Delikts- und Schadensrecht

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Prof. Dr. Alexander Trunk
Vorlesung: Zivilrecht im Ostseeraum
SS 2007
Do., 16.00 h c.t. - 18.00 Seminarraum des Instituts für Osteuropäisches Recht
31.5.2007: Deliktsrecht und Schadensrecht
A. Einführung
I. Systematik des dt Haftungs- und DeliktsR
Im dt. R unterscheiden wir, wie Sie wissen, zwischen den Vorschriften, die eine Pflicht zum
Schadensersatz begründen (dem sog. Haftungsrecht) und den Vorschriften, die die Art und
den Umfang des Schadensersatzes regeln (sog. SchadensR)
1. HaftungsR:
- innerhalb bestehender Sonderbeziehungen, insbes. innerhalb von Verträgen:
Leistungsstörungen §§ 280 ff, 437 Nr.3 BGB
- außerhalb bestehender Sonderbeziehungen: §§ 823 ff und Sondergesetze, z.B.
StraßenverkehrsG, ProdukhaftungsG etc.
2. SchadensR: §§ 249 ff und einzelne Sonderbestimmungen, z.B. § 842 (Umfang SEA bei
Verletzung einer Person)
II.
Geschichtliche und rechtsvergleichende Entwicklungslinien
Wenn wir die Rechtsordnungen des Ostseeraums mit dem Regelungsmodell des dt. R
vergleichen wollen, müssen wir zunächst einige historische und allgemeinrechtsvergleichende Bemerkungen voranstellen.
1. HaftungsR - StrafR
DeliktsR und Strafrecht waren im Mittelalter eng verknüpft. Die klare Trennung zwischen
dem Strafanspruch des Staates (Strafziele: Vergeltung, Spezial- und Generalprävention) und
dem Schadensersatzanspruch zwischen Privaten (Schadensausgleich) ist eine rechtliche
Entwicklung der frühen Neuzeit. Gleichwohl bestehen zwischen dem StrafR und dem
HaftungsR bzw. SchadensR noch zahlr. Verbindungen, z.B. über
- § 823 II, der die Verletzung von (insbesondere auch strafrechtlichen) Schutzgesetzen mit der
Schadensersatzsanktion belegt,
- oder § 253 II (Schmerzensgeld - auch generalpräventive Gesichtspunkte),
- oder § 830 (Mittäterschaft und Teilnahme durch Verweis auf StrafR geregelt)
2. HaftungsR
a) Haftung in bestehenden Schuldverhältnissen: Tendenz von getrennten
Haftungstatbeständen (Unmöglk., Verzug, PFV: so früher) zu einheitl. Vertragsverletzung mit
verschiedenen Untergruppierungen: s. UN-KaufR, jetzt im wesentlichen auch §§ 280 f.: heute
nicht zu behandeln.
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b) DeliktsR
Von delikt. Einzeltatbeständen (röm R: furtum, iniuria etc., engl. R: trespass, negligence,
defamation, u.a.) zu delikt. Generalklausel: art.1382 C.civ. fr. (Erbe der Aufklärung: Jean
Domat, Hugo Grotius).
Dt. R nimmt Zwischenstellung ein: grds. keine delikt. Generalklausel, sondern konkreter
RGüterschutz (arg. RSicherheit). Aber “kleine” Generalklauseln, § 823 II, 826.
3. SchadensR:
- Von getrennten Regelungen für Schadensersatz in best. Schuldverhältnissen (vgl. art.1146
C.civ.fr. - art.1382 ff C.civ.fr.)
- zu übergreifenden Regeln für das SchadensR: §§ 249 ff BGB (mit Modifikationen für SEA
je nach haftungs-r Kontext: z.B. Unterscheidung pos./neg. Interesse gibt es grds. nur bei
Haftung innerhalb von Verträgen).
4. Europäisches Haftungs- und Schadensrecht?
Bislang nur Einzelbereiche geregelt: z.B. Produzentenhaftung ggü. Verbrauchern,
Zahlungsverzug im Handelsverkehr. ArbGruppe zur Vorbereitung eines europ.
Zivilgesetzbuchs (Vors. v. Bar) will auch Delikts- und SchadensR aufnehmen.
5.
Beispielsfall zur Haftung, den wir in der Vorlesung heute lösen wollen (mit
Modifikationen):
E ist Eigentümer eines Wohnhauses. Er will seine Dachrinne durch die Installateurfirma IGmbH reparieren lassen. Die I-GmbH sendet ihren zuverlässigen Monteur M. Bei der
Montage der neuen Dachrinne wird durch einen Funkenflug des Schneideapparats das
benachbarte Holzhaus des N in Brand gesetzt (Alternativ: Verschulden des M: ja/nein).
Ergänzung: N wird verletzt und muß sich im Krankenhaus behandeln lassen. Die Kosten der
Behandlung trägt die Krankenversicherung des N. Außerdem kann N seinem Beruf als
Handelsvertreter 3 Wochen lang nicht nachgehen. Er verliert dadurch Einnahmen (Gewinn) in
Höhe von 10 000,-- Euro aus einem Geschäft, dessen Abschluß er bereits weitgehend
vorbereitet hatte.
Ansprüche des N gegen E und die I-GmbH und ggf. M?
B. Rechtsquellen Deliktsrecht und Schadensrecht
I. Skandinavien
1. Schweden
- DeliktsR + SchadensR: Schadensersatzgesetz (skadestandsrätt) v. 2.6.1972
- Sonderregelungen:
VerkehrsschadensG 1975/1977
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VerbrechensschadensG 1978
ProdukthaftungsG 1992
G über Haftung für Luftfahrtschäden 1922
UmwelthaftungsG 1986
Vertragl. HaftungsR: vgl. insbes. KaufG
2. Dänemark
- DeliktsR: Rspr., z.T. Art.3-19-2 Danske Lov 1683 (ArbG haftet für ArbN)
- SchadensR: G über die Schadensersatzpflicht (lov om erstatningsanvar) Nr.228/1984
-Sonderregelungen:
StraßenverkehrsG
LuftverkehrsG
EisenbahnhaftungsG
ProdukthaftungsG 1989 (= Umsetzung EG-RiL)
Vertragl. HaftungsR: vgl. insbes. KaufG
3. Norwegen
- DeliktsR: Rspr
- SchadensR: SchadensersatzG (lov om skadeerstatning) v. 13.6.1969
- Sonderregelungen:
Kfz-SchadensersatzG 1961
EisenbahnschadensersatzG 1977
ProdukthaftungsG 1988 (beruht auf EG-RiL)
4. Finnland
- DeliktsR und SchadensR: SchadensersatzG 1974
- Sondergesetze:
PatientenschadensersatzG 1986
G über Erstattung von Umweltschäden 1994
AtomhaftungsG 1972
G über staatl. Erstattung von Schäden im Zshang mit strafbaren Handlungen 1974
ProdukthaftungsG 1990 (beruht auf EG-RiL)
II. Osteuropa
1. Polen:
- DeliktsR: Art.415 - 449 poln. ZGB 1964
- SchadensR: Art.361 - 363 poln. ZGB, ergänzend Art.444 - 448/I ZGB
- Sonderregelungen
Art.24 poln. ZGB Persönlichkeitsschutz
Art.39, 31 PresseG (Richtigstellung und Antwort)
Vertragl. Haftung: insbes. Art.471 - 486, 556, 574 poln. ZGB 1964. Konkurrenzbestimmung:
Art.443 poln. ZGB 1964
Schadensersatz im EBV: Art.224, 225, 230 poln. ZGB (Privilegierung des gutgl.
Eigenbesitzers)
2. Estland:
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- DeliktsR und SchadensR: SchuldRG v. 28.9.2001:
1. Teil (SchuldR-AT), Abschnitt 5 (Pflichtverletzung) §§ 100 - 118 (wohl nur in bestehenden
Schuldverhältnisse)
1. Teil, Abschnitt 7 (SEA) §§ 127 - 140: SchadensR
10. Teil (Außervertragl. SchuldR), Abschnitt 53 (DeliktsR) §§ 1043 - 1067: Allg.
Bestimmungen, Haftung für Gefahren durch größere Gefahrenquellen, Produkthaftung
- Sondergesetze
z.B. VerbraucherschutzG v. 15.12.1993, s. § 4 Ziff.6 (R des Verbrauchers auf SEA), § 20
(SEA des Verkäufers, Regressanspruch Verkäufer gg. Produzent bei Verschulden)
- SEA SachenR, insbes. im EBV: SachenRG 1993
= § 35 unterscheidet zw. gutgl. und bösgl. Besitz
= § 80 ff EBV. § 84 Abs.2/3 Schutz des gutgl. (unverklagten) Besitzers
= § 117 bei Verlust der Rechte Dritter an einer Sache bei Übereignung, Vermischung etc.
“Schadensersatz nach den Bestimmungen über ungerechtfertigte Bereicherung” (?)
= Nachbarrecht: §§ 143 ff: Abwehransprüche (z.T. eingeschränkt)
3. Lettland:
BGB 1937 4.Buch (SchuldR)
- DeliktsR (III. Kap.): §§ 1635 - 1650 lett. BGB 1937 (gleiches Kap. wie Verzug), §§ 1779 ff
lett. BGB.

SchadensR: §§ 1770 - 1778, 1786 - 1792 lett. BGB 1937 (vermischt mit
Haftungsbegründung §§ 1779 ff: dürfte auch vertragl. Haftung miterfassen)
- Sondergesetze?
- Vertragl. Haftung: z.B. §§ 1662 (Verzug), 1605 (Gewährleistung im KaufV), 1620, 2021,
2030.
Konkurrenzbestimmung § 1785 lett. BGB
4. Litauen:
- neues lit. ZGB 2000, 6. Buch (SchuldR), Teil 3 („anderes“ = grds. außervertragl. SchuldR),
Kap.22 (Haftpflicht), Art.6.245 ff: Allg. Bestimmungen, Art.6.256 ff Vertragshaftung,
Art.6.263 ff Delikt, Art.6.292 ff Produkthaftung, Art.6.301 ff Irreführende Werbung
S.a. Kap.53 ZGB (VersicherungsR), Art.6.987 ff ZGB
- Sondergesetze
z.B. VerbraucherschutzG v. 10.11.1994, z.B. § 9 (allg. SEA des Verbrauchers gg. Verkäufer
od. Erbringer von Dienstleistungen; Produzent nicht angesprochen).
5. Russland:
- DeliktsR: § 16 ZGB Teil 1 (Amtshaftung), § 152 ZGB Teil 1 (Persönlichkeitsschutz),
Kap.59: §§ 1064 - 1098.
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Ergänzend z.T. Rückgriff auf §§ 393 ff (SEA innerhalb bestehender schuld-r
Sonderbeziehungen)
Vergleich mit §§ 444 - 471 ZGB 1964, Art.126 - 133 GZG 1991.
- SchadensR: § 15 ZGB Teil 1, § 151 ZGB Teil 1 (Ersatz immateriellen Schadens) [Zshang
mit allg. Bestimmung immaterieller Güter in § 150), ergänzend §§ 1099 - 1101 ZGB Teil 2
(Ersatz immateriellen Schadens)
Vergleich mit ZGB 1964, GZG 1991
- Sondergesetze:
G über Massenmedien v. 27.12.1991, z.B. Art.46 (Recht auf Antwort/Gegendarstellung) und
57 (Haftungsprivilegien)
UmweltschutzG 2003: verweist weitgehend auf ZivilR
VerbraucherschutzG v. 7.2.1992: regelt auch Produkthaftung (übergreifend vertraglich und
außervertraglich) (besonderes ProdukthaftungsG besteht nicht)
ArbeitsR? ArbGB prüfen Im ZGB s. z.B. § 1068 ZGB (Haftung ArbG für ArbN), § 1081
Regressanspruch (Haftungsprivileg ArbN?)
- Sonstige?
Vertragl. Haftung: z.B. §§ - 393 - 404, 405 (allg. Kap. über Haftung bei Verletzung von
Verbindlichkeiten), insbes. § 395 ZGB Teil 1 (Grundnorm). Daneben Haftungsnormen in
speziellerem Zshang, z.B. im KaufR: §§ 461, 475. Sonderregelung Produkthaftung (innerhalb
und außerhalb Vertrag) in §§ 1095 - 1098 ZGB Teil 2.
SEA im EBV: unklar: s. § 303 I (Anspruch E gg B Herausgabe Nutzungen; Schutz des gutgl.
Besitzers; SEA wg. Verschlechterung/Untergang der Sache offenbar nicht angesprochen), §
304 ZGB Teil 1 (Beseitigung von Störungen).
C. Kernelemente des Deliktsrechts
I. Deliktische Generalklausel oder Einzeltatbestände
1. Skandinavien
Soweit Rspr, gilt Generalklausel (“culpa”-Grundsatz). So auch ausdrücklich 2.Kap. § 1
schwed. SchadensersatzG 1972.
Aber Erweiterung durch Gefährdungshaftung + z.T. Ablösung durch VersicherungsR, s.u.
2. Osteuropa
a) PL: Art.415 ZGB delikt. Generalklausel. EinzelTB insbes. Art.24 ZGB (PersönlkSchutz).
b) Lettland: Art.1635 lett ZGB delikt. Generalklausel, wiederholt in Art.1779.
c) Litauen: Art.6.246 (wohl eig. Anspruchsnorm) i.V.m. konkretisierenden HaftungsTBs, z.B.
für Delikt Art.6.263, 6.264 (ArbG-Haftung etc.)
d) Estland: § 1043 Generalklausel
e) Russland: § 1064 ZGB Teil 1 leicht konkretisierte Generalklausel, ergänzt durch
EinzelTBe, z.B. § 1068- 1071 (insbes. Amtshaftung), 1084 - 1094 (Leibesschäden: betr. aber
eher SchadensR), 1095 (Produkthaftung, auch innerhalb von Verträgen)
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II. Anspruchsaufbau
Dt:
- Anspruchsvoraussetzungen: Handlung, Rechtsgutsverletzung bzw. Schaden (vgl. §
826), Kausalität, Rechtswidrigkeit, Verschulden.
Haftungsausfüllung: RGutsverletzung (bei vertragl. Haftung: Pflichtverletzung) führt
kausal zu Schaden (insoweit kein Verschulden nötig). SchadensR s.u.
1. Skandinavien: ebso. (allerdings nicht Diff. RGutsverletzung/Schaden, s.u.)
2. Osteuropa: ebso. (wie Skandinavien nicht Diff. RGutsverletzung/Schaden)
III. Verschuldenshaftung - Gefährdungshaftung
1. Allgemeines
a) Skandinavien: Grds. Verschuldenshaftung, ausnahmsweise Gefährdungshaftung, z.B. für
Tiere (Dk: HundehaftungsG, im übrigen Rspr), Eisenbahn, Flugzeuge, Kfz, Ölförderung (Dk:
G über Erdgasversorgung), Umweltschädigung (S: UmwelthaftungsG 1986, Dk:
UmwelthaftungsG 1994: nur bestimmte Großbetriebe))
In Dk in Einzelfällen durch Rspr zugelassen, z.B. Arbeiten auf einem Grundstück (strikte
Haftung des Gebäudeeigentümers ggü Nachbarn)  Beispielsfall!
b)
Osteuropa: grds. ebso.
aa) s. § 415 poln. ZGB, versch. TBe der Gefährdungshaftung, insbes. §§ 435 f. poln. ZGB.
bb) §
1064 I iVm II und III russ. ZGB. Historisch nach Oktoberrevolution zunächst Übergang
zu Gefährdungshaftung (arg. zwischen Angehörigen der Gesellschaft verschwinden
Interessengegensätze), vgl. Art.403 f. russ. ZGB 1922.
cc) Art.6.270 lit. ZGB (Quellen „größere Gefahr“)
dd) §§
1056, (1057), 1058 estn. SchuldRG 2001
2. Fragen der Verschuldenshaftung
a) Verschuldenskategorien und Verschuldensmaßstab
D: Vorsatz/Fahrlässigkeit, § 276. Fahrlk: obj. Verschuldensmaßstab
(Verkehrserforderlichkeit, aber nach Verkehrskreisen z.T. differenziert).
aa) Skandinavien: grds. wie Dt.; Fahrlk-Maßstab sog. bonus pater familias-rule: Standard
einer vernünftigen und vorsichtigen Person.
bb) Osteuropa
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aaa) PL: Art.415 ZGB “Verschulden” --> Art.355/II “erforderl. Sorgfalt” nach obj. Maßstab
(gilt wohl auch für delikt. Haftung). Vorsatz/Fahrlk. nicht ausdrückl. in ZGB, aber durch
Lehre anerkannt (vgl. Diss. Mol).
bbb) Russland: § 1064 Punkt 2: “Verschulden” --> LegalDef. § 401 Punkt 1 (Vorsatz/Fahrlk.).
Obj. Verschuldensmaßstab: § 401 Punkt 1 2.Unterabs.; früher höhere Anspannung verlangt
(Sorgfalt der Besten) --> unrealistisch.
b) Beweislast bzw. Beweiserleichterungen
Dt: Grds. muß Geschädigter Verschulden (und alle anderen Anspruchsvorr.) beweisen,
§ 823 (anders § 282 bei Unmögl und PFV) und § 285 bei Verzug). Ausnahmen, z.B.
bei Arzthaftung, Produzentenhaftung etc.: Sphärengedanke. Gesetzl.
Beweislastumkehr insbes. § 831 (Haftung Geschäftsherr für Verrichtungsgehilfen)..
aa) Skandinavien: grds. liegt Beweislast für Anspruchsvorr. einschl. Verschulden bei dem
Geschädigten.
In best. Fällen Umkehr der Beweislast.
- z.B. Haftung für Verkehrsunfälle im dän R: VerkehrsunfallG 1976 (Halter- und
Fahrerhaftung) (s. Kruse S.164: nicht klar, ob nicht doch Gefährdungshaftung mit
Entlastungsmöglk gemeint ist
- nach Kruse S.164 so z.T. auch in ProdukthaftungsR aufgrd allg. DeliktsR (jetzt aber
spezielles ProdukthaftungsG)
bb) Osteuropa
aaa) PL: grds. wie Dt: Geschädigter muß beweisen, Art.415 poln. ZGB. Beweislastumkehr
z.B. bei Gehilfenhaftung, § 429.
bbb) Russland:
Grds. muss sich Schädiger entlasten, § 1064 Punkt 2. Sonderregel für Unternehmer § 401
Punkt 3: auch im DeliktsR anwendbar? Grds. strikte Haftung, nur Entlastung bei höherer
Gewalt (in 401 auch LegalDef.: nicht gleichzusetzen mit Zufall)
c) Verschuldensfähigkeit
Dt: §§ 827 (7 J. - 18 J.), 828 (Störung der Geistestätigkeit). Bei Alkohol, Rauschmittel
etc. gilt Fahrlk-Haftung. § 829 [vgl. mit §§ 104 ff: 7 J. als Grenze zw.
Geschäftsunfähigkeit und beschr. Geschäftsfähigkeit]
aa) Skandinavien:
- in Dänemark bei Geistesstörungen und bei Mj unter 15 J. Ermessen des Gerichts zur
Haftungsreduktion oder -verneinung.
bb) Osteuropa
aaa) PL:
- § 425: entspricht § 827 dt BGB
- § 426 bis 13 J. deliktsunfähig.; Mj über 13 J anscheinend voll deliktsfähig.
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bbb) Russland: extrem ausführliche Regelung.
§ 1073: - 14 J. deliktsunfähig, aber Eltern haften.
§ 1074: 14 - 18 J: grds. volle Deliktsfähigkeit; ggf. Einstandshaftung der Eltern mit
Entlastungsmöglk. Aber Schutz des Mj durch § 1078
§ 1075: Ermessen Gericht, Eltern ohne ErziehungsR Haftung für Schäden Mj aufzuerlegen.
§ 1076: Deliktsunfähigkeit Geschäftsunfähiger, uU Haftung Vormund mit Entlastungsmöglk.
§ 1077: volle delikt. Eigenhaftung von Personen, die wg Alkoholmißbrauchs für beschränkt
geschäftsfähig erklärt wurden: recht pauschale Lösung. Ergänzend § 1078 mit Einschränkung
§ 1078 Punkt 2.
§ 1078: Keine Eigenhaftung bei fehlender Einsichts- und Handlungsfähigkeit: gilt sowohl für
Volljährige als auch für Mj zw. 14 - 18 J. Z.T. Ermessensbefugnisse Gericht. S. a. § 1078 III.
d) Mitverschulden
Dt: § 254 flexible Gewichtung.
aa) Skandinavien:
flexible Abwägung Mitverschulden. Z.T. ausdrückl. Regelungen. Z.T.
standardisierte Verschuldensgrade (2/3, ½, 1/3, so Dk)
bb) Osteuropa
aaa) PL:
- § 362 ZGB - entspricht § 245 dt BGB
- § 440 ZGB Ermessensbefugnis des Gerichts zur Haftungsmilderung zw. nat. Personen, u.a.
abhängig von Vermögen beider Seiten. “Gesellschaftl. Zsleben”.
bbb) Russland: § 1083 ZGB: Keine Haftung bei Vorsatz des Geschädigten. Bei grobem
Mitverschulden des Geschädigten zwingende SE-Minderung. Best. Ausnahmen, in denen
Mitverschulden unbeachtlich ist (Tötung des Ernährers etc.).
§ 1083 Punkt 3: Ermessensbefugnis des Gerichts zur Haftungsmilderung entsprechend der
Vermögenslage des Schädigers.
3. Fragen der Gefährdungshaftung
a) Skandinavien: EinzelTBe,
- z.T. in Sondergesetzen (VerkehrsR: Straßenverkehr, Luftverkehr, SeeR). Wichtig
Produkthaftungsgesetze z.B. in Dk, S, F. Bemerkenswerterweise auch in N (EWR).
- z.T. in allg. SchadensersatzG: 3.Kap. § 1 ArbG haftet für ArbN (Verschulden des ArbN
nötig, aber nicht des ArbG? Gilt diese Bestimmung auch für vertragl. Haftung?)
b) Osteuropa
aa) PL: EinzelTBe, aber z.T. recht weit gefaßt, s. Z.B.
bb) Russland:
- Generalklausel § 1079
- Zudem Spezialregelungen, insbes. Produzentenhaftung: §§ 1095 (allg.) und
VerbraucherschutzG 1992 (nur betr. Verbraucher, dazu nä. Stunde).
IV. Ermessensbefugnisse des Gerichts
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Dt: Im HaftungsR grds. nicht, Ausn. § 829. Im SchadensR Schätzung gem. § 287 ZPO
möglich. Mat-r § 847 (Schmerzensgeld).
1. Skandinavien: stärkere Ermessenselemente als im dt R
2. Osteuropa: Ermessen noch stärker betont, z.B. § 440 poln. ZGB.
V. Verhältnis Deliktshaftung - Versicherungsschutz
1. Skandinavien: große Bedeutung Versicherungsschutz. Grds. kein Ausschluß Deliktshaftung
durch Versicherung. Einige spezialgesetzl. Ausnahmen. Diff. Regelungen (für
Personenschäden grds. nebeneinander Versicherung + Deliktshaftung zugelassen + kein
Regress der Versicherung)
2. Osteuropa
Haftpflichtversicherungen noch nicht so weit verbreitet wie in Dt: vgl. Russland - z.B.
generelle Kfz-Haftpflichtversicherung erst ab 1.7.2003 eingeführt (G über KfzHaftpflichtversicherung Dez ? 2002)
Versicherung schließt grds. Haftung nicht aus, vgl. § 1072. Subrogation § 965 russ. ZGB.
VI. Verhältnis vertragliche - deliktische Haftung
Dt: grds. Anspruchskonkurrenz, aber z.T. ggs. Beeinflussung der Haftungsregeln (z.B.
Angleichung Verjährung?)
1. Skandinavien: grds. keine konkurrierende Haftung.
2. Osteuropa
a) PL: § 443 Anspruchskonkurrenz
b) Russland: grds. Non-cumul: vertragl. Haftung schließt delikt. Haftung aus, arg. e contrario
§ 1095 Abs.1 ZGB Teil 1.
c) Estland: grds. non-cumul, § 1044 II estn. SchuldRG
d) Lettland: non-cumul, § 1785 lett. ZGB
e) Litauen: wohl Anspruchskonkurrenz
VII. Sonderfragen
1. Haftung für Hilfspersonen
a)
Skandinavien: strikte Haftung, s. z.B. Art.3-19-2 Danske Lov: Der Meister haftet für die
Schäden, die seine Gehilfen in Ausübung ihrer Tätigkeit fahrlässig verursacht haben:
gilt sowohl im Vertrag als auch bei Delikt. Setzt keine Eigenhaftung des ArbN voraus.
Gilt für Arbeiter und andere “Verrichtungsgehilfen”, aber grds. nicht für selbständ.
Subunternehmer.
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b) Osteuropa
aa) PL: Sonderregeln über Staatshaftung §§ 417 - 421/II: z.T. sehr restriktiv, s. § 418.
§ 429 Haftung für Gehilfen mit Entlastungsmöglichkeit: ähnlich § 831.
§ 430 Haftung für Gehilfen ohne Entlastungsmöglichkeit. Abgrenzung zu § 429?
bb) Russland:
§ 1068 I strikte Haftung des Geschäftsherrn für “Arbeiter”. Diese müssen wohl
(?) selbst Haftungsvorr. erfüllen
§ 1068 II strikte Haftung WirtschaftsGes für Gesellschafter/Gründer (?). Organhaftung findet
sich im GesR.
Sonderregel §§ 1069 -1071 Unmittelbare Staatshaftung (wie bei Haftung für Arbeiter gem. §
1068 I).
Vgl. §§ 839 BGB, 34 GG.
cc) Litauen:
Art.6.264 lit. ZGB (ArbG haftet für ArbN-Verschulden). Keine Entlastungsmöglk.
dd) Estland:
§ 1054 I SchuldRG (denkbar auch j.P. als Gehilfen?): entspricht wohl § 831
(Delikt.) Gilt nur bei gewerbl./berufl. Tätigkeit des Auftraggebers. Keine Exkulpation.
Weitergehend § 1054 II (auch bei nichtgewerbl. Tätigkeit: wohl auf vertragl.
Verbindlichkeiten bezogen: Erfüllungsgehilfe).
2. Schuldnermehrheit
Dt: § 840 gesamtschuldnerische Haftung. § 830 verweist auf StrafR.
a)
Skandinavien: gesamtschuldnerische Haftung
b)
Osteuropa
Russland: § 1080 Gesamtschuldnerische Haftung. § 1081 Sonderregel über Regress.
D. Kernelemente des Schadensrechts
I. Übergreifende oder kategorienspezifische Ausgestaltung des Schadensrechts
Dt.: grds. übergreifend §§ 249 ff BGB.
1. Skandinavien: kategorienspezifisch, s.o. (grds. getrennt für Delikts- und VertragsR)
2. Osteuropa
z.B. PL: grds. übergreifend §§ 361 ff, z.T. kategorienspezifisch §§ 444 ff
II. Naturalrestitution/Geldausgleich
Dt. Vorrang: Naturalrestitution. Vgl. Ausland: England: Vorrang Geldleistung.
1.
Skandinavien: wohl grds. nur Geldersatz (s. Ring/Olsen-Ring S.124).
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2. Osteuropa
a) PL: Wahl des Geschädigten zw. Naturalrestitution und Geldersatz, § 362
b) Russland: grds. Naturalrestitution (§ 15 ZGB); Voraussetzungen des Übergangs zu
Geldersatz unklar.
III. Totalrestitution/Ausgleich nach Verschuldensintensität
Dt.: Totalrestitution, § 249 S.1 BGB
1. Skandinavien: Totalrestitution
2. Osteuropa
a) PL: Totalrestitution. Nur SEA für die “normalen” Folgen: auch Kausalitätsfrage.
b) Russland: grds. Totalrestitution, Art.15. Vermischung SEA mit ungerechtfertigter
Bereicherung in § 15 Punkt 2 letzter Unterabsatz.
Art.15 Punkt 2 ZGB: entgangener Gewinn nur wie nach allg. Umständen erzielbar zu
ersetzen. Anders dt R (auch individuell erzielbarer entgangener Gewinn ersatzfähig).
IV. Ersatzfähigkeit materieller/immaterieller Schäden
Dt. § 253. Ausn. zB. § 847.
1. Skandinavien: grds. nur Ersatz wirtschaftl. Schäden. Ausn.: Körper- und
PersönlkVerletzung: Schmerzensgeld.
2.
Osteuropa
a) PL: § 448/II ZGB(Schmerzensgeld) - § 24 ZGB (auch Zahlung für guten Zweck)
b) Russland: § 151 Schmerzensgeld bei Verletzung von Persönlichkeitsgütern.
Abwägungskriterien. Sonderregelung § 152 für Ehre etc. Ergänzend G über Massenmedien.
Ergänzend ferner §§ 1099 ff ZGB.
c)
Lit. ZGB: Art.6.250 (grds. kein Ersatz immat. Schadens; aber Ausn. bei Personenschäden +
gesetzl. Regelungen)
d)
Est: § 134 est. SchuldRG: Schmerzensgeld grds. nur bei Personenschäden. Grds. nicht im
VertragsR (134 I).
Beachte auch Sonderregelung für Umweltschäden in § 133 (Vermögensschaden).
V. Kausalitäts- und Wertungsfragen: hypothetische, alternative und überholende Kausalität,
Vorteilsausgleichung
1.
Skandinavien: grds. kann nur der direkt Geschädigte SE verlangen (nicht ArbG bei Tötung
ArbN)
2. Osteuropa: Thematik wenig erörtert.
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Weiterführende Literatur:
1) Skandinavien:
Ring/Olsen-Ring § 14
Kruse, in: Gammeltoft-Hansen u.a., Danish Law (1982), S.161 ff
Hellner, Entwicklungslinien im schwedischen Haftpflichtrecht, FS Sieg (1976), S.155 ff
ders., Staatshaftung und Schutznorm im schwedischen Recht, VersR 1983, S.38 ff
Lödrup, Fahrlässigkeit im norwegischen Recht, VersR 1984, 1005
Paamtila, Das finnische Produkhaftungsgesetz RIW 1991, S.560 ff
Radau, Gefährdungshaftung und Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz, VersR 1991,
S.387 ff
2) Osteuropa:
Trunk, Persönlichkeitsschutz und Presserecht - Rechtsvergleichende Bemerkungen zum
russischen Recht aus deutscher Sicht, Osteuropa Recht 4/1999, S.313 ff
Mol, Haftung für Pressepublikationen (2000)
Lektürevorschlag für nächste Veranstaltung:
- Abschnitte zum Verbraucherschutz bei Ring/Olsen-Ring
- Sevillano, Das neue russische Verbraucherschutzgesetz und seine Implikationen für
Investoren, WiRO 2000, S.361 ff
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