abwertend
+rK (positiv rebellisches Kind):
sich wehrend, für sich sorgend, sich behauptend
-rK (negativ rebellisches Kind):
chaotisch, verletzend, sich querlegend, sich/andere abwertend
+fK (positiv freies Kind):
geniessend, frei, lustvoll, offen, dynamisch, spontan, energiegeladen
-fK (negativ freies Kind):
sich/andere in Gefahr bringend, rücksichtslos, destruktiv
Die beiden Modelle stehen in engem Zusammenhang miteinander und bedingen einander. Trotzdem müssen sie immer klar auseinander gehalten werden.
Um zu verstehen, WIE Menschen miteinander umgehen, muss das Funktionsmodell angewandt
werden. Wenn es darum geht zu verstehen, WAS im einzelnen Menschen abläuft, verwendet man
das Strukturmodell. (vergl. Stewart/Joines, Transaktionsanalyse, S.33-71)
Nach Berne gibt es vier Weisen, wie man die Ich-Zustände erkennen kann. Im Zusammenhang mit
meiner Fragestellung erachte ich zwei als hilfreich:
Die Verhaltensdiagnose und die Soziale Diagnose.
Seite 5/12
Bei der Verhaltensdiagnose versuche ich möglichst viel vom Gegenüber wahrzunehmen (Wortwahl, Sprechweise, Stimme, Mimik, Gestik, Körperhaltung). Dadurch kann ich vom funktionalen
Aspekt her vorsichtige Schlüsse ziehen, in welchem Ich-Zustand sich die Person befindet.
Bei der sozialen Diagnose wird von der Tatsache ausgegangen, dass Menschen auf Beziehungsangebote oft aus einem ergänzenden Ich-Zustand heraus reagieren. So wird zum Beispiel jemand
den ich aus einem Eltern-Ich heraus anspreche vermutlich aus einem Kind-Ich reagieren. Ich kann
auch bei mir wahrnehmen, welchen Ich-Zustand ich besetzte und daraus schliessen, aus welchem
Ich-Zustand heraus mich mein Gegenüber angesprochen hat.
Dabei handelt es sich um allgemeingültige Indizien nach dem Funktionsmodell.
Transaktionen
„Eine ‚Transaktion’ ist die kleinste kommunikative Einheit und besteht aus einer Botschaft des
Senders (Stimulus) und einer Reaktion des Empfängers (Response) darauf. ‚Stimulus’ und
‚Response’ können nonverbal sein.“ (G. Henning/G. Pelz, Transaktionsanalyse, S. 43ff)
Mit zwei nebeneinander liegenden Ich-Zustandsmodellen können diese Transaktionen dargestellt
werden.
Richtet ein Sender eine Botschaft aus einem bestimmten Ich-Zustand an einen entsprechenden
Ich-Zustand des Empfängers und dessen Antwort nimmt den selben Weg zurück an den Sender,
so wird dies eine parallele Transaktion genannt. Dies ist zwischen allen Ich-Zuständen möglich.
Sender und Empfänger verstehen sich. Verlaufen Transaktionen parallel, so kann die Kommunikation unbegrenzt weitergehen.
(aus Henning/Pelz, Transaktionsanalyse, S.44)
Reagiert der Empfänger aus einem anderen Ich-Zustand als dem vom Sender angesprochenen,
so erfährt der Sender nicht die erwartete Reaktion und fühlt sich dabei oft nicht verstanden. Dies
wird gekreuzte Transaktion genannt. Die Kommunikation ist unterbrochen und geht erst weiter,
wenn eine der beiden Personen den Ich-Zustand wechselt. Kreuztransaktionen können nützlich
oder hinderlich sein. Ich kann zum Beispiel eine Botschaft bewusst so nicht annehmen.
(aus Henning/Pelz, Transaktionsanalyse, S.44)
Nun gibt es Transaktionen, in denen gleichzeitig eine offene Botschaft (soziale Ebene) und eine
verdeckte Botschaft (psychologische Ebene) vermittelt werden. Diese werden latente, doppelbödige oder verdeckte Transaktionen genannt. Über den Ausgang der Kommunikation entscheidet
dabei immer die verdeckte, psychologische Ebene. Jede Transaktion hat eine psychologische und
soziale Ebene, nur sind sie bei verdeckten Transaktionen nicht kongruent. Die verdeckte Botschaft
kann nicht schriftlich festgehalten werden und wird durch nonverbale Indizien wie Körperhaltung,
Sprechweise, Mimik, Gestik etc. „gelesen“ werden. Kleine Kinder „lesen“ diese Botschaften intuitiv.
Seite 6/12
(aus Henning/Pelz, Transaktionsanalyse, S.45)
(aus Henning/Pelz, Transaktionsanalyse, S.47)
(aus Henning/Pelz, Transaktionsanalyse, S.48)
Bei allen Transaktionen gilt: Der Sender kann den Empfänger nur einladen, aus einem bestimmten
Ich-Zustand heraus zu reagieren. Es ist die (bewusste oder unbewusste) Entscheidung des Empfängers, ob er darauf einsteigen will.
Strokes
Eric Berne hat verschiedene Arten von Hunger beschrieben, und meinte damit verschiedene
menschliche Grundbedürfnisse; ähnlich wie sie Maslow in der Bedürfnis-Pyramide dargestellt hat.
Der Hunger nach Strokes meint das Bedürfnis nach körperlicher Berührung bei Säuglingen genauso wie das Bedürfnis nach Zuneigung, Annerkennung oder Zur-Kenntnisnahme durch andere.
„Jede Transaktion (ob verbal oder averbal) stellt einen Austausch von Strokes dar! Jede Art von
Stroke ist besser als gar keine! Erhaltene Zuwendung, sei sie auch noch so negativ, ist immer
noch besser als überhaupt keine!“ (Th. Meier, Kurzeinführung in die Transaktionsanalyse, S.53)
Wobei gesunde Menschen lieber positive Strokes suchen, bei einem Mangel aber bereit sind, auch
negative anzunehmen.
In der TA werden sechs Arten von Strokes unterschieden, die alle unter sich kombiniert vorkommen:
Seite 7/12






nonverbale Strokes – in Transaktionen
verbale Strokes– in Transaktionen
positive Strokes – vom Empfänger als angenehm empfunden
negative Strokes – vom Empfänger als schmerzlich erlebt
bedingte Strokes – bezogen auf das, was du tust
bedingungslose Strokes – bezogen auf das was du bist
Beim eingangs erwähnten Beispiel von Anna handelt es sich um einen bedingt negativen verbalen
und nonverbalen Stroke.
Kinder probieren alle möglichen Verhaltensweisen aus, um herauszufinden, welche davon Strokes
einbringen. Dabei ist es wahrscheinlich, das gestroktes Verhalten wiederholt wird. Auf diese Weise
verstärkt das Stroken das Verhalten. Dabei tendieren Kinder und Erwachsene dazu, ständig nach
Wegen zu suchen, wie sie am sichersten zu Strokes kommen. Empfindet ein Kind einen Mangel
an positiven Stokes, kann es sein, dass es beschliesst sich lieber um negative Strokes zu bemühen, statt Gefahr zu laufen, Strokes ganz entbehren zu müssen. Negative Strokes verstärken das
Verhalten genauso wirksam wie positive.
Das heisst nun aber nicht, dass wir Kindern nur bedingungslose positive Strokes geben sollen.
Damit würden wir ja einen Teil des Kindes nicht beachten, nämlich sein Verhalten.
„Bedingte Strokes, und zwar positive und negative, sind für uns wichtig, denn wir nutzen sie als
Mittel, etwas über die Welt zu erfahren.“ (I. Stewart / V. Joines, Die Transaktionsanalyse, S. 133)
Bedingte Strokes geben uns also Hinweise, wie unser Verhalten von der Umgebung wahrgenommen wird und dienen somit als Entscheidungsgrundlage, ob ich mein Verhalten ändern oder beibehalten will. Diese Wahl habe ich aber nur, wenn ich mir genügend positiver Strokes sicher bin.
„Claude Steiner ist der Meinung, dass die meisten Menschen mit einem Defizit an Strokes leben
und darunter auch leiden.
Eltern bringen ihren Kindern die folgenden fünf einschränkenden Regeln über Strokes bei:
 Gib keine Strokes, auch wenn du gerne möchtest!
 Bitte nicht um Strokes, wenn du welche brauchst!
 Nimm keine Strokes an, wenn du welche willst und bekommen kannst oder bekommst!
 Lehne keine Strokes ab, wenn du sie nicht willst!
 Stroke dich nicht selber (...denn Eigenlob stinkt!)!
Steiner ist der Ansicht, dass Eltern / Autoritätspersonen diese fünf restriktiven Regeln aufrechterhalten, um ihr Kinder steuern und kontrollieren zu können!“
(Th. Meier, Kurzeinführung in die Transaktionsanalyse, S.55)
Ich persönlich finde dies zu generell formuliert, denke aber, dass es auf alle Arten von positiven
Strokes zutreffen könnte.
Grundpositionen
„Aus den frühen Erlebnissen entwickeln wir weitreichende Einstellungen zu uns selbst und der
Umgebung, die ‚Lebensgrundposition‘. Sie bestimmt, ob wir uns als angenommen und wertvoll
erleben, also ‚o.k.‘ fühlen. Diese Position wird auch auf andere bezogen: Wie sehe ich die anderen, sehe ich sie als vollständig und wertvoll, also ‚o.k.‘ an?“ (G. Henning/G. Pelz, Transaktionsanalyse, S. 94f)
Es werden vier Grundpositionen beschrieben:
 Ich bin ok – Du bist ok (+/+)
 Ich bin ok – Du bist nicht ok (+/-)
 Ich bin nicht ok – Du bist ok (-/+)
 Ich bin nicht ok – Du bist nicht ok (-/-)
In der TA wird davon ausgegangen, dass Kinder in der ersten Position (+/+) geboren werden und
solange ihre Bedürfnisse erfüllt werden auch darin bleiben.
Die zweite Position (+/-) dient im rebellischen Kampf gegen das Gefühl, selbst nicht o.k. zu sein.
Sie wird von Kindern, welche ihre Umgebung als feindselig erleben entwickelt. (Ausnutzung, Missbrauch.
Seite 8/12
Die dritte Position (-/+) ist eine resignierend-depressive Haltung. Werden wesentliche Bedürfnisse
nicht erfüllt, sieht das Kind in sich die Ursache und interpretiert sich als minderwertig.
Die vierte Position (-/-) wird dann entwickelt, wenn Kinder schlecht behandelt werden und weder
sich noch andere als wertvoll erleben. Die Grundstimmung ist Verzweiflung und Hass.
„Die Grundposition wirkt als Organisationsprinzip für das Denken, Fühlen, Handeln und die Beziehungsgestaltung.“ (G. Henning/G. Pelz, Transaktionsanalyse, S. 95)
Grundbotschaften
Eltern (Bezugspersonen) reagieren mit allen Ich-Zuständen auf das Kind und geben ihm so unterschiedliche Botschaften betreffend seiner Person, seines Lebens und seiner Umgebung.
Dies können sowohl hinderliche als auch förderliche Botschaften sein.
Es wird zwischen Einschärfungen (Bannbotschaften), Erlaubnissen und Antreibern unterschieden:
Grundbotschaften: Erlaubnisse und Einschärfungen
Bereich
Fördernde Botschaft / Bestätigung
Einschränkende Botschaft / Verbot
Dasein
Wir freuen uns, das du da bist!
Du hast ein Recht hier zu sein!
Ich bin froh, dass du ein Mädchen / Junge
bist!
Erprobe und erfahre, wer du wirklich bist!
Dein Dasein, deine Bedürfnisse, dein Fühlen,
dein Denken, deine Ansichten und Erfahrungen sind uns wichtig!
Es ist schön, dich zu halten, dich zu berühren, dir nahe zu sein!
Sei nicht!
Existiere nicht!
Habe keine eigenen Empfindungen!
Sei nicht der, der du bist!
Identität / Selbst
Wert
Nähe und Kontakt
Empfindungen, Wünsche und
Bedürfnisse
Fühlen
Denken
Fähigkeiten und Fertigkeiten
Gesundheit
Glück und Zufriedenheit
Deine Bedürfnisse sind in Ordnung!
Du kannst dir deine Zeit nehmen!
Ich bin froh, dass du grösser wirst!
Trau deinen Gefühlen als Führer!
Du kannst neugierig und intuitiv sein!
Du kannst beim Fühlen denken und beim
Denken fühlen!
Du kannst für dich selbst denken!
Entdecke deine Welt und probiere etwas aus!
Du kannst etwas unternehmen und Unterstützung dabei bekommen!
Es ist gut, Verantwortung für eigene Bedürfnisse, Gefühle und Handlungen zu übernehmen!
Sorge für dich!
Lass es dir gut gehen!
Es ist in Ordnung, selbständig zu sein!
Sei nicht wichtig!
Sei nicht nahe!
Traue niemandem!
Gehöre nicht dazu!
Habe keine eigenen Bedürfnisse!
Sei kein Kind!
Werde nicht erwachsen!
Habe keine eigenen Gefühle!
Denke nicht!
Schaff es nicht!
Tu es nicht!
Sei nicht gesund!
Sei nicht normal!
Sei nicht glücklich!
Sei nicht zufrieden!
(G. Henning/G. Pelz, Transaktionsanalyse, S. 99f)
Diese Botschaften kommen kaum in dieser Form vor und werden meist nonverbal und unbewusst
vermittelt. Trotzdem ist die vereinfachende Prägnanz hilfreich, um zu erkennen, welche Wirkung
Bannbotschaften letztlich haben können.
Im Gegensatz zu den Bannbotschaften, werden Antreiber dem Kind bewusst gegeben. Eltern geben sie aus dem Eltern-Ich den Kindern, damit diese das Leben auf eine den Eltern genehme Art
bewältigen. Es werden fünf Typen beschrieben:
 Mach es mit recht!
 Beeile dich!
 Sei stark!
 Streng dich an!
 Sei perfekt!
(vergl. G. Henning/G. Pelz, Transaktionsanalyse, S. 100ff)
Seite 9/12
Auswirkungen auf die Entwicklung
Die möglichen Folgen der verinnerlichten Grundpositionen und Grundbotschaften auf das Leben
eines Menschen, sind in der TA in der Skript-Theorie (Skript = unbewusster Lebensplan) beschrieben. Darin geht es im wesentlichen darum, wie wir unsere Lebenspläne verwirklichen, auch wenn
sie uns nicht glücklich machen. Danach entwickeln wir Verhaltensweisen, mit welchen wir uns unsere Umwelt so schaffen, dass wir genau die Erfahrungen machen, welche unsere Überzeugungen bestätigen.
Etwas ähnliches beschreibt Schulz von Thun. Damit schliesst sich der Bogen zum im Vorwort erwähnten Selbstkonzept. Danach stellt sich das Selbstkonzept als Verdichtungsprodukt dar: So
einer bin ich. Nun betätigt sich das Selbstkonzept mittels Vermeidungen und Verzerrungen als
„Macher“ von Erfahrungen, welche das Selbstkonzept immer wieder bestätigen.
(vergl. F. Schulz von Thun, Miteinander reden 1, S. 193f)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich alle Botschaften auf die Entwicklung eines
Menschen auswirken. Viele negative Beziehungsbotschaften können zu einem negativen Selbstkonzept bis hin zu schweren psychischen Störungen führen.
Meine Erkenntnisse und Schlussfolgerungen
Ich finde die Theorie und Modelle der Transaktionsanalyse zum Beobachten und Verstehen von
Situationen hilfreich. Eine Gefahr sehe ich darin, dass aufgrund von einzelnen Situationen, mit
Hilfe der Modelle, Schlüsse auf das ganze Leben der Person gezogen und diese als „absolute
Wahrheit“ gesehen werden. Genau dazu taugt die Transaktionsanalyse, wie auch jede andere
Theorie, nicht. Ein achtsames Beobachten und Wahrnehmen, auch der unhörbaren Zwischentöne,
bleibt die Grundlage zum Verstehen der Menschen. Erst damit kann ich mit Hilfe der TA-Modelle
Situationen analysieren und mögliche Erklärungen für ein Verhalten suchen. Dabei kann es sich
immer nur um Vermutungen handeln und wir müssen entsprechend sorgfältig damit umgehen.
Trotzdem kann ich daraus ableiten, welche Verhaltensweisen tendenziell der Entwicklung eines
positiven Selbstkonzeptes des Individuums förderlich sind und welche nicht.
Botschaften, ob offen oder verdeckt gesendet, können sowohl einen positiven als auch einen negativen Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes haben. Es liegt aber beim Empfänger, ob und
wie er die Botschaft annehmen will und was er daraus macht. Eines der Probleme dabei ist, dass
dies meistens unbewusst geschieht. Wir können uns als Empfänger zwar Entscheiden, wie wir mit
einer Nachricht umgehen, tun dies aber meist unbewusst und gelenkt von frühen Erfahrungen aus
der Kindheit. Damit ist auch klar, dass es keine allgemeingültigen ‚wenn ich das sehe, dann weiss
ich dies’ Schlussfolgerungen geben kann. Ähnliches gilt für den Sender. Auch er sendet oft Botschaften, denen er sich nicht bewusst ist. Darin sehe ich eine gute Anwendungsmöglichkeit des
Ich-Zustands-Modells.
Mit Hilfe des Funktionsmodells können wir uns gegenseitig Feedback geben, wie wir das Verhalten
der Erzieherin und des Kindes erleben und welches Verhalten wir von einer Erzieherin möchten.
Beim im Vorwort erwähnten Beispiel von Luca könnte dies etwa so lauten: „Als du Luca wortlos
hochhobst und auf den Stuhl gesetzt hast, erlebte ich dich wie negativ fürsorgliche Eltern. Luca hat
dein Verhalten akzeptiert und vermutlich aus dem negativ angepassten Kind reagiert. Damit hat er
meiner Meinung nach aufgrund deines Verhaltens seinen ursprünglichen Plan, alleine auf das TripTrap zu klettern, aufgegeben. Ich möchte, dass Luca positive Eltern erlebt. Dies kann zum Beispiel
so aussehen: Ich nähere mich Luca langsam und sage ruhig ‚Toll, du versuchst schon alleine auf
den Stuhl zu steigen. Ich habe ein wenig Angst, dass du hinunterfallen und dich verletzen könntest. Deshalb stelle ich mich zu dir, damit ich dich auffangen könnte.‘ Damit glaube ich mich wie
positiv fürsorgliche Eltern verhalten zu haben.“
Das Strukturmodell könnte der Erzieherin helfen, herauszufinden, weshalb sie sich oft auf eine
bestimmte Art und Weise verhält. Ich würde aber nicht von mir aus analysieren, was für Elternfiguren die Erzieherin verinnerlicht hat.
Am Beispiel von Anna möchte ich zeigen, wie wir die Transaktionen analysieren können.
Seite 10/12
Die Mutter sagte ‚Anna, fass das nicht an, das ist eklig.‘ forsch und mit lauterer Stimme als üblich.
Betrachten wir nur die Worte, könnten diese als sachliche Information aus dem ER kommen. Die
Art, wie die Worte gesagt wurden, deuten auf einen Impuls aus dem EL an das K hin. Die Reaktion
von Anna gibt weitere Hinweise darauf, wie die Transaktion verlief. Anna liess sich nicht vom Vorhaben abbringen und hob den Gegenstand auf. Dazu sagte sie laut ‚Ich will noch nicht nach Hause!‘ Es begann ein hin und her zwischen der Mutter und Anna, währenddem die Mutter immer wieder Argumente vorbrachte, warum sie jetzt nach Hause gehen müssten. Schlussendlich nahm sie
Anna den Gegenstand weg und zerrte sie unter lautem Protest von Anna zum Auto.
Handelt es sich hier nun um verdeckte Botschaften? Im Sinne der Transaktionsanalyse vermutlich
nicht. Die Transaktionen verlaufen parallel zwischen dem EL und dem K. Die Mutter könnte aber
mit dem Satz ‚Du machst dich schmutzig.’ zusätzlich verdeckt aus ihrem K an das EL von Anna
senden: „Sorge dafür, dass ich nicht so viel Arbeit habe.“
Betrachten wir die Situation aus der Sicht der Grundbotschaften, so könnte Anna die Antreiber
„Mach es mir recht!“ und „Beeile dich!“ Empfangen. Dies vor allem dann, wenn die Mutter sehr oft
so mit Anna spricht. Zerrt die Mutter Anna oftmals von Dingen weg, welche Anna erforschen möchte, kann dies zur Einschärfung „Tu es nicht“ führen.
Erlebte und erlebt Anna viele Situationen mit solchen oder ähnlichen Botschaften, ist es möglich,
dass sie für ihr Leben die dritte Grundposition, ich bin nicht ok – du bist ok (-/+) einnimmt. Dabei
würde sie sich minderwertig und nicht liebenswert fühlen. Im laufe ihrer Entwicklung verhält sie
sich meistens so, dass ihre Meinung über sich bestätigt wird.
Beim Stroke-Modell habe ich schon erwähnt, dass Anna in dieser Situation bedingt negative verbale und nonverbale Strokes erhält. Erhält Anna viel öfter negative als positive Strokes, wird sie mit
der Zeit vermutlich immer mehr negative Strokes „suchen“ und erhalten. Dadurch würde ihr negatives Selbstkonzept wiederum bestätigt.
Damit habe ich eine sehr negative Prognose für die Persönlichkeitsentwicklung von Anna gemacht. Das selbe Vorgehen wäre auch bei Luca möglich, vermutlich mit einem ähnlichen Ergebnis.
Zum Glück erleben die meisten Kinder nicht nur solche Situationen, sondern auch sehr viele positive. Für uns in der Kindertagesstätte als Elternfiguren bedeutet dies, dass wir eine grosse Verantwortung bezüglich der Kommunikation mit den Kindern tragen.
Damit wir ein Klima der Wertschätzung und Offenheit schaffen, sind, in Ableitung der beschriebenen TA-Modelle, folgende Verhaltensweisen der Erzieherinnen anzustreben:
 Sich wie positive Eltern (+nEL & +kEL) verhalten
 Sich auch wie Kinder in positiven Ich-Zuständen (+fK / +aK / +rK) verhalten
 Überwiegend positive Strokes geben
 Nur auf Verhalten bezogen negative Strokes geben
 Eine ‚Ich bin ok – Du bist ok (+/+)-Position’ vorleben
 Erlaubnisse zum Sein, Wachsen, Denken, Fühlen, Handeln usw. geben
 Im Kontakt mit dem eigenen Denken und Fühlen sein
Man kann nicht, nicht kommunizieren – tun wir es achtsam und liebevoll!
Seite 11/12
Literaturverzeichnis
Friedemann Schulz von Thun, Miteinander reden 1
Rowolth Taschenbuch Verlag, Reinbeck bei Hamburg, 1981
Ian Stewart / Vann Joines, Die Transaktionsanalyse
Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 1990
Gudrun Henning / Georg Pelz, Transaktionsanalyse
Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 1997
Leonhard Schlegel, Handwörterbuch der Transaktionsanalyse
Verlag Herder, Freiburg im Breisgau, 1993
Thomas Meier, Kurzeinführung in die Transaktionsanalyse
Eigenverlag, 1999
Seite 12/12
Herunterladen