Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 Vll. Die Variationen der strukturellen Mängel (Selbstpathologie) - Unterschied Psychose: Im Vordergrund stehen hier der strukturelle Mangel, die Ich-Schwäche und die Unreife der Abwehrmechanismen Neurose: Im Vordergrund stehen der Konflikt sowie die reiferen Abwehrmechanismen. - Eigenschaften der Selbstpathologie: Störungen, die auf einer pathologischen Verarbeitung sehr früher Konflikte beruhen, also durch „das, was fehlt“ charakterisiert sind - Systematik struktureller Mängel nach Mentzos: 1. Psychose: 3 Zustände des Kern-Selbst aufgrund unterschiedlicher Qualitäten der Interaktion mit den Selbstobjekten: Nicht-Kohärenz: keine effiziente Spiegelung auf die Gesamtheit und Kontinuität des Kern-Selbst (hier spricht man Schizophrenie) Gewisse Kohärenz: keine emotionale Bestätigung (leere Depression) Kern-Selbst konnte nur zu bestimmten Zeiten an der Sicherheit eines idealisierten Objekts teilhaben (manisch-depressiv) Konzept der Psychose: Das Psychotische sollte angesehen werden als ein schwerer (akuter oder chronischer) struktureller Mangel (fehlende Kohärenz, Fragmentierungstendenz, vitale Entleerung), der mit archaisch-primitiven Abwehrmechanismen (und Reparationsmechanismen) wie Projektion, Verleugnung, Introjektion beantwortet wird 2. Borderline: - schwache Integration der positiven und negativen Anteile sowohl der Objekt- als auch der Selbstrepräsentanz Ausgelöst durch mangelhafte Festigung dieser Integration in der Wiederannäherung Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 3. Narzißtische Störungen im engeren Sinne (KOHUT) - Im Vordergrund steht die Regulation des Selbstwertgefühls 2 Untergruppen: 1. narzisstische Verhaltensstörungen (Symptome, die eher Aktionen oder Interaktionen betreffen: Perversionen, pathologische Delinquenz oder süchtiges Verhalten) 2. narzisstische Persönlichkeitsstörungen (Symptome, die eher den psychologischen Zustand betreffen: Hypochondrie, Depression, Mangel an Lebensfreude) VIII. Variationen der reiferen (»psychoneurotischen«) Modi der Konfliktverarbeitung 1. Der hysterische Modus - Historie: Ägypter und Griechen brachten die hysterischen Phänomene mit einer »Wanderung« der Gebärmutter im Körper in Zusammenhang. Mittelalter: Menschen, die vom Teufel besessen sind Im 18. Jh. Gynäkologische und im 19. Jh. als neurologische Erkrankung - Konzepte zunächst energetische Konzeption: aufgestaute libidinöse Energie wird in somatische Innervation konvertiert später die symbolische Funktion: Die Symptome drücken verdrängte Inhalte (Vorstellungen und Gefühle) durch den Körper aus Psychodynamik hysterischer Symptome: Es geht, wie bei jedem neurotischem Syndrom um eine Kompromißbildung zwischen dem abgewehrten Impuls und der verdrängenden Ich-Instanz (der Modus ist die Konversion) - Mechanismen: Unspezifische: wesentlich sind die Identifikationen, die Konversion, Verdrängung, Dissoziation, Emotionalisierung Spezifische: Für den äußeren und den inneren (Über-Ich) Beobachter findet eine Inszenierung statt Durch das, was ausgedrückt und inszeniert wird, kann der Betreffende »in einem anderen Licht erscheinen« das Bedeutet eine passagere, inszenierte Änderung der Selbstrepräsentanz: Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 a) Pseudoprogressiv (er erscheint größer/besser): phallisch-narzisstische Charaktere b) Pseudoregressiv (erscheint schwächer): Sprachstörungen, Blindheit, Taubheit demonstrativer Selbstmord usw. - Grundkonflikte: Konflikte aus der ödipalen Phase, der oralen Phase (unvollständige Symbioseablösung sowie alle weiteren nicht verarbeiteten Trennungen) und eine narzißtische (Selbst) Problematik (strukturelle Mängel im Bereich der Regulation des Selbstwertgefühls) - Mentzos: die Diagnose ist nicht mehr zulässig wegen ihrer Vieldeutigkeit (sofern die Symptomatik gemeint ist) und ihrer Einseitigkeit (sofern nur die ödipalen Konflikte berücksichtigt werden) 2. Der zwangsneurotische Modus a) Zwangssymptomatik und ihre Dynamik Charakteristika: Als ich-dyston empfunden; sie ist charakterisiert durch Erleichterung, was zu Wiederholungen führt; oft wird Vermeidung oder Aufhebung von Verschmutzung, Ansteckung, Gefährdung usw. angestrebt - Psychodynamik: - Kompromißbildungen zwischen abgewehrten Impulsen und abwehrenden Tendenzen - Abwehr: Affektisolierung, Ungeschehenmachen, Reaktionsbildung Isolierung, Intellektualisierung und Rationalisierung - Zwang sei allgemein ein relativ unspezifisches, »frühes« und regressiv (in Belastungs- und Gefährdungssituation) mobilisiertes Reaktions- und Bewältigungsmuster Geht auf anale Phase zurück: diese hat eine wichtige adaptive und strukturbildende Funktion - Es ist davon auszugehen, dass unter pathologischen Bedingungen bei Menschen, die in dieser Zeit eine Fixierung erfahren haben, in späteren Belastungssituationen ein regressiver Rückgriff auf diese Ich-Organisation und die entsprechenden Bewältigungsmechanismen erfolgt - Stellt ein Gegenstück zur Hysterie dar: Patient will nicht in anderem Licht erscheinen, sondern er interessiert sich für die Folgen seiner Handlung, indem er diese mit Hilfe eines regredierten, magischen Handelns zu kontrollieren versucht Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Da er auch bei Schizophrenie, psychotischer Depression vorkommt: Vielleicht ist der Zwang auch viel allgemeiner ein relativ unspezifisches, »frühes« und regressiv (in Belastungs- und Gefährdungssituation) mobilisiertes Reaktions- und Bewältigungsmuster Die Wiederholung hat auch eine Strukturierende und Strukturbildende Funktion beim Kind (insbesondere in der analen Phase) - Verarbeiteter Konflikt: - Früher: Konflikt zwischen anal-aggressiven und anal-erotischen Tendenzen - Heute: Konflikt zwischen »Gehorsam versus Sich-Auflehnen« (Autonomie-Abhängigkeit) - Wenn eine Mutter auf das Autonomiestreben des Kindes mit Liebesentzug, Strenge und Disziplinierung reagiert wird das Kind durch die einmischenden und dominierende Tendenzen der Mutter in seinen Autonomiestrebungen gestört und reagiert auf ihre Befehle, Verbote und Strafen entweder mit Wut oder auch mit angstvollem Gehorsam Der externe Konflikt mit der Mutter wird zu einem inneren Konflikt zwischen ÜberIch, dem nach Autonomie strebenden Ich und dem nach Abfuhr drängenden Es-Impulsen Ursprüngliche Angst vor der mütterlichen Strafe verwandelt sich z.T. in Schuldgefühl: Das Ich ist ständig bemüht, Schuldgefühle abzubauen (Wiedergutmachungsaktion) und die Es-Impulse zurückzudrängen (um keine Strafe von Über-Ich zu empfangen) Zweifrontenkrieg 3. Der phobische Modus - Psychodynamik Bewußtseinsinhalte, die Angst erzeugen, werden verdrängt An Stelle der ursprünglichen Inhalte (Vorstellungen und/oder Gefühle) werden belanglose äußere Situationen gesetzt, die leicht vermieden werden können Die Angst wird verschoben - Mechanismus: - Angst als Pseudoprogressive Lösung, der in 2 Phasen verläuft 1. Die Angst vor einer bestimmten inneren Situation wird verdrängt dadurch wird aber die unreifere (diffuse) Angst gefördert 2. Vermeidung der diffusen Angst durch einen künstlichen Inhalt (z.B. vor Brücken usw.) Greenson: »Eine Form der Angst wird als Abwehr gegen eine andere Angst benutzt.« Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Für die Wahl des Angstgegenstandes ist wichtig a) der symbolischer Wert begünstigend wirken: Gestaltähnlichkeiten, gemeinsame Merkmale b) die einfache Konditionierung bei vielen ehemaligen Phobikern tauchen später andere Symptome auf Mentzos fasst die verschiedenen Abwehrformen (psychosoziale, psychosomatische, neurotische Charakterzüge oder Symptombildungen) als »Verteidigungslinien« auf, die oft auch untereinander ausgetauscht bzw. gewechselt werden Verarbeiteter Konflikt: Traditionell handelt es sich um genitale und ödipale Konflikte („Der kleine Hans“) Neuere Auffassung: Phobien (in ähnlicher Weise wie auch andere Angstreaktionen) beziehen sich auf einen Objektverlust (Liebesentzug) und stehen primär mit einer Gefährdung der dyadischen Mutter-Kind-Beziehung in Zusammenhang - Der phobischen Charakter: Der Konflikt wird hier dadurch pseudogelöst, daß Situationen oder psychische Zustände, die eigentlich erwünscht (aber gefürchtet) sind, vermieden (oder verschoben) werden 4. Der angstneurotische Modus - Freud: Angstneurose, Hypochondrie und Neurasthenie fasst er zunächst unter die Aktualneurosen, die durch eine mechanische Libidostauung hervorgerufen würden Erst später erkennt er intrapsychische Konflikte: Angst als Ich-Leistung mit Signalfunktion - Angstneurotischer Anfall: Zustand intensiver Angst, der sich aber weniger auf konkrete Objekte oder Situationen bezieht, sondern eher eine diffuse Angst darstellt Im Vordergrund steht die Vorstellung umzufallen oder in eine extreme Situation der Hilflosigkeit und Unkontrollierbarkeit zu geraten - Psychodynamik: Bewusst erlebte Angst vor dem Verlust der physischen Existenz verbirgt eine tieferliegende Angst vor Selbstverlust (Verlust der psychischen Existenz) Beim angstneurotischen Modus wird aus der ursprünglichen Selbstverlustangst eine Angst vor dem angeblichen Versagen körperlicher Funktionen oder vor dem Angstanfall selbst Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Der „neurotische Vorteil“ besteht darin, daß Angst in vollem Umfang und in relativ konkretisierter/verständlicher Form erlebt und Vertrauenspersonen gezeigt werden kann, ohne daß die eigentliche und der Vorstellung ohnehin schwer zugängliche Angstquelle (und die damit zusammenhängenden Inhalte) bewußt zu werden brauchen - Verarbeiteter Grundkonflikt: - Meist geht der Angst eine faktische oder symbolische Trennungssituationen voraus Beantwortet wird dies nicht so sehr (wie normalerweise) mit seelischem Schmerz, sondern existentieller Angst - Zugrunde liegt meist eine mangelhafte Ausbildung der Objektkonstanz die schwache Ausbildung der Objektrepräsentanz führt zugleich zu einer Labilisierung und Inkonstanz der Selbstrepräsentanz Daher auch die Angst vor Selbstverlust - Keine scharfe Trennung Angstneurose Phobie (Der Phobie geht meist einer Angstneurose voraus) - Abgrenzung zur Psychose und Borderline (wo auch Angst auftauchen): 1. Schwäche der Objektkonstanz 2. Entstehung anlässlich eines drohenden oder erfolgten Objektverlustes 3. (symbolische) Angst vor einem Verlust der Selbstrepräsentanz als Angst um die physische Existenz dargestellt IX. Variationen der narzisstischen (aber nicht psychotischen) Verarbeitungsmodi 1. Der depressive Modus - Psychodynamik: - Depression als pathologische Abart der Trauerreaktion (bei Verlusterlebnissen) ähnlich der neurotischen Angst - Es entstehen drei Teufelskreise: 1. Ich-Einschränkung in Form eines Rückzuges von der Welt Aufgrund der Intensität bietet dies keinen Schutz mehr, sondern bewirkt ein Absinken der Selbstachtung dies führt zu vermehrter Ich-Einschränkung usw. 2. Die Kränkung des Verlustes führt zu (Frustrations-)Aggression, die autoaggressiv abgewehrt wird Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 Je größer die Selbstbestrafung wird, desto größer wird die Wut, die wiederum abgewehrt werden muss 3. Trauerreaktion wird mit Introjektion des verlorenen Objekts beantwortet Das Introjekt ist jedoch beim Depressiven wesentlich primitiver und führt nicht zur Erleichterung da dieses höchst ambivalent ist, die typischen Selbstvorwürfe des depressiven gelten so auch dem bösen Anteil des introjezierten Objekts - Wesentlich beim depressiven Modus ist der narzisstische Rückzug bei allen diesen Vorgängen - Verarbeiteter Grundkonflikt: - Faktischer oder symbolischer Objektverlust der zur narzisstischen Kränkung führt Bei ihnen ist kein oder nur ambivalentes Objekt vorhanden: Sie konnten nicht durch phasengerechte Internalisierungen gut integrierte, innere Objekte aufbauen An die Stelle von normalen kompensatorischen Mechanismen tritt z.B. Stabilisierung durch äußere Menschen oder Leistungsanforderungen ein Verlust führt so zur Dekompensation - Unterschied zur Angstneurose: a) Depression: Ein Objekt fällt weg, dass Liebe, Anerkennung und Bewunderung bietet Gefahr des Verlustes des eigenen Wertes Dies führt zur Depression Angstneurose: Ein Objekt fällt weg, dass eher Schutz und Sicherheit bietet b) Da das Kind in der frühen Entwicklung Angst hatte, die Liebesobjekte zu verlieren musste es sich stark nach deren Geboten richten ein strenges Über-Ich (hohe Selbstansprüche, um das Selbstwertgefühl aufrecht zu erhalten) - Unterschied zu Zwangsneurotischem Modus: Zwang: Ihm gelingt es das Über-Ich mit Hilfe von magischen Handlungen, symbolischen Wiedergutmachungen zu beschwichtigen Depressive: Er ist gezwungen die Aggression in Autoaggression umzuwandeln Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 2. Der hypochondrische Modus: Projektion auf und Konkretisierung durch den eigenen Körper - Freud: Er verstand Hypochondrie eher physiochemisch - Sullivan: Abwehrreaktion, wobei die Selbstbeobachtung der Vermeidung konfliktträchtiger interpersoneller Situationen dient - Komplizierte Körpersprache oder ein symbolischer Hinweis auf bestimmte Existenzprobleme - Vergleich mit Hysterie: - Hysterie: es geht um Identifikation durch Körpersprache wird etwas ausgedrückt, womit er sich identifiziert (Quasi-Veränderung der Selbstrepräsentanz) Hypochondrie: es geht um Introjektion und Projektion in den eigenen Körper: er projiziert in seinen Körper oder sein psychisches Leiden (in die Ich-Repräsentanz) alles hinein, was ihn ängstlich stimmt, was ihm schlimm, aggressiv, gefährlich erscheint hier kann es dann bekämpft werden 6. Der Modus der (nicht psychotischen) Spaltung und projektiven Identifikation (Borderline im engeren Sinne) - Psychodynamik: Mechanismus der Spaltung, der zur Vermeidung des Zusammentreffens inkompatibler Inhalte benutzt wird dadurch kann das gute Bild eines Objekts nicht zerstört werden - Abwehr: primitive Idealisierungen, Projektionen und vor allem projektive Identifizierung 1. »böse« Selbstanteile werden durch Projektion externalisiert 2. es entstehen gefährliche Objekte, Aggressoren, die der Patient nunmehr bekämpft, indem er sich mit ihnen identifiziert (er wird also auch zum Aggressor) seine (bewußte) Überzeugung ist, daß er zuerst vom anderen angegriffen wurde! - Verleugnung: Bestimmte psychische Phänomene werden dazu benutzt, andere Phänomene der gleichen Klasse zu verleugnen oder ihnen zu widersprechen dadurch kann ein Affekt durch den gegenteiligen Affekt dargestellt (z.B. Liebe durch Aggression) werden Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 X. Variationen der Modi der narzisstischen (Selbst)Kompensierung 1. Typische Charakterbildungen (nach KOHUT) - spezifisch Charaktertypen der narzisstischen Störung: a) Nach Spiegelung hungernde Persönlichkeiten: Suchen Selbstobjekte, deren bestätigende und bewundernde Reaktionen das ausgehungerte Selbst nähren soll. b) Nach Idealen hungernde Persönlichkeiten: Suchen einen anderen Menschen, den sie wegen seines Prestiges, seiner Macht, seiner Schönheit, seiner Intelligenz oder seiner moralischen Größe bewundern können c) Alter-ego-bungrige Persönlichkeiten: Brauchen eine Beziehung zu einem Selbstobjekt, das den Meinungen und Werten des (eigenen) Selbst entspricht und somit die Existenz, die Realität des Selbst bestätigt Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Eindeutig pathologische Formen: d) Nach Verschmelzung hungernde Persönlichkeiten: Sie versuchen ständig, ihre Selbstobjekte zu kontrollieren (egal, ob es sich um spiegelnde, idealisierte oder »Alter-ego«-Selbstobjekte handelt) Verschmelzungsbedürfnis, um die Selbststruktur zu ersetzen e) Die kontaktvermeidenden Persönlichkeiten: Gegenteil der gerade beschriebenen verschmelzungshungrigen Persönlichkeiten sind (Schizoider Typ) 2. Der Modus der Perversion - Psychodynamik: Bestimmte Formen perversen Verhaltens erinnern häufig an bestimmte Details des ‚normalen’ Sexualverhaltens oder haben Ähnlichkeit zur infantilen Sexualität des Kindes Die Perversion unterscheidet sich hiervon jedoch: so ist die infantile Sexualität z.B. ein noch nicht integriertes Sexualverhalten, während bei der Perversion die Integration blockiert ist. Ein Partialtrieb wird herausgenommen und fast krankhaft-zwanghaft übertrieben betätigt und »kultiviert« - Analytische Vorstellung: Die Kastrationsangst zwingt den Perversen, einen Ausweg zu suchen Das Ausweichen in das perverse Verhalten diene dazu, alles, was mit Kastration zusammenhängt oder an sie erinnert, zu verleugnen Nur bei dessen Erfolg sei sexuelle Erregung und Befriedigung möglich - Neuere Auffassung: Perversion hängt darüber hinaus zusammen mit 1) Vernichtungs-, Todes-, Trennungs- und Verschmelzungsängsten, die auf eine nicht glücklich gelöste Mutterbeziehung zurückgehen 2) strukturellen Mängeln des Selbst und des Körperbildes - Die Perversion findet statt, um a) trotz Kastrationsangst - durch Ablenkung oder Umgehung dieser Angst - sexuelle Erregung und Befriedigung zu erreichen b) eine Stabilisierung und Komplettierung eines defizitären Selbstsystems, einer brüchigen Identität, kurzum eines strukturellen Mangels zu erreichen Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Sexualisierung als Abwehr: Bereits in der Auseinandersetzung mit frühen Konflikten in der Kindheit kann eine übertriebene Genitalbesetzung auch eine Abwehr darstellen da das Kind merkt, dass die genitale Befriedigung Selbst-stabilisierend und damit Autonomiefördernd wirkt Dieser normale Vorgang kann unter bestimmten Umständen in den Dienst neurotischer Abwehr (z.B. in Form der Perversion) treten: hier dient er dann dazu, unerledigte Konflikte und Ängste aus der präödipalen Phase (also strukturelle Mängel) zu überdecken in diesem Sinne wird diese narzisstisch stabilisierende Funktion fast Suchtartig ausgeführt - Wichtig ist dabei: Die reife genitale Sexualität muss Angstbesetzt sein, so dass sie nicht zur Stabilisierung herangezogen werden kann (Gründe s.o.) a) Exhibitionist: - Resultat eines Funktionswandels der normalen exhibitionistischen Tendenz zu Beginn der phallischen Phase Die erschreckte Reaktion der Frau soll ihm immer wieder »beweisen«, daß er ein vollwertiges Genital besitzt und keine Kastration zu befürchten hat Es besteht auch eine schützende Distanz, wodurch keine Kastrationsangst und keine eigenen aggressiven Impulse entstehen können b) Voyeurist: - Perverser Funktionswandel normaler Erregung beim Anschauen des Liebesobjektes Feststellung, dass nicht er, sondern die Frau keinen Penis hat: als Abwehr aggressiver Impulse zu verstehen c) Fetischist: - Wenn die Ablösung bis zur ödipalen Phase noch nicht stattgefunden hat, so mobilisiert das Erwachen genitaler sexueller Erregungen eine Trennungsangst Um die Angst abzuwehren, werden frühe (orale) Beziehungsformen aktualisiert, dies verursacht Verschmelzungsängste, womit die Gefahr des Selbstverlustes und des Verlustes der Geschlechtsidentität entsteht - Fetisch ist hier eine Kompromisslösung des Konfliktes: Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 er symbolisiert ein mütterliches Teilobjekt (und verschafft so eine partielle Einheit mit der Mutter) Der sadomasochistische Modus: Lust am Quälen und Zerstören statt aktiv liebender Eroberung, Lust am Leiden und am Schmerz statt Angst- und schuldfreiem Geliebtwerden - Sie stellen neurotische »Lösungen«, Kompromißbildungen, Verzerrungen der Befriedigung von einerseits libidinösen bzw. Kontaktbedürfnissen und andererseits konstruktiv-aggressiven Bemächtigungsstrebungen dar, um das Selbst zu stabilisieren a) Sadismus: - Früher: Destruktive Aggression gilt als natürlicher Trieb sadistisches »Vergnügen« sei einfach nur eine Befriedigung eines solchen Triebes - Fenichel: Sadismus sei als Abwehr, als Schutzmaßnahme gegen Angst, insbesondere gegen Kastrationsangst zu interpretieren Angst vor sexueller Beziehung, die erst nach der aggressiven Herrscher-Position eingegangen werden kann - Winnicott: Die primäre konstruktive Aggression ist ein Teil des primitiven Liebesausdrucks, der sich in der primären Motilität (= Gesamtheit willkürlicher Muskelbewegungen), Spontaneität und Impulsivität zeigt zugleich symbolisiert sich hierin auch ein imaginärer Angriff auf die Mutter dagegen sei ein »funktionsloses«, sinnlos destruktives Verhalten das Resultat eines desintegrativen »gestörten« Vorganges - Sadismus ist letztlich ein Surrogat für mutige, offene, aktive liebende Eroberung Da diese reife Form der Zuwendung nicht möglich ist, entwickelt sich ein Ersatz: in Form einer Regression in die anale oder orale Phase - In der analen Phase findet ein Zusammenstoß zwischen dem Narzissmus und den Objektbeziehungen statt Der Sadismus stellt einen - pathologischen - Versuch der Lösung der in diesem Zusammenstoß enthaltenen Probleme und Ängste dar Es geht um Ablösungs- und Autonomiestrebungen und Verschmelzungswünsche b) Masochismus: - Das Leiden ist ein Opfer das Gebracht werden muss, um Lust (also nicht bestraft zu werden) zu empfinden Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Das Geschlagenwerden, das Leiden, die Schmerzen und das beherrschende, aggressive Verhalten sind oft einem unaggressiven, distanzierten und nicht engagierten Verhalten vorzuziehen. Lieber den Schmerz und das Geschlagenwerden als überhaupt keine Zuwendung. Es ist als Ausdruck eines intensiven Wunsches nach Kontakt zu verstehen - Funktion: Verzerrung normaler Befriedigungsmodi 1. Schuldentlastung (beim moralischen Masochismus), Angstbefreiung und Wunsch nach intensivem Kontakt 2. Funktion als Selbststabilisierung („je schwächer und unsicherer das Selbst ist, desto mehr braucht es intensiv empfundene Gefühle (hier sexuelle), die es stärken und bestätigen“) - femininer Masochismus: Eine Frau wird von Beginn durch das Vorbild der Mutter dahin ausgerichtet, ihr Lebensziel darin zu sehen, geliebt zu werden, einen Mann zu lieben, ihn zu bewundern, ihm zu dienen sowie sich ihm anzupassen und seine Kinder in mütterlicher Aufopferung großzuziehen diese abhängige Sozialisation kommt häufiger beim Mädchen als beim Jungen vor 3. Homosexualität: Abwehr einer Angstbesetzten Heterosexualität oder eine zweite Möglichkeit der (Selbst-)Entwicklung? 1. Homosexualität ist eine konstitutionell vorgegebene und den Psychopathien vergleichbare Abnormität des Sexualverhaltens 2. Homosexualität sei ein erlerntes, habituelles Sexualverhalten 3. Homosexualität sei eine pathologische Lösung des Ödipuskonfliktes. Sie sei ein Ausweichen vor der »gefährlichen« (sogenannten Kastrations-)Angst in der heterosexuellen Situation (Modifikation: Angst vor Verschmelzung, vor Kontrollverlust und Selbstverlust) 4. Homosexualität sei einfach ein anderer Weg zur narzisstischen Homöostase, zur Identität und Triebbefriedigung unter Vermeidung von Nachteilen für das Selbst 6. Der Modus der Sucht: Verleugnung der Realität, künstliche Veränderung des Selbsterlebens, Verschmelzung mit einem Ersatzobjekt - Freud: Ersatz für mangelnden Sexualgenuss es sei eine Form der Onanie Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 - Sucht fördert, wie ‚normale’ narzisstische Mechanismen, die Bewältigungs- bzw. Abwehrmechanismen, mit denen Störungen des narzißtischen Gleichgewichtes kompensiert werden 1. Regression in den primären Zustand (Durch Suchtmittel: Aufhebung der Ich-Grenzen und mehr diffuse Erlebnisweise) 2. Verleugnung der schmerzlichen Realität (u. a. mit Hilfe von Größenphantasien) (Berauschende Wirkung führt zur Einschränkung der Realitätsprüfung fördert Größenphantasien) 3. Identifikationen mit den idealisierten (Selbst-)Objekten (Auch die Inkorporation einer Wunderdroge nimmt symbolisch die Charakteristika eines Selbstobjektes an) Das Suchtmittel wird zum Ersatztriebobjekt als auch zum Ersatz für einen strukturellen Mangel Sucht vermittelt eine narzisstische Zufuhr, die nicht auf andere Weise gewonnen werden kann XI. Der psychosomatische Modus Die psychosomatische Symptombildung - Die Symptome sind als adaptative Versuche und Leistungen des Ichs zu verstehen sie dienen der Konfliktabwehr, der kompromißhaften oder ersatzweisen Abfuhr und der Kompensierung struktureller Mängel Die Konfliktabwehr, die kompromißhafte oder ersatzweise Abfuhr und die Selbststabilisierung erfolgen im Bereich der psychosomatischen Störungen durch körperliche Funktionen, Reaktionen, Organe - Modelle zur Umsetzung ins Somatische (neben den identifikatorischen und introjektivprojektiven Mechanismen bei Konversionsstörung und Hypochondrie): a) Das chronische Affektkorrelat - Es findet ein Dauererregungszustand bestimmter Anteile des vegetativen Systems statt, dass bei systematischer Blockierung und Frustrierung auf der psychischen Ebene nicht bewusst erlebt, dass aber durch ihr psychophysiologisches Korrelat nachhaltig aufrechterhalten wird diese Dauerirritation führt zu Funktionsstörungen und Organschäden Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 b) Der Organmodus - Es findet eine Zurückübersetzung des Psychischen in eine Körpersprache statt, die allerdings viel archaischer ist als die der Konversionshysterie Die Entwicklung der Besonderheiten der Organmodi ist abhängig von allgemeinen entwicklungspsychologischen Gesetzmäßigkeiten, von der individuellen Biographie und persönlichen Erfahrung Die psychosomatische Reaktion ist eine frühsymbolische Darstellung in der Organsprache (im Gegensatz zur Konversionshysterie, die eine reifere/spätere ‚Körpersprache’ darstellt) c) Das somatopsychisch-Psychosomatische Modell - Oft finden recht komplizierte kreisförmige Wechselwirkungsprozesse statt Ein primärer biologischer Faktor kann die psychische Entwicklung dahingehend ungünstig beeinflussen, daß durch ihn eine psychosomatische, krankhafte »Lösung« resultieren kann - Verarbeitete Grundkonflikte: frühe, präödipale Konflikte wie Ablösungsproblematik bzw. orale Abhängigkeit (Ulcus), Nähe-Distanz-Problematik (Asthma), Trennungsproblematik und Autonomie (Colitis) XII. Variationen der psychotischen Verarbeitungsmodi - wie neurotische Störungsbilder, nur wahnhaftere Symptome XIII. Der häufigste Modus: psychosoziale Abwehr und psychosoziale Arrangements 1. Interpersonelle und institutionalisierte Abwehr - Indem konfliktuöse reale Objektbeziehungen durch Internalisierung ins innerseelische übernommen werden, werden Konflikte zu intrapsychischen Konflikten Wenn man diesen Prozess weiter verfolgt, erkennt man, dass es auch eine Gegenbewegung gibt: die Tendenz, Konflikt wieder nach außen zu verlegen (zu externalisieren) Dies aber nicht um die Konflikte zu beleben und zu verarbeiten (wie dies z.B. in der Therapie geschieht), sondern wie die Internalisierungsvorgänge, so nehmen auch die Externalisierungsvorgänge oft sehr schnell den Charakter von Abwehrvorgängen an - Diese Externalisierungsvorgänge können zu bestimmten psychosozialen Arrangements führen: Abwehr, d.h. Unbewusstmachung unlustvoller Gefühle z.B. durch Referat von Alexander Miró: S. Mentzos: Neurotische Konfliktverarbeitung (II) SS ´04 Kompensation narzißtischer Defizite kompromisshafte Befriedigungen Interpersonale Abwehr (ähnlich dem Kollusionskonzept von Willi): Im Vordergrund steht hier die Komplementarität der neurotischen Abwehr: dies führt zur Einschränkung und Einengung, blockiert die Bewältigung des zugrundeliegenden Konfliktes und die freie Entfaltung - Institutionalisierte Abwehr: Ähnliche Abwehr- und kompensatorische Funktionen finden sich auch bei Institutionen So kann auch die von der Institution angebotene Rolle vom einzelnen zum Zwecke der individuellen neurotischen Abwehr benutzt werden (z.B. die Funktion eines Managers/Vorstandsvorsitzenden o.ä. zur Kompensation narzisstischer Defizite) Die Institutionen ihrerseits gewinnen dadurch, daß sie dem einzelnen diesen Neben-»Service« bieten, an Stabilität 3. Kulturabhängigkeit und epochaler Wandel neurotischer Störungen als Folge der Veränderung und/oder des Abbaus von Institutionen - Wenn man annimmt, dass Institutionen die Funktion einer Ich-Stütze (in Form einer Abwehr oder Kompensation) ausüben, so ist anzunehmen, dass eine politisch-historische Wandlung die einen sozialen Zerfall mit sich bringt, zugleich auch von einer Auflösung oder zumindest Modifikation der institutionalisierten psychosozialen Abwehrkonstellationen begleitet sein kann Mentzos bringt damit die Schwerpunktverschiebung einzelner neurotischer Erkrankungen in Zusammenhang früher gab es z.B. deutlich mehr Hysterien, während heute die narzisstischen Störungen zugenommen haben