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Achtsamkeit – eine Kompetenz
und ihre Bedeutung in der professionellen
Sozialarbeit am Beispiel der Beratung
Vordiplomarbeit
am Fachbereich Sozialwesen der Fachhochschule Fulda
vorgelegt von
Cornelia Müller
Erster Referent: Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos
Zweiter Referent: Prof. Dr. Michael Wolf
Fulda, Dezember 2004
1
Achtsamkeit – eine Kompetenz und ihre Bedeutung in der professionellen
Sozialarbeit am Beispiel der Beratung
1.
Persönliche Motivation für die Themenwahl
2.
Achtsamkeit – der Versuch einer Begriffsklärung
2.1
Unterschiedliche Beschreibungen und Definitionen
03
04
04
2.1.1 Etymologische Herkunft
04
2.1.2 Beschreibung laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 04
2.1.3 Definitionen aus dem geistlichen Leben
05
2.1.4 Ellen Langers Definition von Achtsamkeit
07
2.2
Voraussetzungen um achtsam sein zu können
09
2.3
Verwandte Begrifflichkeiten und deren Beschreibungen
14
3.
Achtsamkeit in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der
3.1
Beratungstätigkeit
19
Definition von Beratung
20
3.1.1 Das Beratungsklientel
22
3.1.2 Die Aufgaben des Sozialpädagogen in der Beratungstätigkeit
22
3.2
24
Die Bedeutung von Achtsamkeit als Kompetenz in der Beratung
3.2.1 Achtsamkeit für das Gegenüber
25
3.2.2 Achtsamkeit für sich selbst
27
3.2.3 Exkurs in die „Kreative Leibtherapie“
29
4.
Resümee
30
Literaturverzeichnis
33
Anhang: Gesprächsprotokoll
2
Achtsamkeit – eine Kompetenz und ihre Bedeutung in der
professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratung
1.
Persönliche Motivation für die Themenwahl
Achtsamkeit – als ich in der Liste der möglichen Themen für die Vordiplomarbeit
diesen Begriff las, wusste ich sofort: damit möchte ich mich in nächster Zeit
beschäftigen.
Der Begriff „Achtsamkeit“ begegnete mir in den letzten Jahren häufig in
unterschiedlichen Kontexten, vor allem im Bereich der Tanztherapie und bei workshops
für meditativen Tanz. Kurz nach meiner Entscheidung im Juli brachte die Zeitschrift
„psychologie heute“ ein Heft mit dem Titelthema „Achtsamkeit“ heraus. Prof. Dr.
Schulte-Cloos fand ein neues Buch zum Thema und machte mich darauf aufmerksam.
Mit den Literaturverzeichnissen in den genannten Veröffentlichungen, mit der Suche im
Internet und durch Gespräche mit Bekannten und Freunden bot sich bald eine große
Palette an Information und auch einige Verwirrung.
Dabei wurde mir bald deutlich, dass der Begriff Achtsamkeit in der buddhistischen
Lehre und bei Therapeuten, die nach der buddhistischen Lehre arbeiten, eine
entscheidende Bedeutung hat. Mit der Lektüre von Ellen Langers Buch „Fit im Kopf“,
wie der Originaltitel „Mindfulness“ übersetzt wurde, bekam der Begriff Achtsamkeit
noch eine andere Dimension. Ihr Grundbegriff „mindfulness“ irritierte mich eine
Zeitlang sehr, da ich in Wörterbüchern keine Übersetzung dafür fand und „mind“ im
allgemeinen mit „Verstand, Geist“ übersetzt wird. Nach Rückfrage bei Prof. Dr.
Schulte-Cloos konnte ich aber die Literatur verwenden, da „mindfulness“ tatsächlich
mit Achtsamkeit übersetzt wird.
In dieser Arbeit werde ich Definitionen von Achtsamkeit wiedergeben, die ich
zusammengetragen habe. Der Aspekt der Wahrnehmung soll zur Sprache kommen, als,
wie ich meine, eine Grundvoraussetzung für Achtsamkeit. Des weiteren werde ich
verwandte Begriffe erläutern. Daran anschließend werde ich darlegen, welche
Bedeutung Achtsamkeit als Kompetenz für die professionelle Sozialarbeit, mit dem
Schwerpunkt Beratung hat. Im Resümee wird es um weiterführende Fragen gehen. Bei
3
alledem, was ich zu den Inhalten dieser Arbeit geschrieben habe, erhebe ich keinerlei
Anspruch auf Vollständigkeit, zu vielfältig sind Literatur und Meinungen.
Achtsamkeit – der Versuch einer Begriffsklärung
2.
Achtsamkeit als Kompetenz im Umgang mit sich selbst, den Mitmenschen und der
Umwelt ist ein weites, schwer zu fassendes Feld. Um Achtsamkeit also in Beziehung
zur sozialpädagogischen Arbeit setzen zu können, bedarf es zunächst einer
ausführlichen Beschäftigung mit dem Begriff.
2.1
Unterschiedliche Beschreibungen und Definitionen
Aufgrund der verschiedenen Hintergründe (Pädagogik, Spiritualität, Forschung) setzen
die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Religionen wie das
Christentum und der Buddhismus und die Psychologin Ellen Langer unterschiedliche
Schwerpunkte. Diese werde ich im Folgenden näher erläutern.
2.1.1 Etymologische Herkunft
Das Wort achtsam lässt sich im Deutschen auf zwei gegensätzliche Wurzeln
zurückführen: zum Einen auf das mittelhochdeutsche „āhte“, was soviel bedeutet wie
(öffentliche) Verfolgung und im Zusammenhang steht mit dem Ausschluss aus der
Gemeinschaft. Die Bedeutung klingt noch heute in „ächten“ an. Die andere Wurzel ist
fast gleichlautend, das althochdeutsche „ahta“, welches Aufmerksamkeit, Fürsorge,
Beachtung bedeutet und mit dem gotischen aha (Sinn, Verstand) verwandt ist. Dem
entsprechen heute die Begriffe „achten, Achtung, achtsam“ (vgl. Duden 1963, 11).
2.1.2 Beschreibung laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Die BzgA sieht Achtsamkeit vor dem Hintergrund der Pädagogik, wie sie in ihrer
Broschüre
„Achtsamkeit
und
Anerkennung;
Materialien
zur
Förderung
des
Sozialverhaltens in der Grundschule“ (2002) zum Ausdruck bringt. Dort wird
Achtsamkeit definiert als eine Haltung, die Bereitschaft, Zuversicht und Vertrauen
erfordert.
„Sie kommt zum Ausdruck

in der Bereitschaft, nachzufragen [...]
4

in der Zuversicht, man werde mit näheren Informationen [...] den Anderen besser
verstehen

im Vertrauen, dass man die Chance bekommt, sich zu erklären [...]“
(dto., 11).
Desweiteren ist lt. der Broschüre achtsam, wer sich bewusst macht, dass andere das
eigene Handeln interpretieren und dass die eigene Interpretation des Handelns Anderer
nicht mit der Intention des Handelnden übereinstimmen muss. Ist ein Mensch bemüht,
sich auf die Sichtweise eines anderen Menschen einzulassen und sie in sein Handeln
miteinzubeziehen, hat er die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln, Gefühle zur
Sprache zu bringen und ist er in der Lage, individuelle Fortschritte an anderen zu
bemerken und zu honorieren (vgl. ebd., 11, 40 ,43, 79), so kann von einem achtsamen
Menschen im Sinne der Autoren gesprochen werden.
2.1.3 Definitionen aus dem geistlichen Leben
Bei bekannten Lehrern des christlichen Glaubens wie dem Hl. Benedikt (o.A., Beuroner
Kunstverlag 1990) wird „Achtsamkeit“ als Begriff nicht genannt. Die Beschreibungen
des Klosterlebens, bzw. des geistlichen Lebens allgemein lassen aber auf eine
Grundhaltung der Achtsamkeit schließen, die ihren Ausdruck im respektvollen Umgang
mit anderen Menschen findet. So sollen zum Beispiel Gäste, v. a. Pilger oder Mitbrüder,
von den Oberen und Brüdern des Klosters „mit aller Aufmerksamkeit“ (vgl. ebd., 109)
aufgenommen und bewirtet werden. Auch soll sich der Abt um seine Mitbrüder sorgen
und zwar „mit Gespür und großem Eifer“, außerdem wird von ihm das Bewusstsein
verlangt, dass er diese Sorge übernommen hat (vgl. ebd., 78). Die innere Sammlung, die
dazu notwendig ist findet der Mönch im Befolgen der Regeln zur benediktinischen
Lebensgestaltung, zu denen die Geistlichen Lesungen, das Gebet, und die Arbeit
gehören. Arbeit und Gebet sollen sich dabei gegenseitig „durchdringen“ (vgl. ebd., 19).
Die
Definition
des
Begriffes
„Achtsamkeit“
aus
dem
Sanskrit
liest
sich
folgendermaßen: „zentraler Begriff des Buddhismus, bedeutet ganz in der Gegenwart,
im Hier und Jetzt zu sein und sich seiner Handlungen in jedem Augenblick bewusst zu
sein. Der Weg der Buddhisten ist typischerweise die Meditation“ (URL, elexi, 2004, 1).
Thich Nhat Hannh, Zenmeister und Friedensaktivist, der 1926 in Vietnam geboren
wurde und im französischen Exil lebt, beschreibt Achtsamkeit folgendermaßen: „[...]
Achtsamkeit ist die Fähigkeit, in jedem Augenblick unseres Lebens wirklich präsent zu
sein. [...] Achtsamkeit ist eine Art von Energie, die jedem Menschen zur Verfügung
steht.“ Diese Energie verkümmert, wenn sie nicht gepflegt wird. Im Bewusstsein des
5
Menschen ist der Samen der Achtsamkeit verborgen. Thich Nhat Hannh definiert
Achtsamkeit
als
„Energie
der
vollkommenen
Präsenz“,
welche
er
als
Grundvoraussetzung für „wirkliches“ Leben sieht (vgl. Thich Nhat Hanh,1998, S.19f).
Er beschreibt, wie jeder Mensch Achtsamkeit üben kann, indem er sich die alltäglichen
Dinge voll bewusst klarmacht. Thich Nhat Hanh nennt unter anderem das Konzentrieren
auf die Atmung, auf das Gehen und auf so alltägliche Verrichtungen wie Essen oder
Trinken (vgl. ebd., 1998). „Weise Menschen ruhen fest im gegenwärtigen Augenblick
und erleben ihn tief, indem sie Achtsamkeit üben [...]“ (ebd., 1998, 20).
Hinze führt zu dieser Definition in seinem Buch „Führungsprinzip Achtsamkeit“ weiter
aus, dass das „Prinzip Achtsamkeit“ die Funktion eines „intellektuellen Konzepts“ hat,
ebenso „ein Forschungsinstrument“ ist wie eine „Schulungsmethode und Heilslehre“
und auch „eine ethisch-moralische Handlungsmaxime“ darstellt. Achtsamkeit wird als
ein elementarer geistiger Faktor bezeichnet, der sowohl am „Beginn der geistigen
Entwicklung steht“, den „Höhepunkt der Entwicklungsmöglichkeiten des Bewusstseins
bildet“ und die Grundvoraussetzung ist für „Wahrnehmung und Orientierung“, Denken
und Handeln, für die „Lebensgestaltung und die Bewältigung des Alltagslebens“ sowie
für den wissenschaftlichen Fortschritt und das künstlerische Schaffen. Ebenso stellt
Achtsamkeit
das
„entscheidende
Instrument
für
die
Weiterentwicklung und
Transformation des Bewusstseins“ dar. Achtsamkeit bezeichnet in diesen Ausführungen
einen Weg zur „Erkenntnis des Geistes“, auf welchem das Bewusstsein erforscht und
dessen „wahre Natur“ erkannt werden kann. Das Prinzip Achtsamkeit dient „der
Qualifizierung des Bewusstseins im Sinne seiner Intensivierung, Erweiterung,
Schärfung und Erhellung, sowie der Sammlung und Ruhe als Grundlage und Mittel zur
Einsicht in die wirkliche Natur des Selbst.“ Das Prinzip Achtsamkeit soll das
Bewusstsein aus einem „geistigen und emotionalen Verhaftetsein“ lösen und Gleichmut
hervorbringen. Sittliches Benehmen wird gefördert, das auf Selbsterkenntnis gründet.
„Achtsamkeit macht die Menschen kundig und geschickt im Umgang mit ihrem
Hauptwerkzeug ,Geist‘ (vgl. Hinze2001, 83f). Achtsamkeit bietet eine gute
Möglichkeit, die „Selbsterkenntnisfähigkeit weiterzuentwickeln“, sich und sein Wesen
besser zu erkennen und „besser zu verstehen, wovon das Leben handelt“ (vgl.
Kruckenberg 1992, dto 84). Das Prinzip der Achtsamkeit „verbindet Denken mit
Handeln und Wissen mit Erfahrung“. Eine gerade für die Beratungspraxis wichtige
„Sonderfunktion“ der „Achtsamkeit“, wie bei Hinze zu lesen ist, stellt das „Reine
Beobachten“ dar. Reines Beobachten heißt wahrnehmen, ohne zu bewerten und ohne
6
einzugreifen, Reines Beobachten hat eine handlungsvorbereitende Funktion (vgl. ebd.,
83f, 88).
2.1.4 Ellen Langers Definition von Achtsamkeit
Ellen J. Langer ist Professorin für Psychologie an der Harvard University. Sie konnte in
ihren Disziplinen Psychologie, Neuro- und Kognitionswissenschaften vor allem im
Bereich der Wahrnehmungs-, Vorstellungs- und Gedächtnisforschung durch ihre Arbeit
deren Entwicklung nachhaltig beeinflussen und zum Teil in neue Bahnen lenken. Über
ihr ursprüngliches Forschungsgebiet, das die Vorherrschaft, die Wurzeln und
Auswirkungen von Gedankenlosigkeit zum Inhalt hatte, kam sie zur Beschäftigung mit
dem Thema Achtsamkeit, „mindfulness“ im Original. Für Langer hat eine achtsame
Person

die Fähigkeit neue Kategorien zu schaffen. Gedankenlosigkeit („mindlessness“) ist
für Langer mit einem starren Sichverlassen auf alte Kategorien verbunden. Neue
Kategorien zu schaffen kann heißen, Episoden, an die wir uns erinnern, auf eine neue
Art zu betrachten, um sie so aus einer anderen als der im Gehirn gespeicherten
Perspektive zu beleuchten. „Mindful“ neue Kategorien zu bilden bedeutet, sich der
jeweiligen Situation und des jeweiligen Kontexts bewusst zu sein.Ein Beispiel dafür
ist folgende Überlegung: ist für das Streichen einer hohen Zimmerdecke ein Mensch
von über 1,80m besser geeignet oder vielleicht jemand, der gerade mal 1,60m groß
ist, dafür aber Bergsteiger und gerne auf Leitern klettert? (vgl. Langer 1993, 75ff).

Offenheit für neue Informationen. Achtsamkeit heißt „frische Informationen gerne
aufgreifen“.
Untersuchungen
haben
gezeigt,
dass
sich
der
menschliche
Wahrnehmungsapparat schnell „von alleine abschaltet“, wenn er Reizfolgen
ausgesetzt ist, die er als dauernde Wiederholung wahrnimmt. Verhalten und
Interventionen werden erfolgsversprechender sein, wenn deren Basis durch „aktiv
denkendes Hören und Sehen“ immer wieder erweitert und differenziert wird (vgl.
ebd., 79ff).

awareness1 für mehr als eine Perspektive. Eine Offenheit für andere Standpunkte
wird von Langer ebenfalls als ein wesentlicher Bestandteil der Achtsamkeit bewertet.
Sich zu erinnern, dass es für jede Beobachtung mindestens so viele Perspektiven wie
1 awareness: Gewahrwerden von Erscheinungen, die in Randzonen von Wahrnehmung und
Aufmerksamkeit liegen (Lexikon d. Psychologie, 2002)
7
Beobachter gibt und dass Menschen manchmal gute Gründe für ihr Tun haben, das
andere als schlecht bezeichnen, erleichtert vorurteilsfreies Kommunizieren (vgl. ebd.,
81ff).

die Achtung mehr auf die Prozesse des Tuns als auf das Ergebnis gerichtet. Jedem
Ergebnis geht ein Prozess voraus, kein Ergebnis ist möglich ohne vorherige
Anstrengung. Haben wir die einzelnen Schritte anstelle des gewünschten oder
gedachten Endzustandes vor Augen, sind wir wesentlich leistungsfähiger und von
schärferer Urteilskraft. Als Beispiel führt sie Studenten an, die sich von
ausformulierten Dissertationen irritieren lassen, weil sie das Endprodukt vor Augen
haben und nicht bedenken, dass sich diese Autoren ihre Leistung erarbeitet
haben(vgl. ebd., 88ff).

Vertrauen in die eigene Intuition. „Mit Logik beweisen wir. Mit Intuition entdecken
wir“, dieses Zitat des Mathematikers Henri Poincairé2 führt Langer an, um
ausgehend vom Gegenteil, zur Beschreibung des Begriffes Intuition beizutragen.
Intuition befähigt uns, „die Welt als Ganzes, als im Fluß befindlich“ zu begreifen.
Ein Mensch, der seiner Intuition folgt, kann sich vielleicht eher von seinen alten
Einstellungen lösen oder ein unvorhergesehenes Ereignis in seiner Bedeutung besser
einschätzen (vgl. ebd., 132ff).
Mit Achtsamkeit lassen sich neue Kategorien erschaffen, kann die eigene Individualität
gespürt werden, ist eine Offenheit gegenüber Neuem verbunden (vgl. ebd. 1989, 75, 88,
79). Ist ein Mensch achtsam, wird er sensibel für Zusammenhänge und Perspektiven,
ist er gegenwärtig im Augenblick. (vgl. ebd., 2002, 214). „Mindlessness“ entsteht dann,
wenn wir nicht wissen, dass die Kategorien, in die wir einordnen, Kategorien sind und
wenn wir sie als unser Eigenes akzeptiert haben, ohne wirklich darüber nachzudenken.
Neue Kategorien zu erschaffen und alte zu bestätigen ist „mindful“ oder wie William
James gesagt hat: „Genius...means little more than the faculty of perceiving in an
unhabitual way“ (Genie bedeutet wenig mehr als die Fähigkeit auf eine unübliche Weise
zu spüren) (James in Langer 2004, 1). So bedeutet „mindfulness“ das Spüren unserer
Individualität. Wenn man eher auf die Ergebnisse als auf das Tun, den Prozess achtet
und Vergleiche mit Anderen macht, wird man zu wenig mehr als einem Roboter. Der
2 Poincaré „Intuition and Logic Mathematics“, Mathematics Teacher 62, Nr. 3 1969, 205 – 212, in dto.,
132
8
wahre Individualist wird charakterisiert von der Offenheit gegenüber Neuem, er
klassifiziert die Bedeutung von Wissen und Erfahrung und er hat die Fähigkeit seine
täglichen Handlungen in einer größeren, bewusst gewählten Perspektive zu sehen (vgl.
ebd. 2004, 2). Achtsamkeit imSinne von Langers bedeutet also das flexible Denken in
möglichst vielen Kategorien, mit dem Wissen, dass es eben nur Kategorien sind, die
sich verändern lassen.
2.2
Voraussetzungen um achtsam sein zu können
Im Laufe der Recherche zum Thema dieser Vordiplomarbeit tauchte die Frage auf,
welche Voraussetzungen vorhanden sein müssen, um überhaupt achtsam sein zu
können. Durch die Auseinandersetzung mit der vielfältigen Lektüre in der Vorbereitung
zu dieser Arbeit haben sich für mich folgende Punkte herauskristallisiert, die ich für die
wesentlichsten halte: das Interesse am anderen, die Wahrnehmung, das Bewusstsein,
das Denken und Wissen. Diese kann man nicht immer klar voneinander trennen, daher
wird es bei den folgenden Erläuterungen teilweise zu Überschneidungen kommen.
Zunächst ist das Interesse am Gegenüber und an einer Tätigkeit des Helfens auf diesem
Wege wichtig, ist nach meinem Dafürhalten quasi die Grundvoraussetzung, die nicht
erlernbar ist. Denn habe ich kein Interesse an meinem Gegenüber, werde ich auch nicht
versuchen, ihn zu verstehen oder zu unterstützen. Das Interesse kann geleitet sein von
unterschiedlichen Hintergründen. Helfen wollen und helfen können sind ein Grund. Ein
anderer Hintergrund ist das bewusste oder unbewusste Wissen darüber, dass ich dem
anderen Unterstützung gebe und dass ich dadurch für mich selbst Unterstützung für
mein Leben finden kann. Als Berater muss ich aber auch die Fähigkeit besitzen, auf
andere zuzugehen und ihnen offen zu begegnen. Dazu gehört es auch keine Vorurteile
zu hegen, oder mir ihrer bewusst zu sein, und ihnen dadurch nur soviel Gewicht zu
geben, um meinem Gegenüber und seinen Anliegen trotzdem gerecht werden zu
können.
Ist dieses Interesse als Grundvoraussetzung vorhanden, gibt es noch etliche Fähigkeiten,
die erlernt werden können, um als achtsamer Berater gute Arbeit zu leisten, d.h. dem
Klienten zu helfen, Wege zu finden, um sein Problem lösen zu können.
Ein erster Punkt, den es für die Kompetenz Achtsamkeit zu schulen gilt, ist die
Wahrnehmung. Im Lexikon der Biologie (2004) wird Wahrnehmung definiert als das
bewusste Erkennen eines Objektes oder Sachverhaltes, welches geschieht durch SinnesEmpfindungen und begriffliche Einordnung in die Repräsentation der Welt im Innern
des Menschen. Im Bezug auf die Sinne halte ich es für wichtig festzuhalten, dass
9
Menschen mit unterschiedlicher Gewichtung auf einzelne Sinne wahrnehmen. Die
meisten Menschen besitzen eine von ihnen bevorzugte Wahrnehmungsebene, können
aber je nach Situation zu anderen Wahrnehmungsebenen wechseln. Singer (vgl. 2002,
108) beschreibt Wahrnehmung als ein „Überprüfen von Hypothesen“und als „das
Ergebnis eines außerordentlich aktiven, konstruktivistischen Prozesses [...], bei dem das
Gehirn die Initiative hat.“ (Singer 2002, 72).
Beeinflusst wird die Wahrnehmung des Menschen durch die momentane Situation und
die jeweiligen Erwartungen, aber auch durch die kognitiven Fähigkeiten des Einzelnen.
Wahrnehmung ist immer selektiv und beinhaltet deshalb bereits eine Interpretation, ist
also auch eine Frage der persönlichen Kompetenz. Bei der Auswahl dessen, was
wahrgenommen wird, sind aktuelle Gedanken, Motivation und Gefühle bzw.
entsprechende Dispositionen wie Vorwissen oder Einstellungen wichtig. So werden sich
die Wahrnehmungen eines Holzhändlers, eines Försters oder eines Liebespaares, die im
gleichen Wald stehen, teilweise sehr unterscheiden (vgl. Nolting 1999, 46).
Wahrnehmung wird auch als die „Eingangsseite“ des einzelnen Menschen bezeichnet
und meint das Aufnehmen von Informationen über die Umwelt und die
Eigenwahrnehmung, wie z.B. die eigene Körperhaltung, körperliche Zustände
(Müdigkeit, etc.) und den Ablauf psychischer Vorgänge (sprechen, aufsteigender
Ärger...) (ebd. 1999, 45f). Neben der bewussten Wahrnehmung von äußeren Dingen ist
unser Gehirn auch in der Lage, Signale, die aus unserer Innenwelt kommen
wahrzunehmen. Es perzipiert z.B. die Aktivität der inneren Organe und ihrer Signale,
um dann eine Gegenreaktion einzuleiten, die geeignet ist, das innere Gleichgewicht
wieder herzustellen. Diese Tätigkeit des Gehirns läuft für die meisten Menschen
unbewusst ab, zumindest solange der Mechanismus des Ausgleichs funktioniert und der
Körper keine Symptome zeigt (vgl. Hüther 2004, 104). Als Beispiel mag der
Blutzuckerspiegel dienen, der, wenn er zu niedrig ist, das Gehirn ein Hungergefühl oder
aber Schwindel produzieren lässt.
Um verstehen zu können, was bei der Wahrnehmung als wichtiger Voraussetzung für
die angewandte Achtsamkeit im Gehirn geschieht, werde ich nun einen Exkurs in die
Neurophysiologie machen. Diese ist inzwischen in der Lage nachzuweisen, was bei der
Wahrnehmung im menschlichen Gehirn vor sich geht.
Die Milliarden von Neuronen, die gleichzeitig und gemeinschaftlich im menschlichen
Gehirn aktiv sind, die über weite Bereiche der Großhirnrinde verteilt sind und
Verbindung zueinander haben, sind es, die Wahrnehmung physiologisch nachweisbar
10
machen (vgl. Freeman3 1991, 22). Es konnte beobachtet werden, wie riesige Gruppen
von Neuronen auf die kleinste eintreffende Erregung hin plötzlich als Ganzes von einem
komplexen Aktivitätsmuster in ein anderes überwechselten. Dieses synchrone
Umschlagen macht, nach der Überzeugung der Forschergruppe um Freeman,
Wahrnehmung erst möglich. Sie vermuten auch, dass dies die Basis für das Gehirn
bildet, um flexibel auf die Außenwelt zu reagieren und neue Aktivitätsmuster erzeugen
zu können. Überraschende Einfälle scheinen neurophysiologisch so zustande zu
kommen.
Zum Abschluss des Exkurses in die Hirnforschung könnte man daraus ableiten, dass
unser Gehirn uns damit vormacht, wie man durch Flexibilität achtsam auf ankommende
Reize reagieren kann.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für Achtsamkeit ist das Bewusstsein, das es zu
erweitern gilt. Bewusstsein ist in der Philosophie, der Biologie und der Psychologie
Forschungsthema. Jede dieser Disziplinen versucht zu ergründen, was darunter zu
verstehen ist. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass sich die starre
Segmentierung der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen auflösen könnte zugunsten einer
interdisziplinären Zusammenarbeit (vgl. Singer 2002, 171).
Laut Lexikon der Psychologie (2002) ist Bewusstsein „ein Begriff, unter dem in der
kognitionswissenschaftlichen Literatur eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Phänomene
und Konzepte (etwa phänomenales Bewusstsein, Intentionalität, Selbstbewusstsein)
diskutiert werden.“ Sie beziehen sich alle auf die subjektive Natur unserer Erfahrungen.
Unsere Vorstellungen über Aspekte der physikalischen Welt, über eigenes Verhalten,
das eigene Ich und über das Bewusstsein anderer scheinen zu helfen, die komplexen,
unbewussten Denk- und Wahrnehmungsprozesse zu steuern. Dies scheint in einem
inneren „Raum“ von statten zu gehen, den wir uns in unserem phänomenalen
Bewusstsein konstruiert haben. Für die Kognitionsforschung stellt sich das Problem,
wie
sich
eine
perspektivenunabhängige
Theoriebildung
(d.h.
eine
naturwissenschaftliche) in Beziehung setzen lässt mit Aspekten einer Welterfahrung aus
der Perspektive der ersten Person (des Ichs) (vgl. Lexikon der Psychologie 2002). Eine
perspektivenunabhängige Theoriebildung setzt voraus, dass der Untersuchende eine
Distanz zu dem zu untersuchenden Phänomen hat (Dritte-Person-Perspektive), was bei
der Untersuchung des Phänomens des Bewusstseins nicht der Fall sein kann, da der
3Professor für Neurobiologie an der Universität von Kalifornien in Berkeley
11
Untersuchende ja mit Hilfe seines Bewusstseins das Phänomen des Bewusstsein
erforscht (vgl. Metzinger 1996, 19).
Gerhard Roth schreibt im Lexikon der Biologie (2004), dass Bewusstsein eine Vielzahl
unterschiedlicher Zustände umfasst, „die darin übereinstimmen, dass sie von einem
Individuum erlebt werden.“ Wichtig für das Bewusstsein ist das Arbeitsgedächtnis, da
es für wenige Sekunden einen Teil der Wahrnehmung und die damit verbundenen
Gedächtnisinhalte und Vorstellungen im Bewusstsein hält. Es wird angenommen, dass
das Arbeitsgedächtnis Zugriff hat zu den verschiedenen, in der Regel unbewusst
arbeitenden Sinnes-, Gedächtnis- und Handlungssteuerungssystemen und sich daraus
Informationen „laden“ kann, welche dann aktuell bewusst werden.
Wolf Singer, Professor für Neurophysiologie und seit 1981 Direktor am Frankfurter
Max-Planck-Institut für Hirnforschung, hat zum Thema Bewusstsein viel geforscht und
in seinen Schriften veröffentlicht. Die Phänomene, die gemeinhin unter Bewusstsein
subsimiert werden, beruhen nach seiner Auffassung auf kognitiven Funktionen im
Gehirn. Er schreibt, dass die Art und Weise, in der wir eingehende Signale ordnen,
interpretieren und verknüpfen, ausschlaggebend ist für unsere Sichtweise der Welt. „Es
ist die Neigung zur Klassifizierung, zur Kategorienbildung, [...] Phänomene [...]
zusammenzufassen und diese voneinander zu trennen.“ (Singer 2002, 171). Dabei ist,
nach meiner Überlegung, nicht zu vergessen, dass es sich nicht um Prozesse handelt, die
einfach im Menschen geschehen, ohne ihn etwas „spüren“ zu lassen, sondern dass dies
mit Erleben, Gefühlen und Empfindungen verknüpft ist.
Mit dem Bewusstsein eng zusammen hängt der kognitive Vorgang des Denkens.
„Denken ist eine Form des Erkenntnisgewinns und der Erkenntnisnutzung; es ist etwas
Dynamisches, das in der Zeit abläuft“ (Klix 2002, 1). Die hier angesprochene Dynamik
ist für eine Kultur der Achtsamkeit unerlässlich. „Unsere Fähigkeit zum Nach-Denken,
zur
Manipulation,
zur
Kategorisierung
und
Verknüpfung
der
symbolischen
Repräsentanten primärer Wahrnehmungsprozesse erlaubt es uns, die von den
Sinnessystemen vorgegebenen Kategoriengrenzen zu relativieren und Gemeinsamkeiten
zu erkennen, wo die Primärerfahrung Unterschiede suggeriert.“ (Singer 2002, 173). So
kann der Mensch also durch Nach-Denken zu dem Schluss kommen, dass Phänomene,
die zunächst getrennt scheinen, doch miteinander verbunden sind (vgl. ebd. 173).
12
Dieses Phänomen der Kategorisierung spricht auch Langer häufig an, wobei sie die
willentliche Veränderung der Kategoriengrenzen als ein sehr wichtiges Merkmal von
Achtsamkeit interpretiert.
Die Fähigkeit zum „kombinierten Spiel mit gespeicherten Inhalten“ sieht Singer (vgl.
2002, 71f) als mögliche „Grundlage der Kreativität“ und ist meines Erachtens für einen
achtsamen Berater eine wichtige Handlungsmaxime. Menschen, die diese Grundlage
der Kreativität besitzen, sind nach Singer Menschen, deren Gehirn in der Lage ist, sog.
Metarepräsentationen aufzubauen. Dadurch müssen sie nicht sofort auf jeden Reiz
reagieren und sie haben Möglichkeiten ihre Handlungsentscheidungen abzuwägen. Sie
können auch interne Modelle aufbauen, um daran vorab den möglichen Erfolg, bzw.
Misserfolg von Aktionen abzumessen. „Die Möglichkeit, Metarepräsentationen
aufzubauen, befähigt zu umsichtigem Handeln [...]“ (Singer 2002, 71). Damit sich im
Gehirn Metarepräsentationen aufbauen können, sind in der Regel Wiederholungen von
Repräsentationsprozessen nötig. Dieser Vorgang der Metarepräsentation bildet dann
hirninterne Prozesse ab , nicht die äußere Welt. Das Gehirn bildet ständig Hypothesen
darüber, wie die Welt sein sollte und vergleicht die Signale von den Sinnesorganen mit
den Hypothesen.
Durch den Spiegel im Gegenüber, der sich wechselseitig wiederholt, kann der
Individuationsprozess einsetzen, ist die Erfahrung, ein Selbst zu sein, überhaupt erst
möglich. Aus neurobiologischer Sicht liegt somit der Schluss nahe, dass auch die
höheren Konnotationen von Bewusstsein, die wir mit unseren Konzepten von Freiheit,
Identität und Verantwortlichkeit verbinden, Produkte eines evolutionären Prozesses sind
(vgl. Singer 2002, 76f).
Eine nächste Voraussetzung für Achtsamkeit ist eine große Portion an Wissen. Wissen
über Menschen, Dinge, Zusammenhänge. Wissen darüber, dass alles Wissen
letztendlich immer dem Wandel und dem Fortschritt unterworfen ist, was die Forschung
immer wieder bestätigt. Aber auch das Wissen darüber, dass ein Berater/eine Beraterin4
immer wieder hinzu, immer wieder neu lernen muss, um den Bedürfnissen der
KlientenInnen sowie auch den eigenen gerecht zu werden, dass das vorhandene Wissen
immer wieder überprüft und „auf den neuesten Stand gebracht werden muss“, lässt sich
meines Erachtens nach aus dem bisher Geschriebenen deutlich ableiten.
4Im Folgenden werde ich der Übersichtlichkeit halber nur die männliche Form verwenden, wobei
natürlich die weibliche impliziert ist.
13
2.3
Verwandte Begrifflichkeiten und deren Beschreibungen
Achtsamkeit lässt sich in dem Satz: „Sein – im Hier und Jetzt“ kurz zusammenfassen.
Und doch sind die Facetten dieser Kompetenz unendlich vielgestaltig, wie sich aus den
vorausgegangenen
Definitionen
gut
erkennen
lässt.
Bei
verschiedenen
Autoren/Therapeuten finden sich Begriffe, die zwar Achtsamkeit nicht explizit
benennen, aber doch einen engen Bezug dazu haben. Jene, die mir wichtig erscheinen
werde ich jetzt vorstellen.
Wachheit oder Vigilanz wird von Roth im Lexikon der Biologie (2004) als die
allgemeinste Form von Bewusstsein genannt. Bewusstsein ist eng mit Achtsamkeit
verknüpft und meist mit konkreten Inhalten verbunden. Er nennt folgende:
a) „Sinneswahrnehmungen von Vorgängen in der Umwelt und im eigenen Körper“
b) „mentale Zustände und Tätigkeiten wie Denken, Vorstellen und Erinnern“
c) „Emotionen, Affekte, Bedürfniszustände“
d) „Erleben der eigenen Identität und Kontinuität“
e) „,Meinigkeit‘ des eigenen Körpers“, damit dürfte das Bewusstsein der Kontrolle über
den eigenen Körper gemeint sein.
f) „Autorenschaft und Kontrolle der eigenen Handlungen und mentalen Akte“
g) „Verortung des Selbst und des Körpers in Raum und Zeit“, was ich als ein „Sein im
Hier und Jetzt“ definieren würde.
h) „Realitätscharakter von Erlebtem und Unterscheidung zwischen Realität und
Vorstelllung.“
Die unter (d) bis (h) genannten Zustände bezeichnet er als „Hintergrundbewusstsein“,
die unter (a) bis (c) genannten treten nach dieser Theorie im „Vordergrund“, was meiner
Meinung als bewussteres Erleben bezeichnet werden kann, in Erscheinung, dabei
wechseln Inhalt und Intensität und je nach Situation die Kombinationen (Roth 2004).
Ein weiterer mit dem Begriff Achtsamkeit verknüpfter Bergriff ist die Aufmerksamkeit.
Sie wird von Roth definiert als eine Steigerung konkreter Bewusstseinszustände, welche
einhergehen mit erhöhten und gleichzeitig räumlich, zeitlich und auch inhaltlich
eingeschränkten
mentalen
Zuständen
(Konzentration)
oder
Sinnesleistungen.
Unerwartete äußere Ereignisse, innere Erwartung oder Einsetzen von Willen können
den Focus der Aufmerksamkeit kontrollieren. Bei Hinze (2001, 91, 85) findet sich
Aufmerksamkeit als eine Grundfunktion der Achtsamkeit. Er unterscheidet zwischen
14
unwillkürlicher und willkürlicher Aufmerksamkeit, um auf alles reagieren und „sich die
Gegenstände ihrer Betrachtung“ aktiv aussuchen zu können.
In der klientenzentrierten Gesprächstherapie ist die Haltung der Kongruenz
(Übereinstimmung mit sich selbst) oder Echtheit eine entscheidend wichtige Haltung.
Damit ist gemeint, daß der Therapeut, bzw Berater dann, wenn er er selbst ist und sich
nicht verleugnet die Wahrscheinlichkeit für eine Veränderung beim Klienten erhöht.
Damit meint Rogers (vgl. 1977, 213ff), daß es notwendig sei, real (im Sinne von echt)
zu sein und auch negativ bewertete Gefühle wie z.B. Langeweile im Kontakt mit dem
Klienten auszusprechen, allerdings nicht im Sinne von jeden Vorwurf unter dem
bequemen Eindruck von Echtheit unbesonnen herausplatzen zu lassen. Seiner Meinung
nach geht es darum, dem eigenen Gefühl Raum zu geben, in Kontakt zu bringen und
auch die mit dem in-Kontakt-bringen verbundenen Empfindungen nicht außer acht zu
lassen. Es geht darum, zuzulassen, in der Beziehung mit dem Klienten ein Mensch zu
sein – wirklich und unvollkommen.
Ebenfalls bei Rogers (vgl. ebd. 216) findet sich die Haltung der Empathie (Einfühlendes
Verstehen): Für ihn ist es eine wesentliche Bedingung, um erfolgreich therapieren oder
beraten zu können. Damit ist gemeint, dass der Berater fähig ist, ein präzises,
einfühlendes Verstehen für die persönliche Welt des Klienten zu entwickeln und von
dem Verstandenen Wesentliches mitteilen zu können. Es ist notwendig, die innere Welt
des Klienten mit den ganz persönlichen Bedeutungen zu erspüren, ohne die Distanz und
die „Qualität des ,als ob‘ zu verlieren.“
Die dritte, wesentliche Grundhaltung nach Rogers (vgl. 1977, 219) ist Akzeptanz von
Seiten des Beraters für den Klienten. Darunter ist zu verstehen, dass der Berater den
Klienten in ganz umfassender Weise schätzen sollte und nicht nur unter bestimmten
Voraussetzungen. Er sollte also beim Klienten nicht gewisse Empfindungen akzeptieren
und andere ablehnen. Rogers nennt dies Wertschätzung oder bedingungsfreies
Akzeptieren.
Meines Erachtens ist auch Gewahrsein oder Bedachtheit als „freies Erspüren dessen,
was in dir auftaucht – was du fühlst, tust oder vorhast“ (Perls u.a. 1979a, 85 in
Stammler/Bock 1991, 45) eine Kompetenz, die eng mit Achtsamkeit verknüpft ist,
wobei die Betonung für mich dabei auf frei, also dem Nichtbewertenden liegt. Nach
15
Hinze (vgl. 2001, 85) können durch Gewahrsein die Aufmerksamkeit und
Konzentration auf die Inhalte des Bewusstseins gerichtet werden, sie damit bewusst
werden und/oder bewusst verfolgt werden.
In Kontakt treten, in Kontakt sein, ist unabdingbar für eine beraterische Beziehung.
Kontakt ist immer wechselseitig, interaktiv (vgl. Baer, Frick-Baer 2001; 76). Das
Autorenehepaar Baer zitiert Perls, der ebenso wie andere Autoren Kontakt als
Austausch versteht, zum Einen zwischen dem Menschen und seinem Umfeld und zum
Anderen als Kontakt „mit sich“. Diesen definieren sie als Leibgewahrsam, dem sich
selbst-bewußt-sein vom eigenen Erleben, eigener Gefühle, der eigenen Körperlichkeit,
Gedanken, Verhalten und der Achtsamkeit für sich selbst. „Kontakt mit anderen“ bzw.
„Kontakt mit der Umwelt“ benutzen sie als Oberbegriff jeder Interaktion zwischen
einem menschlichen Wesen mit seiner Lebenswelt. Auch die Wahrnehmung des
Schweigens eines Menschen z.B. ist Austausch mit anderen Menschen, also Kontakt.
Wichtig ist ihnen die Feststellung, daß Kontakt an sich weder „gut“ noch „schlecht“ ist
(dto., 77). Bei Belardi ist folgende Definition von Kontakt zu finden: „ [...] füreinander
aufmerksam sein, [...] miteinander im Dialog sein. [...] eine funktionale Verbindung,
weniger intensiv als Begegnung, weniger anhaltend als Beziehung [...]. [...] vollzieht
sich immer in der Gegenwart und beinhaltet Unmittelbarkeit und Nähe“ (Rahm u.a.
1993, 165 in: Belardi 1999, 66).
Ein weiterer wichtiger Begriff ist in diesem Zusammenhang Resonanz. Resonanz
stammt vom lateinischen „resonare“ und bedeutet „zurückklingen“, „mitschwingen“.
Resonanz existiert dann, wenn der Kontakt zwischen zwei Menschen eine besondere
Wechselwirkung und Intensität erreicht und ist eine subjektive Kategorie (Baer 2001,
77).
Der Neurobiologie ist es in Experimenten gelungen, die biochemische Grundlage
dessen, was hier als Resonanz oder Empathie bezeichnet wird, nachzuweisen. Es ist die
Existenz der Spiegelneuronen. Spiegelneuronen ermöglichen die Wahrnehmung,
Speicherung und Verarbeitung im Gehirn von nicht selbst Erlebtem. Die
Lebenserfahrungen des Menschen und das Wie der Verarbeitung bestimmen dann
darüber, welche Schlussfolgerungen die betreffende Person daraus für ihr Handeln
zieht(vgl. Jäger 2003, 42, Breuer 2002, 71 in: Baer 2003, 8f).
16
Als letzten der verwandten Begrifflichkeiten zur Achtsamkeit werde ich jetzt noch die
Bewusstheit deklarieren. Nach dem Lexikon der Psychologie (2002) hat N. Ach 1910
die Bezeichnung Bewusstheit eingeführt für ein „unanschauliches Mitwissen“
„unanschauliches Gegebensein eines Wissens“, wobei Wissen im Sinne einer
unanschaulichen Beurteilung und Antizipation (Vorwegnahme) eines Zieles, mit
Ähnlichkeiten zur Einstellung definiert wird.
Perls unterscheidet drei Bereiche der Bewusstheit: „(1) Wahrnehmung der äußeren
Welt. Hier ist der aktuelle sensorische Kontakt mit Gegenständen und Abläufen des
gegenwärtigen Augenblicks gemeint. [...] (2) Wahrnehmung der inneren Welt. Hier ist
der aktuelle sensorische Kontakt mit gegenwärtigen inneren Vorgängen gemeint: das,
was ich im Augenblichk inseits meiner Haut fühle: Stechen, Muskelspannungen und
Bewegungen, körperliche Manifestationen von Gefühlen und Emotionen, Unbehagen,
Wohlgefühl usw. [...] Diese beiden ersten Arten von Wahrnehmung umfassen alles, was
ich von der gegenwärtigen Realität wissen kann, so wie ich sie erlebe.“ Der dritte
Bereich der Bewußtheit, ist derjenige, der „sich auf die Aktivität der Phantasie gründet.
Hierzu gehört jede mentale Aktivität jenseits der Wahrnehmung gegenwärtiger
Erlebnisse: alles Erklären, sich Vorstellen, Interpretieren, Vermuten, Denken,
Vergleichen, Planen, jede Erinnerung an Vergangenes, jedes Vorausnehmen der
Zukunft usw.“ (Perls 1947, 57; 1975, 15 in: Staemmler 2001, 59)
Staemmler
und
Bock
(1991,
45f)
definieren
Bewusstheit
aufgrund
Perl‘s
Umschreibungen und Anmerkungen und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrung
folgendermaßen. „BEWUSSTHEIT ist das ganzheitliche, subjektive ,WahrnehmenErleben‘ eines Menschen von Figuren in seinem gegewärtigen Organismus-UmweltFeld“. Bewusstheit wird definiert als eine Funktion der Wahrnehmung, welche über die
Sinne Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten geschieht, sowie über die
Propriozeptoren, welche für die Wahrnehmung der im Körper entstehenden Reize
verantwortlich sind. Wahrnehmung schließt auch die „dem Subjekt eigene
Erlebensweise des sinnlich Wahrgenommenen mit der jeweiligen emotionale Färbung“
ein.
Nach Hinze (vgl. 2001, 55) ist Bewusstheit „der aktivierte Zustand des Bewusstseins“,
das je nach Situation „mehr oder minder wache, präsente und aufmerksame
Bewusstsein“. Weitere Ausführungen sind unter Punkt 2.1.3, S. 3ff nachzulesen.
17
Das englisch/amerikanische Wort „awareness“ wird in der Regel mit Bewusstheit oder
Gewahrsein übersetzt. Kranz5 bevorzugt die Übersetzung Bewusstheit, weil diese seiner
Meinung nach den aktiven Aspekt von „awareness“ wiedergibt: Bewusstheit nicht als
Zustand, der einmal „eingeschaltet“ wird und dann andauert, sondern eine Art ständigen
Erwachens, im jeweiligen Augenblick (vgl. Kranz, 1999, 13). Barry Stevens 6 sagte
angeblich einmal: „[...] bei all meiner Unwissenheit sage ich, daß Bewußtheit ist wie der
Berggipfel, von dem aus man alles umher sehen kann.“ (Kranz,1999, 5).
Kranz zitiert auch Robert Resnick: „die erste Ebene ist bewußt zu werden, die zweite
Ebene ist die Bewußtheit des Bewußt-werdens und des Lernens, wie man sich bewußt
wird, so daß es ein sich selbst aufrecht erhaltender Prozeß mit vielen
Entscheidungsmöglichkeiten wird“ (Resnick 1984, 26, in: Kranz 1999, 7).
„Leben mit Bewusstheit im Gegensatz zu Leben nach Regeln“, so lautete das
Lebensthema von Barry Stevens (vgl. Kranz, 1999,3).
„Ohne Worte (oder Bilder) bin ich genau (accurate), ich bin genau (right) hier und jetzt
mit dem, was gerade geschieht und tue, was angemessen ist in dieser Situation ohne
darüber nachzudenken“ (Stevens 1975a,182, in: Kranz 1999, 5).
„Bewusstheit hat den Aspekt der Sinneswachheit gegenüber (Konzept)-Wissen.
Bewusstheit gerät in Berührung. Es ist der Unterschied zwischen „Wissen, dass ich eine
Straße hinunter gehe, und dem mir bewußt sein, dass ich eine Straße hinunter gehe,
wobei ich sinnlich wahrnehme, wie sich mein Körper bewegt, wie Fuß und Straße sich
berühren...“(Stevens 1970,117 in: Kranz, 1999, 5).
Nach den Definitionen von Achtsamkeit und den damit verbundenen Begriffen werde
ich jetzt die Bedeutung von Achtsamkeit und ihrer Bedeutung in der professionellen
Sozialarbeit darlegen.
3.
Achtsamkeit in der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der
Beratungstätigkeit
In dieser Arbeit soll Achtsamkeit als Kompetenz in der professionellen Sozialarbeit
untersucht werden. Das Sozialwesen ist ein breites Feld, in dem Beratung einen hohen
Stellenwert hat. Beratung selbst hat sehr unterschiedliche Schwerpunkte und
Institutionalisierungsgrade. Da die sozialpädagogische Beratung nicht über eine
eigenständige Methodik verfügt, benutzt sie Erkenntnisse und Verfahren aus der
5Detlev Kranz: Lehrer, Gestalttherapeut in Hamburg
6Barry Stevens (1902 – 1985): Gestalttherapeutin, die in den USA bei der Entwicklung der
Gestalttherapie Ende der 60er/70er Jahren eine bedeutende Rolle gespielt hat, in Deutschland aber
kaum bekannt ist (Kranz, 1999).
18
Psychologie, Psychotherpie, den Sozial-, Verwaltungs- und Rechtswissenschaften (vgl.
Belardi 1999, 40). Nach Belardi müssen Beraterinnnen und Berater vielfältige
Fähigkeiten haben, die sie nutzen können, wenn sie sich in das „Gefühls-, Denk- und
Verhaltenssystem der Ratsuchenden“ hineinversetzen. Er erinnert daran, dass die
Betroffenen nicht so leicht zu motivieren sind, und dass die meisten nicht nur
psychische sondern auch soziale und wirtschaftliche Probleme haben, die zu
berücksichtigen sind. Die Arbeitsmethodik ist nicht spezialisiert. Es werden
Erkenntnisse und Verfahren aus der Psychologie, Psychotherapie, sowie aus den Sozial, Verwaltungs- und Rechtswissenschaften genutzt, welche meiner Meinung nach zur
Realisierung einer umfassenden Beratung auch zwingend vorhanden sein müssen. Die
sozialpädagogische Beratungsqualifikation sollte deshalb methodenübergreifend und
integrativ, sowie auf die Alltagsbewältigung bezogen sein. Nicht immer lässt sich
Beratung von Therapie klar abgrenzen, wichtig für den Sozialpädagogen in der
Beratung ist es aber, seine Grenzen zu kennen und den Klienten bei Bedarf an geeignete
Institutionen oder Fachleute weiterzuvermittlen (vgl. Belardi 1999, 43, 63).
3.1
Definition von Beratung
Beratung ist eine soziale Interaktion zwischen einem (meist professionellen) Berater
und einem Ratsuchenden. Es gibt auch die Form von Beraterteams und/oder einer
Gruppe oder Organisation, die um Beratung anfragt. Eine solche Interaktion hat einen
zeitlich begrenzten Rahmen, findet überwiegend statt in einem institutionellen Setting,
basiert auf Vetraulichkeit und gibt Hilfe zur Selbsthilfe (vgl. Derov 1987, 1988 und
Hirsch & Schmidtchen 1981, 23 in: Mutzeck 1996, 6). Der Ratsuchende bittet in der
Regel freiwillig um Hilfe, seine Selbstbestimmtheit ist von großer Wichtigkeit, wobei
allerdings nicht unerwähnt bleiben sollte, dass Beratung auch verordnet oder
verpflichtend zur Auflage gemacht werden kann. Beratung zielt nicht auf pathologische
Problemfälle ab. Ist eine Störung massiver oder tiefergehend, ist eher Therapie das
Mittel der Wahl, um Hilfe zu gewähren. Nicht immer lassen sich allerdings Beratung
und Therapie voneinander abgrenzen (vgl. Belardi 1999, 41ff).
Grundlage der Beratung ist die professionelle Handlungskompetenz des Beraters.
Beratung zielte ursprünglich darauf ab, Veränderung schwerpunktmäßig über den
kognitiven Bereich und bezogen auf den Einzelnen als Ratsuchenden herauszuarbeiten.
Inzwischen werden mehr und mehr bestehende Beziehungsgeflechte und auch affektive
Aspekte berücksichtigt (vgl. Lexikon der Psychologie 2002).
19
Beratung sollte nach Belardi die Merkmale von „Professionalität, Erreichbarkeit,
Uneigennützigkeit, Nichtverstrickung sowie Vermittlungsmöglichkeiten bezüglich
weiterer Hilfsquellen“ aufweisen (1999, 37). Klienten suchen Beratung, weil sie mit
schwierigen Lebenslagen oder mit sich selbst nicht mehr zurechtkommen. Dabei
erwarten sie, dass sich im Laufe der Beratung die Schwierigkeiten beheben oder
reduzieren lassen. Dies geschieht durch Ingangbringen eines aktiven Lernprozesses, der
der Gewinnung einer „neuen Kompetenzebene“ gleichkommt, um sich von da aus
erfolgreicher mit auftretenden Konflikten auseinandersetzen zu können (vgl. Dietrich
1987, 1 in Mutzeck 1996, 6). Diese Lernprozesse sind in jedem Alter möglich (vgl.
Baer 36, 15) In der Beratung geht es um eine bewußte Wahrnehmung bestehender
Probleme und der Entwicklung von Problemlösungsfähigkeiten in einer kooperativen
und offenen Beziehung zwischen Berater und Klient (vgl. Hirsch und Schmittchen
1981, 23, in Mutzeck 1996, 6). Beratung soll geplant und von fachkundigen und
methodisch geschulten Personen durchgeführt werden (vgl. Mutzeck 1996, 7). Belardi
(1999, 40) versteht Beratung als „eine spezielle Dienstleistung für Einzelpersonen,
Familien und Institutionen, um diesen zur eigenständigen Lösung von Problemen im
psychosozialen und /oder materiellen Bereich zu verhelfen“.
Im Rahmen der Recherche für diese wissenschaftliche Arbeit führte ich ein Gespräch
mit zwei Mitarbeiterinnen der Suchtberatung beim Caritasverband Rhön-Grabfeld in
Bad Neustadt/Saale7. Die Ergebnisse dieses Gespräches werde ich hier und in späteren
Kapiteln wiedergeben und entsprechend kennzeichnen.
Meine erste Frage an die Mitarbeiterinnen der Suchtberatung war, was sie unter
Beratung verstehen, was für sie Beratung ist. Für Frau Till: ist Beratung Menschen zu
begleiten, ie zu informieren, sie reden lassen, Möglichkeiten, die es gibt aufzuzeigen
und mit den Menschen gemeinsam einen Weg finden. Beratung ist ein Prozess, ein
Weg. Aufgabe der Beraterin ist es, Dinge ,auf den Punkt zu bringen‘, zu sehen ,was ist
Sache‘, da immer wieder Menschen in die Beratung kommen und sagen: ,ich weiß
eigentlich nicht, wo mein Problem liegt‘. Frau Heinisch ergänzte, dass es darum geht als
Fachberatungsstelle Informationen zum Thema zu geben. Informationen z.B. auf Fragen
wie „was ist Sucht?“, „was ist Entzug?“, „welche finanziellen Hilfen gibt es?“, „wo
bekomme ich eine Wohnung her?“ oder „wo Möbel?“. Es geht weiter darum konkrete
Hilfestellung zu geben, z.B. beim Ausfüllen eines Antrags behilflich zu sein oder bei
7 Der Termin kam durch eine telefonische Anfrage meinerseits zustande, wir verabredeten uns zu einem
ca 45-minütigen Gespräch in der Beratungsstelle. Fr.Till arbeitet seit 9 Jahren, Fr. Heinisch seit 4 Jahren
in der Suchtberatung. Ich machte mir während des Gespräches Notitzen, die ich hier in der Arbeit
sinngemäß wiedergeben werde. Das Aufstellen eines Diktiergerätes wurde nicht gewünscht.
20
der Vermittlung entsprechender weiterführender Stellen (Entzug, Kur, Therapie) tätig
zu werden. Sie verstehen ihre Tätigkeit auch als Diagnosestelle, wenn der Ratsuchende
wissen will, ob überhaupt eine Suchterkrankung vorliegt, sie sind gefordert, dem
Klienten bei der Entscheidung zu unterstützen, ob eine stationäre oder ambulante
Therapie sinnvoll ist oder ob eine Beratung zunächst ausreicht. Eine andere wichtige
Aufgabe ihrer Beratungstätigkeit ist die Arbeit mit Angehörigen, die unter der Sucht
eines anderen leiden und davon selbst krank werden. Desweiteren sehen sie ihre Arbeit
als Aufklärungs-, bzw. Lobbyarbeit. Sie wollen dazu beitragen, dass Sucht als
Krankheit, nicht als Willensschwäche definiert wird und sie wollen die Betroffenen
auch gegenüber Ämtern stärken: „da ist ein Mensch, der hat die gleichen Rechte wie
andere, auch wenn er krank ist“ (Gesprächsprotokoll 2004).
3.1.1 Das Beratungsklientel
Beim Beratungsklientel kann man grob zwei Gruppen unterscheiden. Zum Einen die
Menschen, die aufgrund sichtbarer Probleme geschickt werden, u.a. von Ärzten,
Angehörigen, Arbeitgebern oder Gerichten. Ein Beratungszweig, in dem diese Gruppe
häufig beraten wird, ist die Suchtberatung. Zum Andern suchen Menschen freiwillig
Beratungsstellen oder Berater auf, weil sie selbst erkennen, dass sie mit bestehenden
Situationen/Problemen/Konflikten nicht zurechtkommen. Diese können bei ihnen selber
liegen, mit ihrem unmittelbaren Umfeld oder mit ihrer weiteren Umgebung zu tun
haben. Gemeinsam ist ihnen der Veränderungswunsch und die Schwierigkeit, alleine
oder ohne Unterstützung diesen Veränderungswunsch umzusetzen (vgl. Baer 2001, 68;
vgl. Belardi 1999, 21). Ratsuchende suchen Unterstützung, um die eigenen
Kompetenzen in punkto Konfliktlösung und Umgang mit Konflikten zu erweitern.
Aufgrund des Wegbrechens tradierter Informations- und Unterstützungsstrukturen in
einer zunehmend komplexer werdenden Welt, in der einerseits vielfältige Perspektiven
und Wahlmöglichkeiten vorhanden sind und andererseits die Kompetenzanforderungen
und Entscheidungszwänge immer größer werden, wächst auch der Bedarf an Beratung
(vgl. Belardi 1999, 20f).
3.1.2 Die Aufgaben des Sozialpädagogen in der Beratertätigkeit
Die Aufgaben des Beratenden liegen zum einen im strukturellen Bereich, wo es darum
geht, die Vorgaben, die zu berücksichtigen sind, dem Ratsuchenden mitzuteilen. Dabei
handelt es sich um den zeitlichen Rahmen, um die Dauer des jeweilige
21
Beratungstermins und der vermutlichen Häufigkeit der Beratungstreffen. Mit dem
Ratsuchenden ist abzuklären, welche/s Anliegen er hat, was die Inhalte der Treffen sein
sollen. Es gilt, das Ziel und die Wünsche zu formulieren. Außerdem kann es wichtig
sein unter dem Aspekt der Schweigepflicht klarzustellen, wer von den Gesprächen, bzw.
deren Inhalten erfahren muss oder soll und zu welchem Zweck. Der Beratende sollte
seine Methoden und eventuellen Hilfsmittel vorstellen und seine Arbeitsweise
transparent machen. Für den Berater ist es wichtig zu beachten, dass das Problem, mit
dem jemand in die Beratung kommt, oft ein „Aufhänger“ ist (vgl. Belardi 1999, 70). Oft
liegt ein umfassenderes Problem zugrunde.Wenn z.B. in der Familienberatung ein Kind
vorgestellt wird, das Schwierigkeiten hat, kann dies auch ein Hinweis auf Probleme der
gesamten Familie sein (systemischer familientherapeutischer Ansatz).
Der Berater hat die Aufgabe, den Gesprächsverlauf zu strukturieren. Das bedeutet, dass
er gerade im Erstgespräch für eine vertrauensvolle Athmosphäre sorgen sollte. Er muss
klären, was ist (Diagnose, Wahrnehmen, Erkennen), er muss klären, was war (Erinnern,
Wiederbeleben, Bearbeiten) und er muss klären, was sein soll (Zielbildung,
Neuorientierung) (vgl. Rahm u.a. 1993, 327 in: Belardi 1999, 81). Er darf nicht
vergessen, wenn die Beratungstermine zu Ende gehen, eben darauf vorzubereiten und
mit dem Klienten eine Bilanz zu ziehen sowie mit ihm zu überlegen, was in der Zeit
„danach“ geschehen kann oder soll (vgl. Belardi 1999, 85).
Der Berater ist zuständig für die Gesprächsführung, der er je nach Situation mehr oder
weniger Struktur gibt. Er muss dem Klienten ermöglichen, seine Bahnen des Denken
und Handelns zu verlassen, um einen Perspektivwechsel auf das Problem zu erreichen
und Lösungsmöglichkeiten zu entdecken (vgl. Belardi 1999, 81).
Das eben Beschriebene lässt sich nach Murgatroyd gut zusammenfassen. Er hat
„Allgemeine Ziele für die Beratung“ zusammengestellt, die ich hier unverändert
wiedergeben werde, da ich sie als umfassend und gut formuliert wahrnehme:
a) „Ziele für die Art und Weise, wie Menschen sich sehen.
- Wiederherstellung eines Gefühls des Selbstwertes.
- Unterbindung der Selbstabwertung des Gesprächspartners und Unterstützung einer
positiven Selbstsicht.
- NegativeVerteidigungsstrategien in positive Handlungsstrategien umformen.
b) Ziele im Hinblick auf die Art und Weise, wie Menschen die Welt erfahren:
- Unterstützung und Objektivität im Nachdenken über die Situation.
22
- Die Ratsuchenden müssen Verantwortung für ihren eigenen Anteil an dem Problem
erkennen und übernehmen.
- Verstärkung des Gefühls der Kontrolle der Situation, in der sie sich befinden.
- Ermutigung von Wunschdenken und Unterstützung von Rationalität.
- Aufzeigen angemessener Bewältigungsstrategien.
- Hilfe bei der Verringerung von Erfahrungen und Gefühlen der Abhängigkeit.
c) Ziele im Hinblick auf die Art und Weise, die eigene emotionale Welt zu sehen:
- Hilfe bei einer möglichst realistischen Sicht der eigenen emotionalen Erfahrungen.
- Wir müssen nicht so oft projizieren.
- Unsere Angst soll sich verringern.
- Positive Gefühle sollen zunehmen.
d) Ziele im Hinblick auf die Art und Weise, in der andere Menschen denken:
- Unterstützung zweckgerichteten Denkens.
- Die Bewältigung von Krisensituationen in kleine Schritte aufteilen.
- Dabei Teilziele formulieren und sie angehen.
- Die Selbstreflexion, also die Fähigkeit, sich selber kritisch zu sehen, muß gesteigert
werden.
e) Ziele für die körperliche Zustandsänderung:
- körperliche Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Wohnung, Gesundheit, Schlaf)
müssen sichergestellt werden.
- hierzu bedarf es einer wirtschaftlichen und sozialen Absicherung, eventuell durch
flankierende Maßnahmen der Sozialarbeit.“ (Murgatroyd 1994, 82f, in Belardi 1999,
62)
3.2
Die Bedeutung von Achtsamkeit als Kompetenz in der Beratung
Achtsam zu beraten ist eine besondere Art, bewusst zu beraten, welche die
Bewusstseinserweiterung schult und die Selbsterkenntnis verschärft. Sie kann zur
Zentrierung und zur Harmonisierung des körperlich-geistigen Befindens beitragen und
zu einem dem eigenen Wohlergehen dienenden Umgang mit den Mitmenschen führen.
„Das Prinzip der Achtsamkeit ist ein umfassendes Prinzip. Sein wesentlicher Grundsatz
ist die Einheit von Theorie und Praxis, Erkennen und Handeln, Wissen und Erfahrung.“
(Hinze 2001, 12). Wenn man also achtsam ist, erkennt man die Realität an, so wie sie ist
23
und versucht nicht, sie sich zurechtzubiegen. Für die Beratung heißt das, dass der
Berater offen ist für sein Gegenüber und die Gegebenheiten akzeptiert, die sich ihm
zeigen, ohne seine eigenen Bewertungsmaßstäbe anzulegen (vgl. Hinze 2001, 11f).
Achtsam beraten heißt auch, Bewusstheit für sich selbst zu haben. Das wiederum
bedeutet, offen zu sein für die eigenen Wahrnehmungen auf verschiedenen Ebenen, so
wie sie unser Gegenüber bei uns auslöst. Der nächste Schritt wäre dann, diese
Wahrnehmungen dem Klienten zur Verfügung zu stellen für die Realisierung seiner
Veränderungsziele (vgl Prof. Schulte-Cloos, E-mail vom 13.06.04).
Für die Mitarbeiterinnen der Suchtberatungsstelle des Caritasverbandes Rhön-Grabfeld
ist Achtsamkeit eine Grundhaltung für einen entsprechenden Umgang mit Menschen,
heißt sie zu respektieren. Ihnen waren folgende Aspekte der Achtsamkeit in der
Beratung am wichtigsten:

Achtung vor den Werten Anderer.

Akzeptieren, wie andere leben.

Den Ratsuchenden „dort abholen, wo er steht“.

Akzeptieren, dass der Klient bei dem Versuch der Problemlösung kleine Schritte
geht oder andere, als sie der Berater für sinnvoll hält.
Der Mensch steht im Mittelpunkt der Beratung und der Berater versucht mit ihm
gemeinsam, die Schwierigkeiten anzugehen (vgl. Gesprächsprotokoll 2004).
3.2.1 Achtsamkeit für das Gegenüber
Dem Ratsuchenden in einer Beratungssituation kann der Berater nur dann Achtsamkeit
entgegen bringen, wenn er sich vieler unterschiedlicher Komponenten bewusst ist.
Diese sind sehr wichtig, damit eine Beratung Aussicht auf Erfolg haben kann.
Zum Einen ist wichtig, ob Alter, Geschlecht und Kultur des Beraters zum Ratsuchenden
(Banning, 1995 in Belardi1999, 74) bzw. zu seinem Problem passen. Ein älterer,
konservativ eingestellter Mann würde wohl Schwierigkeiten haben, sich von einer sehr
jungen Sozialpädagogin, sei sie auch noch so kompetent, in Beziehungsfragen beraten
zu lassen.
Zum Anderen werden Klienten immer wieder Verhaltenweisen zeigen, die sie vor
Konfrontation mit ihren Schwierigkeiten schützen sollen. Diese gilt es für den Berater
zu respektieren und nicht zu versuchen, dagegen zu arbeiten. Unter dieses
Schutzverhalten fallen auch Manipulationsversuche des Ratsuchenden wie den Berater
auf die eigene Seite ziehen zu wollen, die Einstellung Beratung sei „sowieso zwecklos“
oder „die anderen sind schuld“ (vgl. Belardi 1996, 77).
24
Weiterhin ist es für den Berater nicht nur wichtig, darauf zu achten, was die
Ratsuchenden wörtlich mitteilen. Ebenso wichtig ist, wie sie das tun. Watzlawick
spricht hier von„Beziehungsebenen“. Dazu gehören alle nichtsprachlichen Signale.
Fachkräfte sollten sich gleichzeitig auch gefühlsmäßig in die Ratsuchenden
hineinversetzen und zumindest zeitweise dabei z.B. deren Verzweiflung und Traurigkeit
spüren, als ob es die eigene wäre (vgl. Belardi 1996, 47).
Dabei wird es wichtig, dass Dinge, die eigentlich nicht gesagt worden sind und trotzdem
in uns auftauchen, nicht in den Hintergrund gedrängt, sondern ernst genommen werden
(vgl. Baer 2002, 78). Der wissenschaftlichen Forschung zum Thema „Beratung“ ist
längst bekannt, dass gerade das, was als „unangenehm“ auftaucht oder als „tabu“ gilt,
im ganzen Beratungsprozess sehr wichtig ist. Jede einzelne Information, wie auch das
Verhalten im Gespräch selber, ist Bestandteil eines noch weitgehend unbekannten
„Hintergrundes“.
Zu
beachten
sind
dabei
strukturelle
Verfestigungen
durch
vorangegangene Erfahrungen und deren oft problematische Verarbeitung (vgl. Belardi
1999, 64f). So kann die Vielfalt der Eindrücke geklärt und Beratern geholfen werden
mit Fragen wie „Was wurde berichtet?“, „Wie wurde es berichtet?“, „Was fehlt in den
Darstellungen und gehörte aber eigentlich dazu?“, „Welche Wahrnehmungen und
Vermutungen (Hypothesen) habe ich jetzt?“ und „Welche Bedeutung haben diese
Informationen für die Kenntnis des Lebenszusammenhangs und die Zielsetzung?“ (ebd.
65). Auch die Körpersprache des Klienten ist hier zu beachten. Der Körper sagt oft
mehr als die Sprache aus und kann aufschlussreicher sein als der reine Gesprächsinhalt.
Berater müssen diese körpersprachlichen Signale wahrnehmen und zu passender Zeit
behutsam in den Prozess einbringen. Belardi warnt vor einer unangebrachten und
überschnellen Deutung. Baer (2001, 102) vertritt den Standpunkt, dass eine festgelegte
Deutung von Körpersignalen nicht erfolgen sollte. Er ist der Meinung, dass nur der
Klient selbst seine Äußerungen deuten kann. Aufgabe des Beraters kann es lediglich
sein, ihn auf solche Wahrnehmungen aufmerksam zu machen (ebd. 90ff).
Der Berater hat die Möglichkeit den Prozessverlauf dahingehend zu manipulieren,
damit beim Klienten Selbstreflexion möglich wird und er neue Erkenntnisse dazu
gewinnen kann. Der Berater darf nicht versuchen die Einstellungen des Ratsuchenden
dahingehend zu beeinflussen,wie es seiner persönlichen Meinung entspricht. Er muss in
der Lage sein Übertragung, Idealisierung und Entwertung zu erkennen und
anzusprechen, um den Klienten die Chance der eigenen Entwicklung, den Eigenanteil
und notwendigen Anstrengungen bewusst zu machen, die eine Verhaltensänderung
ermöglichen (vgl. Belardi 1999, 78f).
25
Zur Achtsamkeit in der Beratung gehört es auch, den Klienten mit unangenehmen
Dingen, Verhaltensweisen zu konfrontieren, Aspekte anzusprechen, die ihm in seinem
privaten Umfeld kaum jemand sagen würde. Diese Ehrlichkeit, diese Offenheit, mit der
der Beratende dem Ratsuchenden gegenübertritt, wird sich für den Klienten letztlich als
hilfreich erweisen, er kann Verhalten nur ändern, wenn er weiß „was Sache ist“. Scheut
sich ein Berater, dies zu tun, stützt er nur das „Gebäude“, das sich der Klient aufgebaut
hat und nimmt ihm die Chance, zu gesunden. Auch bei der Arbeit mit Angehörigen, die
unter der Sucht eines anderen leiden und davon krank werden, ist es wichtig, offen und
ehrlich zu sein und sie aufmerksam zu machen auf eigenes Verhalten, das die Sucht
stabilisiert (vgl. Gesprächsprotokoll, 2004).
3.2.2 Achtsamkeit für sich selbst
Angehörige der helfenden Berufe stehen unter besonderen psychosozialen Belastungen.
Sie sollen zwischenmenschliche Beziehungen aufbauen und diese unter Bedingungen
aufrechterhalten, die „häufig durch Erfahrungen der Aggression und Autoaggression,
des Leidens und Schmerzes usw. gekennzeichnet sind“ (Marquard, u.a. 1993, 2 in:
Belardi 1999, 205f). Eigene Empfindungen, Überzeugungen und Werte bleiben dabei
nicht unberührt (vgl. Marquard u.a. 1993, 2 in: Belardi 1999, 205f). Deshalb ist es
wichtig, das Verhältnis von Nähe und Distanz zu finden, das im jeweiligen Augenblick
angemessen ist. Der Beratende muss abwägen und sich dort engagieren, wo es
notwendig ist und wo er mit Erfolg tätig sein kann, d.h. wo nicht alle Umstände schon
im Vorfeld darauf hindeuten, dass er scheitern könnte. Dazu gehört das Lernen, sich
abzugrenzen vor der allgegenwärtigen Verführung, unlösbare Probleme lösen zu wollen
oder zu müssen (vgl. Belardi 1999, 206).
Um sich „nicht selbst zu verlieren“ und in die Verfassung des „Burn Out“ zu geraten, ist
es notwendig, als Beratender gut für sich selbst zu sorgen. Eine Lösung dieses
Dilemmas bietet die Supervision. In diesem Setting wird der Berater zum zu
Beratenden, der mit einem von außen kommenden Supervisor seine Professionalität zu
vergrößern sucht. Dort wird in der Fallarbeit u.a. versucht die Selbst- und
Fremdwahrnehmung zu verbessern und die Unterscheidung von Beobachtung und
Bewertung geübt. Wichtig ist es, eigene „blinde Flecken“ kennenzulernen, über den
Umgang mit Nähe und Distanz zu den Klienten nachzudenken und das Phänomen der
Übertragung zu beleuchten. Während die klassische Supervision Einzelarbeit bedeutet,
steht bei Selbstreflexion von Arbeitsteams in Beratungsstellen die Entwicklung von
Kooperation und Teamfähikeit im Vordergrund. Um sich kollegial über die Themen, die
26
alle betreffen austauschen zu können, ist es wichtig, dass das Verhältnis der Kollegen
untereinander von Vertrauen geprägt ist (vgl. Rappe-Diesecke 1990, Schreyögg 1991,
in: Belardi 1999, 206f).
Fr. Till und Fr. Heinisch von der Suchtberatungsstelle gebrauchten persönlichere
Formulierungen, die jedoch letzlich die theoretischen Überlegungen bestätigen:
„Achtsamkeit heißt auch auf mich aufpassen, wie gehe ich mit dem um, was von aussen
kommt“. Wichtig ist es, für sich selbst einen Ausgleich zu finden, seine eigenen
Grenzen zu kennen und sich „in gewissem Maße daran halten“. So vermeiden sie es, bei
der Terminplanung zwei extrem schwierige Fälle direkt hintereinander zu legen und
verteilen sie lieber auf zwei Tage. Das ist eine praktische Umsetzung des Prinzips
Achtsamkeit für sich selbst. Achtsam mit sich selbst sein heißt in diesem Kontext auch,
Grenzen zu setzten und nein sagen zu können, wenn die Anforderungen, die von Klient
oder auch Dienstgeber an einen herangetragen werden, nicht erfüllt werden können.
Ferner gehört dazu der Austausch untereinander in der Beratungsstelle, das „Dampfablassen-können“, sowie die Unterstützung von und die Rückversicherung bei den
Kollegen (Gesprächsprotokoll 2004).
In diesem Zusammenhang interessierte mich noch, wie meine Gesprächspartnerinnen
für sich ihren Ausgleich finden. Für Fr. Heinisch sind es ihre Familie, ihre Kinder, die
wie sie sagt „automatisch ablenken“, die Gartenarbeit, Hobbys und die Fähigkeit, beim
Nachhausegehen die „Türe zumachen und das meiste hierlassen (an der Arbeitsstelle,
Anm. d. Autorin) zu könnnen“.
Für Fr. Till ist körperlicher Ausgleich ein wichtiger Faktor für die Achtsamkeit mit sich
selbst. Sie, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, merkt an, dass sie schneller zu Hause
ist, wenn sie von der Arbeit aufgewühlt ist. Die Bereitschaft, sich von
Kollegen/Freunden aufmerksam machen zu lassen, wenn man „am Limit läuft“ ist ihrer
Meinung nach auch ein wichtiger Faktor. Beide bemerken, dass es Kleinigkeiten sind,
die diese Achtsamkeit mit sich selbst ausmachen, dass sie keine Kurse in
Entspannungstechniken (z.B. Yoga) brauchten (vgl. Gesprächsprotokoll 2004). Dabei
fällt mir auf, dass beide Frauen während unseres Gespräches entspannt sitzen und
immer wieder tief atmen. Dazu habe ich bei Thich Nath Hanh ein wie ich meine
passendes Zitat gefunden, das ich hier wiedergeben werde:
„Ich atme ein und komme zur Ruhe,
ich atme aus und lächle.
Ich atme ein und weiß: Ich lebe.
Ich atme aus und lächle dem Leben zu.“
27
(Thich Nath Hanh 2004, 22)
3.2.3 Exkurs in die „Kreative Leibtherapie“8
Alle Menschen, besonders jene, die in helfenden Berufen tätig sind, müssen immer
wieder dafür Sorge tragen, dass sie bei all ihrer Sorge um die ihnen Anvertrauten sich
selbst genügend Möglichkeiten schaffen, um zu regenerieren, Kraft zu schöpfen und
„sich nicht zu verlieren“. Ansonsten droht ein als „Burn out“ bekannter Zustand der
völligen Erschöpfung. Zu seiner Vermeidung finde ich es enorm wichtig, mit der
Achtsamkeit immer wieder bei sich zu sein, um in sich gefestigt zu sein und nicht gegen
seine eigenen Bedürfnisse zu handeln. Ich behaupte, dass nicht vernachlässigt werden
darf, diese Achtsamkeit zu schulen und immer wieder zu üben. Wie es bereits in der
Wiedergabe des Gesprächsprotokolls angeklungen ist, hat jeder Berater dafür seine
eigenen Wege und Methoden.
Im folgenden Kapitel möchte ich darlegen, welchen Stellenwert Achtsamkeit in der
„Kreativen Leibtherapie“ nach Udo Baer und Gabriele Frick-Baer einnimmt. Es wird
hier zwar von Therapie geschrieben, doch lassen sich Therapie und Beratung nicht
immer klar abgrenzen, wie weiter oben schon ausgeführt wurde. Außerdem bin ich der
Meinung, dass eine fächerübergreifende Weiterbildung für alle Beteiligten nur von
Vorteil sein kann. In der „Kreativen Leibtherapie“ wird die Bedeutung von Achtsamkeit
meines Erachtens nach noch erweitert und hat einen besonders hohen Stellenwert. Die
„Kreative
Leibtherapie“
hat
ihre
Wurzeln
in
der
Leibtherapie
und
„den
erlebnisöffnenden Potentialen des Tanzes, der Musik und der Gestaltung“ (Baer o.J., 2).
Gestalttherapie, andere Humanistische Therapien, Leibphilosophie, Erkenntnisse der
modernen Hirn- und Säuglingsforschung und vor allem viele praktische Erfahrungen
sind nach Aussage von Baer weitere Quellen (vgl. ebd. 2). Achtsamkeit beschreibt Baer
(2001, 33) als leibliches Phänomen, als eine „Haltung der Aufmerksamkeit, die sich
jenseits von geistigem Verstehen, körperlichem Spüren und emotionalem Fühlen
bewegt und doch diese Elemente einschließen kann“. Um achtsam sein zu können,
müsse
man
wenigstens
„einen
Augenblick
innehalten“,
sich
und
anderen
Aufmerksamkeit schenken. Für ihn ist Achtsamkeit Wahrnehmung und sie umfasst die
Bereitschaft, sich und seine Wahrnehmungen ernst zu nehmen. Im Konzept von Baer ist
Therapie Achtsamkeit, weil hier Klienten aufgefordert sind, auf ihr Erleben zu achten
8Ich verwende hier den Begriff „Kreative Leibtherapie“, auch wenn in der Publikation von „Tanz- und
Bewegungs-Soziotherapie“, „Musik-Soziotherapie“ und „Gestaltungs-Soziotherapie“ die Rede ist, damit
das Lesen einfacher fällt.
28
und zu spüren, welche Regungen ihres Leibes daraus entspringen. Weiter braucht
Therapie Achtsamkeit, weil nur dann Hindernisse und Barrieren, die einschränken, bzw.
Möglichkeiten der Entwicklung von Klienten wahrgenommen werden können.
Außerdem schafft Therapie Achtsamkeit, indem Therapeuten den Klienten Hilfestellung
geben, Achtsamkeit zu entwickeln, um auch dem Hintergrund ihres Erlebens
nachzuspüren und damit die Möglichkeit haben gerade den Empfindungen
Aufmerksamkeit zu schenken, die außerhalb der therapeutischen Sitzungen meist zu
kurz kommen. Mit dem Lenken der Aufmerksamkeit auf den Atem besteht laut Baer
(vgl. 2001, 34ff) eine sehr gute Möglichkeit, die Achtsamkeit des Klienten für sich zu
steigern (vgl auch Thich Nhat Hanh 2004). Für Baer ist das Achten auf den Atem eine
Hinwendung nach „innen“ und manchmal „erster Schritt einer achtsamen Haltung sich
selbst gegenüber“. Diese Achtsamkeit des Klienten sich selbst gegenüber ist meist
Voraussetzung für eine beginnende Veränderung einengender Lebensbezüge. Dem
Klienten zu mehr Achtsamkeit für sich selbst zu verhelfen, ist eine Aufgabe des
Therapeuten. Eine andere Aufgabe des Therapeuten in Bezug auf die Achtsamkeit ist
„der offene, schweifende Blick“ (Baer 2001, 37), um im Prozess beim Klienten
wahrzunehmen, was im Vordergrund geschieht und was sich im Hintergrund „zu
verbergen droht“ (ebd. 37). Sehr wichtig ist für Baer die Achtsamkeit des Therapeuten
auch für sich selbst. Das heißt „den Klienten ernst nehmen, sich selbst ernst nehmen
und dabei miteinander in Kontakt zu bleiben“ (ebd. 38). Er sieht für die therapeutisch
fruchtbare Arbeit eine dreifache Achtsamkeit, die es zu trainieren gilt: 1) Achtsamkeit
für das Erleben des Klienten, 2) Achtsamkeit für das eigene Erleben und 3) Achtsamkeit
für die jeweilige Wechselbeziehung zwischen Klient und Therapeut (vgl. Baer 2001,
34ff).
4.
Resümee
Wenn man sich mit einem Thema, wie ich hier mit „Achtsamkeit“, intensiv beschäftigt,
tauchen nicht nur Antworten sondern vor allem immer auch neue Fragen auf. Dieses
Resümee am Ende meiner Arbeit möchte ich dazu nutzen, meine Fragen zu formulieren,
Antworten zu versuchen und sie der Wissenschaft zur weiteren Bearbeitung zur
Verfügung zu stellen.
Eine dieser Fragen, die während dieser Arbeit auftauchte, war folgende: ist Achtsamkeit
ein Konzept, eine Grundhaltung oder eine Kompetenz? Dies war mir wichtig, denn der
29
Titel dieser Arbeit lautete zuerst „Achtsamkeit - ein Konzept und seine Bedeutung in
der professionellen Sozialarbeit am Beispiel der Beratung“.
Laut Wörterbuch der Deutschen Sprache (1993) ist ein Konzept ein Entwurf, ein
Vorhaben. Das trifft die Bedeutung der Achtsamkeit jedoch nach der eingehenden
Beschäftigung mit diesem Thema meiner Meinung nach nicht ganz.
Auf der Suche nach Alternativen stieß ich auf den Begriff der „Grundhaltung“: „Eine
,Grundhaltung‘ ist [...] etwas, das man nicht durch Aneignen von Wissensstoff erwerben
kann, sondern das in kontinuierlicher Selbstreflexion des eigenen Tuns und Erlebens in
professionellen und nicht-professionellen Bezügen entsteht und das im Alltag auch
wieder verloren gehen kann.“ (Staemmler 2001, 143f). Kontinuierliche Selbstreflexion
ist meiner Meinung nach wichtig um achtsam sein zu können, ohne Wissen kann
Achtsamkeit aber in der Beratung nicht umgesetzt werden. Diese Definition ist deshalb
nicht ausreichend für die Beschreibung von Achtsamkeit.
So blieb mir noch der Begriff der „Kompetenz“: (Soziale) Kompetenz wird beschrieben
als „[...] ein Bündel verschiedener Merkmalsausprägungen aus unterschiedlichen
Bereichen,
die
sich
im
Interaktionsverhalten
und
im
Interaktionserfolg
niederschlagen.[...]“ (Wiswede u.a. 2004). Dubios & Fellner definieren Kompetenz als
„Verfügen über Fertigkeiten, Wissen und Erfahrungen, um erfolgreich an sozialen
Interaktionen teilzunehmen“ (in: Wiswede u.a. 2004). Dies trifft am besten die
Vorstellung, die ich inzwischen von Achtsamkeit habe, weshalb ich diesen Begriff in
die Überschrift übernommen habe.
Auch die anderen beiden oben genannten Begriffe Konzept und Grundhaltung sind
nicht ganz falsch, treffen jedoch beide nur einzelne Aspekte der Bedeutung von
Achtsamkeit.
Als weitere Frage stellte sich, wie sich Achtsamkeit konkret trainieren lässt. Auch
hierauf fällt die Antwort nicht leicht. Jede Richtung, die Achtsamkeit in ihrem Konzept
hat, findet hier eine eigene Antwort. Am Beispiel der Kategorienbildung des Menschen
werde ich dies deutlich machen. Für Thich Nhat Hanh ist der klassische Weg
Achtsamkeit zu üben die Meditation. Das bedeutet für ihn im buddhistischen Kontext
ein Ruhigwerden des Denkens und im Idealfall eine völlige Leere des Geistes, durch die
sich die vorhandenen Kategorien des Denkens auflösen. Ellen Langer dagegen setzt auf
ein Bewusstwerden dieser Kategorien, um sie dann in einem aktiven Prozess zu
verfeinern oder aufzulösen und so zu mehr Achtsamkeit zu kommen (vgl. Langer 1993,
91ff). Ich meine, dass sich Achtsamkeit trainieren lässt, doch muss jeder Berater dafür
30
seinen eigenen Weg finden. Wenn man zu der Überzeugung gelangt ist, dass
Achtsamkeit hilfreich sein kann für die Arbeit im beraterischen Kontext, wird man
sicher passende Möglichkeiten finden, diese zu üben und zu verfeinern. Die in dieser
Arbeit zitierten Autoren stellen eine Auswahl dessen dar, was es an schon praktizierten
Wegen gibt.
Für die Ausbildung von SozialpädagogInnen halte ich es für sehr wichtig, dass
angehendene SozialpädagogInnen Achtsamkeit in ihren verschiedenen Facetten
zunächst kennen und benennen lernen, um sich dann in Achtsamkeit zu üben und sich
durch Achtsamkeit zu bilden. Dadurch werden sie in die Lage versetzt, Achtsamkeit als
eine Kompetenz in ihrer späteren Arbeit, z.B. in der Beratung anzuwenden.
Um überhaupt achtsam sein zu können, ist es wichtig, umfassend informiert zu sein.
Daher sollte jede/r (angehende) SozialpädagogIn in die Lage versetzt werden, sich ein
breites Wissensspektrum anzueignen und dieses immer wieder selbstständig zu
erweitern und zu erneuern. Ich denke dabei an die Bereiche der Biologie, der
Neurophysiologie und der Psychologie, die immer wieder neue Erkenntnisse über z.B.
Strukturen des (eigenen) Wahrnehmens, Fühlens und Denkens zu bieten haben und die
zum Wohle des Klienten eingesetzt werden können. Aber auch bei so ganz praktischen
Dingen wie z.B. Gesetzen und deren Änderungen oder Hilfsmöglichkeiten für
Ratsuchende ist ein stets aktuelles Wissen des Sozialpädagogen unverzichtbar.
Als Lektüre zu diesem Thema finde ich die Forschungsergebnisse von Ellen Langer
über sinnvolles Lernen (Langer 1997), welche ich im Verlauf dieser Arbeit
kennengelernt habe, sehr aufschlussreich.
Einen vielleicht etwas utopischen Ausblick möchte ich an dieser Stelle noch wagen.
Wenn ich mir eine Beratungssituation vor meinem inneren Auge vorstelle, sehe ich
zwei Menschen, den Berater und den Ratsuchenden vor mir. Sie sitzen sich an einem
Tisch (schräg) gegenüber, und versuchen primär über die kognitive Schiene den Kern
eines Problemes zu fassen, um es dann lösen zu können. Der Raum, in dem beide sitzen,
ist relativ klein. Bei mir löst diese Vorstellung Beklemmung und Enge aus. (Nach
Hofmann [vgl. 2004, 31ff] gehöre ich demnach zu den Menschen, deren bevorzugte
Wahrnehmungsseite die Kinesthetik ist). Würden wir jetzt unsere Achtsamkeit
erweitern und den Menschen als ein Wesen ernst nehmen, in dessen Ganzheit Körper,
Seele und Geist gleichgewichtig sind, könnten wir die Vorherrschaft des Geistes nicht
so einfach hinnehmen. (was ja zweifelsohne der Fall ist, wenn wir meinen, Probleme
vorrangig „vom Kopf her“ lösen zu können). Wie viel näher kämen wir einer
31
umfassenden Achtsamkeit, hätten wir in einer Beratungssituation mehr Platz als den
Tisch mit zwei Stühlen? Was wäre, wenn wir, statt die Aufmerksamkeit vor allem auf
kognitive Prozesse zu lenken, achtsamer mit Signalen umgingen, die uns auf der
Körperebene begegnen und diesen konsequenterweise mehr Raum gäben? Mehr Raum
im wahrsten Sinne des Wortes? Was wäre, wenn ein Berater das Zutrauen hätte, all
seine Reaktionen, auch jene, die er körperlich wahrnimmt, ernst zu nehmen und in den
Kontakt mit dem Ratsuchenden zu geben? (vgl. Baer, 79f) Mit der Gewissheit, dass dies
sowohl für den Klienten förderlich ist, als auch der eigenen Psychohygiene und
Weiterentwicklung dient? Dieses sind Fragen, auf die ich gerne Antworten finden
würde.
Zum Abschluss meiner Vordiplomarbeit möchte ich noch allen danken, die mich bei
dieser unterstützt und mir dabei geholfen haben. Allen voran meinen Töchtern Anne
und Carmen und meiner Freundin Ute, die als Lektoren fungierten, Christine und Ortrud
für ihr aufmunterndes „Arbeit darf Spaß machen“ und liebevolles „gekniffen wird
nicht“ sowie Prof. Dr. Schulte-Cloos für seine zahlreichen Anregungen und prompten
Rückmeldungen via Internet.
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Zugriff am 02.07.2004.
Eigene Quellen:
35
Protokoll über das Gespräch mit den Mitarbeiterinnen der Suchtberatungsstelle des
Caritasverbandes Rhön-Grabfeld in Bad Neustadt/Saale vom 22.11.2004
Protokoll des Gespräches mit Fr. Heinisch und Frau Till, Mitarbeiterinnen der
Suchtberatung des Caritasverbandes in Bad Neustadt/Saale vom 23.11.2004
Was verstehen Sie unter Beratung? Was ist für Sie Beratung?
Fr.Till: „Beratung ist für mich Menschen begleiten: informieren, reden lassen,
Möglichkeiten, die es gibt aufzeigen und mit den Menschen gemeinsam einen Weg
finden. Beratung ist ein Prozess, ein Weg. Aufgabe der Beraterin ist es, Dinge ,auf den
Punkt zu bringen‘, zu sehen ,was ist Sache‘, da immer wieder Menschen in die Beratung
kommen und sagen ,ich weiß eigentlich nicht, wo mein Problem liegt‘“.
Was verstehen Sie unter Achtsamkeit und was hat Achtsamkeit in Ihren Augen mit
Beratung zu tun?
Fr. Till/Fr. Heinisch: „Der Umgang mit den Ratsuchenden lässt sich aus dem Leitbild
der Caritas ableiten. die wichtigste Aussage ist die: ,von Mensch zu Mensch‘. Der
Mensch steht im Mittelpunkt der Beratung, gucken, mit dem Menschen gemeinsam
36
gucken.“
„Den Menschen dort abholen, wo er steht.“
„Akzeptieren, dass er kleine Schritte geht oder andere, als ich sie für sinnvoll halte.“
„Akzeptieren, wie andere leben.“
„Achtung vor den Werten anderer.“
„Informationen geben als Fachberatungsstelle, Informationen zum Thema (was ist
Sucht? was ist Entzug? welche finanziellen Hilfen gibt es? konkrete Hilfen, z.B. Antrag
ausfüllen, wo bekkomme ich eine Wohnung her? wo Möbel?) Vermittlung
entsprechender weiterführender Stellen (Entzug, Kur, Therapie).“
„Brückenfunktion: was ist angesagt: stationäre Therapie, niedergelassene Ärzte, reicht
erstmal Beratung?“
„Diagnosestelle: Ist es überhaupt Sucht?“
„Arbeit mit Angehörigen, die unter der Sucht eines anderen leiden und davon krank
werden: aufmerksam machen auf eigenes Verhalten, das die Sucht stabilisiert.“
„Aufklärung, Lobbyarbeit: Sucht als Krankheit, nicht als Willensschwäche.“
„Lobbyarbeit auch gegenüber Behörden, ,da ist ein Mensch, der hat die gleichen Rechte
wie andere, auch wenn er krank ist.‘“
„Achtsamkeit ist eine Grundhaltung, ist ein entsprechender Umgang mit Menschen, ist
respektieren.“
„Achtsamkeit heißt auch auf mich aufpassen, wie gehe ich mit dem um, was von aussen
kommt.“
„Austausch in der Beratungsstelle „Dampf ablassen“ Unterstützung kriegen,
Rückversicherung.“
„Ausgleich finden, eigene Grenzen kennen und sich in gewissem Maße daran halten.“
„Termine entsprechend legen (nicht zwei extrem schwierige Fälle direkt
hintereinander), lieber auf zwei Tage verteilen.“
„Grenzen setzen, NEIN sagen.“
Darf ich fragen, wie Sie Ihren Ausgleich finden?
„Zum Thema Ausgleich: Familie, Kinder lenken automatisch ab, beim Nachhausegehen
Türe zumachen, das meiste hier lassen.“
„Garten, Fahrradfahren, Hobbys, körperlicher Ausgleich.“
„Sich erinnern lassen („Du bist am Limit“) von Kollegen/Freunden, Pausen machen.“
37
„Das Team ist wichtig.“
„Abschalten können, kann man nicht unbedingt lernen, ein Grundansatz muss da sein.“
„Radfahren als Puffer“ (schneller daheim, wenn mich die Arbeit aufgewühlt hat)
„Es sind Kleinigkeiten, die das ausmachen, es muss nicht Yoga sein.“ (beide Frauen
sitzen entspannt, atmen immer wieder tief)
„Man muss sich gut kennen, Verspannungen bemerken, der Schnupfen, den ich nicht
mehr los werde...“
„Zu Achtsamkeit in der Beratung gehört es, Klienten auch mal unangenehme Dinge zu
sagen, zu konfrontieren, was ihm sonst keiner sagt.“
„Ehrlichkeit, nichts schönreden.“ „Offenheit, nur wenn ich sag, was Sache ist, kann
sich was verändern, stütze sonst das Gebäude, das sie sich aufgebaut haben.
„Achtsamkeit ist ein Thema, über das nie nachgedacht wird, außer bei der
Leitbilddiskussion.“
38
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