Neuere Entwicklungen im Volksgruppen- und

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Neuere Entwicklungen im Volksgruppen- und Nationalitätenrecht
Dr. Beate Sibylle Pfeil, Südtiroler Volksgruppen-Institut
Herbsttagung des Arbeitskreises für Volksgruppen- und Minderheitenfragen
Bad Kissingen, 5.-7. November 2004
Die Wende 1989/1990 hat auch für die Volksgruppen Europas eine neue Ära mit neuen Möglichkeiten und Chancen eröffnet. Noch vor wenigen Jahren schien es fast unvorstellbar, dass
sich der Volksgruppenschutz auf völkerrechtlicher Ebene innerhalb relativ kurzer Zeit so
deutlich entwickeln und verbessern würde. Auch auf der innerstaatlichen Ebene hat, von der
breiteren Öffentlichkeit relativ unbemerkt, vielfach ein spannender und vielversprechender
Rechtsetzungsprozess eingesetzt.
I. Volksgruppenschutz auf völker- und europarechtlicher Ebene
1. Allgemeine Entwicklungen
Die Europäische Union bietet immer noch nicht den Rahmen, innerhalb dessen die Volksgruppen der EU-Mitgliedstaaten ihre Rechtsposition verteidigen oder gar verbessern können.1
Hier könnte allerdings die geplante, von der Regierungskonferenz am 18. Juni 2004 im Entwurf gebilligte neue EU-Verfassung eine Wende einleiten. So ist es gegen viele Widerstände
gelungen, die Wahrung der „Rechte der Angehörigen von Minderheiten“ – als Teil der Menschenrechte – in den Wertekanon des Verfassungsentwurfs (Artikel I-2) aufzunehmen.2 Dies
bedeutet einen enormen Fortschritt in der Frage des Minderheitenschutzes innerhalb der EU.3
Trotz dieser erfreulichen Fortschritte bei der EU kommt dem Europarat nach wie vor eine
Schlüsselrolle im Bereich des Volksgruppen- und Minderheitenschutzes zu. So gilt das Inkrafttreten des Europarat-Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten und
der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen im Frühjahr 19984 zu
Recht als Meilenstein in der Entwicklung des Rechts von Volksgruppen bzw. nationalen Minderheiten in Europa. Spätestens seit dieser Zeit ist der Schutz nationaler Minderheiten ein
offizielles europäisches Anliegen, außerdem ist damit der Grundsatz der sog. positiven Diskriminierung, der Chancengleichheit von nationalen Minderheiten und ihren Angehörigen
völkerrechtlich verbindlich geworden.5
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Bisher weist vor allem die am 07.12.2000 von Europäischem Parlament, Rat und Kommission proklamierte
Charta der Grundrechte der Europäischen Union minderheitenspezifische Bezüge auf: Nach Art. 22 der Charta „achtet“ die Union „die Vielfalt der Religionen, Kulturen und Sprachen.“, Art. 21 verbietet Diskriminierungen u.a. aufgrund der Zugehörigkeit zu einer „nationalen Minderheit“. Derzeit ist die Charta ist allerdings
nicht rechtsverbindlich.
Außerdem ist die Grundrechtecharta in Teil II des Verfassungsentwurfs integriert, sie wäre mit Inkrafttreten
des neuen EU-Verfassung also rechtsverbindlich (vgl. auch Art. I-7 des Verfassungsentwurfs).
Auch das Europäische Parlament ist zur Frage des Schutzes von Sprachminderheiten in neuerer Zeit wieder
aktiv geworden, vgl. dazu die Entschließung „Regionale Sprachen und kulturelle Vielfalt“ vom 4. September
2003, P5_TA-PROV (2003)0372.
Das Rahmenübereinkommen ist am 1. Februar 1998, die Sprachencharta am 1. März 1998 in Kraft getreten.
Vgl. Art. 4 Abs. 2 und 3, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 Rahmenübereinkommen und § 7 Abs. 2 Sprachencharta.
Der Grundsatz der positiven Diskriminierung anerkennt, dass Minderheiten im Hinblick auf den Erhalt ihrer
Identität und Sprache wesentlich schwierigeren Ausgangsbedingungen unterworfen sind als die entsprechende Mehrheitsbevölkerung, dies allein schon aufgrund ihrer relativen Kleinheit, welche durch den Faktor
Streusiedlung verstärkt werden kann. So muss eine Minderheit überproportional mehr aufwenden, um z.B.
auf sprachlich-kulturellem Sektor mit der Mehrheit gleichziehen zu können, weil sie die Vorteile rationeller
Gestaltung nicht wie die Mehrheit nutzen kann. Eine dem Ausgleich dieser faktischen Benachteiligung die-
2
In der Praxis hat sich besonders das Rahmenübereinkommen als bedeutender Motor für die
Fortentwicklung des Minderheitenrechts in Europa erwiesen, dies v.a. aus drei Gründen:
1. Schutzgegenstand: Während sich die Sprachencharta auf den – für die meisten Minderheiten allerdings lebenswichtigen – Schutz von Sprachen beschränkt, handelt es sich beim
Rahmenübereinkommen um das erste multilaterale völkerrechtlich verbindliche Instrument, das ausdrücklich und eigens dem Schutz nationaler Minderheiten gewidmet ist. Damit kann das Rahmenübereinkommen einen weitaus umfassenderen Minderheitenschutz
gewährleisten als die Sprachencharta. Allerdings kommt der Sprachencharta eine wichtige
ergänzende Funktion insofern zu, als sie gerade im sprachlichen Bereich auf sehr differenzierte Weise Schutzvorkehrungen anbietet.
2. Reichweite: Der Geltungsbereich der Sprachencharta erstreckt sich bisher auf 17 der 46
Europarat-Mitgliedstaaten.6 Das Rahmenübereinkommen dagegen wurde bereits von 35
Europarat-Migliedstaaten ratifiziert und von sieben weiteren unterzeichnet.7 Mit diesem
innerhalb kurzer Zeit erreichten hohen Ratifikationsstand ist das Rahmenübereinkommen
zugleich zu einem der wichtigsten Menschenrechtsinstrumente des Europarates geworden.8
Bemerkenswert ist, dass von den großen europäischen Staaten nur das autoritär regierte
Weißrussland und die Europarat-Mitgliedstaaten Frankreich und Türkei das Rahmenübereinkommen nicht unterzeichnet haben.9
3. Überwachungsmechanismus: Vor dem Hintergrund der großen, europaweit fast flächendeckenden Reichweite des Rahmenübereinkommens kommt seinem Überwachungsmechanismus bei der Etablierung von Minderheitenrechten in den europäischen Staaten eine Pilotfunktion zu. Dabei sieht das Rahmenübereinkommen keine einklagbaren Individualrechte vor, sondern verpflichtet in Art. 26 die Vertragsstaaten lediglich, dem EuroparatGeneralsekretär zunächst ein Jahr nach Inkraftsetzung des Rahmenübereinkommens und in
der Folge alle fünf Jahre über die Forschritte bei dessen Umsetzung Bericht zu erstatten.
Auf der Grundlage dieser Berichte gibt schließlich das Ministerkomitee Empfehlungen ab.
Bei seiner Tätigkeit wird das Ministerkomitee von einem aus unabhängigen Experten bestehenden, 18köpfigen sog. Beratenden Ausschuss unterstützt.10 Die erste fünfjährige
Überwachungsperiode ist in diesem Jahr abgelaufen, und auch hier lässt sich alles in allem
eine überraschend positive Zwischenbilanz ziehen:
Fast alle Vertragsstaaten haben ihre Berichtsverpflichtung sehr ernst genommen und sind
dieser – wenn auch teils mit großer Verspätung – nachgekommen. Bei der Überwachungstätigkeit hat v.a. der Beratende Ausschuss eine sehr aktive Rolle übernommen, indem er
6
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nende tatsächliche Gleichstellung mit der Mehrheit wird daher für notwendig erachtet; gezielte, dieser
Gleichstellung dienende Fördermaßnahmen gelten auch nicht als Diskriminierung.
Armenien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Kroatien, Liechtenstein, Niederlande, Norwegen, Österreich,
Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Zypern. Dreizehn weitere Saaten haben die Charta zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert (Stand 19.10.2004).
Unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben Belgien, Georgien, Griechenland, Island, Lettland, Luxemburg und die Niederlande (Stand 19.10.2004).
Vgl. Rainer Hofmann (2004): Zur Überwachung der Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz
nationaler Minderheiten – Eine Bilanz nach fünf Jahren, in Europa Ethnica 1-2 (2004), S. 3
Weitere Nichtunterzeichner sind Andorra sowie Monaco, das erst kürzlich Mitglied des Europarates geworden ist.
Entsprechend der einschlägigen Resolution (97)10 des Ministerkomitees werden die Mitglieder des Beratenden Ausschusses von den Vertragsstaaten nominiert und vom Ministerkomitee gewählt. Damit alle Vertragsstaaten nach und nach mit ihren Kandidaten zum Zuge kommen, wird der Ausschuss regelmäßig nach dem
Rotationsprinzip – und jeweils in Teilen – neu besetzt. Zum Ganzen siehe Hofmann 2004, S. 3 f.
3
- die von ihm abzufassenden Stellungnahmen zu den Staatsberichten nutzte, um den teils
vagen Begriffen des Rahmenübereinkommens „Konturen und Strukturen“ zu geben,
- den Mitgliedstaaten regelmäßig Besuche abstattete, um sich vor Ort und im Gespräch
auch mit Minderheitenvertretern und NGOs ein Bild von den etwa ergriffenen Umsetzungsmaßnahmen zu machen.11
Das Berichtssystem für das Rahmenübereinkommen reicht damit deutlich über die im
Rahmen solcher Berichtssysteme bisher übliche Praxis hinaus. Es scheint gelungen, das
„Prinzip des kontinuierlichen und konstruktiven Dialogs“ zwischen Europarat, Vertragsstaaten und auch Minderheiten bzw. NGOs fest zu etablieren. 12 Dies kann zugleich einen
weiteren Schritt hin zur Verwirklichung einer „nationalen Partnerschaft“ zwischen Mehrheit und Minderheiten bedeuten, wobei der Europarat als Katalysator fungiert.
2. Volksgruppenschutz durch Autonomie?
Ein Thema, das in der völkerrechtlichen Diskussion bisher weitgehend ausgeklammert war,
ist der Volksgruppenschutz durch Autonomie. So ist Autonomie aus der Sicht mancher Staaten immer noch ein Tabuthema, das Furcht vor sezessionistischen Bestrebungen begründet dies obwohl einige Staaten schon längst und mit Erfolg Systeme der inneren Selbstbestimmung für ihre Minderheiten eingeführt haben.13
Woher rührt der Erfolg des Konzepts Autonomie für Minderheiten? Rechtzeitig gewährt und
eingebettet in ein System demokratischer Rechtsstaatlichkeit kann Autonomie die Nachteile
ausgleichen, die sich für Minderheiten aufgrund ihrer Kleinheit aus einer strikt schematischen
Anwendung des demokratischen Mehrheitsprinzips ergeben würden. Sie gewährleistet, dass
sich Minderheiten im demokratischen Wettbewerb bezüglich ihrer „ureigenen“, d.h. von der
Mehrheit gerade unterscheidenden Belange durchsetzen können. Daraus ergeben sich vielfältige Vorteile:
- Aus demokratischer Sicht wird der Grundregel entsprochen, dass jeder einzelne so weit
wie möglich am demokratischen Entscheidungsprozess beteiligt werden sollte.
- Aus der Sicht des einzelnen Minderheitsangehörigen sind zudem die Ausgangsbedingungen seiner Menschenrechtsausübung, insbesondere der Entfaltung seiner Persönlichkeit
und Wahrung seiner sprachlich-kulturellen Identität, entscheidend verbessert.
- Damit ist zugleich eine wesentliche Voraussetzung für den Fortbestand der betreffenden
Minderheit als solche geschaffen.
- Aus praktisch-wirtschaftlicher Sicht entspricht Autonomie dem Subsidiaritätsgedanken,
wonach regionale Fragen grundsätzlich besser vor Ort als zentral beurteilt und geregelt
werden können.
- Aus der Sicht der einzelnen Staaten bedeutet Autonomie als „innere“ Selbstbestimmung
eine Form des Minderheitenschutzes, welche ihre Souveränität und territoriale Integrität
unangetastet lässt. Zugleich kann so eine „nationale Partnerschaft“ im Sinne eines friedlichen und weitgehend gleichberechtigten Miteinander von Mehrheiten und Minderheiten
verwirklicht werden
11
12
13
Hofmann 2004, S. 15.
Hierzu tragen auch die neu eingerichteten sog. follow-up-Seminare entscheidend bei. Zum Ganzen siehe
Hofmann 2004, S. 15.
Vgl. die Territorialautonomien in Finnland für die Ålandinseln (seit 1920), in Dänemark für die Färöer (seit
1948) und Grönland (seit 1978), in Italien für Südtirol (seit 1972) und Aosta (1948) oder in Spanien für Katalonien, Galicien und das Baskenland (jeweils seit 1978) sowie die föderal eingebetteten Autonomien der
Sprachgemeinschaften Belgiens und der Schweiz. Seit 1989/90 wurden außerdem vielversprechende Konzepte der Kulturautonomie eingeführt, dies v.a. für die Minderheiten Ungarns, darüber hinaus für die Italiener
und Ungarn in Slowenien.
4
- Aus internationaler Sicht ist durch diese Partnerschaft die Gefahr der Verschiebung von
Staatsgrenzen und das damit verbundene Sicherheitsrisiko entscheidend herabgesetzt.
Vor diesem Hintergrund wurden von Seiten der Minderheiten Europas vielfach Forderungen
bzw. Wünsche nach der Verabschiedung einer Autonomiekonvention im Rahmen des Europarats geäußert.14 Diese Forderungen sind bisher ungehört verhallt. Auch hier deutet sich jedoch
eine Wende an: Auf der Grundlage eines Berichts des Schweizerischen Abgeordneten Andreas Gross hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats mit der Resolution 1334
(2003) und der Empfehlung 1609 (2003) vom 24. Juni 2003 erstmals das Instrument der Autonomie als wirksames Mittel
- der Konfliktentschärfung bzw. –lösung innerhalb von Staaten und
- des Schutzes von Minderheiten
anerkannt, da es Letzteren die Erhaltung ihrer kulturellen Identität ermöglicht, ohne dadurch
die Souveränität und territoriale Integrität der betreffenden Staaten zu beeinträchtigen. Berichterstatter Andreas Gross hatte die positiven Autonomie-Erfahrungen auf den Åland-Inseln
(Finnland), in Südtirol (Italien) und auf den Färöern (Dänemark) eingehend behandelt und auf
dieser Grundlage Mindeststandards und Mindestregeln für eine funktionierende Autonomie
formuliert. Diese Standards und Regeln wurden von der Parlamentarischen Versammlung
gutgeheißen. Entsprechend wird dem Ministerkomitee in Empfehlung 1609 (2003) nahegelegt, nach den genannten Regeln und unter Berücksichtigung einschlägiger Erfahrungen in
den Mitgliedstaaten eine Konvention im Bereich der regionalen und kulturellen Autonomie zu
entwerfen, welche auf den im Europarat-Entwurf für eine Europäische Charta der Regionalen
Selbstverwaltung enthaltenen Prinzipien beruht.15
3. Volksgruppenschutz durch Schutzstaatverhältnisse16
Es ist ein relativ neues Phänomen im Bereich des Minderheitenschutzes, dass immer mehr
Staaten dazu übergehen, ihre Verantwortung für konnationale Minderheiten außerhalb der
eigenen Staatsgrenzen verfassungsrechtlich festzuschreiben. Begonnen hat diese Entwicklung
in Ungarn 1989, es folgten Rumänien, Slowenien, Mazedonien und Kroatien 1991, die Ukraine 1996, Polen 1997 und die Slowakei 2001. Damit umfasst diese neue Entwicklung bereits
einen namhaften Teil der Staaten Europas.
Ebenfalls seit den 1990er Jahren wurden wieder vermehrt bilaterale völkerrechtliche Verträge
abgeschlossen, die – unter anderem – den Schutz der jeweils konnationalen Minderheiten zum
Gegenstand hatten. So hat z.B. Deutschland, um seine Grenzen zu sichern und den Schutz der
deutschen Minderheiten zu gewährleisten, Verträge über freundschaftliche Zusammenarbeit
und Partnerschaft mit Polen, Bulgarien (1991), Ungarn und Rumänien (1992) abgeschlossen.
Ungarn hat ähnliche Verträge mit seinen Nachbarstaaten Ukraine (1991), Kroatien und Slowenien (1992) abgeschlossen.
Die Europäische Union hielt solche bilateralen Verträge für ein wirksames Mittel, um Stabilität in Mittel- und Osteuropa zu erreichen. So kam es auf Initiative des damaligen französischen Ministerpräsidenten Édouard Balladur 1993 zum Stabilitätspakt für Europa, der u.a.
14
15
16
Vgl. hierzu den von der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen 1995 eingebrachten Diskussions-Entwurf einer Sonder-Konvention über „Autonomierechte der Volksgruppen in Europa“, abgedruckt bei
Felix Ermacora / Christoph Pan (1995): Volksgruppenschutz in Europa, Ethnos Band 46, Braumüller Wien.
Zum Ganzen siehe Beate Sibylle Pfeil (2003): Bedeutende neuere Entwicklungen bei Europarat und EU im
Bereich des Minderheitenschutzes, in Europa Ethnica 3-4 (2003), S. 128.
Zum Ganzen siehe Christoph Pan (2003): Minderheitenschutz in Europa und in der EU: Theorie und Praxis,
in Europa Ethnica 1-2 (2003), S. 3 ff.
5
durch „Förderung gutnachbarschaftlicher Beziehungen unter Einschluss der Grenz- und Minderheitenfragen“ Stabilität in Mittel- und Osteuropa anstrebte. Der Pakt, der von 52 Staaten
unterzeichnet und 1995 verabschiedet wurde, betraf vor allem jene Staaten, die ihr Interesse
an einem EU-Beitritt bekundet hatten. Etwa hundert neue oder bereits existierende Verträge
zur bilateralen und regionalen Zusammenarbeit unter anderem in Minderheitenfragen wurden
in den Pakt mit eingeschlossen.
Zusätzlich zu den bilateralen Abkommen und den Normen ihrer innerstaatlichen Umsetzung
haben einige europäische Staaten spezielle Gesetze erlassen, durch welche sie die Angehörigen ihrer konnationalen Minderheiten mit Sonderrechten ausstatten, so z.B. Österreich (1979),
Slowenien (1996), die Slowakei (1997), Griechenland (1998), Rumänien (1998), Bulgarien
(2000), Italien und Ungarn (2001).
Diese neuen völkerrechtlichen Entwicklungen können wie folgt zusammengefasst werden:17
1. Die im Rahmen des Paktes für Stabilität entstandenen rund 100 bilateralen Verträge u.a.
zum Minderheitenschutz haben den Vertragsstaaten den Status eines Schutzstaates verschafft.
2. Die betreffenden Minderheiten verfügen als Schutzminderheiten über ein doppeltes
Rechtsverhältnis, nämlich über jenes zum Wohnsitzstaat, dessen Staatsbürgerschaft sie
besitzen, und über jenes zum Schutzstaat, mit dessen Titularnation (Mehrheitsbevölkerung) sie ihre sprachliche, kulturelle oder ethnische Identität teilen.
3. Die primäre Zuständigkeit für den Minderheitenschutz verbleibt bei den Wohnsitzstaaten,
die sekundäre liegt bei den Schutzstaaten.
4. Die Schutzstaaten spielen für den Schutz und die Erhaltung ihrer Schutzminderheiten eine
wichtige Rolle, indem sie zu gewährleisten trachten, dass die sprachlichen und kulturellen
Bindungen zu ihnen gefestigt bleiben. Auf diese Weise tragen sie zur Erhaltung der kulturellen Vielfalt bei, die den Reichtum Europas bedeutet. 18
5. Die meisten europäischen Staaten sind dem Minderheitenschutz doppelt verpflichtet,
nämlich als Wohnsitzstaaten und als Schutzstaaten.
6. Wohnsitzstaaten und Schutzstaaten haben am Minderheitenschutz ein unterschiedliches
Interesse: Während bei den Wohnsitzstaaten die Gleichbehandlung und (gesellschaftliche) Integration der Minderheiten im Vordergrund stehen, sind die Schutzstaaten vor allem um ein hohes Niveau des Minderheitenschutzes bemüht.19
7. Beide Interessen sind berechtigt und legitim, bedürfen jedoch eines Ausgleichs. Die primäre und die sekundäre Zuständigkeit für den Minderheitenschutz stehen in einem komplementären Verhältnis zueinander und bedingen sich gegenseitig: die Schutzfunktion des
Wohnsitzstaates wird durch die Förderfunktion des Schutzstaates ergänzt und aufgewertet
und umgekehrt. Nicht „entweder – oder“, sondern „sowohl als auch“ lautet die Devise.
Es besteht kein Zweifel, dass die von Schutzstaaten getroffenen Maßnahmen zu Gunsten der
Angehörigen ihrer Schutzminderheiten sehr sensible Punkte berühren, denn sie haben
- Wirkungen auf Ausländer entweder auf dem Territorium des Schutzstaates20 oder sie erzeugen sogar Wirkungen außerhalb der Staatsgrenzen21, und
17
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19
20
21
Vgl.Venediger Kommission (2001): Report on the preferential treatment of national minorities by their kinState, adopted by the Venice Commission at its 48th Plenary Meeting, Venice, 19-20 October 2001. CDL-INF
(2001)19. Strasbourg: 22. October 2001, in: Europa Ethnica. 3-4/2002, S.145-165.
Venediger Kommission 2001: S. 164.
Dies geht aus den entsprechenden bilateralen Verträgen hervor (Venediger Kommission 2001, S. 150).
Z.B. Vergünstigungen hinsichtlich Bildung und Kultur, Soziale Sicherheit und Gesundheit, Reisekostenermäßigung, Arbeitserlaubnis, Befreiung von der Visapflicht, Aufenthaltserlaubnis, Eigentumserwerb, Erwerb
der Staatsbürgerschaft usw. (Venediger Kommission 2001: S. 156 f.).
Vgl. Venediger Kommission 2001: S. 157.
6
- sie bestehen in einer „Vorzugsbehandlung“ von ausländischen Staatsbürgern mit bestimmtem ethnischem Hintergrund innerhalb oder außerhalb der eigenen Staatsgrenzen, sie bewirken also eine unterschiedliche Behandlung, die zu einer Diskriminierung aus ethnischen
Gründen führen könnte.
Während aber die Verpflichtung der Wohnsitzstaaten zur Ausübung der primären Zuständigkeit des Minderheitenschutzes völkerrechtlich weitgehend geregelt ist,22 beruht die Wahrnehmung der sekundären Zuständigkeit für den Minderheitenschutz durch die Schutzstaaten
zum Teil auf Völkervertragsrecht, zum Teil auf Völkergewohnheitsrecht. Hinsichtlich der
Vereinbarkeit einseitiger staatlicher Maßnahmen der Vorzugsbehandlung von Angehörigen
einer Schutzminderheit mit dem Völkerrecht, vor allem mit den Grundsätzen
- der territorialen Souveränität von Staaten
- pacta sunt servanda,
- der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten und
- der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, insbesondere des Diskriminierungsverbots
hat die Venediger Kommission beim Europarat in ihrem einschlägigen Bericht vom 22. Oktober 2001 bestimmte Grundregeln entwickelt, die mittlerweile auch die weitestgehende Zustimmung des Rechtsausschusses und des Politischen Ausschusses der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates gefunden haben. Zu diesen Grundregeln zählen die folgenden:23
1.
Ein Staat kann für ausländische Staatsbürger Maßnahmen setzen, sofern diese Maßnahmen ihre Wirkung
innerhalb der eigenen Staatsgrenzen entfalten.
2. Wenn solche Maßnahmen ihre Wirkung auf ausländische Bürger im Ausland entfalten in Bereichen, die
nicht durch Verträge oder Völkergewohnheitsrecht so weit abgedeckt sind, dass der Schutzstaat das Einverständnis des Wohnsitzstaates voraussetzen kann, dann ist ein solches Einverständnis einzuholen, bevor die betreffende Maßnahme umgesetzt wird. 24
3. Eine Vorzugsbehandlung der Angehörigen von Schutzminderheiten ist in den Bereichen Bildung und
Kultur zulässig, sofern diese den legitimen Zweck der Festigung der kulturellen Bindungen verfolgt und
verhältnismäßig ist.
4. Eine Vorzugsbehandlung in anderen Bereichen wie Kultur und Bildung ist nur in Ausnahmefällen zulässig, falls diese einen legitimen Zweck verfolgt und verhältnismäßig ist.
Im Ergebnis hat die Venediger Kommission durch ihren Bericht wesentlich dazu beigetragen,
in einem sehr komplexen völkerrechtlichen Bereich Rechtsklarheit zu schaffen. Beleuchtet
man diese Regeln allerdings aus der praktischen Perspektive, nämlich unter Zugrundelegung
der langfristigen und guten einschlägigen Erfahrungen zwischen Österreich und Italien (Fall
Südtirol), zwischen Deutschland und Dänemark sowie zwischen Schweden und Finnland, so
könnten sich für manche Fälle gewisse Zweifel an der Praktikabilität der genannten Regeln
ergeben. Sie sind nämlich zweischneidig: bei gutem Willen ausreichend, bei fehlendem guten
Willen können sie hingegen das Gegenteil bewirken. Um diese Ambivalenz zu reduzieren,
müsste darauf geachtet werden,
- dass der legitime Zweck der sekundären Zuständigkeit für den Minderheitenschutz von der
Festigung der kulturellen Bindungen der Schutzminderheit zur Titularnation des Schutzstaates auszuweiten ist auf das erklärte Ziel eines jeden Minderheitenschutzes in Europa,
22
Durch internationale Schutzinstrumente und bilaterale Schutzverträge im Rahmen des Stabilitätspaktes.
Venediger Kommission 2001, S. 145 ff., 164 f.
24
Auch für Sachgebiete, welche in bilateralen Verträgen nachweislich ausgenommen wurden, soll bei einseitigen Maßnahmen zur Vorzugsbehandlung von Schutzminderheiten die ausdrückliche oder stillschweigende,
aber unzweideutige Zustimmung des Wohnsitzstaates erforderlich sein. Im Fall gegensätzlicher Meinungen
bei der Umsetzung oder Interpretation solcher Verträge sind außerdem alle bestehenden Verfahren zur Streitbeilegung nach Treu und Glauben zu nutzen, und nur dann, wenn diese Möglichkeit ausgeschöpft und ergebnislos geblieben ist, können einseitige Maßnahmen vom Schutzstaat ergriffen werden.
23
7
nämlich auf die Erhaltung und Entfaltung der sprachlichen, kulturellen oder ethnischen
Identität der Minderheiten ganz allgemein;25
- dass daher die sekundäre Zuständigkeit nicht ausschließlich auf den Bereich Bildung und
Kultur eingeschränkt sein darf, sondern alle Bereiche umfassen muss, welche für den legitimen Zweck von Bedeutung sind;26
- dass die Vorzugsbehandlung von Angehörigen einer Minderheit, wenn sie dem legitimen
Zweck dient, keinen Akt der Diskriminierung darstellt (Grundsatz der positiven Diskriminierung).
II. Volksgruppenschutz auf innerstaatlicher Ebene
Nicht zuletzt aufgrund der insgesamt günstigen völkerrechtlichen Rahmenbedingungen haben
viele europäische Staaten gerade auch seit den 1990er Jahren begonnen, den Schutz und die
Förderung der auf ihrem Gebiet lebenden nationalen Minderheiten zum Gegenstand ihrer Gesetzgebung zu machen. Dies legt die Frage nahe, wie weit die diesbezügliche Entwicklung
fortgeschritten ist. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es zunächst eines einheitlichen Prüfungsmaßstabes, für welchen sich die wichtigsten bzw. national und international am häufigsten diskutierten Minderheitenrechte heranziehen lassen. Diese können systematisch in allgemeine und besondere Grundrechte unterteilt werden: 27
1. Zu den allgemeinen Grundrechten zählen vor allem die Rechte
- auf Identität,
- auf Gleichheit vor dem Gesetz und Nichtdiskriminierung und
- auf Chancengleichheit.
2. Die neun besonderen Grundrechten umfassen die Rechte
- auf Gebrauch der Muttersprache, und zwar im privaten und amtlichen Verkehr, bei Personennamen und bei topographischen Bezeichnungen
- auf Unterricht der bzw. in der Muttersprache
- auf eigene Organisationen
- auf ungehinderte Kontakte
- auf Information
- auf politische Vertretung
- auf Autonomie
- auf Mitbestimmung sowie
- auf minderheitenspezifischen Rechtsschutz
Mit diesem groben Raster lässt sich eine relative aussagekräftige vergleichende Gesamtschau
erstellen, welche angesichts der derzeit herrschenden Dynamik natürlich nur als eine Art
Momentaufnahme verstanden werden. Welches Bild ergibt sich aber daraus?
25
26
27
Im Pariser Vertrag zwischen Österreich und Italien wird neben dem Schutz der ethnischen Eigenart auch die
Gewährleistung der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der deutschen Sprachgruppe als Vertragszweck genannt (Art.1 des Pariser Vertrags vom 5. September 1946).
Vgl. Art. 4 Abs. 2 Rahmenübereinkommen: „...in allen Bereichen des wirtschaftlichen, sozialen, politischen
und kulturellen Lebens“.
Die folgenden Rechte sind am sog. Bozner Entwurf orientiert, welcher erstmals 1994 von der Minderheitenseite in die europäische Minderheitenschutz-Debatte eingebracht wurde (Ermacora / Pan 1995). Ein großer
Teil dieser Rechte sind in das Rahmenübereinkommen und die Sprachencharta eingeflossen, eine Ausnahme
bilden v.a. die Gruppenrechte wie das Recht auf Autonomie und der minderheitenspezifische Rechtsschutz.
8
Zum Verwirklichungsstand der Minderheitenrechte in Europa:28
1. Mit Werten zwischen 70% und 85% am weitestgehenden verwirklicht sind die Rechte auf
Gleichheit, Nichtdiskriminierung und Identität. Dies mag insofern wenig überraschen, als
es sich hier um allgemeine und zugleich besonders minderheitenrelevante Menschenrechte
handelt, die im demokratischen Rechtsstaat selbstverständlich geschützt sind.
2. In der zweiten Gruppe mit einem Verwirklichungsstand von um die 50% finden sich die
sprachspezifischen Minderheitenrechte, deren Verwirklichung mit einem gewissen finanziellen und / oder institutionellen Aufwand verbunden ist. Zu diesen Rechten zählen u.a.
das Recht auf Gebrauch der Muttersprache im amtlichen Verkehr und bei der Ortsnamengebung, im Unterricht und in den Medien.
3. Die Verwirklichung von kollektiven Rechten wie solchen auf Mitbestimmung und Autonomie, auf allgemeine Chancengleichheit oder spezifischen Rechtsschutz ist zwar in einigen Staaten relativ vorbildlich geglückt. Auf gesamteuropäischer Ebene steckt sie aber mit
Werten zwischen etwa 17% und 33% noch deutlich in den Kinderschuhen.
Zur Rangliste der Staaten Europas im Bereich des Minderheitenschutzes:29
1. Über die Hälfte der Staaten Europas erfüllt zwischen 50% und 75% des hier zugrundegelegten Solls, wobei ein Spitzenwert bei 85% liegt. Ein weiteres Drittel der Staaten erreicht
immerhin noch 33% und mehr.
2. Dem entspricht, dass Staaten, die das Phänomen „Minderheiten“ als solches oder die Existenz von Minderheiten auf ihrem Gebiet grundsätzlich in Frage stellen und damit deren
Recht auf Identität leugnen, in Europa mittlerweile die Ausnahme bilden. 30 Dies zeigt sich
konkret schon darin, dass in allen übrigen Staaten eine entsprechende, meist offizielle Begrifflichkeit existiert. Was die definitorischen Merkmale des Minderheitenbegriffs betrifft,
so stellt die überwiegende Mehrheit der Staaten auf die Autochthonie der betreffenden ethnischen Gemeinschaften, zumindest aber auf die Staatsangehörigkeit ihrer Angehörigen ab
- sei es ausdrücklich oder zumindest faktisch. Dies ist um so bemerkenswerter, als das neueste und vielleicht inzwischen wichtigste einschlägige Völkerrechtsinstrument, das Europarat - Rahmenübereinkommen, selbst keine Minderheitendefinition enthält.
3. Die Rangliste der Staaten lässt zwar noch ein gewisses Ost-West-Gefälle erkennen, dieses
weist jedoch keine krasse Zäsur, sondern fließende Übergänge auf. Hinzu kommt, dass
nicht wenige mittel- und osteuropäische Staaten inzwischen mit westeuropäischen gleichziehen31 oder diese sogar – wie vor allem Ungarn – überholt haben, während sich umgekehrt unter den Schlusslichtern auch west- und südeuropäische Staaten befinden.32 Es kann
damit im positiven Sinn von einer deutlichen Ost-West-Annäherung gesprochen werden.
28
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30
31
32
Vgl. Christoph Pan / Beate Sibylle Pfeil (2002): Minderheitenrechte in Europa. Handbuch der europäischen
Volksgruppen Band 2, Ethnos Band 62, Braumüller Wien, S. 10 ff.
Vgl. Christoph Pan / Beate Sibylle Pfeil (2002), S. 10 ff. Zugrundegelegt sind die 36 großen, d.h. über eine
Million Einwohner zählenden Staaten Europas.
Zu diesen Staaten zählen Bulgarien, Griechenland, Frankreich und die Türkei, wobei gerade in der Türkei in
letzter Zeit immerhin vorsichtige Ansätze zu einer gewissen Trendwende erkennbar sind.
So v.a. Litauen, Slowenien und Kroatien.
Portugal, Frankreich, Griechenland und Türkei.
9
III. Zusammenfassung und Ausblick
Alles in allem ist sowohl auf völkerrechtlicher als auch auf innerstaatlicher Ebene eine vielversprechende Entwicklung in Gang gekommen. Unter welchen Bedingungen kann diese anhalten? Sicher ist, dass die Einführung oder Stärkung von Minderheitenrechten längerfristig
nur dann die Gewähr für einen effektiven Minderheitenschutz bietet, wenn diese zugleich als
Teil einer umfassenden Werteordnung begriffen und gelebt werden. Hierfür bedarf es u.a.
1. der Erfüllung demokratischer und rechtsstaatlicher Standards. Hier stehen alle europäischen Staaten gleichermaßen in der Pflicht: den erprobteren Demokratien obliegt es, das in
der Vergangenheit Erarbeitete konsequent zu pflegen und zu bewahren, die jüngeren Demokratien stehen vor der schwierigen Aufgabe, ihre neuen freiheitlichen Verfassungen mit
Leben zu erfüllen. In meisten Staaten Mittel- und Osteuropas ist diesbezüglich eine positive Dynamik erkennbar, problematische Ausnahmen bilden unter anderem die weitgehend
autokratisch regierten Staaten Weißrussland und Ukraine.
2. Unabdingbar ist auch die Aufarbeitung und Klärung vorhandener historisch bedingter Belastungen des Zusammenlebens verschiedener ethnischer Gemeinschaften.33 Zugleich ist
zu verhindern, dass altes Unrecht mit neuem vergolten wird. Beide Prinzipien sind Kehrseiten ein und derselben Medaille.
3. Schließlich ist ein einfaches, strikt schematisches „Überstülpen“ von Minderheitenrechten
zu vermeiden. Statt dessen bedarf es differenzierter Lösungen, welche vor allem den historischen und gesellschaftlichen Kontext des betreffenden Staates oder Gebietes berücksichtigen - und für welche das moderne Minderheitenrecht Europas ein ausreichend flexibles
Instrumentarium bietet.
Ungelöste Minderheiten- bzw. Nationalitätenfragen haben im vergangenen Jahrhundert zum
Ausbruch zweier Weltkriege und zahlloser weiterer Kriege beigetragen. Gegenwärtig beruhen
etwa 70% der in Europa latent oder offen ausgetragenen Konflikte auf ethnisch bedingten
Interessengegensätzen.34 Ein friedliches und geeintes Europa ist daher nicht nur auf die Errungenschaften von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, sondern auch auf effektive Vorkehrungen des Minderheitenschutzes im Sinne eines partnerschaftlichen, gleichberechtigten Miteinander von Mehrheiten und Minderheiten unbedingt angewiesen. Nur so kann das bestehende Konfliktpotential entschärft, nur so kann die ererbte Vielfalt Europas35 ihre bereichernde Wirkung voll entfalten. Die Chancen für eine europaweite Verwirklichung dieser Idee stehen jetzt, zu Beginn des neuen Jahrhunderts, vielleicht so gut wie noch nie.
33
34
35
Solche Belastungen reichen z.B. von der Fortgeltung der sog. Beneš-Dekrete, welche 1945/46 als Reaktion
auf die Nazi-Kriegsverbrechen zum Zweck der Entrechtung, Enteignung und Vertreibung der Deutschen und
Ungarn in der Tschechoslowakei erlassen worden waren, bis hin zu den schweren Balkan-Kriegsverbrechen.
Vgl. das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung am Institut für Politische Wissenschaft
der Universität Heidelberg (2002): Konfliktbarometer 2002. 11. Jährliche Konfliktanalyse, S. 8 – 12.
Allein innerhalb der Europäischen Union leben derzeit insgesamt 73 traditionelle Minderheiten, mit der Erweiterung 2004 wird sich diese Zahl um weitere 83 auf 156 verdoppeln. Etwa jeder zwölfte EU-Bürger ist
Angehöriger einer Minderheit.
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