Datum: Freitag, 01.04.2016

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12. Tagung der Österreichischen Gesellschaft für Psychologie
Datum: Freitag, 01.04.2016
8:30 - 9:00
Foyer
9:00 - 10:30
Mehrzweckraum
R2: Registrierung (08.30 - 12.00)
SY 1-01: Symposium 1-01
Studien und Forschungsergebnisse zu Persönlichkeitspathologie im Kindes- und
Jugendalter
Chair(s): Kathrin Sevecke (Medizinische Universität Innsbruck)
In diesem Symposium werden Einblicke in erste Studienergebnisse und Forschungsbereiche an der
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Innsbruck gegeben.
Neben den Themen der Diagnostizierbarkeit von Persönlichkeitsstörungen im Kindes- und Jugendalter,
der schwierigen Abgrenzung einer Adoleszentenkrise von Persönlichkeitsstörung, und der veränderten
Diagnostik mit der Einführung des DSM-5, sollen weitere Dimensionen aufgegriffen werden die wir als
zentral sowohl für die Ätiologie, Persistenz, als auch für die Therapie von Kindern und Jugendlichen
erachten. In einer vorgestellten Kasuistik werden Bindungsaspekte im Fokus stehen. Eine Langzeitstudie
weist das Strukturniveau nach der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik als guten Prädiktor
von Persönlichkeitsstörungen im Erwachsenalter aus. Zudem werden Zusammenhänge von
pathologischem Mediengebrauch und weiteren Störungsvariablen und Suizidalität im Kindes- und
Jugendalter thematisiert und anhand empirischer Daten diskutiert.
Beiträge des Symposiums
Lassen sich schwere psychische Störungen mittels des Strukturniveaus im
Jugendalter (OPD-KJ) vorhersagen? Ergebnisse einer Langzeitstudie.
Astrid Bock1, Eva Huber2, Elke Wieser3, Maria Steinmayr-Gensluckner3, Cord Benecke4
1
Medizinische Universität Innsbruck, 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 3Tirol Kliniken,
Innsbruck, 4Institut für Psychologie, Universität Kassel
Ziel dieser nun abgeschlossenen Langzeitstudie war es, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung
psychischer Störungen zentralen Dimensionen und deren Zusammenhang mit der Entwicklung und
Persistenz psychischer Störungen näher zu untersuchen. Zu T1 (im Jahr 2007-2009) wurden mit 60
Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren (PatientInnen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie
und unauffällige KontrollprobandInnen) u.a. Interviews zur Operationalisierten Psychodynamischen
Diagnostik des Kindes- und Jugendalters (OPD-KJ) durchgeführt und der Integrationsgrad der
psychischen Struktur bestimmt (vgl. Benecke et al. 2011). Die zweite Erhebung zu T2 ist nun, sieben
Jahre später, abgeschlossen. Dreiundvierzig ProbandInnen wurden nun im frühen Erwachsenenalter
(MW = 21,31; SD = 1,27) ausführlich nach DSM-IV (SKID I und II) diagnostiziert. Es konnte gezeigt
werden, dass sich die Anzahl der erfüllten Kriterien einer Persönlichkeitsstörung im frühen
Erwachsenenalter durch das Strukturniveaus im Jugendalter vorhersagen lassen. Daraus ableitbare
Implikationen werden diskutiert.
Persönlichkeitskrise, Persönlichkeitsstörung oder dauerhafte psychische Erkrankung
im Jugendalter? – was wissen wir dazu?
Kathrin Sevecke
Medizinische Universität Innsbruck
Die Adoleszenz als eine Zeit der biopsychosozialen Umstrukturierung geht zum einen mit der Entwicklung
neuer Fähigkeiten einher, zum anderen kommt es zum Verlust des bisherigen inneren und äußeren
Gleichgewichts. Persönlichkeitspathologie ist nach den Erkenntnissen klinischer Forschung bereits im
Jugendalter diagnostizierbar. Das neue Hybridmodell nach DSM-5 ermöglicht eine differenzierte
Erhebung von Persönlichkeitsmerkmalen und Einschränkungen in der psychischen Funktion und stützt
damit die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung bereits im Jugendalter.
In diesem Beitrag werden einerseits Studienerkenntnisse sowie eigene empirische Daten aus der
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Innsbruck bezüglich Persönlichkeitspathologie und
Persönlichkeitsstörungen vorgestellt. Andererseits wird der Bedarf sowie die Notwendigkeit von
spezifischen Therapieformen formuliert, die auf die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen im
Jugendalter fokussieren und auf die besondere Lebenslage Adoleszenter eingehen.
Bindungsbezogene Aspekte bei einer Jugendlichen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung
Manuela Gander1, Kathrin Sevecke2
1
Medizinische Universität Innsbruck; Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 2Medizinische
Universität Innsbruck
Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter werden in der klinischen Praxis noch immer mit großer
Zurückhaltung diagnostiziert und entsprechend inadäquat behandelt. Gegenstand dieser Kasuistik ist die
Integration bindungsbezogener und mentalisierungsbasierter Aspekte in die Diagnostik und Behandlung
einer Jugendlichen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Kasuistisch wird ein 16-jähriges Mädchen
vorgestellt, welches zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme Symptome einer BorderlinePersönlichkeitsstörung aufwies sowie die Kriterien von mehreren Achse I Störungen erfüllte. Sie litt
insbesondere unter selbstverletzendem Verhalten sowie Ängsten, die ihren Lebensalltag deutlich
beeinträchtigten. Die Bindungsdiagnostik zeigte bei dieser Patientin ein ungelöstes Trauma, bei welchem
Themen wie Isolation, Hilflosigkeit sowie die Unverlässlichkeit der Bindungsfiguren vordergründig waren.
Diese bindungsbezogenen Aspekte spielten neben der intensiven Einbeziehung der Eltern eine
wesentliche Rolle für den therapeutischen Prozess. Es ist davon auszugehen, dass bereits im Jugendalter
die Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erfüllt und entsprechend behandelt werden müssen.
Weitere Untersuchungen und Fallberichte über spezifische Therapietechniken und den Verlauf des
Störungsbildes im Jugendalter wären wünschenswert.
Pathologischer Mediengebrauch bei stationären Patienten der Kinder- und
Jugendpsychiatrie: eine Pilotstudie
Martin Fuchs
Medizinische Universität Innsbruck
Ziel: Im Rahmen dieser laufenden Studie wird an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Innsbruck problematischer Mediengebrauch bei stationären PatientInnen erhoben. Methode: Zusätzlich
zur Routinediagnostik kommen die Fragebögen CIUS (Merkeerk, 2009) sowie OSV-S, und CSV-S
(Wölfling, 2009; Müller, 2012) zur Anwendung. Bisher konnten rund 70 Kinder und Jugendliche
eingeschlossen werden. Hypothesen: 1) Der Prozentsatz der von problematischem Mediengebrauch
betroffenen stationären PatientInnen unterscheidet sich von Kontrollstichproben aus der
Allgemeinbevölkerung wie z.B Schulstichproben. 2) Bestimmte Nutzungsmuster des Internetgebrauchs
korrelieren mit herkömmlichen kinder- und jugendpsychiatrischen Problemfeldern. Schlussfolgerung:
Vorläufige Resultate bestätigen unsere Hypothesen: erstens ist der Prozentsatz der stationären Patienten
mit problematischem Mediengebrauch deutlich höher als in vergleichbaren Normalstichproben. Zweitens
kann die nach spezifischen Nutzungsmustern aufgeschlüsselte Erhebung von problematischem Internetund Computerspielgebrauch bei Patienten der KJP wichtige Zusatzinformationen für die therapeutische
Arbeit liefern. Hinter problematischem Internet- und Computerspielgebrauch können virtuell re-inszenierte
„klassische“ Themen aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie erkannt werden.
Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen
Kanita Dervic
Medizinische Universität Innsbruck
Suizide unter Kindern und Jugendlichen nehmen weltweit zu. Einschätzung der Suizidalität im Kindesund Jugendalter stellt eine große Herausforderung im klinischen Alltag dar. Neben den epidemiologischen
Daten werden in diesem Beitrag psychiatrische, psychosoziale und umgebungsbedingte Risikofaktoren
für suizidales Verhalten im Kindes- und Jugendalter diskutiert. Ferner werden Einschätzung und
Management der Suizidalität im Kindes- und Jugendalter behandelt.
9:00 - 10:30
HS 2
SY 1-02: Symposium 1-02
Neuronale Korrelate von Bindungsrepräsentationen
Chair(s): Anna Buchheim (Institut für Psychologie, Universität Innsbruck)
Diskutant(en): Anna Buchheim (Institut für Psychologie, Universität Innsbruck)
Es ist zunehmend evident, dass Bindung auf biologischen Mechanismen beruht. Menschen verfügen über
ein „Bindungsverhaltenssystem“, das in Belastungs-, Trennungs- und Gefahrensituationen aktiviert wird.
Bei Erwachsenen ist durch die Analyse sprachlicher Äußerungen möglich, ihre Bindungsrepräsentation
(sicher, unsicher) valide zu erfassen, wenn bindungsrelevante Themen (z.B. Einsamkeit, Verlust,
Trennung) ihr Bindungssystem aktiviert. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von
Bildgebungsstudien durchgeführt. Meist wurden neuronale Korrelate vom mütterlichen Fürsorgesystem
oder sexuell-romantischem System untersucht.
In diesem Symposium werden fMRT-Studien zur Untersuchung des Bindungssystems bei Erwachsenen
mit dem Fokus auf Bindungsrepräsentationen vorgestellt. Die erste Studie befasst sich mit den
neuronalen Korrelaten von Bindung während des Sprechens zu bindungsrelevanten Bildern bei Patienten
mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung im Vergleich zu Gesunden. Die zweite Studie untersucht bei
Gesunden neuronale Korrelate beim Betrachten von bindungsrelevanten im Vergleich zu neutralen
Szenen. Die dritte Studie berichtet über neuronale Aktivierungen, wenn gesunde Personen mit
prototypischen Bindungsrepräsentationen auditiv konfrontiert werden.
Beiträge des Symposiums
Neuronale Korrelate von Bindungsdesorganisation während der Aktivierung des
Bindungssystems bei Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
Anna Buchheim1, Susanne Erk2, Henrik Walter2
1
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 2Charité - Universitätsmedizin Berlin
Hintergrund: Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) sind charakterisiert durch
Instabilität, affektive Dysregulation und „unverarbeitete Traumata“ in Bezug auf Bindungserfahrungen.
Ziel der fMRT-Studie war es die neuronalen Korrelate von Bindung bei BPS Patienten im Vergleich zu
Gesunden zu untersuchen.
Methode: Die Studie schloss 11 BPS Patientinnen und 17 Gesunde ein, die instruiert wurden im fMRTScanner zu den 7 Bildern des Adult Attachment Projective Picture Systems (George & West 2012) eine
Geschichte zu erzählen. Die Bilder wurden in einer festgelegten Reihenfolge jeweils 2 Minuten präsentiert,
um das Bindungssystem sukzessive zu aktivieren.
Ergebnisse und Diskussion: Patientinnen als auch Probandinnen mit der Klassifikation „unverarbeitetes
Trauma“ zeigten im Verlauf der Bindungsaufgabe eine erhöhte Amygdala-Aktivierung. Nur die gesunden
Probandinnen mit einer Klassifikation „unverarbeitetes Trauma“ zeigten eine Aktivierung im rechten
dorsolateralen präfrontalen Kortex und dem rostralen cingulären Kortex. Dies implizierte, dass die
Patientinnen im Gegensatz zu den Probandinnen keine kognitive Kontrolle zeigten, wenn ihr
Bindungssystem aktiviert ist.
Neuronale Korrelate bindungsrelevanter Szenen und soziale Kognition - Eine fMRTStudie
Karin Labek1, Roberto Viviani2, Elke Gizewski3, Anna Buchheim1
1
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck;
Universitätsklinikum Ulm, 3Medizinische Universität Innsbruck
Hintergrund: Bindung ist ein für die emotionale, kognitive und soziale Entwicklung grundlegendes
menschliches Bedürfnis. Ziel dieser Studie ist die Aktivierung spezifischer neuronaler Korrelate des
Bindungssystems (eigene Repräsentationen in Bezug auf Bindungserfahrungen) bei gesunden
ProbandInnen mittels fMRT zu erheben.
Methoden: n=25 gesunden ProbandInnen wurden 8 Bilder aus dem Adult Attachment Projective Picture
System (AAP, George & West 2012) mit 8 sorgfältig gematchten neutralen Kontrollbildern im fMRT
Scanner jeweils 15 Sekunden lang präsentiert.
Ergebnisse und Diskussion: Die Befunde zeigten bei den AAP-Bildern im Vergleich zu Kontrollbildern eine
stärkere Aktivierung im inferioren Parietallappen, linken anterioren temporal Pol, Precuneus, und
dorsomedialen präfrontalen Kortex, jedoch keinen Effekt in Arealen, die mit hochsalienten emotionalen
Stimuli assoziiert werden (Amygdala). Bei der Betrachtung bindungsrelevanter Szenen wurden selektiv
Gehirnareale aktiviert, die mit sozial vermitteltem Wissen assoziiert werden (soziale Kognition,
semantisches Gedächtnis). Übereinstimmend mit der Bindungstheorie sind diese Fähigkeiten
entscheidend, um in potentiell bedrohlichen Situationen die Nähe zur Bindungsperson zu gewährleisten.
Bindungscharakteristika modulieren Netzwerke bedeutend für soziale Vermeidung
Anna Linda Krause1, Viola Borchardt1, Meng Li1, Marie-José van Tol2, Liliana Ramona
Demenescu1, Bernhard Strauß3, Helmut Kirchmann3, Anna Buchheim4, Tobias Nolte5, Martin
Walter6
1
Clinical Affective Neuroimaging Laboratory, Magdeburg, 2University Medical Center Groningen,
3
Medizinische Universität Jena, 4Universität Innsbruck, 5Anna Freud Centre London, 6Department of
Psychiatry, Otto v. Guericke University
Hintergrund: Bindungsrepräsentationen haben einen Einfluss auf Emotionen, Handlungen und Gedanken
durch ein sog. „inneres Arbeitsmodell“.
Methoden: In einer 7Tesla Resting State-fMRT-Studie untersuchten wir bei n=23 gesunden Männern mit
funktionellen Konnektivität(FC)-Analysen den Einfluss von bindungstypischen Sprachcharakteristika auf
die Aktivierung kognitiv-emotionaler Schemata beim Zuhören von prototypischen Ausschnitten aus Adult
Attachment Interviews.
Ergebnisse
und
Diskussion:
Nach
auditiver
Präsentation
der
unsicher-distanzierten
Bindungsrepräsentation zeigte sich eine verstärkte FC in einem sog. ‚Sozialen-Vermeidungs-Netzwerk‘
(SVN), insbesondere zwischen dorsalem anterioren Cingulum (dACC) sowie dem linken anterioren
temporalen Gyrus. Zudem korrelierten ein vermeidender Bindungsstil und berichtete
Kindheitstraumatisierungen der Probanden mit einer erhöhten FC des dACC mit Regionen innerhalb des
SVN. Bindungsangst korrelierte mit einer erhöhten FC zwischen dACC und einer Region außerhalb SVN
(dorsolateraler Präfrontalkortex). Die FC von Hippocampus und unterem Parietalläppchen vor der
Präsentation korrelierte mit der subjektiv empfundenen Freundlichkeit der gehörten
Bindungsrepräsentationen. Diese Ergebnisse weisen auf neuronale Korrelate von Schemaaktivierungen
hin, ausgelöst durch Konfrontation mit Bindungsdistanzierung.
9:00 - 10:30
HS 3
SY 1-03: Symposium 1-03
Wie gehen wir mit Bedrohungen um? Neuronale Reaktionen und behaviorale
Konsequenzen (Teil 1)
Chair(s): Katja Corcoran (Universität Graz)
Diskutant(en): Claus Lamm (Universität Wien)
Alltägliche Bedrohungen, wie negatives Feedback, Ungerechtigkeiten oder Handlungseinschränkungen,
werden negativ erlebt, können lähmen und destruktive Reaktionen hervorrufen. Bedrohungen haben aber
ebenfalls das Potential, Menschen zu mobilisieren. In diesem Symposium werden unterschiedliche
Reaktionen auf bedrohliche Situationen betrachtet. Im ersten Teil fokussieren wir auf neuronale und basal
kognitive Reaktionen. Kedia untersucht neuronale Aktivierungsmuster im fMRT auf
selbstwertbedrohlichen Aufwärtsvergleiche. Sie findet bei Aufwärtsvergleiche im Kontrast zu
Abwärtsvergleichen eine verstärkte Aktivierung im Anterior Insula. Steindl, Jonas und Klackl betrachten
Reaktionen auf eine Einschränkung der Handlungsfreiheit. EEG Daten und behaviorale Messverfahren
sprechen für eine stärkere links- als rechtshemisphärische Aktivität, welches als Annäherungsmotivation
und Mobilisation interpretiert wird. Athenstaedt und Höfler untersuchen die Verarbeitung von negativen
und positiven Stimuli nach einem negativen Leistungsfeedback. Sowohl die Gehirnaktivitäten im fMRT als
auch die Reaktionszeiten in einer Aufmerksamkeitsaufgabe sprechen für eine Veränderung basaler
Aufmerksamkeitsprozesse nach einer Bedrohung. Diese drei Beiträge werden im Anschluss von Claus
Lamm kritisch diskutiert.
Beiträge des Symposiums
Threatening social comparisons
Gayanée Kedia1, Thomas Mussweiler2, Ruth Adam3, Anja Ischebeck1, David Linden4
1
Universität Graz, 2Universität zu Köln, 3Klinikum der Universität München, 4Cardiff University
When people need to evaluate themselves, they compare their characteristics with those of others. But
although social comparisons constitute an efficient self-evaluation mechanism, they can also represent a
threat to one’s self-image when the standard is better, especially if he/she is similar to oneself. In the
present research we investigated the neural correlates of these processes. We asked female participants
to compare their own attractiveness or the attractiveness of a female familiar other to a series of unknown
women whose pictures were displayed on the scanner projection screen. Results indicated that comparing
oneself to similar others and upward standards elicit activity in the anterior insula (AI). The AI is believed
to underlie the processing of remote potential threats (as compared to immediate ones), such as social
exclusion. Our research suggests that it also plays a role in threatening social comparisons.
Neuropsychologische Prozesse von Freiheitsbedrohungen
Christina Steindl, Eva Jonas, Johannes Klackl
Universität Salzburg
Werden unsere Handlungsfreiheiten bedroht, entsteht ein motivationaler Erregungszustand, genannt
psychologische Reaktanz. Dieser als unangenehm erlebte Zustand motiviert uns dazu, die verlorene oder
bedrohte Freiheit zurückzugewinnen. Bisherige Forschung untersuchte v.a. die Konsequenzen der
Reaktanz, wie z.B. die Abwertung der freiheitseinschränkenden Instanz. Woraus der Zustand der
Reaktanz jedoch genau besteht bzw. welche neuropsychologischen Prozesse in Gang gesetzt werden,
ist bisher noch weitgehend ungeklärt. Da Reaktanz Menschen mobilisiert und aktiviert, gegen die
Einschränkung anzukämpfen, nehmen wir an, dass Freiheitseinschränkungen Personen in einen
Annäherungszustand versetzen. Einen Indikator dafür stellt die relative hemisphärische Aktivität dar, die
mithilfe der Line Bisection Task und Elektroenzephalographie (EEG) gemessen werden kann. Mithilfe
dieser Methoden zeigen wir in drei Studien, dass ProbandInnen unmittelbar nach der
Freiheitseinschränkung eine stärkere links- als rechtshemisphärische Aktivität aufweisen, was auf eine
Annäherungsmotivation schließen lässt. Dieses Ergebnis zeigt sich jedoch nur bei selbsterlebten, nicht
aber bei stellvertretend erlebten Einschränkungen.
Vermeidung von Negativen/Suche nach Positiven als Reaktion auf
Selbstwertbedrohung
Ursula Athenstaedt, Andreas Höfler
Universität Graz
Negative Leistungsrückmeldungen durch andere können unseren Selbstwert massiv bedrohen. Theorien
zum Selbstwertschutz und zur Selbstwerterhöhung zeigen verschiedene Strategien auf, mittels derer
Individuen mit Selbstwertbedrohung umgehen können. Diese können bereits in frühen Stadien der
Informationsverarbeitung zu finden sein. In einer ersten fMRI Studie (n = 46) bearbeiteten
Untersuchungsteilnehmende einen Intelligenztest, wobei der Hälfte eine unterdurchschnittliche Leistung
rückgemeldet wurde. Die Ergebnisse zeigten verminderte Thalamus- und ACC-Aktivierung nach
Bedrohung. ROI-Analysen ergaben, dass UT vor allem bei Bearbeitung negativen selbstrelevanten
Eigenschaften eine verminderte Aktivierung im ACC aufwiesen. Auch in der zweiten Studie (n = 120)
bekamen UT negatives Feedback nach einem Test für numerisch-induktives Denken. Danach füllten sie
einen
adaptierten
Aufmerksamkeits-Netzwerk-Test
aus.
Dieser
erbrachte
erhöhte
Aufmerksamkeitsaktivierung und erhöhte exekutive Aufmerksamkeit für positive im Vergleich zu
negativen Eigenschaftswörtern nach einer Bedrohung. Die Ergebnisse zeigen zusammengefasst basale
Mechanismen des Selbstwertschutzes auf.
9:00 - 10:30
HS 4
SY 1-04: Symposium 1-04
Aktuelle Themen der psychologischen Weisheitsforschung 1: Weisheit und
Lebensgestaltung
Chair(s): Judith Glück (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)
Nachdem sich die psychologische Weisheitsforschung lange Zeit vor allem mit der Definition und validen
Messung von Weisheit befasst hat, wird Weisheit jetzt immer häufiger auch in lebensnäheren Kontexten
untersucht. Im Rahmen unseres aktuellen Forschungsprojektes zur Entwicklung von Weisheit haben sich
einige Studien am Klagenfurter Institut für Psychologie damit befasst, wie weise Menschen ihr Leben
gestalten. In diesem Symposium gibt zunächst Judith Glück einen Überblick über relevante frühere
Erkenntnisse aus eigenen Studien und denen anderer ForscherInnen. Irina Auer-Spath hat in ihrer Studie
die Vorstellungen weiser und weniger weiser Menschen über eine gelungene Partnerschaft und
Zusammenhänge zwischen Weisheit und Partnerschaftsqualität untersucht. Christina Seizl hat sich damit
befasst, wie Weisheit mit den subjektiven Vorstellungen der TeilnehmerInnen von einem „guten Leben“
zusammenhängt. Eva Beichler hat in einer Tagebuchstudie untersucht, wie Weisheitsnominierte und
Vergleichspersonen positive und negative Alltagssituationen erleben. Tatjana Schnell (Universität
Innsbruck) wird die Beiträge diskutieren.
Beiträge des Symposiums
Weisheit und das „wirkliche Leben“
Judith Glück
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Nachdem sich die psychologische Weisheitsforschung lange Zeit vor allem mit der Definition und
Messung von Weisheit auseinandergesetzt hat, steht nun zunehmend die tatsächliche Manifestation von
Weisheit in realen Lebenssituationen im Vordergrund der Untersuchungen. Im vorliegenden Vortrag soll
ein Überblick über den Forschungsstand unter zwei Aspekten gegeben werden: 1) Einflüsse situativer
Kontexte auf die Manifestation von Weisheit, 2) Weisheit in der aktiven Gestaltung von Lebenskontexten.
Glück et al. (2005) haben anhand autobiographischer Weisheitsinterviews festgestellt, dass Weisheit sich
vor allem in schwierigen, wichtigen und emotional fordernden Situationen zeigt. Neuere Studien
verschiedener AutorInnen befassen sich mit steigernden, aber auch reduzierenden Einflüssen von
Situationsvariablen wie emotionaler Involviertheit auf die Manifestation von Weisheit. Einige Studien
unserer Forschungsgruppe haben sich auch damit befasst, wie weise Menschen ihr eigenes Leben aktiv
gestalten, insbesondere zeigte eine Studie mit ethnographischer Methodik die gezielte Nutzung von
sozialen und emotionalen Ressourcen durch weise Menschen.
Weisheit und Partnerschaft
Irina Auer-Spath
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Der Mensch als soziales Wesen entwickelt sich in und durch Interaktion mit anderen Menschen. Es ist
also naheliegend, dass Untersuchungen der Entwicklung von Weisheit den Aspekt
zwischenmenschlichen Zusammenlebens berücksichtigen sollte. Besonders in (langjährigen)
Partnerschaften ist eine deutliche Beeinflussung der persönlichen Entwicklung anzunehmen.
Ziel dieser Studie war zunächst, zu untersuchen, ob es einen Zusammenhang zwischen den Merkmalen
von Partnerschaften und Weisheit gibt. Dabei wurden die Weisheit, die persönlichen Ausprägungen von
Weisheitsressourcen sowie die Partnerschaftsqualität mittels Selbstberichtsfragebögen erfasst.
Außerdem wurden die Vorstellungen der TeilnehmerInnen von einer guten Partnerschaft mit einer offenen
Frage erhoben, deren Transkripte mittels qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet wurden. Es wurden
Zusammenhänge zwischen Weisheitsaspekten und Partnerschaftsqualität sowie zwischen einzelnen
Weisheitsressourcen und bestimmten Definitionen einer guten Partnerschaft, wie etwa zwischen den
Ressourcen Mastery und Openness und der Kategorie „Akzeptanz der Individualität des Partners/der
Partnerin“, gefunden.
Die Vorstellungen weiser Menschen von einem „guten Leben“
Christina Seizl
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Konzepte zur Weisheit und zum „guten Leben“ zeigen eindeutige inhaltliche Überschneidungen, die etwa
in einem prozessorientierten Entwicklungsmodell von Yang (2013) beschrieben werden. Ziel dieser Studie
war festzustellen, inwieweit Weisheit mit Vorstellungen über ein gutes Leben zusammenhängt.
Die Stichprobe umfasste bisher 32 Personen im Durchschnittsalter von 54 Jahren. Zur Erhebung der
Vorstellungen über ein gutes Leben wurden narrative Interviewfragen und zur Weisheitsmessung die Brief
Wisdom Screening Scale sowie autobiographische Interviews verwendet.
Mittels induktiver und deduktiver qualitativer Inhaltsanalyse wurden intrapersonale (z.B.
Selbstverwirklichung), interpersonale (z.B. Partnerschaft) und extrapersonale Komponenten (z.B.
angenehme Lebensumstände) eines guten Lebens identifiziert. Die extrapersonale Komponente war mit
den beiden anderen negativ korreliert, die intrapersonale Komponente wies einen tendenziell positiven
Zusammenhang mit Weisheit auf. Derzeit werden weitere TeilnehmerInnen befragt und Zusammenhänge
zu den Weisheitsinterviews analysiert, um den starken Einfluss methodischer Varianz in der
Weisheitsmessung kontrollieren zu können.
9:00 - 10:30
HS 5
SY 1-05: Symposium 1-05
Wohlbefinden und Gesundheit von MedizinstudentInnen und ÄrztInnen
Chair(s): Stefan Höfer (Medizinische Universität Innsbruck), Alexandra Huber (Medizinische
Universität Innsbruck)
In der wissenschaftlichen Literatur werden sowohl individuelle Faktoren als auch situative Faktoren
beschrieben, die für die Entwicklung von Wohlbefinden und Erhaltung von Gesundheit eine Rolle spielen
können. Dies ist insbesondere im Kontext von Ausbildung und Arbeitswelt zentral.
In diesem Symposium werden die neuesten Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie, basierend auf
Charakterstärken, und die wesentlichsten Faktoren der Arbeitspsychologie für die Ausbildung von
MedizinstudentInnen und Ärztinnen in Ausbildung präsentiert und diskutiert.
Beiträge des Symposiums
Positive Psychologie und Charakterstärken
Willibald Ruch, Lisa Wagner
Universität Zürich
Charakter, als Forschungsgegenstand, war für lange Zeit aus der Psychologie verbannt, nachdem Allport
festhielt, dass Charakter ein wichtiger Begriff für die Ethik sei, aber für die Psychologie nicht relevant.
Nicht zuletzt durch das Aufkommen der Positiven Psychologie ist der Charakterbegriff wieder ins Zentrum
der Forschung gerückt. Peterson und Seligman legten ein Modell des Charakters vor, welches 24
Charakterstärken und 6 Tugenden umfasst. Stärken sind trait-ähnlich, moralisch positive bewertet und
erleichtern Erfüllungen im Leben. Sie hängen von Lebensumständen ab und sind somit modifizierbar. Die
Values-in-Action (VIA) Klassifikation stellt gewissermassen als eine Art DSM (Diagnostic Statistic Manual)
für positive Eigenschaften dar (ein „Manual of the Sanities“). Mit dem Fragebogen (VIA-IS, Values in
Action Inventory of Strengths) wurden inzwischen eine Reihe von Studien durchgeführt. In dem Referat
werden vor allem die Ergebnisse zum deutschen VIA-IS dargestellt, welche die Rolle der Stärken in
Schule, Arbeitsplatz und Partnerschaft beleuchten.
Wohlbefinden und Gesundheit von MedizinstudentInnen und ÄrztInnen
Stefan Höfer1, Alexandra Huber1, Melanie Hausler1, Cornelia Strecker2, Mirjam Brenner2, Thomas
Höge2
1
Medizinische Universität Innsbruck, 2Universität Innsbruck
Ein wichtiger Forschungsschwerpunkt ist zu verstehen, was psychisch gesund hält und was getan werden
kann, um ein Leben mit hohem Wohlbefinden, einhergehend mit hoher Gesundheit, zu ermöglichen. Jeder
neunte Österreicher nimmt aufgrund psychischer Belastungen Leistungen der Krankenkasse in Anspruch.
Besonders MedizinerInnen scheinen gefährdet zu sein, denn sie erkranken überdurchschnittlich häufig
am sogenannten „Burnout-Syndrom“.
Im Rahmen einer vom FWF geförderten Längsschnittsstudie (WELL-MED) werden über drei Jahre
Faktoren für subjektives Wohlbefinden und Gesundheit bei MedizinstudentInnen und Ärztinnen
untersucht. Individuelle Charakterstärken, deren Einsatzmöglichkeiten, sowie Arbeitsbedingungen
werden gemeinsam erhoben um gesundheitsfördernde Strategien bereits in der Ausbildung von
MedizinerInnen entwickeln zu können.
Mediiert die Anwendung von Charakterstärken im Beruf den Zusammenhang
zwischen Arbeitstätigkeitsmerkmalen und Work Engagement sowie psychischer
Gesundheit von Medizinern?
Cornelia Strecker1, Melanie Hausler2, Thomas Höge1, Alexandra Huber2, Mirjam Brenner1, Stefan
Höfer2
1
Universität Innsbruck, 2Medizin Universität Innsbruck
Individuelle Charakterstärken sowie deren Anwendung im Beruf können zu positiven Arbeitserfahrungen
und Wohlbefinden und Gesundheit beitragen, wie Erkenntnisse aus der Positiven Psychologie zeigen. In
Hinblick auf gesundheits- und persönlichkeitsförderliche Arbeit gibt es bislang kaum empirische
Untersuchungen zu Arbeitsbedingungen, welche die Anwendung der Charakterstärken am Arbeitsplatz
begünstigen. Das Ziel war und ist es diese Forschungslücke zu schließen und die Rolle der
Charakterstärken im Feld bekannter Wirkmodelle von Arbeit zu untersuchen.
Es wurden die Hypothesen geprüft, dass die Anwendung von Charakterstärken den Zusammenhang von
Arbeitsressourcen (Tätigkeitsspielraum, Soziale Unterstützung) und kognitiven Arbeitsanforderungen als
Bedingungen mit den abhängigen Variablen Work-Engagement sowie psychische Gesundheit vermittelt.
Eingebettet in das FWF-Projekt WELL-MED konnten die Hypothesen anhand der ersten Erhebung
(N=130) von Klinik-ÄrztInnen in Ausbildung mittels multipler Regression (Bootstrapping) bestätigt werden.
Diese ersten Ergebnisse präzisieren die Rolle der Charakterstärken im Feld der Arbeits- und
Organisationspsychologie und werden in den nächsten Erhebungen des Projekts weiter fokussiert.
Auswirkungen der Anwendung von Charakterstärken und der Arbeitsbedingungen auf
das Wohlbefinden von MedizinerInnen in den verschiedenen Phasen ihrer Ausbildung
Melanie Hausler1, Cornelia Strecker2, Alexandra Huber1, Mirjam Brenner2, Thomas Höge2, Stefan
Höfer1
1
Medizin Universität Innsbruck, 2Universität Innsbruck
Krankheitsprävention bei MedizinerInnen bereits während der Ausbildung rückt aufgrund hoher Burnout, Unzufriedenheits- und Krankheitsraten vermehrt in den wissenschaftlichen Fokus. Ziel der Studie im
Rahmen des WELL-MED Projekts ist die Analyse und der Vergleich gesundheits- und
arbeitspsychologischer Aspekte bei MedizinstudentInnen zum Studienbeginn, im Klinisch-Praktischen
Jahr und bei Klinik-ÄrztInnen in Ausbildung. Im Fokus stand die Anwendung persönlicher Stärken (im
Privatleben sowie Studium/Beruf) und deren Auswirkung auf das Wohlbefinden. Während die Anwendung
der Stärken im Privatleben in einem direkten Zusammenhang mit Wohlbefinden stand wurde die
Anwendung
im
Studium/Beruf
vollständig
durch
“Work-Engagement”
mediiert.
Aus
Mittelwertunterschieden ließ sich ein höheres Wohlbefinden bei den MedizinstudentInnen im Vergleich
mit den MedizinerInnen in Facharztausbildung ableiten. Die Ergebnisse weisen auf die Bedeutsamkeit
der Förderung der individuellen Stärken zur Förderung des Wohlbefindens und der Prävention von
Burnout hin. Insbesondere in der Facharztausbildung sollte die Förderung des Wohlbefindens vermehrt
in den Fokus gerückt werden.
9:00 - 10:30
HS 6
SY 1-06: Symposium 1-06
Forschungen zu organisationaler Partizipation und angewandter Wirtschaftsethik
Chair(s): Wolfgang G. Weber (Leopold-Franzens-Universität Innsbruck)
Für eine wissenschaftlich-humanistische Orientierung der A&O-Psychologie, wie sie von den
Beitragenden dieser Session vertreten wird, gilt, dass Ziele der persönlichkeitsförderlichen,
gesundheitsförderlichen, partizipativen und sozial verantwortlichen Arbeits- und Organisationsgestaltung
wirtschaftlichen Zielen zumindest gleichrangig sein sollen. Diese Forschungsperspektive lehnt sich an die
2. Formel des Kant’schen kategorischen Imperativs an, den Menschen „jederzeit zugleich als Zweck,
niemals bloß als Mittel“ zu betrachten. Auch mittels psychologischen Kriterien ist zu bewerten, ob die
Überantwortung von Autonomie an Beschäftigte weiter unten in Unternehmenshierarchien sowie
Managementprinzipien, die sich an Anerkennung und Menschenwürde ausrichten, psychologische
Interventionen bilden, die der Kant’schen Maxime ansatzweise entsprechen. Es werden empirische
Forschungsarbeiten präsentiert, die sich der Frage widmen, inwieweit durch demokratische
Beteiligungsformen am Arbeitsplatz, durch ein soziomoralisches Organisationsklima sowie durch
ethikorientiertes strategisches Management und entsprechende Führungsverhalten Solidarität,
Innovationsbereitschaft sowie das gesundheitliche Wohlbefinden von abhängig Beschäftigten gefördert
werden kann. Dabei werden auch nicht intendierte Folgen von Humanisierung und Demokratisierung der
Arbeit einbezogen.
Beiträge des Symposiums
Der Einfluss von wahrgenommener Partizipation, soziomoralischem Klima und
Solidarität auf das innovative Arbeitsverhalten der MitarbeiterInnen
Christine Unterrainer, Wolfgang G. Weber
Universität Innsbruck
Diese Studie untersucht den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Graden wahrgenommener
Mitwirkung an betrieblichen Entscheidungen und innovativem Arbeitsverhalten von ArbeitnehmerInnen.
Als zusätzliche Wirkmechanismen in dieser Beziehung hypostasieren wir ein soziomoralisches Klima
sowie eine solidarische Arbeitseinstellung der MitarbeiterInnen. Empirisch wurden positive
Zusammenhänge zwischen Autonomie, einem unterstützenden, sicheren Arbeitsklima und innovativem
Verhalten belegt (Hammond et al., 2011; Seyr & Vollmer, 2014). Solidarität im Sinne einer solidarischen
Arbeitseinstellung wurde bisher nicht als Prädiktor oder Mediator untersucht. Mithilfe eines
Selbstbeurteilungsfragebogens befragten wir MitarbeiterInnen aus unterschiedlichen Wirtschaftszweigen
und Berufen in Österreich, Deutschland und Südtirol (N = 136). Die serielle, multiple Mediationsanalyse
zeigte, dass soziomoralisches Klima und Solidarität partiell die positive Beziehung zwischen
Mitbestimmung und innovativem Arbeitsverhalten mediieren. Diese Ergebnisse legen nahe, dass durch
die Mitbestimmung an betrieblichen Entscheidungen die MitarbeiterInnen ein wertschätzendes
Arbeitsklima wahrnehmen, das in Folge deren solidarische Einstellung erhöht und schließlich zu
vermehrter Innovation führt. Ein direkter Einfluss der Mitbestimmung auf die Innovation bleibt bestehen.
Soziomoralisches Organisationsklima und psychische Mitarbeitergesundheit vor dem
Hintergrund der Self-Determination-Theorie: Eine Studie an KrankenhausärztInnen
Thomas Höge1, Cornelia Strecker1, Mirjam Brenner1, Melanie Hausler2, Alexandra Huber3, Stefan
Höfer2
1
Universität Innsbruck, 2Medizinische Universität Innsbruck, 3Medidizinische Universität Innsbruck
Der Beitrag thematisiert, ob und wie ein partizipatives, diskursives und wertschätzendes
Organisationsklima („soziomoralisches Organisationsklima“) die psychische Mitarbeitergesundheit positiv
beeinflussen kann. Vor dem Hintergrund der Self-Determination-Theorie wurde die Hypothese geprüft,
dass ein positiver Zusammenhang zwischen wahrgenommenem soziomoralischem Organisationsklima
und der psychischen Mitarbeitergesundheit besteht. Außerdem wurde angenommen, dass dieser
Zusammenhang teilweise durch die Anwendung individueller Charakterstärken im Arbeitskontext, sowie
eine daraus resultierende stärkere Befriedigung der in der Self-Determination-Theorie postulierten
psychologischen Grundbedürfnisse (Autonomie, Kompetenz, soziale Eingebundenheit) mediiert wird.
Die Stichprobe der Fragebogenstudie bestand aus N = 91 Krankenhausärztinnen und –ärzten in
Ausbildung. Es handelte sich um die erste Befragung der ersten Kohorte einer größer angelegten
Längsschnittstudie im Rahmen des FWF-Projekts WELL-MED. Die Ergebnisse einer seriellen, multiplen
Mediatoranalyse (PROCESS, Bootstrapping) belegen einen Zusammenhang zwischen soziomoralischem
Organisationsklima und Mitarbeitergesundheit sowie den erwarteten indirekten Effekt über die
Anwendung individueller Charakterstärken und eine daraus resultierende Befriedigung psychologischer
Grundbedürfnisse. Neben Limitationen der Studie werden weitere mögliche Wirkmechanismen diskutiert.
Wirkmechanismen von Servant Leadership Die Rolle von Identifikationsprozessen für
die Einflussoffenheit von Geführten
Armin Pircher Verdorfer
Technische Universität München
Vor dem Hintergrund zahlreicher und medial stark reflektierter Skandale werden in der
Führungsforschung Ansätze ethikorientierter Führung untersucht. Ein Konzept, welches hierbei
zunehmend Aufmerksamkeit erfährt ist Servant Leadership (Deutsch: dienende Führung):
Führungsverhalten, welches explizit das Eintreten für andere in den Mittelpunkt stellt und damit dem
Wohlbefinden und den legitimen Interessen der Mitarbeiter, aber auch der Gesellschaft eine hohe Priorität
beimisst. Der Beitrag geht der Frage nach, wie dienende Führung, welche explizit Aspekte der Demut und
Bescheidenheit in den Fokus rückt, Geführte erfolgreich beeinflussen kann. Die Daten stammen von
insgesamt 2 Stichproben aus Deutschland (N=224) und Lithauen (N=214), welche mittels standardisierter
Fragebögen befragt wurden. Die Strukturgleichungsanalyse (SEM) zeigt einen positiven Zusammenhang
zwischen Servant Leadership und der Einflussoffenheit der Geführten, wobei diese Verbindung durch
deren Identifikation mit ihrer Führungskraft mediiert wird. Abschließend werden die Implikation der
Ergebnisse für die Wirkweise von Servant Leadership unter Berücksichtigung des kulturvergleichenden
Designs diskutiert.
Soziale Bedeutung und persönlicher Sinn des Managements sozial nachhaltiger
Lieferketten: ein tätigkeitstheoretischer Ansatz
Wilhelm Kuntner
Universität Innsbruck
Dem sogenannten Management der sozialen Nachhaltigkeit in globalen Lieferketten wohnt ein
potenzielles psychologisches Konfliktmoment inne: Anforderungen an die Kosteneffizienz und die
Erfüllung von Sozialstandards können in Widerspruch zueinander geraten. Anhand der Tätigkeitstheorie
(A. N. LEONT’EV) werden diese beiden Management-Anforderungen als Motive des sozialen Handelns
exploriert. Dabei wird das angenommene Konflikterleben als Diskrepanz zwischen der sozialen
Bedeutung und dem persönlichen Sinn der Anforderungssituation aufgefasst. Es werden drei
Präzisierungen der Tätigkeitstheorie für die Analyse des Erlebens der besagten widersprüchlichen
Anforderungssituation vorgeschlagen: Die zeitliche Dimension der Bedürfnisbefriedigung als KonfliktKern (W. VOLPERT). Die kognitiven Operationen der Sinn-Formung, durch welche das Erleben der
Anforderungssituation reguliert wird (A. BANDURA; D. FREY). Die Dynamik des Zusammenhangs
zwischen der sozialen Bedeutung und dem Erleben der Anforderungssituation: konstruktiver Konflikt vs.
Resignation vs. Konflikt-Meidung (A. BRUGGEMANN). Das vorgestellte Theorie-Projekt wird von einer
qualitativen empirischen Exploration im Anforderungs-Kontext der globalen Lieferketten von
Markenunternehmen der Bekleidungsbranche begleitet.
Zwischen Humanisierung und Intensivierung: Ambivalente Auswirkungen
partizipativer Managementpraktiken auf Mitarbeitergesundheit
Severin Hornung1, Jürgen Glaser1, Thomas Höge1, Matthias Weigl2
1
Universität Innsbruck, 2Universität München
In einer groß angelegten Fragebogenstudie wurden Auswirkungen von beteiligungsorientierten
Managementpraktiken auf Mitarbeitergesundheit untersucht. Befragt wurden (N = 14.372) Beschäftigte
einer deutschen Großstadt aus den Bereichen Verwaltung, technischer Dienst, Lehr, Erziehungs-,
Gesundheits- und Sozialdienst. Drei, teilweise widerstreitende Hypothesen wurden aus der
interdisziplinären Forschung zu hochleistungsorientierten Arbeitssystemen (high-performance work
systems) hergeleitet und mittels Strukturgleichungsmodellen getestet. Beschäftigungsqualität,
partizipatives Management und Arbeitszufriedenheit wurden mit strukturell validen und reliablen MultiItem-Skalen operationalisiert. Die abhängige Variable, Arbeitsfähigkeit, wurde mit dem Work Ability Index
erhoben. Ergebnisse unterstützen sowohl die Bedingungshypothese, sodass ein positiver
Zusammenhang zwischen Beschäftigungsqualität und Arbeitsfähigkeit bestand, als auch die
Motivationshypothese, wonach Arbeitszufriedenheit positive Effekte von Beschäftigungsqualität und
partizipativem Management auf Arbeitsfähigkeit vermittelt. Ebenfalls bestätigt wurde die
Arbeitsintensivierungshypothese, wobei partizipatives Management einen negativen direkten
Zusammenhang zu Arbeitsfähigkeit aufwies. Diese ambivalente Doppelrolle integriert die konventionelle
Sichtweise, wonach progressive Managementpraktiken über gesteigerte Arbeitsmotivation die
Mitarbeitergesundheit fördern, mit kritischen Perspektiven, die instrumentellen Beteiligungsformen eine
intensivierte Verwertung von Arbeitskraft attestieren
9:00 - 10:30
HS 7
SY 1-07: Symposium 1-07
Ist Spiritualität gesund? Eine „Unterscheidung der Geister“ im Hinblick auf
Gesundheit und Krankheit
Chair(s): Tatjana Schnell (Universität Innsbruck)
Ungefähr zwei Drittel der ÖsterreicherInnen glauben an einen persönlichen Gott, ein höheres Wesen oder
eine geistige Macht. Für viele hat diese Überzeugung eine hohe Relevanz. Sie wirkt sich aus auf Denken,
Handeln und Erleben. Im bio-psycho-sozialen Modell der Gesundheit wird diese existentielle Dimension
wenig beachtet. Dabei häufen sich Forschungsbefunde, die Zusammenhänge zwischen Spiritualität und
Gesundheit/Krankheit belegen. Immer deutlicher wird auch: Der Spiritualitätsbegriff ist durch hohe
Heterogenität gekennzeichnet. Und nicht alles, was damit gemeint ist, ist gesundheitsdienlich.
Dieses Symposium widmet sich der Notwendigkeit, Konstrukte sauber zu erfassen und Konfundierungen
mit benachbarten Merkmalen (wie Resilienz) zu vermeiden. Wir diskutieren die Erweiterung des biopsycho-sozialen Gesundheitsmodells durch eine spirituelle Komponente, berichten von Hinweisen auf
salutogene und pathogene Funktionen von Spiritualität und von unterschiedlichen physiologischen
Antworten auf induzierten Stress bei Spirituellen und anderen weltanschaulichen Positionen. Anhand
eines multidimensionalen Spiritualitätsinventars wird aufgezeigt, welche Aspekte von Spiritualität in
positivem, welche in negativem Zusammenhang mit Gesundheit stehen.
Beiträge des Symposiums
Resilienz: Konstruktfacetten und die Differenzierung von Selbstwirksamkeit und
Spiritualität
Barbara Hanfstingl1, Ingrid Koller2, Elena Mochar3
1
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, 2Institut für Psychologie, Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, 3Institut
für Unterrichts- und Schulentwicklung, Alpen-Adria-Univ
Als multidimensionales Konstrukt ist Resilienz Gegenstand unterschiedlicher psychologischen Schulen.
Dies führt einerseits zu unterschiedlichen Definitionen des Konstrukts Resilienz, andererseits sind
definitorische Bedeutungsüberlappungen mit anderen Konstrukten zu beobachten, die ähnliche
Phänomene beschreiben. Hagger (2014) nennt dieses Problem das Déjà-variable Phänomen. Ohne klare
definitorische Abgrenzungen und Operationalisierungen sind Ergebnisse von empirischen
Untersuchungen allerdings von vornherein mit Unschärfen konfroniert, die deren Aussagekraft
empfindlich und unkontrolliert schwächen können. In der Präsentation stellen wir ein aktuelles Projekt vor,
in dem die Konstrukte Resilienz, Selbstwirksamkeit und Spiritualität (basierend auf Mystizismus) kritisch
gegenübergestellt werden. Mit Hilfe der Content-Structure-Scaling Prozedur (z.B. Koller, Glück, &
Levenson, in Vorb.) ist es möglich, auf Basis von Expertenratings die Konstrukte auf Einzelitemebene
strukturiert zu vergleichen. Auf diese Weise können Überlappungen und Ambiguitäten expliziert werden.
Im Beitrag werden theoretische und methodische Implikationen des Projekts diskutiert.
Spiritualität im Kontext von Persönlichkeit und psychischer Gesundheit
Human-Friedrich Unterrainer
Universitätsklinikum f Psychiatrie, Med Uni Graz; Zentrum f Integr Suchtforschung, Grüner Kreis, Wien;
KF Uni, Institut f Psychologie, Graz
Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten ist das Interesse an der Spiritualität im Bereich der Klinischen
Psychologie und Psychotherapie stark gestiegen. Dabei wird meist ein positiver Zusammenhang
zwischen Spiritualität und verschiedenen Parametern von Gesundheit bzw. Krankheitsverarbeitung
berichtet. Allerdings werden diese Ergebnisse auch durchaus kontroversiell diskutiert bzw. werden Zweifel
an der Validität der Konstrukte laut. Auch am Universitätsklinikum Graz wird die Rolle der Spiritualität im
Krankheitsgeschehen in einem eigenen interdisziplinären „Arbeitskreis Spiritualität“ fokussiert. Im
Mittelpunkt steht dabei die mögliche Erweiterung des bio-psycho-sozialen Modells von Gesundheit und
Krankheit durch eine spirituelle Komponente. Mit Hilfe eines eigens erarbeiteten Multidimensionalen
Inventars zum Religiös/Spirituellen Befinden wurden mehrere Studien bei allgemein-medizinischen als
auch psychiatrischen PatientInnengruppen durchgeführt. Die Ergebnisse bestätigen insgesamt die
salutogene Funktion der Spiritualität, lassen aber auch auf pathogene Aspekte schließen. Basierend auf
diesen Erkenntnissen kann eine Diskussion hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen einer Integration
spiritueller Inhalte in ein klinisches Behandlungssetting stattfinden.
Stressphysiologie, Coping und Spiritualität
René Hefti
Universität Bern und Forschungsinstitut für Spiritualität u Gesundheit, Klinik Langenthal
Verschiedene Studien zeigen, dass die Stressantwort durch religiöse und spirituelle Orientierung
modifiziert wird (Masters 2004, Hefti 2010). Dabei hat sich die Religiosität als relevante Einflussvariable
erwiesen. Eine aktuelle Studie, die 2013 am psychologischen Institut der Universität Innsbruck
durchgeführt wurde (Schnell, Hefti), untersuchte, ob sich verschiedene weltanschauliche Positionen
(Atheisten, Agnostiker, Distanzierte, Religiöse, Religiös-Spirituelle, Spirituelle) auch physiologisch
differenzieren lassen. 50 Psychologiestudierende mussten Fragebogen ausfüllen und wurden einer
Stresstestung unterzogen (Trier Social Stresstest). Dabei wurden Herzfrequenz, Blutdruck und Cortisol
abgeleitet. Die Ergebnisse werden im Rahmen des Symposiums vorgestellt und ihre Relevanz für den
klinischen Kontext diskutiert.
Trendbegriff Spiritualität: Notwendige Differenzierung und differentielle
Zusammenhänge mit Gesundheit
Tatjana Schnell, Andrea Geidies
Universität Innsbruck
In der letzten Welle der EVS 2008 bezeichneten sich 58% der ÖsterreicherInnen als sehr oder ziemlich
spirituell. Diese Selbstbeschreibung ist wenig informativ. Der subjektiv gefüllte Begriff umfasst Aspekte,
die vielfältig bis konträr sind. Sie reichen von mystischen Erfahrungen und Esoterik über existentielle
Suche, Ethos und Achtsamkeit bis zu Religiosität. Aufgrund der Heterogenität des Begriffs kann man nicht
von 'der' Spiritualität als gesundheitlicher Ressource sprechen. Je nach beteiligter Dimension zeigen sich
gar negative Zusammenhänge mit Gesundheit. In einer Studie mit 304 Personen (M = 46, SD = 13, 76%
weiblich) wurden neun Dimensionen von Spiritualität (MDSI), der körperliche, psychische und soziale
Gesundheitszustand (SF-36) und die psychische Symptombelastung (SCL-90-R) erhoben. Während sich
Achtsame Selbstannahme als starker positiver Prädiktor erweist, scheinen Außersinnliche Erfahrungen,
aber auch ein starker Ethos als negative Prädiktoren auf. Zudem mediieren diese drei Variablen die
Beziehung zwischen selbsteingeschätzter Spiritualität und Vitalität sowie Symptombelastung.
9:00 - 10:30
50101/1 SR
SY 1-08: Symposium 1-08
Aktuelle Befunde zur Validität Objektiver Persönlichkeitstests
Chair(s): Tuulia M. Ortner (Universität Salzburg)
Objektive Persönlichkeitstests (OPTs) ermöglichen es Persönlichkeitsmerkmale verhaltensbasiert und
computerisiert in standardisierten (d.h. möglichst unverfälschbaren) Testsituationen zu erfassen. Eine
besondere Herausforderung im Hinblick auf ihre Erforschung stellt die große Heterogenität der
Testkonzepte dar. So können etwa Daten betreffend die Gütekriterien eines bestimmten OPT nicht auf
einen anderen übertragen werden. Die in diesem Symposium gebündelten Beiträge haben es zum Ziel
gesetzt, die Validität unterschiedlicher Ansätze zu untersuchen. Der erste Beitrag präsentiert Daten zur
inkrementellen Validität eines OPTs zur Erfassung des Arbeitsstils in der beruflichen Praxis. Beitrag 2
stellt ein neues Verfahren zur Erfassung von Overconfidence dar. Die Konstruktvalidität mehrerer OPTs,
unter anderem zur Erfassung von Gewissenhaftigkeit, wird in Beitrag 3 beleuchtet. Zuletzt geht Beitrag 4
auf einen neuartigen Neuropsychologischen Validierungseinsatz ein. Die Ergebnisse werden im Hinblick
auf die Einsatzmöglichkeiten von OPTs diskutiert.
Beiträge des Symposiums
Die inkrementelle Validität Objektiver Persönlichkeitstests in neuen Berufsfeldern am
Beispiel der Call Center Branche
Marco Vetter, Leonard Schünemann
SCHUHFRIED GmbH
Objektive Persönlichkeitstests (OPTs) erheben Persönlichkeitsmerkmale verhaltensbasiert und sollten
dadurch weniger verfälschbar als beispielsweise Fragebögen sein, deren Ergebnisse durch sozial
erwünschtes Antwortverhalten von Testpersonen bewusst beeinflusst werden können. Dies macht OPTs
für Fragestellungen im Kontext der Eignungsbeurteilung für die Praxis äußerst relevant. Die inkrementelle
Validität von OPTs zu Intelligenztests und Persönlichkeitsfragebögen in stark wachsenden Berufsfeldern
mit hoher Fluktuation wie der Call Center Branche wurde bislang jedoch noch wenig untersucht. Die
vorliegende Studie versucht, einen Beitrag zur Schließung dieser Lücke zu leisten. An der Studie nahmen
insgesamt N=122 Call Center Mitarbeiter teil. Die Studienteilnehmer bearbeiteten Testverfahren zur
Messung der Multi-Tasking Fähigkeit, der fluiden und kristallinen Intelligenz, standardisierte
Persönlichkeitsfragebögen sowie Objektive Persönlichkeitstests. Die Ergebnisse zeigen, dass objektive
Persönlichkeitstests sensu Cattell einen inkrementellen Beitrag zu den klassischen Verfahren bei der
Vorhersage beruflichen Erfolgs leisten. Die praktischen Implikationen der Ergebnisse für die
diagnostische Praxis werden diskutiert.
Ein neues Verfahren zur Erfasung von Overconfidence
Thomas Scherndl, Stefanie Noll, Alexandra Durz
Universität Salzburg
Obwohl Optimismus ein in der Persönlichkeitspsychologie intensiv beforschtes Konstrukt ist, wurde in
bisheriger Forschung das verwandte Konstrukt „Overconfidence“ (die ungerechtfertigte Überschätzung
der eigenen Leistung oder Fähigkeiten) weniger untersucht und kaum abgegrenzt. Dies liegt mitunter
auch daran, dass Selbstüberschätzung im Gegensatz zu Optimismus eine tatsächliche Verbindung zu
einer erbrachten Leistung benötigt und somit nur schwer mit klassischen Fragebögen erfasst werden
kann. Dieser Vortrag gibt einen Überblick über eine erste Studie (N = 80) zu einer neuen Form der
Erfassung von Selbstüberschätzung. Probanden schätzten vor der Bearbeitung verschiedener Aufgaben
(Rechenaufgaben, Textabtippen, Allgemeinwissen, Wortschatzwissen) ihre spätere eigene Leistung ein,
um danach die Aufgaben tatsächlich zu bearbeiten. Selbstüberschätzung wurde als Abweichung der
eingeschätzten von der tatsächlichen Leistung berechnet. Faktorenanalysen zeigen, dass
Selbstüberschätzung von Optimismus bzw. Selbstwirksamkeitsüberzeugungen unabhängig
konzeptualisiert werden sollte. Wir finden den erwarteten Zusammenhang von Extraversion sowohl mit
Optimismus als auch Selbstüberschätzung und auch eine theoriekonforme Korrelation von Narzissmus
mit Selbstüberschätzung.
Validierung Objektiver Persönlichkeitstests mittels MTMM-Ansatz
Tuulia M. Ortner1, Tobias Koch2, Michael Eid3
1
Universität Salzburg, 2Leuphana Universität Lüneburg, 3Freie Universität Berlin
In dieser Studie wurde die konvergente und diskriminante Validität von Objektiven (Persönlichkeits-)Tests,
indirekten Verfahren sowie Selbstberichtsverfahren zur Erfassung der Intelligenz und Gewissenhaftigkeit
von Studierenden (N = 300) systematisch untersucht. Von besonderem Interesse bei dieser Untersuchung
war die Analyse der Stabilität sowie der Veränderung der konvergenten und diskriminanten Validität über
verschiedene Messzeitpunkte (insgesamt drei Messzeitpunkte). Für die Analyse der Daten wurde ein
MTMM-Strukturgleichungsmodell zur Anwendung gebracht, welches es erlaubt, stabile Konstrukt- und
Methodeneffekte von messzeitpunkt-spezifischen Konstrukt- und Methodeneffekte als auch von
Messfehlereinfüssen zu trennen. Hierdurch ist es möglich, die konvergente und diskriminante Validität
von objektiven Persönlichkeitstests auf Trait- als auch situationspezifischer (State-) Ebene zu
untersuchen. Darüber hinaus werden Ergebnisse zur Kriteriumsvalidität eingesetzter Verfahren berichtet.
Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit Zweiprozesstheorien diskutiert.
Neuropsychologische Validierung Objektiver Persönlichkeitstests
Belinda Pletzer, Tuulia M. Ortner
Universität Salzburg
Die Validierung Objektiver Persönlichkeitstests (OPTs) ist eine Herausforderung in der psychologischen
Diagnostik. Es wird angenommen, dass manche OPTs das implizite System ansprechen, während andere
OPTs das explizite System ansprechen. Allerdings gibt es nur sehr wenige Neuroimaging Studien, die
untersuchen, ob OPTs, die behavioral nicht konvergieren, separierte neuronale Systeme aktivieren. In
dieser Studie wurden 60 Personen mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) während der
Durchführung zweier OPTs untersucht: den Balloon Analogue Risk Task (BART) und den Game of Dice
Task (GDT). Behavioral konnten wir die bisherigen Ergebnisse replizieren, dass der BART mit den
Ergebnissen eines IATs und der GDT mit den Ergebnissen einer Selbsteinschätzungsskala korreliert.
BART und GDT korrelieren jedoch behavioral nicht miteinander. Dennoch zeigen die beiden Tests
überlappende Gehirnaktivierung während Risikoentscheidungen im Nukleus Caudatus und der Insula,
bilateral. Diese Ergebnisse zeigen, dass Neuroimaging ein wertvolles Tool zur Validierung objektiver
Persönlichkeitstests sein kann, die verschiedene Aspekte derselben Eigenschaft ansprechen.
9:00 - 10:30
50105/2 SR
SY 1-09: Symposium 1-09
Intersession-Prozesse in der Psychotherapie - ein neuer Ansatz der
Psychotherapieprozessforschung
Chair(s): Anton-Rupert Laireiter (Universität Salzburg, Fachbereich Psychologie)
Diskutant(en): Sylke Andreas (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Institut für Psychologie)
Herkömmliche Psychotherapieprozessforschung fokussiert primär die Therapeut-Klient-Beziehung und in
Sitzungen ablaufende Prozesse. Rein mathematisch wird klar, dass Prozesse außerhalb der Therapie
sehr viel wichtiger sein müssen. Eine Klasse davon sind so genannte „Intersession-Prozesse“, solche,
die zwischen den Therapiestunden ablaufen.
In dem Symposium werden drei Arbeiten zu diesem Thema präsentiert, die sich auf sehr unterschiedliche
Art und Weise mit dem Thema auseinandersetzen. Im ersten Beitrag wird ein Überblick über
generalisierende retrospektive Forschungen gegeben und es wird die grundsätzliche Bedeutung dieser
Prozesse aufgezeigt. In dem zweiten Beitrag wird auf Intersessionprozesse im Zusammenhang mit
unterschiedlichen Strukturniveaus von Patienten mit psychischen Störungen eingegangen und im dritten
wird über eine Pilotstudie berichtet, die Intersession-Prozesse im Kontext ambulanter Psychotherapien
längschnittlich untersuchte; darauf aufbauend werden weiterführende Überlegungen und
Vorgehensweisen skizziert, die im Rahmen einer Dissertation realisiert werden sollen. In der
abschließenden Diskussion werden die Beiträge kommentiert und weiterführend beleuchtet.
Beiträge des Symposiums
Intersessionprozesse in der Psychotherapie - Explorative Studien
Anton-Rupert Laireiter1, Nadia Jöchler2, Tim Kaiser3
1
Univeristät Salzburg, Fachbereich Psychologie, 2Promente Salzburg, 3Universität Salzburg,
Fachbereich Psychologie
In dem Beitrag wird das Konzept erläutert und (retrospektive und generalisierende) Pilotstudien der
Autoren präsentiert, die auf dem „Allgemeinen Intersession-Fragebogen“ von Jöchler und Laireiter
basieren. Dessen Konzept und psychometrische Merkmale werden vorgestellt, ebenso wie die zentralen
Befunde, die damit erfasst werden konnten: Die Ergebnisse zeigen, dass sich
PsychotherapiepatientInnen zwischen den Sitzungen relativ intensiv mit ihren Psychotherapien
beschäftigen, dass sie z.T. starke „Nachwirkungen“ ihrer Therapiestunden erleben, sich auch Notizen und
Aufzeichnungen machen und relativ viel mit engen Bezugspersonen darüber sprechen. Ausmaß und
Qualität derselben hängen mit der Qualität der Arbeitsbeziehung, der Intensität von IntrasessionProzessen, sowie Patienten- und Therapeutenmerkmalen zusammen, ebenso wie mit der
Therapiezufriedenheit und dem (retrospektiv wahrgenommenen) Therapieeffekten. Auch dürften sie die
Effekte der Arbeitsbeziehung und Insessionprozesse auf den Therapie-Outcome mediieren. Keine
Zusammenhänge fanden sich mit soziodemographischen und störungsbezogenen Merkmalen.
Den Beitrag abschließend werden Perspektiven für die weitere Forschung erörtert, ebenso wie solche für
die Praxis der Psychotherapie.
Inter-Session-Prozesse und Strukturniveau: Eine empirische Studie zu den InterSession-Prozessen bei unterschiedlich strukturierten Rehabilitationspatienten
Thorsten-Christian Gablonski1, Marina Zeldovich1, Birgit Senft2, Johannes Ehrenthal3, Sylke
Andreas1
1
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Institut für Psychologie, 2Reha-Klinik für Seelische Gesundheit
Klagenfurt, 3Universität Kassel
Die Existenz der sogenannten Inter-Session-Prozesse, einer Konzeptualisierung, welche die
Verarbeitung und Internalisierung der Therapie und deren Inhalten zwischen den einzelnen
Therapiesitzungen beschreibt, konnte in den letzten Jahren durch die Einführung geeigneter
Messinstrumente untersucht und bewiesen werden. Die jüngste Inter-Session-Forschung beschäftigte
sich dabei mit immer spezifischeren Fragen, wobei die Zusammenhänge zwischen den strukturellen
Fähigkeiten der PatientInnen und ihren Inter-Session-Erfahrungen bis dahin völlig unerforscht blieben.
Diese Studie (n=69) konnte zeigen, dass sich unterschiedlich strukturierte PatientInnen in bestimmten
Komponenten ihrer Inter-Session-Erfahrungen zu Beginn, am Ende und im Verlauf der Therapie
unterscheiden. Während sich die Unterschiede zu Beginn der Therapie in den Situationen, Inhalten und
den Emotionen ihrer Inter-Session-Erfahrungen zeigen, unterscheiden sich die unterschiedlich
strukturierten PatientInnen am Ende der Therapie ausschließlich in den Inhalten ihrer Inter-SessionErfahrungen. Die erhobenen Daten geben außerdem einen Hinweis darauf, dass niedrig strukturierte
PatientInnen tendenziell von häufigeren Inter-Session-Erfahrungen berichten. Außerdem eignet sich das
Strukturniveau der PatientInnen zur Vorhersage der Inter-Session-Erfahrungen.
Inter- und Intrasessionprozesse in der Psychotherapie: Eine Zeitreihen-Panelanalyse
Tim Kaiser, Anton-Rupert Laireiter
Universität Salzburg, Fachbereich Psychologie
Die vorgestellte Arbeit befasst sich mit der Analyse des zeitlichen Verlaufs von Intra- und
Intersessionprozessen in der Psychotherapie. Die Verläufe der Psychotherapie von 21 Patienten wurde
über einen Zeitraum von vier Monaten erhoben und mit einer in der Psychotherapieforschung neuartigen
Methode, der „Zeitreihen-Panelanalyse“ (TSPA), ausgewertet. Es wurden idiographische und
nomothetische Modelle zum Verlauf der Therapien erstellt.
Sinnvoll interpretierbare idiographische Modelle ergaben sich für einige Fälle. Auf der Gruppenebene
ließen sich jedoch keine systematischen Zusammenhänge zwischen Intra- und Intersessionprozessen
feststellen. Auch erwiesen sich diese Zusammenhänge nicht als Prädiktoren für den subjektiven
Therapieerfolg. Das Konzept der TSPA wurde erfolgreich demonstriert und bietet vielfältige Möglichkeiten
der Vorhersage von Psychotherapieverläufen. Zudem wird ein Einblick in zukünftige geplante
Untersuchungen von Inter- und Intrasessionprozessen mit anderen zeitreihenanalytischen Verfahren
geboten.
9:00 - 10:30
50109/3 SR
SY 1-10: Symposium 1-10
Wie das kindliche Gehirn Sprache lernt… Neurowissenschaftliche Untersuchungen
zum Spracherwerb bei Kleinkindern und Kindern
Chair(s): Sonja Rossi (Medizinische Universität Innsbruck)
Kognitive Prozesse wie das Erlernen von Sprache sind insbesondere in den ersten Lebensjahren von
zahlreichen komplexen Vorgängen begleitet, die allerdings erstaunlich rasch und effizient von statten
gehen. Neben bewährten behavioralen Methoden bieten neurowissenschaftliche Methoden Einblicke in
die Verarbeitungsmechanismen des Gehirns, welche kognitiven Prozessen zugrunde liegen. Außerdem
bieten neurowissenschaftliche Methoden den Vorteil, die Gehirnaktivität passiv, also ohne Reaktion des
Teilnehmers, zu erfassen und erlauben somit auch die Untersuchung an Kleinkindern und Kindern. Im
Symposium sollen Studien zum mono- und bilingualen Spracherwerb vom Kleinkind (6 und 12 Monaten)
bis zum Vorschulalter vorgestellt werden. Es werden Aspekte der kognitiven Flexibilität, des Einflusses
unterschiedlicher
Lernumgebungen
sowie
Zusammenhänge
zwischen
strukturellen
Gehirnveränderungen und Sprachauffälligkeiten (am Beispiel der Entwicklungsdyslexie) erläutert. Dabei
werden
die
Vorund
Nachteile
unterschiedlicher
neurowissenschaftlicher
Methoden
(Elektroenzephalographie, funktionelle Nahinfrarotspektroskopie, Magnetresonanztomographie),
teilweise in kombinierter Anwendung, diskutiert.
Beiträge des Symposiums
“Ich mag zwar erst ein Jahr alt sein, aber ich verstehe, was du sagst!” Eine simultane
EEG-fNIRS Studie zum kindlichen Spracherwerb
Micol Vignotto1, Maria Richter2, Hellmuth Obrig1, Sonja Rossi3
1
MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig, 2Universität Potsdam, 3Medizinische Universität
Innsbruck
Der Spracherwerb im ersten Lebensjahr ist von zahlreichen Fortschritten gekennzeichnet. Unter anderem
werden muttersprachliche Phonem-Kombinationen (Phonotaktik) erworben. Diese unterstützen das
spätere Wortlernen. Neuronale Korrelate zeigen, dass bereits 3monatige Kleinkinder muttersprachliche
von fremdsprachlichen phonotaktischen Regeln unterscheiden. Die vorliegende dreitägige Studie
untersucht mittels der simultanen Anwendung der Elektroenzephalographie (EEG) und der funktionellen
Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS), ob ein semantischer Kontext den muttersprachlichen PhonotaktikErwerb bei 12monatigen fördert, ob fremdsprachliche Phonem-Kombinationen gleichermaßen gelernt
werden oder ob sie zugunsten der muttersprachlichen abgewiesen werden. Deutsche und slowakische
Pseudowörter wurden akustisch präsentiert und in einem Training mit reellen Objekten gekoppelt. Dabei
zeigte sich ein rechtshemisphärischer Anstieg der Gehirnaktivität für trainierte muttersprachliche
Regularitäten bei beiden Methoden, was auf einen Lerneffekt hindeutet. Fremdsprachliche Einträge
scheinen hingegen von Kleinkindern neuronal eher abgewiesen zu werden. Interessant ist die großteils
vorhandene Kongruenz der Ergebnisse aus elektrophysiologischen und vaskulären Signalen.
Neuronale Prozesse des Spracherwerbs bei sechsmonatigen bilingualen
Kleinkindern. Eine EEG-Studie.
Valeria Lüffe1, Elisabeth Tutzer2, Susanne Hanslmeier2, Anna-Lena Mayer2, Sonja Rossi3
1
Klinik St. Irmingard, Prien am Chiemsee, 2LFU Innsbruck, 3Medizinische Universität Innsbruck
Mit dem Erwerb von Sprache entfaltet sich einer der vielschichtigsten Lernprozesse des Lebens, welchen
die Gehirne von Kleinkindern mit erstaunlicher Flexibilität meistern. Bilingual aufwachsende Kinder sind
mit der komplexen Erwerbsaufgabe konfrontiert, gleich zwei Sprachsysteme simultan zu koordinieren. In
einer experimentellen Wortlernstudie wurden die neuronalen Mechanismen des frühen
Zweitspracherwerbs mithilfe der Methode Elektroenzephalographie über die Verarbeitung
phonotaktischer Regularitäten untersucht. Diese Sprachkomponenten definieren die zulässigen
Lautkombinationen einer Sprache und sind essenziell für das initiale Wortlernen. In einem dreiteiligen
Experiment wurden sechsmonatigen bilingualen Kindern phonotaktisch muttersprachliche und
fremdsprachliche Pseudowörter akustisch dargeboten und in ein semantisches Wortlerntraining mit
Pseudoobjekten kombiniert. Die Ergebnisse zeigten eine erwachsenenähnliche N400-Komponente, die
eine erhöhte Sensitivität für die muttersprachliche Phonotaktik reflektiert. Während das Wortlerntraining
für muttersprachliche Pseudowörter erfolgreiche Lerneffekte evozierte, wurden fremdsprachliche
Pseudowörter durch wiederholt akustische Darbietung gelernt. Bilinguale Kinder scheinen beim Erwerb
unbekannter Strukturen eine erhöhte Verarbeitungsflexibilität aufzuweisen und hierbei auf ihre feinen
akustischen Differenzierungsfähigkeiten zurückzugreifen.
Auswirkungen einer bilingualen vs. monolingualen Sprachentwicklungssituation auf
die Anwendung von Strategien zum Lernen von neuen Adjektiven
Agnes Groba1, Annick de Houwer2, Hellmuth Obrig3, Sonja Rossi4
1
Universität Leipzig, 2Universität Erfurt, 3MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig,
4
Medizinische Universität Innsbruck
Eine bilinguale Person ist nicht die Summe zweier monolingualer Personen. Bereits im Kindesalter zeigt
sich beispielsweise, dass bilinguale Kinder gestische Hinweise zum Lernen von Substantiven besser
nutzen können als monolinguale Kinder. Letztere berufen sich hingegen stärker als bilinguale Kinder auf
eine Wortlernstrategie, die auf einem Ausschlussprinzip beruht, den Mutual Exclusivity Constraint. In
unserer Studie wurden 58 simultan deutsch-spanisch-bilinguale und 57 deutsch-monolinguale Kinder
hinsichtlich der beiden genannten Hinweisreize zum Lernen von unbekannten Adjektiven mittels
Verhaltens- und Daten der funktionellen Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS) untersucht. Während bilinguale
Kinder im Alter von 5 Jahren stärker als monolinguale Kinder auf den gestischen Lernhinweis reagierten
(fNIRS-Daten), verfolgten letztere den Mutual Exclusivity Constraint intensiver als die bilingualen Kinder
(Verhaltens-, fNIRS-Daten). Somit belegen die Ergebnisse, dass sich bilinguale und monolinguale Kinder
auch beim Lernen dieser seltener erforschten Wortart voneinander unterscheiden. Der am Verstehen von
realen Adjektiven gemessene Output dieser Lerntypen war jedoch vergleichbar.
Vorschulkinder mit familiärem Risiko für Entwicklungsdyslexie zeigen
neuroanatomische Auffälligkeiten
Indra Kraft, Jan Schreiber, Riccardo Cafiero, Jens Brauer, Angela D. Friederici, Michael A. Skeide
MPI für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig
Etwa 5-7% aller Schüler sind von Entwicklungsdyslexie betroffen. Aktuelle Studien zeigen, dass Dyslexieassoziierte pathogenetische Mechanismen zu einer andersartigen Entwicklung von bestimmten
neuroanatomischen Strukturen führen können. Jedoch fehlen bisher longitudinale Studien, die eine
direkte Verbindung zwischen den vorschulischen Auffälligkeiten auf der Gehirnebene und der späteren
Leseleistung untersuchen.
Deshalb wurden in der vorliegenden Studie 53 fünfjährige Kinder mit familiärem Dyslexie-Risiko (N = 25)
und ohne solches Risiko (N = 28) miteinander verglichen. Dabei wurden die graue und die weiße Substanz
sowie die Zusammenhänge mit der Entwicklung der vorschulischen phonologischen Fähigkeiten und mit
dem späteren Schriftspracherwerb untersucht.
Unsere Ergebnisse zeigen, dass Entwicklungsveränderungen in der kortikalen Dicke des linken Gyrus
supramarginalis (SMG), des Gyrus inferior temporalis und der anterioren Nervenfasern des Fasciculus
arcuatus mit der späteren Leseleistung korrelieren. Außerdem zeigte sich, dass eine geringere kortikale
Dicke des SMG mit phonologischen Auffälligkeiten assoziiert ist. Die neuroanatomischen
Entwicklungsveränderungen könnten sich als weiterer Prädiktor für Dyslexie eignen.
10:30 - 11:00
Foyer
11:00 - 11:45
HS 4
KP 4: Kaffeepause
PR 4: Positionsreferat 4. Manuel Schabus (Institut für Psychologie, Universität
Salzburg)
Leitung der Sitzung: Barbara Schober
Erleben und Informationsverarbeitung in veränderten Bewusstseinszuständen – Eine
neurowissenschaftliche Sicht
Manuel Schabus
Universität Salzburg, Österreich
Bewusstseinsveränderungen treten nach schweren Schädel-Hirn Traumen, aber auch bei gesunden
Menschen auf. Jeder von uns erlebt diese Veränderungen tagtäglich, nämlich beim Einschlafen oder in
Träumen. Die Beurteilung von Wachkomapatienten stellt selbst erfahrene Kliniker vor große
Herausforderungen. Besonders beunruhigend ist dabei die Tatsache, dass Wachkoma-Patienten in ihrem
bewussten Erleben oft unterschätzt werden. Unsere Forschung versucht daher mittels
neurowissenschaftlicher Methoden (EEG/fMRI) direkt den Zustand des Gehirns zu erfassen.
Drei konkrete Forschungsfragen stehen dabei im Fokus. Erstens, erlaubt spontan auftretende
Gehirnaktivität prognostische Aussagen in nicht-kommunikativen Patienten? Zweitens, können
tageszeitliche Schwankungen (Zirkadianik) die Reaktionsfähigkeit und bewusste Verarbeitung
vorhersagen? Drittens, in wie weit ist Kognition bzw. Informationsverarbeitung in „unbewussten
Zuständen“ (Wachkoma, Schlaf, perinatal) möglich bzw. verändert?
Zusammenfassend soll unsere Forschung somit beitragen einen tieferen Einblick in das Mysterium des
menschlichen Bewusstseins zu erhalten
11:45 - 12:30
HS 4
PR 5: Positionsreferat 5. Merim Bilalic (Institut für Psychologie, Universität Klagenfurt)
Leitung der Sitzung: Barbara Schober
Warum gute Gedanken bessere blockieren
Merim Bilalic
Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Österreich
Die hocheffiziente Orientierung im Alltagsleben ist im höchsten Maße mit Erfahrungswerten verbunden.
Gute Gedanken kommen aus der Erfahrung, beziehungsweise aus dem Gedächtnis, das die Erfahrung
speichert und in den geeigneten Situationen abrufbar macht. Diese normalerweise hilfreiche Besonderheit
unserer Kognition kann uns auch zu Fehlern verleiten. In seltenen Situationen, in denen der erste
Gedanke nicht der beste ist, kann es passieren, dass der erste Gedanke einen blind macht. Die
Aufmerksamkeit wird dann auf Einzelheiten der Situationen gelenkt, die mit dem Gedanken
übereinstimmen. Die anderen, für die Situation noch wichtigeren Details, werden nicht berücksichtigt, da
sie nicht mit dem ersten Gedanken übereinstimmen. Hier möchte ich zeigen, dass dieser
Einstellungsmechanismus (das aktivierte Gedächtnis leitet die Aufmerksamkeit auf die kongruenten
Elemente in der Umgebung und beeinflusst damit die Wahrnehmung der Situation) ein Bestandteil
menschlicher Kognition ist. Um das zu machen, werde ich Experimente sowohl im alltäglichen Leben als
auch in spezialisierten Expertise-Gebieten vorstellen.
12:30 - 14:00
MP: Mittagspause
12:30 - 14:00
JW-L: Lunchsymposium JungwissenschaftlerInnen: Smalltalk in conference situations
(12.30 - 13.50)
Achtung! Teilnahme nur nach Anmeldung bis zum 15.3.2016 möglich! Anmeldung hier
HS 3
14:00 - 15:30
Mehrzweckraum
In diesem Workshop mit Martin Buxbaum von der Universität Wien geht es darum, wie sich junge WissenschaftlerInnen
gewinnbringend in informellen Situationen vernetzen können. Da das Symposium in der Mittagspause stattfindet, wird
für jede/n angemeldete/n Teilnehmer/in ein Lunchpaket zur Verfügung gestellt.
SY 2-01: Symposium 2-01
Bindungsdiagnostik bei psychopathologischen Störungsbildern
Chair(s): Anna Buchheim (Institut für Psychologie, Universität Innsbruck)
Diskutant(en): Anna Buchheim (Universität Innsbruck)
Longitudinalstudien und retrospektive Erhebungen zeigen, dass früh einwirkende Stressfaktoren wie z. B.
unsichere Bindungserfahrungen sowie traumatische Erfahrungen Langzeitfolgen für psychische
Erkrankungen haben. Im Bereich der Bindungsforschung lassen sich zwei Hauptlinien zur
Bindungsdiagnostik aufzeigen. Zum einen in der Entwicklungspsychologie und klinischen Psychologie in
deren Kontext das Adult Attachment Interview (George et al 1995) und das Adult Attachment Projective
Picture System (George & West 2012) entwickelt wurden. Beide Instrumente eignen sich dazu,
unbewusste, strukturelle Aspekte der Bindungsorganisation valide und reliabel zu erfassen. Zum zweiten
entstanden in der Sozial- und Persönlichkeitspsychologie Fragebogenmethoden zur Erfassung von
subjektiv eingeschätzten Bindungsstilen. In diesem Symposium werden Studien zum Einsatz der
Bindungsdiagnostik
bei
Patienten
mit
Angststörungen,
Depressionen,
BorderlinePersönlichkeitsstörungen sowie bei jugendlichen Patientinnen mit Essstörungen und Depression
vorgestellt. In den Vorträgen werden bindungsspezifische Aspekte bei den jeweiligen Störungsbildern
herausgearbeitet und über den fruchtbaren Einsatz der Bindungsdiagnostik in der Klinischen
Grundlagenforschung und in der Psychotherapieforschung berichtet.
Beiträge des Symposiums
Bindungstraumata im Adult Attachment Interview (AAI) bei Patientinnen mit
Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Angststörungen
Simon Kindl1, Dan Pokorny2, Jana Jurkowitsch1, Anna Buchheim1
1
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 2Universitätsklinikum Ulm
Hintergrund: Im Rahmen der Studie (gefördert vom Vizerektorat für Forschung) erfolgte ein
systematischer Vergleich berichteter traumatischer Bindungserfahrungen von Patientinnen mit einer
Borderline-Persönlichkeitsstörung, Angstpatientinnen und einer gesunden Kontrollgruppe anhand
ermittelter Narrative des Adult Attachment Interviews (AAI).
Methode: Auf der Basis von Befunden der Literatur zu traumatischen Erfahrungen bei diesen
Patientengruppen wurde ein Kategoriensystem entwickelt, das eine Differenzierung von Art und
Parameter (wie z.B . Dauer, Begleitumstände) traumatischer Erfahrungen in den AAI-Interviews
ermöglicht. Dieses System wurde bei n = 139 AAI-Interviews angewandt (n=56 Borderline-Patientinnen,
n=53 Angstpatientinnen und n=30 Kontrollprobandinnen). Das Kategoriensystem wies dabei eine
zufriedenstellende Interrater-Übereinstimmung auf.
Ergebnisse und Diskussion: Erste Ergebnisse der Studie zeigen eine insgesamt deutlich höhere Rate an
Traumatisierung, insbesondere an körperlicher Vernachlässigung, Trennungserfahrungen, emotionaler
Misshandlung sowie sexuellem Missbrauch der Borderline-Patientinnen im Vergleich zu den anderen
Gruppen. Es soll mit diesem Ansatz eine Untersuchung der differentiellen Relevanz traumatischer
Erfahrungen und ihrer innerpsychischen Verarbeitung auf der Grundlage der klinischen Bindungstheorie
ermöglicht werden.
Einfluss und Veränderung von Bindungsrepräsentation und Bindungsstil in der
Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) zur Behandlung der BorderlinePersönlichkeitsstörung (BPS)
Dorothee Bernheim1, Manuela Gander2, Mathias Becker3, Renate Mentel3, Jörg Fegert1, Harald
Freyberger3, Anna Buchheim2
1
Universitätsklinikum Ulm, 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 3Universität Greifswald
Hintergrund: In dieser Studie wurde Einfluss und Veränderung von Bindungsrepräsentation und
Bindungsstil bei Patientinnen mit BPS während einer ambulanten Dialektisch-Behavioralen Therapie
(DBT) untersucht.
Methode: n=26 BPS-Patientinnen und n=26 gesunde Kontrollprobandinnen wurden hinsichtlich ihrer
Bindungsrepräsentation mit dem Adult Attachment Projective Picture System (AAP, George & West 2012)
erfasst. Alle Patientinnen erhielten eine ambulante DBT über ein Jahr. Es wurden der Einfluss der
Bindungsrepräsentation (AAP) und die Veränderung des Bindungsstils (Adult Attachment Questionaire;
ASQ) im Interventionsverlauf erhoben.
Ergebnisse und Diskussion: BPS-Patientinnen wurden häufiger als „desorganisiert“ klassifiziert als
gesunde Probandinnen (AAP). Patientinnen mit organisierter Bindungsrepräsentation zeigten eine höhere
Selbstwirksamkeit, aber auch eine höhere Depressivität als Patientinnen mit desorganisierter Bindung.
Nach einjähriger DBT remittierten interpersonelle- (IIP-C) und bindungsspezifische Probleme (ASQ). Die
Bindungsklassifikation und die Höhe an Beziehungsqualität in den erzählten AAP-Narrativen
beeinflussten den Therapieverlauf signifikant. Die Veränderungen des Bindungsstils während der DBTIntervention werden vor dem Hintergrund bisheriger Befunde in verschiedenen Interventionsansätzen
diskutiert.
Unterscheidung von chronischer und episodischer Depression anhand ihrer
Reaktionen auf sozialen Ausschluss unter Berücksichtigung der
Bindungsrepräsentation
Christine Bauriedl-Schmidt1, Andrea Jobst1, Manuela Gander2, Elias Seidl1, Lena Sabaß1, Nina
Sarubin1, Babette Renneberg3, Frank Padberg1, Anna Buchheim2
1
Ludwig Maximilian Universität München, 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 3Freie
Universität Berlin
Hintergrund: Die chronische Depression ist im Vergleich zur episodischen Depression gekennzeichnet
durch stärkere emotional-kognitive und funktionelle Beeinträchtigungen der Patienten. Sie kann als
Entwicklungsstörung aufgefasst werden, die aufgrund interpersonaler Traumatisierungen mit vorwiegend
unsicheren Bindungsrepräsentationen und affektiver Dysregulation einhergeht. Stressvolle Erfahrungen
des sozialen Ausschlusses können sozialen Schmerz und depressive Reaktionen auslösen.
Methode: Es wurde an insgesamt n=76 Probanden (n=27 chronisch und n=22 episodisch depressive
Patienten sowie n=27 Gesunde) eine vergleichende Studie durchgeführt. Erstmals wurden die
emotionalen Reaktionen auf das soziale Ausschlussparadigma Cyberball (Williams 2007) in Abhängigkeit
der jeweiligen Bindungsrepräsentationen, erfasst mit dem Adult Attachment Projective Picture System
(George & West 2012), untersucht.
Ergebnisse und Diskussion: Die Hypothese bestätigte sich, dass die chronisch depressiven Probanden
mit einer desorganisierten Bindungsrepräsentation (d. h. unverarbeitetem Trauma) auf den sozialen
Stressor besonders beeinträchtigt reagierten (z. B. anhaltende Verzweiflung, Traurigkeit, Einsamkeit).
Diese Reaktionen könnten als spezifische Indikatoren für eine emotionale Dysregulation interpretiert
werden.
Bindungsspezifische Aspekte bei Jugendlichen mit Essstörungen und Depression
Manuela Gander1, Kathrin Sevecke2, Anna Buchheim1
1
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 2Medizinische Universität Innsbruck
Hintergrund: Ziel der Pilotstudie war ein Vergleich von Bindungsrepräsentationen und traumatischen
Erfahrungen bei stationären adoleszenten Patienten mit Essstörungen und Depression.
Methoden: Zur Erfassung der Bindungsrepräsentation wurde das Adult Attachment Projective Picture
System (AAP, George & West) eingesetzt. Subjektiv traumatische Erlebnisse wurden mit dem Childhood
Trauma Questionnaire (CTQ) untersucht. Insgesamt wurden 39 Patienten in die Studie eingeschlossen
(n=22 Patienten mit Essstörung, n=17 Patienten mit Depression).
Ergebnisse und Diskussion: Bindungsdiagnostisch zeigte sich eine Überrepräsentation des
desorganisierten Bindungsstatus (unverarbeitetes Trauma) bei beiden Störungsgruppen (Essstörungen
59%, Depression 64%). Bei der Essstörungsgruppe traten gehäuft emotional dysregulierende Themen
wie Isolation und Leere in den AAP-Narrativen auf, bei Depressiven überwiegend Themen aus dem
Bereich der Hilflosigkeit. Jugendliche mit einem desorganisierten Bindungsstatus zeigten erhöhte Werte
im emotionalen Missbrauch (CTQ), wobei die Essstörungsgruppe signifikant häufiger von sexuellem
Missbrauch berichtete. Diese bindungsspezifischen Unterschiede könnten Implikationen für den Verlauf
der Erkrankung und die Behandlung von Jugendlichen mit Essstörungen und Depression haben.
14:00 - 15:30
HS 2
SY 2-02: Symposium 2-02
Wie gehen wir mit Bedrohungen um? Neuronale Reaktionen und behaviorale
Konsequenzen (Teil 2)
Chair(s): Katja Corcoran (Karl-Franzens Universität Graz)
Auch im zweiten Teil des Symposiums betrachten wir unterschiedliche Formen der Bedrohung und die
Reaktionen darauf. Diesmal stehen Konsequenzen auf der Verhaltensebene, die nicht nur individuelle,
sondern auch gesellschaftliche Bedeutung haben können, im Vordergrund. Zudem werden Eigenschaften
der Personen und der Bedrohungssituation als Moderatoren einbezogen.
Prokhorova und Jonas zeigen, dass erlebte Ungerechtigkeit genauso wie andere Bedrohungen zunächst
einen Zustand der ängstlichen Gehemmtheit auslöst, jedoch keine mit der Bedrohung unverbundenen
Reaktionen zur Überwindung dieses Zustandes hervorruft. Die Beiträge von Anslinger, Athenstaedt und
Corcoran und von Uhl, Jonas und Klackl untersuchen, wie die Formulierung bei der Konfrontation mit
einer Bedrohung (Geschlechterungerechtigkeit bzw. Klimawandel) die Reaktion beeinflusst und welche
Rolle dabei die Persönlichkeit des/der Bedrohten spielt. Bei Aydin und Kollegen steht dagegen die Person,
die eine Bedrohung erzeugt, als Moderator im Vordergrund. Sie zeigen, dass Exkludierung durch eine
attraktive Person im Vergleich zu einer weniger attraktiven Peron eine weniger aggressive Reaktion
hervorruft.
Beiträge des Symposiums
Ungerechtigkeit als Bedrohung: Schrittweise Reaktionen auf Ungerechtigkeit
Elizaveta Prokhorova, Eva Jonas
Universität Salzburg
Erlebnisse von Ungerechtigkeit werden als Bedrohung wahrgenommen, da sie eine Diskrepanz zwischen
einem erwarteten bzw. gewünschten und einem tatsächlichen Ereignis darstellt. Nach dem Process Model
of Threat and Defense (Jonas et al., 2014) aktivieren Bedrohungen zunächst das Behaviorale
Inhibitionssystem (BIS), welches zu einem Zustand ängstlicher Gehemmtheit führt. Um diesen negativen
Zustand zu überwinden, können Personen mit von der Quelle der Bedrohung unabhängigen
Verteidigungsstrategien, wie z.B. Ethnozentrismus, reagieren. Die aktuellen Studien sollen prüfen, ob
diese Prozesse auf Ungerechtigkeitsbedrohungen generalisierbar sind.
Studie 1 untersucht, ob Ungerechtigkeit typische BIS Emotionen auslöst. Die Ergebnisse in zwei
verschiedenen kulturellen Kontexten zeigen, dass Ungerechtigkeit zum Gefühl einer Diskrepanz und zu
Angst führt.
Studien 2 und 3 bestätigen die Wirkung von wahrgenommener Ungerechtigkeit auf das Erleben von
Angst. Entgegen unserer Hypothese wurde jedoch kein Effekt von Ungerechtigkeit und der darauf
folgenden Angst auf Ethnozentrismus (Studie 2) oder eine härtere Bestrafung von Verbrechen (Studie 3)
gefunden.
Systembedrohung vs. Systemerhaltung als Beweggründe zur Unterstützung von
Gleichstellungsmaßnahmen
Julian Anslinger1, Ursula Athenstaedt2, Katja Corcoran2
1
Universität Bielefeld, CITEC, 2Universität Graz
Auch heute sind Frauen und Männer in Österreich noch nicht komplett gleichgestellt. Aus
sozialpsychologischer Sicht bietet die System Justification Theory (SJT) eine mögliche Antwort auf die
Frage, warum sich nicht mehr Menschen aktiv für Gleichstellung einsetzen. Die SJT geht davon aus, dass
Personen motiviert sind, den Status Quo zu rechtfertigen, zu rationalisieren, zu unterstützen und
aufrechtzuerhalten, um Dissonanz, Angst und Unsicherheit zu reduzieren. Wird ein System kritisiert, also
Überzeugungen bedroht, steigt die Motivation zur Rechtfertigung. In der vorliegenden Studie wurde
angenommen, dass dieser Prozess die Forderung nach Gleichstellungsmaßnahmen erschwert. Um dem
entgegenzuwirken, wurde versucht das Bedürfnis zur Systemerhaltung auszunutzen und Personen zur
Verfolgung von Geschlechtergerechtigkeit zu motivieren. Hierfür wurden 480 ÖsterreicherInnen in einer
Online-Studie untersucht. Es wurde erwartet, dass Forderungen die system-erhaltend formuliert sind,
Personen stärker zur Geschlechtergerechtigkeit motivieren als system-bedrohende Forderungen. Das
nicht-hypothesenkonforme Studienergebnis soll mittels Integration der SJT in das General model of threat
and defense erklärt werden.
Mobilisierung durch Klimawandelinformationen? Der Einfluss von
Persönlichkeitseigenschaften und Nachrichten Framing auf Bedrohungsreaktionen.
Isabella Uhl, Eva Jonas, Johannes Klackl
Universität Salzburg
Häufig wird versucht, durch das Aufzeigen von bedrohlichen Klimawandelkonsequenzen
umweltfreundliches Verhalten zu fördern. Nach dem General model of threat and defense (Jonas et al.,
2014) kann eine Konfrontation mit einer Bedrohung jedoch zu verschiedenen, teilweise überraschenden
Reaktionen führen. Die Reaktionen können entweder einen direkten Zusammenhang mit der
Bedrohungsquelle Klimawandel haben (z.B. umweltfreundliches Verhalten), aber auch symbolisch sein
und keinerlei Bezug zur Bedrohung haben (z.B. Aufwerten der Eigengruppe). Wir präsentieren empirische
Ergebnisse darüber, welche Faktoren (z.B. Persönlichkeitseigenschaften) Einfluss darauf haben, wie
Personen nach dem Lesen von Klimawandelinformationen reagieren (direkt vs. symbolisch). So lösen
beispielsweise Personen mit hohem Interesse an der Klimawandelthematik bzw. einer hohen
biosphärischen Wertausprägung das unangenehme Bedrohungsgefühl durch umweltfreundliches
Verhalten (=direkt). Personen mit niedrigem Interesse hingegen, begegnen der Bedrohung durch höheren
Ethnozentrismus (=symbolisch). Darüber hinaus wird ein interkultureller Vergleich (Österreich und
Argentinien) des Prozess vorgestellt und praktische Implikationen für die Klimawandelkommunikation
diskutiert.
Safe in Beauty? Soziale Exkludierung, physische Attraktivität und antisoziale
Reaktionen
Nilüfer Aydin1, Maria Agthe2, Michaela Prundmair2, Dieter Frey2, Nathan DeWall3
1
Universität Klagenfurt, 2LMU MÜnchen, 3University of Kentucky
Experimentell angelegte Forschung hat wiederholt gezeigt, dass nach sozialer Exkludierung sowohl
antisoziale als auch prosoziale Reaktionen seitens der sozial exkludierten Person möglich sind. In vier
Laborstudien wurde nun untersucht, ob die physische Attraktivität der exkludierenden Person einen
Einfluss auf die Reaktionen nach sozialer Exkludierung ausübt und damit den Zusammenhang zwischen
sozialer
Exkludierung und Aggression bzw. prosozialem Verhalten moderiert. Es zeigte sich konsistent, dass
soziale Exkludierung, die von einer hochattraktiven Stimulusperson ausging, zu weniger aggressiven und
mehr prosozialen Reaktionen in sozial exkludierten Probanden führte, als soziale Exkludierung, die durch
eine (vergleichsweise) weniger attraktive Stimulusperson erfolgte (Studien1-4). Des Weiteren konnte
gezeigt werden, dass die Interaktion zwischen sozialer Exkludierung und physischer Attraktivität durch
die wahrgenommene Beliebtheit der exkludierenden Person mediiert wurde (Studie 3).
14:00 - 15:30
HS 3
SY 2-03: Symposium 2-03
Organisationale und individuelle Einflüsse auf die psychische Gesundheit der
Beschäftigten
Chair(s): Jürgen Glaser (Universität Innsbruck)
Human gestaltete Arbeit fördert die Motivation und Kompetenz sowie die Gesundheit der Beschäftigten.
Von dieser Maxime sind die Forschungsbeiträge in diesem Symposium geleitet. Ausgehend von gut
etablierten Zusammenhängen zwischen psychischen Belastungen in der Arbeit und Indikatoren der
Gesundheit werden weiterführende Perspektiven eingenommen. Humane Arbeit befriedigt menschliche
Grundbedürfnisse, indem sie Möglichkeiten zu Autonomie, Lernen und Kooperation bietet. Es ist davon
auszugehen, dass gute gestaltete Arbeit auch nach dem Erwerbsarbeitsleben noch positive (Nach)Wirkungen für die Gesundheit hat. Jenseits des „Dürfens“ spielt heutzutage aber auch ein bestimmtes
„Können“ eine wichtige Rolle. Die Kompetenz zur Selbstführung als individuelle Ressource wird näher
beleuchtet. In interaktiven Dienstleistungen mit Klienten ist Emotionsregulation für die Balance von
empathischer Zuwendung und professioneller Abgrenzung eine wichtige gesundheitsförderliche
Kompetenz. Die heutige Arbeit stellt zunehmend auch Flexibilitätsanforderungen, die zu entgrenztem
Arbeiten führen können. Solche veränderten Arbeitsbedingungen und damit verbundene Risiken für die
Lebensführung und Gesundheit werden im Symposium ebenfalls erläutert und diskutiert.
Beiträge des Symposiums
Mehr als Burnout und Engagement: Anwendung der Selbstbestimmungstheorie auf
das Stressoren-Ressourcen Modell der Arbeitsgestaltung
Severin Hornung1, Christian Seubert2, Matthias Weigl3, Jürgen Glaser2
1
Universität Innsbruck, Universität München, 2Universität Innsbruck, 3Universität München
Mit Bezugnahme auf die Selbstbestimmungstheorie der Motivation (Self-Determination Theory) wird eine
Variation des Stressoren-Ressourcen Modells der Arbeitsgestaltung (Job Demands-Resources Model)
entwickelt und die Ergebnisse einer empirischen Überprüfung des integrierten Modells berichtet. Hierzu
wurden Fragebogendaten von N = 1008 Beschäftigten einer öffentlichen Verwaltung pfadanalytisch
ausgewertet. Stressoren und Ressourcen wurden als Hindernisse bzw. Möglichkeiten zur Erfüllung
grundlegender psychologischer Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Einbindung in der
Arbeit konzeptualisiert und operationalisiert. Stress- und Motivationsprozess wurden mittels kurz- und
längerfristiger bzw. proximaler und distaler negativer (Irritation, psychosomatische Beschwerden) und
positiver Arbeitswirkungen (Arbeitsmotivation, organisationale Bindung) modelliert. Ergebnisse
unterstützen sowohl die relative Unabhängigkeit der beiden Prozesse als auch die chronologischsequentielle Anordnung der Konstrukte. Organisationale Entfremdung wurde als längerfristiger
demotivierter Beanspruchungszustand am Schnittpunkt beider Prozesse bestätigt. Entsprechend den
Kernannahmen der Selbstbestimmungstheorie wurden Arbeitsauswirkungen durch individuelle
Unterschiede in Autonomieorientierung beeinflusst. Limitierungen, weiterführende Forschungsansätze
sowie Implikationen für eine persönlichkeitsförderliche und beeinträchtigungsarme Gestaltung von Arbeit
werden diskutiert.
Gesundheit und Wohlbefinden im dritten Lebensabschnitt – zur Rolle der früheren
Erwerbsarbeit
Anna Iwanowa
Universität Innsbruck
Empirische Belege weisen immer wieder Zusammenhänge zwischen Inhalt und Bedingungen der
Erwerbsarbeit einerseits und Gesundheit und Wohlbefinden der Arbeitenden andererseits auf.
Ressourcen in der Arbeit gehen mit wenig psychosomatischen Beschwerden, guter allgemeiner
Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Wohlbefinden einher. Entgegengesetzt bestehen hoch signifikante
Zusammenhänge zwischen Stressoren aus Arbeit und Organisation und somatischen, psychischen und
Verhaltensindikatoren der Gesundheit und des Wohlbefindens. Kann es sein, dass diese
Zusammenhänge auch nach dem Beenden des aktiven Arbeitslebens weiterbestehen? Vorgestellt
werden Ergebnisse der Überprüfung dieser Fragestellung anhand einer Zufallsstichprobe von 365
Personen im Alter über 65 Jahre, die bereits im Ruhestand sind. Analysiert werden auch das
Freizeitverhalten, der allgemeine Gesundheitszustand, die Lebenszufriedenheit und die
Selbstwirksamkeitserwartung der Pensionist/innen. Trotz gewisser methodischer Probleme der
retrospektiven Erhebung der Arbeitsmerkmale lässt sich feststellen, dass die Ressourcen der früheren
Erwerbsarbeit eindeutig mit besserer Gesundheit und Wohlbefinden einhergehen.
Zur Rolle von Self-Leadership als persönliche Ressource in einem integrierten Modell
von psychischen Belastungen und Beanspruchungsfolgen der Arbeit
Christian Seubert1, Severin Hornung2, Jürgen Glaser1
1
Universität Innsbruck, 2Universität Innsbruck, Universität München
Moderne Arbeitssysteme bieten mehr Möglichkeiten für persönliches Wachstum, bergen aber auch
erhöhte Risiken für Gesundheitsbeeinträchtigungen. Ersteres zu fördern und Letzteres zu verhindern, ist
eine Kernaufgabe der psychologischen Arbeitsgestaltung. Während verhältnispräventive Maßnahmen oft
an Widerständen in Organisationen scheitern, sind verhaltenspräventive Maßnahmen, die auf die
Stärkung persönlicher Ressourcen abzielen, leichter umzusetzen. Aufbauend auf einem integrierten
Modell von psychischen Belastungen und Beanspruchungsfolgen in der Arbeit, das theoretisch in der
Handlungsregulationstheorie verankert ist, wird der Einfluss von Self-Leadership als persönliche
Ressource auf Zusammenhänge zwischen Arbeitsbedingungen und Gesundheitsindikatoren untersucht.
N=410 Angestellte nahmen an der Befragung teil. Tätigkeitsmerkmale und gesundheitsbezogene
Indikatoren wurden mithilfe valider Skalen erhoben. Self-Leadership wurde mit dem SLSI untersucht,
einem neuen Verfahren, welches Mängel früherer Verfahren behebt. Die Ergebnisse bestätigen die
Nützlichkeit von Self-Leadership als persönliche Ressource, die es ermöglicht, in modernen
Arbeitssystem erfolgreich tätig zu sein und gesund zu bleiben.
Das Verhältnis von Abgrenzungsfähigkeit und empathischer Anteilnahme in
Zusammenhang mit der psychischen Gesundheit von MitarbeiterInnen im
Humandienstleistungsbereich
Bettina Lampert, Jürgen Glaser
Universität Innsbruck
In der Arbeit mit KlientInnen ist Emotionsregulation ein wichtiger Bestandteil eines gelingenden
Dienstleistungsprozesses. Die Studie untersucht die gesundheitsförderliche Relevanz von Detached
Concern (DC), einem dynamischen Ausbalancieren von empathischer Anteilnahme und Abgrenzung in
der Emotionsregulation zwischen MitarbeiterInnen mit KlientInnen.
Auf Basis eines
Selbstbeurteilungsfragebogens wurden N=1144 MitarbeiterInnen im Humandienstleistungsbereich
befragt und die interaktiven Effekte der beiden DC Dimensionen in Bezug zu Burnout untersucht. Die
Ergebnisse der polynomialen Regressionsanalysen zeigen, dass kongruent hohe Werte beider DCDimensionen mit signifikant niedrigeren Burnoutwerten einhergehen. Ein erhöhtes Risiko emotionaler
Erschöpfung zeigt sich bei niedriger Abgrenzungsfähigkeit und gleichzeitig geringer empathischer
Anteilnahme, ebenso wenn die empathische Anteilnahme die Abgrenzungsfähigkeit übersteigt. Das
Risiko von Depersonalisation steigt an, je mehr die Abgrenzungsfähigkeit die empathische Anteilnahme
in der Arbeit übersteigt. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer gelingenden
Emotionsregulation unter der Voraussetzung von hoher empathischer Anteilnahme gegenüber
KlientInnen gekoppelt mit hoher Abgrenzungsfähigkeit als Schutzfaktor für die Mitarbeitergesundheit.
Gesund bleiben trotz entgrenzter Arbeit
Jürgen Glaser, Esther Palm
Universität Innsbruck
Informations- und Kommunikations- (I&K-) Technologien haben auch im Arbeitskontext Einzug gehalten
und zur Verbreitung raum-zeitlich entgrenzter Arbeit geführt. In einigen Berufen ist Arbeit an jedem Ort
und zu jeder Zeit möglich. Folgen solcher Veränderungen für die Gesundheit der Beschäftigten sind
bislang unzureichend untersucht. Auf Basis von zwei Längsschnittstudien (N=917; T1-T2=1 Monat bzw.
N=170; T1-T2=1 Jahr) wird zeigt, dass die Verbreitung entgrenzter Arbeit stark branchenabhängig ist.
Flexibilitätsanforderungen seitens der Arbeitgeber gehen mit entgrenztem Arbeiten und Erreichbarkeit
außerhalb der regulären Arbeitszeit einher. Entgrenztes Arbeiten geht wiederum mit schlechterer Life
Domain Balance und Befindensbeeinträchtigungen einher. Individuelle Präferenzen und Kontrollerleben
hinsichtlich entgrenzter Arbeit spielen dabei ebenso wie organisationale Normen eine Rolle.
Veränderungen, die mit der Verbreitung von I&K-Technologien in der Arbeitwelt einhergehen, sollten in
den Betrieben thematisiert werden. Potenzielle Folgen für die Lebensbereiche und die Gesundheit sollten
ebenso berücksichtigt werden wie die Praktiken der Vorsetzten und Kollegen (organisationale Normen)
entgrenzt zu arbeiten.
14:00 - 15:30
HS 4
SY 2-04: Symposium 2-04
Aktuelle Themen der psychologischen Weisheitsforschung 2: Methodische Aspekte
Chair(s): Judith Glück (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt)
Diskutant(en): Tuulia M. Ortner (Universität Salzburg)
Nach wie vor wird intensiv darüber diskutiert, wie Weisheit valide und reliabel gemessen werden kann.
Selbstberichtsfragebögen sind für Einstellungsaspekte von Weisheit durchaus, für Kompetenzaspekte
jedoch nur sehr begrenzt geeignet. Andererseits weist die Kompetenzmessung anhand von
Weisheitsaufgaben mit offenen Antwortformaten neben dem hohen Aufwand auch einige methodische
Schwierigkeiten auf. Im Symposium werden relevante aktuelle Ergebnisse zur Weisheitsmessung
dargestellt. Lara Dorner stellt einen neuen Fragebogen zur verkörperten Selbstwahrnehmung, einer
potentiellen Entwicklungsressource von Weisheit vor, Michaela Pötscher-Gareiss einen Fragebogen zur
Erfassung der weisheitsbezogenen Ressourcen des MORE Life Experience-Modells. Andreas Scherpf
geht auf sprachliche Charakteristika weiser und weniger weiser Antworten in Interviews über
Lebensereignisse ein. Kiehlor Mack hat sich experimentell mit Einflüssen der Zuschreibung von Weisheit
auf die Beurteilung von Texten befasst. Dominik Holzer hat untersucht, inwieweit die Beurteilung von
Weisheit in Gesprächssituationen von Aspekten der Sympathie und Einstellungsähnlichkeit beeinflusst
wird. Tuulia Ortner (Universität Salzburg) wird die Beiträge diskutieren.
Beiträge des Symposiums
Entwicklung eines Fragebogens zur verkörperten Selbstwahrnehmung
Lara Dorner
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Es wird angenommen, dass verkörperte Selbstwahrnehmung (Fogel, 2013; Geuter, 2015) eine
psychologische Ressource ist, welche Menschen im Sinne des MORE Life Experience Models (Glück &
Bluck, 2014) hilft, Lebensereignisse in einer wachstumsförderlichen Weise wahrzunehmen, handzuhaben
und in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren. Verkörperte Selbstwahrnehmung meint, den Körper
und die eigenen Bewegungen, Empfindungen und Gefühle wahrzunehmen, sich mit ihnen
auseinanderzusetzen, sie verstehen und deuten zu können sowie ihren Botschaften zu vertrauen und in
Einklang mit ihnen zu handeln. Um diese Hypothesen zu testen, wurde ein Selbstberichtfragebogen
entwickelt. Hierfür wurden theoriegeleitet Items formuliert, welche nach einem Mixed-Methods-Ansatz
(Koller, Levenson & Glück, in Vorbereitung) zunächst von acht Weisheits- und MethodenexpertInnen
unabhängig voneinander einzelnen theoretischen Unterdimensionen zugeordnet wurden. Die Ergebnisse
dieser Pilotstudie führten zur Überarbeitung der Itemzuordnung sowie der inhaltlichen Struktur des
Konstrukts. Mit einer Studierendenstichprobe wurde der Fragebogen faktorenanalytisch untersucht, um
ihn schließlich der (Nominierungs-)Stichprobe des aktuellen Forschungsprojekts vorzugeben.
Entwicklung eines Selbstberichtsfrageboges zur Messung der MORE-Ressourcen
Michaela Pötscher-Gareiss1, Judith Glück2
1
Pädagogische Hochschule Kärnten, 2Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Während unseres Lebens werden wir alle mit schwierigen Lebensereignissen konfrontiert. Das MORE
Life Experience Modell (Glück & Bluck, 2014) postuliert fünf psychologische Ressourcen, die nicht nur die
Bewältigung solcher Ereignisse, sondern auch die Entwicklung von Weisheit fördern: Mastery, Offenheit,
Reflektivität, Empathie und Emotionsregulation.
Ziel der vorliegenden Studie war es, einen Selbstberichtsfragebogen zur Operationalisierung dieser fünf
Ressourcen zu entwickeln, wobei ein Hauptfokus bei Testkonstruktion auf der häufig vernachlässigten
Inhaltsvalidität lag. Ein großes Set an Items wurde theoriegeleitet konstruiert. Jedes Item wurde von
ExpertInnen analysiert und den jeweiligen Skalen unter Berücksichtigung interkorrelierender Faktoren
zugeordnet. 86 Items wurden dann einer Stichprobe (N = 522; Alter 16-85 Jahre) vorgegeben und die
Skalen testtheoretisch und faktorenanalytisch überprüft. Danach verblieben 25 Items im
Selbstberichtsfragebogen. Dieser wurde an einer Vergleichsstichprobe (N=239, Alter 18-76)
kreuzvalidiert. Die Ergebnisse der Kreuzvalidierung stützen unsere theoretischen Annahmen und liefern
durchwegs gute Ergebnisse hinsichtlich Validität und Reliabilität.
Dogmatischer Sprachstil als möglicher Indikator in der Weisheitsforschung
Andreas Scherpf
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Dogmatische Menschen zeichnen sich nach Rokeach (1960) durch ein geschlossenes
Überzeugungssystem aus, welches das objektive Bewerten neuer Informationen erschwert oder
unmöglich macht. Ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit orientiert sich an Vorurteilen und vor allem an
Normen und Autoritäten. Dogmatismus ist somit in mehrfacher Hinsicht mit Weisheit unvereinbar.
Aufbauend auf dem Dogmatismus-Konzept von Rokeach (1960) vermutete Ertel (1972), dass
dogmatische Menschen ein stark ausgeprägtes Bedürfnis danach haben, ihr eigenes
Überzeugungssystem möglichst kongruent mit ihrer Interpretation der Wirklichkeit zu halten und dass sich
diese Neigung dann auch in ihrer Wortwahl abzeichnen würde.
In der vorliegenden Studie wurde die Hypothese getestet, dass die relative Häufigkeit dogmatischer
Ausdrücke („zweifellos“, „immer“, „selbstverständlich“) in autobiographischen Interviews negativ mit
Weisheitsmaßen korreliert ist. In einer Analyse von 100 Interviewtranskripten, die im Rahmen eines
aktuellen Forschungsprojekts entstanden sind, zeigten sich signifikante Korrelationen zwischen der
Häufigkeit dogmatischer Ausdrücke und den Weisheitsratings der Interviews sowie den Scores der
interviewten Personen in Weisheitsfragebögen.
Die Rolle von Sympathie und Einstellungsähnlichkeit bei der Beurteilung von
Weisheit
Dominik Holzer
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
In der Weisheitsforschung wird ein Aspekt oft außer Acht gelassen: Wonach beurteilen wir im alltäglichen
Zusammenleben die Weisheit unserer Mitmenschen? Erfolgen solche Einschätzungen tatsächlich in
Übereinstimmung mit psychologischen Weisheitsdefinitionen? Diese Studie ging der Frage nach, ob auch
Variablen wie Sympathie oder ähnliche Lebenseinstellungen unsere Weisheitseinschätzung positiv
beeinflussen. Hierfür wurden 17 Personen anhand eines strukturierten Leitfadeninterviews zu
verschiedensten Themen befragt und anschließend von den InterviewerInnen bezüglich Sympathie,
Einstellungsübereinstimmungen und Weisheit eingeschätzt. Dieselben Interviews wurden anhand der
Transkriptionen erneut vom Studienleiter beurteilt, welcher die VersuchsteilnehmerInnen nie zu Gesicht
bekommen hatte. Anhand dieser Einstufungen wurde nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der
Bewertung gesucht.
Es ergaben sich signifikante Unterschiede zwischen den Weisheitseinschätzungen, die zeigten, dass im
Speziellen Sympathie einen positiven Einfluss auf die Weisheitseinschätzung einer Person ausübt. Der
erste Eindruck einer Person wich selten von allen weiteren Einschätzungen dieser ab. Diese Ergebnisse
haben wichtige Implikationen für die Messung von Weisheit mittels Interviews.
14:00 - 15:30
HS 5
SY 2-05: Symposium 2-05
Werte & Neues aus der Medien- und Sozialpsychologie
Chair(s): Andrea Payrhuber (Uni Wien & Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik)
Die Arbeiten zur Wertepsychologie / Werteforschung, die in diesem Symposium zusammengefasst
werden, beschäftigen sich mit neueren Ergebnissen des zentralen Einflusses von Werthaltungen auf
Themenbereiche der Pädagogik, Medien-, Sozial- und Konsumpsychologie. Hierbei finden sowohl erste
Ergebnisse aus dem European Social Survey (2015), als auch eigene Studien Berücksichtigung, wobei
diese einen Fokus auf Österreich und Deutschland aufweisen.
Grundlage heutiger Forschung bildet ein nicht-hierarchischer Ansatz von S.H. Schwartz mit
Modifikationen von M. Strack.
Werte nehmen hier Einfluss auf Motivation und Intention und somit auf das Verhalten, wobei dieses
wiederum auf Werte (zurück)wirken kann. So können beispielsweise Medieninhalte Teil eines
oszillierenden Prozesses von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Bewertung und Einstellungsbildung sein.
Nach unseren Untersuchungen weisen individuelle Werthaltungen bereits eine genügend hohe Varianz
auf. Sie können die Repräsentation von sozialen Reizen steuern und als differentielles Merkmal
beziehungsweise als Index der Milieuzugehörigkeit fungieren. Daher werden in einem eigenen Ansatz
Teilnehmende der Studien im Wertekreis positioniert und können so in Gruppen zusammengefasst
werden.
Beiträge des Symposiums
Österreich im Wertekreis; Ergebnisse der Welle 7 des European Social Survey
Micha Strack, Norbert Hopf
Uni Göttingen
Im Vergleich mit den Ländern Europas nahmen die Bürger Österreichs in den Jahren 2002-2008 im
Wertekreis aus dem European Social Survey eine auffällig hedonistische Position ein. Für 2010 und 2012
ist Österreich nicht verfügbar. Seit November 2015 sind die Daten der 7. Welle (erhoben August 2014 bis
Juni 2015) veröffentlicht (www.europeansocialsurvey.org) und Österreich hat teilgenommen (n = 728):
Anders als bspw. in Deutschland und viel deutlicher als bspw. in Slowenien sind die Bürger Österreichs
traditioneller geworden. Sich ordentlich zu verhalten und ein starker Staat sind wichtiger, ein aufregendes
Leben und persönlicher Reichtum sind unwichtiger als vor einigen Jahren. Der Beitrag führt mit für das
Symposium relevanten ESS Daten in den Wertekreis ein.
Wertebasierte Persuasion im Umweltbereich
Andrea Payrhuber
Uni Wien & Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik
Eine Studienreihe zum Interesse an Fernsehdokumentationen (2013 – 2015) hat gezeigt, dass diese
maßgeblich von den transportierten Werten abhängig ist. Akzeptanz für die gezeigten Themen und
Zustimmung zu den Argumenten steht in engem Zusammenhang zur individuellen Werthaltunge der
RezipientInnen. In der Untersuchung konnten Werthaltungen die Persuasion durch Dokumentarfilme
maßgeblich moderieren.
Die Werthaltungen wurden mittels des PVQ von Schwartz erhoben, und mit dem Ansatz von Strack, der
auf Daten der ESS referenziert, im Wertekreis positioniert.
In einer Fragebogenerhebung mit experimentellem Design (2015), wurden RezipientInnen von
Fernsehdokumentationen untersucht (n=416), um die Frage nach der Glaubwürdigkeitsbewertung und
dem Hinterfragen der gezeigten Inhalte zu spezifizieren. In den Experimentalgruppen wurde untersucht
ob und wie weit sich die Bewertung der ProbandInnen durch Metainformationen beeinflussen lässt. Die
jeweiligen
Werthaltungen
konnte
dabei
als
differentielles
Merkmal
für
subjektive
Aufmerksamkeitssteuerung, Interpretation dargestellter Argumente und Sachverhalte sowie Bewertung
der Darstellung identifiziert werden. Individuelle Werthaltungen spielen somit auch bei der Untersuchung
von Medienkompetenz eine Rolle.
Best Ager & Jugendliche – Wertedifferenzierte Konsumierende?
Norbert Hopf
Uni Göttingen
Die werberelevanten Zielgruppe, der 14-49 Jährigen, detailreich differenziert und gehypt steht im Fokus
vieler Marketinganstrengungen. Demgegenüber sind Best-Ager (Personen im Alter 50+) eher ungeliebt
und werden oft als homogen und nicht mehr werberelevant eingestuft.
Nur liegen dieser Altersunterscheidung keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte zugrunde, vielmehr
erweist sie sich als hartnäckige Marketinglüge.
Werthaltungen hingegen sind die ursächlichen Treiber des Konsumverhaltens, wie die Ergebnisse zeigen
werden.
In einem eigenen Ansatz wurden Konsumierende im Wertekreis positioniert und zu vier Werte-Typen
zusammengefasst. Diese sollten Marken systematisch verschieden repräsentieren, da individuelle
Werthaltungen, als differentielles Merkmal und Index der Milieuzugehörigkeit, die assimilierte
Repräsentation von sozialen Reizen begünstigen.
Reanalysen der ESS 2002-2014 belegen die Heterogenität von Werthaltungen in jedem Alter.
Eine 50-Plus-Experten und Expertinnen-Studie (n=368) zeigt, den Werthaltungen entsprechend,
unterschiedliche Markenpräferenzen (z.B. Automobilindustrie, Tourismus).
Vertiefend ließen sich in einer Textilstudie die Präferenzen und Einkaufverhalten von Marken und deren
Wertezusammenhänge analysieren. (16-49J.: n=6.810) und (Best Ager: N=3.236)
14:00 - 15:30
HS 6
SY 2-06: Symposium 2-06
Change is coming, now! Von der Replizierbarkeits- und Vertrauenskrise zu Open
Science in der psychologischen Forschung
Chair(s): Martin Voracek (Universität Wien), Frank Renkewitz (Universität Erfurt)
Ab 2011/12 haben unreplizierbare Forschungsbefunde, die Prävalenz fragwürdiger Forschungspraktiken,
Retractions, Betrugsfälle, u.a.m. zur Bewusstwerdung einer Replizierbarkeits- und Vertrauenskrise
(replicability and confidence crisis) in der psychologischen Forschung geführt. Mit der seither erfolgten
Bildung von wesentlichen Informations-Knoten (v.a. in Form etlicher Sonderhefte in wichtigen
Fachzeitschriften) und zahlreichen (v.a. web-basierten) Initiativen zu dieser fundamentalen Thematik
deutet sich aber mittlerweile (2016) sehr konkret bereits ein Übergang von dieser Krise in Richtung einer
notwendigen, umfassenden Reform künftigen Forschungspraxishandelns und des Publizierens überhaupt
an. Die Arbeitsgruppe bietet Ansichten und Aussichten dieser gegenwärtigen Übergangsphase, mit
Implikationen für alle Fächer empirischer psychologischer Forschung. Die 5 Einzelbeiträge thematisieren:
(1) und (2) das Reproducibility Project: Psychology (Interpretationen: Renkewitz; Erfahrungen
teilhabender ForscherInnen: Stieger); (3) und (4) Meta-Analysen (epistemische Vorteile: Kühberger; neue
Methoden: Pietschnig); (5) Zitationsbias als Form von Evidenzverzerrung (Kossmeier).
Beiträge des Symposiums
Das Reproducibility Project: Psychology und seine Deutungen
Frank Renkewitz
Universität Erfurt
Offenkundige Publikationsbiases, deutliche Indizien für die Verbreitung fragwürdiger Forschungspraktiken
und einige dokumentierte Betrugsfälle haben in den vergangenen Jahren zu einer Debatte um die
Replizierbarkeit psychologischer Forschungsbefunde geführt. Den wesentlichen empirischen Beitrag zu
dieser Diskussion lieferte das Reproducibility Project: Psychology (OSC, 2015). In diesem Projekt wurden
100 Studien aus drei renommierten Fachzeitschriften möglichst exakt repliziert. Die Ergebnisse zeigen,
dass es um die Replizierbarkeit psychologischer Befunde tatsächlich besorgniserregend schlecht steht.
Ich werde Vorgehen und Resultate des Projekts darstellen, vor allem aber auf nachfolgende
Interpretationen und Reaktionen eingehen. Dies umschließt alternative Auswertungsmethoden (z.B.
Vorhersageintervalle oder Bayesianische Ansätze), die die Frage nach der Definition einer erfolgreichen
Replikation berühren, stärkere wissenschaftstheoretische Diskussionen (z.B. die Frage nach der
Generalisierbarkeit von Operationalisierungen und Befunden in der Psychologie), aber auch fachpolitisch
motivierte Interpretationen, die bis zur Leugnung eines Problems reichten. In Reaktion auf die
Replikationskrise zeichnen sich dennoch Änderungen der Forschungspraxis ab, die ich ebenfalls
skizzieren werde.
Replikationen im großen Stil: Erfahrungen aus dem Reproducibility Project:
Psychologie am Beispiel von drei exakten Replikationen
Stefan Stieger1, Agnieszka Slowik2, Carina Sonnleitner2, Tim Kuhlmann1, Martin Voracek2
1
Universität Konstanz, 2Universität Wien
Die Replizierbarkeitskrise in der psychologischen Forschung ist seit einigen Jahren ein wiederkehrendes
und bestimmendes Thema. Bislang war aber unklar, wie hoch die Rate nicht-replizierbarer Befunde in
wissenschaftlichen Zeitschriften tatsächlich ist. Das Reproducibility Project: Psychology (RPP) innerhalb
des Open Science Framework (http://osf.io) hat deshalb 100 im Jahr 2008 in drei renommierten
psychologischen Zeitschriften publizierte Artikel repliziert. Am Beispiel von drei exakten Replikationen der
Originalstudien von Albarracín et al. (2008), van Dijk et al. (2008) und Lau et al. (2008) im Rahmen des
RPP sollen sowohl der genaue Ablauf der Replikation beschrieben, als auch Erfahrungen und
Schwierigkeiten mit dem Projekt diskutiert werden. Dies umfasst u.a. die Rekonstruktion des
Versuchsablaufs, Ambiguitäten in der Beschreibung der ursprünglichen Studie und Kontaktaufnahme mit
den OriginalautorInnen. Trotz hoher Objektivität der Replikationen (d.h.: Verwendung der
Originalmaterialien, Einbindung der OriginalautorInnen in den Planungsprozess) und durchwegs hoher
Power (80%, 95%, 93%) konnten die Originalbefunde nicht repliziert werden.
Zur Problematik narrativer Reviews: Ein meta-analytischer Zugang
Anton Kühberger, Thomas Scherndl
Universität Salzburg
Wissenschaft ist eine kollektive und kumulative Unternehmung. Entscheidender Fortschritt wird oft erst
durch die Zusammenfassung und Integration individueller Beiträge erzielt. Dazu gibt es zwei prinzipielle
Zugänge: den narrativen Review und die Meta-Analyse. Wir zeigen einen neuen Zugang: die MetaAnalyse narrativer Reviews. Am Beispiel einer Meta-Analyse der 174 Referenzen eines narrativen
Reviews (Bargh et al., 2012, “Automaticity in social-cognitive processes“; in: Trends in Cognitive
Sciences) zeigen wir, dass die Evidenz für einen Effekt durch einen rein narrativen Review überbewertet
wird. Zu den Schwächen narrativer Reviews zählen unter anderem: Selektion der Studien, Überbewertung
des Signifikanztests, geringe Berücksichtigung von Quantität (Anzahl der Studien) und Qualität
(Stichprobengröße) der Evidenz, sowie Publikationsbias. Narrative Reviews sind daher für die Beurteilung
der empirischen Basis für psychologische Phänomene nur beschränkt geeignet.
Meta-analytische Effektschätzungen mittels p-curving: Eine Methodendemonstration
am Beispiel des Zusammenhangs von In-vivo-Gehirnvolumen und IQ
Jakob Pietschnig1, Jelte M. Wicherts2, Robbie C. M. van Aert2, Martin Voracek1
1
Universität Wien, 2Tilburg University, The Netherlands
Effektüberschätzungen aufgrund selektiven Publizierens besonders starker und signifikanter Effekte sind
mittlerweile wohlbekannte Phänomene der empirischen Forschung. Ansätze zum Umgang mit diesen
Problemen sind insbesondere in der vermehrten Entwicklung neuer Verfahren zur Abschätzung von
Effektverzerrungen und Effektüberschätzungen reflektiert. In der vorliegenden Meta-Analyse
demonstrieren wir anhand eines Beispiels zum Zusammenhang von In-vivo-Gehirnvolumen und IQ (k =
148; N = 8,000+) die Anwendung einer neuartigen Verfahrensgruppe (p-curving) zur Effekt- und
Publikationsbiasschätzung, basierend allein auf den p-Werten signifikanter, publiziert vorliegender
Studienergebnisse. Effektschätzungen mittels p-curve und p-uniform fielen substantiell niedriger aus als
traditionelle (fixed-effect, random-effects) meta-analytische Schätzungen. Diese Ergebnisse sprechen für
eine eindrucksvolle Stabilität von auf p-curve basierten Effektschätzungen gegenüber Publikationsbias.
Obwohl sich im vorliegenden Beispiel p-uniform als vergleichsweise wenig sensitiv hinsichtlich der
Identifikation von Publikationsbias zeigte, korrespondierte die Effektschätzung überraschend gut mit
Effektstärken, die aufgrund direkter Abschätzung von Publikationsbias (d.h., unter Einbezug von
Ergebnissen aus grauer Literatur und unpublizierten Effekten) gewonnen wurden.
Zitationsbias als Form der Evidenzverzerrung: Eine szientometrische Fallstudie
anhand der 2D:4D-Forschungsliteratur
Michael Kossmeier, Martin Voracek
Universität Wien
Durch Zitationsbias (selektives Zitieren von Studien mit theoriekonformen Ergebnissen und
systematisches Ignorieren nicht-theoriekonformer Ergebnisse) können falsche oder nicht gesicherte
Erkenntnisse als Tatsachen wahrgenommen werden und folglich die Evidenz verzerren, womit der
wissenschaftliche Fortschritt gehemmt wird. Die Analyse von hypothesenspezifischen
Zitationsnetzwerken ermöglicht die empirische Untersuchung solcher auf Zitationen beruhenden
Phänomenen der Evidenzverzerrung (Greenberg, 2009, 2011). Wir illustrieren dies beispielhaft anhand
des Zitationsnetzwerks aller 900+ Artikel (publiziert 1998-2014) der Forschung zu 2D:4D
(Fingerlängenverhältnis), einem behaupteten retrospektiven Marker für das pränatale
geschlechtshormonelle Milieu. Unter Berücksichtigung der Kovariaten Publikationsjahr, Stichprobengröße
und Zeitschrifteneinfluss zeigte sich in diesem Netzwerk für Artikel mit nicht-theoriekonformen (verglichen
mit theoriekonformen) Studienergebnissen eine um 24% reduzierte Zitationshäufigkeit (multiplikativer
Effekt: 0.76; 95% KI [0.61, 0.95]). Artikel mit bezüglich Theoriekonformität „gemischten“
Studienergebnissen wiesen eine um 0.6% erhöhte und damit praktisch idente Zitationshäufigkeit auf
(multiplikativer Effekt: 1.006; 95% KI [0.77, 1.32]). Spezifische und allgemeine Implikationen dieser
Ergebnisse werden diskutiert.
14:00 - 15:30
HS 7
SY 2-07: Symposium 2-07
Heterogene Perspektiven und Ergebnisse der aktuellen Führungsforschung
Chair(s): Lisa Horvath (Technische Universität München), Sabine Bergner (Universität Graz)
Führung ist in allen Arbeits- und Lebensbereichen relevant. Folgend greift dieses Symposium Führung
als interdisziplinäres Phänomen auf und bietet eine Zusammenschau von Ergebnissen unterschiedlicher
psychologischer Teildisziplinen. Horvath und Kolleginnen thematisieren warum Frauen nach wie vor in
Führungspositionen unterrepräsentiert sind und wie geschlechtergerechte Sprache dem entgegen wirken
kann. Für den Universitätskontext zeigen Henningsen und Jonas, dass die Intentionen eine gehobene
Führungsposition einzunehmen geschlechtsspezifisch davon beeinflusst werden, inwiefern die
Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das jeweilige Diversitätsklima wahrgenommen werden. Zudem
verdeutlichen Brauckmann und Kolleg_innen, dass Schulleiter_innen hinsichtlich ihrer Arbeitsstile
unterschiedlich geeignet sind die neuen Führungsherausforderungen in Schulen zu meistern. Pircher
Verdorfer und Kolleginnen greifen die dunkle Seite der Macht auf und stellen eine neus Konzept zu
ausnützender Führung anhand einiger Validierungsstudien vor. Abschließend zeigen Bergner und
Kollegen, welche neuronalen Muster im Gehirn von Mitarbeiter_innen aktiviert sind, wenn diese
transformational geführt werden.
Beiträge des Symposiums
Führung und Geschlecht: Welche Rolle spielt geschlechtergerechte Sprache für die
Intentionen von Frauen an Führungsprogrammen teilzunehmen?
Lisa Horvath, Tanja Hentschel, Claudia Peus
Technische Universität München
Frauen sind als Führungskräfte und Unternehmensgründerinnen unterrepräsentiert. Ein Grund dafür ist,
dass die weibliche Geschlechterrolle im Gegensatz zu der männlichen weniger mit der Rolle einer
Unternehmensleitung übereinstimmt. Frauen sind daher zurückhaltender, sich für eine solche Karriere zu
entscheiden. Die vorliegende Studie widmete sich der Frage, wie Frauen gezielter für Führung und
Unternehmensgründung gewonnen werden können. In einer experimentellen Studie mit 156 Studentinnen
wurde die Wirkung von Werbeplakaten für ein Unternehmensgründungsprogramm auf Frauen untersucht.
Es wurden Effekte von geschlechterstereotypem Layout (stereotyp feminin vs. stereotyp maskulin vs.
neutral) und verwendeter Sprachform (Maskulinum: Unternehmer, Beidennung: Unternehmerin und
Unternehmer) getestet. Die Ergebnisse zeigen, dass Frauen höhere Bewerbungsintentionen berichteten,
wenn das Programm in der Beidnennung ausgeschrieben wurde – unabhängig vom
geschlechterstereotypen Layout. Dieser Effekt wurde mediiert durch eine höhere Attraktivität des
Programms und einer höheren wahrgenommenen Zugehörigkeit. Fazit: Geschlechtergerechte
Ausschreibungen können dazu beitragen mehr Frauen für Unternehmensgründungsprogramme und
potentiell für eine Karriere als Unternehmerin zu gewinnen.
Der Einfluss des Konflikts zwischen Beruf und Privatleben und des wahrgenommenen
Diversitätsklimas auf die Unterrepräsentanz von Frauen in Dekanaten
Levke Henningsen, Klaus Jonas
Universität Zürich
Trotz der starken Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, gibt es bisher nur wenige
Forschungsbemühungen hinsichtlich der Geschlechterungleichheit in universitären Leitungsgremien.
Dekan/innen verkörpern unterschiedliche berufliche Rollen an Universitäten und verfügen über geringe
Zeitressourcen für das Privatleben. Anhand einer Fragebogen-Studie mit 157 Professorinnen und
Professoren einer Schweizer Universität wurden Geschlechterunterschiede in der Intention, das
Dekanatsamt mindestens einmal im Verlauf der wissenschaftlichen Karriere zu übernehmen, fokussiert.
Insbesondere wurden die Effekte des selbstberichteten Konflikts zwischen Beruf und Familie sowie des
wahrgenommenen Diversitätsklimas an der Universität auf die Intentionen von Männern und Frauen
untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass ein starker Konflikt zwischen Beruf und Familie die Bereitschaft
von Professorinnen, das Dekanatsamt zu übernehmen, verringert, während der Konflikt die Intentionen
von Professoren sogar erhöht. Des Weiteren zeigte sich, dass ein als positiv wahrgenommenes
Diversitätsklima die Intentionen von Professorinnen, Dekanin zu werden, erhöht, während die Intentionen
von Professoren nicht vom Diversitätsklima beeinflusst werden.
Führungspersönlichkeit verzweifelt gesucht - empirische Befunde aus der SHaRPStudie (Schulleitungshandeln zwischen erweiterten Rechten und Pflichten)
Stefan Brauckmann1, Barbara Hanfstingl1, Alexandra Schwarz2
1
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, 2Bergische Universität Wuppertal
Die Forderung nach Schulautonomie bringt eine Veränderung der Aufgaben und der Verantwortlichkeiten
von SchulleiterInnen mit sich. Dies impliziert ein neues Berufsbild von SchulleiterInnen, das den neuen
Anforderungen gerecht werden kann. Eine dieser neuen Aufgaben betrifft klassische
Führungsqualifikationen im Sinne einer Organisations- und Personalentwicklung. In diesem
Zusammenhang stellt sich die Frage, inwieweit Personen, die derzeit eine Schule führen, den neuen
Anforderungen gerecht werden und werden können. Hierzu wurde in Deutschland die SHaRP
(Schulleitungshandeln zwischen erweiterten Rechten und Pflichten) -Studie durchgeführt, um
Arbeitsbedingungen und personenbezogene Merkmale von SchulleiterInnen zu untersuchen. Erhoben
wurden bei N= 134 SchulleiterInnen unter anderem die Überforderung, das Selbstbild, die Motivation
sowie die Priorisierung von Organisations- und Personalentwicklungsaufgaben. Die Daten zeigen Evidenz
für drei Gruppen von SchulleiterInnen mit unterschiedlichen Arbeitsstilen, die sich hinsichtlich ihres Fits
für die neuen Aufgaben stark unterscheiden.
Eigennutz als Bestandteil destruktiver Führung: Wenn Führungskräfte ihre
Mitarbeitenden ausnutzen
Armin Pircher Verdorfer, Ellen Schmid, Claudia Peus
Technische Universität München
Die aktuelle Führungsforschung unterscheidet eine Vielzahl von Konzepten, welche sich mit der negativen
bzw. destruktiven Seite von Führung beschäftigt. Der vorliegende Beitrag beleuchtet eine Dimension
destruktiven Führungsverhaltens, welche in vielen Ansätzen implizit enthalten, bislang jedoch nur
lückenhaft ausformuliert und damit nur sehr eingeschränkt empirisch überprüfbar gemacht wurde. Konkret
geht es um Führungsverhalten, welches durch ein hohes Maß an Eigennutz gekennzeichnet ist. Vor
diesem Hintergrund führen wir den Begriff der ausnutzenden Führung (Englisch: exploitative leadership)
in den Diskurs ein und verordnen das Konzept in bestehenden Taxonomien destruktiver Führung. Des
Weiteren werden in diesem Beitrag die Ergebnisse von mehreren Validierungsuntersuchungen zu einer
Skala berichtet, die ausnutzendes Führungsverhalten messbar macht. Überprüft wurden die
psychometrischen Qualitäten sowie Fragen der diskriminanten und prädiktiven Validität auf Basis von
mehreren Studien auf Individual- und Teamebene mit über N=1500 Befragten. Insgesamt zeigt sich eine
sehr gute Konstruktvalidität. Abschließend werden Möglichkeiten und Grenzen des entwickelten Ansatzes
sowie Bedarfe für künftige Forschung aufgezeigt.
Führung beginnt im Kopf: Neuronale Aktivierung bei transformational geführten
MitarbeiterInnen
Sabine Bergner, Robert Rybnicek, Karl Koschutnig, Alfred Gutschelhofer
Universität Graz
Transformationale Führung wird als effektiver Führungsansatz in dynamischen Wirtschaftssituationen
betrachtet. Die aktuelle fMRI-Studie untersucht die neuronale Aktivierung von MitarbeiterInnen, wenn
diese transformational geführt werden. Vor der fMRI-Untersuchung wurden 47 Untersuchungspersonen
anhand von Vignetten in die Rolle von MitarbeiterInnen zweiter Teams versetzt, wobei je ein Team von
einer transformational und einer laissez-faire agierenden Führungskraft geleitet wurde. Im MR-Scanner
sollten die vermeintlichen MitarbeiterInnen kognitive Aufgaben lösen. Wurden diese korrekt gelöst, sollten
sich die MitarbeiterInnen vorstellen, wie es wäre im Team der transformational geleiteten Führungskraft
zu arbeiten. Wurden die Aufgaben falsch gelöst, sollten sie sich hingegen vorstellen, wie es wäre im Team
der laissez-faire geführten Führungskraft tätig zu sein. Die Befunde zeigen, dass bei der Vorstellung für
eine transformationale Führungskraft zu arbeiten, primär im ventralen Striatum Aktivierungen hervorruft.
Je stärker eine Führungskraft als transformational führend wahrgenommen wurde, desto höher waren die
Aktivierungen in belohnugssensitiven Regionen wie etwa dem Caudate Nucleus und dem Putamen.
14:00 - 15:30
50101/1 SR
SY 2-08: Symposium 2-08
Prozesse der Emotionsregulierung in psychoanalytischen Langzeittherapien
Chair(s): Eva Bänninger-Huber (Univeristät Innsbruck)
In diesem Symposium werden Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt Prozesse der
Emotionsregulierung in psychoanalytischen Langzeittherapien präsentiert. Das Projekt verfolgt das Ziel,
das affektive Regulierungsgeschehen in Therapeut-Patient Interaktionen anhand von Videoaufnahmen
mikroanalytisch zu beschreiben und mit dem Therapieerfolg in Beziehung zu setzen. Im Fokus stehen
mimische Verhaltensweisen, die mittels des Facial Action Coding Systems (FACS) von Ekman, Friesen
& Hager (2002) erfasst werden. Eva Huber untersuchte die Frage, wie verschiedene Typen interaktiver
Beziehungsmuster (sog. Prototypische Affektive Mikrosequenzen) mit den Gegenübertragungsgefühlen
der
behandelnden
Therapeuten
zusammenhängen.
Reto
Bergauer
beschreibt
das
Affektregulierungsgeschehen von Anfangs- und Endphasen einzelner Therapiesitzungen und deren
Funktion. Astrid Bock referiert eine Studie, in der der Zusammenhang zwischen Häufigkeit und Dauer
mimischer Synchronisierungen und einem produktiven therapeutischen Prozess untersucht wurde.
Michael Pöll wiederum beschäftigte sich mit der Frage, wie Therapeuten auf verschiedene Intensitäten
des Weinens verbal und nonverbal reagieren.
Beiträge des Symposiums
Prototypische Affektive Mikrosequenzen in der Psychotherapie
Eva Huber, Lea Ahrends, Valerie Plosz, Eva Bänninger-Huber
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Prototypische Affektive Mikrosequenzen (PAMs; Bänninger-Huber, 1991; Bänninger-Huber & Widmer,
1999) sind spezifische Formen interaktiver Affektregulierung, in deren Rahmen ein Interaktionspartner
(meist die PatientIn) dem Gegenüber im Kontext einer gestörten Selbst- oder Beziehungsregulierung ein
Lächeln “anbietet“. Entsprechend der nonverbalen Reaktion des Gegenübers (meist die TherapeutIn)
können verschiedene PAM-Typen differenziert werden. „Gelingende“ PAMs zeichnen sich dadurch aus,
dass das Gegenüber das Lächeln erwidert. „Nicht-gelingende“ PAMs sind dagegen dadurch
charakterisiert, dass das Gegenüber nicht mit einem Lächeln reagiert und das Regulierungsangebot nicht
annimmt. In der vorliegenden Studie wird untersucht, ob sich die prozentuellen Anteile der PAM-Typen in
Therapiestunden unterscheiden, in denen die TherapeutInnen positive, passive, oder aggressiv-negative
Gegenübertragungsgefühle verspürten. Die Ergebnisse zeigen, dass gelingende PAMs in Stunden mit
positiver Gegenübertragung prozentuell am häufigsten vorkamen, nicht-gelingende PAMs konnten
dagegen vor allem in Stunden mit aggressiv-negativen Gegenübertragungsgefühlen beobachtet werden.
Die therapeutischen Gegenübertragungsgefühle wurden durch Formen der interaktiven Affektregulierung
innerhalb der therapeutischen Dyade beeinflusst.
Affektive Beziehungsregulierung in der Anfangs- und Endphase von Therapiestunden
im Verlauf von psychoanalytischen Psychotherapien.
Reto Bergauer, Eva Huber
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Anfangsphasen dienen der Herstellung einer positiven affektiven Beziehung als Grundlage für einen
produktiven therapeutischen Prozess. Die Endphase soll dazu beitragen, die positive affektive Beziehung
wiederherzustellen und den Patienten zu bestärken den therapeutischen Prozess weiterzuführen. Um zu
untersuchen, wie diese Phasen interaktiv gestaltet werden wurden zwei, auf Videoband aufgezeichnete,
psychoanalytische Therapiesitzungen auf interaktive Phänomene, wie zum Beispiel Prototypische
Affektive Mikrosequenzen (PAM, Bänninger-Huber 1991), gemeinsames Lächeln, Blickkontakt, und
Versuche von Selbstregulation (z.B. Adaptoren, Räuspern, Wortwiederholungen) untersucht. Folgende
Stunden der Therapien wurden untersucht: 2, 10, 20, 30, 40, 50, 60, 70, 80, 90, 100.
Die Ergebnisse zeigen, dass am Anfang wie am Ende der Sitzungen vor allem jene Phänomene, die der
inneren Spannungsregulation dienen (z.B. selbstregulierendes Lächeln, Adaptoren), sowie Phänomene
die die affektive Beziehung erhöhen (z.B. gemeinsames Lächeln) häufig waren. Beziehungsaufbau und
Spannungsregulation sind zentrale Themen beim Einlassen in therapeutischen Prozess, ebenso beim
Ausstieg aus diesem Prozess und der Rückkehr in den Alltag.
Nonverbale Synchronizität in der Psychotherapie
Astrid Bock1, Eva Bänninger-Huber2, Irene Becker2, Anna Mintrop2, Eva Huber2
1
Medizinische Universität Innsbruck, 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Nonverbale Synchronizität als die Koordination nonverbalen Verhaltens zweier Interaktionspartner spielt
eine zentrale Rolle für die Beziehungsqualität. Ursprünglich im Rahmen von Mutter-Kind-Interaktionen
untersucht, hat Synchronizität auch als Indikator für Beziehungsqualität in der Psychotherapie Bedeutung.
So zeigten bisherigen Studien bspw., dass nonverbale Synchronizität mit Symptomreduktion und positiver
Wahrnehmung der therapeutischen Beziehung in Zusammenhang stand (z.B. Ramseyer 2010; Ramseyer
& Tschacher 2014). Ziel der vorliegenden Studie war zu untersuchen, ob Häufigkeiten und Dauer
nonverbaler Synchronisierungen in 12 psychoanalytischen Psychotherapiestunden (2 PatientInnen, je 6
Stunden) mit der PatientInnen- und TherapeutInneneinschätzung des Therapieerfolgs und der
therapeutischen Beziehung in Zusammenhang stand. Die Analysen zeigten, dass Häufigkeit und Dauer
von synchronem Anblicken positiv mit der TherapeutInneneinschätzung des Therapieerfolgs korreliert.
Dauer und Häufigkeit von synchronen Kopf- und Körperbewegungen korrelieren dagegen negativ mit den
TherapeutInnen- und PatientInneneinschätzungen von Therapieerfolg und therapeutischer Beziehung.
Die Beschreibung nonverbaler Synchronizität ermöglicht die Erfassung interessanter Zusammenhänge
zwischen unbewussten nonverbalen Prozessen und subjektiven Erlebensinhalten.
Weinen und Mimik in der Psychotherapie
Cathrin Schiestl1, Michael Pöll2, Eva Bänninger-Huber2
1
Institut für Psychologie, 2Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Ziel, die Bedeutung des Phänomens „Weinen“ für die
Affektregulierung in psychotherapeutischen Interaktionen besser zu verstehen. Weinepisoden sind für
PsychotherapeutInnen besonders herausfordernd, weil sie nicht Bindungsverhalten zeigen und die
Patientin trösten sollen, wie das in Alltagsinteraktionen üblich ist. Stattdessen sollten sie sich verbal und
nonverbal so verhalten, dass die Patientin fähig ist, ihre negativen Emotionen soweit zu regulieren, dass
sie davon nicht überwältigt wird. Das Datenmaterial der vorliegenden Studie besteht aus 30
Therapiestunden mit einer jüngeren depressiven Patientin, in denen Weinen aufgetreten ist. Die Frage,
ob sich die Mimik von Therapeutin und Patientin in Phasen mit niedrigen, mittleren und hoch ausgeprägten
Weinintensitäten voneinander unterscheiden (vgl. Pöll, Schiestl & Bänninger-Huber, 2015), wurde mit
dem Facial Action Coding System (FACS, Ekman & Friesen, 2002) untersucht. Patientin und Therapeutin
zeigen je nach Weinintensität unterschiedliche Gesichtsausdrücke, z.B. treten bei der Patientin während
intensivem Weinen vermehrt Schmerzausdrücke auf.
Weinen und verbale Interventionen in der Psychotherapie
Michael Pöll1, Cathrin Schiestl1, Antje Gumz2, Eva Bänninger-Huber1
1
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck, 2Psychologische Hochschule Berlin (PHB)
Die vorliegende Untersuchung verfolgt das Ziel, die Bedeutung des Phänomens „Weinen“ für die
Affektregulierung in psychotherapeutischen Interaktionen besser zu verstehen. Weinepisoden sind für
Psychotherapeuten besonders herausfordernd, weil sie der „Falle“ widerstehen sollten,
Bindungsverhalten zu zeigen und die Patientin zu trösten, wie das in Alltagsinteraktionen üblich ist.
Stattdessen sollten sie sich verbal und nonverbal so verhalten, dass die Patientin fähig ist, ihre negativen
Emotionen soweit zu regulieren, dass sie davon nicht überwältigt wird und fähig ist, weiter zusprechen.
Das Datenmaterial der vorliegenden Studie besteht aus 30 Therapiestunden mit einer jüngeren
depressiven Patientin, in denen Weinen aufgetreten ist. Untersucht wurde die Frage, ob sich die
Interventionen der Therapeutin in Phasen mit niedrigen, mittleren und hoch ausgeprägten
Weinintensitäten voneinander unterscheiden (vgl. Pöll, Schiestl & Bänninger-Huber, 2015). Die
Datenanalyse ergab, dass die Therapeutin bei intensivem Weinen vor allem supportive Interventionen
zeigte, während bei Phasen mit niedriger Intensität auch expressive Interventionen zu beobachten waren.
14:00 - 15:30
50105/2 SR
SY 2-09: Symposium 2-09
Kleine Stichproben, fehlende Werte und der wahre Link: Aktuelle Forschungsarbeiten
und Erkenntnisse aus der Welt der Item Response Theorie
Chair(s): Ingrid Koller (Alpen-Adria-Universität Klagenfurt), Kathrin Gruber (Wirtschaftsuniversität
Wien), Carmen Köhler (Otto-Friedrich Universität Bamberg), Luise Fischer (Leibniz-Institut für
Bildungsverläufe Bamberg)
Item Response Modelle eignen sich im Besonderen für die psychometrische Analyse von Daten zur
Messung von latenten Konstrukten. Dabei erfordern immer komplexere Studiendesigns eine ständige
Weiterentwicklung dieser Modelle sowie der Möglichkeiten zur Modellgeltungsprüfung. In diesem
Symposium werden ausgewählte Lösungsansätze zu den Themen Stichprobengröße, fehlende Werte
und Linkmethoden präsentiert. Im Mittelpunkt der ersten beiden Beiträge stehen quasi-exakte Tests zur
Überprüfung des Rasch Modells in kleinen Stichproben. Ingrid Koller gibt zunächst einen Überblick über
existierende Statistiken sowie deren Performanz und präsentiert Anwendungsbeispiele aus der Praxis.
Kathrin Gruber diskutiert das Problem der fehlenden Werte bei quasi-exakten Tests und präsentiert
methodische Lösungsansätze für die Praxis. Anschließend stellt Carmen Köhler Item Response Theorie
basierte Ansätze zum Umgang mit fehlenden Werten vor und prüft deren Anwendung im Rahmen
großangelegter Bildungsstudien. Im letzten Beitrag stellt Luise Fischer sich der methodischen
Herausforderung komplexer Studiendesigns und vergleicht unterschiedliche Linkmethoden und die
daraus resultierenden Unterschiede in Personenfähigkeitsparametern.
Beiträge des Symposiums
Das Rasch Modell und seine quasi-exakten Tests: Ein Überblick über Entwicklung,
Anwendung und empirischer Prüfung bei kleinen Stichproben
Ingrid Koller
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Die Überprüfung der Modelleigenschaften des Rasch Modells basiert üblicherweise auf statistischen
Methoden, die eine relativ große Stichprobengröße voraussetzen. Eine Möglichkeit das Rasch Modell
bereits bei relativ kleinen Stichproben prüfen zu können, bieten sogenannte quasi-exakte Tests (z.B.
Koller & Hatzinger, 2014; Ponocny, 2001). In dieser Präsentation wird zuerst ein Überblick der momentan
im R-Packet eRm (Mair, Hatzinger, Maier & Rush, 2015) integrierten quasi-exakten Tests gegeben.
Danach folgt der Überblick über Studien zur empirischen Power, der Anwendbarkeit der Tests (z.B.
schrittweise Testevaluation, Voraussetzungsprüfung in der Veränderungsmessung) und die Vorstellung
von Anwendungen in der Praxis (z.B. zum Thema Arbeitszufriedenheit). Der Beitrag schließt mit der
Diskussion der positiven Eigenschaften der quasi-exakten Tests, der Einschränkungen in der
Anwendbarkeit (z.B. Beschränkung auf dichotom kodierte Items) und der offenen Forschungsfragen (z.B.
zum Umgang mit fehlenden Werten bei quasi-exakten Tests, die Überprüfung weiterer noch nicht
publizierter Tests).
Quasi-exakte Tests zur Überprüfung des Rasch Modells und fehlende Werte: Was
tun?
Kathrin Gruber1, Ingrid Koller2
1
Wirtschaftsuniversität Wien, 2Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Im Prozess der Testkalibrierung besitzt man noch keine Erfahrungswerte darüber wie sich die
Testantworten verhalten werden. Dabei können vor allem in kleinen Stichproben fehlende Werte zum
Problem werden, da man über den dahinterliegenden Prozess (zufällig oder nicht zufällig) im Allgemeinen
keine Kenntnis besitzt. Folglich können daher unterschiedliche Strategien im Umgang mit fehlenden
Werten zu fehlerhaften Testentscheidungen führen. Im Zuge einer Simulationsstudie wird deswegen die
Performance von ausgewählten quasi-exakten Teststatistiken (z.B. Koller & Hatzinger, 2013) bei
unterschiedlichen Prozessen in der Generierung von fehlenden Werten (auch bekannt als „missing
completely at random“ und „missing not at random“) evaluiert. Unter Zuhilfenahme von Markov Chain
Monte Carlo (MCMC) Methoden wird dabei das Ausmaß der fehlenden Werte in den Daten systematisch
variiert und unterschiedlichen (klassischen vs. modernen) Strategien zum Umgang mit fehlenden Werten
gegenübergestellt. Die Ergebnisse dieser Sensitivitätsanalyse sollen für die praktische Anwendung der
quasi-exakten Tests als Richtlinie im Umgang mit fehlenden Werten dienen.
Latente Ansätze zum Umgang mit fehlenden Werten in Kompetenztestdaten
Carmen Köhler1, Steffi Pohl2, Claus H. Carstensen1
1
Otto-Friedrich Universität Bamberg, 2Freie Universität Berlin
Fehlende Werte in Kompetenztestdaten groß angelegter Bildungsstudien sind in der Regel nicht
ignorierbar und müssen bei der Skalierung angemessen berücksichtigt werden. Neuere modellbasierte
Ansätze aus dem Bereich der Item Response Theorie zielen darauf ab, den Mechanismus, welcher zu
fehlenden Werten führt, zu modellieren und in das Messmodell für die Fähigkeitsschätzung zu integrieren.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich damit, (a) die Anwendbarkeit modellbasierter Ansätze im Kontext
von Kompetenztests zu prüfen und (b) zu evaluieren, ob und unter welchen Bedingungen die Ansätze
den allgemein gebräuchlichen Ansätzen zum Umgang mit fehlenden Werten vorzuziehen sind. Daten des
Nationalen Bildungspanels (NEPS) sowie simulierte Daten dienen als Grundlage der Analysen.
Ergebnisse zeigen, dass modellbasierte Ansätze durchaus auf Kompetenztestdaten anwendbar sind,
wobei leichte Erweiterungen der Modelle zu einer genaueren Parameterschätzung führen. Des Weiteren
bestätigen Befunde die Überlegenheit der modellbasierten Ansätze gegenüber allgemein gebräuchlichen
Ansätzen, wobei ein Modell, welches fehlende Werte lediglich ignoriert, auch akzeptable Resultate liefert.
Was ist der wahre Link? Eine empirische Studie zur Validierung verschiedener
Linkmethoden anhand Rasch skalierter Kompetenzdaten des Nationalen
Bildungspanels (NEPS)
Luise Fischer1, Theresa Rohm1, Claus H. Carstensen2
1
Leibniz-Institut für Bildungsverläufe Bamberg, 2Otto-Friedrich Universität Bamberg
Mit zunehmender Anzahl an Erhebungen im Nationalen Bildungspanel (National Educational Panel Study;
NEPS) rückt die Verknüpfung der erhobenen Testdaten über die Messzeitpunkte in den Vordergrund. Ziel
der hier vorgestellten empirischen Studie ist die Entwicklung eines prototypischen Ansatzes zum Umgang
mit Wiederholungsmessungen im NEPS.
Die Analysedaten stammen aus einer wiederholten Messung zur mathematischen Kompetenz in Klasse
5 (K5; n=6112, Items=24) und Klasse 7 (K7; n=6194, Items=23) (Startkohorte 3 des NEPS). Fünf der
Aufgaben dienen als Linkitems (wurden zu beiden Messzeitpunkten vorgegeben). Im Rahmen einer
zusätzlichen Linkstudie wurden K5-Test und K7-Test an einer weiteren Stichprobe in Klasse 7 (K5K7;
n=581, Items=47) erhoben. Die Daten wurden mittels Partial Credit Model (PCM; Masters, 1982) skaliert.
Das Studiendesign ermöglicht eine Gegenüberstellung verschiedener Linkmethoden: Concurrent
Calibration, mean/mean-Linking, Methode fixierter Parameter und indirektes Linking (Kolen & Brennan,
2004). Ein Vergleich der Linkmethoden erfolgt mittels Linkfehler, Modell Fit-Werten und Unterschieden in
Personenfähigkeitsparametern. Die Ergebnisse werden präsentiert und diskutiert.
14:00 - 15:30
50109/3 SR
SY 2-10: Symposium 2-10
Traumaforschung
Chair(s): Barbara Juen (Institut für Psychologie, Universität Innsbruck)
Im Symposium sollen aktuelle Beiträge aus der Traumaforschung der Arbeitsgruppe Notfallpsychologie
des Instituts für Psychologie der Universität Innsbruck präsentiert werden. Insgesamt werden 5 Beiträge
vorgestellt.
Beiträge des Symposiums
Ältere Menschen in der Katastrophe
Alexander Kreh
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Im Projekt “PrepAge – Enhancing disaster management preparedness for the older population in the EU”
werden in Kooperation mit europäischen Rot-Kreuz-Organisationen Bedürfnisse, Strukturen und
Maßnahmen herausgearbeitet um auf die Besonderheiten älterer Menschen im Katastrophenfall besser
reagieren zu können. Eine Bestandsaufnahme der Situation älterer Menschen in der Katastrophe wird
vorgenommen. Es wird der Frage nachgegangen, wie die Situation verbessert werden kann und ob
Übungen zu einer Verbesserung der Lage beitragen können. Über Fragebögen wurden die
Einschätzungen von 20 Experten 14 verschiedener EU-Länder erfasst. In Fokus-Gruppen-Diskussionen
wurden Empfehlungen zur Verbesserung der Situation erarbeitet. Übungen wurden durchgeführt, um
Einsatzkräfte, Pflegekräfte, und ältere Menschen besser auf mögliche Katastrophen vorzubereiten. Mittels
qualitativer und quantitativer Datenanalyse wurden die Ergebnisse ausgewertet. Die
Forschungsergebnisse zeigen, dass das Bewusstsein für die besonderen Bedürfnisse älterer Menschen
in Europa zwar hoch ist, Rot-Kreuz-Gesellschaften jedoch deutlich schlechter auf diese vorbereitet sind.
Evaluationsergebnisse deuten darauf hin, dass Übungen zu einer Verbesserung beitragen können.
Geschlecht/Gender, ethische und kulturelle Aspekte in der Katastrophe: eine
Literaturanalyse
Michael Lindenthal
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Hintergrund
Ethische Überlegungen, Fragen rund um Geschlecht/Gender und kulturelle Aspekte, scheinen im Lauf
der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen zu haben. Dieser Beitrag soll einen Einstieg zur aktuellen
Situation und zu entsprechenden Richtlinien bzw. Empfehlungen zu psychosozialen Maßnahmen in
Katastrophenfällen bieten.
Methode
Auswertung entsprechender relevanter Literatur; Schwerpunkt: Guidelines und Handbooks;
Ergebnisse
Ethische Richtlinien im Bereich des Katastrophenmanagements beziehen sich überwiegend auf
individuelles Verhalten bestimmter Akteure, weniger auf grundlegende Aspekte und
Rahmenbedingungen. Die enge Verflechtung ethischer, kultureller und genderspezifischer Aspekte
erweist sich in verschiedenen Kontexten als bedeutsam, die Perspektive Intersektionalität bekommt daher
zunehmend Aufmerksamkeit. Welche Merkmale oder Eigenschaften tatsächlich zu Risiko- oder
Schutzfaktoren werden, ergibt sich oft erst in der konkreten Situation und ihren Kontexten.
Diskussion
Helfendes, unterstützendes Verhalten kann per se als ethisch gesehen werden, möglicherweise werden
auch deshalb erst jetzt, relativ spät, entsprechende ethische Fragen gestellt.
Richtlinien für Psychosoziale Unterstützung in Katastrophen
Ruth Warger, Sandra Nindl
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Das von EU FP7 (European Union Seventh Framework Programme) finanzierte Projekt OPSIC
(Operationalizing Psychosocial Support in Crisis) beinhaltet eine grundlegende Sammlung und Analyse
bestehender Richtlinien und Handbücher zu psychosozialer Unterstützung im Katastrophenfall. Die
Recherche ergab, dass bereits eine große Anzahl sehr guter Richtlinien und Handbücher zur
psychosozialen Unterstützung im Katastrophenfall existieren. Das Ziel lag darin die Kernbotschaften und
wesentlichsten Empfehlungen herauszufiltern und in ein sogenanntes „Handbuch für psychosoziale und
psychologische Unterstützung im Katastrophenfall“ zusammen zu fassen und die bestehenden
Richtlinien/Handbücher für eine bestmögliche praktische Nutzung zu verlinken. Das Handbuch
berücksichtigt verschiedene Phasen einer Katastrophe (preparedness, response, recovery),
Empfehlungen für verschiedene Zielgruppen (Psychosozialer Krisenmanager, Kinder, ältere Menschen,
HelferInnen etc.) und verschiedene Ereignistypen (Terroranschläge, CBRN, etc.). Es setzt sich aus 51
Checklisten zusammen, die Empfehlungen reichen von einer sehr allgemeinen, abstrakten Ebene bis hin
zu konkreten Handlungsanweisungen. Weiters enthalten die Checklisten auch entsprechende Praxis/Erfahrungsberichte.
Unterstützung von Flüchtlingen, die Situation der HelferInnen
Danka Foitik, Drenize Rama, Barbara Juen
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
In der präsentierten Studie wird es darum gehen, herauszufinden inwiefern die MitarbeiterInnen des Roten
Kreuzes den derzeitigen Flüchtlingseinsatz als positive empfinden und wie stress reich sie diese Arbeit
erleben. In der Folge wird es darum gehen, Unterstützungsmaßnahmen zu verbessern.
Mittels eines Online Fragebogens wurden 996 MitarbeiterInnen des Österreichischen Roten Kreuzes über
einsatzbezogene Daten, Traumastress (Impact of event scale) und Kohärenzsinn (SOC) befragt.
Wie die Ergebnisse zeigen, erleben die MitarbeiterInnen den Einsatz insgesamt als sehr sinnstiftend und
fühlen sich gut unterstützt. Probleme liegen in der anfänglichen Schwierigkeit gute Strukturen aufzubauen.
Positive Erlebnisse beziehen sich vor allem auf die Sinnhaftigkeit der Arbeit, die erfahrene Dankbarkeit
und die veränderte Sicht auf das eigenen leben. Ein Vergleich von regulären Freiwilligen und
Spontanfreiwilligen zeigt deutlich mehr Stress bei den Spontanfreiwilligen. Zudem wird deutlich dass die
Spontanfreiwilligen deutlich mehr Information und Koordination benötigen.
Jugendliche (Mit-)Verursachende von Unfällen
Ines Ederer, Pia Andreatta
Universität Innsbruck
Der Fokus gilt Jugendlichen, welche unbeabsichtigt Verursachende von Tod oder Verletzung anderer
geworden sind. Zum Hintergrund: Unfälle sind die wahrscheinlich häufigste Quelle von traumatischem
Stress (Norris, 1992). Dieser wird neben den Opfern aber auch von den Verursachenden erlebt, wobei
letztere mit Prozessen der Attribution, der Verantwortungsübernahme, aber auch dem Erleben von Schuld
und Scham konfrontiert sind (Andreatta, 2015). Bislang kaum beforscht sind „ohne Absicht schuldig“
gewordene Jugendliche.
Zur Erhebung wurden acht Jugendliche bzw. junge Erwachsene, welche Tod oder Verletzung anderer
zwischen ihrem 15. und 24. Lebensjahr (mit-)verursacht haben problemzentriert interviewt und die Daten
anhand der qualitative Inhaltsanalyse ausgewertet (Mayring, 2010).
Die Ergebnisse zeigen spezifische Belastungen der Jugendlichen wie Schuldgefühle, Angst vor sozialer
Ausgrenzung und Stigmatisierung. Der Bewertung eigenen (Fahr-)Verhaltens als risikobereit stehen
umgekehrt auch psychodynamische Abwehrprozesse von Schuld gegenüber. Bedeutsam für die
Jugendlichen ist die intrapsychische sowie interpersonelle Konfrontation mit Hinterbliebenen oder
Verletzten. Bewältigungsformen werden
15:30 - 17:00
Foyer
PO 1-01: Poster Session 1-01: Experimentelle Studien
Leitung der Sitzung: Thomas Maran
Can you see what I hear? Detecting changes in multimodal setting
Anna Conci
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Österreich
The previous research has focused almost entirely on the visual modality. This study extends the
paradigm by pairing visual with auditory stimuli. New visual and auditory stimuli were created to investigate
the phenomenon of inattention in visual, auditory and paired modality. The goal of the study was to
investigate to what extent paired visual and auditory stimuli change the perception. The results show that
the inattentional blindness and inattentional deafness occur in about every third participants where the
attention is engaged by a difficult (auditory) counting task. Most significantly, the results demonstrate that
the inattentional blindness is significantly reduced when the change has been presented visually and
auditory. One possible reason for the drastic reduction of inattentional changes in a multimodal context is
that attention of the various sensory modalities is processed separately. If this assumption applies, then
we can assume that the capacity of attention multiples in different modalities.
Der Einfluss von Stress auf die intrinsische Motivation, Flow und die Leistung: Ein
multivariater Ansatz
Sara Furtner, Thomas Maran, Marco Furtner
Universität Innsbruck, Österreich
In der vorliegenden experimentellen Studie wird der systematische Einfluss von drei unterschiedlichen
Stressbedingungen (kein Stress, mittlerer Stress, hoher Stress) auf die intrinsische Motivation, Flow und
objektive Leistungsvariablen überprüft. Insgesamt 72 Versuchspersonen wurden den drei
Experimentalbedingungen randomisiert zugeordnet. Die erste Gruppe (kein Stress) fungierte als
Kontrollgruppe und hatte 30 Minuten Zeit, am Computer Pac-Man zu spielen. Gruppe 2 wurde in
unregelmäßigen Abständen (5x für je 1 Minute) unterbrochen, um lösbare mathematische Aufgaben zu
bearbeiten, während Gruppe 3 unlösbare mathematische Aufgaben zu bewältigen hatte. Die Gesamtzeit
für Pac-Man blieb bei allen Gruppen gleich (30 Minuten).Die MANOVA zeigt signifikante Haupt- und
Zwischensubjekteffekte der Versuchsbedingungen auf die abhängigen Variablen. Ferner zeigen Posthoc-Analysen differenzierte Effekte bezüglich der Stressbedingungen. Die Ergebnisse werden bezüglich
ihrer theoretischen und praktischen Relevanz diskutiert.
Hinweis-Aufdeckung und Hinweis-Hierarchie-Lernen bei individuellen - und
Gruppenentscheidungen
Ingrid Manthei
Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Österreich
In der vorliegenden Studie wurde anhand eines konstruierten Lernspiels untersucht, ob
Gruppenentscheidungen eine bessere Performance in der Hinweis-Aufdeckung und beim HinweisHierarchie-Lernen erlangen, als Personen, die alleine entscheiden. Garcia-Retamero, Takezawa &
Gigerenzer (2006) fanden heraus, dass ProbandInnen mit sozialem Austausch schneller lernen, welche
Hinweise valide sind und daher auch schneller Hinweis-Hierarchien erstellen können, als ProbandInnen,
die alleine lernen. Untersucht wurden 42 Individuen und 14 Gruppen zu je 3 Personen, wobei die Gruppen
die Möglichkeit eines sozialen Austausches hatten. Die Ergebnisse zeigen, dass Gruppen nicht nur
signifikant weniger Entscheidungsversuche benötigen, um valide Hinweise zu identifizieren, sondern sie
lernen auch signifikant akkurater als individuelle Lerner. Ebenso bekräftigt die Studie, dass mit sozialem
Austausch schneller eine richtige Hinweis-Hierarchie erstellt werden kann, als ohne. Zudem wird
analysiert, welche Entscheidungsstrategien im individuellen Setting und im Gruppensetting verwendet
werden und diese zur Diskussion gestellt.
Neurobiologische Korrelate der Präferenzbildung bei Kunstgemälden: Eine
funktionelle Bildgebungsstudie
Philipp Fiessinger1, Julia Bosch2, Lisa Dommes1, Tanja Dolpp2, Petra Beschoner1, Roberto
Viviani3
1
Uniklinikum Ulm, Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie; 2Uniklinikum Ulm, Klinik für
Psychiatrie und Psychotherapie III, Deutschland; 3Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Die neuronalen Korrelate von Entscheidungsfindung bei appetitiven Optionen oder Konsumwerten sind
ein wichtiges Forschungsfeld. Mehrfach zeigte sich die zentrale Rolle des orbitofrontalen Kortex. In dieser
funktionellen Bildgebungsstudie wollten wir herausfinden, inwieweit dieselben Korrelate auch bei der
Präferenzbildung zwischen Kunstobjekten aktiv sind.
Hierzu wurde eine standardisierte Methode angepasst, die ursprünglich für die Untersuchung von
neuronalen Korrelaten von Entscheidungsfindung zwischen Konsumgütern entwickelt wurde. Probanden
wurden im Scanner gebeten, von zwei präsentierten Gemälden von James Ensor das bevorzugte
auszuwählen. Bei diesen handelte es sich um atmosphärisch und farblich vergleichbare Bilder, auf denen
keine Personen, sondern Landschaften dargestellt waren.
Das gleiche orbitofrontale Areal, welches bei der Entscheidungsfindung zwischen Konsumgütern
typischerweise aktiv ist, wurde auch bei der Präferenzbildung in der vorliegenden Studie rekrutiert.
Zusätzlich zeigte sich eine ausgeprägte Aktivierung der temporalen Pole beidseits.
Diese Studie zeigt, dass die neuroökonomischen Erkenntnisse zur Entscheidungsfindung auch auf
ästhetische Artefakte übertragen werden können.
Reduktion des Inhibition-of-Return (IOR) Effektes nach emotionalen, aber nicht
neutralen Hinweislauten in einer ERP- Studie zur räumlichen Aufmerksamkeit
Hannah Rosenzopf, Christian Poglitsch, Anja Ischebeck, Ulrike Zimmer
Universität Graz, Österreich
In vorangegangenen Studien zeigte sich, dass Aufmerksamkeit bei ekelauslösenden Geräuschen
automatisch von diesen Lauten abgelenkt wird. Offen blieb, ob besagte Effekte auf EkelVermeidungsreaktionen zurückzuführen sind oder ob sie vom Inhibition-of-Return Effekt (IOR) ausgelöst
wurden. In einem EEG-Paradigma folgte auf einen von zwei seitlichen Lauten (ekelerregenden/neutral)
ein Smiley (glücklich/unglücklich) räumlich valide oder invalide zum Laut. Es gab drei Laut-SimileyZeitintervalle (kurz: 50-100ms, mittel:350-400ms, lang: 650-750ms). 21 Versuchspersonen bestimmten
die Stimmung der Smileys. Während sich die Trefferquote nach neutraler auditiver Stimulation über die
verschiedenen Zeitintervalle umkehrte, was für den IOR Effekt spricht, zeigten die Versuchspersonen
nach Ekellaut über alle Zeitintervalle hinweg bessere Trefferquoten in der invaliden Bedingung. Die ERPDaten zeigten eine Umkehrung der Polarität der P100-Komponente valider versus invalider Targets mit
zunehmenden Zeitintervall nur nach neutralen Laut. Wir schlussfolgern, dass IOR zwar als Reaktion auf
einen auditiven Stimulus vorkommt, im Falle eines ekelerregenden Geräusches jedoch von der
Ekelvermeidung überschattet werden kann.
Textqualität und Fehler: Intraindividuelle Unterschiede beim Schreiben im
Medienvergleich
Laura N. Tutzer, Pierre Sachse
Universität Innsbruck, Österreich
Im Rahmen dieser Studie wurden intraindividuelle Unterschiede beim Schreiben mit verschiedenen
Medien (Hand, Tablet, PC) bezüglich der Textqualität, Fehlerhäufigkeiten (Rechtschreibung, Grammatik,
Zeichensetzung) und des Vorgehens untersucht. Vorige Studien beziehen sich meist auf Unterschiede
beim Erstellen von Notizen oder der Fähigkeit zum Multitasking und nicht auf die Qualität des Textes und
darin enthaltene Fehler. Des Weiteren wurden bisher meist interindividuelle Unterschiede zwischen dem
Schreiben mit unterschiedlichen Medien untersucht. Um die intraindividuellen Unterschiede zu
untersuchen wurde diese Studie mit 57 Versuchspersonen zu drei Messzeitpunkten durchgeführt. An
jedem Messzeitpunkt wurde eine Schreibaufgabe an einem anderem Schreibmedium bearbeitet. Die
Schreibaufgabe bestand darin eine Geschichte (300 bis 900 Wörter) mittels einer Wortliste aus 20 Nomen
zu erstellen. Thema, Erzählperspektive, Textart, usw. konnten von jeder Versuchsperson frei gewählt
werden. Zusammenhänge zwischen Textqualität, Fehlern und Vorgehen wurden untersucht und mit dem
Schreibmedium in Beziehung gesetzt. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf ihre theoretische und
praktische Relevanz diskutiert.
15:30 - 17:00
Foyer
PO 1-02: Poster Session 1-02: A&O
Leitung der Sitzung: Thomas Höge
The fundamental shift of job demands in the world of work – new forms of strains –
causes, characteristics, consequences
Andreas Hermann, Pierre Sachse
Universität Innsbruck, Österreich
The aim of the presentation is to clarify whether the newfound freedom in the "brave new world of work"
itself becomes a job demand and thus represents solution and cause at the same time.
The working conditions have improved obvious. Nevertheless, the job demands increase despite the rising
freedom. Apparently the freedom does not prevent (anymore) that high job demands are experienced as
stressful and can be dangerous to health in the end. In addition to the quantitatively increasing job
demands, it is mainly the contradictions of the world of work that make employees’ and managers’ lives
difficult. Well-tried and recent psychological and sociological concepts are examined and compared. The
present study (N=220; Austrian with at least high-school diploma working in middle management)
represents the first methodological quantification for a variety of concepts with regard to the Demand
Control (Support) Model. Results / findings will be presented and discussed critically.
Achtsamkeit und Führung: Wie wirkt sich Achtsamkeitspraxis auf Führungskräfte
aus?
Clara Eichberger, Johannes Arendt
Ludwig-Maximilians-Universität München
Achtsamkeit, eine auf die gegenwärtige Erfahrung gerichtete, nicht-urteilende Form der
Aufmerksamkeitslenkung, findet seit einigen Jahren zunehmend auch in der Arbeits- und
Organisationspsychologie Beachtung. Ob und inwieweit speziell Führungskräfte von Achtsamkeitspraxis
(z.B. Achtsamkeitsmeditation) profitieren können, wurde allerdings bisher kaum untersucht. In einer
explorativen Studie wurden daher sechs leitfadengestützte Interviews mit achtsamkeitspraktizierenden
Führungskräften durchgeführt um Hypothesen für zukünftige Forschungsvorhaben zu generieren. Mittels
einer qualitativen Inhaltsanalyse wurde eine Reihe von positiven Auswirkungen auf Führungskräfte aus
den Interviews abgeleitet, welche in 8 übergeordneten Kategorien zusammengefasst wurden.
Achtsamkeitspraxis führt demnach zu (1) einem verbesserten psychischen Wohlbefinden, (2) einem
verbesserten physischen Wohlbefinden, (3) einem positiven Rollenvorbild für Mitarbeiter, (4) einer
verbesserten Interaktion mit den Mitarbeitern, (5) einer verbesserten Informationsverarbeitung, (6) einem
insgesamt besseren Arbeitsverhalten, (7) einem verbesserten Führungsverhalten sowie (8) einer
verbesserten Regulation von Gedanken und Emotionen. Vermittelnde Mechanismen, theoretische und
praktische Implikationen sowie Limitationen der Studie werden diskutiert.
„Where to draw the line?“ Ein ArbeitnehmerInnen/UnternehmerInnen-Vergleich von
Boundary Management Profilen.
Jana Schneider, Matea Paškvan, Bettina Kubicek, Julia Schöllbauer, Johanna Schaller
Universität Wien, Österreich
Fragestellung
Das Repertoire von Grenzziehungsstrategien als personale Ressource zur Strukturierung von Arbeit und
Privatleben ergibt sich aus rollenübergreifenden Unterbrechungen, Rollenzentralität und
wahrgenommener Kontrolle der Grenzen (vgl. Kossek et al. 2012). In diesem Beitrag werden erstmalig
deutschsprachige ArbeitnehmerInnen sowie UnternehmerInnen zu Boundary Management Profilen
geclustert und miteinander verglichen.
Untersuchungsdesign
Insgesamt wurden 560 Personen befragt, 214 davon waren gewerbebetreibend-selbstständig. Die Daten
wurden mittels Clusteranalyse und Chi-Quadrat-Test ausgewertet.
Ergebnisse
Es ergaben sich vier distinkte Clustertypen, wobei sich ArbeitnehmerInnen (AN) und UnternehmerInnen
(UN) in der Häufigkeit signifikant unterscheiden (χ² (3) = 109,004, p < .001): Fusionsliebhabende (n=57;
nAN=28,1/nUN=71,9), freizeitorientierte Segmentierer (n=126; nAN=84,9/nUN=15,1), arbeitsorientierte
Integrierer (n=191; nAN=41,4/nUN=58,6) und Familienorientierte (n=186; nAN=77,4/nUN=22,6).
Dementsprechend lassen sich ArbeitnehmerInnen besonders in den segmentierenden Clustern finden.
Theoretische/Praktische Implikationen
Das Wissen über unterschiedliche Boundary Management Profile und deren Auftretenshäufigkeit ist von
großem Nutzen für die Gestaltung von Rahmenbedingungen von Arbeitsplätzen sowie die Konzeption
von Personalentwicklungsmaßnahmen.
The Influence of Conscious versus Non-Conscious Exposure to Advertising Spots on
Decision Making
Robert Schorn
UMIT, Österreich
In a world flooded by huge outdoor video screens, public television screens, and pop-up windows on
websites showing promotional films, people are more and more exposed to advertising spots, paying more
or less attention to them. An experiment was conducted to assess whether consciously watching an
advertising spot versus being distracted from watching the spot consciously by paying attention to another
task (playing a computer game, not noticing that an advertising spot was running in another window) can
influence people’s decisions in favor of the advertised brand. The results show that both watching an
advertising spot consciously as well as being distracted from watching the spot consciously affected
participants’ choice in favor of the advertised brand. It did not make a difference whether participants
watched the spot consciously versus non-consciously by being distracted. Theoretical, practical, and
ethical implications are discussed.
Kurz- und längerfristige Effekte von positivem und negativem Führungskräftehumor
auf negative Aktivierung und Work Engagement bei MitarbeiterInnen in traditionellen
und E-Work Settings
Manuela Schmid, Bernad Batinic
JKU, Johannes Kepler Universität, Österreich
Die vorliegende Forschungsarbeit untersucht nicht nur positiven, sondern auch negativ
wahrgenommenen Humor der Führungskraft und differenziert dabei zwischen unterschiedlichen Graden
von E-Work.
Angelehnt an Release- und Relieftheorien wird der Frage nachgegangen inwiefern Führungskräftehumor
mit negativer Aktivierung und Work Engagement bei MitarbeiterInnen korreliert.
In einer Onlinestudie ergaben sich folgende Ergebnisse für ein Querschnitt- (N = 770) und
Längsschnittsample (N = 171):
Umso höher positiver Führungskräftehumor, desto geringer die negative Aktivierung bei MitarbeiterInnen,
kurz- und längerfristig; umso höher negativer Humor, desto höher die negative Aktivierung. Kurzfristig
zeigte sich negative Aktivierung als partieller Mediator zwischen positivem Führungskräftehumor und dem
Mitarbeiter-Work Engagement. Beim negativen Humor tritt ein indirekter Effekt über negative Aktivierung
auf das Work Engagement auf. Im Längsschnitt findet sich der indirekte Effekt bei beiden Humortypen.
Zwischen traditionellen und E-Work Settings haben sich keine signifikanten Unterschiede ergeben, jedoch
waren kurzfristige Effekte des positiven als auch negativen Humors bei E-Workern schwächer
ausgeprägt.
15:30 - 17:00
Foyer
PO 1-03: Poster Session 1-03: Bildung & Studium
Leitung der Sitzung: Karl Leidlmair
Erwerb studienrelevanter Basiskompetenzen im Rahmen der Übung Supervised
Orientation Tutorium: Einfluss von Lehrenden- und Studierendenmerkmalen
Birgit Leidenfrost, Elisabeth Stefanek, Dorothea König, Sabine Folget, Ursula Kastner-Koller
Universität Wien, Österreich
Psychologiestudierende an der Universität Wien absolvieren die Übung Supervised Orientation Tutorium
(SOT) im 1. Semester. Sie beschäftigen sich mit studienrelevanten und wissenschaftlichen
Basiskompetenzen für das Psychologiestudium. In Anlehnung an das multidimensionale
Bedingungsmodell des Lehrerfolgs (Rindermann, 2001), in dem Merkmale der Lehrenden, Merkmale der
Studierenden und Rahmenbedingungen der Lehrveranstaltung den Lehrerfolg beeinflussen, wird in
diesem Beitrag der Einfluss von Lehrenden- und Studierendenmerkmalen auf den Erwerb
studienrelevanter Basiskompetenzen untersucht.
Im WS 2014/15 nahmen 244 Studierende an einer Prä-Post-Erhebung teil. Neben selbsterstellter Items
zur Selbsteinschätzung von Internetkompetenz, Informationskompetenz und Lernmanagement wurde das
Trierer Inventar zur Lehrevaluation (Gollowitzer & Schlotz, 2003) eingesetzt. Zudem wurde der
wöchentliche Zeitaufwand für SOT erhoben. Die Studierenden schätzten Verbesserungen in allen
Kompetenzbereichen ein. Ergebnisse hierarchischer Regressionsmodelle zeigten auf Seiten der
Lehrendenmerkmale einen Einfluss der didaktischen Gestaltung auf Informationskompetenz und
Lernmanagement der Studierenden. Auf Seiten der Studierenden zeigte der Zeitaufwand einen Einfluss
auf Internetkompetenz und Lernmanagement.
Evaluation der Entwicklungsförderung in den Kindergärten der St.-Nikolaus-Stiftung
Ursula Kastner-Koller1, Isabella Gumilar1, Martina Lippert1, Lorenz Merle1, Barbara Müllner1, Nora
Vom Brocke1, Amata Wagner1, Natalie Bayer-Chisté2, Susanne Haas2, Pia Deimann1
1
Universität Wien, Österreich; 2St. Nikolaus-Stiftung
Das Poster präsentiert die Evaluation einer Entwicklungsförderung, die in den Kindergärten der St.Nikolaus-Stiftung durch die SonderkindergartenpädagogInnen (SOKIS) bei Kindern mit
Entwicklungsdefiziten über die Dauer eines Kindergartenjahres durchgeführt wurde. Mit Hilfe eines
Entwicklungsscreenings wurden zu Beginn des Kindergartenjahres 34 Kinder mit Entwicklungsrisiken
ausgewählt. Zur Überprüfung der Güte des Screenings wurden diese Kinder vor Beginn der Förderung
mit dem Wiener Entwicklungstest einer differenzierten Entwicklungsdiagnostik unterzogen. Begleitend
erfolgte eine Befragung der Eltern und der gruppenführenden KindergartenpädagogInnen über ihre
Bedenken bezüglich der Entwicklung des Kindes und ihrer Erwartungen an die Förderung. Am Ende des
Kindergartenjahres wurde erneut der Wiener Entwicklungstest vorgegeben und die Bezugspersonen
befragt. Die Ergebnisse zeigen bei den Kindern deutliche Entwicklungsfortschritte vor allem im Bereich
der Sprache und der sozial-emotionalen Entwicklung, die auch von den Eltern und den
KindergartenpädagogInnen wahrgenommen wurden. Damit erweist sich die im Kindergarten angebotene
Entwicklungsförderung als eine effiziente Maßnahme.
3-Ebenen IRT-Modelle für Bildungsdaten des nationalen Bildungspanels (German
National Educational Panel Study/NEPS), für Schüler der Sekundarstufe in Klasse 5
(Startkohorte 3)
Theresa Rohm, Luise Fischer, Claus H. Carstensen
Universität Bamberg, Deutschland
Untersucht wird ein Mehrebenen IRT-Modell für Lesekompetenzdaten von Schülern der 5. Klasse, das
Informationen über die geschichtete Struktur des deutschen Schulsystems berücksichtigt. Zur Schätzung
plausibler Werte der latenten Kompetenz (vgl. Mislevy 1991), unter gleichzeitiger Berücksichtigung
fehlender Werte in Hintergrundvariablen, wurde ein einstufiges Schätzverfahren entwickelt (vgl. Aßmann,
Carstensen, Gaasch, & Pohl 2014). Fehlende Werte werden dabei durch eine auf der Markov Chain
Monte Carlo (MCMC) Methode basierenden Schätzstrategie unter Verwendung des Gibbs-Schätzers (vgl.
Fox & Glas 2001) imputiert. Die Variablen der ersten Ebene bilden die Antworten der Schüler auf die
administrierten Items sowie gegebene Informationen zu Hintergrundvariablen. Auf der zweiten Ebene wird
der Schul- und Klassenkontext der Schüler modelliert. Informationen über die beobachtete Schulart
werden auf der dritten Ebene untersucht. Für diese Ebene wird die Zuteilung zu einem Cluster durch
clusterspezifisch bedingte Mittelwerte und konditionierte Varianzen fixiert. Die Genauigkeit der Schätzung
dieser fixierten Parameter wird bewertet.
Machtanwendung in der Lehrkräfte-Schüler/innen-Interaktion: Zum partizipativen und
restriktiven Verhaltensspektrum von Lehrkräften
Melanie Misamer, Barbara Thies
Technische Universität Braunschweig, Deutschland
Pädagogische Beziehungen sind asymmetrisch, dabei wird der Machtbegriff zumeist negativ konnotiert.
In der vorliegenden Studie wurde Macht als zweidimensionales Konstrukt (partizipativ/restriktiv in
Anlehnung an Scholl, 1999) für die Lehrkräfte-Schüler/innen-Interaktion konzipiert und vergleichend zu
weiteren interaktionsrelevanten Konstrukten (z.B. Vertrauens- und Gerechtigkeitserleben) untersucht.
622 Schüler/innen beantworteten einen Fragebogen mit etablierten und selbstkonstruierten Skalen.
Mittels einer Hauptkomponentenanalyse (Promax-Rotation, Kappa 4, 64.5% Varianzaufklärung) wurden
12 Komponenten identifiziert, die in einer weiteren Analyse höherer Ordnung (Promax-Rotation, Kappa
4, 58.5 % Varianzaufklärung) in drei Komponenten aufzuteilen waren: restriktives Verhaltensspektrum,
partizipatives Verhaltensspektrum und Struktur. Das partizipative Verhaltensspektrum besteht u.a. aus
dem Vertrauenserleben und der unterstützenden Zuwendung. Das restriktive Verhaltensspektrum besteht
u.a. aus der Wahrnehmung von Ungerechtigkeit und ausgeübtem Zwang. Struktur besteht u.a. aus
Hausaufgabenkontrolle. Konsequenzen für ein hieraus ableitbares Messinstrument zur Erfassung der
Beziehungsqualität in der Lehrkräfte-Schüler/innen-Interaktion werden diskutiert.
Scholl, W. (1999). Restrictive control and information pathologies in organizations. Journal of Social
Issues, 55, 101–118.
„Die Gründe des allgemeinen Sonderschulbesuchs von türkischen Migrantenkindern“
Sinasi Güvenir
Universität Innsbruck, Österreich
SchülerInnen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch an Tiroler Sonderschulen stellen Adressaten für
eine besondere Debatte einer wichtigen Gruppe dar. Jedes fünfte Migrantenkind besucht bis zum 6.
Schulbesuchsjahr eine Sonderschule in Tirol (Informationsblätter des Referates für interkulturelles Lernen
Nr. 2/2007). Aus diesem Grund stellt der Blick auf den Sonderschulbesuch von türkischen
Migrantenkindern einen wichtigen Indikator für die
Partizipationschancen im österreichischen Bildungssystem dar.
gesamte
Bildungsbeteiligung
und
In meiner vorgelegten Studie werden türkische Migrantenkinder an den Sonderschulen und Volksschulen
untersucht. Bei dieser Untersuchung wurden die möglichen Ursachen, wie zum Beispiel Intelligenz,
Sprache, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Mnestische- und Exekutive Funktionen und soziales
Verhalten, die die türkischen Migrantenkinder in die allgemeine Sonderschule (ASO) führen, untersucht.
Die Untersuchungsgruppe besteht aus 14 Sonderschulkindern und 31 Volksschulkindern im Alter von 6
bis 11 Jahren.
Die Forschungsergebnisse werden zeigen, dass die multiplen psychosozialen Gründe in den Blick
genommen und als Ausgangspunkt im Diskurs diskutiert werden sollen.
Die Big Five Persönlichkeitsfaktoren in unterschiedlichen Studienrichtungen
Ilona Pezenka, Gerald Kolar
FHWien der WKW, Hochschule für Management und Kommunikation, Österreich
Im Rahmen der vorliegenden empirischen Studie wurden Persönlichkeitsprofile von 306 Studierenden
unterschiedlicher Studienrichtungen mittels NEO-FFI (Costa und McCrae 1985) erfasst. Die
Faktorenanalyse, die zur Überprüfung der Übereinstimmung der Items eingesetzt wurde, zeigt, dass sich
die fünf NEO-FFI Dimensionen in den Daten sehr gut wiederfinden. Die Studierenden fünf
unterschiedlicher Studiengänge wurden paarweise hinsichtlich dieser fünf Persönlichkeitsdimensionen
miteinander verglichen. Die jeweiligen Mittelwerte wurden den, von Borkenau und Ostendorf (2008),
vorgelegten Normwerten gegenübergestellt und interpretiert. Die Ergebnisse zeigen, dass es signifikante
Unterschie-de hinsichtlich der Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus, Offenheit für Erfahrungen und
Gewissenhaftigkeit zwischen den Studierenden unterschiedlicher Studienrichtungen gibt. Für die beiden
Faktoren Extraversion und Verträglichkeit konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den
Studiengängen festgestellt werden. Die Ergebnisse bestätigen, dass in den unterschiedlichen
Studienrichtungen
vermehrt
bestimmte
Persönlichkeitstypen
vorherrschend
sind.
Die
Persönlichkeitseigenschaften der Studierenden werden im Hin-blick auf die Berufsbilder kritisch diskutiert.
Kompetenzen zum Selbstregulierten Lernen bei Studierenden valider erfassen – ein
Messinstrument mit Fokus auf Prozesse, Ergebnisse und Einflussgrößen
Nora Maria Foerst, Julia Klug, Gregor Jöstl, Barbara Schober, Christiane Spiel
Universität Wien, Österreich
Kompetenzen zum selbstregulierten Lernen (SRL) gelten als Voraussetzung für langfristig erfolgreiches
Lernen. Ein elaboriertes Modell, das komponenten- und prozessorientierte Modelle vereint, fehlt jedoch
bisher. Es besteht Bedarf an validen Messansätzen, die sich auf konkrete Lernsituationen beziehen.
In vorliegendem Beitrag stellen wir Ergebnisse eines Verbundprojekts vor, in dem ein integratives
Rahmenmodell für SRL-Kompetenzen von Studierenden entwickelt wurde. Das Modell kombiniert
komponenten- und prozessorientierte Zugänge, sowie verschiedene Wissensdimensionen zu einem
Strukturmodell des SRL. Zur empirischen Umsetzung des Modells wurden produkt- und prozessorientierte
Erhebungsinstrumente entwickelt. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf der Vorstellung des
situationsbasierten Fragebogens und Ergebnissen aus dessen Pilotierung (n=200). Ausgehend von in
zwei Vorstudien (qualitativ, n=109 sowie quantitativ, n=470) als relevant ermittelten
Anforderungssituationen und SRL-Strategien im Studium erlaubt der Fragebogen eine Aussage über den
Zusammenhang zwischen Passung von Strategie zu Anforderungssituation und Studienerfolg. Dies kann
die gezielte Vermittlung jeweils passender Strategien in verschiedenen Anforderungssituationen
ermöglichen um den Studienerfolg zu verbessern.
15:30 - 17:00
Foyer
PO 1-04: Poster Session 1-04: Emotion & Psychotherapie
Leitung der Sitzung: Eva Huber
A semantic model of emotion regulation and psychotherapy
Irene Messina1,2, Marco Sambin1, Roberto Viviani2,3
1
Università di Padova, Italien; 2Universität Ulm; 3Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Neurobiological dual-process models of psychotherapy attribute therapeutic change to the increase of
prefrontal areas activation and the decrease of limbic areas activation, interpreted as the recruitment of
controlled processes to inhibit emotional reactivity. In the present poster, we review scientific evidence in
support of this model, and its applicability to explain psychotherapy action. To this aim we discuss the role
of brain areas implicated in coding semantic representations in emotion regulation and psychotherapy
that are not covered by dual-process models. Namely, we review neuroimaging findings on adaptive and
non adaptive forms of emotion regulation, results on the neural correlate of implicit emotion regulation,
and neuroimaging studies of the effect of psychotherapy. We discuss how these functions may be
integrated into models of emotion regulation that depend on elaborate semantic representations for their
effectiveness. These alternative models also appear consistent with internal accounts of how
psychotherapy works from the psychotherapeutic literature.
Emotionsregulation nach kritischen Lebensereignissen
Marion Mitterndorfer
Universität Innsbruck, Österreich
HINTERGRUND
Die Bedeutung von Emotionsregulation wird in der aktuellen Forschungsliteratur immer
wieder untermauert und weißt dennoch Lücken auf. Berking konnten zeigen, dass
Emotionsregulation eine hohe Bedeutsamkeit für das Entwickeln und Aufrechterhalten von
psychischen Störungen aufweist. Trotzdem ist noch unklar, wie Emotionsregulation nach
einem traumatischen Ereignis abläuft.
FORSCHUNGSFRAGE
Zeigen Menschen, welche adaptive Emotionsregulationsstrategien besitzen, ein hohes
Kohärenzgefühl und blicken diese positiv in die Zukunft nach einem traumatischen Ereignis,
in Abhängigkeit von dessen subjektiven traumatischen Ausmaß?
Den theoretischen Hintergrund dazu bilden Forschungsansätze von Antonovsky,
Berking, Gross, Benecke und Barnow, welche untersucht haben, was Menschen gesund
hält bzw. wie Menschen adäquat mit Emotionen und kritischen Lebensereignissen
umgehen.
METHODE
Die verwendeten Instrumente wurden in einer umfangreichen Fragebogenstudie an der
Universität Innsbruck an StudentInnen und ausgeteilt und werden derzeit einer statistisch
ausgewertet.
ERWARTETE ERGEBNISSE
Gemäß der Fragestellung wird erwartet, dass signifikante Unterschiede zwischen Probanden
mit gelingender Emotionsregulationsfähigkeit und Probanden mit ungünstigen
Emotionsregulationsstrategien gemessen werden können.
Mimisches Verhalten und Bindungsmuster bei Patientinnen mit komplizierter Trauer
Manuela Gander, Anna Buchheim, Cathrin Schiestl
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck
Die vorliegende Studie untersucht Unterschiede im mimischen Verhalten bei Patientinnen mit
komplizierter Trauer, die ein desorganisiertes Bindungsmuster aufweisen (N=19), und einer gesunden
Kontrollgruppe mit einem organisierten Bindungsmuster (N=15).
Die Bindungsmuster wurden mit dem Adult Attachment Projective Picture System (AAP) erhoben, ein
Interview, bei dem die Probandinnen Geschichten zu Umrisszeichnungen erzählen, welche das
Bindungssystem aktivieren. Die AAPs wurden auf Video aufgezeichnet, um anschließend das mimische
Verhalten der Probandinnen mittels Facial Action Coding System (FACS) erheben zu können.
Es zeigte sich, dass die Patientinnen weniger lächeln als die Kontrollgruppe und dass Weinen während
des Interviews ausschließlich bei Patientinnen mit einem desorganisierten Bindungsmuster vorkommt.
Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der Bindungstheorie und bestehenden Ergebnissen zum
mimisch-affektiven Verhalten vor allem für mögliche therapeutische Behandlungsmethoden diskutiert.
Prozesse der Schuldgefühlregulierung in der psychotherapeutischen Interaktion
Sabine Monsberger, Eva Bänninger-Huber
Universität Innsbruck, Österreich
Schuldgefühle sind soziale Emotionen, die mit negativen Erlebnisqualitäten verknüpft sind und deshalb
einen starken Regulierungsdruck auslösen. In Psychotherapien konnten sog. traps identifiziert werden,
die durch spezielle Muster verbalen und nonverbalen Verhaltens charakterisiert sind. Die von den
Patienten präsentierten Konflikte werden so dargestellt, dass die Therapeutin dies als Aufforderung erlebt,
die Patienten von ihren Schuldgefühlen zu entlasten. Frühere mikroanalytische Untersuchungen haben
gezeigt, dass in produktiven Therapiephasen sich das Nichtgelingen von traps positiv auf den
therapeutischen Prozess auswirkt (Bänninger-Huber & Widmer, 1999, 2000). In der vorliegenden Studie
sollten diese Erkenntnisse an umfangreicherem Datenmaterial validiert werden, und zwar anhand einer
videographierten psychoanalytischen Langzeitpsychotherapie mit einem jüngeren Patienten. Zu diesem
Zweck wurden 5 Stunden, die anhand des Helping Alliance Questionnaire (Alexander & Luborsky, 1986)
von Therapeut und Patient als hoch eingeschätzt wurden, mit 5 niedrig bewerteten Stunden in Hinblick
auf wichtige Prozesse der Schuldgefühlregulierung (traps, Geständnisse, PAMs) miteinander verglichen.
Psychisches Befinden und Emotionsregulation vor und nach adipositaschirurgischen
Eingriffen
Christiane Efferdinger1, Dorothea König1, Alexander Klaus2, Reinhold Jagsch1
1
Universität Wien, Österreich; 2Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern, Wien, Österreich
Ziel der vorliegenden Studie war es, psychisches Befinden und Emotionsregulation bei hochgradig
adipösen PatientInnen zu untersuchen. Vor (t1: N=66) sowie sechs Monate nach einem bariatrischen
Eingriff (t2: n=45) füllten die PatientInnen Selbstbeurteilungsfragebögen zu Depressivität,
gesundheitsbezogener Lebensqualität (HrQoL) und Emotionsregulation aus. Zu t1 berichteten die
PatientInnen von mehr Depressivität, schlechterer HrQoL und geringerem Einsatz von unkontrolliertem
Ausdruck zur Regulation negativer Emotionen als Vergleichsstichproben. Häufigerer Einsatz von
kontrolliertem Ausdruck und Umbewertung war mit geringerer Depressivität verbunden. Depressive
PatientInnen zeigten eine geringere HrQoL als nicht-depressive PatientInnen. Ein höherer
Gewichtsverlust konnte durch eine bessere präoperative körperliche HrQoL sowie ausgeprägtere
depressive Symptome prognostiziert werden. Nach der Operation entsprachen sämtliche Werte denen
von Vergleichsstichproben. Aktuelle Forschung zeigt allerdings, dass sich das psychische Befinden etwa
zwei Jahre postoperativ erneut verschlechtert. Bereits vor adipositaschirurgischen Eingriffen mit der
Behandlung depressiver Symptome sowie der Schulung adaptiver Emotionsregulation zu beginnen,
könnte bedeutend zur langfristigen Steigerung des psychischen Befindens adipöser PatientInnen
beitragen.
Lachen ist die beste Medizin! Eine empirische Untersuchung von Humorstilen und
möglichen Effekten von Humor auf die psychotherapeutische Behandlung.
Nektaria Tagalidou
Universität Salzburg, Österreich
Die Studie ist im Bereich der Humor- und Psychotherapieforschung anzusiedeln und befasst sich zum
einen mit Humorstilen und verschiedenen psychischen Konstrukten, zum anderen mit Effekten von Humor
auf die psychotherapeutische Behandlung. Sie wurde mittels Online-Befragung durchgeführt (N= 435 mit
3 Stichproben: Menschen mit und ohne psychische Störung und Psychotherapeuten). Die Ergebnisse
belegen positive Zusammenhänge zwischen Depressivität/Ängstlichkeit und selbstabwertendem
Humorstil bzw. zwischen Wohlbefinden und selbstaufwertendem Humorstil bei Menschen mit und ohne
psychische Störung. Weiters zeigen sich positive Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von Humor in
psychotherapeutischen Sitzungen und therapeutischer Allianz. Hinsichtlich psychischer Störungen stellt
sich heraus, dass bei depressiven Patienten der Einsatz von Humor positiv mit dem subjektiven
Verbesserungsempfinden der Symptome korreliert.
Eine weiterführende Dissertation ist aktuell laufend und befasst sich detaillierter mit den Effekten von
Humor auf die Psychotherapie. Innovativ dabei ist, dass u.a. ein Videoratingverfahren entwickelt werden
soll, welches Humor in psychotherapeutischen Sitzungen objektiv erfasst.
Biofeedback training in crisis managers: A randomized controlled trial
Amelie Janka1, Christine Adler2, Bettina Brunner3, Sarah Oppenrieder1, Stefan Duschek1
1
UMIT - Private Universität für Gesundheitswissenschaften Medizinische Informatik und Technik,
Österreich; 2LMU - Ludwig-Maximilians-Universität; 3ISI - Insight Instruments
Working in crisis environments represents a major challenge, especially for executive personal engaged
in directing disaster operations, i.e. crisis managers. Crisis management involves operating under
conditions of extreme stress resulting, for instance, from high-level decision-making, principal
responsibility for personnel, multitasking or working under conditions of risk and time pressure. The study
aimed to investigate the efficacy of a biofeedback training procedure based on electrodermal activity,
especially designed for the target group of crisis managers. In a randomized controlled design, 36 crisis
managers were assigned to either a training or waiting list control group. Subjective stress was assessed
using the Perceived Stress Scale. In the training group, stress level markedly decreased; the decrease
remained stable at follow-up 2 months after the training. The results indicate that biofeedback training in
crisis management is an effective method for stress management that may help to reduce vulnerability to
stress-related performance decline and stress-related disease.
Development and evaluation of a web-based intervention program for fatigue in
cancer patients (Dissertation Project)
Fanny C. Loth1,2, Bernhard Holzner1, Harald R. Bliem2
1
Medizinische Universität Innsbruck, Österreich; 2Universität Innsbruck, Institut für Psychologie
Introduction: To overcome the multiple negative impacts of cancer-related fatigue (CRF) on cancer
patients’ quality of life (QOL), self-management programs have become an increasingly important type of
intervention. With personalised self-help interventions, including evidence-based information, education
and self-management strategies for CRF, better health outcomes and lower CRF levels are expected. To
provide patients with an effective and barrier-free way to get access to such intervention programs, webbased patient portals are gaining popularity. Objective: Overall aim of this dissertation is the development,
implementation and evaluation of a web-based self-management intervention program for fatigue in
cancer patients. This companion self-management program will consist of the following key components:
Specific information for patients, continuous and systematic assessment and monitoring of CRF, such as
an intervention program including personalized interventions on fatigue. To guarantee feasibility, the
computerized program should be accessible from every device connected to the internet, multilingual and
barrier-free.
15:30 - 17:00
Foyer
PO 1-05: Poster Session 1-05: vom Raschmodell zum Stadtpark ...
Leitung der Sitzung: Martin Kopp
Zugänge zur Rasch Modellierung in der Forschung zum Wissenschaftlichen Denken:
Eine Review- und Simulationsstudie
Peter Edelsbrunner1, Fabian Dablander2
1
ETH Zürich, Schweiz; 2Universität Tübingen
Seit den 2000er Jahren wird in der Forschung zum wissenschaftlichen Denken das Rasch Modell
eingesetzt, um zu Skalieren und Hypothesen zu überprüfen.
In einem Review finden wir, dass die dabei eingesetzten Modellierungsstrategien und Modelltests
teilweise inkonsistent mit den zugrundeliegenden theoretischen Modellen und zu überprüfenden
Hypothesen sind.
Meistens wird das eindimensionale Rasch Modell gewählt und Itemfit Statistiken zur Modellprüfung
verwendet.
In Simulationen zeigen wir, wie diese Strategien ungültige Schlussfolgerungen fördern können und
teilweise theoretisch relevante Information verdecken.
Als Gründe für diese Vorgansweisen diskutieren wir die Nachahmung von PISA und anderen
Vergleichsstudien, einschränkende Software und Unkenntnis über verschiedene traditionelle Zugänge zur
Rasch Modellierung und deren Implikationen.
Wir schlagen vor, in zukünftigen Studien breitere Vorgangsweisen im Einklang mit der jeweiligen
Forschungsfrage und der Konzeptualisierung der zu erhebenden Konstrukte abzuwägen.
Verbessern psychologische Kompetenzen die Beurteilung von Aussagen hinsichtlich
ihrer Glaubhaftigkeit?
Hannah Melcher, Gabriele Amann
Universität Salzburg, Österreich
Aufgrund der gravierenden Konsequenzen fehlerhafter Klassifikationen von Aussagen bei Fällen von
sexuellem Missbrauch wurde die Annahme untersucht, dass spezifische psychologische Kompetenzen
die Beurteilung von Aussagen hinsichtlich ihrer Glaubhaftigkeit verbessern. Zur Abbildung des
aussagepsychologischen Sachverstandes wurden 20 Psychologiestudierende in der Anwendung der
Glaubhaftigkeitsbegutachtung trainiert. Das Training umfasste 360 Minuten und vermittelte valide,
praxisnahe Inhalte. Als Kontrollgruppe und zur Simulation des juristischen Sachverstandes nahmen 28
Jurastudierende teil. Zudem wurde ausschließlich forensisches Aussagematerial zur Beurteilung
vorgelegt, welches durch ein objektives Kriterium (Verurteilung oder Freispruch des Beschuldigten) den
Kategorien erlebnisfundiert oder nicht erlebnisfundiert zugeordnet war. Es wurden drei Genauigkeitsmaße
erhoben: Hit Rate (korrekt erlebnisfundiert), Correct Rejection (korrekt nicht erlebnisfundiert) und
Allgemeine Genauigkeit (korrekte Beurteilung). Trainierte Psychologiestudierende waren in allen drei
Maßen signifikant besser als Jurastudierende (Hit Rate p=.023, Correct Rejection p=.029, Allgemeine
Genauigkeit p=.011). Die Ergebnisse belegen die Wissenschaftlichkeit der Glaubhaftigkeitsbegutachtung
und legen eine verstärkte Beiziehung von psychologischen Sachverständigen bei Strafverfahren zu
Sexualdelikten nahe.
Alkoholkonsum beim Mountainbiken
Anika Frühauf, Gerhard Ruedl, Martin Kopp
Institut für Sportwissenschaft, Universität Innsbruck, Österreich
Einleitung: Alkoholkonsum steigert das Verletzungsrisiko beim Radfahren, welches bisher jedoch nur im
Straßenverkehr erhoben wurde. 2014 ereigneten sich in Österreich rund 7000 Mountainbikeunfälle. Daher
war das Ziel dieser Studie den Prozentsatz alkoholisierter MountainbikerInnen und deren
Atemluftalkoholgehalt im Umfeld bewirtschafteter Almhütten zu erheben.
Methode: 352 MountainbikerInnern (66% männlich) wurden beim Abfahren nach soziodemographischen
Daten und Risikoverhalten befragt. Zusätzlich wurde der Atemluftalkoholgehalt gemessen.
Ergebnisse: 106 Personen (30,1%) gaben Alkoholkonsum an und bei 78 (22,2%) wurde ein Alkoholgehalt
(ᴓ=0.24±0.27‰; Min=0.06‰, Max=1.07‰) in der Atemluft festgestellt. Im Gruppenvergleich zeigte sich,
dass alkoholisierte Mountainbiker signifikant häufiger männlich (81%) waren sowie einen signifikant
höheren BMI aufwiesen. Alkoholisierte Mountainbiker gaben an, öfter und in der Gruppe ihren Sport
auszuüben. Hinsichtlich des Risikoverhaltens bestand kein signifikanter Unterschied zwischen den
Gruppen.
Diskussion: Die vorliegende Erhebung zeigt einen durchschnittlichen Atemluftalkoholgehalt, der schon
beim Straßenradfahren mit einem deutlich erhöhten Verletzungsrisiko diskutiert wird. Spezifische, auf
männliche Moutainbikesportgruppen abgestimmte Präventionsmaßnahmen scheinen notwendig.
Lebenszufriedenheit bei unerfülltem Kinderwunsch
Manuel Kiesswetter, Stefan Duschek
UMIT - Universität für Gesundheitswissenschaften Medizinische Informatik und Technik, Österreich
Die Häufigkeit von Unfruchtbarkeit wird bei Paaren der westlichen Welt auf 10-15% geschätzt, wobei
lediglich in etwas mehr als der Hälfte der Fälle eine eindeutige medizinische Ursache der Sterilität
festgestellt wird. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit möglichen Beeinträchtigungen der
Lebenszufriedenheit bei Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch. Hierzu bearbeiteten 73 betroffene
Südtiroler Paare (25 mit idiopathischer, 48 mit medizinisch erklärbarer Sterilität) den Fragebogen zur
Lebenszufriedenheit (FLZ) sowie den Fragebogen zum Kinderwunsch (FKW). Der mittlere Gesamtscore
des FLZ lag in der gesamten Untersuchungsgruppe fast zwei Standardabweichungen unter dem der
Normstichprobe. Während sich die Werte des FLZ nicht zwischen Paaren mit idiopathischer und
medizinisch begründeter Sterilität unterschieden, ergab sich eine signifikant höhere Ausprägung des im
FKW erfassten Kinderwunsches bei den Paaren mit idiopathischer Sterilität. Die Daten belegen eine
deutliche Beeinträchtigung der Lebenszufriedenheit bei unerfülltem Kinderwunsch und weisen auf die
Notwendigkeit adäquater psychologischer Unterstützung der betroffenen Paare hin.
Psychological Predictors of Doping Susceptibility in Junior Athletes
Cornelia Blank, Wolfgang Schobersberger, Veronika Leichtfried, Stefan Duschek
Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT),
Österreich
Doping represents a relevant problem even in young athletes. The present study investigated the
predictive potential of well-being, confidence and fear of success, goal orientation, performance motivation
and locus of control, on doping susceptibility in junior athletes. As part of this cross-sectional study, 1,265
Austrian athletes aged between 14 and 19 years completed the Berne Questionnaire of Well-Being in
Adolescents and the Questionnaire for Evaluating Mental Competencies and Attitudes in Sport. According
to multiple regression analysis, positive attitude towards life and performance motivation were negative,
while depressive mood, self-esteem, fear of failure and self-oriented goal orientation were positive,
predictors of doping susceptibility, explaining 21.7% of the variance. The study corroborates the utility of
classical constructs from health psychology in doping research. In addition to education, the creation of
an environment that fosters self-efficacy, well-being, and self-esteem, and reduces fear of failure, may
represent a beneficial approach for future preventive interventions.
Der Stadtpark: Ein nachhaltiger Erholungsort?
Alexander Keul
Universität Salzburg, Österreich
Stadtgrün ist ein Schwerpunkt urbaner Nachhaltigkeits- und Gesundheitsforschung (Mikroklima,
Luftqualität, Biologie, körperliche Aktivität, Freizeit). Im Frühjahr 2015 wurden 243 Feldinterviews in 24
Wiener und Salzburger Parks geführt, in Salzburg auch die Lärmbelastung gemessen. Das Instrument
enthielt Items aus PANAS, Restorativeness Scale, zu Absorption, Achtsamkeit, Naturverbundenheit und
Dissozation.
Parkgäste waren 12-90 Jahre alt, durchschnittlich 3-4 Stunden im Park, meist nachhaltig mobil (zu Fuß,
Fahrrad, ÖV) und nannten zu zwei Drittel Erholungsmotive. 60-70% wollten sich im Park auch bewegen,
nicht nur sitzen. Salzburger Hintergrundlärm (Mittel von 50,7 dBA) fanden trotz signifikanter Korrelation
mit der subjektiven Bewertung nur 9% laut und 6% unangenehm.
Die PANAS-Affektbilanz im Park war zu 95-100% positiv. Faktorenanalysen ergaben einen Generalfaktor
für primärprozesshaftes Erleben, aber unklare Restorativeness-Skalen. 35-50% fanden die subjektive
Biodiversität sehr hoch, 40-60% schilderten besondere Naturerlebnisse. Frauen berichteten mehr
Achtsamkeit und intensiveres Naturerleben. Der höhere Nutzungsdruck in Wien führte bei 12% zu
Crowding-Erleben gegenüber 3% in Salzburg.
17:00 - 18:40
Mehrzweckraum
ER 2-01: Einzelreferate Session 2-01: Arbeit & Zeitmanagement
Leitung der Sitzung: Paul Jimenez
Ist Zeitdruck hinderlich oder förderlich für das Arbeitsengagement? – Welche Formen
von Handlungsspielraum und Kontrollüberzeugungen ausschlaggebend sind.
Barbara Stiglbauer, Bernad Batinic
Johannes Kepler Universität Linz, Österreich
Das Anforderungs-Kontroll-Modell postuliert eine motivierende Wirkung von Anforderungen wie Zeitdruck
oder Aufgabenkomplexität, sofern der Arbeitsplatz ein hohes Maß an Kontrolle – z.B. in Form von
Handlungsspielraum – ermöglicht. Die Befundlage zur interaktiven Wirkung von Anforderungen und
Kontrolle ist jedoch widersprüchlich. Grund dafür könnte die breite Operationalisierung der Konstrukte und
Nicht-Berücksichtigung von Persönlichkeitsmerkmalen sein.
In der vorliegenden Längsschnittstudie unter 206 Erwerbstätigen wurde daher untersucht, ob
Interaktionseffekte eher bei zunehmendem „Anforderungs-Kontroll-Match“ auftreten, d.h. unter der
Bedingung, dass a) sich Anforderung und Kontrolle auf dieselbe Dimension beziehen und b) das
Kontrollausmaß mit subjektiven Kontrollüberzeugungen übereinstimmt.
Die Ergebnisse zeigen, dass Interaktionseffekte zwischen Zeitdruck und Handlungsspielraum nur unter
Berücksichtigung subjektiver Kontrollüberzeugungen erkennbar sind. In Übereinstimmung mit der "MatchHypothese" ist die Interaktion für Zeitspielraum stärker als für anderen Formen des Handlungsspielraums.
Anders als erwartet ist der Interaktionseffekt bei Personen mit externalen Kontrollüberzeugungen positiv,
während die Interaktion bei Personen mit internalen Kontrollüberzeugungen eine tendenziell negative
Form aufweist.
Arbeitszufriedenheit und Kündigungsabsicht. Der moderierende Effekt der
persönlichen Zeitperspektive
Paul Jiménez, Anita Dunkl
Karl-Franzens-Universität Graz
Die Kündigungsabsicht ist neben sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stark von Facetten
der Arbeitszufriedenheit abhängig. Dabei zeigen sich besonders die Zufriedenheiten mit
Entwicklungsmöglichkeiten als wesentliche Prädiktoren. Als wichtige Moderatorvariable für
Entscheidungen kann nach Zimbardo und Boyd die Zukunftsorientierung gesehen werden. Dies wurde in
zwei Studien untersucht. In einer Online-Studie bei 632 Personen zeigten sich in der Diskriminanzanalyse
vor allem die Arbeitszufriedenheitsfacetten Herausforderung in der Arbeit (.80) und Aufstiegs- und
Karrieremöglichkeiten (.73) als zentrale Prädiktoren für die Kündigungsabsicht. In der weiteren
Längsschnittuntersuchung wurde zusätzlich die individuelle Zukunftsperspektive erfasst. Bei niedriger
Zukunftsorientierung
zeigte
sich
kein
signifikanter
Zusammenhang
zwischen
Arbeitszufriedenheitsfacetten und Kündigungsabsicht. Bei hoher Zukunftsorientierung finden sich als
Prädiktoren für Kündigungsabsicht besonders die Arbeitszufriedenheitsfacetten Organisation und
Führung (.51), Bezahlung (.47), Herausforderung in der Arbeit (.46) und Arbeitsbedingungen (.46). Damit
bestätigt sich die Zeitperspektive Zukunftsorientierung als wichtiger Moderator. Die sozialen
Arbeitszufriedenheitsfacetten zeigen einen geringeren Einfluss auf die Kündigungsabsicht bei Personen
mit hoher Zukunftsorientierung.
Arbeitszufriedenheitsformen nach Bruggemann: Stabilität und prädiktiver Mehrwert
Carrie Kovacs, Barbara Stiglbauer, Bernad Batinic
Johannes Kepler Universität Linz, Österreich
Die Arbeitszufriedenheit ist ein wesentlicher Prädiktor für diverse gesundheits- und arbeitsbezogene
Eigenschaften. Jedoch bleibt die Konzeptualisierung von Arbeitszufriedenheit als Globalkonstrukt nicht
unumstritten – zum Beispiel postulierte Bruggemann (1976), dass vor allem die spezifische Form der
(Un)Zufriedenheit (progressiv, stabilisiert, resignativ, fixiert, konstruktiv) wichtig für die Vorhersage
weiterer berufsbedingter Eigenschaften ist. Die vorliegende online Studie (nT1 = 892; nT2 = 196) stellte
sich die Fragen (1) ob und wie sich die Zuordnung zu den Bruggemann-Zufriedenheitsformen im Laufe
von 5 Monaten veränderte sowie (2) ob und inwiefern die Zufriedenheitsformen die Vorhersage von
Wohlbefinden, Motivation und Leistung über die globale Arbeitszufriedenheit hinaus verbessern konnten.
Ergebnisse zeigten eine erhebliche Fluktuation in Zufriedenheitsform, wobei die fixierte
Arbeitsunzufriedenheit die höchste Stabilität aufwies. Die Arbeitszufriedenheitsformen konnten die
Vorhersage der Ergebnisvariablen um 2%-8% erklärte Varianz verbessern; vor allem die Differenzierung
zwischen progressiver und stabilisierter Arbeitszufriedenheit erwies sich dabei als nützlich.
Konsequenzen für Forschung und Praxis werden diskutiert.
Unterschiedliche Erholungswirkung verschiedener Pausenaktivitäten bei
Chronotypen
Sophie Fürstenberg, Verena Wagner, K. Wolfgang Kallus
Institut für Psychologie, Arbeits-, Organisations- und Umweltpsychologie, Karl-Franzens-Universität
Graz, Österreich
Menschen zeigen große interindividuelle Unterschiede innerhalb des 24-Stunden-Tages. Abhängig ist
dies u.a. von ihrer zirkadianen Rhythmik d.h. ihrem Chronotyp. Im Rahmen des Forschungsprojekts „R–
AGE-II: Recovery, Age and Performance - Untersuchung zur biografiegerechten Arbeitsgestaltung“
wurden mithilfe eines Mehrebenenansatzes untersucht, ob sich ArbeitnehmerInnen in ihrer kognitiven
Leistung, kardiovaskulären Aktivität und subjektiven Befindlichkeit hinsichtlich Zeitpunkt (vor/nach einer
Pause), Pausenart (aktivierend/entspannend) oder Chronotyps unterscheiden.
61 Berufstätige (M = 38.59) nahmen an einer experimentellen Laboruntersuchung teil und bearbeiteten
nach ihrem regulären Arbeitstag Leistungstests. Es zeigte sich, dass alle UntersuchungsteilnehmerInnen
unabhängig von Pausenart und Chronotyp nach der Pause leistungsfähiger waren als davor. Tendenziell
profitierten Morgentypen hinsichtlich ihrer kardiovaskulären Aktivität von einer entspannenden,
hinsichtlich subjektiv wahrgenommener Erholung und Ermüdung von einer aktivierenden Pause.
Abendtypen profitierten hinsichtlich Erholung von einer entspannenden Pause. Hinsichtlich ihrer
Psychophysiologie und ihres Ermüdungsgefühls zeigte sich nach aktivierender Pause eine positive
Veränderung: die Herzrate und die Ermüdung nahmen ab, die Herzratenvariabilität zu.
Arbeitsbelastung und gesundheitsförderliches Führen: Erleben Führungskräfte
Belastungen anders als MitarbeiterInnen ohne Führungsverantwortung?
Anita Dunkl, Paul Jiménez, Simone Duncan
Karl-Franzens-Universität Graz
Führungskräfte haben einen zentralen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen ihrer MitarbeiterInnen.
Vorliegende Studie geht der Frage nach, ob Gesundheitsförderliches Führen die Zusammenhänge
zwischen Belastung, Beanspruchung und Erholung puffern kann. Auch wird untersucht, ob
Führungskräfte und MitarbeiterInnen ohne Führungsverantwortung Belastung am Arbeitsplatz
unterschiedlich wahrnehmen. Im Rahmen einer repräsentativen Onlinestudie wurden 1200 Arbeitende in
Österreich mit und ohne Führungsposition befragt. Die Analysen zeigen für beide Gruppen hohe
Zusammenhänge der Belastung mit Beanspruchung (.54 bzw. .51) und Erholung (-.76 bzw. -.75). Weiters
zeigen sich interessante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Führungskräfte fühlen sich viel
stärker durch kritische Arbeitsabläufe belastet, während Nicht-Führungskräfte das Sozialklima als
belastend einschätzen. Gesundheitsförderliche Führung kann für beide Gruppen wie ein „Puffer“ wirken,
dabei wird vor allem die Erholung am Arbeitsplatz gefördert. Die Analysen können in weiterer Folge einen
wichtigen Beitrag zur Entwicklung von unterschiedlichen Interventionen im Rahmen der
Belastungsmessungen am Arbeitsplatz liefern.
17:00 - 18:40
HS 2
ER 2-02: Einzelreferate Session 2-02: Arbeit & Führung
Leitung der Sitzung: Marco Furtner
SoldatInnen führen sich selbst zum Erfolg: Eine Self-Leadership Interventionsstudie.
Gerhard Lucke, Marco Furtner
Universität Innsbruck, Österreich
Neck und Manz (1999) beschrieben in ihrem Artikel „In search oft the self-lead soldier“, die Notwendigkeit
einer fortlaufenden Entwicklung personeller Qualitäten, wie z.B. die Steigerung der Selbstwirksamkeit und
der Leistungsfähigkeit sowie die Verminderung des Belastungsempfindens. Self-Leadership ist ein
Konzept, mit dem genau diese personellen Ressourcen gefördert werden können. Diese Interventionsund Evaluierungsstudie untersuchte im Längsschnitt die Auswirkungen eines zehnwöchigen SelfLeadership-Trainings auf SoldatInnen, welche an einem 14 wöchigen Ausbildungslehrgang teilnahmen.
Es ist die erste Self-Leadership-Trainingsstudie, bei der die erwartete Leistungssteigerung mittels
objektiven Kriterien (Prüfungsnoten, sportliche Leistungstest) gemessen wurde. Die große Stichprobe von
130 SoldatInnen des Österreichischen Bundesheeres wurde in eine Interventions- und Kontrollgruppe
geteilt. Während des gesamten Ausbildungslehrganges wurden vier Messzeitpunkte durchgeführt. Die
Interventionsgruppe erreichte einen signifikant höheren Ausbildungserfolg, der sich in signifikant besseren
Prüfungsergebnissen und signifikant besseren sportlichen Leistungen zeigte. Ebenso zeigten sie eine
signifikant höhere Selbstwirksamkeit sowie ein marginal bis signifikant vermindertes
Belastungsempfinden.
Entwicklung eines Instruments zur Erfassung der ethischen Unternehmenskultur: Der
Integritätsbarometer
Katharina Gangl1,, Carmen Tanner1,2
1
Zeppelin Universität, Deutschland; 2Universität Zürich
Wirtschaftsskandale in Unternehmen, wie der aktuelle VW-Abgasskandal, werden mit der fehlenden
ethischen Kultur in den jeweiligen Unternehmen in Verbindung gebracht. Bestehende Messinstrumente
zur Erfassung der ethischen Unternehmenskultur sind auf den nicht-deutschsprachigen Raum beschränkt
und aufgrund ihres Alters nicht mehr am letzten Erkenntnisstand. Theoretisch wird davon ausgegangen,
dass die Unternehmenskultur durch Compliance-Maßnahmen, integritätsfördernde Maßnahmen und
durch Vorbilder bestimmt wird. Auf Basis einer Stichprobe von 990 deutschen ArbeitnehmerInnen wird
durch explorative und konfirmatorische Faktorenanalyse der Integritätsbarometer als Messinstrument zur
Erfassung der ethischen Unternehmenskultur entwickelt. Der Integritätsbarometer besteht aus elf
Dimensionen: klare Regeln, vollständige Regeln, respektierte Regeln, Kontrolle, Sanktionierung,
Bewahrung eigener Werte, Widerspruch, ethische Zielsetzung, Verantwortung, Vorbild der Führung,
Vorbild der KollegInnen. Die externe Validität des Integritätsbarometers zeigt sich durch seinen hohen
Zusammenhang mit dem beobachteten unethischen Verhalten. Der Integritätsbarometer kann als
Monitoringinstrument eingesetzt werden und hat das Potential in Zukunft zur Erforschung der
psychologischen Wirkungsweise einer ethischen Unternehmenskultur beizutragen.
Durch Achtsamkeit und Self-Leadership zum Studienerfolg: Eine randomisierte
kontrollierte Interventionsstudie in universitären Leistungssituationen.
Juliane Sampl, Marco Furtner
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Österreich
Die vorliegende Interventionsstudie überprüft die Effekte eines spezifisch entwickelten
achtsamkeitsbasierten Self-Leadership-Trainings in universitären Leistungssituationen. Während
Achtsamkeit in Verbindung mit Stressresilienzstärkung steht (Kabat-Zinn,1990), führt Self-Leadership zu
einer Steigerung der Selbstwirksamkeit und Leistung (Neck & Manz, 1992; 1999). In einer innovativen
Kombination aus achtsamkeitsbasierten und Self-Leadership-Techniken, wurde ein Training entwickelt,
welches sowohl die Stressresilienz als auch die Leistungsfähigkeit fördert. Insgesamt wurde das Training
über 9 Wochen durchgeführt und additive Effekte auf die Stressbelastung, Prüfungsangst und
Selbstwirksamkeit in Leistungssituationen bei Studierenden (Kontroll- versus Interventionsgruppe, N =
109) überprüft. Das Training zeigte signifikante Effekte auf die Achtsamkeit, das Self-Leadership und die
Selbstwirksamkeit. Zudem hatte die Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe während der
Prüfungsphase ein signifikant niedrigeres Stressniveau, signifikant weniger Prüfungsangst und erbrachte
signifikant bessere Studienleistungen. Die Ergebnisse bestätigen die positiven Effekte der Kombination
von Achtsamkeit und Self-Leadership hinsichtlich Belastungsreduktion in Leistungssituationen. Sie
werden bezüglich ihrer theoretischen und praktischen Relevanz diskutiert.
Der Faking-Prozess realer Bewerbungssituationen
Georg Krammer, Markus Sommer, Martina Feldhammer, Martin Arendasy
Universtität Graz, Österreich
Werden selbstbeschreibende Verfahren in Zulassungsverfahren verwendet, stellt sich die Frage, wie sehr
Faking diese verzerrt, d.h., wie sehr BewerberInnen sich vorteilhafter darstellen, als sie es sind. Viele
Studien haben thematisiert, ob BewerberInnen faken können und wie sehr sie dies in
Bewerbungssituationen tun. Jedoch fehlt es noch an Arbeiten, die unser Verständnis des FakingProzesses selbst vertiefen. Der vorliegende Beitrag greift dies auf und untersucht, ob der Faking-Prozess
einer realen Bewerbungssituation überhaupt reproduzierbar ist. Dafür bearbeiteten 243 Studierende
nochmals ein Persönlichkeitsinventar, das ein halbes Jahr davor Teil ihres Zulassungsverfahrens
gewesen war. Entweder wurden sie instruiert das Persönlichkeitsinventar wie damals, als sie selbst
BewerberIn waren, zu bearbeiten, oder zum Vergleich mit („faking-good“) bzw. ohne Absicht („honest“)
zu faken. Messinvarianzanalysen zeigten, dass der Faking-Prozess reproduzierbar war, jedoch wurde
das Ausmaß der damaligen Verfälschung durchwegs unterschätzt. Dies spricht für stabile und
reproduzierbare individuelle Unterschiede im Faking-Prozess, bei einer gleichzeitigen
Situationsabhängigkeit der Intensität des Fakings.
Der Einfluss kognitiver Flexibilität auf die berufliche Leistung und das Wohlbefinden
Julia Schöllbauer, Bettina Kubicek, Matea Paskvan
Universität Wien, Österreich
Die schnell wechselnden Anforderungen der heutigen Arbeitswelt fordern von ArbeitnehmerInnen
spezifische Fähigkeiten (James, 1999). Kognitive Flexiblität könnte eine dieser nützlichen personalen
Ressourcen sein. Sie ist mit der individuellen Fähigkeit assoziiert, schnell und differenziert auf
unterschiedlichste Stimuli reagieren (Vartanian, 2009) und verschiedene Perspektiven übernehmen zu
können. Neben positiven Effekten auf Leistungsindikatoren wirkt kognitive Flexibilität auch positiv auf die
Gesundheit (Der et al., 2008).
In dieser Studie wird getestet, ob sich kognitive Flexibilität positiv auf die Arbeitsleistung und die
Arbeitszufriedenheit sowie negativ auf kognitive Irritation auswirkt und ob diese Zusammenhänge durch
Flexibilität im Beruf (zeitliche, örtliche Flexibilität, Arbeitsautonomie) moderiert werden.
Längsschnittdaten von 312 ArbeitnehmerInnen wurden unter Kontrolle des T1-Wertes mittels
Regressionsanalysen ausgewertet. Kognitive Flexibilität (T1) weist nur einen positiven Effekt auf die
Arbeitsleistung (T2) auf. Zwischen kognitiver Flexibilität und Arbeitszufriedenheit sowie kognitiver Irritation
zeigt sich ein Moderatoreffekt: Bei niedriger kognitiver Flexibilität erhöht hohe Arbeitsautonomie die
Zufriedenheit und senkt die kognitive Irritation.
17:00 - 18:40
HS 3
ER 2-03: Einzelreferate Session 2-03: Studieren
Leitung der Sitzung: Gerold Mikula
Die familiäre Häufung der Professionen Medizin, Psychologie und Psychotherapie
unter StudienanfängerInnen der Humanmedizin und Psychologie: Ergebnisse einer
Totalerhebung an allen Studienstandorten Österreichs
Ulrich S. Tran1, Nina Berger1, Martin Arendasy2, Tobias Greitemeyer3, Monika Himmelbauer4,
Florian Hutzler5, Hans-Georg Kraft6, Karl Öttl7, Ilona Papousek2, Oliver Vitouch8, Martin Voracek1
1
Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden, Fakultät für Psychologie,
Universität Wien; 2Institut für Psychologie, Universität Graz; 3Institut für Psychologie, Universität
Innsbruck; 4Department für Medizinische Aus- und Weiterbildung, Medizinische Universität Wien;
5
Centre for Cognitive Neuroscience, Universität Salzburg; 6Sektion für Zellgenetik, Department für
Medizinische Genetik, Molekulare und Klinische Pharmakologie, Medizinische Universität Innsbruck;
7
Institut für Physiologische Chemie, Medizinische Universität Graz; 8Institut für Psychologie, Universität
Klagenfurt
Die Profession der Medizin, aber auch der Psychologie und Psychotherapie, zeigt familiäre Häufung, wie
Daten aus dem angloamerikanischen (USA, UK, NZ), skandinavischen (NO) und deutschsprachigen
Raum (DE, AT) belegen. Bisherige Daten aus Österreich (Voracek, Tran, Fischer-Kern, Formann, &
Springer-Kremser, 2010; in: Higher Education) belegten zwar eine familiäre Häufung der medizinischen,
psychologischen und psychotherapeutischen Profession unter Medizin- und Psychologiestudierenden,
waren aber auf die Wiener Universitäten beschränkt. Hier präsentieren wir die Ergebnisse einer
Totalerhebung unter StudienanfängerInnen der Psychologie (n = 920) und Humanmedizin (n = 881) an
allen
österreichischen
Studienstandorten.
Die
Datenerhebungen
fanden
jeweils
in
Pflichteinführungslehrveranstaltungen (teils mit Anwesenheitspflicht) statt, wodurch die gesamte
studienbeginnende Kohorte (Studienjahr 2011/12) erfasst werden konnte. Die Ergebnisse dieser
Gesamterhebung erlauben einen repräsentativen wie detaillierten Blick auf familiäre Zusammenhänge
und bestätigen bisherige Befunde zur familiären Häufung dieser Professionen, die sich im Fall der
Humanmedizin sogar bis auf Verwandte dritten Grades erstreckt. Die Implikationen dieser Befunde
werden diskutiert.
Hausgemacht?! Das Impostor Phänomen im Arbeitsumfeld Hochschule
Marlene Kollmayer, Moritz Hagedorn, Andreas Zall, Gregor Jöstl, Barbara Schober
Universität Wien, Österreich
SpitzenleisterInnen, die sich entgegen jeglicher Evidenz als „Intellektuelle HochstaplerInnen“ fühlen,
leiden unter dem sog. Impostor Phänomen (IP). Neuere Befunde weisen darauf hin, dass an der
Hochschule beschäftigte WissenschaftlerInnen relativ häufig davon betroffen sind – und zwar mehr als
ForscherInnen, die nicht einem klaren universitären Karrierepfad folgen. Die vorliegende Studie
untersucht vor diesem Hintergrund Zusammenhänge zwischen spezifischen Merkmalen des
Arbeitsumfeldes Hochschule und dem IP. Dazu wurden mittels Onlinefragebogen 561 DoktorandInnen
mit und ohne Anstellung an der Universität befragt, bevor vertiefend 19 problemzentrierte Interviews
durchgeführt wurden. Die Ergebnisse bestätigen, dass an Hochschulen angestellte DoktorandInnen
stärker vom IP betroffen sind als solche, die ihre Dissertation extern verfassen. Vom IP betroffene
Hochschulangestellte berichten von vergleichsweise geringer emotionaler Unterstützung und haben
häufiger das Gefühl, das Arbeitsumfeld enttäuschen zu müssen. Im Interview beschrieben unter dem IP
Leidende ihre Arbeitssituation häufiger gekennzeichnet durch eher wenig Austausch über
berufsbezogene Schwierigkeiten und Feedback. Auch verfügen diese Personen seltener über
MentorInnen.
Postformales Denken und (Psychologie-) Studium
Marco Jirasko
Fakultät für Psychologie der Universität Wien, Österreich
Aus der Kritik an Piaget's (Stufen-) Theorie entstand das Bestreben, "postformale" Entwicklungen zu
postulieren (Labouvie-Vief, Perry, Schaie und andere). Aus aktueller Sicht sind diese eher nicht als
"qualitative Fortsetzung" der von Piaget skizzierten Entwicklung zu sehen, doch bieten diese Ansätze
Potential für ein besseres Verständnis universitärer Ausbildungen, sind doch hier Studierende immer
wieder mit widersprüchlichen Befunden (speziell auch in der Psychologie) konfrontiert.
Diskutiert werden verschiedene Fragen, wie ob es Entwicklungen gibt, ob es Bedeutung für Studienerfolg
bzw. Studienabbruch hat, ob es mit Persönlichkeitseigenschaften zusammenhängt, welche Rolle
Studienmotive spielen, ob sich Psychologiestudierende von anderen Fächern unterscheiden und anders
mehr.
In verschiedenen (Pilot-) Studien wurde u. a. obigen Fragen nachgegangen, eine ältere Studie (2010)
untersucht es bei Dipomstudierenden (u. a. Psychologie und andere Studienrichtungen), eine jüngere bei
Bachelor-/Master-Studierenden, eine weitere macht internationale Vergleiche.
Die Ergebnisse zeigen, dass die diesbezüglichen Ansätze durchaus Sinn machen, bei universitärer
Psychologie-Didaktik gezielt berücksichtigt zu werden.
Stereotype Einstellungen von Lehramtsstudierenden am Beispiel der
Schullaufbahnempfehlung
Florian Klapproth
Medical School Berlin, Deutschland
Ethnische Diversität resultiert oft in einer systematischen Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern
aus ethnischen Minoritäten. Als Ursache dieser Benachteiligung werden ethnisch-spezifische stereotype
Lehrererwartungen diskutiert. Mit zwei Experimenten wurde der Einfluss stereotyper Schülermerkmale
auf die Beurteilung dieser Schülerinnen und Schüler durch Lehramtsstudierende geprüft. Grundlage der
Studie waren Schülervignetten, in denen die ethnische Herkunft der Schülerinnen und Schüler (türkisch
oder deutsch) systematisch variiert und in einen sozialen (Religionszugehörigkeit; Exp.1 ) oder
behavioralen (Anzahl von Fehltagen in der Schule; Exp. 2) Kontext eingebettet wurde. Aufgabe der Vpn
war es, auf Grundlage der Informationen in den Vignetten eine Empfehlung für oder gegen den
Gymnasialbesuch zu erteilen. In beiden Experimenten zeigten sich ein Haupteffekt der Ethnizität zulasten
der türkischen Schülerinnen und Schüler und eine Interaktion mit dem Kontext. Der Effekt des Kontextes
war eher gering ausgeprägt bei den deutschen Schülern, während er ein deutlich größeres Gewicht bei
den türkischen Schülern hatte.
Elterlicher Einfluss auf die Berufs- und Studienwahl – der Apfel fällt nicht weit vom
Stamm
Silke Luttenberger1, Marc André Günther1, Bernhard Ertl2, Manuela Paechter1
1
Karl-Franzens-Universität Graz, Pädagogische Psychologie, Österreich; 2Donau-Universität Krems,
Department für Interaktive Medien und Bildungstechnologien, Österreich
Der OECD-Bildungsbericht (2015) zeigt wieder Interessensunterschiede an MINT-Berufen (Mathematik,
Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sowie damit einhergehenden Einstellungen bei Jungen und
Mädchen. Im Hinblick auf die bevorstehende Berufswahl blicken Jugendliche auf eine lange
Erfahrungsgeschichte über die eigenen Leistungen und beruflichen Vorstellungen zurück. Durch das
soziale Umfeld werden häufig Geschlechtsstereotype reproduziert und nehmen Einfluss auf die
Entwicklung von Fähigkeitserwartungen.
Einschränkungen beruflicher Optionen durch das soziale Umfeld wurden in zwei Studien untersucht. In
einer Studie an Polytechnischen Schulen (Luttenberger et al., 2014) konnte gezeigt werden, dass junge
Menschen, die sich für geschlechtsuntypische Berufe interessieren, wenig soziale Unterstützung erleben
und häufig keine beruflichen Rollenmodelle (Eltern) vorfinden. In einer zweiten Studie (Ertl et al., 2014)
wurde deutlich, wie anfällig selbst MINT-Studentinnen für stereotype Fähigkeitszuschreibungen
(Mädchen sind weniger gut in MINT-Fächern) sind.
Die Ergebnisse weisen auf wichtige Implikationen für individuelle und geschlechtsunabhängige
Berufsorientierungsangebote hin. Interventionen müssen jungen Menschen (und deren Eltern)
Berufschancen in geschlechtsuntypischen Berufen vermitteln.
17:00 - 18:40
HS 4
ER 2-04: Einzelreferate Session 2-04: Neurobiologie
Leitung der Sitzung: Ilona Papousek
COMT Val158Met und 5-HTTLPR: Genetische Befunde der Mobiltelefonsucht
Kathrin Bauernhofer1, Ilona Papousek1, Andreas Fink1, Human-Friedrich Unterrainer1,2,3, Elisabeth
M. Weiss1
1
Karl-Franzens-Universität Graz, Österreich; 2Universitätsklinik für Psychiatrie, Medizinische Universität
Graz, Österreich; 3Zentrum für Integrative Suchtforschung (Verein Grüner Kreis) Wien, Österreich
Mobiltelefonsucht wird als eine neue Form der Verhaltenssucht diskutiert, bei der vor allem Frauen die
Risikogruppe bilden. Zu den genetischen Grundlagen der Mobiltelefonsucht liegen allerdings noch keine
Befunde vor. In der vorliegenden Studie sollte daher die Frage beantwortet werden, ob sich Frauen in
Abhängigkeit des COMT Val158Met und 5-HTTLPR Polymorphismus im problematischen
Mobiltelefonnutzungsverhalten unterscheiden. Beide Gene sind bereits mit anderen Suchterkrankungen
in Verbindung gebracht worden. 158 gesunde, junge Frauen wurden in acht möglichen Symptomen der
Mobiltelefonsucht
verglichen:
Gedankliche
Vereinnahmung,
Entzugserscheinungen,
Toleranzentwicklung, Kontrollverlust, negative psychosoziale Konsequenzen, Verhaltensvereinnahmung,
dysfunktionale Stressbewältigung sowie Gefährdungen und Verluste in Arbeit und Ausbildung. Es zeigte
sich, dass Frauen des Val/Val Genotyps im Vergleich zu jenen des Met/Met Genotyps, eine stärkere
gedankliche Vereinnahmung, mehr Entzugserscheinungen und mehr Kontrollverlust aufwiesen.
Verursacht wird dies möglicherweise durch eine geringere Dopamin-Verfügbarkeit im präfrontalen Kortex
der homozygoten Val-Allel Trägerinnen. Zwischen den 5-HTTLPR Genotypen zeigte sich hingegen kein
Unterschied im problematischen Mobiltelefonnutzungsverhalten.
Grundlagenprobleme bei der mobilen Ableitung von EEG-Signalen
Dietmar Henrich1, Matthias Schmidt2, Tino Schmidt1, Ina Zwingmann3
1
Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg; 2Hochschule Zittau/Görlitz,
Deutschland; 3Technische Universität Dresden, Deutschland
Mobile EEG- Systeme werden zunehmend bei der Untersuchung neuronaler Prozesse außerhalb des
Laborsettings oder klinischen Settings eingesetzt. Jedoch ist der Aufwand für deren Einsatz, v.a. bei einer
hohen Elektrodendichte mit den im Labor genutzten Ag/Cl –Nasselektoden praktisch nur sehr
eingeschränkt möglich. Kapazitiv ableitenden oder herkömmlich galvanisch ableitenden
Trockenelektoden wird demgegenüber zu Recht eine sehr schlechte Signalqualität zugebilligt. In der
vorliegenden Studie werden systematisch die Ursachen hierfür untersucht, wobei gezeigt werden konnte,
dass die schlechtere Signalqualität nicht, wie zumeist angenommen seine Ursache in einer
unzureichenden Übergangsimpedanz zwischen Kopfhaut und Elektrode hat, sondern auf Artefakten
basiert, die zumeist unmittelbar an den Elektroden selbst hervorgerufen werden. Auf dieser Basis wird ein
Modell für eine Trockenelektrode mit deutlich höherer Signalqualität für den effizienten Gebrauch im
mobilen Setting dargestellt.
Zur Messbarkeit neuronaler Mechanismen strategischer Interaktion außerhalb des
Labors
Matthias Schmidt1, Tino Schmidt2, Dietmar Henrich2
1
Hochschule Zittau/Görlitz, Deutschland; 2Brandenburgische Technische Universität CottbusSenftenberg
Neuronale Felduntersuchungen menschlichen Handelns sind in alltäglichen Situationen bislang kaum
möglich, da die nutzbare Technik (fMRT, CT, klassisches EEG) hierzu viel zu störanfällig ist. Im hier
dargestellten Modellversuch wird erstmals der Versuch unternommen komplexere Interaktionsmuster
durch ein mobiles EEG zu am Beispiel des Elfmeterschießens zu untersuchen. Zur Unterscheidung
zwischen den sehr starken durch die Körperbewegungen verursachten Artefakten und den kognitivstrategischen, sowie exekutiven Funktionen wurde eine Kombination aus einer Einzelkanal-basierten
infomax independent component analysis (iICA)und einer EMG bewegungs- getriggerten componentbased template regression genutzt um v.a. den Rauschanteil im Frequenzbereich zwischen 1.5- und 28.5Hz sequenziell zu filtern. Auf dieser Basis lässt sich bis zu 1700ms vor dem eigentlichen Schuss bereits
vorhersagen, ob dieser trifft, gehalten oder am Tor vorbeigeschossen wird. Die hierfür ermittelten
neuronalen Mechanismen beruhen v.a. auf der temporalen Differenz zwischen der vor dem Schuss
einsetzenden Desynchronisation im alpha - und der im oberen Beta-Frequenzbereich.
17:00 - 18:40
HS 5
ER 2-05: Einzelreferate Session 2-05: Diverses
Leitung der Sitzung: Georg Gittler
Kulturpsychologische Unterschiede moralischen Urteilens und Zusammenhänge mit
Globalisierung: Indien vs. Europäische Union
Walter Renner
Paneuropean University Bratislava, Slowakei
Die Moral Foundations Theory (MFT) unterscheidet fünf Grundorientierungen: (1) Harm-Avoidance, (2)
Fairness, (3) Ingroup-Loyalty, (4) Authority-Respect und (5) Purity-Sanctity und postuliert, dass
"westliche", individualistische Kulturen (1) und (2) betonen, während (3), (4) und (5) vernachlässigt
werden. "Östliche", kollektivistische Kulturen würden alle fünf Grundorientierungen für gleichermaßen
bedeutsam halten. In einer weltweiten Onlinestudie mit 34476 Beteiligten (publiziert 2011 im Journal of
Personality and Social Psychology) hatten die Begründer der MFT diese Annahme jedoch lediglich mit
minimalen Effektstärken bestätigen können. Die aktuelle Studie nutzte ein Papier/Bleistift-Format und
befragte 336 indische und 163 EU-Studierende mittels eines standardisierten Fragebogens zu ihren
moralischen Grundorientierungen. Es zeigten sich signifikante Unterschiede in erwarteter Richtung mit
Effektstärken zwischen d=0,7 und d=1,1. Bei den indischen Studierenden erwies sich der persönliche
Grad der Globalisierung als signifikanter Prädiktor bei moralischen Entscheidungen, und es bestätigte
sich die eindimensionale Faktorstruktur. Es werden Schlussfolgerungen für die kulturübergreifende
Gültigkeit der MFT gezogen.
Umkehr des Flynn Effekts für Raumvorstellungsfähigkeit in deutschsprachigen
Ländern: Evidenz von einer cross-temporalen IRT-basierten Meta-analyse (1977-2014)
Georg Gittler, Jakob Pietschnig
Universität Wien, Österreich
IQ Testnormverschiebungen in der Allgemeinbevölkerung, bekannt als der Flynn Effekt, haben sich in der
Vergangenheit als hauptsächlich positiv aber differenziert bezüglich IQ Domäne und untersuchtem Land
gezeigt. In rezenten Studien zeigt sich jedoch Evidenz für Stagnation und sogar eine Umkehr dieses
Trends in einigen Ländern. In der vorliegenden cross-temporalen Meta-analyse beobachteten wir einen
invers u-förmigen Verlauf von IQ Testleistungen anhand einer großen Anzahl von deutschsprachigen
Stichproben (k = 96; N = 13172) im dreidimensionalen Würfeltest (3DW) über einen Zeitraum von 38
Jahren (1977-2014). Dieser Zusammenhang zeigte sich sowohl für IRT-basierte Personenparameter als
auch für relative Itemlösungshäufigkeiten. Anfängliche Zunahmen der Testleistung stagnierten Mitte der
1990er Jahre und zeigten anschließende Abnahmen auch unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht
und Stichprobentyp (Allgemeinbevölkerung vs. Studierende oder gemischte Stichproben). Diese Umkehr
des Flynn Effekts kann auf Sättigung von IQ-steigernden Faktoren (z.B. life history speed) sowie negative
Zusammenhänge zwischen dem Flynn Effekt und psychometrischem g zurückgeführt werden.
Die anziehende Wirkung von emotionaler Kompetenz beim Speed-Dating
H. Harald Freudenthaler, Laura Chloupek, Emanuel Jauk, Aljoscha Neubauer
Institut für Psychologie, Universität Graz, Österreich
In einer an der Karl-Franzens-Universität Graz durchgeführten Speed-Dating-Studie, an der 105
Studierende (52 Frauen, 53 Männer) teilgenommen haben, wurde untersucht, ob sich Trait Emotionale
Intelligenz (Trait EI) auf das Verhalten in derartigen Kennenlernsituationen auswirkt bzw. ob (emotional)
kompetentes Verhalten - über die von mehreren externen Ratern eingeschätzte physische Attraktivität
hinaus gehend - eine anziehende Wirkung auf das andere Geschlecht ausübt (z.B. wie viele
Männer/Frauen eine Frau/einen Mann nach dem Speed-Dating wiedersehen wollen). Die Analysen haben
ergeben, dass vor allem empathisch wahrgenommene, souverän auftretende Männer von Frauen
bevorzugt werden, während Männer insbesondere physisch attraktive und als empathisch
wahrgenommene Frauen wiedersehen wollen. Interessanterweise haben sich nur bei Frauen Effekte der
Trait EI (die sich auf das typische emotionsbezogene Verhalten bezieht) auf das Speed-Dating-Verhalten
gezeigt. Dies deutet darauf hin, dass Frauen in derartigen Situationen eher ein für sie typisches
emotionsbezogenes Verhalten zeigen bzw. sich diesbezüglich eher so präsentieren wie sie sind als
Männer.
Effekte von Interessenkonsistenz auf den Studienverlauf: Empirische Befunde zur
Berufswahltheorie von John Holland
Jakob Bergmann
Universität Wien, Österreich
Das hexagonale Interessenmodell von John Holland (1997) gilt zurzeit als die am besten untersuchte
Theorie zu Berufswahl und beruflichen Interessen. Eine bislang relativ wenig beforschte Modellannahme
ist das Konstrukt der „Konsistenz“. Unter Konsistenz wird die Stimmigkeit von Interessen hinsichtlich der
theoretischen Anordnung verstanden. Holland unterscheidet unter Anderem zwei Konsistenzarten:
Interessen-Profil-Konsistenz und Kohärenz der beruflichen Aspirationen. In einer längsschnittlichen
Untersuchung (N=586) wurde überprüft, ob sich Interessen-Profil-Konsistenz und Kohärenz (jeweils kurz
vor der Matura erhoben) positiv auf ausgewählte Studienverlaufsvariablen (zwei bis vier Jahre später
erhoben) auswirken. Beide Konsistenzarten wurden anhand mehrerer Operationalisierungen betrachtet.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Interessen-Profil-Konsistenz einen positiven Effekt auf die Kongruenz
des realisierten Studiums hat, während die Kohärenz positive Effekte auf die Studienzufriedenheit und
die Kongruenz des realisierten Studiums aufweist. Es konnten keine Effekte der untersuchten
Konsistenzarten auf Studienanpassung und Studienerfolg gefunden werden. Zusätzlich werden
differentielle Ergebnisse für Alter, Geschlecht, den dominanten Interessentyp und andere
berufswahlrelevante Variablen dargestellt.
17:00 - 18:40
HS 6
ER 2-06: Einzelreferate Session 2-06: Klinische Entwicklungspsychologie
Leitung der Sitzung: Barbara Juen
Interpersonelle Probleme und Bindung: Die Suche nach dem fehlenden Puzzlestück
Markus Hayden, Pia Müllauer, Sylke Andreas
Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Österreich
Hintergrund:
Zusammenhänge zwischen Bindungsverhalten und dem Auftreten von interpersonellen Problemen
konnten bereits in Studien mit unterschiedlichen Schwerpunkten nachgewiesen werden. Dennoch ist
bisher wenig über das genaue Zusammenspiel zwischen den beiden Konstrukten sowie mögliche
Mediator- und Moderatorvariablen bekannt. In der vorliegenden Studie wurde zur genaueren Exploration
ein möglicher Einfluss der Mentalisierungsfähigkeit überprüft.
Sample/Methode:
Das Studiensample setzte sich aus PatientInnen mit unterschiedlichen psychischen Erkrankungen am
Beginn einer stationären Therapie sowie aus Studierenden unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen
zusammen. Die ProbandInnen wurden dabei sowohl mittels Fragebögen (Mentalisierungsfragebogen,
Experience in Close Relationships, Inventar Interpersoneller Probleme) als auch Interviewverfahren (Adult
Attachment Interview, Brief Version of the Reflective Functioning Interview) untersucht. Die Auswertung
der Daten erfolgte quantitativ.
Ergebnisse:
Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die Mentalisierungsfähigkeit einen partiellen
Mediatoreffekt zwischen Bindungsangst und interpersonellen Problemen sowie einen totalen
Mediatoreffekt zwischen Bindungsvermeidung und interpersonellen Problemen ausübt.
Diskussion:
Die Ergebnisse werden unter Berücksichtigung theoretischer Überlegungen und empirischer Studien
diskutiert.
Kultur und Posttraumatisches Wachstum bei Kindern
Silvia Exenberger1, Barbara Juen2
1
Medizinische Universität Innsbruck, Österreich; 2Universität Innsbruck, Österreich
Posttraumatisches Wachstum (PTW) wird als positive psychologische Veränderung durch die
Auseinandersetzung mit belastenden Lebensereignissen definiert. Das Ziel dieser explorativen Arbeit war
die Untersuchung der Faktorenstruktur der Tamilischen Version des ‚Revised Posttraumatic Growth
Inventory for Children’ (PTGI-C-R, Kilmer et al., 2009) mit Daten von 177 Südindischen Kindern im Alter
von acht bis 17 Jahren, die vom Tsunami 2004 direkt betroffen waren. Zudem untersuchte die Studie die
Prävalenz von PTW, den Zusammenhang von posttraumatischen Stress Symptomen (PTSS) und PTW,
sowie Alters- und Geschlechtsunterschiede. Die Ergebnisse der Tamilischen Version des PTGI-C-R
zeigten eine gute interne Konsistenz. Mittels einer Hauptkomponentenanalyse wurde eine ZweiFaktorenstruktur bestätigt: eine inter-personelle und eine personen-zentrierte Wachstumsdimension. Es
konnte auch ein positiver Zusammenhang zwischen PTW, PTSS und Alter gezeigt werden. Es wurden
keine Geschlechtsunterschiede im wahrgenommen Wachstum mithilfe nichtparametrischer Tests
festgestellt. Der wichtige Einfluss von sozio-kulturellen Faktoren auf das Wesen von PTW wird ausführlich
diskutiert.
Wirksamkeit von Interventionen bei pathologischem Glücksspiel: Systematischer
Review und Meta-Analyse
Martina Goslar1, Max Leibetseder1, Hannah M. Muench2, Anton-Rupert Laireiter1
1
aUniversität Salzburg, Fachbereich Psychologie; 2Universitätsklinikum Heidelberg, Fachbereich für
Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik
Hintergrund: Zur Behandlung von pathologischem Glücksspielverhalten wurden verschiedene
Therapieansätze implementiert. Bisherige Metaanalysen zur Wirksamkeit psychologischer und
pharmakologischer Interventionen erschweren die Interpretation der Behandlungseffekte, da sie
hinsichtlich der inkludierten Studiendesigns, der Integration unterschiedlicher Effektstärkemaße, sowie
der Definition von Ergebnisvariablen variieren.
Methode: Die vorliegende Metaanalyse untersucht die Effekte aus 84 Studien zu psychologischen,
pharmakologischen und kombinierten Interventionen bei pathologischem Glücksspiel. Hedges’s g wurde
separat für Within- und Between-Designs auf Basis des Random-Effects-Modells sowie für primäre und
sekundäre Ergebnisvariablen berechnet.
Ergebnisse: Basierend auf Within-Designs erreichten psychologische und pharmakologische
Interventionen gleichermaßen mittlere bis große Effektstärken. In Between-Designs erzielten
psychologische Behandlungen bessere Ergebnisse als pharmakologische. Innerhalb psychologischer
Interventionen zeigten sowohl kognitiv-behaviorale, als auch integrative und vereinzelte alternative
Behandlungsstrategien vielversprechende Resultate. Innerhalb pharmakologischer Interventionen
konnten keine Unterschiede zwischen den Medikamentenklassen festgestellt werden. Verschiedene
Moderatoren erwiesen sich als signifikante Einflussgrößen auf die Effektstärken.
Schlussfolgerungen: Hinweise zur Wirksamkeit pharmakologischer und kombinierter Interventionen sind
angesichts weniger Placebo-kontrollierter Studien begrenzt.
Krisenkompetenz und posttraumatisches Wachstum in Kindergärten
Irmgard Grassegger1,2, Barbara Juen1, Christina Taferner1, Marco Furtner1
1
Institut für Psychologie, Universität Innsbruck; 2Amt der NÖ Landesregierung
Fragestellung: Nach äußerst schwierigen Lebensereignissen soll untersucht werden, worin der
Unterschied zwischen privaten und beruflichen Wachstum liegt?
Methoden: Es wurden halbstrukturierter Interviews (12 mit Expertinnen, 48 mit Mitarbeiterinnen in
Kindergärten zu 10 Fällen) durchgeführt und mittels Qualitativer Inhaltsanalyse ausgewertet. Aufgrund
dieser Ergebnisse (Kernkategorien) wurden 2 Fragebögen erarbeitet. Ein Fragebogen beeinhaltet
Soziodemographische Variablen, schlimmsten berufliche und private Ereignisse, IMPACT OF EVENT
SCALE (IES) Posttraumatische Persönliche Reifung (PPR) und Veränderungsfaktoren bezogen auf die
eigene Person bzw. auf das berufliche Umfeld. Die Veränderungsfaktoren bezogen auf das berufliche
Umfeld wurden in einem weiteren Fragebogen von einer zweiten Person beurteilt.
Biopsychosoziale Einflussfaktoren auf Übergewicht im Vorschulalter
Nadja Frate, Brigitte Jenull
Alpen-Adria Universität, Österreich
Während sich die epidemiologischen Ausmaße von Übergewicht und Adipositas in erschreckenden
Zahlen zeigen, liegen nur wenige Befunde zu Entstehungsbedingungen im Vorschulalter vor. Unsere
erste darzustellende Querschnittstudie untersuchte Eltern-Kind Dyaden (N = 319 Kinder, N = 257
Elternteile) hinsichtlich Körperzufriedenheit, Ernährungs- und Freizeitverhalten unter dem Einfluss
biologischer und öko-sozialer Faktoren. 85% der drei- bis sechsjährigen Kinder waren normalgewichtig,
während ein Drittel der Mütter und 58% der Väter übergewichtig oder adipös waren. Sportliche Kinder
(41%) bevorzugten vitaminreiches Essen, während Kinder mit konsumierenden Freizeitvorlieben (31%)
zuckerhaltige Nahrungsmittel präferierten. Lediglich 22% der Kinder waren mit ihrem Körper zufrieden.
Eine zweite, explorative Studie (N = 82 Vorschulkinder) fokussierte auf psychische Faktoren und erfasste
Aspekte der Emotionsregulation und stigmatisierender Tendenzen bezüglich dem äußeren
Erscheinungsbild. Aus den Ergebnissen kann abgeleitet werden, dass Interventionen für den Umgang mit
Emotionen, Körperbild und Stigmatisierung bereits im Vorschulalter sinnvoll erscheinen.
17:00 - 18:40
HS 7
ER 2-07: Einzelreferate Session 2-07: Sozialpsychologie
Leitung der Sitzung: Willi Geser
Der Einfluss globaler und kollegenbezogener Bindungsorientierungen auf Erleben
und Sozialverhalten im Arbeitskontext
Willi Geser1, Claudia Schusterschitz2
1
Universität Innsbruck, Österreich; 2UMIT Hall
Bisher existieren nur relativ globale Erkenntnisse zum Einfluss von Bindungsorientierungen auf das
Erleben und Verhalten im Arbeitskontext. Unklarheit besteht darüber, auf welchem Globalisierungsniveau
dabei die Bindungsorientierungen zu konzeptualisieren sind. In unserer Tagebuchstudie orientieren wir
uns am Modell einer hierarchischen Strukturierung der Bindungsorientierung, d.h. es wird angenommen,
dass neben globalen Bindungsorientierungen domänenspezifische wirksam sind. Es wurde mittels
Mehrebenenanalyse geprüft, ob die Bindungsorientierungen einen Einfluss auf das tägliche Erleben im
Arbeitskontext haben und ob der Einfluss der globalen Bindungsorientierungen durch kollegenbezogene
mediiert wird. Der Analyse liegen Tagebuchdaten von 342 ArbeitnehmerInnen aus unterschiedlichen
Betrieben über einen Zeitraum von 10 Tagen zugrunde. Der Einfluss der globalen Bindungsorientierungen
auf den Austausch mit Vorgesetzten und KollegInnen sowie KollegenInnencommitment wird durch
kollegenbezogene Bindungsangst und -vermeidung mediiert, das Vorgesetztencommitment durch
Bindungsangst, Hilfsbereitschaft am Arbeitsplatz ist mit globaler Vermeidung assoziiert und auf die
Arbeitszufriedenheit haben die Bindungsorientierungen keinen Einfluss.
Beauty is beastly or beauty is good? Influences of gender, attractiveness and social
perception on trust in managers.
Ania Oleszkiewicz2, Vera Esser1, Kinga Lachowicz–Tabaczek2, Eva Jonas1, Mike Prentice1
1
University of Salzburg, Austria; 2University of Wroclaw, Poland
Social perception comprises of the two fundamental dimensions: agency and communion. Stereotypically,
women are expected to be communal, whereas men are expected to present agency. However, in
organizational contexts it appears that agentic characteristics and behaviors (i.e. competence, efficacy)
are universally expected from organization members, regardless of their sex. At the same time, agentic
women who behave contrary to the femininity-related stereotype of communion, might be less trusted.
Attractiveness seems to contribute to the problem, as it might raise the stereotype ‘beauty is beastly’. The
present study examines the influence of gender, social perception, and attractiveness on trust in
supervisors. In an independent factorial design, participants will therefore be presented with professional
profiles of managers and asked to rate trust in them. The study will be conducted in Poland and Austria
in 2015. Interaction effects for gender, social perception, and attractiveness on trust are expected. Results
will be discussed.
Ankereffekte bei prosozialen Entscheidungen
Janet Kleber1,2, Stephan Dickert2, Enrico Rubaltelli3
1
Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Österreich; 2WU Wirtschaftsuniversität Wien, Österreich;
Universität Padua, Italien
3
Dieses Projekt erforscht den Einfluss von individuellen Unterschieden im Zahlenverständnis (Numeracy)
auf Ankereffekte bei prosozialen Entscheidungen. In drei Experimenten wurde durch die Vorgabe einer
sozialen Norm ein numerischer Anker (niedrig vs. hoch) manipuliert und das Zahlenverständnis der
Probanden mithilfe eines objektiven Testverfahrens erfasst. In Experiment 1 wurde die RecyclingBereitschaft gemessen, während in Experimenten 2 und 3 die Spendenbereitschaft für humanitäre
Zwecke untersucht wurde. Konsistent über alle Studien zeigt sich ein stärkerer Ankereffekt bei Personen
mit einem höheren Zahlenverständnis. Dieser Effekt ist allerdings nur zu beobachten, wenn die soziale
Norm von der Ingroup präsentiert wird, wohingegen soziale Normen der Outgroup keine Auswirkungen
auf Personen mit hohem Zahlenverständnis haben (Experiment 2). Darüber hinaus sind Ankereffekte
auch bei Personen mit niedrigem Zahlenverständnis zu beobachten, wenn Spendenaufrufe abstrakt
gestaltet sind (Experiment 3). Diese Experimentalreihe zeigt erstmalig, dass ein hohes Zahlenverständnis
zu systematischen Urteilsverzerrungen bei prosozialen Entscheidungen führen kann.
Vertragsentscheidungen zwischen Recht und Psychologie
Claudia Vogrincic-Haselbacher1, Ursula Athenstaedt1, Julian Anslinger3, Isabelle Dinslaken1,
Florian Caks2, Brigitta Lurger2
1
Karl Franzens Universität Graz, Institut f. Psychologie, Österreich; 2Karl Franzens Universität Graz,
Institut für Zivilrecht, Ausländisches und Internationales Privatrecht, Österreich; 3Universität Bielefeld,
CITEC
Das Bild des rationalen homo oeconomicus, der in der Lage ist, jede verfügbare Information
aufzunehmen, zu verarbeiten und zu einer nutzenmaximierenden Entscheidung zu integrieren, bildet nach
wie vor die Basis der Mehrzahl der aktuell geltenden Verbraucherschutzregelungen. Mit dem Ziel,
VerbraucherInnen vor nachteiligen Vertragsabschlüssen zu schützen, schreibt die Rechtsordnung lange
Listen von Informationen vor, die eine nahezu unbegrenzte Informationsverarbeitungskapazität seitens
der VerbraucherInnen voraussetzen. Häufig verfehlt dieses Überangebot an Informationen aber sein
eigentliches Ziel. In der vorliegenden Studie (N = 370), die sich im Rahmen eines geförderten
Forschungsprojektes mit Vertragsentscheidungen im Kontext von Mobilfunk-verträgen beschäftigt, wurde
untersucht, wie VerbraucherInnen in einer komplexen Entscheidungssituation mit dem (Über)Angebot an
Informationen umgehen. Die eingesetzten Informationsverarbeitungsstrategien werden in Relation zur
Qualität der getroffenen Entscheidung (Tarifqualität, Klauselqualität, Entscheidungszufriedenheit) gesetzt
und liefern gemeinsam mit den gefundenen Zusammenhängen zwischen dem Entscheidungsverhalten
und verschiedenen situations- und persönlichkeitsbedingten Variablen Hinweise für eine
„ergonomischere“ Gestaltung von Vertragsabschlusssituationen.
Stereotype Threat und Kulturelle Identität: Eine längsschnittliche experimentelle
Untersuchung von Vulnerabilität und Leistung von Jugendlichen mit
Migrationshintergrund in Österreich
Silvana Weber1, Markus Appel1, Nicole Kronberger2
1
Universität Koblenz-Landau, Deutschland; 2Johannes Kepler Universität Linz
Stereotype Threat, das Gefühl der Bedrohung, negative Vorurteile und Stereotype durch eigenes Handeln
zu bestätigen, mindert die schulische Leistung von Mitgliedern negativ stereotypisierter Gruppen. Wir
gehen davon aus, dass bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Stärke der kulturellen Identität
(d.h. ethnische Identität und Identifikation mit der Aufnahmenation) Einfluss hat auf die Vulnerabilität für
Stereotype Threat. Erste Untersuchungen haben gezeigt, dass Jugendliche, die sich stärker mit der
Aufnahmenation identifizieren, unter Stereotype Threat eine bessere Leistung erbringen. Im vorliegenden
Experiment wurden in einem 2 (Migrationshintergrund: ja/nein) x 2 (Intervention: stärkend vs. neutral)
Design 540 Jugendliche im Längsschnitt über ein Schuljahr hinweg untersucht. Es wurde analysiert,
inwiefern sich kurze zugehörigkeitsstärkende Interventionen auf Noten, academic belonging, domain
identification, und stereotype vulnerability auswirken. Ziel war es, (1) individuelle Ressourcen von
Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu identifizieren und (2) kurze Interventionen zur Stärkung der
sozialen Identität zu überprüfen, um den negativen Einfluss von Stereotype Threat zu reduzieren.
17:00 - 18:40
50101/1 SR
ER 2-08: Einzelreferate Session 2-08: Entwicklung & Kompetenz
Leitung der Sitzung: Brigitte Rollett
Multiplikationsfakten lernen mit Hilfe der Farb-Zahl Assoziation?
Silvia Pixner
UMIT, Österreich
Niedrigere Leistungen in Mathematik sind häufig mit schlechterem Ausbildungsniveau assoziiert. Deshalb
ist eine effektive Förderung bei Rechenproblemen wesentlich. Ziel der vorliegenden Studie war es zu
untersuchen, inwieweit systematische Assoziationen zwischen Zahlen und Farben Einfluss auf Abruf und
Speicherung arithmetischer Fakten haben. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Kinder nur die Hälfte
der Fakten trainierten und dadurch die Frage gestellt werden konnte, wie gut das gelernte Wissen auf die
Komplementäraufgabe transferiert werden kann. Für unsere Studie wurden 56 Kinder aus der 4.
Schulstufe mit deutlichen Problemen beim Multiplizieren ausgewählt und zufällig einer der zwei
Experimentalgruppen bzw. der Kontrollgruppe zugeteilt. Wie erwartet, zeigten beide
Experimentalgruppen eine deutliche Verbesserung in Vergleich zur Kontrollgruppe. Nicht nur
Verbesserungen durch das Training, sondern vor allem die gefundenen Transfereffekte sprechen für die
Effektivität des zusammengestellten Trainings. Leider konnten wider Erwarten keine Unterschiede
zwischen den zwei Experimentalgruppen in der Effektivität, wie auch in der Stabilität oder Transferleistung
gefunden werden.
Selbstregulationsfokus nach Higgins und Typen strategischen Handelns:
Entwicklungsbedingungen und Konsequenzen
Brigitte Rollett, Arnd Florack, Diana Klinger, Katharina Glaser, Vanessa Radl
Fakultät für Psychologie, Universität Wien, Österreich
Die Regulatory-Focus-Theory von Higgins zählt zu den intensiv beforschten Selbstregulationstheorien:
bei einem promotionsorientierten Selbstregulationsfokus steht die effiziente Annäherung an das
erwünschte Handlungsziel, bei einem präventionsorientierten die Absicherung/Schadensvermeidung im
Zentrum. Untersuchungen zum SRF unter Heranziehung der Daten der achten Erhebungswelle des
Längsschnittprojektes „Familienentwicklung im Lebenslauf“ (t1: 6. Schwangerschaftsmonat, t2: Alter des
Kindes 3 Monate, t3 bis t8: 3, 8, 11, 15, 18, 22 Jahre; N(t1)=175, N(t8)=138) zeigten, dass auf
strategischer Ebene die einfache Unterscheidung zwischen Promotions- und Präventionsorientierung
nicht ausreicht, da in konkreten Handlungsvollzügen beide Strategieformen, aber in unterschiedlichen
Kombinationen angewendet werden, so dass vier RF-Typen resultieren: je auf mittleren oder hohen
Ausprägungsniveau kommt es gewohnheitsmäßig zu mehrheitlich „promotionsorientiertem“ oder aber
„balanciertem“ (gleichem) Einsatz beider Strategieformen. Sowohl im Längsschnittverlauf als auch in den
Ergebnissen der achten Erhebungswelle zeigte sich, dass vorwiegende Promotionsorientierung im
strategischen Handeln zu positiven Resultaten führt. Die Ergebnisse konnten im Rahmen einer OnlineStudie (N=1265) bestätigt werden.
Effekte einer inklusiven Schulerfahrung auf die Einstellung gegenüber Menschen mit
intellektueller Beeinträchtigung, auf die Empathie und auf ausgewählte Facetten der
Persönlichkeit
Simone Engländer, Germain Weber
Universität Wien, Österreich
Ziel: Untersucht wurde die Wirkung einer inklusiven Schulerfahrung auf die Einstellung gegenüber
Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, auf die Empathie und die Persönlichkeitsfacetten
Gutherzigkeit, Altruismus und Offenheit des Werte- und Normensystems.
Methoden: Die Datenerhebung (N = 92) erfolgte mittels Onlinefragebogenbatterie. Verglichen wurden
Personen zwischen 18 und 35 Jahren mit inklusiver Schulerfahrung (n = 46) und ohne inklusive
Schulerfahrung (n = 46).
Ergebnisse: Gruppenvergleiche zeigten, dass Personen mit inklusiver Schulerfahrung eine signifikant
positivere Einstellung gegenüber Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung und stärkere
Ausprägungen in Altruismus und Offenheit des Werte- und Normensystems angaben als Personen ohne
inklusive Schulerfahrung. Mit zunehmender Intensität der inklusiven Schulerfahrung lag eine signifikant
positivere Einstellung sowie stärkere Ausprägung der Gutherzigkeit vor. Gruppenvergleiche unter
Ausschluss jener Personen, mit weniger intensiver inklusiver Schulerfahrung, zeigten erhöhte Effekte
einer inklusiven Schulerfahrung auf Einstellung und Gutherzigkeit.
Konklusion: Die vorliegenden Befunde legen eine positive Wirkung einer inklusiven Schulerfahrung nahe
und regen zu Untersuchungen mit Prä-Post-Design an.
Was beeinflusst die Stabilität von Bullying?
Rhea-Katharina Klein1, Udo Käser2
1
Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd, Deutschland; 2Rheinische Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn, Deutschland
Gewaltakte im Kontext von Bullying sind durch Absichtlichkeit, Machtgefälle und Regelmäßigkeit
charakterisiert (Olweus, 2008). Nach dem Participant-Role-Ansatz (Salmivalli et al., 1996) wird zwischen
Tätern, Assistenten, Verstärkern, Opfern, Verteidigern und Außenstehenden als Schülerrollen
unterschieden. Die Bedeutsamkeit solcher systematischen Gewalt ist hoch. Für Deutschland weisen
aktuelle Befunde darauf hin, dass an weiterführenden Schulen knapp 20 Prozent der Schülerinnen und
Schüler pro-Bullying-Rollen einnehmen und knapp 7 Prozent als Opfer in Bullying-Prozesse involviert sind
(Käser, 2014). Die für alle Beteiligten massiven negativen Folgen sind gut dokumentiert (Olweus, 2008).
Vor diesem Hintergrund wurde eine Längsschnittstudie an 1.066 Gymnasiasten aus 39 Schulklassen der
sechsten bis zehnten Jahrgangsstufe über einen Zeitraum von knapp einem Schulhalbjahr realisiert.
Schülerrollen wurden zu Beginn und Ende des Schulhalbjahrs mittels peer nomination erfasst. Die
Stabilität der Rollenübernahme wird untersucht und der Frage nachgegangen, inwieweit sich
Schülerinnen und Schüler, die ein stabiles Rollenverhalten zeigen, von solchen unterscheiden, die ihre
ursprüngliche Rolle ablegen.
17:00 - 18:40
50105/2 SR
ER 2-09: Einzelreferate Session 2-09: Führung, Karriere und Humanethologie
Leitung der Sitzung: Anna Iwanowa
Effekte flexibler Arbeitsbedingungen auf das Erleben eines Arbeits-Familienkonflikts
sowie der moderierende Einfluss der karrierebezogenen Unterstützung. Eine
Paarstudie.
Johanna Schaller, Bettina Kubicek, Matea Paskvan
Universität Wien, Österreich
Arbeitsanforderungen, wie flexible Arbeitsarrangements (FWA), können zu Konflikten zwischen Arbeit und
Privatleben (WFC) der ArbeitnehmerInnen (Allen & Shockley, 2009) und ihrer PartnerInnen führen
(Bakker et al., 2008). Hierbei kann soziale Unterstützung als Schutzfaktor wirken (Michel et al., 2009).
Dieser Beitrag untersucht bei 80 heterosexuellen Doppelverdienerpaaren mithilfe des Akteur-PartnerModerator-Modells die Effekte von FWA auf den WFC sowie den moderierenden Einfluss
karrierebezogener Unterstützung durch den/die Partner/in. Es zeigen sich tendenzielle intraindividuelle
Effekte von FWA auf den WFC. Zudem wirkt die erlebte Unterstützung bei beiden Geschlechtern
abschwächend auf den WFC. Ausschließlich bei Frauen gibt es dyadische Effekte: Je mehr der Mann
sich durch seine Partnerin unterstützt erlebt, desto höher ist ihr WFC. Zudem findet sich eine Interaktion
zwischen der Unterstützung durch die Partnerin und den FWA des Mannes: Die Wechselwirkung von
FWA des Mannes und erlebter Unterstützung durch die Partnerin wirkt abschwächend auf den WFC der
Frau.
Agentivität, Kommunalität oder beides? Erfolgsfaktoren für Frauen in einem
Führungstalentewettbewerb.
Anne-Kathrin Schock, Tuulia M. Ortner, Eva Traut-Mattausch
Universität Salzburg, Österreich
Agentivität mit Kommunalität zu verbinden, hat sich als zentrale Strategie für weibliche Führungskräfte
erwiesen, um einen Backlash-Effekt zu vermeiden. Ist es auch dann zielführend sowohl agentive als auch
kommunale Verhaltensweisen zu zeigen, wenn Frauen in einem Wettbewerb in mehreren Aufgaben in
Gruppen miteinander konkurrieren? In dieser Studie wurden über 3000 verbale Fremdbeurteilungen
ausgewertet, die sich 186 Frauen im Rahmen eines Führungstalentewettbewerbs gegeben hatten. Jede
Teilnehmerin gab nach jeder Aufgaben an, welche drei besten Teilnehmerinnen in ihrer Gruppe mit
welchen Eigenschaften im Hinblick auf Führungspotential überzeugt hatten. Die Beurteilungen wurden in
agentive und kommunale kategorisiert. Es zeigte sich unter anderem, dass ein ausgeglichenes Verhältnis
von Agentivität und Kommunalität ein signifikanter Prädiktor für erfolgreiche Platzierungen im Wettbewerb
war. Die Ergebnisse werden im Hinblick auf die Rolleninkongruenztheorie von Eagly und Karau (2002)
diskutiert.
Karriereentscheidung in Kohärenz der Lebensbereiche – Exploration von
Entscheidungsschwierigkeiten
Nina Löffler, Anna Iwanowa
Universität Innsbruck, Österreich
Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nach wie vor ein aktuelles Thema für Wissenschaft und Praxis.
Ein bisher kaum untersuchter Aspekt dabei sind Schwierigkeiten im Prozess der Karriereentscheidungen.
In dem Beitrag werden empirische Ergebnisse vorgestellt, welche die Zusammenhänge zwischen
Versuchen nach Balance unterschiedlicher Lebensbereiche herzustellen und dem Vorliegen von
Problemen bei den Karriereentscheidungen gut gebildeter Menschen. Anhand einer Stichprobe von 266
Erwerbstätigen aus unterschiedlichen Branchen wird ein theoriegeleitetes Modell möglicher
Zusammenhänge überprüft. Diskutiert werden Konflikte aus der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, die
Motivation sowie die Beratungsintensität im Karriereentscheidungsprozess. In Anlehnung an die
Motivationstheorie von Deci und Ryan, sowie der Rollentheorie, wird angenommen und bestätigt, dass
die Konflikte während des Entscheidungsprozesses die Qualität der Motivation beeinflussen und ein
entsprechend höheres Beratungsbedürfnis hervorrufen. Es werden Geschlechts und Altersunterschiede
diskutiert.
Weibliche und junge Professionals in Führungspositionen: Eine kulturvergleichende
Analyse von nicht-normativen Führungskräfte-Mitarbeiter-Dyaden
Ina Zwingmann1, Matthias Schmidt2, Sandra Wolf3
1
Technische Universität Dresden, Deutschland; 2Hochschule Zittau/Görlitz, Deutschland; 3Innsicht GbR,
Deutschland
Die Studie analysiert demografische und kulturelle Faktoren von normativen und nicht-normativen
Führungskräfte-Mitarbeiter-Dyaden sowie ihr Einfluss auf die Gesundheit von Mitarbeiter*innen.
Insgesamt wurden 63,052 Mitarbeiter*innen und 7,050 Führungskräfte eines internationalen
Unternehmens in 22 Ländern untersucht. Die Ergebnisse der Mehrebenenanalysen zeigten, dass
insbesondere nationale Unsicherheitsfaktoren (hohe Inflationsrate, Unsicherheitsvermeidung) den
Einfluss auf Geschlechts- und Altersdiskrepanzen in Führungskraft-Mitarbeiter-Dyaden auf die
Gesundheit von Mitarbeiter*innen moderieren. Insbesondere verstärkten hohe Inflationsraten und
Unsicherheitsvermeidung den gesundheitsbeeinträchtigenden Einfluss von nicht-normativen
Führungskraft-Mitarbeiter-Dyaden (z.B. weibliche Führungskraft führt männlichen Mitarbeiter). Insgesamt
zeigen die Ergebnisse, dass demographische Unterschiede, sozio-ökonomische sowie kulturelle
Faktoren eine wichtige Rolle in gesundheitsbezogenen Prozessen von Führungskräfte-MitarbeiterDyaden spielen.
Interdisziplinarität für die Humanwissenschaften - ein Beitrag aus der Perspektive der
Humanethologie
Gerhard Medicus
Institut für Psychologie Innsbruck, Österreich
Die Human-Ethologie ist eine junge Wissenschaft. Sie hat sich im Rahmen der Verhaltensbiologie
entwickelt und in wenigen Jahrzehnten in ihren Schwerpunkten verändert. Bei einzelnen Humanethologen
lebt sie von der Integration des Wissens der Nachbardisziplinen - mehr als von der Spezialisierung auf
immer engere Bereiche. Das ist ebenso eine Schwierigkeit wie eine Chance.
Wohl auch aus diesem Grund hat sich in der Ethologie eine heuristische Methode entwickelt, die es
ermöglicht, das Wissen, das die verschiedenen Wissenschaften vom Menschen generiert haben, in
Verbindung zu bringen.
Diese Methode wird im Referat vorgestellt. Sie erschließt sich, wenn anhand des Rasters der Vier
Grundfragen der biologischen Forschung (Verursachungen, Ontogenese, Anpassungswert,
Phylogenese) gefragt wird und gleichzeitig die Bezugsebenen (z.B. Zelle, Organ, Individuum, Gruppe)
berücksichtigt werden, auf die sich die Fragen richten. Deshalb ist der Rückgriff auf das Wissen
verschiedenster wissenschaftlicher Traditionen und Disziplinen nützlich und notwendig.
An Beispielen aus dem Sozialverhalten soll diese Methode verdeutlicht werden.
17:00 - 18:40
50109/3 SR
SY 3-01: Symposium 3-01
Transmission von frühen Vernachlässigungs- und Misshandlungserfahrungen „Meine
Kindheit – Deine Kindheit“
Chair(s): Anna Buchheim (Universität Innsbruck)
Diskutant(en): Anna Buchheim (Universität Innsbruck)
In diesem vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekt
werden in einem Untersuchungszeitraum von 3 Jahren psychologische, biologische und soziale
Transmissionsmechanismen bei n = 365 Müttern in der Weitergabe von Misshandlung und
Vernachlässigung untersucht. Neben den mütterlichen Maltreatment-Erfahrungen (CM) werden
Vulnerabilitäts- bzw. Resilienzfaktoren erfasst: 1. Stresssystem (psychologische und biologische
Variablen (z. B. HPA-Achse, Epigenetik, Psychopathologie); 2. Bindungssystem (mütterliche
Bindungsrepräsentationen), Mutter-Kind-Interaktion, physiologische Korrelate von Bindung wie z. B.
Oxytocin; 3. soziales System (Familiäres Unterstützungssystem).
In diesem Symposium werden erste Befunde aus Teilstichproben berichtet. Der erste Beitrag stellt
Befunde zum Zusammenhang von mütterlicher Bindungsrepräsentation mit und ohne CM und
Interaktionsverhalten mit dem 1jährigen Kind vor. Der zweite Beitrag berichtet über Zusammenhänge
zwischen der Interaktionsqualität von Müttern, der erlebten sozialen Unterstützung und der kindlichen
Entwicklung im ersten Lebensjahr. Der dritte Beitrag geht der grundlagenwissenschaftlichen Frage nach,
ob eine graduelle Aktivierung des Bindungssystems nach dem Bindungsinterview die Oxytocinfreisetzung
bei den Müttern stimuliert.
Beiträge des Symposiums
Mütterliche Bindungsrepräsentanz und atypisches Interaktionsverhalten mit dem Kind
ein Jahr nach Entbindung vor dem Hintergrund eigener Missbrauchserfahrungen der
Mutter
Cornelia Doyen-Waldecker1, Franziska Köhler-Dauner2, Iris Tatjana Kolassa1, Harald Gündel2,
Jörg Fegert2, Anna Buchheim3, Ute Ziegenhain2
1
Universität Ulm, 2Universitätsklinikum Ulm, 3Universität Innsbruck
Hintergrund: Das Interaktionsverhalten einer Mutter zu ihrem Kind kann durch ihre eigenen
Bindungserfahrungen sowie Missbrauchs- und Misshandlungserfahrungen (CM) beeinflusst werden.
Dabei stellt eine unsichere Bindungsrepräsentanz der Mutter ein potentielles Risiko dar, mit dem Kind
wenig feinfühlig zu kommunizieren.
Methoden: Mütterliche CM wurde mittels des Childhood Trauma Questionaires (CTQ) erfasst,
Bindungsklassifikationen mit dem Adult Attachment Projective Picture System (AAP). Anhand einer
Videosequenz zu t2 (3 Monate nach Entbindung) wurde das atypische Interaktionsverhalten der Mutter
mit dem Atypical Maternal Behavior Instrument for Assessment and Classification Coding System
(AMBIANCE) analysiert. Für diese Studie wurden die ersten 37 Mütter als Teilstichprobe herangezogen,
von denen bereits zu allen drei Messzeitpunkten des BMBF-Projekts Daten vorlagen.
Ergebnisse und Diskussion: Mütter mit einer sicheren Bindungsklassifikation zeigen weniger affektive
Fehler in der Mutter-Kind-Interaktion, während mütterliche Desorganisation mit Rollenkonfusion in
Verbindung steht. Wie erwartet besteht ein signifikanter Zusammenhang zwischen mütterlicher
Bindungsunsicherheit und mehr Missbrauchserfahrungen (CTQ) im Vergleich zu Bindungssicherheit.
Transgenerationale Weitergabe von traumatischen Beziehungserfahrungen:
Interaktionsqualität, psychosoziale Belastung und soziale Unterstützung
Franziska Köhler-Dauner1, Anna Buchheim2, Iris Tatjana Kolassa3, Harald Gündel1, Heinz
Kindler4, Jörg Fegert1, Ute Ziegenhain1
1
Universitätsklinikum Ulm, 2Universität Innsbruck, 3Universität Ulm, 4Deutsches Jugendinstitut München
Hintergrund: Mütter mit Missbrauchserfahrungen in der eigenen Kindheit (CM) haben ein erhöhtes Risiko,
sich ihrem Säugling gegenüber wenig feinfühlig zu verhalten und damit seine Entwicklung zu
beeinträchtigen. Im BMBF-Verbundprojekt „Meine Kindheit – Deine Kindheit“ werden Risiko- und
Schutzfaktoren untersucht.
Methode: Mütter wurden mit dem „Childhood Trauma Questionnaire“ zu Misshandlungs- und
Vernachlässigungserfahrungen in der eigenen Kindheit befragt. Im dritten Lebensmonat des Kindes fand
die Erhebung der mütterlichen psychosozialen Belastung mit dem „Perceived Stress Scale“ statt, zudem
die wahrgenommene sozialer Unterstützung mit dem „Postpartum Soziale Unterstützung Questionnaire“.
12 Monate nach der Geburt wurde die Interaktionsqualität zwischen Mutter und Kind mit dem AMBIANCE
analysiert und die Entwicklung des Kindes mit den Bayley Scales of Infant Development II untersucht.
Ergebnisse und Diskussion: Es werden erste Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen der
Interaktionsqualität von Müttern mit und ohne CM, psychosozialem Stress, erlebter soziale Unterstützung
und kindlicher Entwicklung im ersten Lebensjahr vorgestellt.
Graduelle Aktivierung des Bindungssystems führt zu vermehrter Freisetzung von
Oxytocin bei Müttern
Sabrina Krause1, Anna Lena Hulbert2, Katharina Schury1, Alexander Karabatsiakis1, Iris Tatjana
Kolassa2, Harald Gündel2, Christiane Waller2, Anna Buchheim3
1
Universität Ulm, 2Universitätsklinikum Ulm, 3Universität Innsbruck
Hintergrund: Im Rahmen des BMBF-Verbundprojekts „Meine Kindheit – Deine Kindheit“ untersuchen wir
den Zusammenhang einer Bindungstraumatisierung in der Kindheit von Müttern mit der
transgenerationalen Weitergabe dieser frühen Erfahrungen. Eine Fragestellung ist die Beurteilung von
Oxytocin als Korrelat der Bindungsrepräsentation. Unsere Hypothese war, dass eine graduelle
Aktivierung des Bindungssystems die Oxytocinfreisetzung stimuliert.
Methode: Von 52 Müttern (MW= 33,21 Jahre; SD= 5,18; Range= 22-44 Jahre) wurde die
Bindungsrepräsentation mithilfe des Adult Attachment Projective Picture Systems (AAP; George & West,
2012) erfasst. Durch dieses Instrument wird das Bindungssystem graduell aktiviert. Die quantitative
Bestimmung des Oxytocin im Plasma erfolgte vor und nach der Durchführung des AAP-Interviews.
Ergebnisse und Diskussion: Direkt nach dem Bindungsinterview AAP war die Oxytocinkonzentration im
Vergleich zum Ruhewert signifikant erhöht (t (51)=-2,63; p=.011). Die experimentelle Aktivierung des
Bindungssystems führt demnach zu einer bedeutsamen Oxytocinfreisetzung.
19:30 - 22:00
GA: Gesellschaftsabend
Aperitif, Abendessen in der Villa Blanka. Etwas oberhalb von Innsbruck mit schönem Blick über die Stadt.
http://restaurant.villablanka.com/startseite/
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