Privatwirtschaftsverwaltung

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ÜBUNG ÖFFENTLICHES RECHT I
Pflichtübung BAKK, 1. Abschnitt
Mittwoch, 8 – 9.30 Uhr, HS 230
Univ.-Ass. Dr. Daniela Reitshammer
INHALTSVERZEICHNIS
I.
Subsumtion
II.
Interpretation
III. Grundlagen des Verfassungsrechts
IV.
Gewaltentrennung & Bundesstaat
V.
Gesetzgebung d. Bundes u. d. Länder
VI.
Verwaltung Allgemein
VII. Bundesverwaltung
VIII. Landes- u. Selbstverwaltung
IX. Gerichtsbarkeit, Rechtsschutz & Kontrolle
X.
Grundrechte
Hinweis: die EU wurde krankheitsbedingt nicht durchgemacht und kommt daher
nicht zur UE-Klausur.
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ÜBUNG ÖFFENTLICHES RECHT I
Pflichtübung BAKK, 1. Abschnitt
Mittwoch, 8 – 9.30 Uhr, HS 230
Univ.-Ass. Dr. Daniela Reitshammer
I.
SUBSUMTION:
1. Was bedeutet Subsumieren?
Stammt aus dem lat. Wort „subsumere“ (darunterstellen) ab und bezeichnet die
gedankliche Arbeit, die notwendig ist, um einen konkreten Sachverhalt einer abstrakten Rechtsnorm zu unterstellen und daraus die rechtlich vorgesehene Rechtsfolge abzuleiten.
Der Vorgang der Subsumtion erfolgt in einem logischen Dreischrittverfahren: Bildung eines Obersatzes – eines Untersatzes – sowie eines Schlusssatzes
(Schlussfolgerung)
2. Felix Moser wird dabei beobachtet, wie er einen kaputten Kühlschrank im Wald ablädt. Hat er damit eine Verwaltungsübertretung
begangen?
§ 16 ForstG: Waldverwüstung
(1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen und Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,
c) die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder
d) der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme
der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art […] ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.
§ 174 ForstG: Strafbestimmungen
(1) Wer a) 1. […] 3. das Waldverwüstungsverbot des § 16 Abs 1 nicht befolgt […] begeht eine Verwaltungsübertretung. Diese
Übertretungen sind in den Fällen der lit a mit einer Geldstrafe bis zu € 7 270 € […] zu ahnden.
Obersatz: Das Verwüsten des Waldes ist für jedermann verboten (§ 16 Z. 1
ForstG). Darunter fällt laut §16 Z. 2 d) die Ablagerung von Abfall (Müll). Wer das
Waldverwüstungsverbot nicht befolgt, begeht eine Verwaltungsübertretung.
Untersatz: Felix Moser, wurde dabei beobachtet wie er einen kaputten Kühlschrank im Wald abgeladen hat.
Schlusssatz: Felix Moser hat eine Verwaltungsübertretung laut § 174 ForstG begangen.
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3. Ein Lebensmittelgeschäft hielt im Widerspruch zum ÖffnungszeitenG auch an Sonntagen geöffnet, was von eigenen Organen
des Landeshauptmannes an 3 Sonntagen in Folge beobachtet wurde. Nach Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens erließ
die Behörde ein Straferkenntnis und verhängte insgesamt €
1.800,-. Begründen Sie, warum die Behörde keine Strafverfügung
erlassen konnte.
§ 47 Abs 1 VStG: Wenn von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache auf Grund eigener dienstlichen Wahrnehmung oder eines vor ihnen abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt oder wenn das strafbare Verhalten auf Grund automatischer Überwachung festgestellt wird, dann kann die
Behörde ohne weiteres Verfahren durch Strafverfügung eine Geldstrafe bis zu 365 Euro festsetzen. [...]
Strafverfügung (bis zu 365 €) < Verwaltungsstrafe (höheres Strafmaß) -> darum ist idF ein Verwaltungsstrafverfahren durchzuführen!
4. Frau Dagmar und Herr Hubertus Grünwald besitzen ein großzügiges Anwesen am Fuße des Gaisbergs. Hubertus möchte als passionierter Jäger am Waldrand gerne eine Jagdhütte errichten, während seine Frau lieber einen Gartenpavillon hätte. Sie einigen sich
darauf, jenem Projekt den Vorzug zu geben, das keine Baubewilligung benötigt. Wer wird sich durchsetzen?
Beide Bauprojekte benötigen laut §1,2 Sbg BauPolG eine Baubewilligung!
II.
INTERPRETATION:
1. Was versteht man unter Interpretation? Nennen Sie die wichtigsten Interpretationsmethoden und logischen Verfahrensweisen.
Darunter versteht man den Erkenntnisvorgang, der auf Deutung, somit richtiges
Verstehen von Normtexten abzielt! (juristische Auslegung/Interpretation)! Dabei
ist das Ziel, den objektiven Willen des Rechtssetzers zum Ausdruck zu bringen!
Wichtigsten Methoden sind:
- Wortinterpretation (aus dem Wortlaut der Norm)
- Systematische Auslegung (aus ihrem Zusammenhang)
- Teleologische Auslegung (aus ihrem Zweck)
- historische Auslegung (aus der Entstehungsgeschichte der Rechtsnorm)
Verfahren:
- Analogie (bei Rechtslücken)
- (Judikatur)
2. Gibt es eine Rangstufung zw. den einzelnen Methoden?
Die Antwort fällt differenziert aus. Die Wortinterpretation gilt als diejenige Methode, die vorzugsweise heranzuziehen ist.
Sofern die Auslegung einer Rechtsnorm allein auf Grund des Wortlauts zu einem
klaren Ergebnis führt, sind weiterführende Methoden/Überlegungen unzulässig
(sog. „Klarheitsregel“)! Wenn eine Auslegung nach Wortlaut nicht möglich ist,
sind im weiteren Verfahren die anderen Methoden gleichberechtigt (ohne Rangstufung) zur Klärung des Sinngehalts heranzuziehen!
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3. Was ist eine verfassungs-, grundrechts-, baugesetz- oder richtlinienkonforme Auslegung?
Verfassungskonforme Auslegung: ist eine besondere Form der systematischen
Auslegung! Lässt ein Gesetz auf Grund unklaren Wortlauts mehrere Deutungen
zu, so ist jene Auslegungsvariante zu wählen, die der Bundesverfassung entspricht. (bzw. den Grundrechten/Baugesetzen oder Richtlinien -> bei der jeweiligen Auslegung)
4. Unterliegt eine Maroniplantage im Ausmaß von 12ha und einer
Breite von mindestens 15m dem ForstG?
Nein, da Plantagen von Holzgewächsen zum Zweck der Gewinnung von Früchten
nicht als Wald im Sinne des §1a ForstG gelten.
5. Handelt es sich bei einer mobilen Straßenbaueinrichtung eines
Bauunternehmers (zB Presslufthammer mit Kompressor), welcher
für zweie Tage an einer bestimmten Straßenstelle zwecks Kanalisationsarbeiten verwendet wird, um eine Betriebsanlage iSd § 74
Abs. 1 GewO?
Vorraussetzungen: erfüllt?
- Ortsgebundenheit
- Gewerbl. Tätigkeit
- Regelmäßigkeit
mobil? Aber regelmäßig an einen Ort gebunden! -> Entscheidend ist die Dauer!
-> idF 2 Tage -> Daher keine gewerbl. Betriebsanlage iSd § 74 Abs. 1 GewO
6. Kann die Durchsuchung eines Wohnwagens als „Hausdurchsuchung“ qualifiziert werden?
Ja, eine Hausdurchsuchung ist die Durchsuchung der Wohnung oder sonstiger
zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten – Zweck ist der Schutz der Intimsphäre des Inhabers –> Ein Wohnwagen fällt daher unter das HRG wenn er seiner Bestimmung nach „einer Räumlichkeit“ gleich verwendet wird.
(teleologische Auslegung)
7. Dem Landwirt Peter Steiner steht, um eines seiner Felder leichter
erreichen zu können, die Dienstbarkeit des Fahrens auf einen Weg
zu, der über das Grundstück seines Nachbarn führt. Ist er auch berechtigt, auf diesem Weg zu seinem Grundstück zu gehen?
Ja, mittels systematischer Auslegung kommt man zur Auffassung, wenn das Befahren der Dienstbarkeit erlaubt ist, muss er auch dazu berechtigt sein das
Gründstück zu begehen.
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III. GRUNDLAGEN DES VERFASSUNGSRECHTS:
1. Welche Funktion erfüllt eine Verfassung? Gibt es tatsächlich eine
„Kluft zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit“?
Die Verfassung enthält wichtige Spielregeln für den politischen Prozess („Spielregelverfassung“) und ihr kommt eine doppelte Funktion zu: Legitimations- sowie einer
Schrankenfunktion!
Legitimationsfunktion:
Einschränkung der Macht auf klaren Verfassungsgrundlagen
Schrankenfunktion:
Die Verfassung ermächtigt Staatsorgane zur Durchführung bestimmter Handlungen, womit gleichzeitig ausgeschlossen wird, dass andere Staatsorgane solche
Akte setzen dürfen. Dadurch wird Macht im Staat verteilt und werden der Machtausübung durch Verfassungsorgane Schranken gesetzt.
Kluft zw. Verfassungsrecht & Verfassungswirklichkeit:
Dabei handelt es sich um die Problematik, dass die eigentlichen Entscheidungen in wichtigen Angelegenheiten von realmächtigen Wirkkräften (verfassungsrechtlich nicht vorgesehen) getroffen und von den zuständigen Verfassungsorganen oft
nur nachvollzogen wird. Die tatsächliche Willensbildung findet also außerhalb der
Verfassungsorgane statt.
2. Was ist Verfassung im formellen und materiellen Sinn? In welchem
Verhältnis stehen diese zueinander?
Die Besonderheit des Verfassungsrechts kann in unterschiedlicher Weise bestimmt
werden, entweder indem man auf bestimmte Inhalte abstellt oder auf die Form seiner Erzeugung. Dementsprechend kann man zwischen Verfassungsrecht im materiellen & formellen Sinn unterscheiden:
Unter Verfassungsrecht im materiellen Sinn wird herkömmlich die rechtliche
Grundordnung eines Staates verstanden, die den Staat als politische Org. der Gesellschaft konstituiert. Es betrifft den Inhalt der Verfassung, was vernünftigerweise in
einer Verfassung geregelt sein sollte (grundlegende Vorschriften). Es handelt sich
dabei meist um Regelungen, welche formelles Verfassungsrecht näher ausführen. So
enthält zB. die Wahlordnung des NR (NRWO) die nähere Ausgestaltung der Wahlgrundsätze des Art. 26 B-VG. Und obwohl es sich bei der NRWO nur um ein einfaches
Bundesgesetz handelt, wird sie dem materiellen Verfassungsrecht zugerechnet (kann
daher durch einfache parlamentarische Mehrheit abgeändert werden).
Verfassungsrecht im formellen Sinn ist durch eine bestimmte qualifizierte, dh erschwerte Form der Erzeugung gekennzeichnet, wodurch es sich von einfachen Gesetzen unterscheidet.
Für die Erzeugung bzw. Änderung von Bundesverfassungsrecht ist gem. Art. 44
Abs.1 B-VG bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des NR (Präsenzquorum) eine Mehrheit von 2/3 der abgegebenen Stimmen (Konsensquorum)
notwendig. Darüber hinaus legt Art. 44 Abs. 1 eine ausdrückliche Bezeichnungspflicht
für Bundesverfassungsrecht fest.
Rechtsvorschriften, die entsprechend diesem im B-VG vorgesehenen Verfahren zustande gekommen sind, bezeichnet man als formelles Verfassungsrecht.
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Verhältnis:
Idealtypischer Zustand (=Deckung: die rechtl. Grundordnung des Staates sollte in Verfassungsvorschriften im formellen Sinn verankert sein) wird nicht erreicht.
Es gibt Abweichung in die eine oder andere Richtung!
3. Warum spricht man davon, dass Österreich „keine Verfassungsurkunde“ hat? Wie kann man generell eine Zersplitterung des Verfassungsrechts vermeiden?
Weil das B-VG nur wichtige Teile, aber nicht das gesamte formelle Bundesverfassungsrecht enthält.
Vermeiden könnte man diese Zersplitterung durch eine Normierung des so genannten Inkorporierungsgebots, darunter versteht man das neues Bundesverfassungsrecht nur innerhalb des B-VG erlassen werden darf.
Zusatz:
Wo findet man österreichisches Bundesverfassungsrecht:
a) Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG): Verfassungsurkunde, die nach ihrer Wiederverlautbarung nach der großen Novelle 1929 mehr als 60 mal novelliert wurde
b). Neben obigem Stammgesetz gibt es ca. 60 weitere Bundesverfassungsgesetze
(BVG):
- BVG über die Neutralität Österreichs (26.10.1955)
- BVG über den umfassenden Umweltschutz (27.11.1984)
- Finanz-Verfassungsgesetz (F-VG) ...
c). Verfassungsbestimmungen: einzelne Bestimmungen eines Bundesgesetzes:
haben dann ebenfalls den Rang eines Verfassungsgesetzes (ca. 200 Verfassungsbestimmungen in ca. 100 Bundesgesetzen)
d). Staatsverträge im Verfassungsrang: gelten dann ebenfalls als Bestandteile
des Bundesverfassungsrechts. Beispiel: Europäische Menschenrechtskonvention +
Zusatzprotokolle
Achtung: es gibt bezüglich des Ranges und der juristischen Qualität keinen Unterschied zwischen
dem B-VG (eigentliche Verfassungsurkunde) und sonstigem Bundesverfassungsrecht.
4. Kennen Sie eine Initiative der jüngsten Verfassungsgeschichte zur
Optimierung der Bundesverfassung?
-> Österreich-Konvent:
Im Jahr 2003 eingesetzt um einen neuen Anlauf zu einer Gesamtreform des
Bundesverfassungsrechts zu unternehmen.
Die Arbeiten an einer neuen Verfassung wurden sehr bald von politischen Kontroversen überlagert. Nur in wenigen Sachbereichen – in erster Linie bei den Grundrechten
gelangte man zu einvernehmlichen Vorschlägen. Als maßgebl. Konfliktpunkt erwies
sich die Gestaltung des Bund-Länder-Verhältnisses.
Ein zuletzt vom Präsidenten des Konvents vorgelegter Entwurf einer Bundesverfassung wurde von den pol. Parteien, aber auch von den Bundesländern abgelehnt, die
eigene Gegenvorschläge erstatteten! Ein konsensfähiger Verfassungsentwurf kam
nicht zu Stande! Der letzte Anlauf zu einer umfassenden Reform des Bundesverfassungsrechts ist also – vorläufig – gescheitert.
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5. Warum ist das „Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der
Staatsbürger“ aus dem Jahre 1867 geltendes Verfassungsrecht?
Im Rahmen der Dezemberverfassung 1867 kam es zur Verabschiedung des österreichischen Grundrechtskatalogs, der im Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG) zusammengefasst wurde. Die Dezemberverfassung stand
bis zum Ende der Monarchie in Kraft. Nach deren Zerfall wurde mit 1.10.1920 das BVG beschlossen! Im Rahmen der Ausarbeitung des B-VG gelang es nicht, einen
Grundrechtskatalog für die Verfassung der neu gegründeten Republik zu formulieren.
Vor allem die parteipolitischen Auseinandersetzungen über das Verhältnis von Kirche
und Staat und der Streit um die Eigentumsgarantie verhinderten einen entsprechenden Konsens. So kam es zu der Entscheidung der verfassungsgebenden Kräfte, dass
es hinsichtlich der Grund- u. Freiheitsrechte … grundsätzlich beim bisher bestehenden Zustand zu verbleiben habe! Das StGG steht daher bis heute in Geltung und ist,
neben der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), die wichtigste Quelle der
österreichischen Grundrechte.
6. Charakterisieren Sie Verfassungsbestimmungen. Lesen Sie Art I ParteienG und versuchen Sie zu erklären, warum dieser als Verfassungsbestimmung erlassen werden musste.
Artikel I PartG (Verfassungsbestimmung)
§ 1. (1) Die Existenz und Vielfalt politischer Parteien sind wesentliche Bestandteile der demokratischen Ordnung der Republik Österreich (Art. 1 B-VG)
(2) Zu den Aufgaben der politischen Parteien gehört die Mitwirkung an der politischen Willensbildung.
…
Nach Art. 1 B-VG ist Österreich eine demokratische Republik, in der das Recht vom
Volk ausgeht.
Das demokratische Prinzip iS des B-VG ist daher verfassungsrechtlich
maßgeblich -> es normiert ein System der mittelbaren Demokratie! Mittelbare
Demokratie führt in der Realität zur Dominanz politischer Parteien, die politische Interessen bündeln und artikulieren! Daher ist die Demokratie auf politische Parteien
angewiesen!
7. Beschreiben Sie den Rang von Bundes- und Landesverfassungsrecht
im Stufenbau der Rechtsordnung.
Das Verfassungsrecht hat nicht nur eine besondere Form, sondern auch eine besondere rechtliche Qualität: Verfassungsrecht hat den höchsten Rang -> alle übrigen
Gesetze sind an die Verfassung gebunden; sonst: verfassungswidrig (nicht ungültig -> nichtig, aber: VfGH kann das Gesetz in einem bestimmten Verfahren aufheben).
Vereinfachter Stufenbau der Rechtsordnung:
Grundprinzipien der Bundesverfassung
stärker als
Bundesverfassungsrecht
stärker als
Landesverfassungsrecht
stärker als
Landesgesetze gleich stark Bundesgesetze
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8. Woraus leiten sich die so genannten „Baugesetze der Verfassung“ ab?
Warum besteht über ihre Anzahl keine Einigkeit? Welche rechtliche
Bedeutung haben die Grundprinzipien?
Als Grundprinzipien oder Baugesetze bezeichnet man die tragenden Säulen der
Grundordnung des Staates. Ihr Inhalt erschöpft sich nicht in einzelnen Bestimmungen, sondern ergibt sich aus einer Fülle von Normen des Verfassungsrechts. Auch
Art. 1 u. 2 B-VG, die das demokratische bzw. bundesstaatliche Prinzip ausdrücklich
normieren, sind lediglich Programmsätze. Der normative Inhalt dieser Baugesetze
ergibt sich erst in Zusammenhang mit gewissen Bestimmungen der Verfassung bzw.
aus deren Gesamtaufbau.
Art und Anzahl der Grundprinzipien sind im Interpretationsweg zu erschließen.
Zwischen Grundprinzipien und den sich verwirklichenden Verfassungsvorschriften
besteht eine Wechselbeziehung: die konkreten Verfassungsvorschriften begründen
erst ein Grundprinzip.
Die rechtliche Bedeutung der Grundprinzipien ist eine dreifache:
- Kriterien für eine Gesamtänderung der Bundesverfassung:
-
 Das B-VG selbst bringt keine Umschreibung des Begriffs „Gesamtänderung der
Bundesverfassung“ -> nach hL ist darunter eine Änderung der Verfassung zu verstehen, durch die eines oder mehrere Grundprinzipien der Bundesverfassung wesentlich verändert oder beseitigt wird.
Maßstab für die Prüfung von Bundesverfassungsrecht (auch von einfachem
Gesetzesrecht)
Interpretationshilfe
Zusatz:
Prinzipiell werden 6 Grundprinzipien anerkannt. 3 davon sind ausdrücklich im B-VG
ausgesprochen: das Demokratische, Republikanische und Bundesstaatliche Prinzip.
Andere, wie zB. das rechtsstaatliche oder gewaltenteilende Prinzip, ergeben sich aus
der Interpretation mehrerer Einzelregelungen der Verfassung.
a) Das demokratische Prinzip:
Wesentlicher Gedanke einer Demokratie ist, dass die Staatsgewalt vom Volk ausgeht, das Volk soll der Herrscher über das Volk sein. Art. 1 B-VG legt diesen Gedanken fest: Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.
Erst aus dem Gesamtaufbau der Bundesverfassung ergibt sich, dass Österreich eine
repräsentativ-parlamentarische Demokratie ist. Im Wesentlichen nimmt nicht das
Volk selbst die Staatswillensbildung wahr, sondern die vom Volk gewählten Vertreter
bzw. von diesen ernannten Organe. Die zentrale Stellung nehmen dabei die Parlamente ein. Nur in bescheidenem Ausmaß nimmt das Volk unmittelbar an der Staatswillensbildung teil – Elemente der direkten Demokratie (Volksbegehren, Volksabstimmung, Volksbefragung)!
b) Das republikanische Prinzip:
Typische Merkmale einer Republik (im Gegensatz zur Monarchie) sind, dass das
Staatsoberhaupt gewählt wird, dass es eine zeitlich begrenzte Funktion hat, dass es
für seine Amtsführung rechtlich und politisch verantwortlich ist und daher unter bestimmten Voraussetzungen auch während seiner Amtszeit absetzbar ist.
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c) Das bundesstaatliche Prinzip:
Das Wesen eines Bundesstaates besteht darin, dass die staatlichen Funktionen auf
einem Oberstaat und Gliedstaaten aufgeteilt werden, wobei jeder Selbständigkeit
besitzt. Die Staatsgewalt wird dadurch dezentralisiert. Durch Art. 2 B-VG wird programmatisch festgelegt, dass Österreich ein Bundesstaat ist.
Typische Einrichtungen der österreichischen Bundesstaatlichkeit sind eine relativ autonome Landesgesetzgebung, einschließlich der Verfassungsgesetzgebung, eine Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes durch den BR, eine autonome
Landesverwaltung sowie die Mitwirkung der Länder an der Vollziehung des Bundes in
Form der mittelbaren Bundesverwaltung.
d) Das rechtsstaatliche Prinzip:
Unter Rechtsstaat ist ein Staat zu verstehen, der dem einzelnen Schutz vor staatlicher Willkür garantiert und die Staatsgewalt selbst durch die Bindung an das Recht
beschränkt. Das B-VG enthält keine maßgebliche Festlegung dieses Grundprinzips,
ist aber durch eine Reihe von Verfassungsbestimmungen verankert. Zu betonen sind
va. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der gesamten Vollziehung (Legalitätsprinzip,
Art. 18 B-VG), die Rechtsschutz- u. Kontrolleinrichtungen des VwGH u. VfGH, des
Rechnungshofs oder der Volksanwaltschaft sowie der Einrichtung unabhängiger Gerichte.
Das Legalitätsprinzip, das die gesamte Vollziehung an das Gesetz als Beschlussform
des Parlaments bindet, sichert zum einen die Vorherrschaft der Parlamente und steht
so in engem Zusammenhang mit dem demokratischen Prinzip. Es hat zum anderen
auch die Konsequenz, dass in den Rechtsvorschriften die Rechte u. Pflichten des einzelnen inhaltlich präzise und genau bestimmt sein müssen, wodurch das Handeln des
Staates vorhersehbar und berechenbar wird. Die oben genannten Kontrolleinrichtungen sollen die Durchsetzung der Rechte des einzelnen bzw. die Beschränkung der
Staatsgewalt garantieren. Das rechtsstaatliche Prinzip gebietet somit auch einen
Rechtsschutzstaat.
e) Das gewaltenteilende Prinzip:
Unter gewaltenteilendem Prinzip versteht man, dass die Ausübung der Staatsgewalt
auf verschiedene Organe aufgeteilt werden soll, um die Machtkonzentration bei einem Organ zu verhindern. Dieses Grundprinzip ist im B-VG nicht ausdrücklich normiert, zählt aber zu seinen prägenden Grundgedanken.
Es bestehen in Österreich für die 3 klassischen Staatsfunktionen jeweils eigene Organe, nämlich für die:
-
Gesetzgebung
Verwaltung
Gerichtsbarkeit
Art. 24 bzw. 95 B-VG übertragen dem NR gemeinsam mit dem BR bzw. den Landtagen die Gesetzgebungsbefugnis.
f) Das liberale Prinzip:
Auch dieses Grundprinzip ist nicht ausdrücklich im B-VG verankert. Es beinhaltet den
Gedanken, dass dem einzelnen Bürger eine Sphäre eingeräumt wird, die von staatlichen Regelungen ausgenommen sein soll. Es dem einzelnen einen Bereich der Frei-
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heit einräumen. In unserer Verfassung wird dieses Grundprinzip durch einen sehr
umfangreichen Grundrechtekatalog zum Ausdruck gebracht. Dieser garantiert ua.
auch eine Reihe von „liberalen“ Grundrechten, die als Abwehrrechte gegenüber dem
Staat dem einzelnen einen Freiheitsraum garantieren.
Das liberale Prinzip schützt aber nicht eine bestimmte Anzahl von Grundrechten oder
einen bestimmten Inhalt, sondern garantiert den Bestand von Grundrechten als solche.
9. Erkennen Sie einen Konflikt mit Grundprinzipien
a)
wenn die Funktion des Bundespräsidenten vererbbar sein sollte?
-> republikanisches Prinzip (Staatsoberhaupt muss gewählt werden)
b)
wenn Rechtsnormen ab sofort nicht mehr kundgemacht werden
müssten?
-> rechtsstaatliche Prinzip
c)
bei Einführung eines echt präsidentiellen Regierungssystems,
bei dem das Staatsoberhaupt volksgewählt ist und zugleich Regierungschef ist, ohne dem Parlament verantwortlich zu sein?
-> demokratische Prinzip
d)
bei ersatzloser Aufhebung des Art 44 Abs 3 B-VG?
e)
im Falle der Beseitigung aller autonomen Landeskompetenzen?
-> bundesstaatliche Prinzip
f)
bei Modifikation des Grundrechtskatalogs?
-> liberales Prinzip
g)
wenn der Bundesrat durch eine effizientere Mitwirkungsform
der Länder ersetzt werden würde?
10. Lesen Sie VfSlg 12420/1990 und erläutern Sie, welche Bedeutung der
Verfassungsgerichtshof dem Rechtsstaatsprinzip hier beimisst.
fehlt
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11.
Frau Beate Weichselbaum beschwert sich als Nachbarin einer
Autoreifenfabrik beim VfGH, der Genehmigungsbescheid der Anlage
würde sie in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf
umfassenden Umweltschutz verletzen. Wie wird der Gerichtshof entscheiden?
Bescheidprüfungsverfahren laut Art. 144 B-VG anwenden
Da Frau Beate Weichselbaum als Nachbarin einen Parteienstatus hat, erhält sie den
Genehmigungsbescheid der Autoreifenfabrik -> sie fühlt sich in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf umfassenden Umweltschutz verletzt
 Instanzenzug bei Beschwerde (Berufung) -> VfGH (weil sich die Antragsstellerin auf ein verfassungsgesetzliches Recht beruft)
In diesem Fall wird der VfGH gegen die Antragsstellerin entscheiden, da das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf umfassenden Umweltschutz eine sogenannte „Staatszielbestimmung“ ist, die sich nicht auf den Einzelnen richtet und auf
die sich der Einzelne nicht berufen kann (keine subjektiven Rechte)!
IV. GEWALTENTRENNUNG UND BUNDESSTAAT:
1. Wodurch unterscheiden sich die drei Staatsfunktionen?
Unterschiede:
Gesetzgebung: erlässt generelle Normen (von Nationalrat, Bundesrat)
Verwaltung: Kontrollaufgaben, Organe sind weisungsgebunden (in einer Hierachie)
Gerichtsbarkeit: Gerichte sind unabhängig, unabsetzbar und unversetzbar!
Das gewaltenteilende Prinzip bedeutet: Aufteilung der Staatsgewalt in verschiedene
Funktionen und Aufteilung dieser Funktionen auf unterschiedliche Organe.
Staatsfunktionen: Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit (klassische
Gewaltentrennungslehre nach Montesquieu). Diese Funktionen haben verschiedene
Organe inne (Verhinderung der Machtkonzentration),
welche sich auch gegenseitig kontrollieren (checks and balances).
2. Aus welchen Gründen liegt unserer Verfassung das Prinzip der Gewaltenteilung zugrunde? Was soll damit erreicht oder verhindert werden? Wie
ist die Gewaltenteilung in der österreichischen Bundesverfassung verankert?
Aufgabe der Gewaltenteilung: die staatliche Macht zu begrenzen und ihrem Missbrauch entgegenzuwirken – den versch. Staatsgewalten werden daher nicht nur bestimmte Aufgaben zugewiesen, sondern diese Gewalten sollen auch voneinander getrennt sein.
B-VG: nicht ausdrücklich normiert, zählt aber zu seinen prägenden Grundgedanken.
Trotz der grundsätzlichen organisatorischen Trennung liegt dem B-VG aber kein System strikter Teilung der Staatsgewalten zugrunde, sondern es sieht zahlreiche Verschränkungen zwischen diesen vor. Es ist geprägt durch ein System der gegenseitigen Abhängigkeit (checks and balances), in Form von Kontrollrechten, Mitwirkungsrechten, Ernennungs- od. Abberufungsrechten. Es wird nicht nur eine Machtkonzentration verhindert, sondern darüber hinaus gleichzeitig die Ausübung der Staatsgewalt
kontrolliert.
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3. Was
ist
der
historische
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Hintergrund
des
„Legalitätsprinzips“?
Das Legalitätsprinzip ist Teil des rechtsstaatlichen Grundprinzips der Bundesverfassung und besagt gemäß Art 18 Abs 1 B-VG, dass die gesamte staatliche Verwaltung
nur auf Grund von Gesetzen ausgeübt werden darf. Das Legalitätsprinzip soll das
Handeln der Verwaltung für den Bürger vorhersehbar und berechenbar machen und
so Willkür verhindern.
Bindet es auch den Gesetzgeber?
Ja, da dem Legalitätsprinzip die an den Gesetzgeber gerichtete Anordnung zu Grunde
liegt, die Handlungsgrundlagen der Vollziehung durch ausreichend bestimmte Gesetze zu regeln. Gesetze, welche das Vollzugshandeln ungenügend determinieren,
sind verfassungswidrig („formalgesetzliche Delegation“). Daher können auch Gesetze
gegen Art. 18 B-VG verstoßen, wenn der Gesetzgeber den im Legalitätsprinzip angelegten Bestimmtheitserfordernissen nicht Rechnung trägt.
4. Ist ein Gericht an eine rechtskräftige Entscheidung einer Verwaltungsbehörde gebunden?
Ja, da der Grundsatz der organisatorischen Trennung für die Justiz und die Verwaltung ausdrücklich in Art. 94 B-VG normiert:
- das Verbot an den einfachen Gesetzgeber, ein und dieselbe Behörde gleichzeitig als Gericht und als VwBehörde einzurichten
- das Gebot, eine Angelegenheit zur Vollziehung entweder den Gerichten oder
den VwBehörden zuzuweisen; es dürfen demnach auch nicht über ein und dieselbe Frage sowohl Gerichte als auch VwBehörden, sei es im gemeinsamen
Zusammenwirken, sei es im instanzenmäßig gegliederten Nacheinander, entscheiden. -> Zulässig ist aber eine sukzessive Zuständigkeit, die dann vorliegt
wenn nach der Entscheidung einer VwBehörde ein Gericht angerufen werden
kann und damit der Bescheid ex lege außer Kraft tritt. Das Gericht entscheidet
dann in der Sache neu und überprüft den Bescheid der VwBehörde somit nicht.
- Ferner darf zwischen Organen der Gerichtsbarkeit und jenen der Verwaltung
kein Weisungsverhältnis bestehen.
Ausnahmen: VwGH, VfGH
Aber Kumulation möglich -> Bsp. Hausbau (mehrere Bewilligungen erforderlich – zB.
Wasserrecht, Baurecht, Rodungsbewilligung etc…)
-> VW-Behörden geben O.K. -> Zivilrechtliches Urteil -> kein Bau! (da zB. das
Grundeigentum nicht geklärt ist)
5. Lesen Sie aufmerksam § 117 Abs 1 und 4 WRG. Um welche rechtliche
Konstruktion handelt es sich? Ist sie verfassungsrechtlich unbedenklich?
In dem § 117 geht es um das Verwaltungsverfahren im Wasserrecht.
Trennung von Justiz und Verwaltung (s. Bsp. 4)?
Verfassungsrechtlich in Ordnung, da eine „Sukzessive Kompetenz (Zuständigkeit)“
vorliegt -> häufig angewandt bei Entschädigungen -> der Bescheid der VW-Behörde
tritt außer Kraft und beiden Parteien stehen sekundäre Berufungsmöglichkeiten zur
Verfügung.
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6. In einem Bundesgesetz finden Sie die Wortfolge: „Näheres wird durch
Verordnung geregelt.“ Ist dies verfassungsrechtlich zulässig? Welche
weiteren Umstände könnten für die Antwort von Bedeutung sein?
Das Gesetz muss ausreichend bestimmt/formuliert sein.
 Konflikt mit dem Legalitätsprinzip! -> danach muss der Gesetzgeber das Verwaltungshandeln in einem solchen Maß determinieren, dass die wesentlichen
Voraussetzungen und Inhalte des behördlichen Handelns aus dem Gesetz ersichtlich sind, -> ob verfassungswidrig hängt vom jeweiligen staatlichen Prinzip ab.
=> Zulässigkeit? Kann so nicht beantwortet
werden, vermutlich aber eine formalgesetzliche
Delegation und daher verfassungswidrig
Weitere Umstände: „differenziertes Legalitätsprinzip“ -> Obwohl der VfGH lange Zeit von eher
strengen Anforderungen an die ausreichende Determinierung ausgegangen ist und zahllose Gesetze wegen einer Verletzung von Art. 18 B-VG aufgehoben wurden, hat er erkennen lassen, dass das
Legalitätsprinzip letztlich differenziert anzuwenden ist und die Frage nach der ausreichenden Bestimmtheit von verschiedenen variablen Umständen abhängt. (zB. bei Steuerrecht strenger anzuwenden als bei Wirtschaftsrecht)
7. Im Zuge einer VW-Reform ist beabsichtigt, die Bezirksgerichte und die
Bezirksverwaltungsbehörden durch einheitliche „Bezirksämter“ zu ersetzen. Diese sollen in Verwaltungsangelegenheiten an Weisungen gebunden sein. Der Instanzenzug soll ausschließlich an das Landesgericht gehen. Wie ist dieser Reformvorschlag verfassungsrechtlich zu bewerten?
Dieser Reformvorschlag bedarf voraussichtlich einer Gesamtänderung der Verfassung
-> Volksabstimmung, da ein Konflikt mit Art. 94 B-VG (Trennung von Justiz u. Verwaltung) vorliegt, daher nur durchsetzbar bei einer Gesamtänderung der Verfassung!
8. Charakterisieren Sie einen klassischen Bundesstaat.
Ein Bundesstaat charakterisiert sich durch den Zusammenschluss mehrerer Staaten
zu einem weiteren Staat. Die Besonderheit liegt darin, dass im Bundesstaat nicht
eine einheitliche Staatsgewalt besteht, sondern 2 Ebenen – somit auch 2 Staatsgewalten: die Ebene des Gesamt(Zentral)Staates („Bund“) und die Ebene der
Teil(Glied)Staaten!
Im Bundesstaat sind die Staatsfunktionen nach festen Regeln auf Zentralstaat und
Gliedstaaten aufgeteilt. Es bestehen 2 Arten von Rechtsordnungen: - die Bundesrechtsordnung und die – Landesrechtsordnung!
Bund & Länder verfügen über voneinander unabhängige Organisationsapparate!
Bsp. für Bundesstaat: Österreich, Deutschland, USA, Schweiz
Bsp. für Einheitsstaat: Frankreich, Italien
9. Wie unterscheidet sich die Kompetenzverteilung in der Gerichtsbarkeit
und Privatwirtschaftsverwaltung einerseits von der in der Gesetzgebung
und Hoheitsverwaltung andererseits?
Das B-VG verteilt zwischen Bund und Ländern Kompetenzen zur Gesetzgebung und
Kompetenzen zur Vollziehung.
Der Begriff Vollziehung erstreckt sich nur auf die Hoheitsverwaltung und nicht auf:
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1. Die Gerichtsbarkeit: ausschließlich Bundessache!!! Ansatz zu einer
Landesverwaltungsgerichtsbarkeit: seit 1988 Unabhängige Verwaltungssenate (UVS).
Ihr Ausbau zu einer echten Gerichtsbarkeit wird häufig gefordert
2. Privatwirtschaftsverwaltung: hier handeln die Verwaltungsorgane in einer
Rechtsform des Privatrechts. Tätigkeiten: typische Aufgaben des Staates -> Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, etc...
Diese privatrechtliche Verwaltung ist nicht an die Kompetenzverteilung gebunden! D.h.: Bund und Länder können auf allen Gebieten in privatrechtlicher Form
tätig werden, ohne durch die Kompetenzverteilung beschränkt zu sein.
Bsp.: Förderung von gewerblichen Betrieben durch die Länder, obwohl “Angelegenheiten des Gewerbes“ Bundessache sind;
Subventionierung von Krankenanstalten durch den Bund, obwohl Krankenanstalten
in die Landesvollziehung fallen; Betrieb von Bundessportheimen,...
� Die Verwaltungsorgane schließen privatwirtschaftliche Verträge ab (Werkvertrag,
Mietverträge,...). Bei Rechtsstreitigkeiten entscheiden ordentliche Gerichte auf
Grundlage des allgemeinen Zivilrechts.
10.
Erläutern Sie die Aussage „Die bundesstaatliche Kompetenzverteilung
beruht auf einer Generalklausel zugunsten der Bundesländer mit einer
enumerativen (abschließenden) Aufzählung von Bundeszuständigkeiten“
anhand der entsprechenden B-VG-Bestimmungen. Nennen Sie jeweils ein
Beispiel.
Angelegenheiten sollen im selbständigen Wirkungsbereich der Länder verbleiben,
soweit sie nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung od. Vollziehung des Bundes übertragen wurden. Ansonsten (beim Fehlen einer ausdrücklichen Zuweisung an den Bund) sind die Länder nach Art 15 B-VG zur Gesetzgebung
und Vollziehung zuständig.
-> nicht in der B-VG namentlich angeführte und dem Bund zugewiesene Angelegenheiten fallen daher auf Grund der Generalklausel in die Länderzuständigkeit!
Das B-VG kennt 4 Haupttypen:
Art. 10 B-VG - Gesetzgebung und Vollziehung: Bundessache (Bsp.: Forstwesen,
Wasserrecht)
Art 11 B-VG - Gesetzgebung: Bundessache; Vollziehung: Landessache (Bsp.
Staatsbürgerschaft, Straßenpolizei)
Art 12 B-VG - Grundsatzgesetzgebung: Bundessache; Ausführungsgesetzgebung
und Vollziehung: Landessache (Bsp.: Sozialhilfe, Jugendfürsorge)
Art 15 B-VG - Gesetzgebung und Vollziehung: Landessache (Bauwesen, Naturschutz)
11.
Welche Fälle der Kompetenzverteilung gibt es daneben noch? Wo liegt
der Unterschied zu den Haupttypen?
Neben obigen Haupttypen gibt es folgende wichtige Sonderfälle:
- Landeszuständigkeit in Straf- und Zivilrechtssachen: grundsätzlich Bundessache in Gesetzgebung & Vollziehung – wenn es allerdings für die Regelung einer landesrechtl. Vollziehung erforderlich ist, dürfen die Länder auch einzelne gesetzliche
Bestimmungen erlassen (Art. 15 Abs. 9 B-VG). Diese Ermächtigung wird, nach ihrem
Erfinder, „Lex Starzynski“ bezeichnet.
- Bedarfsgesetzgebung: man spricht davon, wenn eine einheitliche bundesrechtl.
Regelungen dann erlassen werden darf, wenn der Bundesgesetzgeber ein Bedürfnis
(Bedarf) nach dem Erlass einer solchen einheitlichen Regelung für gegeben ansieht.
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zB. Verwaltungsverfahrensgesetze (Art. 11 Abs. 2 B-VG), Kriegsfolgentatbestand
(Art. 10 Abs. 1 Z 15 B-VG)
- Querschnittsmaterien (Weder-Noch-Materien): Mitunter wird ein bestimmter
Lebenssachverhalt von mehreren Kompetenztatbeständen abgedeckt, die sich dem
Gegenstand unter versch. Gesichtspunkten zuwenden. In einem solchen Fall gibt es
daher keine einheitliche Regelungszuständigkeit, folglich sind weder der Bund (allein)
noch die Länder (alleine) zuständig.
zB. RaumO, Umweltschutz
- Annexmaterien: darunter versteht man Nebenmaterien, die keine eigene Kompetenzgrundlage haben, sondern vom Kompetenztatbestand der jeweiligen Hauptmaterie miterfasst sind. Zuständigkeit ergibt sich aus der Hauptmaterie.
zB. Verwaltungspolizei, Enteignungen
Weitere Sonderfälle sind zB.
- Paktierte Gesetzgebung: gemeinsame Zuständigkeit -> Volksbildungswesen
- Gesetzgebung Landessache, Vollziehung Bundessache: Vollziehung des Baurechts
betreffend bundeseigene Gebäude, die öffentlichen Zwecken dienen;
- Delegierte Gesetzgebung: Bundesgesetzgeber darf in einzelnen Materien die
Landesgesetzgebung ermächtigen Gesetze zu erlassen
- Devolution: Zuständigkeit zur Gesetzgebung und / oder Vollziehung geht vom Land auf den Bund
über
- Konkurrierende Gesetzgebung: Normalerweise dürfte es so etwas gar nicht geben
-> Grundsatz der strikten Kompetenztrennung. Bsp.: Zuständigkeit Bund + Länder zum
Abschluß von Staatsverträgen
12. Welche Elemente der Kompetenzverteilung bewirken das starke Übergewicht des Bundes über die Länder?
Schwergewichtige Materien unterliegen dem Bund! (Vor allem Art. 10 B-VG
Materien)
zB.
- Ausführungsgesetze zum B-VG
- Abschluß von Staatsverträgen
- Monopolwesen
- Zivilrechtswesen u. Strafrechtswesen
- Wasserrecht
- Gewerberecht
- Gesundheitswesen
- Bundesfinanzen
- Verkehrswesen
13.
Wenn der Bund und die Länder die Kompetenz zur Regelung derselben
Materie beanspruchen: Wie wird ein solcher Kompetenzkonflikt im Auslegungsweg gelöst?
Überblick:
Kompetenzkonfliktlösung
• Versteinerungstheorie
(Inhalt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens)
• intrasystematische Fortentwicklung
• Gesichtspunktetheorie
(verschiedene Aspekte eines Sachverhalts)
• Berücksichtigungsgebot
(keine unsachliche Beeinträchtigung der
anderen Gebietskörperschaft)
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Die wichtigste Methode ist die Versteinerungstheorie, sie ist in erster Linie heranzuziehen, wenn es darum geht die Reichweite eines bestimmten Kompetenztatbestands abzugrenzen. -> den enthaltenen Begriffen kommt jene Bedeutung zu, die sie
nach dem Stand und der Systematik der einfachgesetzlichen Rechtsordnung
zum Zeitpunkt ihres In-Kraft-Tretens hatten. (1925) -> „Versteinerungszeitpunkt“
Die intrasystematische Fortentwicklung hat der VfGH iVm der Versteinerungstheorie für neue Regelungen, die keine historischen Vorgängerbestimmungen haben,
hervorgebracht. Demnach sind solche neuen Regelungen zulässig, sofern sie nur
nach ihrem Inhalt systematisch dem Kompetenzgrund angehören.
(zB. ergbit sich aus der intrasystematischen Fortentwicklung, dass der Bundesgesetzgeber Regelungen für Discotheken, die es 1925 noch nicht gab, erlassen darf, da
sie Angelegenheiten des Gewerbes sind)
Gesichtspunktetheorie:
Der Grundsatz der Kompetenztrennung schließt nicht aus, dass Bund und Land denselben Sachverhalt unter verschiedenen Gesichtspunkten regeln.
Bsp.: den Betrieb eines Campingplatzes kann man unter dem Gesichtspunkt des Gewerbes und des Naturschutzes sehen; eine Fabrik kann man unter dem Gesichtspunkt des
Gewerbes (Bundessache) und des Baurechts (Landessache) sehen;...
-> Wer jetzt z.B. ein Bauwerk zu gewerblichen Zwecken errichten oder umgestalten will,
braucht:
- baubehördliche Bewilligung
- gewerbebehördliche Bewilligung
- möglicherweise: naturschutzrechtliche, wasserrechtliche,... Bewilligung
-> Kumulation von Regelungen (daher auch: Kumulationsprinzip).
Welche Gesichtspunkte einer bestimmten Kompetenz zuzuordnen sind, ist mit Hilfe
der Versteinerungstheorie zu ermitteln. Das Kumulationsprinzip kann aber nur zur
Anwendung kommen, wenn der Inhalt eines Kompetenztatbestandes die Materie
nicht nach allen Richtungen erfasst.
Bsp.: Bei der Errichtung von wasserbaulichen Anlagen, die der unmittelbaren Wassernutzung dienen, ist der Aspekt der bautechn. Sicherheit von der Wasserrechtskompetenz d.
Bundes mitumfasst. Dieses Ergebnis erzielt man durch Anwendung der Versteinerungstheorie -> die BauO der Länder dürfen daher solche Anlagen nicht ihrem Geltungsbereich
unterwerfen.
Berücksichtigungsprinzip:
Die Gesichtspunktetheorie bringt es mit sich, dass sowohl der Bundes- als auch der
Landesgesetzgeber denselben Sachverhalt regeln dürfen. Das könnte im Ergebnis zu
Konfliktfällen führen, wenn beide grundsätzlich Widersprechendes anordnen. Um solche Widersprüche zu vermeiden, findet man eine verfassungsrechtliche Schranke in
Form des Berücksichtigungsgebots: ein Kompetenzträger soll stets auch die Interessen und Ziele des anderen Kompetenzträgers mitberücksichtigen. Werden die Regelungen einer anderen Gebietskörperschaft durch eigene Bestimmungen unwirksam
gemacht, so ist die betreffende Bestimmung wegen Widerspruches verfassungswidrig.
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14.
Darf der Bundesgesetzgeber a) im ForstG Regelungen über Waldbrände b) in der Gewerbeordnung Vorschriften über Diskotheken treffen? Lesen
Sie VfSlg 10.050/1984 zum Automatenverbot und versuchen Sie zu erläutern, wie der VfGH in solchen Fällen vorgeht.
VfSlg 10.050/1984 -> Bundesgesetzgeber wollte an bestimmten Orten ein Automatenverbot erlassen! (zum Schutz unmündiger Minderjähriger)
Auslegung: Versteinerungstheorie -> GewO v. 1925? Vergleichbare Beschränkungen
der gewerblichen Tätigkeit zum Versteinerungszeitpunkt? –> gab es! (zB. Verabreichung geistiger Getränke an Jugendliche in Schankstätten …)
 Bund darf solche Regelungen erlassen!
a) ForstG: Bund
WaldG: Land
Auslegung: Versteinerungstheorie -> Zuständigkeit für Waldbrände?
 zu bejahen!
b) Diskotheken? -> intrasystematische Fortentwicklung
Prüfung ergibt: Disco’s unterliegen GewO
15.
Was versteht man unter dem „kooperativen Bundesstaat“ und welche
rechtlichen bzw. außerrechtlichen Instrumente bestehen diesbezüglich?
Kooperativer Bundesstaat bzw. Föderalismus: darunter versteht man, dass im modernen Bundesstaat Bund und Länder ihre Staatsaufgaben nicht getrennt, sondern
gemeinsam und in gegenseitiger Absprache erfüllen sollen.
Wichtige Instrumente interföderaler Zusammenarbeit sind Vereinbarungen zw. Bund
& Ländern sowie im Verhältnis der Länder untereinander, sowie gemeinsame Organisationen (zB. LH-Konferenz, Verbindungsstelle der Bundesländer)
16.
Der Salzburger Landtag novelliert sein NSchG und verbietet das
Überfliegen der Kernzone des Nationalparks Hohe Tauern in einer Höhe unter 3000 m. Die Freizeitpiloten sind verärgert und betonen, dass
es wegen der Luftfahrtkompetenz des Bundes dem Land verwehrt sei,
eine solche Flugbeschränkung zu erlassen. Wie beurteilen Sie die
kompetenzrechtliche Situation?
Überflugverbote können unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes (Art 15 Abs. 1
B-VG) geregelt werden und fallen in die Kompetenz der Länder. Überflugverbote
können aber auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit des Luftverkehrs (Art. 10
Abs. 1 Z 9 B-VG) geregelt werden und fallen insoweit in die Zuständigkeit des Bundes.
LAND: Zuständig für Naturschutz (eventuell NationalParkG)
BUND: Zuständig für Luftfahrtwesen
Auslegung:
(Versteinerungstheorie für Bundeskompetenzen) -> nicht anwendbar!
Gesichtspunktetheorie:
Land nur bei naturschutzrechtlichen Aspekten?
Berücksichtigungsprinzip:
(Berücksichtigungsbefugnis, -gebot)
Auswirkungen auf
Luftfahrtkompetenz beurteilen
– Minimal
 Daher Zulässig
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17.
Beurteilen Sie unter Zuhilfenahme von VfSlg 11.859/1988 die
Verfassungsmäßigkeit der folgenden Baurechtsbestimmung:
§ 23. (1) Bauwerke müssen nach ihrer Beschaffenheit, ihrer Ausführung und den verwendeten
Baumaterialien sachgerecht ausgeführt werden. Insbesondere müssen Bauwerke den Anforderungen der Hygiene, der Bausicherheit, des Nachbarschutzes und der Feuerbeständigkeit Rechnung
tragen.
(2) Nähere Ausführungen an Bauwerke unter Bedachtnahme auf die in Absatz 1 genannten Erfordernisse erlässt die Landesregierung durch Verordnung.“
VfSlg: wage Regelungen -> unbestimmte Rechtsbegriffe! (Konflikt mit Legalitätsprinzip)
§ 23 (1) enthält wage Regelungen wie im VfSlg 11.859/1988 -> daher verfassungswidrig -> Aufhebung d. Gesetzes
V. GESETZGEBUNG DES BUNDES & DER LÄNDER:
1. Was sind Gesetze im formellen bzw im materiellen Sinn?
Gesetze im formellen Sinn:
Darunter versteht man jede auf dem verfassungsrechtl. vorgezeichneten Weg der
Gesetzgebung erzeugte und förmlich als Gesetz kundgemachte Rechtsnorm. Dies ist
die eigentliche Rechtsquelle. Gesetze im formellen Sinn sind üblicherweise auch G.
im materiellen Sinn. (es gibt auch Gesetze im nur formellen Sinn, die keine für den
Bürger verbindlichen Anordnungen enthalten -> zB. BundesfinanzG „Budget“)
Gesetze im materiellen Sinn:
Darunter versteht man jede generell-abstrakte Rechtsnorm, mit der Rechte od.
Pflichten von Bürgern festgelegt werden, und zwar unabhängig von der Rechtsform.
Es handelt sich um einen Sammelbegriff. G. im materiellen Sinn sind nicht nur formelle Gesetze, sondern etwa auch Verfassungsgesetze, VO, Staatsverträge.
2. § 129 Abs 1 der am 4.8.1992 kundgemachten NRWO bestimmt: „Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Mai 1993 in Kraft“. Was wurde vom Gesetzgeber hier verfügt?
Bundesgesetze treten grundsätzlich mit Ablauf des Kundmachungstages in Kraft. Der
Gesetzgeber kann aber ein späteres Inkrafttreten festsetzen; sog Legisvakanz /
vacatio legis. -> dient dazu, den Normunterworfenen Gelegenheit zu geben sich auf
das Gesetz einzustellen bzw. den Durchführungsmaßnahmen der Vollziehung Zeit für
die Vorbereitung zu geben.
Außerdem können Gesetze auch rückwirkend gelten (evtl. Rückwirkungsverbot)!
3. Wie lange gilt ein Gesetz?
Grundsatz: unbeschränkt
Ausnahmen:
- Aufhebung d. VfGH
- Gesetzgeber
- Novellierung eines Gesetzes (formell: wird in das G. geschrieben)
(materiell: G. wird nicht wörtl. aufgehoben)
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4. Welche Volksvertretungen sieht die Bundesverfassung vor? Warum ist
der Gemeinderat kein „Parlament“ im herkömmlichen Sinn?
Das B-VG sieht allgemeine Vertretungskörper in allen Gebietskörperschaften vor:
- Nationalrat: gesetzgebende Körperschaft -> Parlament im echten Sinn
- Landtag: gesetzgebende Körperschaft -> Parlament im echten Sinn
- Gemeinderat: nur Verwaltungsorgan (kein Parlament)
-> wird gerne als Gemeindeparlament bezeichnet, was irreführend ist, weil er kein
Gesetzgebungsorgan, sondern ein VwOrgan ist. Von ihm gefasste, allgemeine Beschlüsse (mit Bindungswirkung) sind RechtsVO, keine Gesetze im formellen Sinn.
5. Was regelt die NRWO?
Die NRWO regelt die Zahl der zu vergebenden Nationalratsmandate (Zahl der Abgeordneten), legt die genauere räumliche Gliederung des Bundesgebiets für die Zwecke
der Wahl, die Org. der Wahlbehörden und die Einzelheiten über die Durchführung der
Wahl und das Ermittlungsverfahren fest.
Verteilung der Mandate auf die Wahlkreise
Mitglieder des NR = 183. Bundesgebiet wird in 9 Landeswahlkreise geteilt. Die
Landeswahlkreise werden in Regionalwahlkreise geteilt. In Summe: 43 Regionalwahlkreise.
6. a) Welche Wahlrechtsgrundsätze kennen Sie? b) Welche rechtlichen
Konsequenzen hätte eine Bestimmung in der NRWO, die den Ausschluss von Personen mit einem Nettomonatsgehalt von unter €
1.000,-- vom Wahlrecht zum NR vorsieht? c) Was versteht man unter
dem Grundsatz der Homogenität der Wahlrechtsgrundsätze?
a) B-VG normiert Grundsätze des Wahlrechts. Gelten gleichermaßen für: NR, Landtage und Gemeinderäte.
1. Allgemeines Wahlrecht
Alle Staatsbürger, die ein bestimmtes Mindestalter erreicht haben sind wahlberechtigt. Außer: Entmündigte und gerichtlich Verurteilte.
Aktiv wahlberechtigt zum NR: alle Staatsbürger, die vor dem 1. Jänner der Wahl 18.
Geburtstag hatten.
Passiv wahlberechtigt zum NR: alle Staatsbürger, die vor dem 1. Jänner der Wahl 19.
Geburtstag hatten.
Die Landtagswahlordnungen und die Wahlordnungen zum Gemeinderat dürfen keine
engeren Bedingungen einführen als die Bundesverfassung für Wahlen zum NR.
2. Gleiches Wahlrecht
Jeder Wähler hat eine Stimme und diese hat dasselbe Gewicht.
3. Unmittelbares Wahlrecht
= Direktes Wahlrecht -> Ausschluß eines Wahlmännersystems. Der Wähler wählt
selbst und muss die Person selbst bezeichnen, die er wählen will. (durch Ankreuzen
der Partei bzw. Vorzugsstimmen Vergabe)
4. Persönliches Wahlrecht
Persönliche Stimmabgabe -> physische Anwesenheit - keine Wahl durch Stellvertreter. (Briefwahl unzulässig – Ausnahme: Stimmabgabe im Ausland)
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5. Geheimes Wahlrecht
Stimme wird nicht offen, mündlich zu Protokoll gegeben, sondern schriftlich -> man
soll nicht feststellen können, wie der Wähler gewählt hat. (zB. Stimmabgabe in einer
Wahlzelle, Verwendung undurchsichtigen Wahlkuverts)
6. Freies Wahlrecht
Dieser Grundsatz umfaßt:
- Die Freiheit der Wahlwerbung
Wahlparteien und Wahlwerber dürfen in ihrer wahlwerbenden Tätigkeit nicht undemokratisch beschränkt werden (keine Begünstigungen bei finanziellen Unterstützungen der öffentlichen Hand)
- Die Freiheit der Abstimmung
Wähler darf in der Freiheit seiner Wahl weder in rechtlicher noch faktischer (tatsächlicher) Hinsicht beeinträchtigt werden. -> das Abstimmungsverfahren muss entsprechend organisiert sein.
b) Prinzip d. allgemeinen Wahlrechts bzw. des Gleichheitssatzes (s. Grundrechte)
missachtet -> eine solche Bestimmung wäre verfassungswidrig!
c) Homogenität der Wahlrechtsgrundsätze:
bedeutet dass die in Art. 26 Abs. 1 B-VG angeführten Wahlrechtsgrundsätze kraft
ausdrücklicher Anordnung auch für die anderen Wahlen zu allgemeinen Vertretungskörpern (Landtag u. Gemeinderat Wahlen) gelten!
7. Lesen Sie § 60 Abs 1 NRWO und VfSlg 10412/1985. Warum musste
diese Norm durch eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung abgesichert werden?
„Wähler, die sich voraussichtlich am Wahltag im Ausland aufhalten werden, können dort ihr Wahlrecht, wenn sie im Besitz einer Wahlkarte sind, in der Form ausüben, daß sie die Wahlkarte unter
Beachtung der Bestimmungen der Abs 2 bis 6 rechtzeitig an die zuständige Landeswahlbehörde,
deren Anschrift auf der Wahlkarte angegeben ist, übermitteln.“
Eigentlich Verfassungswidrig, da Grundsatz des Persönlichen u. Geheimen Wahlrechts missachtet wird -> daher als Verfassungsbestimmung erhoben, um die Briefwahl bei Aufenthalt im Ausland abzusichern!
8. Stellen Sie Proportional- und Mehrheitswahlrecht gegenüber. Welche
Instrumente verhindern eine Aufsplitterung des Parlaments in Kleinparteien?
Proportionalwahl:
die Mandate werden auf die wahlwerbenden Parteien entsprechend der abgegebenen
Stimmen aufgeteilt.
Mehrheitswahlrecht: es zählt nur die Mehrheit der abgegebenen Stimmen in den
einzelnen Wahlkreisen -> GB.
Problem: wie soll man die Stimmen auf 183 (fix) Mandate gleichmäßig aufteilen?
Zwei Systeme in Österreich wichtig (international: 200 mathematische Verfahren):
Hare´sches System
Alle Stimmen / 183 = Wahlzahl; Wie oft paßt die Wahlzahl in die Stimmen für SPÖ?
Bsp.: 5 Mio. Stimmen / 183 = 27.322,4043; Stimmen SPÖ (1.900.000) / Wahlzahl =
69,54 Mandate.
Problem: Restmandate, Reststimmen.
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D´Hondt´schen Verfahren
Wahlzahl ist bei drei zu vergebenden Mandaten die drittgrößte Zahl; bei vier zu vergebenden Mandaten die viertgrößte Zahl;...
Vorteil: keine Restmandate; aber: vielleicht haben mehrere Parteien Anspruch auf
das letzte Mandat
Nachteil: Begünstigung gegenüber kleineren Parteien.
Das B-VG fordert kein reines Verhältniswahlsystem, sondern spricht von den
Grundsätzen der Verhältniswahl. Es sieht selbst Modifikationen vor:
1. Bürgerwahlprinzip
Mandate werden auf die Wahlkreise aufgeteilt und zwar im Verhältnis der Anzahl der
Staatsbürger und nicht: Wahlberechtigte -> Wahlkreise mit vielen Kindern werden
begünstigt.
2. Einteilung in Wahlkreise
Für NR-Wahlen und Landtagswahlen muss man das Land in Wahlkreise teilen.
-> Es wird die Verhältnismäßigkeit automatisch abgeschwächt -> je kleiner die
Wahlkreise, desto mehr.
9. Ist das sog. „Bürgerzahlprinzip“ mit dem GS der Wahlgleichheit vereinbar?
Ja, das Prinzip der Wahlgleichheit bezieht sich nach der Rspr auf den gleichen Zählwert abgegebener Stimmen entsprechend dem Grundsatz „ein Wähler – eine Stimme“; gewisse durch die Wahlarithmetik bedingte Ungleichheiten sind damit zwangsläufig verbunden u. hinzunehmen. Dadurch kann einem Bundesland mit einer relativ
„jungen“ Bevölkerung ein Mandat wegen des Bürgerwahlprinzips verhältnismäßig
leichter zu erlangen sein und damit eine abgegebene Stimme „mehr wiegen“ als in
einem anderen Bundesland.
10.
Wie kann überprüft werden, ob eine NR-Wahl korrekt abgelaufen ist?
Durch den VfGH. Aktives und passives Wahlrecht sind verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte! (Art. 141 B-VG)
11.
Nennen Sie kurz die Besonderheiten der Rechtsstellung von NRAbgeordneten und beurteilen Sie folgende Fallkonstellation: Bei einer
Wahlveranstaltung bezeichnet ein Abgeordneter die Spitzenfunktionäre einer anderen Partei als „Idiotenpartie“. Die Staatsanwaltschaft
möchte Klage wegen übler Nachrede erheben (§ 111 StGB). Braucht
sie für die strafrechtliche Verfolgung des Abgeordneten die Zustimmung des NR?
Besonderheiten:
Mitgliedschaft beginnt mit dem Zusammentritt des neugewählten NR.
Mitgliedschaft endet in den folgenden Fällen:
- Auflösung des NR (Zeitablauf oder Beschluß des NR);
- Auflösung durch den BPräs: Mitgliedschaft ist sofort weg
- VfGH erklärt die Ungültigkeit einer Wahl: jene verlieren ihr Mandat, deren Wahl als
nichtig erklärt wird.
- Der VfGH erklärt den Mandatsverlust: der Abgeordnete leistet die Angelobung nicht
ordnungsgemäß; der Abgeordnete bleibt den Sitzungen 30 Tag fern und hat keinen triftigen Grund (auf Antrag des NR)
- freiwilliger Verzicht
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Berufliche Immunität bedeutet, dass Abgeordnete
- wegen Abstimmungen in ihrem Vertretungskörper niemals,
- wegen der in ihrem Beruf gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen nur von
ihrem Vertretungskörper („Ruf zur Sache“ oder „Ruf zur Ordnung“)
zur Verantwortung gezogen werden dürfen.
Ausnahme: Äußerungen auf einer Pressekonferenz, auch wenn diese in einem Parlamentsgebäude stattfindet.
Unser Fall: eine straf- oder zivilrechtliche Haftung für Äußerungen im Parlament,
etwa für beleidigende oder kreditschädigende Behauptungen während einer Plenardiskussion darf es nicht geben. -> kann nur vom NR verantwortlich gemacht werden!
12.
Was versteht man unter einem „Mandat auf Zeit“?
In den 70ern hat es sich eingebürgert, dass Mitglieder des NR oder BR auf ihr Mandat verzichten, wenn sie ein Regierungsamt übernehmen (BM oder Staatssekretär).
Ist das Regierungsamt vorbei, können sie aber wieder ihr Mandat ausüben. Der Ersatzmann (Abgeordnete), der das Mandat auf Zeit innehatte, scheidet aus dem NR
oder BR aus.
13.
Kann sich der Nationalrat durch Beschluss selbst auflösen?
Nein, NR kann seine Auflösung nur in Form eines einfachen Bundesgesetzes beschließen. BR hat kein Einspruchsrecht. Aber: Gesetzgebungsperiode dauert solange,
bis der neue NR zusammentritt.
14.
Beurteilen Sie die politische Bedeutung des Bundesrates.
Bundesrat vertritt die Landesvertreter, hat Einspruchrecht/Vetorecht. Poltische Bedeutung eher gering, weil BR überstimmt werden kann und seine Zusammensetzung ist ähnlich wie NR! (gleiche polit. Vertreter) (-> kein Gegenpol)
15.
Was ist der Unterschied zwischen „Beurkundung“ und „Kundmachung“?
Beurkundung:
Der BPräs hat das verfassungsgemäße Zustandekommen eines Bundesgesetzes
durch seine Unterschrift zu beurkunden. In der Praxis wurde die Beurkundung noch
nie verweigert.
Bundeskanzler legt die Vorlage dem BPräs zur Unterschrift vor und muss dann auch
gegenzeichnen. Kann der BPräs die Unterschrift verweigern?
- BPräs kann die Einhaltung formaler Regeln prüfen
- bei schwerwiegenden Verfassungsverletzungen, die das Funktionieren des parlamentarischen Systems gefährden -> Beurkundung verweigern.
Kundmachung:
Bundesgesetze sind vom Bundeskanzler unverzüglich im Bundesgesetzblatt
kundzumachen. Eine nicht kundgemachte Regelung ist kein Gesetz! Nicht gehörig
kundgemachte Gesetze, Verordnungen und Staatsverträge sind von den Gerichten
und den UVS nicht anzuwenden (-> absolut nichtig).
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Was versteht man unter „direkter Demokratie“?
Darunter versteht man politische Entscheidungsverfahren mit starker Beteiligung der
Bevölkerung.
Drei Formen der direkten Demokratie nach B-VG:
1. Volksbegehren, 2. Volksabstimmung, 3. Volksbefragung
Kommt eher selten vor – nur vereinzelte Elemente! (Grund: repräsentative Demokratie)
All diese Formen sind aber auf eine Mitwirkung an der (Bundes-)Gesetzgebung
beschränkt -> NR bleibt eine starke Position.
1. Volksbegehren: 100.000 Stimmberechtigte oder je ein Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder können mittels eines Volksbegehrens im NR einen Gesetzesvorschlag einbringen. Der NR muss diesen aber nicht als Gesetz beschließen.
2. Volksabstimmung: eine solche kann über einen Gesetzesbeschluss d. NR stattfinden, sie ist allerdings nur in einem Fall obligatorisch -> Gesamtänderung der
Bundesverfassung! Ansonsten findet sie nur statt, wenn es der NR bzw. der BR
beschließt.
3. Volksbefragung: diese kann, wenn es der NR beschließt, vor Einleitung eines
Gesetzgebungsverfahrens stattfinden. Gegenstand darf nur eine Angelegenheit
sein, die von grundsätzlicher und gesamtösterr. Bedeutung ist. Das Ergebnis ist
den NR u. der BReg. Vorzulegen, doch ist es rechtlich nicht verbindlich.
Stärker ausgebaute Elemente der direkten Demokratie finden sich in einigen Landesverfassungen.
17.
In der Zeitung lesen Sie: „Ministerrat beschließt Gesetz zur
Pensionsharmonisierung“. Erklären Sie, welcher Vorgang hier gemeint ist.
In Österreich gibt es keinen „Ministerrat“, gemeint ist die Bundesregierung (Zusammenkunft aller Bundesminister), da sie kein gesetzgebendes Organ ist kann
sie kein Gesetz im formellen Sinn erlassen (hier auch keine Verordnung, Gesetz
im materiellen Sinn, gemeint)! Der Beschluss ist eine Regierungsvorlage, die
dem NR zuzuleiten ist!
18.
Der NR beschließt ein Gesetz und übermittelt diesen Beschluss an den BR. Dieser kann sich weder auf einen Einspruch einigen, noch darauf, keinen Einspruch zu erheben. Wie geht das Gesetzgebungsverfahren weiter?
Art 42 Abs 2 B-VG: ... keinen mit Gründen versehenen Einspruch erhebt.
Art 42 Abs 4 B-VG: Beschließt der Bundesrat, keinen Einspruch zu erheben oder wird
innerhalb von 8 Wochen kein mit Begründung versehener Einspruch erhoben, ...
-> kein Beschluss = ungenutztes Verstreichen lassen der Einspruchsfrist
=> Rechtsfolge: Beurkundung und Kundmachung nach Fristablauf
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19.
Ein österreichischer Landtag beschließt eine Novelle zum LVG, nach der dem LT eine zweite Kammer nach Vorbild des BR zur
Seite gestellt wird. Diese „Ständekammer“ wird von Berufs- und
anderen Interessensvertretungen beschickt und kann gegenüber
dem LT ein suspensives Vetorecht ausüben. Beurteilen Sie die Verfassungsmäßigkeit dieser Novelle.
Art. 95 Abs. 1 B-VG – relative Verfassungsautonomie der Länder: Länder dürfen
keine Gesetze beschließen, die im Widerspruch zur Bundesverfassung stehen!
(Trifft hier zu)
20.
Ein weiterer Landtag ist mit dem teilweisen Fehlen bundesgesetzlicher Regelungen für die landwirtschaftlichen Nebengewerbe unzufrieden, weshalb er eine „Landwirtschaftsgewerbeordnung“, die für diese Nebengewerbe Ausübungs- und anlagenrechtliche Vorschriften vorsieht, beschließt. Welche Möglichkeiten hat
die BReg, um diese „Kompetenzanmaßung“ abzuwehren?
BReg.:
Gesetzesprüfung (Art. 140 B-VG) veranlassen -> wenn verfassungswidrig ->
Klage beim VfGH -> Aufhebung d. Gesetzes!
Wie hätte das Land im Vorfeld die Kompetenzlage abklären können?
Mittels Kompetenzfeststellungserkenntnis (Art 138 Abs 2 B-VG) d. VfGH hätte
vorab die Richtigkeit d. Gesetzes überprüft werden können!
VI. VERWALTUNG ALLGEMEIN:
1. Definieren Sie folgende Begriffe und führen Sie jeweils mindestens 2 Beispiele an: a) Rechtsträger b) Behörde
c) Dienststelle
d) Organ
e) Organwalter
f) monokratisches Organ
g) Kollegialorgan
a) Rechtsträger: jur. Person öffentlichen Rechts mit Hoheitskompetenz
b) Behörde: besondere Dienststelle zur Setzung hoheitlicher Akte (Bescheid, VO,…)!
Bsp.: BH, BM
c) Dienststelle: org. Einheit (zB. auch Amt, Hilfsapparat) – Bsp. BM, Amt d. LReg
d) Organ: handeln f. jur. Personen, die es selbst nicht können
e) Organwalter: in seinem Namen wird für das Organ gehandelt.
f) monokratisches Organ: wenn nur ein einziger Organwalter berufen ist
g) Kollegialorgan: durch mehrere gleichberechtigte Organwalter berufen
2. Erklären Sie kurz die wesentlichen Merkmale der Bundes-, Landes- und
Gemeindeverwaltung
Bundesverwaltung: Organe: BR, BM
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Die unmittelbare Bundesverwaltung
Die Besorgung der Verwaltungsgeschäfte des Bundes (unterhalb der Ebene des BM)
in unmittelbarer Vollziehung ist die Ausnahme! D.h.: die Vollziehung des Bundes üben der LH und die ihm unterstellten Landesbehörden aus -> mittelbare Bundesverwaltung.
Die mittelbare Bundesverwaltung
In der Regel erfolgt die Verwaltung des Bundes in den Ländern durch den LH und den
ihm unterstellten Landesbehörden (Bezirkshauptmannschaften + Behörden der Statutarstädte). Aber auch die Gemeinden können (in ihrem übertragenen Wirkungsbereich) dem LH für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung unterstellt werden.
Nur der LH ist an die Weisungen der BReg sowie einzelner BM gebunden und verpflichtet. D.h.: kein Weisungsdurchgriff an z.B. die Mitglieder der LReg. Er trägt die
Verantwortung für die Verwirklichung – sonst: Staatsanklage (Fall Haslauer). Praxis:
es kommt selten zu Weisungen
Landesverwaltung: Organe: LR, LReg, Amt d. LReg., BezVwBeh.
Gemeindeverwaltung: ist eine Selbstverwaltung – Träger sind die Gemeinden u.
Gemeindeverbände!
3. Unterscheiden Sie die Privatwirtschaftsverwaltung von der Hoheitsverwaltung.
Kurz:
Hoheitsverwaltung: Einsatz hoheitlicher Befehls- & Zwangsgewalt
Privatwirtschaftsverwaltung: Hilfe mit Rechtssatzformen d. Privatrechts!
Rechtliche Folgen: Rechtsschutz & Legalitätsprinzip nur bei HoheitsVw.!
Die staatliche Verwaltung kann sowohl im Wege der Hoheitsverwaltung als auch in
Form der Privatwirtschaftsverwaltung erfolgen. (Geht das bei der Gesetzgebung und
Gerichtsbarkeit auch: nein -> zur Gänze hoheitliche Funktionen.)
Wie kann man erkennen, ob es sich nun um privatwirtschaftliches oder hoheitliches
Handeln handelt: man muss sich die Form des Handelns genau anschauen.
Ausführlich:
Privatwirtschaftsverwaltung:
Hier wird der Staat als Privatperson tätig. Der Staat agiert hier (rechtlich gesehen)
auf einer Stufe mit dem Bürger. D.h.: er bedient sich all jener Rechtsformen, die
auch ein Privater verwenden kann:
- privatrechtliche Verträge: z.B.: Kauf einer Liegenschaft für die Einrichtung eines
Amtsgebäudes
- Handlungen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts: z.B.: Ansuchen um eine
Baubewilligung für die Einrichtung eines Amtsgebäudes
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Wer sagt nun, ob es sich um eine P- oder H-Verwaltung handelt: der Gesetzgeber
(verfassungsrechtlich weithin ungebunden!). Wenn man sich die Tätigkeiten anschaut, die der Staat im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung durchführt, kann
man folgende Einteilung treffen:
- administrative Hilfstätigkeit: Sach- und Personalbedarf, Verwaltung des Finanzvermögens
- Lenkungsverwaltung: z.B.: Subventionen durch zinslose Darlehen, Vergabe öffentlicher Aufträge
- Leistungsverwaltung: z.B.: öffentliche Bäder, Museen, ...
Beispiel für Privatwirtschaftsverwaltung: Vergabe von Förderungsstipendien: formlose Zuerkennung durch das zuständige universitäre Organ: Der einzelne Studierende hat
keinen Rechtsanspruch auf Zuerkennung eines Förderungsstipendiums.
Hoheitsverwaltung:
Der Staat tritt bei der Verwaltung mit “imperium” auf; d.h.: er bedient sich hoheitlicher Formen der Vollziehung: Verordnung, Bescheid, AuvBZ, öffentlich-rechtliche
Beurkundung. Imperium kann nur von Behörden ausgeübt werden.
Wenn man die Hoheitsverwaltung von der Privatwirtschaftsverwaltung abgrenzt, darf
man die schlichte Hoheitsverwaltung nicht vergessen: = hoheitliches Handeln
geringerer Intensität -> die Verwaltungsorgane werden nicht in den Rechtsformen
des hoheitlichen Handelns tätig, obwohl sie mit „imperium“ ausgestattet sind
(-> kein normatives Verwaltungshandeln).
Beispiel für hoheitliches Handeln: Vergabe einer Studienbeihilfe durch Bescheid der
zuständigen Studienbeihilfenbehörde. Der Studierende hat bei Erfüllung der gesetzlichen
Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Studienbeihilfe.
Beispiel für schlichte Hoheitsverwaltung: Der Arbeitsinspektor „geht und schaut“ nur,
wenn er eine Betriebsbesichtigung durchführt. Oder: Streifen- und Überwachungsdienst
bei den Exekutivorganen.
Abgrenzung von Hoheits- und Privatwirtschaftsverwaltung
Privatwirtschaftsverwaltung
Hoheitsverwaltung
Amtshaftung
Amtshaftung
Legalitätsprinzip gilt nicht
Legalitätsprinzip gilt
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte
Zuständigkeit von Verwaltungsbehörden,
UVS, VwGH und VfGH
Grundsatz der formalen Wahrheit
Ausnahme von der Kompetenzverteilung
Rechtsvorschriften kommen aus dem
Privatrecht
Grundsatz der materiellen Wahrheit
Kompetenzverteilung
Rechtsvorschriften kommen aus dem öffentlichen Recht
4. Welche Grundsätze gelten laut Bundesverfassung für die Verwaltung?
- Legalitätsprinzip
Nach Art 18 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der
Gesetze ausgeübt werden. Man erkennt die Bedeutung für das rechtsstaatliche
Grundprinzip der österreichischen Bundesverfassung!
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- Weisungsbindung
Nach Art 20 Abs 1 B-VG wird die Verwaltung durch weisungsgebundene Organe
geführt (außer: verfassungsgesetzlich anders bestimmt). Folge: planmäßiges und
gleiches Vorgehen der Verwaltung. Es besteht ein Weisungszusammenhang von den
untersten bis zu den obersten Verwaltungsorganen, die dem NR und den Landtagen
politisch verantwortlich sind (demokratische Legitimation der Verwaltung). Nachgeordnete Organe müssen Weisungen ablehnen, wenn: Weisung von unzuständigem
Organ; Befolgung würde gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen.
Ausnahme vom Prinzip der Weisungsbindung:
- Selbstverwaltung
- Ausgegliederte Rechtsträger
- Beiräte: Preiskommission, Außenhandelsbeiräte führen nicht die Verwaltung
- Amtssachverständige: führen nicht die Verwaltung
- Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag
- UVS
- sonstige weisungsfrei gestellte Behörden: Schulbehörden, Berufungssenate
- Amtsverschwiegenheit
Wer ist zur Verschwiegenheit verpflichtet:
- alle Organe, die mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung
betraut sind
- Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts
- Auskunftspflicht
Soweit keine gesetzliche Auskunftspflicht besteht, sind alle Organe, die mit Aufgaben
der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betraut sind und alle Organe anderer
Körperschaften des öffentlichen Rechts verpflichtet über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskunft zu erteilen.
- Amtshilfe
Alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet.
Warum: man will jenen Schwierigkeiten begegnen, die wegen der Aufteilung der
Staatsfunktionen auftreten (Gewaltentrennung, Kompetenzverteilung).
Es existiert nach B-VG kein subjektives Recht.
Beispiel für Amtshilfeersuchen: Richter eines Bezirksgerichtes ist mit einer Bestandsstreitigkeit befaßt. Er ersucht den Bürgermeister jener Gemeinde, in deren Gebiet
das streitverfangene Bestandsobjekt liegt, dem Gericht eine Kopie der Akten (Baubewilligung für das Bestandsobjekt) zu übermitteln.
5. Frau Sprinzl prüft gerade einen gewerberechtlichen Bewilligungsantrag
für eine Schlossdiskothek, als sie von ihrem Vorgesetzten mit den Worten unterbrochen wird, sie könne den Bescheid sogleich erteilen, da es
sich beim Antragsteller „um einen Spezl“ handle, dem er noch einen Gefallen schulde. Sprinzl weiß nun nicht mehr, wie sie sich verhalten soll,
denn kürzlich langte ein Schreiben des Bundesdenkmalamtes mit der Anordnung ein, die Genehmigung sei aus denkmalschutzrechtlichen Gründen zu untersagen.
Frau Springl kann das so genannte „Remonstrationsrecht“ einräumen, da sie die
Weisung für rechtswidrig hält, dh die Befugnis, vor Befolgung der Weisung dem Vorgesetzten die rechtlichen Bedenken mitzuteilen. Diesfalls gilt die Weisung als zurückgezogen, falls der Vorgesetzte sie nicht schriftlich erteilt.
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6. Felix Obermaier bekommt per Post ein Schriftstück der Salzburger Umweltanwaltschaft ua mit dem Wortlaut „Aus zwingenden umweltrechtlichen Gründen ist Ihnen die Ausführung des geplanten Gewerbeparks zu
untersagen.“ zugestellt. Obermaier versteht die Welt nicht mehr, erst
gestern war ihm das Projekt von der Gewerbebehörde bewilligt worden.
Wie beurteilen Sie die Situation? Berücksichtigen Sie, dass der LUA ua
nach dem Sbg NSchG die Verfahrensteilnahme als Organpartei sowie die
Begutachtung von Gesetzesentwürfen, welche naturschutzrechtliche Interessen berühren, obliegt.
Prüfung ob ein hoheitlicher Verwaltungsakt vorliegt?
Schreiben v. Umweltanwaltschaft Salzburg: könnte ein Bescheid sein?
Prüfen d. Bescheidsmerkmale:
-
an bestimmte Person bzw. Personenkreis gerichtet
Normativität
Außenverhältnis
Förmlichkeit
von Vw.Behörde erlassen!!!! -> Sbg. Umweltanwaltschaft keine VwBehörde,
da sie laut Sachverhalt keine hoheitlichen Akte erlassen darf!
 Es liegt kein Bescheid bzw. hoheitlicher Akt einer VwBehörde vor! Herr
Obermaier kann das Schreiben als gegenstandslos bezeichnen.
7. Ordnen Sie folgende Rechtsakte den verfassungsrechtlich vorgesehenen
Typen des Verwaltungshandelns zu:
a) Entschließung des BPräs über die Schaffung von Berufstiteln
-> Vw-VO
b) Dekret zur Verleihung der Erlaubnis des Führens des österreichischen Bundeswappens an den Gewerbetreibenden X
-> Bescheid
c) Befehl an den Soldaten Y, sich beim Kompaniekommandanten zu melden
-> Weisung
d) Konzession zur Ausübung des Gastgewerbes
-> Bescheid
e) Erlass des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Anwendung des
Assoziationsabkommens Österreich – Türkei
-> Vw-VO od. generelle Weisung
f) Satzung der Universität Salzburg
-> VO
g) Fremdenpolizeiliche Verfügung der Bundespolizeidirektion Salzburg
-> Bescheid
8. Ferdinand Flink wird im Wald von einem Forstschutzorgan mit der Begründung festgenommen, man dürfe im Wald nicht laufen. Wie beurteilen Sie die Situation?
(Exkurs Besonderes Verwaltungsrecht:
Der Wald ist als Erholungsgebiet für jedermann geöffnet! Die Begehung (bzw. auch
das Laufen) ist grundsätzlich erlaubt!)
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Beurteilung der Situation:
Festnahme? Welcher Rechtsakt liegt vor? (Weisung, Bescheid, VO, AuvBZ)
In unserem Fall liegt offensichtlich ein Akt unmittelbarer Befehls- u. Zwangsgewalt
vor!
AuvBZ nur im Rahmen d. Hoheitsverwaltung -> richtet sich n. außen und ist verfahrensfrei!
Festnahme erfolgt durch? -> ForstSchutzOrgan -> ist das Organ eine Verwaltungsbehörde bzw. einer solchen zuordbar? Nein, ein ForstschutzOrgan ist eine Privatperson mit Hoheitsbefugnis (Beleihung) –> daher keine VW-Behörde!
Rechtliche Folge: eine Maßnahmen-Beschwerde beim UVS einreichen -> dieser stellt
fest ob die Festnahme gerechtfertigt war oder nicht (in unserem Fall ist aufgrund des
Sachverhalts von einer unzulässigen Festnahme auszugehen)
9. Nach dem ersten großen Tauwetter im Frühling verursacht die Schneeschmelze im Zusammenhang mit dem noch gefrorenen Boden eine erhebliche Wassermenge, die von der örtlichen Kanalisation und den Oberflächengewässern kaum zu bewältigen sind. Der Ortsbach und Seezufluss
droht über die Ufer zu treten. Die direkt angrenzenden Siedlungen inkl.
Tiefgaragen sollen evakuiert bzw ärgere Schäden durch das Auftürmen
eines Erdwalls bzw von Sandsäcken vermieden werden. Die örtliche Feuerwehr ist vollkommen überfordert. Der Bürgermeister fährt in seinem
Privat-PKW im Ort auf und ab und ruft via Megaphon die Bürger der Gemeinde zur Mithilfe auf. Wie beurteilen Sie diese Anordnung?
§ 49. (1) Müssen zur augenblicklichen Verhütung der Gefahr von Ufer- oder Dammbrüchen oder von Überschwemmungen schleunige Maßnahmen ergriffen werden, so sind auf Anordnung der Bezirksverwaltungsbehörde oder, bei Gefahr im Verzuge, des Bürgermeisters der bedrohten Gemeinde alle im Gemeindegebiete anwesenden tauglichen Personen zur unentgeltlichen Leistung von Diensten verpflichtet. In solchen Fällen müssen
auch vorhandene Baustoffe und Geräte, die zur Bekämpfung der Gefahr erforderlich sind, gegen Entgelt (§ 117)
abgegeben werden. Von den genannten Stellen können auch die benachbarten Gemeinden zur Leistung der
erforderlichen Hilfe herangezogen werden.
(2) Die Gemeinde, der die Hilfe geleistet wurde, hat den Nachbargemeinden auf deren Verlangen die durch die
Hilfeleistung erwachsenen baren Auslagen zu ersetzen. Der Anspruch hierauf ist bei sonstigem Verluste binnen
drei Monaten nach Beendigung der Hilfeleistung bei der Bezirksverwaltungsbehörde geltend zu machen.
Beurteilung d. Anordnung:
Lt. § 49 Abs. 1 WRG ist bei Notfällen bzw. Gefahr in Verzug die BezirksVwBeh bzw.
der Bürgermeister der Gemeinde berechtigt alle im Gemeindegebiet anwesenden
tauglichen Personen zur unentgeltlichen Leistung von Diensten zu verpflichten.
Welcher Rechtsakt liegt vor? Bescheid, Weisung bzw. Maßnahme (AuvBZ) scheiden
aus, da der Adressatenkreis (die Bürger der Gemeinde) zu allgemein gehalten ist!
 Verordnung
Ob der Bürgermeister die Verordnung via Privat-PKW ausübt, ist hier nicht relevant,
da Gefahr in Verzug (Notfallsituation) vorliegt bzw. nicht jedem Bürgermeister ein
Dienstfahrzeug zur Verfügung steht.
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VII. BUNDESVERWALTUNG:
1. Nennen Sie die obersten Organe der Bundesverwaltung.
BPräs; Bundesminister (Staatssekretäre nein -> sind Minister gegenüber weisungsgebunden); BK; Bundes- und Landesregierung als Kollegialorgan.
Art. 19 B-VG ist zu eng formuliert bzw. zu weit formuliert (Staatssekretäre)!
Wichtig: Oberste Organe unterliegen keiner Weisung und keiner Aufsicht.
2. Was bedeutet mittelbare bzw unmittelbare Bundesverwaltung für die
Instanzenzüge?
Mittelbare Bundesverwaltung:
Instanzenzug endet beim LH (anders: wenn es durch Bundesgesetz anders geregelt
ist). Steht die Entscheidung in erster Instanz dem LH zu, so geht der Instanzenzug
bis zum zuständigen BM. Grundsatz der B-VG: 2-gliedriger Instanzenzug in der mittelbaren Bundesverwaltung.
unmittelbare Vollziehung ist die Ausnahme! Grundsatz: der Instanzenzug geht
bis zum zuständigen BM (in der Regel ein 2-gliedriger Instanzenzug).
Mischform: Sicherheitsverwaltung -> unmittelbare und mittelbare Bundesverwaltung.
3. Nennen Sie die wichtigsten Kompetenzen des Bundespräsidenten.
Die Aufgaben des BPräs beziehen sich auf alle drei Staatsfunktionen: Gesetzgebung,
Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Wichtigste Aufgabe: er soll schauen, dass das Zusammenspiel der Staatsgewalten funktioniert -> (Parlamente, oberste Verwaltungsorgane und Gerichte). D.h.: die Rolle des BPräs ist immer dann wichtig, wenn es z.B.
darum geht, den Bundeskanzler zu ernennen oder die Parlamente aufzulösen.
Politischer Alltag: repräsentative Aufgaben.
a) Staatspolitisch relevante Aufgaben:
- Bestellung u. Erlassung der BReg bzw. einzelner BM
- Auflösung des NR
b)
-
Außenpolitische Aufgaben (Art. 65 B-VG)
Vertretung der Republik nach außen
Bestellung der konsularischen Vertreter Österreichs im Ausland
Abschluss grundsätzlich aller Staatsverträge
c) Sonstige Aufgaben, wie etwa
- Ernennung von Bundesbeamten
- Ernennung der Richter (Art. 86 B-VG)
- Ernennung d. Präsidenten sowie übrigen Mitglieder d. VfGH u. d. VwGH
- Schaffung u. Verleihung v. Berufstiteln
- Oberbefehl über das Bundesheer
d) Vorschlagsbindung:
BPräs. Kann nicht von sich aus tätig werden, sondern ist auf Zusammenarbeit mit
der BReg angewiesen: Er bedarf nämlich für alle Verwaltungsakte eines Vorschlages der BReg oder des von ihr ermächtigten BM (Ausnahme: Art. 67 Abs. 1 B-VG
Vorschlag eines anderen Organs bindet)
Überdies bedürfen alle Akte d. BPräs zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung
durch den BK!
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4. Welches Mehrheitserfordernis besteht für einen Beschluss der Bundesregierung?
Beschlüsse des Kollegiums der BReg müssen einstimmig erfolgen, da es keine verfassungsgesetzliche Regel gibt!
Art 69 Abs 3 B-VG besagt: mehr als die Hälfte
der BM müssen anwesend sein!
5. Beschreiben Sie die Stellung des Bundeskanzlers in der Bundesregierung.
Bundeskanzler = Leiter des Bundeskanzleramtes -> Stellung eines BM. Weiters: er ist
Vorsitzender des Kollegiums der BReg -> wichtige Koordinationsaufgaben. Er hat
kein Weisungsrecht gegenüber BM.
Aber: politisch hervorgehobene Stellung -> auf seinen Vorschlag wird ein BM vom
BPräs ernannt oder entlassen. (Art. 70 Abs. 1 B-VG)
6. Wie können Sie herausfinden, welcher Bundesminister wofür zuständig ist?
In den MaterienG wird teils der BM, teils das BMin zur Erledigung bestimmter Verwaltungsangelegenheiten für zuständig erklärt.
Die Zahl der BM, ihr Wirkungsbereich und ihre Einrichtung werden durch Bundesgesetze (->BMG Bundesministeriengesetz) bestimmt.
7. Worin besteht die rechtliche und politische Verantwortlichkeit der
BReg und der BM?
Verantwortlichkeit
politische: Art 74 B-VG
(„Misstrauensvotum“) -> versagt der NR der BReg oder einzelner Mitgliedern das
Vertrauen, sind sie ihres Amtes zu entheben (<- durch den BPräs)
rechtliche: Art 76 iVm Art 142 B-VG
(„Ministeranklage“) -> kann der NR beim VfGH wegen schuldhafter Gesetzesverletzung erheben.
Rechtsfolgen: Erkenntnis Amtsverlust, Verlust
der politischen Rechte, Feststellung (Art 142
Abs 4 B-VG)
8. Gibt es weisungsfreie Verwaltungsbehörden? Wenn ja, warum handelt
es sich bei ihnen nicht um Gerichte iSd B-VG?
Ja, folgende:
-
kollegiale Verwaltungsbehörden mit richterlichem Einschlag
(Art. 133 Z 4 B-VG)
UVS (Art. 129b Abs. 2 B-VG)
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Abgrenzung zur Gerichtsbarkeit:
- werden die richterlichen Garantien (Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit u. Unversetzbarkeit) vom Verwaltungsorgan/behörde erfüllt?
-> Bsp.: Die Mitglieder der UVS sind zwar bei Besorgung ihrer Aufgaben weisungsfrei (unabhängig). Sie sind aber nicht mit der verfassungsgesetzlichen Garantie der
Unabsetzbarkeit ausgestattet, sondern brauchen von Verfassungswegen lediglich für
einen Zeitraum von 6 Jahren bestellt zu werden. UVS-Mitglieder sind daher
keine Richter iSd B-VG!
Zusatz:
a) Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag: (Art. 133 Z 4-Behörde)
Das B-VG ermächtigt den einfachen (Bundes- wie Landes-)Gesetzgeber, weisungsfreie kollegiale Verwaltungsbehörden zu bilden. Sie müssen folgende Kriterien
erfüllen:
- Kollegialität
- dem Kollegium muss mindestens ein Richter angehören
- keine Aufhebung oder Abänderung ihrer Bescheide im Instanzenzug
VwGH kann gegen solche Bescheide nur dann angerufen werden, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist (Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit des VfGH bleibt).
Beispiele für Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag: Kommission zur
Wahrung des Rundfunkgesetzes, Datenschutzkommission, Grundverkehrsbehörden
der Länder, Vergabeamt nach dem BundesvergabeG,...
Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag (auch UVS) können als Tribunale qualifiziert werden. Voraussetzungen:
- gewisse Sicherung ihrer Unabhängigkeit -> Bestellung auf eine Zeit von 3 Jahren; in
dieser Zeit nur aus besonderen gesetzlichen Gründen absetzbar oder versetzbar.
- Sicherung der Unparteilichkeit durch entsprechende Verfahrensbestimmungen
- Öffentlichkeit (fordert Art 6 MRK; aber in Österreich: Vorbehalt)
b) UVS (Unabhängige Verwaltungssenate):
Neben dem VwGH bestehen seit der B-VGNov 1988/685 die Unabhängigen Verwaltungssenate „zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen
Verwaltung“.
Die UVS sind Behörden der Länder, die funktionell als Landes- wie als Bundesbehörden tätig werden. Sie sind Verwaltungsbehörden, allerdings besonderer Art. Organisatorisch unterstehen sie der LReg, die in Organisationsfragen auch weisungsbefugt ist.
1. UVS sind weisungsfrei (bei ihren Aufgaben)
2. Mitglieder müssen rechtskundig sein
3. UVS sind von der LReg auf mindestens 6 Jahre zu bestellen
4. Sie dürfen keine weitere Tätigkeit ausführen, die Zweifel über ihre Unabhängigkeit aufkommen lassen könnten (z.B.: gleichzeitige Verwendung in der übrigen
Landesverwaltung)
5. UVS entscheiden teils monokratisch, teils in Senaten
6. Es gilt das Prinzip der festen Geschäftsverteilung
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Rechtsschutz gegenüber UVS
Bescheide der UVS unterliegen der nachprüfenden Kontrolle des VwGH und des
VfGH. VwGH kann aber die Behandlung einer Beschwerde in einer Verwaltungsstrafsache ablehnen, wenn:
1. nur eine geringe Geldstrafe verhängt wurde und
2. die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Letzteres ist jedenfalls der Fall, wenn
- der UVS von der Rechtsprechung des VwGH abweicht
- eine solche Rechtsprechung fehlt
- die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wird.
9. Sie erhalten einen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Salzburg
Umgebung, mit dem Ihr Antrag auf Erteilung einer Rodungsbewilligung nach dem Forstgesetz abgewiesen wird. Können Sie gegen diesen Bescheid berufen? Könnten Sie gegen einen allfälligen Berufungsbescheid berufen?
Forstrecht
-> Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung (Art. 10 Materie)
• Mittelbare oder unmittelbare Bundesverwaltung?
• Anhaltspunkte
– BH ist organisatorisch Landesbehörde
– Art 102 B-VG
Daher mittelbare Bundesverwaltung!
 Berufung? -> Landeshauptmann
• Weitere Berufung?
• Abhängig von Materiengesetz; Grundsatz Art 103 Abs 4 B-VG: zweigliedrig
 Daher keine weitere Berufung
10.
Der Bundespräsident Willhelm C. ist in einen Skandal um
eine Praktikantin verstrickt. Die Abgeordneten der Partei „Fortschritt
durch Rückschritt“ streben deswegen die Absetzung des BPräs an. Einige andere Abgeordnete wollen ihn nicht wegen dieser Affäre, sondern wegen einer diesbezüglichen Falschaussage vor Gericht absetzen. Welche Möglichkeiten sieht die Bundesverfassung dafür vor?
Absetzung des BPräs:
2 Möglichkeiten:
a) Art 68 iVm 142 B-VG („Ministeranklage“)
b) Art 60 Abs 6 B-VG („Absetzung“)
bei a) Anklage wegen Verfassungsverletzung
bei b) Volksabstimmung aus politischen Gründen
Daher wegen „Äffäre“: nur Art 60 Abs 6 B-VG „Absetzung“
 Wegen Falschaussage: beide Möglichkeiten gegeben!
UE: Öffentliches Recht I
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11.
Angenommen, die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Forschung wäre als Behörde erster Instanz zur Erteilung
einer bescheidmäßigen Akkreditierung für Privatuniversitäten zuständig, welche nur zulässig ist, wenn die Österreichische Rektorenkonferenz sich nicht dagegen ausspricht. Gegen die Bescheide der BM kann
Berufung beim Unabhängigen Akkreditierungsrat erhoben werden,
der als Art-133-Z4-Behörde eingerichtet ist. Welche verfassungsrechtlichen Probleme würde eine derartige Konstruktion aufwerfen?
Anmerkung: Das hier skizzierte Akkreditierungsverfahren ist rein fiktiv.
BM – oberstes Organ
Bindung an Stellungnahmen usw:
–> Strikte Auffassung (VfGH): unzulässig
– Dagegen: nur völlige Bindung nach Art einer Weisung unzulässig
 Hier nach VfGH wohl unzulässig
Berufung an Verwaltungsbehörde
–> Unzulässig (BM letzte Instanz)
An Gericht?
–> Trennungsgrundsatz beachten
12.
Der BPräs ist über den Ausgang der Koalitionsverhandlungen
nach der NR-Neuwahl wenig erfreut. Dennoch ernennt er den Obmann
der zweitstärksten Partei wie im Koaltionsabkommen vorgesehen zum
Bundeskanzler. Drei der vom neuen BK vorgeschlagenen Minister will
der BPräs jedoch auf keinen Fall ernennen. Ist die Weigerung des
BPräs verfassungsrechtlich zulässig?
Weigerung d. BPräs?
BPräs ernennt auf Vorschlag des BK, muss aber nicht ernennen
 BReg braucht das Vertrauen des BPräs, weil er sie ohne Vorschlag entlassen
kann (Art 70 Abs 1 B-VG)
 Daher zulässig!
Der BPräs hat sich wieder einmal über eine politische Initiative des BK
maßlos geärgert. Da er nun endgültig genug hat, will er die gesamte
Bundesregierung „feuern“. Ist dies verfassungsrechtlich möglich bzw politisch sinnvoll?
BReg „feuern“ (entlassen)
 Rechtlich möglich (kein Vorschlag nötig)
 Politisch unsinnig, weil eine andere BReg keine Mehrheit im NR finden wird
VIII. LANDES- U. SELBSTVERWALTUNG:
1. Nennen Sie Behörden der Landesverwaltung.
-
Landesregierung
Landeshauptmann
Landesrat
Bezirkshauptmannschaft und Statutarstadt (= Bezirksverwaltungsbehörden)
Unabhängiger Verwaltungssenat
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2. Wie wird die LReg bestellt? Wie können ihre Beschlusserfordernisse
ausgestaltet sein?
LReg besteht aus: LH, seinen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern (Landesräten).
Sie sind vom Landtag zu wählen.
Beschlusserfordernisse:
 B-VG: keine Regelung
jeweilige L-VG: Einstimmigkeit (zB Sbg) oder Mehrstimmigkeit
3. Was ist der Unterschied zwischen LReg und Amt der LReg?
Landesregierung: ist ein Kollegialorgan, das aus dem LH, den Stellvertretern und
den sonstigen Mitgliedern der LReg besteht, die als Landesräte bezeichnet werden.  Grundsätzlich oberstes Organ der Landesvollziehung! (Art. 101 B-VG)
(sofern auf Landesebene das Ressortsystem eingeführt ist, sind auch einzelne Mitglieder der LReg oberste VwOrgane.)
Das Amt der Landesregierung fungiert als administrativer Hilfsapparat der
Landesregierung, des Landeshauptmannes und der Landesräte und ist als solches an
sich keine Verwaltungsbehörde.
4. Sind die Bezirkshauptmannschaften Landesbehörden? Sind sie in allen
Angelegenheiten den Weisungen der LReg unterworfen?
Ja,
Bezirkshauptmannschaften bzw. BVB sind monokratisch organisierte, Landesverwaltungsbehörden 1. Instanz
Umfassende Weisungsbefugnis der LReg?
• mittelbare Bundesverwaltung: Weisungen vom LH
• materienbezogene Weisungen kommen vom zuständigen Landesrat
• LH ist Leiter des inneren Dienstes einer BH
• Bgm ist Leiter des inneren Dienstes eines Magistrats
• Statutarstadt hat neben BVB-Aufgaben auch einen eigenen und einen übertragenen
Wirkungsbereich
=> nein
5. Was versteht man unter Selbstverwaltung?
Was heißt Selbstverwaltung: Besorgung öffentlicher Aufgaben (inkl. hoheitlicher Aufgaben) durch eigene Rechtsträger (neben Bund und Ländern). Wenn die Rechtsträger im eigenen Wirkungsbereich handeln, sind sie gegenüber staatlichen Behörden
(des Bundes oder des Landes) weisungsfrei – sie unterstehen allerdings der staatliche Aufsicht.
Wesentliche juristische Merkmale der Selbstverwaltung:
- Träger ist eine eigene juristische Person (Rechtsträger); meist: Körperschaft
- Der Träger besitzt einen eigenen selbständigen Wirkungsbereich, in dem er
weisungsfrei ist, jedoch der Aufsicht der Behörden unterliegt. Zum Teil ist auch
ein Instanzenzug an staatliche Behörden ausgeschlossen.
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Selbstverwaltungsträger sind insb.:
- Gemeinden
- gesetzliche Berufsvertretungen (berufliche und wirtschaftliche Selbstverwaltung:
Kammern)
- Sozialversicherungsträger (soziale Selbstverwaltung)
- Österreichische Hochschülerschaft
6. Wodurch unterscheiden sich die Wirkungsbereiche der Selbstverwaltung?

(eigener) selbständiger Wirkungsbereich: (Art. 118 B-VG) Selbstverwaltungsträger ist weisungsfrei, jedoch der Aufsicht der Behörden
unterstellt. Zum Teil ist auch ein Instanzenzug an staatliche Behörden
ausgeschlossen. (außerordentlicher Instanzenzug: Vorstellung an LReg.
nur nach 2. Instanz!)

übertragenen Wirkungsbereich: die Organe der Selbstverwaltungskörper werden als Behörden des Bundes oder des Landes tätig -> hier
sind sie weisungsgebunden. Instanzenzug an staatliche Behörden möglich! -> Prinzip d. mittelbaren Verwaltung!
7. Welche Organe einer Gemeinde sind laut Bundesverfassung jedenfalls
vorzusehen? Beschreiben Sie kurz deren Aufgaben.
- Gemeinderat: = allgemeiner Vertretungskörper (rechtlich nur ein Verwaltungsorgan); wird von den Bürgern gewählt (ähnlich NR-Wahl).
- Gemeindevorstand: = kollegiale Gemeinderegierung; ist vom Gemeinderat zu
wählen. Er heißt in Städten Stadtrat und in Statutarstädten Stadtsenat.
- Bürgermeister: entweder vom Gemeinderat gewählt oder von den Wahlberechtigten
- Gemeindeamt (in Statutarstädten: der Magistrat): Hilfsapparat der obigen Organe
(in Wien: selbständige Behörde)
Aufsichtsorgane:
Art 119a Abs 3 B-VG: durch „Behörden der allgemeinen staatlichen Vw“
Bundesaufsicht: BH bzw LH
Landesaufsicht: BH bzw LReg
Aufsicht über Statutarstadt: LH bzw LReg
8. Welchen Aufsichtsmitteln unterliegen die Gemeinden?
Art 119a B-VG:
• Auskunfts- und Einschaurecht
• Pflicht zur Vorlage von Verordnungen
• Genehmigungsvorbehalt
• Kassation (Aufhebung) von Gemeindebeschlüssen
• Ersatzvornahme
• Auflösung von Gemeindeorganen
• Absetzung von Organwaltern
9. Was ist eine Stadt mit eigenem Statut?
Statutarstädte haben neben den Aufgaben der Gemeindeverwaltung auch die der
Bezirksverwaltung zu besorgen (vgl. Art 116 Abs 3 B-VG). Die Bezirksverwaltung ist
Teil des übertragenen Wirkungsbereiches und als solche in aller Regel vom
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Bürgermeister als erstinstanzliche Verwaltungsbehörde zu besorgen.
Gemeinsam mit den Behörden der Statutarstädte bilden die
Bezirkshauptmannschaften die sog. Bezirksverwaltungsbehörden (BVB).
Statutarstadt wird eine Gemeinde durch spezielles Landesgesetz; nicht jede
„Stadt“ ist Statutarstadt!
10.
Der Bürgermeister weist ihren Antrag auf Bewilligung zum Bau
eines Einfamilienhauses ab. Wer ist die Berufungsbehörde? Gegen den
abweisenden Bescheid der Berufungsbehörde erheben Sie Vorstellung
an die LReg. Diese erteilt Ihnen mit Bescheid die Baubewilligung. Ist
das zulässig?
Baubewilligung = Bescheid des Bgm
 eigener oder übertragener Wb?
Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG (BauPolG) u. im Interesse d. Gemeinde => eWb
Rechtsmittel im eWb: Berufung idR an die Gemeindevertretung (Gemeinderat) od.
Gemeindevorstand (Ausnahme zB. in NÖ der Fall)
Vorstellung (Art 119a Abs 5 B-VG) an LReg wirkt nur kassatorisch („aufheben
und zurückverweisen“)
=> Baubewilligung durch LReg ist rechtswidrig
11.
Der Landtag möchte einen Selbstverwaltungskörper der Volksmusikanten schaffen, dem ein eigener Wirkungsbereich zur weisungsfreien Besorgung übertragen werden soll. Ist dies durch einfaches LG
oder nur durch Landesverfassungsgesetz möglich oder aus bundesverfassungsrechtlichen
Gründen
unmöglich?
Vgl
dazu
VfSlg
8215/1977 zur Salzburger Jägerschaft.
Die Frage war lange Zeit umstritten, ob der einfache Gesetzgeber
Selbstverwaltungskörper (SVK) errichten darf, wurde aber durch die grundlegende
Entscheidung des VfSlg 8215/1977 geklärt. Ein Teil der Lehre steht dem Ergebnis
des Erkenntnisses immer noch kritisch gegenüber:
Da Art. 20 Abs. 1 B-VG eine Unterbrechung der Weisungsgebundenheit nur durch
Verfassungsgesetz zulässt, ist ein Teil der Lehre der Meinung, dass die Errichtung
eines (weisungsfreien!) SVK stets einer besonderen verfassungsrechtlichen Grundlage bedarf. -> für die Gemeinde in Art. 118 Abs. 4 B-VG vorgesehen, für bestimmte
Interessenvertretungen wurde diese Grundlage in Kompetenzbestimmungen gesehen!
Der VfGH ist dagegen der Auffassung, das SVK durch den einfachen Bundes- oder
Landesgesetzgeber auch ohne bundesverfassungsrechtl. Grundlage errichtet werden
dürfen. Seine Begründung: Der Bundesverfassungsgesetzgeber des Jahres 1920 hat
über die Gemeinden und über die beruflichen Interessenvertretungen hinaus zahlreiche SVK vorgefunden. Es war ihm demnach die Existenz von SVK versch. Art bekannt. Er habe Selbstverwaltung als Org.Technik nicht bloß gekannt, sondern sie
auch vorausgesetzt und anerkannt.
Er legte zugleich bestimmte Errichtungsschranken von SVK fest:
-> der einfache Gesetzgeber unterliegt dem Sachlichkeitsgebot, muss staatliche Aufsicht ermöglichen und die Interessen/Aufgaben müssen für Selbstverwaltung geeignet sein!

Zulässigkeit von der konkreten Ausgestaltung abhängig
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12.
Dem Landwirt Sepp wird die naturschutzrechtliche Bewilligung
zur Errichtung eines Heustadls im Naturschutzgebiet nicht erteilt. Gegen den abweisenden Bescheid bringt er beim LH eine Berufung ein.
Ist dieser überhaupt zuständig?
Naturschutz = Art 15 B-VG
=> Vollziehung durch Landesbehörden
in erster Instanz: BVB
in zweiter (und letzter) Instanz: LReg
(bei Ressortsystem: zuständiger LRat)
=> LH jedenfalls nicht zuständig (außer er ist ressortverantwortlich)
13.
UVS-Mitglied Theo Streng ist es leid, ständig Strafbescheide einer ganz bestimmten Bezirkshauptmannschaft aufheben zu müssen,
weil der dort zuständige Sachbearbeiter immer wieder dieselben Fehler macht. Daher erteilt er dem BH die Weisung, den Sachbearbeiter
von seiner bisherigen Aufgabe zu entbinden und mit nichthoheitlichen Aufgaben zu betrauen. Ist diese Anordnung zulässig?
UVS = Sonder-Landeskollegialbehörde
BH = „allgemeine“ Landesbehörde
UVS = „unabhängig“ => nicht in eine Über- oder Unterordnung der Behörden
(„Verwaltungshierarchie“) eingegliedert
UVS ist nicht Oberbehörde zu BH (= weisungsbefugt),
sondern nur Rechtsmittelbehörde für
Strafbescheide (Art 129a Abs 1 Z 1 B-VG)

Weisung nicht zulässig!
IX. GERICHTSBARKEIT, RECHTSSCHUTZ, KONTROLLE:
1. Welche Grundsätze trifft die Bundesverfassung über die Gerichtsbarkeit?
Die Gerichtsbarkeit stellt neben der Gesetzgebung und der Verwaltung die dritte
Säule des staatsrechtlichen Modells der Gewaltentrennung dar. Sie ist jener Bereich
der Vollziehung, der von Gerichten wahrgenommen wird. In der Bundesverfassung
ist festgehalten, dass die Justiz von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt ist.
Die wichtigste Grundlage für eine unabhängige Justiz ist der verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Unabhängigkeit der Richter in der Ausübung
ihres Amtes. Diesbezüglich sind die Richter im Gegensatz zu den Verwaltungsbeamten völlig weisungsfrei. Richter dürfen nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen
Fällen und Formen sowie aufgrund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses (z.B.
im Rahmen eines Disziplinarverfahrens) ihres Amtes enthoben oder gegen ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Diese sogenannten
richterlichen Garantien der Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit dienen dem Schutz der Gerichtsbarkeit als dritter Staatsgewalt vor Einflüssen von außen, insbesondere von Seiten der Verwaltung.
Natürlich gilt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung (Legalitätsprinzip) auch für den Bereich der Gerichtsbarkeit. Gerichte sind an gehörig kundgemachte Gesetze, Verordnungen und Staatsverträge gebunden. Der Oberste Gerichtshof und ein zur Entscheidung in zweiter Instanz zuständiges Gericht können
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jedoch beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung von Gesetzen auf ihre Verfassungsmäßigkeit beantragen, wenn sie aus diesem Grund Bedenken gegen die Anwendung eines Gesetzes haben.
Weitere Tragende Grundsätze der Gerichtsbarkeit in Österreich:








alle Gerichtsbarkeit geht vom Bund aus, es gibt daher nur Bundesgerichte
(auch die "Landesgerichte" sind trotz ihres Namens Bundesbehörden);
die Mitwirkung des Volkes an der Rechtssprechung, z.B. in Form der Schöffenund Geschworenengerichtsbarkeit;
die Mündlichkeit des Verfahrens;
die Öffentlichkeit des Verfahrens;
das Verbot einer "Ausnahmegerichtsbarkeit" (z.B. von Standgerichtsbarkeit);
Anklageprinzip im Strafverfahren: Ankläger und Richter müssen verschiedene
Personen sein (wenn beide Funktionen in einer Person vereinigt sind, spricht
man vom "Inquisitionsverfahren");
das absolute Verbot der Todesstrafe;
das Verbot einer eigenen Militärgerichtsbarkeit (außer in Kriegszeiten)
2. In einem Strafverfahren vor dem Bezirksgericht erscheint der öffentliche Ankläger (Bezirksanwalt) nicht. Der Richter trägt daher selbst die
Anklage vor und verhandelt den Fall. Ist dies verfassungsrechtlich in
Ordnung?
Bezirksanwalt (= Staatsanwalt vor Bezirksgericht) = öffentlicher Ankläger
Anklageprinzip (Art 90 Abs 2 B-VG) verlangt Trennung von Ankläger und Richter (Personalunion = Inquisitionsprozess)
=> Vorgangsweise verfassungswidrig
3. Was sind Rechtspfleger?
Art 87a Abs 1 B-VG: „Ein Rechtspfleger ist ein in Zivilrechtssachen besonders ausgebildeter nichtrichterlicher Bundesangestellter“
=> nichtrichterliches Organ des Gerichts
unter der Verantwortung und Weisungsbefugnis des zuständigen Richters
=> nur in der Zivilgerichtsbarkeit 1. Instanz
(zB Grundbuch, Firmenbuch, Unterhalt)
4. Herr Oberhauser wohnt einer öffentlichen Parlamentsdebatte über eine neuerliche Pensionsreform bei, die ihn fürchterlich in Rage bringt.
Weder seiner Frau, noch verschiedenen anderen Anwesenden gelingt
es, ihn zu beruhigen. Er brüllt und demoliert die Ausstattung der Besuchergalerie. Auf Anordnung des NR-Präsidenten wird der aufmüpfige Besucher aus dem Gebäude entfernt. Kann Herr Oberhauser gegen
diesen Akt Beschwerde an den UVS erheben? (VfSlg 11.882/1988)
Zuerst muss geprüft werden, ob die Entfernung von Herrn Oberhauser aufgrund eines hoheitlichen Aktes erfolgt ist? (in unserem Fall wäre von einem Akt unmittelbarer
Befehls- u. Zwangsgewalt auszugehen)
 da laut Sachverhalt Herr Oberhauser auf Anordnung des NR-Präsidenten aus
dem Gebäude entfernt wurde, liegt kein hoheitlicher Akt einer Verwaltungsbehörde vor (sondern ein Akt d. Gesetzgebung)!
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Im VfSlg 11.882/1988 wurde die Beschwerde vom UVS zurückgewiesen, da keine
Maßnahme (AuvBZ) vorliegt und somit der UVS nicht zuständig ist.
Unterscheide:
Beschwerde zurückweisen: (wenn formelle Vorraussetzungen nicht erfüllt sind)
Beschwerde abweisen: (wenn inhaltliche Vorraussetzungen nicht erfüllt sind)
5. Nennen Sie die 4 Möglichkeiten der Verwaltungskontrolle und erklären Sie diese kurz.
-
Politische Kontrolle:
Das ist die Kontrolle oberster VwOrgane durch das Parlament. Prüfungsgegenstand
sind grundsätzlich alle VwGeschäfte, die zum Wirkungsbereich eines obersten
VwOrgans gehören. Prüfungsmaßstab ist die Rechtmäßigkeit, aber auch die (politische) Zweckmäßigkeit.
-
Rechtliche Kontrolle:
Damit ist die Kontrolle der VwOrgane durch unabhängige Kontrolleinrichtungen
(Gerichte, unabhängige Behörden) gemeint. Prüfungsgegenstand sind v. VwOrganen
erlassene, einseitige, hoheitliche Rechtsakte (zB. VO, Bescheid).
Prüfungsmaßstab: Verfassungs- oder einfaches Gesetz
-
Finanzielle Kontrolle:
Darunter versteht man die Überprüfung der Einnahmen- und Ausgabentätigkeit der
VwOrgane durch das Parlament, welches den Rechnungshof (RH) damit beauftragt.
Prüfungsmaßstab: primär Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit d.
wirtschaftl. Verhaltens d. staatlichen Organe.
-
Missstandskontrolle:
Als solche bezeichnet man die Kontrolle von Missständen jeglicher Art in der Verwaltung durch eine bes. Rechtsschutzeinrichtung -> die Volksanwaltschaft (VA)
6. Was versteht man unter „Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit“?
In Ausübung der Sonderverwaltungsgerichtsbarkeit (Artikel 144 B-VG) erkennt der
VfGH über Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem





verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder
wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung,
einer gesetzwidrigen Kundmachung über die Wiederverlautbarung eines Gesetzes (Staatsvertrag),
eines verfassungswidrigen Gesetzes,
eines rechtswidrigen Staatsvertrages
in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
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7. Nach Art 129 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof für die Kontrolle
„der gesamten öffentlichen Verwaltung“ zuständig. Stimmt das tatsächlich?
Nein, nach Art 129 B-VG ist – neben den UVS – der VwGH „zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen Verwaltung ... berufen“.
In Wirklichkeit unterliegt nur folgendes der Kontrolle des VwGH: Bescheide (inkl.
Säumnisbeschwerde) und in Einzelfällen auch Weisungen!
Was ist der Kontrolle des VwGH entzogen:
- Verordnungen: Kompetenz des VfGH
- völkerrechtliche und bundesstaatliche Verträge (Verwaltungsabkommen):
Kompetenz des VfGH
- faktische Amtshandlungen: Kompetenz der UVS (nachprüfende Kontrolle des VwGH
+ VfGH)
- Bescheide von Kollegialbehörden mit richterlichem Einschlag
Art. 129 B-VG ist nur zu weit formuliert, aber nicht verfassungswidrig, da die Ausnahmen selbst auch verfassungsrechtlich geregelt sind (zB. Art. 139 B-VG: Verordnungen – Kompetenz d. VfGH)
8. Der Bund erlässt ein Grundsatzgesetz zur Elektrizitätswirtschaft, das
bestimmten Kraftwerkbetreibern verbesserte Absatzmöglichkeiten
verschafft. In einem Bundesland kommt es darüber zu heftigen Kontroversen, weshalb das Ausführungsgesetz erst sechs Monate nach Ablauf der Ausführungsfrist ergeht. Hat der Kraftwerksbesitzer Willi
Watt, dem durch die Verzögerung ein großer finanzieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz?
Vermögensschaden gegen Staat? Geltungsbereich: Amtshaftung
 hier: legislatives Unrecht! -> rechtswidriges Handeln d. Gesetzgebers (innerstaatlich nicht durchsetzbar -> aber im Gemeinschaftsrecht!)
 daher kein Anspruch auf Schadenersatz!
9. Was ist der Unterschied zwischen Amts- und Organhaftung?
Amtshaftung: (Art. 23 B-VG) Haftung d. Staates (Rechtsträger) -> Schaden bei
Vollziehung d. Gesetzes (wird hier weit ausgelegt)!
Organhaftung: Haftung eines Organwalters -> Rechtsträger trifft Schaden aus der
Vollziehung d. Gesetzes!
Haftung des jeweiligen Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen
Rechts. „In Vollziehung der Gesetze“ heißt hier: hoheitliches Handeln.
Das österreichische Verfassungsrecht kennt aber keine Haftung für rechtswidrige
Akte der gesetzgebenden Organe („legislatives Unrecht“).
Wo gilt diese Beschränkung des österreichischen Amtshaftungsrechts nicht:
- bei Ansprüchen, die im Gemeinschaftsrecht begründet sind (nach dem EuGH: ein
Staat haftet für Schäden, die einem einzelnen durch Verletzung des Gemeinschaftsrecht zugefügt wurden, egal von welchem staatlichen Organ diese Verletzung begangen wurde
- Verstöße gegen die MRK -> hier haftet der Staat für rechtswidrige gesetzliche Regelungen
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10.
Ein Landtag beschließt ein Landesgesetz, das sich namentlich an
Herbert Schenker (und zwar nur an diesen) richtet und ihn verpflichtet, bei der Eröffnung der Festwochen an der Tafel des Landeshauptmanns als Mundschenk tätig zu werden. Kann Herr Schenker etwas
gegen dieses Gesetz unternehmen?
Welches Gesetz liegt vor? „Individual- oder Maßnahmengesetz“ (ist ein atypisches Gesetz, da es sich an eine konkrete Person richtet)
 nicht generell verfassungswidrig, nur wenn unsachlich!
Hier: an eine konkrete Person gerichtet und regelt einen bestimmten Sachverhalt
Zuständigkeit? -> VfGH (Gesetzesprüfung) => Individualantrag nach Art 140 B-VG
Welche Kriterien müssen für einen Individualantrag vorliegen?
- unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre
- Unzumutbarkeit
In unserem Fall zu bejahen!
Welche Argumente könnte Herr Schenker vorbringen:
zB.:
- Zwangsarbeitsverbot (Art 4 EMRK)
- Einschränkung d. persönlichen Freiheit
- Gleichheitssatz
=> Verfassungswidrigkeit anzunehmen (unsachlich!)
11.
Janine Schnell erhält nach einer Geschwindigkeitsübertretung
im Salzburger Stadtgebiet die Vorschreibung zur Zahlung eines Geldbetrages von der Bezirksverwaltungsbehörde. Sie gibt zwar zu, zu
schnell gefahren zu sein, will aber weniger zahlen. Was kann sie tun?
Unter welchen Voraussetzungen kann sie den VwGH bzw den VfGH
anrufen?
Welcher Rechtsakt liegt vor? -> Strafbescheid! -> 1. Instanz BH/Brgm. (bei Statutarstädte)
Berufung gegen den Strafbescheid? -> UVS (2.te und letzte Instanz), der UVS kann
die Höhe des Strafbescheids neu festlegen (-> in unserem Fall relevant, da Frau
Schnell geständig ist, aber weniger zahlen will)
Nach der letzten Instanz (UVS) kann sie, wenn die Vorraussetzungen gegeben sind,
den VwGH anrufen
 VwGH: einfache Gesetze
 VfGH: verfassungsrechtliche Gesetze (zB. bei Verfahrensfehler! -> nur „kassatorisch“)
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12.
Patrick Eberle beantragte am 1. Jänner 2006 bei der Forstbehörde erster Instanz eine Rodungsbewilligung, da er auf seinem
Waldgrundstück ein Ferienhäuschen errichten will. Vom zuständigen
Sachbearbeiter mehrmals mit wenig überzeugenden Ausreden vertröstet, reißt ihm am 16. August 2006 endgültig der Geduldsfaden und
er droht mit Konsequenzen. Was wird er wohl meinen und wird er
damit Erfolg haben?
Da die zuständige Forstbehörde in 1. Instanz innerhalb der Entscheidungsfrist (6 Monate) keine Entscheidung getroffen hat kann Herr Eberle mit Hilfe eines Devolutionsantrages Beschwerde gegen das behördliche Versäumnis bei der unmittelbar
höheren Instanz einreichen. -> in unserem Fall wäre die Oberbehörde der LH (mittelbare Bundesverwaltung)
Kommt es bei der obersten Behörde binnen 6 Monaten erneut zu keiner Entscheidung, kann Herr Eberle eine Säumnisbeschwerde gegen die Untätigkeit einer Verwaltungsbehörde beim VwGH einreichen!
Der VwGH entscheidet - im Gegensatz zur Bescheidbeschwerde - bei der Säumnisbeschwerde meritorisch, d.h. in der Sache selbst.
Zusatz: Unzulässig sind Säumnisbeschwerden in Verwaltungsstrafsachen (ausgenommen Finanzstrafsachen). Der Ablauf der Entscheidungsfrist ist zu bescheinigen,
verfrühte Säumnisbeschwerden sind zurückzuweisen.
X. GRUNDRECHTE:
1. Was sind Grundrechte? Welche Arten unterscheidet man?
Grundrechte sind subjektive Rechte, die dem einzelnen durch eine Rechtsvorschrift
im Verfassungsrang eingeräumt werden. Das B-VG verwendet jedoch nicht diesen
Terminus, sondern spricht von „verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten“ (Art.
144 B-VG)
Nach traditionellem Grundrechtsverständnis sollen Grundrechte bestimmte Freiheitsräume gegenüber Eingriffen des Staates sichern. Grundrechte sind nach dieser Auffassung Abwehrrechte gegenüber dem Staat.
VfGH: Beschwerde über Verletzung der Grundrechte
VwGH: Beschwerde über subjektive Rechte, die sich aus einem einfachen Gesetz
ergeben
Der Inhalt der Schutzgewährleistung von Grundrechten kann ein unterschiedlicher
sein, je nachdem unterscheidet man zwischen liberalen, politischen und sozialen
Grundrechten.
-
liberale Grundrechte (Freiheits-/Abwehrrechte): u.a. Grundrecht auf persönliche Freiheit (PersFrBVG), das Hausrecht (HRG), das Recht auf Schutz des
Privateigentums (Art. 5 StGG), Erwerbsfreiheit (Art. 6 StGG), …
politische Grundrechte: aktives und passives Wahlrecht sowie die direktdemokratischen Teilhaberechte (Volksabstimmung, etc…)
soziale Grundrechte: (staatliche Unterstützung für den Bürger in Konfliktoder Notsituationen) – zB. Recht auf Arbeit, Recht auf Wohnung, Recht auf
Mutterschutz -> die meisten sind einfachgesetzlich (zB. ASVG, MutterschutzG)
-> bleiben rechtspolitisches Programm
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2. Nennen Sie die wichtigsten Rechtsgrundlagen der Grundrechte.
Die wichtigsten Rechtsquellen der Grundrechte sind:
-
das Staatsgrundgesetz von 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (StGG)
die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), samt ihren Zusatzprotokollen
das BVG vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit
Art. 7 B-VG Gleichheitssatz
das Gesetz vom 27.10.1862 zum Schutze des Hausrechts
DatenSchG 2000
das BVG zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierungen
Abschnitt V des III. Teiles des StV von St. Germain, Art. 7 u. 8 StV von Wien
3. Wer kann Grundrechtsträger sein? Können sich auch juristische
Personen auf Grundrechte berufen?
Staatsbürgerrechte: nur Staatsbürgern gewährleistet (zB Erwerbsfreiheit, Wahlrecht)
Menschenrechte: allen Menschen gewährleistet (auch Jedermannsrechte genannt)
Der VfGH und auch der EGMR anerkennen auch juristische Personen als Grundrechtsträger. Dies aber nur dann, wenn dies dem Wesen des betreffenden Grundrechts
nach möglich ist. (zB. bei Eigentumsgarantie, Gleichheitssatz, Erwerbsfreiheit)
Für Ungeborene gilt erst ab Geburt Grundrechtsanspruch!
4. Was ist der Unterschied zwischen materiellem und formellem
Gesetzesvorbehalt? Was gilt für vorbehalts-lose Grundrechte?
Gesetzesvorbehalt: Ausgestaltungen bzw. Einschränkungen der Grundrechte (Eingriffs- u. Ausgestaltungsermächtigung)
- Formeller Gesetzesvorbehalt: Es wird der Gesetzgeber formell zum Eingriff in
das Grundrecht ermächtigt, ohne dass bestimmte Schranken für diese Eingriffsermächtigung normiert wären.
Folge: Gefahr häufiger u. massiver Eingriffe -> VfGH sagt es muss einen unverletzbaren Kernbereich geben, in den auch der Gesetzgeber nicht eingreifen darf. Erlaubt
ist daher ein Eingriff insoweit, als er in seiner Wirkung nicht zur gänzlichen Aufhebung des Grundrechts führt. (alte Rechtssprechung)
-> neu: Verhältnismäßigkeitsprinzip
- Materieller Gesetzesvorbehalt: Die Ermächtigung zum Eingriff wird hier durch
Vorschreibung von Zwecken und Bedingungen für zulässige Grundrechtseingriffe
beschränkt.
Unterschied:
- öffentliche Interessen bei formellem G.Vorbehalt frei zu wählen (ob verfassungswidrig bedarf einer Verhältnismäßigkeitsprüfung)
- materieller G.Vorbehalt nur zum Schutz v. aufgezählten öffentlichen Interessen (zB.: Staatszielbestimmungen, etc…)
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Verhältnismäßigkeitsprinzip: Beschränkungen der Grundrechte und Eingriffe in ihren
Schutzbereich sind nach dem Gesagten nur unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit zulässig.
Prüfungsprogramm: der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass
- der vom Staat verfolgte Zweck legitim ist,
- das vom Staat eingesetzte Mittel geeignet ist,
- der Einsatz d. Mittels zur Erreichung des Zwecks notwendig bzw. erforderlich ist u.
- insgesamt ein angemessenes Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und der
damit verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigung gewahrt bleibt
absolute Grundrechte: ohne Gesetzesvorbehalt -> jedem innerhalb der Schranken
der allgemeinen Gesetze („immanente Grundrechtsschranken“) gewährleistet.
Aber in der neuen Judikatur spielt auch bei diesen Grundrechten das Gebot der Verhältnismäßigkeit eine wichtige Rolle. Die beiden wichtigsten Grundrechte dieser Art
sind die Freiheit der Wissenschaft (Art. 17 StGG) und die Freiheit der Kunst (Art. 17a
StGG). -> ähnliche Wirkung wie beim formellem G.Vorbehalt!
5. Was versteht man unter Drittwirkung?
Darunter stellt sich die Frage, ob die Grundrechte auch im Verhältnis der Bürger untereinander, also auch für das Privatrecht und im Privatrecht Geltung besitzen.
Ein Beispiel für ein typisches Drittwirkungsproblem: Ist der Vermieter einer Wohnung
beim Abschluss eines Mietvertrages an das Gleichbehandlungsgebot gebunden oder
darf er eine „willkürliche“ Auswahl zw. potentiellen Vertragspartnern nach ganz persönlichen Vorlieben treffen (Privatautonomie).
Man unterscheidet die unmittelbare u. mittelbare Drittwirkung!
Eine Drittwirkung kann durch eine ausdrückliche Verfassungsbestimmung angeordnet
sein („unmittelbare Drittwirkung“). Das ist in Österreich nur beim Grundrecht auf
Datenschutz der Fall, das nach § 1 Abs 5 DSG „auf dem Zivilrechtsweg“ geltend zu
machen ist, soweit Rechtsträger, die in Formen des Privatrechts eingerichtet sind,
tätig werden.
„Mittelbare” Drittwirkung meint, dass die Grundrechte nicht direkt, sondern bloß
durch Vermittlung einer Privatrechtsnorm, auf privatrechtliche Fragen einwirken und
hier angewandt werden; etwa § 16 (Generalklausel für Persönlichkeitsrechte) oder
§ 879 ABGB (Sittenwidrigkeitsklausel). – Der Gesetzgeber ist nämlich verpflichtet,
den vom jeweiligen Grundrecht geforderten Schutz(bereich) auch gegenüber Eingriffen von Privatpersonen abzusichern. Diese Aufgabe obliegt den ordentlichen Gerichten (insbesondere dem OGH).
Vom Grundrecht auf Datenschutz abgesehen ist es daher bis heute eine kontrovers
diskutierte Frage, ob von einer Drittwirkung der Grundrechte auszugehen ist, wie sie
sich dogmatisch begründen lässt und welche Konsequenzen sie allenfalls nach sich
zieht.
6. Welche besondere Bedeutung hat der Gleichheitssatz?
Hinweis: gehört zum Prüfungsstoff d. Bakk.-Fachprüfung Öffentliches Recht I.
Der Gleichheitsgrundsatz ist in Art. 7 B-VG, Art. 2 StGG, sowie in den
Art. 66 u. 67 StV von St. Germain normiert. Grundrechtsträger sind nur österreichische Staatsbürger bzw. inländische juristische Personen.
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Durch den Gleichheitssatz wird nicht, wie bei den klassischen Grundrechten, ein bestimmter Schutzbereich, also eine bestimmte Freiheitssphäre geschützt.
a) Verbot unsachlicher Differenzierung:
Der Gleichheitssatz setzt dem Gesetzgeber aber insofern inhaltliche Schranken,
als er ihm verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen.
Daraus ergibt sich eine besondere Struktur der Gleichheitsprüfung, die grundsätzlich in 2. Schritten erfolgt:
1. Vergleich mit welchen anderen Normen die zu prüfende Vorschrift zu vergleichen ist. Durch die Ermittlung der differenzierenden Regelungen wird also eine Ungleichbehandlung festgestellt.
2. Prüfung, ob die differenzierende Regelung sachlich zu rechtfertigen ist.
b) Gebot einer differenzierenden Regelung:
Ungleiches darf nicht unsachlicher Weise gleich behandelt werden.
c) Allgemeines Sachlichkeitsgebot:
In der neuen Judikatur hat der VfGH aus dem Gleichheitssatz ein allgemeines
Sachlichkeitsgebot abgeleitet: Überprüfung von Gesetzen am Gleichheitssatz, ohne den zuvor genannten Normenvergleich (a.) durchzuführen.
d) Vertrauensschutz:
Durch den VfGH in seiner jüngeren Judikatur hervorgehoben -> dieser Schutzgedanke stellt zum einen strenge Anforderungen an rückwirkend belastende Gesetze und schützt zum anderen vor Eingriffen in sog. „wohlerworbene Rechte“ (zB.
Regelungen bezüglich Pensionen), die nur dann zulässig sind, wenn sie sachlich
gerechtfertigt sind, wobei der Gesetzgeber bei Änderung der Rechtspositionen va
auch den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen hat.
Ein Bescheid verletzt den Gleichheitssatz dann, wenn
-
der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden
Rechtsgrundlage beruht,
die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen
gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder
sie
bei
Erlassung
des
Bescheides
Willkür
geübt
hat
(unter Willkür versteht man besonders gravierende Vollzugsfehler – resultieren va aus denkunmöglicher Handhabung eines Gesetzes)
In der Praxis des VfGH kam dem Gleichheitssatz lange Zeit eine alle anderen
Grundrechte überragende Bedeutung zu und auch heute ist er der praktisch
wichtigste Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen.
7. Nennen Sie die Grundrechte des Wirtschaftslebens.
Hinweis:
-
diese Grundrechte
(v.a. bei Fällen)
sind
für
Bakk.-Klausuren
besonders
relevant!
Unverletzlichkeit des Eigentums (Eigentumsgarantie) (Art. 5 StGG)
Erwerbsausübungsfreiheit (Art. 6 StGG)
Freiheit des Liegenschaftserwerbs
Freiheit der Berufswahl und Berufsausbildung
Vereinsfreiheit, einschließlich der Freiheit der Gewerkschaftsbildung
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8. Herr Xaver Müller möchte in Gmunden am Traunsee einen Motorbootverleihbetrieb eröffnen. Dies wird ihm jedoch von der
zuständigen Behörde mangels Bedarfes untersagt. Aus der Begründung geht hervor, dass sich der Bescheid ua auf § 5 Binnenschiffahrts-KonzessionsG stützt. Was kann Herr Müller untenehmen?
Herr Müller kann nach der letztinstanzlichen Behörde eine Bescheid-Beschwerde (Art.
144 B-VG) beim VfGH wegen der Verletzung eines Grundrechtes einreichen.
Ob er damit Erfolg haben wird, muss geprüft werden:
(Prüfungsschema für Bescheide)
I. Schutzbereich = Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsausübung
II. Eingriff = Bedarfsprüfung
III. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Eingriffes:
Es muss geprüft werden ob sich der Bescheid auf ein verfassungswidriges Gesetz
stützt.

Art. 6 StGG enthält einen formellen Gesetzesvorbehalt!
Rechtssprechung sagt: errichtet das Gesetz schon für den Antritt eines Gewerbes,
die der Betroffene, der alle subjektiven Voraussetzungen erfüllt aus eigener Kraft
nicht überwinden kann – eine Schranke, wie sie etwa die Bedarfsprüfung darstellt –
so liegt grundsätzlich ein schwerer Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleistete Erwerbsausübungsfreiheit vor!
 Gerechtfertigt ist eine Bedarfsprüfung nur bei angemessenen (Verhältnismäßigkeitsprinzip) wichtigen öffentlichen Interessen (zB. Staatszielbestimmungen) -> Bedarfsprüfung daher gerechtfertig bei Binnenschifffahrt (Umweltschutz!) -> siehe dazu VfSlg 12.009/1989 Beschränkung des Motorbootverkehrs.
Der VfGH wird zu Gunsten des Umweltschutzes entscheiden und die BescheidBeschwerde von Herrn Müller abweisen.
9. Friedrich Mayer weigert sich, für die dringende Errichtung eines
Gehsteiges Grund an den öffentlichen Straßenerhalter zu verkaufen, weshalb es zu einer Enteignung kommt. Wann ist eine
solche verfassungsrechtlich zulässig? Hat Mayer Anspruch auf
Entschädigung? Was hätte es für Auswirkungen, wenn mit dem
Bau des Gehsteigs auch nach Jahren nicht begonnen wird?
Eine Enteignung ist verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn ein konkreter Bedarf
vorliegt, das Objekt zur Deckung dieses Bedarfs geeignet ist und es unmöglich ist,
diesen Bedarf anders als durch Enteignung zu decken.
Enteignungen sind grundsätzlich nur gegen eine angemessene Entschädigung zulässig! (nicht gesetzlich geregelt -> Lehre sagt Anspruch ist ableitbar! VfGH verwendet
die Sonderopfertheorie, die aus dem Gleichheitssatz abgeleitet ist)
Wird das einer Enteignung zu Grunde gelegte Projekt nicht verwirklicht (so genannte
„zweckverfehlende Enteignung“) hat der betroffene Eigentümer einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rückübereignung, dh. auf Rückabwicklung der Enteignung.
-> Anspruch ist bei der letztinstanzlichen Behörde geltend zu machen!
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10.
Welche Bedeutung haben Grundrechte im Europäischen
Gemeinschaftsrecht?
Die innerstaatliche Geltung des Europäischen Gemeinschaftsrechts und sein Anwendungsvorrang gegenüber entgegenstehendem nationalem Recht, der auch gegenüber dem Verfassungsrecht wirksam ist, haben einschneidende Folgen für den
Grundrechtsschutz. Das Gemeinschaftsrecht ist an die Grundrechte des österreichischen Verfassungsrechts nicht gebunden und auch österr. Rechtsakte, die durch
Gemeinschaftsrecht determiniert sind, dürfen im Umfang dieser Determinierung nicht
an den Maßstäben des innerstaatlichen Verfassungsrechts einschließlich der Grundrechte gemessen werden.
Das Recht der EU enthält gegenwärtig keinen ausdrücklichen Grundrechtskatalog. In Form einer ausdrücklichen Annerkennung der Grundrechtsbindung der EU
stellt Art. 6 Abs. 2 EUV klar, dass die Union die Grundrechte achtet, wie sie insbesondere in der Konvention gewährleistet sind. Damit wurde die Beachtung der EMRK
der EU als rechtliche Verpflichtung auferlegt. Praktisch kann man davon ausgehen,
dass die Rechte der EMRK Ausdruck des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandards sind, der sich auch aus den Verfassungsüberlieferungen ergibt.
Trotzdem stellte das Fehlen eines kodifizierten Grundrechtskatalogs einen gravierenden Nachteil dar, der die Legitimation der EU als eine den Grundrechten verpflichtete
Rechtsgemeinschaft in Frage stellen konnte. Deshalb wurde 2000 die Europäische
Grundrechtscharta (EGC) ausgearbeitet, welche die geltenden EU-Grundrechte
„sichtbar machen“ sollte. Sie ist aber noch nicht mittelbar wirksam!
11.
Bei welchen nationalen und internationalen Instanzen
können Grundrechte eingeklagt werden?
national:
-
VfGH
International:
-
EuGH (Vorabentscheidungsverfahren)
EGMR (vollzieht die MRK)
-> Voraussetzung: alle nationalen Instanzen ausgeschöpft -> letztinstanzlicher Bescheid d. VfGH!
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A. Prüfungsschema für Gesetze (bzw. Verordnungen)
I. Schutzbereich
II. Eingriff
III. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Eingriffes
1. Grundrechte unter formellem Gesetzesvorbehalt:
Verhältnismäßigkeitsprüfung
(öffentl. Interesse, Eignung, Er-
forderlichkeit,
Verhältnismäßigkeit ieS)
2. Grundrechte unter materiellem Gesetzesvorbehalt: Verhältnismäßigkeitsprüfung
(beim öffentl. Interesse allerdings
Begrenzung auf im Grundrecht
genannte Ziele)
3. Gleichheitssatz:
Verbot unsachlicher
Differenzierung, Gebot differenzierender Regelungen
Allgemeines Sachlichkeitsgebot
4. Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt:
keine intentionalen Eingriffe,
bei allgemeinen Gesetzen
Abwägung zwischen dem Grundrecht und einem anderen zu
schützenden Rechtsgut bzw. der
Behörde Spielraum für Abwägung
lassen
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B. Prüfungsschema für Bescheide
I. Schutzbereich
II. Eingriff
III. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Eingriffes
1. Grundrechte unter formellem oder materiellem Gesetzesvorbehalt:
Ein Bescheid verletzt ein solches Grundrecht, wenn
a) er gesetzlos ergeht; dh ohne gesetzliche Grundlage
b) er sich auf ein verfassungswidriges Gesetz (gesetzwidrige VO) stützt: jede Verfassungswidrigkeit
c) die Behörde ein Gesetz denkunmöglich anwendet:
- völlig unvertretbare, qualifiziert rechtswidrige Gesetzesanwendung
- Unterstellen eines verfassungswidrigen Inhaltes
2. Gleichheitssatz:
Ein Bescheid verletzt den Gleichheitssatz, wenn
a) er auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht
b) die Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt
c) die Behörde Willkür übt
3. Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt:
Ein Bescheid verletzt ein solches Grundrecht, wenn
a) die Behörde dem Gesetz einen intentionalen Eingriff unterstellt
b) die Behörde bei Vollziehung eines (allgemeinen) Gesetzes das Gebot der Abwägung
zwischen dem, durch das zur Anwendung gekommene Gesetz geschützten,
Rechtsgut und dem Grundrecht nicht durchführt
UE: Öffentliches Recht I
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Recht & Wirtschaft - Studenten Forum
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Literaturverzeichnis:
Baumgartner [Allgemeines Verwaltungsrecht 2003]
Baumgartner (2003): Allgemeines Verwaltungsrecht; Springer-Skriptum, 3. Auflage Springer
Verlag: Wien
Berka [Lehrbuch Verfassungsrecht 2005]
Berka (2005): Grundzüge des österreichischen Verfassungsrechts
für das juristische Studium; Springer Verlag: Wien
Bosek/Pani [Grundzüge des Verfassungsrechts 2003]
Bosek/Pani (2003): Grundzüge des Verfassungsrechts; 3. Aufl. ORAC Verlag: Wien
Öhlinger [Verfassungsrecht]
Öhlinger: Verfassungsrecht, ältere Auflage, WU Wien Verlag
Stolzlechner [Einführung in das öffentliche Recht 2004]
Stolzlechner (2004): Einführung in das öffentliche Recht, 3. Auflage MANZ Verlag
UE: Öffentliches Recht I
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