Phonetische/Phonologische Störung

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Fortbildung „Sprachförderung in der Grundschule“ am 26.06.2012
Carola Böhm, StRinFöSch
Die Sprachentwicklung
1. Der Sprachbaum – ein Bild für den kindlichen Spracherwerb
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2. Die Sprachpyramide –
Durchschnittswerte, wann ein Kind was kann
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Störungen im kindlichen Spracherwerb
1. Störungen des Sprechens und der Sprache
1.1 Semantisch – lexikalische Sprachebene (Bedeutungs- und Wortschatzebene)
1.1.1 Sprachverständnisstörung/eingeschränktes Sprachverständnis
Kinder mit ca. 2 Jahren können keine 50 Wörter aktiv gebrauchen und weniger als
300 Wörter verstehen.
Das rezeptive Lexikon ist eingeschränkt.
Kinder mit dieser Störung wiederholen z. B. die letzten Wörter einer Frage wie ein
Echo, ohne eine Antworte geben zu können (Echolalie).
1.1.2 Eingeschränkter Wortschatz
„Late talkers“, die mit 24 Monaten aktiv noch über keine 50 Wörter verfügen und
keine 2-Wort-Sätze kombinieren, gelten als Risikokinder für eine
Sprachentwicklungsverzögerung.
Bei diesen Kindern bleiben die Wortschatz-Spurts oft aus.
Der aktive und kreative Umgang mit Sprache fehlt.
1.2 Phonetisch-phonologische Sprachebene (Lautebene):
Aussprachestörung, Dyslalie
1.2.1 Phonetische Störung: Sprechstörung, Artikulationsstörung
Einzelne Laute und Lautverbindungen können nicht korrekt gebildet werden.
Dabei wurde das Sprachsystem korrekt erworben und das Kind kann auch richtig
darüber verfügen.
Grundformen:
- Laute bzw. Lautverbindungen werden weggelassen
- Laute bzw. Lautverbindungen werden durch andere, in der Muttersprache
vorkommende Laute bzw. Lautverbindungen ersetzt (Kuh – Tuh)
- Laute bzw. Lautverbindungen werden durch einen Laut ersetzt, der in der
Muttersprache nicht vorkommt (Lispeln)
Benennung nach den betroffenen Lauten: z. B.
Sigmatismus: /s/-Laute, Schetismus: /sch/, Rotazismus: /r/
Myofunktionelle Störung als besondere Aussprachestörung
Es liegt ein Ungleichgewicht zwischen Kau-, Schluck- und Gesichtsmuskulatur vor.
Hauptsymptom ist der falsche Schluckvorgang.
Erscheinungsbild:
- Lautfehlbildungen
- Eingeschränkte Wahrnehmung im Mundraum
- Mundatmung oder offene Mundhaltung
- Speicheln, Speichellaufen
- Lymphödem: Wasseransammlungen im Gesichtsbereich
- Kieferanomalie und Zahnfehlstellungen
- Störungen von Haltung, Bewegung, Koordination
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Ursachen
- Neurologische Störungen und Erkrankungen
- Gesichtsmissbildungen, z. B. LKG-Spalte
- Falsche Saug- und Lutschgewohnheiten
Therapie durch Logopäden (Behebung der Schluckfehlfunktion)
1.2.2 Phonologische Störung: Sprachstörung, Lauterwerbsstörung
Die Aussprache eines Lautes gelingt im sprachlichen Kontext nicht störungsfrei.
Das Kind kann die fehlenden oder fehlerhaft gebildeten Laute mit Unterstützung
bilden, verwendet sie aber nicht zuverlässig in der Spontansprache.
Der Lauterwerb ist nicht abgeschlossen.
Das Kind kennt die bedeutungsunterscheidende Funktion der Laute nicht.
Der Erwerb des Phonologischen Systems beginnt mit ca. 18 Monate.
Dabei kommt es zu regelhaften Abweichungen im Sinne von Vereinfachungen.
Diese Vereinfachungen werden Phonologische Prozesse genannt.
- Silbenstrukturprozesse
- Harmonisierungsprozesse
- Substitutionsprozesse
Störungen treten auf, wenn folgendes deutlich wird:
- Verzögerung bei der Überwindung Phonologischer Prozesse
- Ungewöhnliche Prozesse
- Unausbalancierte Entwicklung
- Lautpräferenz
1.2.3 Physiologische Dyslalie
Altersgemäßes Unvermögen, keine Störung, das in der Entwicklung eines jeden
Kindes auftritt.
1.3 Morpho-syntaktische Sprachebene (Grammatikebene):
1.3.1 Dysgrammatismus
Störung im Erwerb und Gebrauch von Grammatik, dh. der Wort- und Satzbildung
Grundformen
- Störungen als zeitliche Abweichung: Kinder kombinieren Wörter erst deutlich
verspätet mit ca. 4 Jahren oder später
- Strukturelle Störungen: Qualitative Abweichung vom normalen Ablauf der
Sprachentwicklung
Merkmale
- Telegrammstil
- Fehlende/fehlerhafte Form
1.3.2 Physiologischer Dysgrammatismus
Altersgemäßes Unvermögen, die Wortabfolge, den Satzbau und die Grammatik
regelrecht zu bilden.
Notwendige Phase, die jedes Kind durchlaufen muss, damit es die Regeln der
Sprache erwerben kann.
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 Sprachentwicklungsverzögerung
Die Sprachentwicklung verläuft in allen vier Bereichen (Sprachverständnis,
Wortschatz, Lautbildung, Grammatik) zeitlich verzögert.
Es wird angenommen, dass der sprachliche Rückstand in absehbarer Zeit aufgeholt
werden kann.
 Sprachentwicklungsstörung
Sie liegt vor wenn folgende vier Auffälligkeiten gemeinsam auftreten:
Sprachverständnisstörung, eingeschränkter Wortschatz, Dyslalie und
Dysgrammatismus.
Der Sprachentwicklungsrückstand muss mindestens ½ Jahr betragen.
Entwicklungsdysphasie
spezifische Sprachentwicklungsstörung als massive Störung des Sprachlernprozesses
Häufigkeit: 6 – 8 % der Vorschulkinder sind betroffen
 Alalie, Nichtsprechen
Extreme Form der Sprachentwicklungsstörung, die Sprachentwicklung bleibt aus.
2. Störungen des Sprechablaufes
2.1 Alle Sprachebenen
2.1.1 Poltern
Überhastetes, oft unregelmäßiges Sprechtempo
Verwaschene, undeutliche Aussprache
Laute, Silben und Wörter werden verschluckt, verstellt, verstümmelt
Die Verständlichkeit verbessert sich, wenn die Aufmerksamkeit auf das Sprechen
gerichtet ist.
3. Störungen der Kommunikation
3.1 Kommunikativ-pragmatische Sprachebene (Beziehungsebene)
3.1.1 Stottern
Störung des Redeflusses
- Wiederholung von Silben und Lauten
- Dehnen von Lauten länger als 1 sec
- Pausen als Hängenbleiben an einem Laut vor und im Wort
- Mitbewegungen
- Gestörter Blickkontakt
- Emotionale Begleiterscheinungen
- Sprachliches Vermeidungsverhalten
- Soziales Vermeidungsverhalten
- Störungsbewusstsein
- Verschlimmerung, wenn sich die Konzentration auf die Sprache richtet
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3.1.2 Altersgemäße Sprechunflüssigkeit
Keine Sprachstörung, dauert in der Regel ½ Jahr
Sprechunflüssigkeiten, die bei allen Kindern in der Sprachentwicklung zwischen dem
3. und 5. Lebensjahr auftreten können
3.1.3 Mutismus
Sprechverweigerung
Kinder, die Sprache bereits erworben haben, sprechen nicht mehr bzw. teilen sich
lautsprachlich nicht mehr mit.
4. Störungen der Stimme und des Stimmklangs
Stimmstörung/Kindliche Dysphonie
Stimmklang und/oder Lautstärke und/oder Tonhöhe sind verändert
Die Stimme klingt dauernd piepsig oder heiser bis zur Stimmlosigkeit
Meistens wird mit zu viel Kraftanstrengung gesprochen (Hyperphonie):
Es besteht die Gefahr, dass sich Stimmlippenknötchen bilden
Abklärung durch den HNO-Arzt erforderlich
Näseln/Rhinophonie/Rhinolalie
Sprechen mit näselndem Stimmklang
Offenes Näseln:
Beim Sprechen entweicht die Luft verstärkt durch die Nase statt durch den Mund.
Das Gaumensegel schließt den Mundraum nicht zum Nasenraum hin ab.
Geschlossenes Näseln:
Beim Sprechen entweicht die Luft verstärkt durch den Mund.
Ursachen von Störungen des Sprechens und der Sprache
Multifaktorielle Erklärung: Vier Ursachenbündel
Das Ursachenproblem ist nicht gelöst.
Mit Sicherheit weiß man aber, dass es nicht eine einzelne Ursache sondern in der
Regel mehrere Faktoren sind, die eine Störung auslösen und aufrechterhalten.
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Allgemeine Prinzipien der Sprachförderung
1. Blickkontakt
 Wendlandt: „Der Blickkontakt ist wie eine Brücke, auf der sich zwei Menschen
aufeinander zubewegen und sich begegnen.“
2.








Grundsätze zum Modellverhalten/Sprachvorbild
Spreche ich selbst langsam, klar und deutlich? Halte ich dabei Blickkontakt?
Zeige ich Kommunikationsfreude und schaffe echte Sprechanlässe?
Höre ich aufmerksam und mit echtem Interesse zu?
Gebe ich ausreichend Zeit, damit das Kind Worte finden und aussprechen kann?
Nehme ich Stärken, Interessen und Bedürfnisse der Kinder wahr?
Spreche ich selbst in vollständigen, grammatikalisch korrekten Sätzen?
Begleite ich mein Handeln sprachlich?
Beachte ich das sprachliche Niveau des Kindes und bleibe dabei immer einen
Schritt voraus?
 Achte ich auf meine Lautstärke, damit ich die Kinder nicht übertöne?
 Achte ich auf meinen Stimmklang und meine Betonung?
3. Kontakt zum Kind
 Akzeptanz und Empathie wecken die Freude an menschlichen Beziehungen und
an Sprache.
4. Zuhören
 Ist genügend Zeit, dass sich das Kind mitteilen kann, auch wenn es sich
sprachlich ungeschickt äußert?
 Aktives Zuhören erfordert das Einstellen von Nebentätigkeiten, die körperliche
Hinwendung zum Kind und die Herstellung von Blickkontakt.
5. Sprachhandeln
 Sprachbegleitetes Handeln unterstützt das Kind beim Spracherwerb.
 Sprachverständnis und Wortschatz werden so aufgebaut und erweitert.
6. Bestätigende Rückmeldung
 Durch das Wiederholen richtiger Äußerungen des Kindes wird das Kind
sprachlich bestätigt.
7. Korrigierende Rückmeldung/Korrektives Feedback
 Fehlerhafte Äußerungen des Kindes sollen einmal durch den Erwachsenen richtig
wiederholt werden, und zwar unmittelbar, nachdem das Kind seine Äußerung
beendet hat.
8. Fragen stellen
 Mit Fragen kann am Mitteilungsbedürfnis des Kindes angeknüpft und ein
Gespräch initiiert werden. Fragen und Antworten geben Aufschluss, ob das Kind
Begriffe und Sachverhalte richtig verstanden hat.
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Hemmendes Sprachverhalten
1. Das Sprechen abnehmen
2. Sätze unterbrechen
 Wer nicht die Zeit bekommt, auszusprechen, verliert die Sprechfreude.
3. Korrigieren
 Ständiges Verbessern führen zum Verlust der Sprechfreude. Der Inhalt muss
wichtiger bleiben als die Form.
 Die Spontaneität im Ausprobieren von Sprache und in der Kontaktaufnahme geht
verloren.
4. Nachsprechen lassen
 Das Nachsprechen von Worten und Lauten, die das Kind noch nicht beherrscht,
hemmt den spontanen Redefluss.
5. Kritisieren und bestrafen
 Abwertende Bemerkungen, Ironie, Kritik oder das Androhen von Strafen
vermögen Sprache nicht zu fördern.
6. Sätze unterbrechen
 Erwachsene sollen vollständige und richtige Sprachimpulse geben, keine
verstümmelten Sprachangebote.
Spezifische Förderprinzipien
bei den verschiedenen Sprachentwicklungsstörungen
1. Störungen des Sprechens und der Sprache
1.1 Semantsich-lexikalische Sprachebene:
aktiver und passiver Wortschatz
 Dannenbauer: Sprachtherapie ist ein inszenierter Spracherwerb
 Das Kind soll die Fähigkeiten entwickeln können, Sprache nach Inhalt und Form
eigenständig handlungsbegleitend und handlungsleitend aufzunehmen und
äußern zu können.
 Sprachförderung im semantischen Bereich muss themenorientiert sein, ein
semantisches Feld aufbauen.
Sie soll den Kindern Strategien vermitteln, damit sie lernen, ihre semantischen
Fähigkeiten selbst zu erweitern.
Sprachverstehen und Sprachproduktion sollen sich innerhalb des semantischen
Feldes angleichen.
1.2 Phonetisch-phonologische Sprachebene:
Phonetische/Phonologische Störung
 Sprachförderung muss immer einen individuellen Lösungsansatz haben.
 Ziel: Erhöhung der Verständlichkeit der sprachlichen Äußerungen
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






Die kindliche Phonetik und Phonologie entwickelt sich in einer zeitlichen
Reihenfolge. Diese Reihenfolge kann Anhaltspunkt sein, welche Laute
sprachentwicklungsverzögerte Kinder als nächstes lernen können.
Lautunterstützende Maßnahmen
Techniken des Modellieren
Arbeit mit Minimalwortpaaren
Myofunktionelle Störung
Ziel der Sprachförderung ist die Behebung der Schluckfehlfunktion und die
Herstellung des orofazialen Muskelgleichgewichts.
Therapeut muss ein Logopäde oder Sprachheilpädagoge sein
Unterstützende Maßnahmen auch in der Schule möglich
Lippenübungen
Blaseübungen
1.3 Morho-syntaktische Sprachebene:
Dysgrammatismus
 Entwicklungsproximale Sprachtherapie als Trotzdem-Grammatikerwerb
Unterstützung für die Entwicklungsaufgabe der Kinder, die grammatikalischen
Formen und Prinzipien in der Sprache ihrer Umgebung zu identifizieren und nach
und nach über Vor- und Zwischenformen in ihre Spontansprache aufzunehmen.
 Bei gemeinsamem Tun und mit direktem Sachbezug wird dem Kind die
Zielstruktur mit erhöhter Frequenz und deutlicher Betonung immer wieder
dargeboten. Dies geschieht durch Modellierungstechniken.
 Modellierungstechniken können den Spracherwerb insgesamt anregen
Ein permanentes Einsprechen auf das Kind muss dabei vermieden werden
 Modellierungstechniken:
Die der kindlichen Sprachäußerung vorausgehen, zB.
Präsentation
Gehäufte Einführung der Zielform
Parallelsprechen
Versprachlichung kindlicher Intentionen
Linguistische Markierung
Versprachlichung vorrangig beachteter Situationsmerkmale
Alternativfragen
Angebot zweier Zielstrukturen zur Beantwortung
Die der kindlichen Sprachäußerung nachfolgen, zB.
Expansion
Vervollständigung der kindlichen Äußerung unter Einbau der Zielstruktur
Umformung
Veränderung der kindlichen Äußerung unter Einbau der Zielstruktur
Korrektives Feedback
Wiedergabe der kindlichen Äußerung mit berichtigter Zielstruktur
Extension
Sachlogische Weiterführung der kindlichen Äußerung unter Einbau


der Zielstruktur
Nach einer Zeit intensiven Modellierens treten Spontanimitationen auf, die immer
häufiger und immer korrekter werden.
Etwas zeitversetzt nehmen die eigenständigen Spontanproduktionen zu und die
Imitationen nehmen ab.
Das Verb ist der Kern des dialogischen Sprech-Handlungs-Geschehens.
Verben sind Handlungsbegriffe.
Sie fördern den Aufbau von Grammatik, weil sie in wechselnder Form mit anderen
Wortarten in Verbindung treten.
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2. Störungen des Sprechablaufes
2.1 Alle Sprachebenen
Poltern
 Ein gutes Sprechvorbild sein
Ruhe in den Gesprächen pflegen
 Bei Konzentration auf das Sprechen verringert sich das Poltern
3. Störungen der Kommunikation
3.1 Kommunikativ-pragmatische Sprachebene
Stottern
 Stottern ist keine schlechte Angewohnheit, Kinder können ihr Stottern selbst
willentlich nicht beeinflussen.
Wenn sie sich anstrengen, verstärkt sich das Stottern in der Regel.
 Ermahnungen führen nicht selten zu Mutlosigkeit und Sprechscheu der Kinder
 Aufregungen verstärken das Stottern:
Stottern hängt vom jeweils herrschenden Kommunikationsdruck ab.
Den Druck können Kinder ganz subjektiv erleben.
 Viele kommunikative Sprechsituationen schaffen
 Stotterfreie Sprechsituationen schaffen
 Ein gutes Sprechvorbild sein
 Ruhig und gelassen mit den Sprechunflüssigkeiten umgehen
 Umgang mit Gleichaltrigen: das Kind braucht Freunde, die es als Person
annehmen, nicht wegen des „guten“ Sprechens



Mutismus
Entscheidend ist der personelle Bezug zum Kind: Vertrauen, Geborgenheit und
das Gefühl des angenommen Seins müssen gegeben sein
Nonverbale Kommunikation zulassen
Keinen Druck aufbauen
4. Störungen der Stimme und des Stimmklangs
Dysphonie
 Vorstellung beim HNO-Arzt


Näseln
Vorstellung beim HNO-Arzt
Vielfältige Blaseübungen zum Training des Gaumensegels, damit es aktiv
gespannt oder locker gelassen werden kann
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Unterrichtspraktische Beispiele: Spiel und Sprache
1. Die Bedeutung des Spiels für die Sprachentwicklung
Das Spiel stellt in der Sprach- und Kommunikationsförderung für Kinder ein
grundlegendes Prinzip dar.
Nach Bruner stellen Spiele eine Wirklichkeit dar, auf die sich das Kind schrittweise
immer besser zu beziehen versteht. Anfangs wird diese „begrenzte Realität“ durch
Sprache begleitet, später durch Sprache vorweggenommen.
Auch Wolfgang Wendlandt betont die Wichtigkeit des Spiels für die
Sprachentwicklung: Es ist eine sehr gute Möglichkeit, die Kommunikationsfähigkeit
der Kinder zur Entfaltung zu bringen.
Iris Füssenich stellt heraus, dass die altersgerechte Tätigkeit des Kindergartenkindes
(und jungen Schulkindes) stets das Spielen ist. Es fordert und fördert seine
nichtsprachlichen und sprachlichen Fähigkeiten. Jede sprachliche Übung mit dem
Kind soll deshalb spielerisch gestaltet sein.
Im Spiel geht es immer darum sich zu verständigen, auch wenn geschwiegen wird:
durch Blicke, durch Körperkontakt, durch mimische Signale durch Gesten und
Körperbewegungen.
Geübt wird die Austauschbarkeit von Rollen, mit anderen Personen sind zahlreiche
Absprachen zu treffen und Einverständnis muss hergestellt werden.
Darüber hinaus ist Spiel eine eigenaktive Tätigkeit, die Freude macht und stets
freiwillig geschieht. Im Spiel erwerben Kinder all die Fähigkeiten, die notwendig sind
um zwischen-menschliche Beziehungen zu gestalten.
Eine wesentliche Grundbedingung ist eine Umgebung, in der sich das Kind
angenommen und geborgen fühlt, geprägt von Akzeptanz, Kongruenz und Empathie.
Spracherwerb ist ein dialogischer Prozess, an dem Kinder und Bezugspersonen
gleichermaßen beteiligt sind.
Gemeinsames Handeln und Austauschprozesse sind bestimmend.
2. Spiele und Spielformen im Laufe der kindlichen Entwicklung
Stufen der kindlichen Spielentwicklung nach Dr. Elisabeth Wildegger-Lack
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2.1
Sensumotorisches Spiel
Das sensumotorische Spiel erreicht seinen Höhepunkt zwischen dem ersten und
zweiten Lebensjahr. Es bleibt aber während der gesamten frühen Kindheit wichtig.
Wahrnehmungsfördernde Spiele dienen als Grundlage zur allgemeinen Förderung
sprachauffälliger Kinder, sie können aber auch als präventive Maßnahmen eingesetzt
werden.
2.1.1 Taktil-kinästhetische Wahrnehmung
Zum Beispiel:
 Berührungen oder leichten Druck am Körper lokalisieren: Ameisen
krabbeln – Körperteile benennen
 Zwerg-Riese-Mensch-Spiel
2.1.2 Visuelle Wahrnehmung
Zum Beispiel:
 Memorie
2.1.3 Auditive Wahrnehmung
Zum Beispiel:
 Übungen zur phonologischen Bewusstheit
 Stichwortgeschichten
 Spiele mit Minimalwortpaaren
 Rätsel
2.2
Das konstruierende, darstellende und szenische Spiel: Symbolspiel
Nach Piaget beginnt das Symbolspiel im präoperationalen Stadium (2 – 4 Jahre).
Das Symbolspiel ist eine wichtige Phase für die kognitive und sprachliche
Entwicklung des Kindes. Das zweijährige Kind befindet sich im Übergang von der
sensomotorischen zur operativen Intelligenz. Sensomotorische Aktivitäten werden
zunehmend durch kognitive Leistungen wie das Symbolspiel und die Sprache
mitgetragen. Im Spiel werden wie in der Sprache innere Repräsentationen
symbolisiert.
Bruner betont die besondere Bedeutung des Spiels für die Einübung interaktiver und
sprachlicher Grundmuster. Es lenkt die Aufmerksamkeit des Kindes auf die
Kommunikation und ermöglicht die Zuweisung von Rollen. Ein Vorteil des
Symbolspiels liegt nach Homburg in seiner „Als ob Relation“ zur Realität. „Das Kind
kann aus seiner eigenen sprachgehemmten Rolle herausschlüpfen und in einer
anderen Rolle neue und andersartige Erfahrungen machen.“
Zum Beispiel:
 Kaufladen (HSU: Ernährung, Sachaufgaben, Rechnen mit Geld …)
 Verkleidungskiste: Märchen, Zauberer, Zirkus, Zoo, Schule, Schloss,
Prinzessin
 Der Brummer
2.3
Rollenspiel
Dem Rollenspiel kommt eine besondere Bedeutung für die emotionale und soziale
Entwicklung des Kindes zu. Es agiert nicht mit einem Medium, es spielt selbst als
Person. Im Rollenspiel hat das sprachauffällige Kind die Möglichkeit, seine
pragmatisch-kommunikativen Kompetenzen ebenso zu entwickeln und zu erweitern,
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wie seinen Wortschatz, seine Erfahrungen, sein Wissen, seine Vorstellungskraft und
seine Fähigkeiten zur positiven sozialen Interaktion.
Rollenspiele stehen am Ende der kommunikativen Auseinandersetzung, da sie
schon hohe Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit des Kindes stellen.
2.4
Regelspiel
Zum Beispiel:
 Ratz – Fatz/Ratzolino
2.5
Bewegungsspiel
Kinder
lernen in einem vorgegebenen Spiel- und Bewegungsrahmen ihre
kommunikativen Absichten mit sprachlichen Mitteln auszudrücken und zu erproben.
Sie erfahren Sprache als vielschichtiges Handlungsinstrument. Das Spielthema legt
die Handlung fest, lässt die Situation überschaubarer werden und Sprache damit
leichter aufnehmen und anwenden.
Zum Beispiel:
 Autospiele: Motorengeräusche zum Laut /r/
 Fingerspiele: Das Krokodil, Wi Wa Wackelgans, Pick, pick, pick
 Frau Fledermaus
 Ich hab´ gefischt
Bewegungsspiele mit Musik nutzen zudem die Gemeinsamkeiten von Sprache,
Bewegung und Musik für die Sprach- und Kommunikationsförderung.
Singen, Bewegen und Tanzen sind elementare menschliche Ausdrucksformen, die
einem inneren Bedürfnis entsprechen. Das wichtigste gemeinsame Merkmal von
Musik und Sprache ist, „dass es sich bei beiden um strukturierte akustische
Zeichengestalten handelt, die nur im Nacheinander und im Erlebtwerden existieren“.
(Eggert, Lütje, Johannisknecht)
In musikalisch-rhythmischen Spielen wird das sprachtherapeutische Handeln in einen
bedeutsamen, sinnvollen und motivierenden Sprachhandlungszusammenhang
eingebaut.
Aber: Beim Singen findet idR keine gezielte verbale Kommunikation statt und auch
kein Austausch über den Inhalt des Gesungenen.
Zum Beispiel:
 Sieben kecke Schnirkelschnecken
 Ein kugelrundes Schwein
 Spiellieder: z. B. 10 kleine Indianer
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Unterrichtspraktische Beispiele: Bilderbücher und Sprache
1. Auswahlkriterien für Bilderbücher
1.1 Was soll das Bilderbuch bewirken?
 eine verbale Auseinandersetzung mit einem Thema unter Einbeziehung eigener
Erfahrungen und Eindrücke
 will Wegbereiter sein für den Aufbau einer kritischen Fragehaltung
 will die Fantasie anregen
 will Dialoge zu Mitmenschen anregen
Aufgrund dieser umfangreichen Zielsetzung ist es unverzichtbar, sich mit den drei
wesentlichen Hauptbereichen eines Bilderbuches auseinandersetzen:
Inhalt – Illustration – Sprache
1.2 Welche Kriterien soll ein Bilderbuch in seinen Hauptbereichen erfüllen?
1. Inhalt
soll altersadäquat sein
soll eine übersichtliche, klare Strukturierung des Handlungsverlaufes aufweisen
soll eine Orientierung an der Lebenswelt der Kinder haben
soll Möglichkeiten der Identifikation und Abwechslung bieten
2. Illustration
Farbe
Zeichnungen mit überschaubaren Details
große, klare, einfache und übersichtliche Darstellungen
keine Konturenzeichnungen, dafür ganze Figuren mit durchgängigen Linien
Perspektiven sind unbedeutend
vereinfachtes oder schrittweises Erschließen der Bilder durch Abdecken
3. Sprache
Eindeutige Text-Bild-Beziehung
Möglichkeiten der Wortschatzarbeit
Einfache und richtige Grammatik
Häufung bestimmter Laute und Satzstrukturen zur Festigung
Texte in Gedichtform
Berücksichtigung des Sprachstandes oder Förderbedarfs: Passung des Textes an
die Kinder
2. Bilderbuchbetrachtung unter dem Aspekt der sprachlichen Förderung
2.1 Förderung des Sprachverständnisses
 Unsinnsätze zum Bild
 Namen vertauschen
 Satzanfänge fortsetzen
 Nacherzählung
 Vermehrter Gebrauch abstrakter Begriffe
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2.2 Förderung der Artikulation
 Spielerischer Umgang mit der eigenen Stimme
 Mimische und mundmotorische Übungen
 Gehäuftes Vorkommen bestimmter Laute, Anlaute betonen, Wiederholung von
Satzmustern mit dem Ziellaut
2.3 Förderung der Grammatik
 Sprachliche Zielstruktur unter Beibehaltung von Aussage und Form des
Originaltextes einfügen
 Hervorheben der Genusmarkierung: die Maus – sie
 Hervorheben der Pluralmarkierung
 Verwenden von Adjektiven
 Verbzweitstellung mit Objektverwendung
 Beschreiben von Vorgängen und Handlungen (Verben)
 Fragesätze: W-Fragen, Voranstellung des Verbs
 Präpositionen
2.4 Förderung des Wortschatzes
 Hervorhebung neuer Wörter aus dem Sprechfluss
 Scheinbare Selbstgespräche
 Forced-alternative-Fragen: Heißt entmutigen jemanden Mut machen oder ihm
den Mut nehmen?
 Selbstkorrekturen: Entmutigen bedeutet Mut machen, ach nein, im Gegenteil …
 Zusätzliche Sinnstützen, um den neuen Begriff einzubetten
 Phonologische Hinweise: Wörter klatschen. Gleiche Teile in anderen Wörtern
hören, Reimwörter suchen
3. Methoden der Bilderbuchbetrachtung
3.1 Bilderbuchbetrachtung und Vorlesen
Wird der Text eines Bilderbuches vorgelesen, geschieht das meist in klassischer
Form, d.h. das Buch wird von Anfang bis zum Ende gelesen. Voraussetzungen sind
entsprechendes Sprachverständnis und angemessene Konzentrationsfähigkeit.
Durch das Vorlesen geschriebener Texte lernen Kinder andere stilistische Formen
von Sprache kennen und verstehen.
Das Niveau der Schriftsprache ist höher als das der gesprochenen Sprache, der
Wortschatz ist generell viel reichhaltiger, es gibt mehr Variationen im Satzbau.
3.2 Bilderbuchbetrachtung und Erzählung
Beim Erzählen orientiert sich die/der Vorlesende meist stärker am
Sprachentwicklungsstand des Kindes.
3.3 Bilderbuchbetrachtung im Dialog
Im Hinblick auf Kinder, die noch Unterstützung bei der Erweiterung ihrer sprachlichen
Kompetenzen brauchen, ist die Methode der dialogorientierten
Bilderbuchbetrachtung besonders hervorzuheben. Die Kinder sind von Anfang an
aktiv einbezogen. Bei dieser Methode steht die sprachliche Aktivierung des Kindes
im Vordergrund, es ist gleichzeitig Zuhörer und Erzähler.
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Eventuell muss man sich dabei von der Vorstellung verabschieden, dass die
Geschichte von Anfang bis Ende und so wie im Buch erzählt wird.
4. Beispiele
Helme Heine: Der Hase mit der roten Nase, Beltz und Gelberg: 20042,
ISBN 3 407 77006 5
 Pappbilderbuch mit einfacher, gereimter Sprache, kurzen Texten und klaren
Bildern
 Thema: Anderssein – Schwierigkeiten und Vorteile der Einmaligkeit
 Gefühle versprachlichen, Begriffe dafür sammeln
 Warum ist der Hase traurig? Der Hase ist traurig, weil … Argumente finden
lassen als mündlicher Sprachgebrauch mit vorgegebenem Satzmuster
 Warum hat der Fuchs den Hasen nicht erkannt?
 Warum freut sich der Hase am Schluss?
 Reime in der Geschichte finden und aufschreiben
 …
Eric Carle: Die kleine Spinne spinnt und schweigt, Gerstenberg: 1984,
ISBN 3 8067 41506
 Pappbilderbuch mit Fühlelementen, einfacher Sprache mit Adjektiven,
Fragesätzen und gleichbleibenden, wiederkehrenden Sätzen (Die kleine
Spinne spinnt und schweigt). Die Illustration ist groß, klar und ohne
ablenkende Details.
 Häufig vorkommender Laut /sch/, zum Teil als Graphem SCH, SP oder ST
Gut einsetzbar bei der Erarbeitung des Buchstaben SCH in seiner
Lautqualität. Aber auch wenn ST und SP eingeführt werden – die Phoneme
sind gleich, die Grapheme unterschiedlich.
 Das Nachahmen der Tierstimmen fördert die Artikulationsfähigkeit
 Wiederkehrendes Satzmuster ist der Fragesatz
 Überraschung der Geschichte ist die Fliege
 Wertschätzung der Spinne und ihrer Tätigkeit als Gegensatz zur Ablehnung
vieler gegenüber Spinnen
 …
Faustin Charles und Michael Terry: Das sehr unfreundliche Krokodil,
Bloomsbury: 20042, ISBN 3 82705000 6
 Bilderbuch mit Papierseiten, zweiseitigen, liebevollen und z.T. detaillierten,
Illustrationen, vielfältige Sprache mit unterschiedlichen Adjektiven und Verben.
 Thema: Einer will der „Chef“ sein und vergrault alle anderen, bis er selbst in
Not ist und er sehr froh darüber ist, dass trotzdem einer den Mut findet ihn
anzunehmen. So lernt der Chef, dass die Gemeinschaft gut und wichtig ist.
 Häufig vorkommende Lautverbindung /kr/, Wörter mit diesem
Konsonantencluster sammeln und lesen
 Verben sammeln: sagte, fragte, zwitscherte, grunzte …
 Adjektive sammeln
 Was könnten die Tiere zum Krokodil sagen, als es sie nicht mehr zum Fluss
lässt? Krokodil, bitte … als Satzanfang vorgeben
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 Was könnten die Tiere sagen, als das Krokodil vor Schmerz brüllt?
 Wie wird die Geschichte weitergehen, als die Maus über den Bauch des
Krokodils läuft? Als die Maus in das Krokodilmaul klettert?
 Wörtliche Rede
 Zahnpflege
 Fingerspiel: Das Krokodil
Gerda Muller: Was war denn hier bloß los? Ein geheimnisvoller Spaziergang,
Moritz Verlag, ISBN 3 89565 109 5
 Einziger Satz des Bilderbuches: Geh den Spuren nach!
 Ein geheimnisvoller Winterspaziergang, der zu mündlichem Sprachhandeln
einlädt und auffordert
 Aussagesätze mit Verbzweitstellung: Das Kind geht … Der Hund läuft …
 Präpositionalgefüge: Das Kind geht ins Bad.
 Visuelle Wahrnehmungsförderung
 Logisches Denken: Was ist da passiert?
 In der Deckseite sind Bilder, die beim Erzählen unterstützen können oder
zugeordnet werden können.
 Wortschatzarbeit: Fehlende Wörter können eingeführt und verwendet werden
 Ein sehr aufschlussreicher Erzählspaß …
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